Zukunftslabor Universität - Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - ESIT

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Zukunftslabor Universität - Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - ESIT
Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik

            Zukunftslabor Universität
          ESIT – Erfolgreich studieren in Tübingen
      Ideen und Entwicklungen für Studium und Lehre

                  Sabine Merkens (Hrsg.)

                   Band 16/1 · Tübingen 2020

               Dezernat III – Studium und Lehre
                   Arbeitsstelle Hochschuldidaktik
Zukunftslabor Universität - Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - ESIT
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

    Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
    Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische
    Daten sind im Internet über http://ddb.de abrufbar.

Bitte zitieren Sie dieses Dokument als:

http://hdl.handle.net/10900/110591
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-dspace-1105910
http://dx.doi.org/10.15496/publikation-51967
ISSN: 1861-213X

Überarbeitete und aktualisierte Auflage                              Titelbild:
Redaktion und Satz dieses Bandes:                                    © gremlin – istockphoto.com
Andrea Fausel, Heiko Heil
Layout: Heiko Heil
© Universität Tübingen
                                                                     Dieses Dokument wird bereitgestellt von TOBIAS-lib
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Eberhard Karls Universität Tübingen                                  Universitätsbibliothek
Dezernat III – Studium und Lehre                                     Hochschulpublikationen/Dissertationen
Arbeitsstelle Hochschuldidaktik                                      Wilhelmstr. 32
Sigwartstr. 20                                                       72074 Tübingen
72076 Tübingen                                                       Tel.:      +49 (0) 7071 29-76999
Tel.:      +49 (0) 7071 29-78385                                     Fax:       +49 (0) 7071 29-3123
Fax:       +49 (0) 7071 29-5615                                      hochschuldidaktik@uni-tuebingen.de
hochschuldidaktik@uni-tuebingen.de                                   edl-publ@ub.uni-tuebingen.de
www.uni-tuebingen.de/hochschuldidaktik                               http://tobias-lib.uni-tuebingen.de
Zukunftslabor Universität - Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - ESIT
Editorial

Mit den Tübinger Beiträgen zur Hochschuldidaktik haben wir uns zum Ziel gesetzt, den hochschuldidaktischen Dis-
kurs an der Universität Tübingen zu fördern und zugleich öffentlich zu machen. Die Zeitschrift ist ein Ort für fach-
wissenschaftliche Überlegungen, begleitet aber auch bewusst den interdisziplinären Dialog. Dabei wurden in den
letzten Jahren eine Reihe von Themen angesprochen, Perspektiven beleuchtet und Impulse zur Gestaltung der Lehre
gegeben.

Die Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik bieten zum einen ein Forum für Abschlussarbeiten, die in der Qualifizie-
rung für Lehrende im Rahmen des Hochschuldidaktikzentrums Baden-Württemberg entstehen. Die hohe Qualität
dieser Arbeiten und das Ziel, diese einer hochschuldidaktisch interessierten Öffentlichkeit bekannt zu machen, führ-
te 2005 zur Gründung der Zeitschrift. Zum Zweiten werden in der Zeitschrift in einem weiteren Rahmen aktuelle
hochschuldidaktische Fragestellungen, Projekte aus der Praxis und innovative Lehrformate aufgegriffen. Die Beiträ-
ge sollen Lehrenden, die didaktischen Herausforderungen begegnen, Reflexionsansätze und praktische Hilfestellun-
gen bieten. In einer Zeit sich verändernder Rahmenbedingungen für das Lehren und Lernen können auch erfahrene
Lehrende neue Anregungen finden.

Der vorliegende Band widmet sich den Erfahrungen und Ergebnissen aus dem Projekt ESIT – Erfolgreich studieren
in Tübingen, das von 2011 bis 2020 im Rahmen des Qualitätspakts Lehre durch das Bundesministerium für Bildung
und Forschung gefördert wurde. Das Projekt zeichnete sich durch ein breites Spektrum an Themen und Maßnahmen
aus – was sich auch im Inhalt dieses Bandes widerspiegelt, beginnend mit erfolgreichen Methoden und Formaten in
der Lehre über Lehrentwicklung und Qualifizierung bis zum Übergang von der Universität ins Berufsleben. Vielfalt
und Vernetzung sowie wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der Lehr- und Lernkultur haben die ESIT-Jahre
geprägt und Spuren hinterlassen.

Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre mit interessanten Ein- und Ausblicken.

Andrea Fausel, Regine Richter                                                        Tübingen, im November 2020
Zukunftslabor Universität - Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - ESIT
Inhalt

ESIT – Erfolgreich studieren in Tübingen: Eine neue Kultur des Lehrens und Lernens    7
Sabine Merkens

Erfolgreiche Methoden und Formate in der Lehre

Tafel 2.0 – Vorlesungen mit Grafiktablets                                            11
Sebastian Slama

Das Projektseminar Forschung – Eine Veranstaltung zur Profilbildung                  13
eines forschungsorientierten Masters in der Informatik
Britta Dorn

Die „Math Hour“ – Lernzentrum mit Pfiff
Studienbegleitende Kurse und Vorkurse                                                16
Ivo Radloff

Umfangreichen und komplexen Lehrstoff kompakt vermitteln – Studentische              18
Osmose und die Bedeutung von Initialzündungen
Ursula Offenberger

Service Learning und gesellschaftliches Engagement                                   20
Petra Kleinser und Franziska Müller

Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) in die Hochschullehre integrieren –        23
Ein Tübinger Praxisbericht
Birgit Hoinle, Amelie Schönhaar und Thomas Potthast

Lehrentwicklung und Qualifizierung

Online-Formate als selbstverständlicher Bestandteil                                  27
hochschuldidaktischer Weiterbildung
Andrea Fausel

Tutorienarbeit zur Stärkung der Lehre                                                30
Mihaela Pommerening und Manuel Halseband
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Student Peer Teaching – Profit für Fakultät, Lehrende und Studierende                                  34
Miriam Rothdiener, Teresa Loda, Lene Herrigel, Anne Herrmann-Werner, Stephan Zipfel und Jan Griewatz

Die Begleitung von Studiengangentwicklungsprozessen an der Universität Tübingen:                       37
Entwicklung innovativer Curricula und praxisorientierter Lehrmodule fördern (ICPL)
Carolin Niethammer, Sabine Schöb und Josef Schrader

Von der Universität ins Berufsleben

Chancen und Grenzen von Online-Formaten bei Beratung und Coaching                                      41
zur Berufsorientierung
Ruven Wiljan

Anregungen zu Berufsorientierung und Praxisbezug in der Lehre                                          44
Ramona Gresch, Barbara Jaeger, Antonia Platten und Caecilie Weissert

Das Praxisportal – die Stellenbörse der Universität Tübingen                                           47
als Werkzeug zur Berufsorientierung
Philipp Brugger, Katrin A. Dela Fonte und Barbara Jaeger

ESIT-Vernetzungswoche:
Beitr äge externer Referenten

Digitalisierung in Hochschulen Tübingen – neue Lehr-/Lernwege                                          51
benötigen andere Finanzierungsstrukturen
Dieter Dohmen

Das Orientierungsstudium MINTgrün an der TU Berlin                                                     54
Überblick und Erfahrungen
Christian Schröder

Employability an Universitäten                                                                         57
Andreas Eimer und Jan Knauer

Im Rahmen des ESIT-Projekts erschienene Publikationen                                                  60

Autorinnen und Autoren                                                                                 66
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Erfolgreich studieren in Tübingen (ESIT):
                  Potentiale erkennen und fördern – Chancen eröffnen – Verantwortung übernehmen
                              BMBF-Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre (Qualitätspakt Lehre)

                                                                          Maßnahmenlinien, Teilprojekte und Ziele

         Erfolgreich studieren lernen –                   Erfolgreich studieren lernen –            3.3   Erfolgreich lehren lernen –                 Entwicklung Innovativer Curricula und
3.1      Beratung & Praxisorientierung optimieren
                                                    3.2   Studienerfolg sichern                           Förderung besserer Lehre
                                                                                                                                                3.4   praxisorientierter Lehrmodule fördern

 3.1 a      Self Assessment                          3.2 a Propädeutika/Coaching-Kurse               3.3 Hochschuldidaktik:                      3.4 Innovative Curricula:
                                                           in MINT-Fächern – Juniordozenturen            Qualifizierungskonzept und                  Bildungsforschung
 3.1 b      Beratung/Coaching/Berufswege                   Mathematik, Informatik, Chemie, Physik        Tutorenausbildung
                                                                                                                                                 3.4 Innovative Curricula:
 3.1 c      Praktikums- und Masterbörse              3.2 b Propädeutika SoWi –                       3.3 Medizindidaktik:                            Jährlich geförderte Konzepte
                                                           Juniordozentur Methoden                       Student Peer Teaching
                                                                                                                                                 3.4 Innovative Curricula:
                                                     3.2 c Peer Learning – Juniordozenturen                                                          Bildung für Nachhaltige Entwicklung/
                                                           Biochemie und Biologie                                                                    Studium Oecologicum

                                                     3.2 c Mittel für Peer Learning und Arbeit in
                                                           Kleingruppen

                                                     3.2 d Diversitätsorientiertes Schreibzentrum

                                                     3.2 d Service Learning

                                                     3.2 d Optionale individuelle Studien
                                                           im Studium Professionale
 Ziele:                                              Ziele:                                          Ziele:                                      Ziele:
 Übergang Schule/Hochschule:                         - Unterstützung der Studieneingangsphase        - Unterstützung und Qualifizierung der      - Studiengangsentwicklung: Lehrende
 - Verbesserung der Orientierung und Ent-              für Studierende der MINT-Fächer.                Lehrenden in unterschiedlichen Status-      unterstützen und ihnen Freiräume gewäh-
   scheidungshilfe für Studieninteressierte.         - Behebung von Wissensdefiziten.                  bzw. Zielgruppen (Tutoren, Lehrende).       ren für grundlegende Neukonzeption von
 Beratung und Berufsorientierung:                    - Vermittlung von fächerübergreifenden          - Differenzierte Formatentwicklung.           Lehr-/Lern-/Prüfungsformen sowie von
 - Auf- und Ausbau einer Beratungs- und                Grundkenntnissen.                             - Qualifizierungsmaßnahmen für Tutoren/       Curricula.
   Coaching-Struktur, Unterstützung der              - Verbesserung von Lehrangebot, Betreu-           Peer Learning, begleitende Überprüfung    - Begleitung, Beratung und Qualifizierung
   Studierenden im Studienverlauf sowie                ung und Betreuungsverhältnis.                   der Effektivität und bedarfsgerechte        von Lehrenden im Bereich Curriculums-
   in Entscheidungs-/Abschlussphasen                 - Unterstützung des Übergangs Bachelor/           Weiterentwicklung der Maßnahmen             entwicklung.
   (Bewerbung).                                        Master (WiSo: Angebote zu quantitativen         (Medizin).                                - Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)
 - Ermöglichung der individuellen Profil-              und qualitativen Methoden).                                                                 als Querschnittsthema der Curriculums-
   bildung (Berufs-/Arbeitsmarktorientierung,        - Förderung des gemeinsamen Lernens.                                                          entwicklung etablieren.
   berufliche Qualifizierung in Praktika,            - Sicherung der Qualität der Lehre in labor-                                                - Begleitforschung und Transfer der Ergeb-
   Unternehmenskontakte).                              intensiven Fächern (MINT).                                                                  nisse in die Universität.
 - Persönlichkeitsentwicklung.                       - Aufbau eines diversitätsorientierten
                                                       Schreibzentrums.
                                                     - Übernahme gesellschaftlicher Verant-
                                                       wortung, Verbindung Service Learning
                                                       und forschendes Lernen.
                                                     - Schaffung von Gelegenheitsstrukturen für
                                                       individuelle Profilbildung, Verbindung von
                                                       Theorie und Praxis.
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Sabine Merkens

ESIT – Erfolgreich studieren in Tübingen:
Eine neue Kultur des Lehrens und Lernens

Kontext des Projekts                                       Verbesserung der Studienbedingungen
                                                           und mehr Qualität in der Lehre
Als Volluniversität mit aktuell etwa 28.000 Studie-
renden, 528 Professorinnen und Professoren und ei-         Verbesserung der Studienbedingungen und mehr Qua-
ner großen Vielfalt an Fächern ist sich die Universität    lität in der Lehre – um dies zu erreichen, wurden insge-
Tübingen ihrer Verantwortung für gute Studienbe-           samt 15 Teilprojekte sowohl in den Fakultäten als auch
dingungen und eine qualitativ hochwertige Lehre be-        in der zentralen Verwaltung der Universität verankert.
wusst. Die Universität bietet ihren Studierenden ne-       In vier Maßnahmenlinien adressierten die Teilprojekte
ben einer hohen wissenschaftlichen Fachqualifikation       übergeordnete Ziele (siehe auch Grafik auf Seite 6).
auch ein Angebot an überfachlichen berufsfeldorien-            Linie 1 „Erfolgreich studieren lernen – Beratung
tierten Kompetenzen und bereitet sie sowohl auf eine       und Praxisorientierung optimieren“ nahm die Heraus-
wissenschaftliche Laufbahn als auch auf den Einstieg       forderungen des Übergangs von der Schule in die Uni-
in einen außeruniversitären Beruf vor. Neue Lehr- und      versität in den Blick, verbesserte die Studienorientie-
Veranstaltungsformate sowie Beratungsangebote be-          rung und ermöglichte eine fundierte Studienfachwahl,
rücksichtigen die unterschiedlichen Voraussetzungen        u.a. durch Self Assessment-Angebote. Beim Übergang
und Bedürfnisse einer diversen Studierendenschaft          vom Studium in den Beruf unterstützen professionelle
und unterstützen den individuellen Studienerfolg in        Beratungs- und Coachingangebote des Career Service
allen Phasen des student life cycle. Lehrende auf allen    die Studierenden beim erfolgreichen Berufseinstieg.
Ebenen werden hochschuldidaktisch weitergebildet           Die neu entwickelte Praktikums- und Masterbörse bie-
und erhalten Unterstützung bei der Entwicklung inno-       tet den Studierenden die Möglichkeit, Unternehmens-
vativer und praxisorientierter Lehrmodule.                 kontakte zu knüpfen und Praxiserfahrungen in geeig-
    Dass dies heute so ist, daran hatte das Projekt        neten Berufsfeldern zu sammeln. Zur Information über
„ESIT – Erfolgreich studieren in Tübingen“ einen we-       mögliche Berufswege ist ein eigenes Veranstaltungs-
sentlichen Anteil. In neun Jahren Projektlaufzeit hat      angebot etabliert.
die Universität Tübingen erfolgreich eine neue Kultur          Linie 2 „Erfolgreich studieren lernen – Studiener-
des Lehrens und Lernens auf den Weg bringen kön-           folg sichern“ setzte an der Verbesserung des Lehr- und
nen. Die lange Laufzeit erlaubte es, neue Strukturen zu    Serviceangebots an. Insbesondere in den MINT-Fä-
schaffen und Angebote für Studierende und Lehrende         chern galt es, der Heterogenität der Studierenden und
zu etablieren, die heute im universitären Alltag selbst-   deren unterschiedlichen fachlichen Vorkenntnissen
verständlich erscheinen. Quasi unter Laborbedingun-        mit einem diversitätsorientierten Angebot in der Stu-
gen reiften neue Formate und Methoden von der Idee         dieneingangsphase zu begegnen und die Durchfall-
zur Umsetzung. Vieles wurde angestoßen, auspro-            und Abbruchquoten gering zu halten. Dazu wurden
biert, professionalisiert und implementiert. Dieses Heft   u.a. sechs Juniordozenturen eingerichtet, die innovati-
möchte dazu einladen, die Neuentwicklungen in allen        ve didaktische Formate und Lehrmethoden einsetzen.
Fächern und für die eigene Lehre zu nutzen.                Peer Learning-Angebote in zahlreichen Fächern unter-
    Das Bundesministerium für Bildung und Forschung        stützten die genannten Ziele.
förderte das Projekt von Oktober 2011 bis Dezember             Im überfachlichen Bereich wurde das Diversitäts-
2020 im Rahmen des BMBF-Programms für bessere              orientierte Schreibzentrum neu gegründet. Es bietet
Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre          Beratungs- und Unterstützungsangebote zum wis-
(„Qualitätspakt Lehre“), in der ersten Förderphase         senschaftlichen Schreiben für Studierende, sowie für
(2011-2016) mit ca. 13,4 Mio. Euro, in der zweiten         Lehrende Unterstützung in der Begleitung des wis-
Förderphase (2016-2020) mit ca. 11 Mio. Euro.              senschaftlichen Schreibens ihrer Studierenden. Die
                                                           Bereiche Service Learning und Optionale individuelle
                                                           Studien im Studium Professionale bieten im Schlüssel-
                                                           qualifikationsbereich (SQ) die Möglichkeit, Wissen und

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Zukunftslabor Universität - Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - ESIT
Einführung

Kompetenzen in Gebieten zu erwerben, die außerhalb         Workshops zu den Projektzielen, zur Evaluation und
der engeren disziplinären Grenzen des Fachstudiums         zum Transfer der Projektergebnisse wurde Erreichtes
liegen. Zertifikate im Rahmen des SQ stärken die Pro-      reflektiert und das weitere Vorgehen durchdacht. Re-
filbildung der Studierenden. Die Lehrveranstaltungen       gelmäßige Projekttreffen führten zur Vernetzung der
fördern berufsorientierte Kompetenzen und besitzen         Teilprojekte untereinander, Kooperationen wurden
Praxisrelevanz.                                            angestoßen, die Zusammenarbeit intensiviert, Syn-
    Linie 3 „Erfolgreich lehren lernen – Förderung bes-    ergien genutzt. Um nur ein paar Beispiele zu nennen:
serer Lehre“ konzentrierte sich auf die individuelle       Tutoren der MINT-Fächer wurden im Tutorenprogramm
Weiterbildung für Lehrende. Durch gezielte hochschul-      der Hochschuldidaktik – teils im Tandem mit einer Ju-
didaktische Qualifizierungskonzepte, Tutorenausbil-        niordozentur – auf ihre Rolle vorbereitet. Mitarbeite-
dung und ein medizindidaktisches Tutorenprogramm           rinnen des Diversitätsorientierten Schreibzentrums
fördert die Universität Tübingen aktiv die Qualität der    boten Weiterbildungen für Lehrende im Rahmen des
Lehre. Die Arbeitsstelle Hochschuldidaktik hält für alle   Baden-Württemberg-Zertifikats für Hochschuldidak-
Ebenen in der Lehre ein passendes Weiterbildungs-          tik an. Die Teilprojekte Service Learning und Bildung
und Beratungsangebot bereit.                               für nachhaltige Entwicklung realisierten in Kooperati-
    Linie 4 „Entwicklung Innovativer Curricula und pra-    on mit dem Teilprojekt Optionale Studien die Zertifi-
xisorientierter Lehrmodule fördern“ (ICPL) unterstütz-     katsangebote „Gesellschaftliches Engagement“ bzw.
te mit jährlichen Ausschreibungen die systematische        „Studium Oecologicum“ im Studium Professionale.
Entwicklung von Curricula. Die Mitglieder der geförder-    Der Career Service stellte Unternehmensvertretern das
ten Teams erhielten für die Entwicklung innovativer        Zertifikatsangebot vor und erhielt konstruktives Feed-
Studiengänge / Module zeitliche Freiräume durch eine       back von Arbeitgeberseite. Voraussetzung für all dies
Lehrdeputatsreduktion und Personalmittel zur Kom-          war, dass die Teilprojekte voneinander wussten und so
pensation ihrer Lehre. Bildungsforscher und univer-        gemeinsame Ziele identifizierten.
sitätsinterne Experten begleiteten die Konzeptteams            Als sehr fruchtbar für den Projekterfolg erwiesen
bei ihrer praktischen Arbeit. In dieser Linie wurde au-    sich zudem frühzeitige Gespräche mit der Universi-
ßerdem das Studium Oecologicum gefördert mit dem           tätsleitung sowie den Dekanen der Fakultäten zur Ver-
Ziel, Bildung für nachhaltige Entwicklung in Fachcurri-    stetigung von Maßnahmen und zur Entfristung und
cula und überfachlichen Lehrangeboten zu verankern.        Übernahme von Personal in die Finanzierung durch
                                                           universitäre Haushaltsmittel. Bereits während der
                                                           Antragstellung für die zweite Förderphase führte die
Erfahrungen und Lessons learned                            Projektleitung entsprechende Verhandlungen. Vielen
                                                           Teilprojekten konnte so eine langfristige Perspektive
Zum Ende der Projektlaufzeit dürfen wir resümieren:        eröffnet werden.
Alle Projektziele wurden erreicht. Mehrere Teilprojek-         Als diffizil erwies sich wie in vielen „Qualitäts-
te entwickelten Alleinstellungsmerkmale, die sie zum       pakt Lehre“-Projekten, dass im Projektantrag keine
Vorreiter und Taktgeber in der deutschen Hochschul-        systematische Evaluation oder Begleitforschung des
landschaft machten. Beispiele sind die Coaching-For-       Gesamtprojektes vorgesehen war. So gab es keine
mate des Career Service, die Ausgestaltung des über-       systematische Erhebung von Daten zu Beginn der Pro-
fachlichen Lehrangebots im Studium Professionale,          jektlaufzeit und in der Folge dann keine belastbaren
der diversitätsorientierte Ansatz des Schreibzent-         Vergleichszahlen, um die Wirkung von Maßnahmen
rums, die wissenschaftliche Begleitung von Service         zu messen. Zwar wurden Lehr-, Beratungs- und Fort-
Learning-Angeboten im Zusammenspiel mit dem For-           bildungsangebote im laufenden Betrieb evaluiert, so
schenden Lernen sowie die Kombination von Maßnah-          dass die Zufriedenheit der Zielgruppe mit ermittelt
men im Bereich ICPL.                                       werden konnte. Langfristige Effekte der Maßnahmen
    Den eingerichteten Juniordozenturen gelang eine        können jedoch nicht nachgewiesen werden und ent-
gute Unterstützung von Studienanfängern in den             ziehen sich z.T. auch der statistischen Messbarkeit.
MINT-Fächern, vormals hohe Durchfallquoten in den
Servicefächern Mathematik, Chemie und Physik be-
wegen sich inzwischen im normalen universitären            Ausblick
Rahmen. Neue Lehrmethoden hatten nachweisbar po-
sitive Effekte auf die Motivation, die Konzentrationsfä-   Während zu Beginn des Projektes vor allem die Ent-
higkeit und das fachliche Verstehen der Studierenden.      wicklung und Implementierung der neuen Angebote
Die Maßnahmen waren insbesondere in ihrem Zu-              im Vordergrund stand, war es später wichtig, die Maß-
sammenspiel sehr erfolgreich. Eine strategische            nahmen qualitativ weiterzuentwickeln, zu konsolidie-
Projektsteuerung beförderte dies: In thematischen          ren und die bewährten Konzepte nachhaltig zu veran-

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Zukunftslabor Universität - Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - ESIT
Einführung

kern. Dies gelang nicht zuletzt durch die Verstetigung
zahlreicher Stellen.
   Nun rückt der Transfer in den Fokus: Erfolgreich er-
probte Konzepte konnten und können adaptiert und
für weitere Bereiche und Fächer fruchtbar gemacht
werden. Auf diese Weise kann sich die mit ESIT ange-
stoßene neue Kultur des Lehrens und Lernens fortset-
zen und weiterentwickeln.

Literatur

Vennarini, L. & Merkens, S. (2017): ESIT – Erfolgreich
studieren in Tübingen. Abschlussbericht der ersten
Förderphase. Laufzeit: 01.10.2011-30.09.2016. Tü-
bingen. 86 Seiten. Verfügbar über TIB Hannover.

Merkens, S. & N.N.: ESIT – Erfolgreich studieren in Tü-
bingen. Abschlussbericht der zweiten Förderphase.
Laufzeit: 01.10.2016-31.12.2020. In progress.

                   Was leistet das ESIT-Projekt?
                   https://youtu.be/OCgXWdevQQg

TBHD 16/1 | 2020 Zukunftslabor Universität                             9
Zukunftslabor Universität - Tübinger Beiträge zur Hochschuldidaktik - ESIT
Themenbereich

Erfolgreiche Methoden
und Formate in der Lehre

10                   TBHD 16/1 | 2020 Zukunftslabor Universität
Sebastian Slama

Tafel 2.0 – Vorlesungen mit Grafiktablets

Einleitung

Eines der Merkmale, die man unvermeidlich mit einem
Hörsaal verbindet, ist neben den ansteigenden Sitz-
reihen für die Studierenden die große Tafel ganz vor-
ne. Damit der Prof möglichst viel Wissen auf die Tafel
packen kann, besteht diese meist aus mehreren Ele-
menten nebeneinander, die jeweils noch zwei oder drei
vertikal verschiebbare Ebenen besitzen. Wir alle haben
die Bilder im Kopf, in denen diese Tafeln von links oben
bis rechts unten mit Formeln, Beweisen und Skizzen
vollgeschrieben sind. Die Studierenden schreiben eifrig
mit, während der Prof in Richtung der Tafel doziert, und
machen sich gerade noch die letzten Aufzeichnungen,
bevor dieser den Aufschrieb mithilfe eines riesigen Ta-
felabziehers wieder löscht. Diese Beschreibung einer
„klassischen Tafelvorlesung“ ist zugegebenermaßen              Abb. 1: Schreiben auf dem Grafiktablet (© Slama)
ein wenig überspitzt. Es gibt viele Kollegen, die auch
an der Tafel hervorragende Lehre leisten. Mit Blick auf
die technischen Möglichkeiten, die heute bestehen, ist     eines Tablets keinen Kreidestaub und muss die Tafel
es aber die Mühe wert, über neue Konzepte nachzu-          nicht mehr putzen, wodurch ebenfalls Zeit frei wird.
denken und diese zu erproben.                              Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass der
                                                           Dozent beim Schreiben auf dem Tablet – anders als an
                                                           der klassischen Tafel – den Studierenden nicht mehr
Grafiktablets als Alternative zum                          den Rücken zudrehen muss, sondern in Richtung der
klassischen Tafelanschrieb                                 Zuhörer blickt auch näher an den Hörsaalreihen steht.
                                                           Dadurch entsteht ein sehr viel direkterer Kontakt, und
Was ist eine Vorlesung mit Grafiktablet? Die lehrende      der Dozent kann schneller reagieren, wenn eine Zwi-
Person schreibt ihre Vorlesungsnotizen nicht mehr mit      schenfrage aufkommt.
Kreide an die Tafel, sondern mit einem speziellen Stift        Neben diesen Vorteilen besitzt das Tablet aber auch
auf ein Tablet, welches vorne im Hörsaal steht (s. Abb.    einige Nachteile gegenüber der klassischen Tafel. Zu-
1). Ihr Aufschrieb wird gleichzeitig über einen oder       nächst sind Anschaffungskosten im Bereich von meh-
zwei Beamer an die frühere Tafelfläche projiziert (s.      reren tausend Euro damit verbunden. Ein Risiko bei der
Abb. 2).                                                   Nutzung von Grafiktablets ist der Umstand, dass man
    Diese Methode besitzt mehrere Vorteile gegenüber       sich von der Technik abhängig macht und auf deren
dem klassischen Tafelanschrieb: Zum einen hat der Do-      Funktionieren angewiesen ist. Außerdem muss man
zent alle technischen Hilfsmittel eines Computers zur      sich als Dozent vor der erstmaligen Benutzung des
Hand. Er kann mit verschiedenen Farben und Stiftdi-        Tablets mit der Technologie auseinandersetzen. Dies
cken arbeiten, Bilder per Mausklick einfügen, und zu       kann eine Hürde darstellen. Hat man diese Hürde ein-
beliebigen Tafelflächen zurückspringen. Besonders          mal gemeistert, besteht die Versuchung zu schnellem
hervorzuheben ist die Möglichkeit, den Tafelaufschrieb     Schreiben. Hierbei wird die Informationsdichte erhöht,
am Ende als pdf abzuspeichern und zur Verfügung            was es für die Studierenden schwieriger macht, der
stellen zu können. Dadurch sind die Studierenden           Vorlesung zu folgen. Außerdem leidet die Leserlichkeit
nicht mehr gezwungen, unter Zeitdruck alles mitzu-         der Handschrift unter zu schnellem Schreiben. Falls der
schreiben, da sie im Nachgang die Notizen des Dozen-       Dozent es jedoch schafft, das Tablet unter Beachtung
ten ansehen können, und es wird Zeit frei, während der     dieser Punkte sinnvoll einzusetzen, bietet es die Chan-
sie sich besser auf den Inhalt der Vorlesung konzent-      ce, Vorlesungen moderner und interaktiver zu gestal-
rieren können. Darüber hinaus hat man beim Benutzen        ten.

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Erfolgreiche Methoden und Formate in der Lehre

                                                                                                die gerade aktuelle Tafelseite an, während der zwei-
                                                                                                te die vorherige Tafelseite projiziert. Diese Form der
                                                                                                Projektion hat sich als wichtig für die Akzeptanz bei
                                                                                                den Studierenden herausgestellt, da ansonsten der
                                                                                                Aufschrieb der vorherigen Seite nicht mehr sichtbar ist
                                                                                                und oftmals wichtige Informationen zum Verständnis
                                                                                                der aktuellen Seite fehlen.

                                                                                                Bisherige Erfahrungen und möglicher
                                                                                                Transfer

                                                                                                Das erste Grafiktablet wurde 2012 installiert. Wie in
                                                                                                Abb. 3 ersichtlich ist, ist die Anzahl der Vorlesungen,
                             Abb. 2: Projizierung über zwei Beamer (© Slama)                    in denen Grafiktablets genutzt werden, wie auch die
                                                                                                Anzahl der Studierenden, die davon profitieren, weit-
                                                                                                gehend kontinuierlich angestiegen. Nur im letzten
                      Technische Umsetzung                                                      Jahr gab es kleinen Rückgang aufgrund eines Perso-
                                                                                                nalwechsels in einer Vorlesung.
                      Im Rahmen des ESIT Projektes wurden zwei große Hör-                           Der Einsatz hat sich insbesondere in den Grundkur-
                      säle im Hörsaalzentrum Morgenstelle der Universität                       sen Physik 1 und 2 und in den Physikveranstaltungen
                      Tübingen mit Grafiktablets ausgestattet (Hörsaal N03                      für Naturwissenschaftler bereits fest etabliert. Auf-
                      und N07). Hierbei handelt es sich um die Tablets Wa-                      grund von Gesprächen mit den beteiligten Dozenten
                      com Cintiq 22 HD bzw. Wacom Cintiq Pro 24 mit Bild-                       und Studierenden, und aus den Vorlesungsevaluatio-
                      schirmdiagonalen von 22 Zoll bzw. 24 Zoll. Die Größe                      nen lässt sich schließen, dass der Einsatz des Tablets
                      der Tablets ist hierbei ein wichtiger Faktor für ein an-                  als sehr gute Lehrmethode angesehen wird, insbe-
                      genehmes Arbeiten an den Geräten. Sie sind auf einem                      sondere in großen Kursen und in den großen Hörsä-
                      höhenverstellbaren Tisch bzw. Untersatz aufgebaut,                        len. Exemplarisch wird hier eine Rückmeldung aus der
                      damit die Schreibhöhe anpassbar ist. Ein weiteres Tab-                    Evaluation der Vorlesung „Physik 1 für Naturwissen-
                      let (Wacom Cintiq 24HD) wurde als mobile Einheit auf                      schaftlerInnen“ aus dem WS 19/20 angeführt: „Ich
                      einem Rollwagen eingerichtet und wird in verschiede-                      finde es toll, dass Sie … handschriftlich über das Tablet
                      nen kleineren Hörsälen genutzt.                                           mitschreiben, wodurch es einem sehr viel leichter fällt
                          Die Tablets in den großen Hörsälen sind an Compu-                     mitzuschreiben und gleichzeitig mitzudenken.“
                      ter angeschlossen, die eine Grafikkarte mit 3 unabhän-                        In kleinen Hörsälen ergab sich das Problem, dass
                      gigen Ausgängen besitzen. Dadurch kann das Tablet                         meist nur ein Beamer vorhanden ist, wodurch jeweils
                      gleichzeitig mit zwei Beamern angeschlossen wer-                          nur eine Tafelseite angezeigt werden konnte. Tech-
                      den. Als Software wird das kostenlose Open-Source                         nisch haben die Tablets mit wenigen Ausnahmen ein-
                      Programm „OpenBoard“ verwendet. Darin schreibt                            wandfrei funktioniert.
                      man auf einer virtuellen Tafel. Ein Beamer zeigt hierbei                      Die meisten der Veranstaltungen mit Tablets ha-
                                                                                                ben im Fachbereich Physik stattgefunden. Prinzipiell
                      2500
                                                                                                können Tablets aber genauso gut in anderen Fachrich-
                                                                                                tungen eingesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist die
                                                                           9
                                                                                                Veranstaltung „Mathematik 1 für Informatiker“, in de-
                      2000                                                 8                    nen zwei Dozierende aus dem Fachbereich Informatik
Anzahl Studierender

                                                                           7                    die Grafiktablets genutzt haben. Eine Nutzung durch
                                                                                 Anzahl Kurse

                      1500                                                 6
                                                                                                weitere Dozierende wäre in den Hörsälen, in denen die
                                                                                                Grafiktablets fest installiert sind, sofort möglich. Ein
                                                                           5
                                                                                                Einsatz in weiteren Hörsälen erfordert zunächst die
                      1000                                                 4                    Installation der entsprechenden Geräte. Dies ist jedoch
                                                                           3                    nur dann zu empfehlen, wenn bereits eine Perspektive
                       500                                                 2
                                                                                                für den Einsatz des entsprechenden Tablets besteht.

                                                                           1

                         0
                                2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
                                                Jahr
                                                                                                                  Grafiktablet in der Lehre
                                                                                                                  https://youtu.be/Zmt8uWPc9sc
                      Abb. 3: Entwicklung seit 2012

                      12                                                                                          TBHD 16/1 | 2020 Zukunftslabor Universität
Britta Dorn

Das Projektseminar Forschung – Eine Veranstaltung
zur Profilbildung eines forschungsorientierten Masters
in der Informatik

Einleitung                                               Ein wichtiger Punkt bei der Gestaltung des Seminars
                                                         war die Abgrenzung zum sonst im Masterstudium
Hintergrund und Ziele                                    üblichen Seminar, in dem jeder Teilnehmende einen
In den Masterstudiengängen des Fachbereichs Infor-       Fachartikel erhält, den er inhaltlich aufarbeiten und im
matik der Universität Tübingen wurde die Möglich-        Vortrag präsentieren soll. Nach den bisherigen Erfah-
keit einer individualisierten Profilbildung gewünscht,   rungen interessierten sich die Teilnehmenden meist
die thematisch entweder forschungsorientiert oder        nur für ihren eigenen Vortrag und hatten Schwierig-
anwendungsorientiert ausgerichtet ist. Als Angebot       keiten und auch keinen besonderen Anreiz, den Vor-
und neuartige Lehrform für eine forschungsorien-         trägen ihrer Kommilitonen zu folgen. Zudem fehlte
tierte Ausrichtung des Masterstudiums wurde das          hier der Aspekt, die verschiedenen Phasen des wissen-
„Projektseminar Forschung“ entworfen, in dem die         schaftlichen Forschens und Lehrens erleben zu können.
Teilnehmenden die Gelegenheit zur Erstellung einer
eigenen Forschungsarbeit in Kleingruppen haben und
ihre Kenntnisse des wissenschaftlichen Arbeitens und     Umsetzung und Erfahrungen
Schreibens vertiefen. Sie nehmen dabei auch die Rol-
le von Lehrenden wahr, indem sie ihren Kommilitonen      Aufbau des Seminars
Inhalte vermitteln und erklären. Das Seminar bietet      Das Seminar gliedert sich in fünf Phasen:
zudem Möglichkeiten zum Einsatz von Blended-Le-
arning-Methoden. Den Abschluss bildet eine interne       1.   Grundlagenphase: Aufarbeitung des Seminarma-
Konferenz, auf der die eigenen Forschungsbeiträge             terials mittels Vorlesungen und Gruppenarbeit
mittels Vorträgen, Posterpräsentationen und wissen-      2.   Tutorial-Phase: Gegenseitige Präsentationen mit-
schaftlichen Fachartikeln vorgestellt werden.                 tels von den Studierenden angefertigten Tutorials
                                                         3.   Praxisphase: praktisches Arbeiten oder Praxisvor-
                                                              trag
Inhaltliche und didaktische Überlegungen                 4.   Forschungsphase: Erarbeiten eines eigenen Pro-
Das Hauptziel des Seminarkonzepts war es, mög-                jekts in Gruppen, Darstellung der Ergebnisse in
lichst viele Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens         einem Fachartikel
und Forschens abzudecken: Die Studierenden sollten       5.   Interne Konferenz: Vermittlung der eigenen Er-
ein ihnen unbekanntes, anspruchsvolles Forschungs-            gebnisse mittels wissenschaftlichen Vortrags und
thema kennen lernen und ihre Fähigkeiten des wis-             Posterpräsentation
senschaftlichen Arbeitens und Lehrens vertiefen, an-
gefangen von der Aufarbeitung relevanter Literatur,      Die einzelnen Phasen werden im nächsten Abschnitt
über die Vermittlung des Stoffs als Lehrende, bis hin    am Beispiel einer konkreten Umsetzung erläutert.
zum eigentlichen Forschen sowie wissenschaftlichen
Schreiben und Veröffentlichen der eigenen Ergebnis-
se als Fachartikel und im wissenschaftlichen Vortrag     Konkrete Umsetzung
oder Streitgespräch. Dabei sollten verschiedene Blen-    Das Projektseminar Forschung im Umfang von 4 Se-
ded-Learning-Methoden erprobt und sinnvoll einge-        mesterwochenstunden (6 ECTS) wurde im Sommerse-
setzt werden. Ein weiteres Ziel war die Erstellung von   mester 2016 zum ersten Mal angeboten und von zwei
Blended-Learning-Material durch die Studierenden,        Lehrenden betreut. Es richtete sich an Studierende der
das für zukünftige Veranstaltungen genutzt werden        verschiedenen Masterstudiengänge der Informatik. In
kann.                                                    diesem ersten Durchgang wurden nur acht Plätze ver-

TBHD 16/1 | 2020 Zukunftslabor Universität                                                                   13
Erfolgreiche Methoden und Formate in der Lehre

geben, um eine angemessene Betreuung garantieren              wurden mehrere Besprechungen mit den Lehren-
zu können.                                                    den angeboten, um die Forschungsideen in die
   Inhalt dieses Seminars mit dem Titel „Projektse-           richtige Richtung zu lenken und auszuschließen,
minar Forschung: Gaming is a hard job, but someone            dass sich die Gruppen eine zu schwierige Aufga-
has to do it! – Komplexität von Computerspielen“ war          be suchten. In der anschließenden Forschungs-
eine Analyse gängiger Computerspiele aus komplexi-            arbeit wurde das ausgesuchte Spiel mit den er-
tätstheoretischer Sicht. Dabei werden Computerspie-           lernten Methoden analysiert. Auch hierzu wurden
le mittels Methoden der Komplexitätstheorie aus der           Diskussionen angeboten, die sowohl betreut in
theoretischen Informatik auf ihre Schwierigkeit hin           einem Onlineforum als auch im Rahmen von di-
untersucht.                                                   rekten Treffen mit den Betreuenden stattfanden.
                                                              Die Gruppen fassten ihre Ergebnisse in einem kur-
Konkret wurden die oben genannten Phasen in diesem            zen wissenschaftlichen Artikel (mit dem üblichen
Seminar wie folgt umgesetzt:                                  Aufbau eines Fachartikels) zusammen. Auch hier
                                                              gab es Betreuung und Feedback durch die Lehren-
1. Ziel der Grundlagenphase war es, durch Aufar-              den.
   beitung des Seminarmaterials eine gemeinsame            5. Interne Konferenz: Die Teilnehmenden stellten sich
   theoretische Grundlage zu schaffen. Zu Beginn              ihre Ergebnisse in einem wissenschaftlichen Fach-
   gab es eine Vorlesungseinheit. Hier wurden zu              vortrag gegenseitig vor. Zusätzlich entwarf jede
   ausgewählten Themen auch Video-Lectures ge-                Gruppe ein Poster, das präsentiert wurde.
   nutzt, etwa aus den Kursen des Massachusetts In-
   stitute of Technology zur Komplexitätstheorie, die
   die Teilnehmenden im Inverted-Classroom-Ver-            Ergebnisse und Erfahrungen
   fahren als Vorbereitung anschauen sollten und die       Das Engagement der Studierenden in diesem Seminar
   dann in der Vorlesungsstunde diskutiert wurden.         war beeindruckend. Besonders die Tutorial-Phase war
   Im Anschluss wurden mehrere Fachartikel sowie           ein voller Erfolg: Die Vorgabe, der anderen Gruppe die
   weitere Video-Lectures zur Verfügung gestellt. Die      Inhalte besonders verständlich zu vermitteln und da-
   Teilnehmenden wurden in zwei Gruppen aufge-             bei nach Möglichkeit Blended Learning einzubringen,
   teilt, die sich jeweils ihr Thema erarbeiten und die-   wurde von den Studierenden sehr ernst genommen.
   ses der jeweils anderen Gruppe gut verständlich         So entwarf und implementierte eine Gruppe ein Com-
   im Rahmen von Tutorials vermitteln sollten. Aus-        puterspiel, anhand dessen das andere Team ein Be-
   schlaggebend war hier, dass die Inhalte nicht wie       rechnungsmodell erlernen konnte. Im Tutorial wurden
   sonst üblich nur im Rahmen eines Fachvortrags           die Grundlagen erklärt und Übungen durchgeführt, an-
   vermittelt werden, sondern ausdrücklich Lernma-         schließend konnten die Teilnehmer anhand des Spiels
   terialien (Übungen, Tests, Lernkontrollen) für die      die zu lernenden Inhalte verinnerlichen – erst wenn
   andere Gruppe erstellt werden sollten. Dabei wur-       man alle Level des Spiels erfolgreich abgeschlossen
   den Vorschläge zur Gestaltung dieser Tutorials be-      hatte, durfte man sich vorbereitet fühlen.
   reitgestellt und die Studierenden ermuntert, auch           Ebenso steckten die Teilnehmenden viel Mühe und
   Blended-Learning-Methoden zu nutzen.                    Arbeit in ihre eigenen Forschungsarbeiten und deren
2. Tutorial-Phase: Zu den folgenden Seminartermi-          Präsentationen durch Poster und Artikel. Die Projekt-
   nen tauschten die beiden Gruppen ihr Wissen mit-        arbeiten führten zu Abschlussarbeiten in den Folge-
   tels der selbst gestalteten Tutorials untereinander     semestern.
   aus.                                                        Das Feedback durch die Teilnehmenden war durch-
3. Praxisphase: Hier hatten wir die Möglichkeit, einen     gehend äußerst positiv.
   Spieleentwickler einzuladen, der den Teilnehmen-            Die Möglichkeit der intensiven Betreuung durch die
   den im Rahmen eines Gastvortrags Einblick in sei-       kleine Teilnehmerzahl erwies sich als sehr wertvoll. Ge-
   ne Arbeit gab und eine Praxisstunde anbot, in der       rade die Phase, in der ein eigenes Thema für die For-
   die Studierenden die Inhalte direkt am Computer         schungsarbeit gefunden werden soll, ist kritisch und
   ausprobieren durften. Diese Phase lieferte weite-       braucht Unterstützung oder bereits vorhandene und
   ren Input und diente als zusätzliche Hilfe für das      durchführbare Ideen der Lehrenden. Möglicherwei-
   Arbeiten in der folgenden Phase.                        se ist es sinnvoll, mehr Betreuende einzubinden und
4. Forschungsphase: Die Gruppen sollten eine eigene        mehr Gruppen zu bilden – das Format der Konferenz
   Forschungsleistung erbringen, die darin bestand,        als Abschluss könnte dadurch noch stimmiger werden.
   die Komplexität eines bislang noch nicht unter-
   suchten Spiels zu analysieren. Dabei mussten
   sie die erworbenen Kenntnisse einbringen. Hier

14                                                                           TBHD 16/1 | 2020 Zukunftslabor Universität
Erfolgreiche Methoden und Formate in der Lehre

Transfer, Ausblick und Weiterentwicklung
                                                           menden durch die aufwendig gestalteten Tutorials
Die Idee des Projektseminars Forschung lässt sich auf      mühelos den unbekannten Stoff der anderen Gruppe
andere Veranstaltungen der Informatik – bestimmt           und konnten die neu gelernten Methoden in ihre For-
aber auch auf andere Fächer – übertragen und anpas-        schungsarbeit einbringen.
sen. Ein wichtiger Aspekt des Seminarkonzepts ist es,         Ebenso lässt sich angepasst an das übliche Vorge-
die Teilnehmenden stark einzubinden und unter ande-        hen im eigenen Fach der Rahmen für eine Forschungs-
rem dafür verantwortlich zu machen, dass ihre Kom-         arbeit mit dem dort verwendeten Forschungs- und
militonen den durch sie präsentierten Stoff nachvoll-      Veröffentlichungsprozess umsetzen.
ziehen und verinnerlichen können. Die Tutorial-Phase          Ein weiterer Aspekt, der sich im Seminarkonzept
stellte sich aus mehreren Gründen als wertvoll heraus:     noch ergänzen ließe, wäre der Prozess des Peer-Re-
Zum einen mussten die Gruppen ihr Thema sehr gut           viewing für die Fachartikel, um den Studierenden auch
verstehen, um eigene Beispiele und sinnvolle Übungen       hier die Grundlagen guter wissenschaftlicher Praxis
erstellen zu können, zum anderen lernten die Teilneh-      aufzeigen zu können.

TBHD 16/1 | 2020 Zukunftslabor Universität                                                                  15
Ivo Radloff

Die „Math Hour“ – Lernzentrum mit Pfiff
Studienbegleitende Kurse und Vorkurse

Einleitung                                                Übungsblätter eine Woche Zeit, allein oder in Gruppen,
                                                          ehe sie diese bei ihrem Tutor abgeben. Viele Studie-
Studiengänge mit Mathematikbezug, seien es na-            rende, zumal in der Studieneingangsphase, sind so-
turwissenschaftliche Studiengänge an Universitäten        wohl mit den mathematischen Inhalten als auch mit
oder Ingenieursstudiengänge an Hochschulen für an-        der Niederschrift der Lösungen überfordert. Ein Frust,
gewandte Wissenschaften, stehen seit Jahren vor der       der zum Studienabbruch führen kann. Hinzu kommt
Herausforderung, dass die an Schulen vermittelten         die spezielle räumliche Situation in Tübingen mit nur
Grundkenntnisse in Mathematik für einen problemlo-        wenigen studentischen Arbeitsplätzen. Die Bildung
sen Wechsel von der Schule an die Hochschule nicht        von Lerngruppen und der Austausch der Studieren-
mehr ausreichen. Die Problematik wird als einer der       den untereinander wird so zusätzlich erschwert. Hier
Gründe für hohe Abbrecherzahlen in MINT-Studien-          setzt die „Math Hour“ an: Sie findet derzeit zweimal
gängen angesehen. Die Hochschulen reagieren mit           wöchentlich nachmittags statt, schließt zeitlich an
mathematischen Vorkursen und studienbegleitenden          die Mittagspause nach den Grundvorlesungen an. Die
Stützkursen.                                              „Math Hour“ wird vom Autor und - in den letzten Jah-
    In Tübingen wurden durch die ESIT-Juniordozentur      ren - 2 bis 3 wissenschaftlichen Hilfskräften betreut.
Mathematik zum Wintersemester 2011 verschiedene           Die Veranstaltung ist als offenes Lernzentrum konzi-
Maßnahmen eingeführt, darunter die studienbeglei-         piert, die Studierenden können kommen und gehen,
tende „Math Hour“ – ein offenes, aktives Lernzentrum      wann sie möchten. Sie können sich mit Fragen direkt
für Studierende der Mathematisch-Naturwissenschaft-       an die Betreuer wenden, in Ruhe mit ihren Übungsblät-
lichen Fakultät. Die „Math Hour“, der erste Kurs dieser   tern beginnen oder ihre Vorlesungen wiederholen.
Art in Tübingen, läuft inzwischen seit fast zehn Jahren
und das sehr erfolgreich. Nach Ende des ESIT-Projekts     Die Betreuer
wird die „Math Hour“ getragen vom Fachbereich Ma-
thematik fortgesetzt werden. Die „Math Hour“ dürf-        •   geben „Hilfe zur Selbsthilfe“, d.h. Ideen zur Aufga-
te ihren Beitrag zur hervorragenden Platzierung der           benlösung, keine fertigen Lösungen,
Mathematik in Tübingen in der Kategorie „Studienein-      •   helfen bei der Niederschrift,
gangsphase“ in den letzten CHE Rankings geleistet ha-     •   gehen aktiv auf Studierende zu, fördern Lerngrup-
ben. Inzwischen gibt es auch Nachahmer an anderen             penbildung.
Standorten wie der Hochschule Heilbronn.
    Das Hauptziel der „Math Hour“ ist die nachhaltige     Die Zahl der Studierenden, die das Angebot nutzen,
fachliche Unterstützung von Studienanfängerinnen          schwankt im Laufe des Semesters abhängig z. B. von
und Studienanfängern speziell in Mathematik. Im Fol-      Klausurterminen. Zu Spitzenzeiten, in denen es um 60
genden sollen das Konzept und die Zielsetzung der         werden können, erreicht die „Math Hour“ mit ihrem
„Math Hour“ vorgestellt und das Für und Wider im Ver-     Konzept der Individualbetreuung ihre Grenze. Etwa
gleich zu anderen Maßnahmen angesprochen werden.          zwei Drittel sind „Stammkundschaft“, andere kom-
                                                          men nur genau einmal mit einer speziellen Frage.
                                                              Die „Math Hour“ ist offen für mathematische Fach-
Umsetzung, Herausforderungen                              fragen aller Art – von Bruchrechnung bis Numerik. Sie
                                                          richtet sich an leistungsbereite Studierende, denen für
In mathematischen Vorlesungen, egal ob im Fach Ma-        ihr Studium ein Anschub fehlt. Aus Sicht der Studie-
thematik oder im „Service“, z.B. als Vorlesung „Ma-       renden „bringt“ der Besuch natürlich nur dann etwas,
thematik für Biologen“, werden üblicherweise wö-          wenn sie auf kompetente Ansprechpartner treffen.
chentlich Übungsblätter ausgegeben, mit denen der         Ihre Fragen gehen mathematisch in alle Richtungen
behandelte Stoff wiederholt, geübt, teilweise vertieft    und haben erfahrungsgemäß nahezu jeden Schwie-
wird. Die Studierenden haben für die Bearbeitung ihrer    rigkeitsgrad. Hieraus entsteht die größte Heraus-

16                                                                         TBHD 16/1 | 2020 Zukunftslabor Universität
Erfolgreiche Methoden und Formate in der Lehre

forderung bei der Organisation, denn der Erfolg des        Biologen“ eingeführten Repetitorien „Letzte Fragen
Konzepts steht und fällt mit der Qualität der Betreuer,    zu…“ liegen beispielsweise bisher zeitlich als Block vor
denen einiges abverlangt wird:                             der jeweiligen Wiederholungsprüfung im März/April,
                                                           somit außerhalb der Vorlesungszeit und der „Math
•   hohe fachliche Kompetenz,                              Hour“. Zielgruppe sind Studierende der jeweiligen Vor-
•   hohe didaktische Kompetenz.                            lesung, die die erste Prüfung nicht geschafft haben,
                                                           und sich auf den zweiten Versuch vorbereiten.
Letzteres zeigt sich vor allem beim Wechsel zwischen           Vereinfacht formuliert ist das fachliche Ziel aller
verschiedenen Lerngruppen mit unterschiedlichem Ni-        genannten Maßnahmen die Verbesserung des indivi-
veau, Motivation und Leistungswille. Fehlende Kompe-       duellen mathematischen Wissens und Könnens. Im Fall
tenz der Betreuer hat sich in der Vergangenheit sofort     von Repetitorien kann die Effizienz leicht anhand von
auf die Zahl der teilnehmenden Studierenden nieder-        Prüfungsergebnissen gemessen werden. Im Fall von
geschlagen.                                                Lernzentren wie der „Math Hour“ und bei Vorkursen
    Der Autor, Ivo Radloff, möchte an dieser Stelle den    ist dies naturgemäß schwieriger.
vielen äußerst engagierten Hilfskräften danken, die            Evaluationen gelten im universitären Umfeld als
durch ihren mitunter mehr-semestrigen Einsatz mit-         Mittel der Wahl. Hier nennen spätere MINT-Studieren-
halfen, die „Math Hour“ zu einem Erfolg zu machen.         de als großen Pluspunkt von Vorkursen oft die Mög-
Nicht wenige waren bereit, ihre eigene, freie Zeit einer   lichkeit zur frühen Vernetzung unter Kommilitonen
„Open-End Math Hour“ zu opfern.                            und die Gewöhnung an das universitäre Lerntempo.
                                                           Der mögliche Gewinn durch Auffrischung mathemati-
                                                           scher Inhalte wird seltener genannt.
Die „Math Hour“ und andere Formate:                            Die „Math Hour“ fördert die Lerngruppenbildung
Vorkurse und Repetitorien                                  ebenfalls. Ihre zentrale Kompetenz ist aber die enga-
                                                           gierte mathematische Fachberatung im Studienver-
Durch die ESIT Juniordozentur Mathematik wurden            lauf. Die fachliche Unterstützung steht im Mittelpunkt.
neben der „Math Hour“ auch andere Formate mathe-               Als Fazit kann festgehalten werden, dass alle For-
matischer Stützkurse organisiert: ein mathematischer       mate ihre Berechtigung haben. Aus mathematisch
Vorkurs „Math Base Camp“, sowie regelmäßige Repeti-        fachlicher Sicht haben Repetitorien das klarste Ziel,
torien zu Vorlesungen wie „Mathematik für Naturwis-        gefolgt von Lernzentren wie der „Math Hour“. Der
senschaftler“, „Mathematik für Biologen“ oder Staats-      mathematische Wissenstransfer durch Vorkursen wird
examenskurse. Ziele, Zielgruppe, Konzepte und Inhalte      dagegen zu Recht kritisch gesehen. Diese punkten
sind verschieden. Ein Vergleich zur Einordnung:            aber bei der Möglichkeit zur Vernetzung. Hier folgt die
    Mathematische Vorkurse sind als universitäre           „Math Hour“, Repetitorien haben dieses Ziel in der Re-
Maßnahme gegen zu hohe Studienabbrecherzahlen              gel nicht.
aufgrund ihrer leuchtturmhaften Werbewirksamkeit               In Tübingen ist die „Math Hour“ derzeit die einzi-
beliebt. Zeitlich finden Vorkurse zumeist als ein- oder    ge dauerhaft geöffnete offene Anlaufstelle dieser Art.
zweiwöchige Blockkurse vor Semesterstart statt, Ziel-      Der dringende Bedarf zeigt sich am Zuspruch der Stu-
gruppe sind Studienanfängerinnen und Studienan-            dierenden.
fänger vor dem ersten Semester. Der Vorkurs „Math
Base Camp“ richtete sich beispielsweise speziell an alle
potentiellen MINT-Studienanfänger. Inhaltlich werden
ausgewählte Themen vom Dozenten als Frontalunter-
richt wiederholt, anschließend wird in Kleingruppen        Literatur
geübt. Die Auswahl der Themen hängt vom Dozenten
ab. Die Teilnehmerzahl ist in der Regel hoch, Hetero-      CHE Ranking of German Universities (2018): Erhält-
genität bei Wissensstand, Leistungsfähigkeit und -be-      lich über zeit.de.
reitschaft der Teilnehmer ist enorm. Individuelle Be-
treuung ist aufgrund der Teilnehmerzahl oft schwierig      Dürr, R. et al. Hrsg. (2015): Mathematik zwischen
und meist auch nicht das Ziel.                             Schule und Hochschule, Wiesbaden: Springer Spekt-
    Mathematische Repetitorien sind zumeist an spe-        rum.
zielle Vorlesungen geknüpft. Studienbegleitend im
Semester oder als Block vor Prüfungen wird spezieller      Hoppenbroch, A. et al. Hrsg. (2016): Lehren und Ler-
Stoff wiederholt. Die ebenfalls von der Juniordozentur     nen von Mathematik in der Studieneingangsphase,
Mathematik speziell zu den Veranstaltungen „Mathe-         Wiesbaden: Springer Spektrum.
matik für Naturwissenschaftler“ bzw. „Mathematik für

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Ursula Offenberger

Umfangreichen und komplexen Lehrstoff kompakt
vermitteln – Studentische Osmose und die Bedeutung
von Initialzündungen

Einleitung: Studieren als Osmose                           besten Fall sind solche Lehr-Lernsettings wie Initial-
                                                           zündungen, die in den Beteiligten Neugierde, das Be-
Im Rahmen des Projektes „Erfolgreich studieren in Tü-      dürfnis nach Vertiefung und den Wunsch danach we-
bingen“ (ESIT) wurde an der Fakultät für Wirtschafts-      cken, einmal Begonnenes fortzusetzen und sich (etwa
und Sozialwissenschaften die Methodendozentur ge-          im folgenden Masterstudium) nach geeigneten Mög-
schaffen, eine Juniorprofessur mit Schwerpunkt Lehre,      lichkeiten dafür umzusehen. In diesem Geist zielt das
die seit dessen Gründung im Jahr 2019 dem Metho-           Veranstaltungsangebot der ESIT-Methodendozentur
denzentrum zugeordnet ist, und bei der die Leitung         darauf ab, Studierende zur Planung und Umsetzung
des Arbeitsbereiches Qualitative Methoden und inter-       eigener Projekte zu befähigen, Mini-Forschungen, die
pretative Sozialforschung am Methodenzentrum liegt.        sich an Grundprinzipien und Vorgehensweisen quali-
    Die Angebote der ESIT-Methodendozentur zielen          tativer Sozialforschung orientieren, die Studierende
darauf ab, den Übergang zwischen Bachelor- und Mas-        in den ESIT-Veranstaltungen kennenlernen. Dadurch
terstudium dahingehend zu erleichtern, dass Studie-        soll theoretisches Wissen über die eigene praktische
rende die für ein Masterstudium notwendigen Grund-         Erprobung und Anwendung angeeignet, vertieft und
kenntnisse in Methoden empirischer Sozialforschung         verstehbar werden. Der Herausforderung, in kurzer
in kompakten Veranstaltungen vor dem Semesterbe-           Zeit umfangreichen und komplexen Lehrstoff zu ver-
ginn erwerben bzw. auffrischen können. Was manche          mitteln, wird damit auf eine Weise begegnet, die sich
Bachelorstudierende im Verlauf mehrerer Studienjahre       nicht dem Lehrmodell des Nürnberger Trichters ver-
lernen, soll also im Schnelldurchlauf angeeignet wer-      schreibt (also dem Ziel, möglichst effizient möglichst
den – man könnte auch sagen: Das ist ein bisschen wie      viele Informationen zu übermitteln, unabhängig von
die Quadratur des Kreises. Denn Studieren ist ja eine      der Frage, ob die Lernenden in der Lage sind, das Ge-
Sozialisationserfahrung. Indem ich studiere, werde ich     hörte in eine Verbindung mit ihrem Vorwissen zu brin-
vertraut mit den Denkgewohnheiten wissenschaftli-          gen und daraus Implikationen für (forschungs-)prakti-
cher Felder, ich werde Teil einer wissenschaftlichen Ge-   sches Tun abzuleiten).
meinschaft, ich lerne ihre Arbeitsweisen kennen und             Vielmehr zielen die Lehrveranstaltungen der
eigne mir ihre Methoden an. Als solches ist Studieren      ESIT-Methodendozentur darauf ab, in einer Mischung
eine Osmose. Osmose benötigt Zeit, weil sie sich gra-      aus mitgeteiltem Überblickswissen und der Aktivie-
duell entwickelt. Und aus diesem Grund erfolgt Osmo-       rung der Teilnehmenden eine Werkstattatmosphäre
se tendenziell unmerklich. Niemand hat diesen Pro-         zu schaffen. Denn der Transfer und die Anwendung
zess, den Bücher lesende Menschen (und somit auch          von Gelerntem an einem eigenen praktischen Beispiel
Studierende) durchlaufen, treffender beschrieben als       versetzt Studierende in die Lage, eigene Fragen zu
Patrick Süskind in seiner Betrachtung mit dem Titel        stellen und Wissens- und Verständnislücken zu iden-
„Amnesie in litteris“ (zuletzt veröffentlicht in „Drei     tifizieren. Dies wiederum zeigt Lehrenden überhaupt
Geschichten“, Zürich 2005).                                erst, wo die Studierenden stehen und auf welche Weise
                                                           der Lehrstoff angeeignet wurde. Ein solches Vorgehen
                                                           erfordert, dass den von Teilnehmenden einzeln oder in
Zur Konzeption der Veranstaltungen der                     Kleingruppen entwickelten Ideen im Rahmen der Lehr-
Methodendozentur                                           veranstaltung Raum zur Vorstellung, Diskussion und
                                                           Weiterentwicklung eingeräumt wird. Im Fall der Me-
Kompaktveranstaltungen zur Vermittlung umfangrei-          thodendozentur bedeutete dies, dass die Teilnehmen-
chen und komplexen Lehrstoffes, Osmose im Schnell-         den Forschungsdesigns für qualitativ-empirische Pro-
durchlauf? Welche Funktion können solche Veran-            jekte entwickelten, d.h. mögliche Forschungsthemen
staltungsformate haben? Eine mögliche Antwort: Im          auswählten, dazu passende Fragestellungen sowie für

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Erfolgreiche Methoden und Formate in der Lehre

die Beantwortung der Fragen geeignete Methoden der         wert enthält. All diese Elemente sind notwendige und
Datengewinnung und Datenanalyse kennenlernten.             integrale Bestandteile einer Qualitätssicherung (nicht
    In einer Atmosphäre, die von Interesse aneinander      nur) für qualitativ-empirische Forschungsprojekte und
und von Wertschätzung füreinander geprägt ist, wird        somit zentrale Bestandteile einer von Studierenden an
die Lehrveranstaltung dazu genutzt, vorgestellte Ide-      der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaf-
en durch die gemeinsame Seminardiskussion und ins-         ten zu erwerbenden Methodenkompetenz im Bereich
besondere die Anmerkungen der anderen Teilnehmen-          der qualitativen und interpretativen Sozialforschung.
den zu präzisieren, Unklarheiten herauszuarbeiten, die     Um über die kompakten Einführungsveranstaltungen
Verbindung zum Lehrstoff zu schärfen und die weite-        hinaus auch eine Prozessbegleitung studentischer
ren Schritte für die Fortentwicklung des Projektes zu      Forschungen bieten zu können, wurde im Rahmen der
bestimmen. Dass die Teilnehmenden sich dabei in kur-       Methodendozentur auch ein individuelles und grup-
zer Zeit in zunächst fremde Themen und Projektide-         penspezifisches semesterbegleitendes Beratungsan-
en eindenken müssen und dabei die Umsetzung des            gebot etabliert (die „offenen Methodenwerkstätten“),
Lehrstoffes in verschiedene, auch disziplinär unter-       das Studierende hinsichtlich der methodischen Um-
schiedlich gerahmte, Beispiele erleben, wird zwar von      setzung bei der Durchführung eigener Projekte unter-
den Studierenden einerseits als herausfordernd erlebt.     stützt.
Andererseits aber wird dies als ein bereichernder Ein-
blick in die Familienähnlichkeit der verschiedenen Dis-
ziplinen der WISO-Fakultät betrachtet – ein Einblick,      Fazit: Initialzündungen als günstige
der verdeutlicht, dass qualitativ-empirische Sozialfor-    Bedingungen für Osmosen
schung in verschiedenen Fachkulturen verortet ist.
    Die Aktualisierung und Konkretisierung der Semi-       Die studentische Osmose, das Hineinwachsen in und
nardiskussion an den von den Studierenden entwi-           das Vertrautwerden mit den Gepflogenheiten wis-
ckelten Forschungsideen schafft die Gelegenheit, den       senschaftlicher communities of practice, kann durch
zuvor überblickartig vermittelten Lehrstoff exempla-       Crashkurse allein nicht geschehen, dafür bedarf es
risch zu vertiefen, Wesentliches zu wiederholen und        kollektiver Anstrengungen einer Gemeinschaft aus
Implikationen des Lehrstoffs zu veranschaulichen. Ein      Lehrenden. Bestenfalls lösen Angebote wie diejeni-
solches Vorgehen zielt ganz wesentlich darauf ab, die      gen der ESIT-Methodendozentur Initialzündungen aus,
Teilnehmenden dort abzuholen, wo sie stehen, und sie       die in Studierenden die Begeisterung für das weitere
von diesem Ort aus dazu zu befähigen, neues Wissen         Studium – in diesem Fall: der Wirtschafts- und Sozi-
und neue Fertigkeiten zu erwerben. Studierenden zu         alwissenschaften und ihrer empirischen Forschungs-
ermöglichen, auf den jeweiligen Lehrstoff bezogene ei-     methoden – wecken. Die Planung eigenständiger
gene Projektideen zu entwickeln, ist somit dem Bemü-       Projekte spielt spätestens bei der Masterarbeit eine
hen geschuldet, weniger das Lehren in den Mittelpunkt      zentrale Rolle, in einzelnen Studiengängen auch be-
des Seminargeschehens zu stellen als das Lernen. Und       reits bei individuellen Studienprojekten. Studierende,
Lernen findet dann statt, wenn Bezüge zur eigenen          die für diese Vorhaben mit Methoden qualitativ-em-
Lebenswelt hergestellt, eigene Fragen formuliert, eige-    pirischer Sozialforschung arbeiten möchten, erhalten
ne Handlungen im Lichte neuer Einsichten reflektiert       durch das Programm der ESIT-Methodendozentur be-
werden können. Das Anknüpfen an diejenigen thema-          reits zu einem frühen Zeitpunkt ihres Masterstudiums
tischen Interessen, die die Studierenden aus ihren Stu-    die Möglichkeit, die dafür erforderlichen Fähigkeiten
dienfächern oder aus ihren Lebenswelten mitbringen,        einzuüben und weiterzuentwickeln. Die hier angeleg-
vermittelt darüber hinaus eine Wertschätzung für die       te Verzahnung zwischen den Angeboten des Metho-
Wissensbestände und Relevanzstrukturen, die Studie-        denzentrums und den Methodenausbildungen der
rende in die Veranstaltungen hineintragen.                 einzelnen Studiengänge der WISO-Fakultät wird auch
    Auf diese Weise, durch die Kombination aus dar-        in Zukunft weitergeführt werden. Insofern stellt die
gebotenem Überblickswissen und der Anwendung auf           ESIT-Projektförderung selbst eine Initialzündung für
selbstgewählte Beispiele, bieten die Veranstaltungen       die nachhaltige Verankerung der Methodenausbildung
der Methodendozentur die Möglichkeit, das Hand-            an der WISO-Fakultät und darüber hinaus dar.
werkszeug für die Durchführung qualitativ-empiri-
scher Forschungsprojekte zu erwerben. Im Einzelnen
umfasst dies Kompetenzen zur Datenanalyse und
Interpretation, Schreib- sowie Methodenkompeten-                            Comics in der Lehre
zen zur Gewinnung reichhaltiger Daten und fortlau-                          https://youtu.be/3-3xT47otbI
fende („rollende“) Projektplanung, bei der auch die
forschungsethische Reflexion einen zentralen Stellen-

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