GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung

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GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
GE SCH Ä FT S B E R I C H T 20 16
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
Stand: 31.12.2016

                                                                   Die RAG-Stiftun
                                                                                                                                    Geg

                                                    Vereine
                                                                                 Kuratorium                                           O
                                                                               Geborene Mitglieder (5)
                                   Kultur
                                             n                                 Weitere Mitglieder (9)                          bestellt den

                                          ppe                                                                                   ihn bei de
                                         u
                                      sgr                               Dr. Jürgen Großmann (Vorsitzender)

                                    ch
                                                                                                                                  informie
                 Wissenschaft                                      Michael Vassiliadis (stellv. Vorsitzender)
                                  ru
                                                                                                                                   grundleg
                                                                                 Seite 26 und 61
                           sp
                         An

Bildungsträger
                                                                                                                                         F
                                                                                                                Beteiligungen
                                                                                                    1.          RAG (100 %)
                                                                                                                überträgt nach Auslaufen
                  Ausgangspunkt                                                                                 rund 1,6 Mrd. € auf die RA

                  Beendigung des                                                                    2.          RAG-Stiftung
                                                                                                                Beteiligungsgesellscha
                  subventionierten Steinkohlen-                                                                    Gewinnausschüttung

                  bergbaus (Ende 2018)                                                              3.          Evonik (68 %)
                                                                                                                   Dividende
                  Zweck der RAG-Stiftung ist der geordnete
                  und sozialverträgliche Übergang in die Ära                                        4.          VIVAWEST (30 %)
                  des Nachbergbaus sowie die dauerhafte                                                            Gewinnausschüttung
                  Finanzierung der Ewigkeitsaufgaben.                                                           Seite 24 – 25

                                                                           t
                                                                     eleg
                                                               stillg

      Ewigkeitsaufgaben                                                                                  66%
      Die Ewigkeitsaufgaben des
      Steinkohlenbergbaus der                                                                            Grubenwasserhaltu
      RAG Aktiengesellschaft (auch                                                                       Das Pumpen von untertägige
      „Ewigkeitslasten“ genannt),                                                                        dem Grubenwasser, das sich
      die die RAG-Stiftung ab 2019                                                                       Bergwerken sammelt. Das G
      finanziert, sind Maßnahmen,                                                                        unter anderem zum Schutz d
      die auch nach Beendigung der                                                                       kommen, an die Oberfläche
      Steinkohlenförderung dauerhaft
      fortbestehen.

          Seite 10 –11
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
ng auf einen Blick
gründet 2007

ORGANE                                                             Vorstand                                          Politik

                                                                 Dr. Werner Müller
                                                                   (Vorsitzender)                                     An        Bürger
n Vorstand und überwacht
                                                                 Dr. Helmut Linssen                                     sp
er Führung der Geschäfte
                                                                                                                          ru
                                                                     (Finanzen)
                                                                                                                            ch
                                                           Bärbel Bergerhoff-Wodopia                                          sg
ert das Kuratorium über                                       (Personal, Förderung)                                             ru                Gewerkschaft
 gende Entscheidungen
                                                                                                                                   p
                                                          Seite 2–9 und Seite 61                                                                                       €

                                                                                                                                            pe
                                                                                                                                                                   €

                                                                                                                                              n
 FINANZIERUNG                                                                                                                                                   Kapitalmarkt

n                                 Kapitalanlagen
                                    44% Staats- und
 des Bergbaus                           Unternehmensanleihen
 AG-Stiftung                                                                                                   Förderung von
                                    21% Private Equity/Beteiligungen*                                          Bildung, Wissenschaft
aft mbH (75%)
                                    15% Immobilien/Infrastruktur
                                                                                          Förderung 2016:      und Kultur
                                    13% Aktien
                                     7% Liquidität und Sonstige
                                                                                          10,5 Mio. €          Die Projektförderung steht im Zusammen-
                                                                                                               hang mit dem Bergbau an Ruhr und
                                   Höhe (zum 31.12.16):                                   Förderung 2017:      Saar. Unterschieden werden zwei zentrale
                                    4,7 Mrd. €                                            13,5 Mio. €          Aufgabenstellungen:

                                                                                                               Erbe des
                          *
                              Inkl. RAG-Stiftung Beteiligungsgesellschaft mbH
                                                                                                               Bergbaus        & Begleitung
                                                                                                                                 des Wandels

      Zur Finanzierung der Ewigkeits-
      aufgaben ab 2019 werden
      jährlich benötigt: rund 220 Mio.                                                €
                                                                                                            Museum             Bibliothek
                                                                                                                                                          Uni

                                                                                Kokerei

                                                      5%                                                       29 %
ung                                                   Grundwasserreinigung                                     Poldermaßnahmen
en Wassermengen,                                      Die Reinigung von verschmutztem                          Die bergbauliche Tätigkeit hat Senkungen an der
  unter Tage in den                                   Wasser auf den Geländen ehemaliger                       Tagesoberfläche zur Folge. Ohne dauerhaftes Pumpen
 rubenwasser wird,                                    Nebengewinnungsbetriebe des                              von Oberflächenwasser, insbesondere durch die
der Trinkwasservor-                                   Steinkohlenbergbaus, insbesondere                        Wasserverbände, würde es zu einer Ansammlung von
 gepumpt.                                             ehemaliger Kokereien.                                    Wasser in diesen Senken kommen.
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
Die 2007 gegründete RAG-Stiftung gewährleistet die sozialverträgliche
Beendigung des subventionierten Steinkohlenbergbaus der RAG Aktien-
gesellschaft zum Ende des Jahres 2018. Darüber hinaus wird die
RAG-Stiftung die Finanzierung der Verpflichtungen aus den Ewigkeits-
aufgaben des Steinkohlenbergbaus der RAG ab 2019 übernehmen. Dies
finanziert die Stiftung über Veräußerungserlöse von Anteilen an der
Evonik Industries AG, Beteiligungserträge sowie über die Erträge einer
diversifizierten Kapitalanlage.

Kennzahlen
BILANZ
in Mio. €                                         31.12.2012      31.12.2013        31.12.2014    31.12.2015      31.12.2016

Anlagevermögen                                        1.779,3         3.062,9          3.571,4        4.522.6         5.200,8

Umlaufvermögen                                        1.019,9           821,0          1.243,1        1.164,1           899,5

Summe Aktiva                                          2.799,2         3.883,9          4.814,5        5.686,7         6.100,3

Eigenkapital                                               2,0               2,0           2,0             2,0               2,0

Rückstellungen                                        2.595,5         3.793,6          4.148,4        4.502,3         4.925,3

Verbindlichkeiten                                       201,7               88,3        664,1         1.178,1         1.169,6

Summe Passiva                                         2.799,2         3.883,9          4.814,5        5.686,7         6.100,3

ERFOLGSRECHNUNG
in Mio. €                                                2012           2013             2014            2015            2016

Jahreserfolg (= Zuführung zur Rückstellung
für Ewigkeitslasten)                                    194,7         1.190,6            351,1          334,3           392,8

Inhalt
MANAGEMENT                       2           Bericht des Vorsitzenden des                  JAHRESABSCHLUSS                    55
Vorwort des Vorstands­-                      Kuratoriums                       26          Bilanz                             56
vorsitzenden                     2                                                         Entwicklung des Anlage­-
Interview mit dem Vorstand       4           LAGEBERICHT                       27          vermögens                          58
                                             Grundlagen des Unternehmens       28          Gewinn- und Verlustrechnung        60
THEMEN DES JAHRES               10           Wirtschaftsbericht                32          Organe                             61
Ewigkeitsaufgaben               10           Wesentliche nichtfinanzielle                  Aufstellung des Anteilsbesitzes    62
„Glückauf Zukunft!“             12           Themen                            46          Anhang                             72
Förderprojekte                  20           Chancen- und Risikobericht        47
Strategische Beteiligungen      24           Prognosebericht                   53          Bestätigungsvermerk                83
                                             Ereignisse nach Schluss des                   Impressum                          84
                                             Geschäftsjahres                   54
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
*393
 Millionen
 Euroist der „Jahreserfolg“ der RAG-Stiftung
     im Geschäftsjahr 2016. Diesen Betrag
     führt die Stiftung satzungsgemäß
     der „Rückstellung für Ewigkeitslasten“
     zu. Er dient somit zur Finanzierung
     der sogenannten Ewigkeitsaufgaben
     (siehe S.10), die es nach dem Ende
     des deutschen Steinkohlenbergbaus
     2018 zu bezahlen gilt. Dazu zählt vor
     allem die Bewirtschaftung von Gruben-
     und Oberflächenwasser in den ehe­
     maligen Kohleregionen. Im Jahr 2015
     belief sich die Zuführung auf gut
     334 Millionen Euro.
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
VORWORT DR. WERNER MÜLLER

                   Ein kleines Stück Ewigkeit

          Wenn Bergleute sich der Tradition folgend zum Schicht­wechsel      phase, die alle Stiftungen im Land vor große Herausforderungen
          „Glückauf!“ wünschen, schwingt in diesem Wunsch auto­              stellt, haben wir mit Fleiß und Fantasie auch 2016 wieder
          matisch immer auch die Hoffnung auf Zukunft mit: Möge das          erfolgreich gewirtschaftet und unser Vermögen überdurch-
          Glück uns unter Tage Gänge auftun – und mögen wir aus              schnittlich mehren können. Der Zahlenteil dieses Geschäfts­
          dem tiefen Schacht gesund zu unseren Familien zurückkehren!        berichts gibt in aller Ausführlichkeit Aufschluss darüber.

          Die RAG-Stiftung hat diesen Bergmannsgruß aufgegriffen.            Ab 2019 werden wir dann erstmals – und fortan Jahr für Jahr –
          „Glückauf Zukunft!“ lautet der Titel der Initiative, mit der wir   für die Ewigkeitsaufgaben des deutschen Steinkohlenbergbaus
          gemeinsam mit Evonik, RAG und der IG BCE den deutschen             aufkommen. Der Steuerzahler wird nicht zur Kasse gebeten.
          Steinkohlenbergbau würdig verabschieden und gleichzeitig           Vor dem Hintergrund dieser Perspektive und der Tatsache, dass
          Impulse für eine gute Zukunft der Bergbauregionen setzen           die RAG-Stiftung 2017 bereits ihren 10. Geburtstag feiert,
          wollen. Denn die Zeit der Steinkohlenförderung unter Tage          ist damit das erste kleine Stückchen Ewigkeit bereits erfolgreich
          wird schon Ende nächsten Jahres endgültig vorbei sein. Im          geschafft. Und auch mit Blick auf die weitaus längere Zeit­
          Dezember 2018 schließen die letzten beiden Zechen in               spanne, die in Bezug auf die Ewigkeit noch vor uns liegt, bin
          Deutschland. Dann beginnt eine neue Zukunft: eine Zukunft          ich sicher, dass wir 2019 positiv gestimmt nach vorne blicken
          ohne die Steinkohle.                                               und in die Ära des Nachbergbaus eintreten können. Denn
                                                                             auf das neue Kapitel, das wir dann aufschlagen, haben wir sehr
          Mit „Glückauf Zukunft!“ sagen wir den Bergleuten „Danke!“          langfristig und systematisch hingearbeitet.
          für ihren großen Beitrag zum Aufschwung unserer Industrie-
          nation. Da jedes Ende bekanntlich auch einen Anfang markiert,      Bis es so weit ist, werden wir aber zunächst weiterhin gründ­-­
          bin ich sicher, dass wir auch auf die Zeit nach dem Bergbau        lich unsere Arbeit machen und uns „Glückauf!“ wünschen,
          mit Mut und Zuversicht blicken können. Hierzu leisten wir          während noch täglich Bergleute in Deutschland unter Tage
          zunehmend auch mit unserer Förderung in den Bereichen              einfahren.
          Bildung, Wissen­schaft und Kultur in den Bergbauregionen
          im Ruhrgebiet und im Saarland einen wichtigen Beitrag.             In diesem Sinne: Ein herzliches Glückauf,

          Dass der Stiftungsvorstand seine erfolgreiche Arbeit fortsetzen    Ihr
          kann, wurde dank des Beschlusses des Stiftungskuratoriums
          im Dezember 2016 gesichert. Der Vorstand wurde für weitere
          fünf Jahre ab Dezember 2017 wiederbestellt und kann damit
          seine Arbeit in die strategische und operative Richtung fort­­-
          führen, in der die RAG-Stiftung in den letzten Jahren schon so     Dr. Werner Müller
          gut vorangekommen ist. Trotz der andauernden Niedrigzins­          Vorsitzender des Vorstandes der RAG-Stiftung

2   RAG-STIFTUNG   •   Geschäftsbericht 2016
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
M ANAG E M E NT     TH E M E N      L AG E BE R ICH T           J A H RE S A B S C H L U S S

                       „Ein kleines
                   Stückchen Ewigkeit
                  ist bereits erfolgreich
                        geschafft.“
                      D R . W E R N E R MÜ L L E R

                                    RAG-STIFTUNG    •   Geschäftsbericht 2016            3
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
DR. HELMUT LINSSEN         DR. WERNER MÜLLER          BÄRBEL BERGERHOFF-WODOPIA
                         FINANZVORSTAND        VORSITZENDER DES VORSTANDES        PERSONALVORSTAND

4   RAG-STIFTUNG   •   Geschäftsbericht 2016
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
M ANAG E M E NT       TH E M E N      L AG E BE R ICH T           J A H RE S A B S C H L U S S

     INTERVIEW

 „Wir stehen ein
  für Sicherheit“
Das Kuratorium hat den Vorstand der RAG-Stiftung am 5. Dezember 2016
für eine weitere Amtszeit ab Dezember 2017 bestätigt. Anlass genug für
­Rückblicke, Einblicke und Ausblicke: Was wurde geleistet, was ist noch zu
 schaffen? Darüber sprachen Dr. Werner Müller, Bärbel Bergerhoff-Wodopia
 und Dr. Helmut Linssen mit dem Hamburger Journalisten Oliver Driesen.

Herr Dr. Müller, ist die Verlängerung Ihrer             ten Berufen ausgebildet und ihnen anschließend
Amtsperioden um fünf Jahre bis Ende 2022                auch einen Arbeitsplatz geboten. Wir versuchen,
auch ein Signal für operative und strategische          den Wegfall an Ausbildungsmöglichkeiten mit
Kontinuität der Stiftungsarbeit?                        unserem gewachsenen Budget zumindest ein Stück
Dr. Werner Müller: Ich denke, das kann man so           weit zu kompensieren, und sind auch hier ein ver-
sehen. Besonders freut uns, dass der Beschluss          lässlicher Partner.
ohne Diskussionen zustande kam – als Ausdruck
einer gewissen Zufriedenheit, die das Kuratorium        Blicken wir aber zunächst noch einmal auf die
offensichtlich mit unserer Arbeit der letzten Jahre     Entwicklung der im Juni 2007 gegründeten
verspürt.                                               Stiftung zurück. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz
                                                        aus?
Herr Dr. Linssen, ist Ihre Bestätigung als Finanz­      Müller: Zunächst musste die Stiftung ja mal auf-
vorstand ein stabilisierender Faktor für die            gebaut werden. Es mussten Richtlinien für die
Mehrung des Stiftungskapitals in unruhigen              Kapitalanlage entwickelt und Verfahren der Zu­
Zeiten? Aus dessen Erträgen müssen Sie                  sammenarbeit mit dem Kuratorium etabliert wer-
schließlich ab 2019 die „Ewigkeitsaufgaben“             den. Nach einigen Jahren und besonders seit 2012,
finanzieren ...
Dr. Helmut Linssen: Es ist ein Zeichen von Ver-
trauen in unsere Arbeit. Und bei aller Bescheiden-
heit: Wir sind ja auch recht erfolgreich. In für An­­
leger schwierigen Zeiten haben wir gute Erträge
erwirtschaftet, was nicht selbstverständlich ist.           „Ein zentraler Punkt
Das hat unser Kuratorium wohl auch so gesehen
und traut uns zu, dies auch künftig hinzu­be­
                                                         unserer Zukunftsstudie für
kommen.                                                   das Ruhrgebiet ist, dass
Frau Bergerhoff-Wodopia, auch die Träger der
                                                         wir die Attraktivität dieser
vielen von der Stiftung geförderten Projekte aus          Region deutlich steigern
Bildung, Wissenschaft und Kultur dürften die
Kontinuität im Amt des hierfür zuständigen Vor­-
                                                                  müssen.“
standsmitglieds über 2017 hinaus begrüßen ...                       D R . W E R N E R MÜ L L E R
Bärbel Bergerhoff-Wodopia: Verständlich – denn
auch sie wissen, dass wir bei unseren Förderpro-
jekten Wert auf Kontinuität legen. Als wir 2012
antraten, lag das Jahresbudget für Bildung, Wis-
senschaft und Kultur bei 1,5 Millionen Euro. 2017       als auch der neue Vorstand ins Amt kam, hat sich
sollen es 13,5 Millionen Euro sein. Den Großteil        dann gezeigt: Bei den Kapitalanlagen – insbeson-
davon machen die Ausgaben für Bildung aus, weil         dere bei den sicheren Staatspapieren – sind die
in den Kohlerevieren Ausbildungsplätze weggefal-        Zinsen deutlich rückläufig und inzwischen nahe
len sind. Der Bergbau hat über viele Jahrzehnte         null angekommen. Wir mussten also nach neuen
100.000 junge Menschen in den unterschiedlichs-         Anlagemöglichkeiten suchen und haben diese

                                                                                  RAG-STIFTUNG    •   Geschäftsbericht 2016            5
GESCHÄFTSBERICHT 2016 - RAG-Stiftung
Optimistisch trotz
                                                                                       Zinstief: Finanzexperte
                                                                                       Dr. Helmut Linssen

                                                 auch gefunden. Gleich zu Anfang unserer Amts-          Vorstandsmitglieder haben eine enge Bindung zur
                                               zeit haben wir auch etwas umgesetzt, was bis             Steinkohle – ohne die es die Stiftung und unseren
                                               dahin mehrere erfolglose Anläufe hinter sich hatte:      gemeinsamen Auftrag schließlich gar nicht gäbe.
                                               Evonik an die Börse zu bringen. Und, wie Frau
                                               Bergerhoff-Wodopia schon andeutete, wir haben            Zum Ausgleich fehlender Einnahmen aufgrund
                                               auch unsere gesellschaftspolitische Rolle in den         der Zinskrise haben Sie innovative Instrumente
                                               Kohlerevieren verankert, als Förderer für Bildung,       wie die Beteiligung an ertragsstarken Mittel­
                                               Wissenschaft und Kultur. Diese insgesamt erfolg-         ständlern in Ihre Anlagestrategie eingebaut. Daher
                                               reiche Aufbauarbeit verpflichtet uns auch für die         rückt immer stärker die „RAG-Stiftung Beteili­
                                               Zukunft.                                                 gungsgesellschaft“ in den Blick. Was hat es damit
                                                                                                         auf sich?
                                               Als Sie, Frau Bergerhoff-Wodopia, im Dezember             Linssen: Im Jahr 2013 haben wir eine Verände­-
                                               2012 in den Stiftungsvorstand kamen, wurden              rung unserer Kapitalanlagerichtlinie vorgenom-
                                               Sie zeitgleich auch Aufsichtsrätin der RAG Aktien­­­-    men. Das war entscheidend, weil wir dadurch
                                               gesellschaft, in der Sie seit 1970 Ihre Berufs­          ­weitere Investitionsmöglichkeiten erhielten – etwa
                                               laufbahn verbracht hatten. Kann man sagen,                auch bei der Beteiligung an Unternehmen. Das
                                               dass Ihr Lebenslauf die Verankerung der                   machen wir seither auf drei verschiedene Weisen:
                                               Stiftung im „produktiven“ Teil des deutschen              erstens über den Kauf von Private-Equity-Fonds;
                                               Steinkohlen­bergbaus sichergestellt hat?                  zweitens über eine eigenständig agierende Pri­
                                               Bergerhoff-Wodopia: Ein besonderer Bezug zur              vate-Equity-Gesellschaft in München, in der wir
                                               RAG, wenn man über so viele Jahre dort in ver-            ein Vetorecht haben, weil wir sie alleine finanzie-
                                               schiedenen Funktionen gearbeitet hat, versteht            ren; und drittens über die eigene Beteiligungsge-
                                               sich wahrscheinlich von selbst. Diese Erfahrung ist       sellschaft. Diese letztgenannte Beteiligungs­
                                               sicherlich auch hilfreich, weil man nicht zuletzt die     gesellschaft ist fokussiert auf Investitionen in mit-
                                               innere Sichtweise kennt. Ich denke aber, alle drei        telständische Unternehmen in den Bereichen

           „Ich würde mir wünschen,
            dass mit etwas zeitlichem
           Verzug gegenüber den USA
             auch bei uns die Zinsen
           leicht angehoben werden.“
                            DR. HE L M UT L I NS S E N

6   RAG-STIFTUNG   •   Geschäftsbericht 2016
M ANAG E M E NT       TH E M E N       L AG E BE R ICH T           J A H RE S A B S C H L U S S

Automation, Maschinenbau und Industriedienst-         Zeit in die Jahre gekommen. Wir wollen es für die
leistungen; zumeist Marktführer in ihrem Bereich.     nachfolgenden Generationen wieder interessant
Diversifikation ist für uns ein ganz entscheidendes   machen. Allein 15 Millionen Euro von den 28 Mil-
Instrument. Unsere eigene Beteiligungsgesellschaft    lionen, die wir für „Glückauf Zukunft!“ bereitstel-
haben wir zusammen mit einem erfahrenen               len, fließen in die Modernisierung des Museums.
Manager aufgezogen.                                   Auch der Bund und das Land NRW haben sich in
                                                      die Pflicht nehmen lassen und geben Gelder dazu,

                                                                                                                13,5
Zum abgelaufenen Jahr: Ein Highlight war sicher       denn beim DBM handelt es sich um ein Leibniz-­
auch das gut besuchte Zukunftsforum auf Zoll­         Forschungsmuseum. Aber neben der Tradition des
verein im Juni 2016 mit der Präsentation Ihrer        Bergbaus stehen für uns bei „Glückauf Zukunft!“
Zukunftsstudie für das Ruhrgebiet. Aber war der       vor allem die zukunfts­   gerichteten Projekte im
Titel „Das Schicksalsjahrzehnt“ nicht etwas zu        Fokus.                                                    MILLIONEN
                                                                                                                EURO
melodramatisch?
                                                                                                                will die RAG-Stiftung
Müller: Diese Studie beschäftigt sich mit den Risi-   Ihre Partner bei „Glückauf Zukunft!“ sind die             im Jahr 2017
ken, vor allem aber mit den Entwicklungschancen       Gewerkschaft IG BCE sowie Ihre eigenen                    für Förderprojekte
der – im Schwerpunkt – ehemaligen Kohleregion         strategischen Beteiligungen Evonik Industries             ausgeben.

Ruhrgebiet. Eine zentrale Erkenntnis daraus ist,      und RAG ...
dass wir die Attraktivität dieser Region deutlich     Müller: Die vier beteiligten Institutionen haben
steigern müssen. So sind wir zwar schon heute         bereits im Jahr 2014 beschlossen, dass der Berg-
die Region mit der größten Hochschuldichte in         bau bis 2018 nicht einfach sang- und klanglos
Deutschland. Aber die Absolventen dieser Hoch-        untergehen soll. Er ist ja der Motor jedweder
schulen sollen nach ihrem Studium auch hier blei-     Industrialisierung in Deutschland gewesen und
ben und nicht nach Hamburg, München oder Berlin       nicht ganz nebenbei auch die Keimzelle Europas.
abwandern. Sie sollen hier ihre Berufswege ein-       Nach dem Zweiten Weltkrieg wäre der Wieder-
schlagen und Familien gründen. Wir verpassen den      aufbau ohne die großen Leistungen der Bergleute
Zug, wenn wir da in den nächsten zehn Jahren          und Bergbauunternehmen unmöglich gewesen.
nicht deutlich mehr Erfolge erzielen. Das ist unge-   Es geht darum, dies noch einmal mit vielen ein-
fähr der Zeitraum, in dem wir handeln müssen.         drucksvollen Veranstaltungen zu würdigen. Und
Das haben die von uns befragten Experten deut-        unser Grundgedanke, dass die Kohleregionen dem
lich zum Ausdruck gebracht. Daher berechtigter-       Bergbau sehr viel zu verdanken haben, hat zu
weise auch der bedeutungsschwere Titel.               unserer Freude weitere Anhänger gefunden: Ich
Bergerhoff-Wodopia: Gerade in den Bergbauregi-        will da die Brost- und die Krupp-Stiftung nennen,
onen müssen die vorhandenen Ansätze gefördert         die sich mit uns engagieren – ganz konkret bei-
werden, wie sie Herr Müller beschrieben hat. Wir      spielsweise bei der Finanzierung des Erweiterungs-
tun das – beispielsweise über die Vergabe zahlrei-    baus des Albers-Museums in Bottrop. Und auch
cher Stipendien an verschiedenen Hochschulen.         viele andere größere wie kleinere Institutionen
Wenn man über viele Jahre ein Stipendium in           leisten Beiträge, um gemeinsam mit Würde Ab­
Anspruch nehmen durfte, schafft auch das eine         schied vom Bergbau zu nehmen, aber eben auch
gewisse Bindung an den Standort der Hochschule.       mit Zuversicht in die Zukunft aufzubrechen.
Solche Stellschrauben müssen wir nutzen.
                                                      Jenseits des Sonderprogramms „Glückauf
Das Ende des Steinkohlenbergbaus als                  Zukunft!“ fördern Sie Traditions- und Zukunfts­
Phase der Besinnung auf die Herkunft und des          projekte in NRW und an der Saar. Warum
Auf­­bruchs in die Zukunft: Ist das die Leitlinie     messen Sie dabei dem Thema Bildung die größte
des Programms „Glückauf Zukunft!“, mit                Bedeu­tung bei und haben 2016 von insge­-
dem die Stiftung und ihre Partner die Zeit bis        samt 10,5 Millionen Euro Fördermitteln allein
zur Schließung der letzten Zechen Ende 2018           6 Millionen in diesen Bereich gelenkt?
begleiten?                                            Bergerhoff-Wodopia: Weil es junge Menschen gibt,
Bergerhoff-Wodopia: Ja, genau das. Wir bedienen       die zusätzliche Starthilfe brauchen, um einen qua-
auf der einen Seite die Tradition, indem wir bei-     lifizierten Schulabschluss zu erreichen oder auf
spielsweise das Deutsche Bergbau-Museum Bochum        dem Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen. Den jungen
(DBM) auf moderne Füße stellen. Es ist über die       Menschen hat vormals oft der Bergbau eine

                                                                                                            RAG-STIFTUNG    •   Geschäftsbericht 2016            7
berufliche Chance geboten. Das kann er heute          ausreichend, um die rund 220 Millionen Euro pro
                                               nicht mehr. Deshalb haben wir unter anderem              Jahr für die Ewigkeitsaufgaben ab 2019 aufbrin-
                                               Talentförderprogramme aufgelegt, die Jugendli-           gen zu können. Schon heute haben wir jährlich
                                               che bereits in den Klassen 5 bis 8 unterstützen, ihre    über 400 Millionen Euro Einnahmen, und die
                                               Talente zu entdecken. Ich habe schon viele Schu-         werden bis 2019 aller Wahrscheinlichkeit nach
                                               len besucht und habe junge Leute vorgefunden,            noch weiter ansteigen. Trotzdem rechnen wir auch
                                               die sehr viel Talent mitbringen, aber eben ohne          damit, dass die Tiefzinsphase noch länger anhält,
                                               Hilfe wenig Chancen auf einen guten Schulab-             und von daher müssen wir in den nächsten Jahren
                                               schluss haben. Das sind vor allem auch viele Kin-        nicht nur weiterhin sparsam und solide sein, ­sondern
                                               der mit Migrationshintergrund. Hier Jugendlichen         auch innovativ.
                         SOLL UND              Starthilfe zu geben, halte ich für eine ganz wich-
                           HABEN               tige Aufgabe.                                            Dennoch: Angesichts des Szenarios, dass
           Rund 220 Millio­­nen                                                                         im Fall weiter fallender Zinsen die Verpflich­
                 Euro Ausgaben
            ab 2019 stehen rund                 Ein Blick in den 2016er-Geschäftsbericht der            tungen explosionsartig anschwellen, könnte ein
            400 Millionen Euro                  RAG-Stiftung zeigt, dass die Verpflichtungen            Außen­stehender kalte Füße bekommen. Was
          Einnahmen gegenüber.                 aus den Ewigkeitsaufgaben erneut zugenommen              stimmt Sie trotzdem optimistisch, dass sich
                                               haben. Was steckt dahinter?                              keine unüberbrückbare Finanzierungslücke
                                               Linssen: Das ist ein rein finanzmathematisches           auftun wird?
                                               Problem. Die Verpflichtung könnte theoretisch            Müller: Logischer Menschenverstand. Herr Linssen
                                               sogar gegen unendlich gehen. Noch im Jahr 2006           hat gerade schon erläutert: 220 Millionen Euro
                                               ermittelte das KPMG-Gutachten für die Zeit ab            Ausgaben stehen 400 Millionen Euro Einnahmen
                                               2019 Verpflichtungen von rund 6,9 Milliarden             gegenüber. Zudem: Wir haben schon heute ein
                                               Euro. Wenn diese nun bei praktisch gleichbleiben-        Vermögen von grob gerechnet 16 Milliarden Euro.
                                               den Ausgaben auf 100 Milliarden oder noch höher          Bei stabilen Ausgaben könnten wir unser Geschäft
                                               steigen können, dann zeigt das: Dies ist eine Folge      also ab 2019 selbst dann noch über 70 Jahre lang
                                               des gesunkenen Zinsniveaus und hat mit der               weiter betreiben, wenn überhaupt keine Einnah-
                                               ­Liquidität unserer Stiftung nichts zu tun. Die Liqui-   men mehr erzielt würden. Aber anders als in die-
                                                dität ist nach menschlichem Ermessen mehr als           sen theoretischen Überlegungen werden wir im

            „Bei stabilen Ausgaben
          könnten wir unser Geschäft
           ab 2019 selbst dann noch
           über 70 Jahre lang weiter
          betreiben, wenn überhaupt
            keine Einnahmen mehr
                erzielt würden.“
                            DR. W E RNE R M ÜL L E R

                                                                         Den klaren Kurs
                                                                fortsetzen: Stiftungschef
                                                                       Dr. Werner Müller

8   RAG-STIFTUNG   •   Geschäftsbericht 2016
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                                                                                  „Wir geben gerade auch
                                                                                    jungen Menschen aus
                                                                                 ­bildungsfernen Schichten
                                                                                  Starthilfe, die auf ihrem
                                                                                Bildungsweg Unterstützung
                                                                                  benötigen und deren ver-
Chancen durch Bildung:
                                                                                 borgene Talente erst noch
Personalvorstand
Bärbel Bergerhoff-Wodopia
                                                                                 gehoben werden müssen.“
                                                                                      BÄRBEL BERGERHOFF-WODOPIA

richtigen Leben auch ab 2019 weiterhin nicht un­­    gedruck der Investoren nicht mehr nur vor allem
wesentliche Beträge einnehmen können. Aller          in Richtung Immobilien, Aktien und Private Equity.
Voraussicht nach – und die Wirtschaftsprüfer         Auch die verzinslichen Anlagen sollten wieder
haben unsere Prognosen gründlich unter die Lupe      eine größere Bedeutung im Portfolio erhalten.
genommen – bleibt dieses sehr positive Bild auch
erhalten. Und wenn nun immer noch jemand kalte       Die Zeiten sind, wie gesehen, nicht die berechen­
Füße hat: Am Ende liegt über allem auch noch eine    barsten. Unter welche Richtschnur würden
Garantie der öffentlichen Hand, von der ich jedoch   Sie Ihre Zukunft im Dienste der RAG-Stiftung
nicht denke, dass wir sie je in Anspruch nehmen      stellen?
müssen.                                              Bergerhoff-Wodopia: Dass es uns gelingt, vor
                                                     allem der jungen Generation in den Kohleregio-
Was erwarten Sie von der Geldpolitik der EZB         nen etwas von dem zurückzugeben, das der Berg­
und von den Finanzmärkten, damit die Stiftungs­      bau erwirtschaftet hat. Dafür haben wir durch den
arbeit auch in Ihrer nächsten Amts­periode           Aufbau unserer Förderaktivitäten in den vergan-
bis 2022 auf sicheren Beinen stehen kann?            genen Jahren die Weichen gestellt.
Linssen: Eigentlich müssten die EU-Mitglieds­        Linssen: Dass wir weiterhin verantwortungsvoll
staaten strukturelle Reformen durchsetzen und        mit unseren Einnahmen und unserem Vermögen
ihre Verschuldung abbauen. Dies ist nicht populär.   umgehen: Solidität in allen Bereichen und – wir
Stattdessen stellt die EZB unbegrenzt Liquidität     haben gezeigt, dass sich das nicht ausschließen
zur Verfügung, um die Wirtschaft nach der Finanz­    muss – gleichzeitig viel Kreativität, um entspre-
krise wieder in Gang zu bringen. Derzeit nimmt       chende Erträge zu generieren.
die EZB also viel Rücksicht auf die Südeuropäer,     Müller: Dass wir uns bewähren, wenn wir es ab
weshalb sie ihre Sondermaßnahmen sicher noch         2019 erstmals mit der Situation des beendeten
bis Ende 2017 fortsetzen wird. Aber ich würde mir    Bergbaus zu tun bekommen. Dann wird aus
wünschen, dass mit etwas zeitlichem Verzug ge­       ­Theorie Praxis und wir müssen die Wasserhaltung
genüber den USA auch bei uns die Zinsen leicht        kostengünstig und im Einvernehmen mit den
angehoben werden. Dann ginge auch der Anla-           öffentlichen Händen finanzieren.

                                                                                                          RAG-STIFTUNG    •   Geschäftsbericht 2016            9
GRUBENWASSERHALTUNG

                        Neue Pumpen für den Pott
               Ein Grundpfeiler der Nachbergbauzeit ist das neue Grubenwasserkonzept der RAG im Ruhrgebiet.
               Es geht darum, Tiefenwasser weiterhin abzupumpen, aber dabei kontrolliert steigen zu
               lassen. Dafür wird eine ganz neue Brunnentechnik installiert – zum Beispiel mitten in Bochum.

                                                    D     er Malakow-Turm der ehemaligen Bochumer
                                                          Zeche Carolinenglück ist ein historisches Bau-
                                                    werk aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, als für
                                                                                                                     kraft vorgehalten wird, lässt sich zunächst nicht
                                                                                                                     erahnen. Doch Drobniewski kann aufklären: „Wir
                                                                                                                     stehen gerade über einem offenen Schacht, in dem
                            EWIGKEITS­
                               LASTEN               die Förderkörbe noch keine Stahlgerüste, sondern                 es ein paar hundert Meter nach unten geht.“ Und
                  Aufteilung der Kosten             festungsgleiche Backsteinbauten errichtet wurden.                in diesem alten Bergbauschacht, so der Experte
                    von rund 220 Mio.               Doch im Inneren des vielleicht ältesten im Ruhrge-               weiter, hängen derzeit zwei „doppelflutige Tauch­
                      Euro p. a. ab 2019            biet erhaltenen Exemplars ist seit 2015 ganz neue                motorkreiselpumpen“ – Laien dürfen auch einfach
               5%                                   Technik eingebaut. Ein grünes Stahlgerüst erhebt                 „Tauchpumpen“ sagen. Jede davon ist zwölf Meter
               Grundwasser­reinigung                sich bis zur Decke und füllt das Volumen des Turms               hoch, besitzt einen Durchmesser von einem Meter
                                                    fast komplett aus. Am Boden führen zwei mächtige                 und wiegt rund 20 Tonnen. Die Pumpe wiederum
                                                    Rohrleitungen in den Untergrund. Und oben im                     hängt an massiven Rohrelementen. Sie halten dem
                                                    ­Ge­rüst hängt ein knallgelber Flaschenzug von be­-              Druck von 80 Bar stand, mit dem das Grubenwas-
                                                     eindruckendem Ausmaß. „Der kann bis zu 250 Ton­-                ser aus der Tiefe an die Oberfläche gepumpt wird.
                                                     nen heben“, sagt Dr. Michael Drobniewski, Leiter                Und das erklärt auch das Gewicht, das der Fla-
                                                    Grubenwasserhaltung bei der RAG.                                 schenzug heben muss: Pumpe plus mehrere Hun-
               29 %                                      250 Tonnen entsprechen dem Gewicht von                      dert Meter Rohrleitungen plus der darin stehenden
               Poldermaßnahmen
                                                     etwa 120 Lieferwagen. Wofür diese geballte Trag-                Wassersäule – das summiert sich.
                                      66 %
                  Grubenwasserhaltung

                            Lohberg

                                 35   680                                                      Lippe

                      R he i n
                                                                                                             Ems c h e r

                                                                                                                                                       Haus Aden

     Walsum
                                                                                                                                                         13     660
                                                                                                                           Robert Müser
     8      780
                                                                                                             Ruh r
                                                                 Heinrich                                                  11    560
                                                                                                                                                   Steinkohle

                                                                  20        410                Friedlicher
                                                                                               Nachbar
                                                                                                 8     260

               GRUBENWASSERKONZEPT                                                LEGENDE

               RUHRGEBIET                                                              Zentrale Wasserhaltung (mit                             Geplante Grubenwassermenge
                                                                                       Angabe des Einrichtungsjahres)                          in Mio. m3/a

                                                                                       Wasserhaltungsstandort wird geschlossen,                Sicherungsstandort
                                                                                       bleibt aber Sicherungsstandort
                                                                                                                                               Geplante Pumphöhe in m
                                                                                       Untertägige Durchleitung des Grubenwassers
                                                                                       durch bestehendes Streckensystem

10       RAG-STIFTUNG   •   Geschäftsbericht 2016
M ANAGEMENT          TH E M E N    L AG E BE R ICH T           J A H RE S A B S C H L U S S

                                                         ARBEIT BIS IN DIE EWIGKEIT
Tauchpumpen wie auf der Zeche Carolinenglück
                                                         Die RAG-Stiftung finanziert die „Ewigkeitsaufgaben“
werden derzeit an vielen Standorten installiert. Sie
                                                         des Steinkohlenbergbaus. Dabei handelt es sich
markieren das Ende der klassischen Grubenwas-
                                                         um Maßnahmen der Wasserhaltung, die auch nach
serhaltung, wie sie für den aktiven Steinkohlen-
                                                         Beendigung des Zechenbetriebs dauerhaft im Ruhr-
bergbau notwendig war. Dabei standen „normale“           gebiet, in Ibbenbüren und dem Saarland fortbestehen.
Kreiselpumpen ganz tief unter Tage und sorgten
dafür, dass die Schächte und Strebe nicht voll Was-
ser liefen. Ab Ende 2018, dem Beginn der Nach-
bergbauzeit, wird diese alte Infrastruktur überflüs-
sig. Der Wasserstand im Ruhrgebiet kann dann
durch Tauchpumpen reguliert werden.
     Derzeit gibt es im Ruhrgebiet noch 13 soge-
                                                         GRUBENWASSER­                    GRUNDWASSER­
nannte Wasserhaltungsstandorte wie das 1964 still­
                                                         HALTUNG                          REINIGUNG
                                                         Für den untertägigen Stein-      Vor allem auf Bergbau­
gelegte Bergwerk Carolinenglück. Die „Ewigkeits-         kohlenbergbau muss ein-          flächen, die ehemals von
aufgabe“ der Grubenwasserhaltung (siehe Info-            dringendes Grubenwasser          Neben­gewinnungsbetrieben
kasten) wird ab 2019 von der RAG-Stiftung finan-         permanent an die Oberflä-        wie beispielsweise Koke­reien
ziert und weiterhin von den technischen Experten         che gepumpt werden. Nach         genutzt wurden, muss das
                                                         dem Betriebsende der letzten     Grundwasser dauerhaft von
der RAG betreut. Die Ingenieure planen, die Zahl
                                                         Zeche Ende 2018 soll dieses      Schadstoffen befreit werden.
der Wasserhaltungsstandorte deutlich zu reduzie-         Grubenwasser kontrolliert        Die von den Betrieben verur-
ren. Wenn das Grubenwasser steigt, werden in den         ansteigen. Der Pegel wird        sachten Ver­schmut­zungen
alten Untertage-Labyrinthen unter­irdische Flüsse        über Tauchpumpen auf             reichen zu tief in den Erd­
entstehen. Das Wasser unterhalb von Bochum               einem definierten Niveau         boden, um diesen sanieren
                                                         gehalten, um eine Gefähr­        oder austauschen zu können.
etwa wird über die Essener Zeche Zollverein Rich-
                                                         dung der Trinkwasserreser-       Deshalb wird das Grund­
tung Westen fließen. Bereits 2020 wird es auf
                                                         voirs zu verhindern.             wasser an den betroffenen
Carolinenglück deshalb keinen Pumpbetrieb mehr                                            Stellen permanent über­
ge­ben, die Tauchpumpen kommen anderswo zum                                               wacht, abgefangen und vor
Einsatz. Die alte Bochumer Zeche wird nur noch                                            Ort gereinigt.
ein sogenannter Sicherungsstandort sein. Dafür
wird ein Schacht so umgerüstet, dass er bei Bedarf
jederzeit wieder eine Tauchpumpe auf­nehmen              POLDER­
könnte. Man weiß ja nie, was die „Ewigkeit“ bereit-      MASSNAHMEN
hält. Die Umsetzung dieses Konzeptes erfolgt             Durch den Bergbau ist es
nach den Regu­larien, die das Bundesberggesetz           über die Jahrhunderte auch       KOSTEN
vorsieht, und in enger Abstimmung mit der Geneh-         zu Veränderungen der             Ab dem Jahr 2019 muss
                                                         Land­schaft gekommen.            die RAG-Stiftung jährlich ge­
migungsbehörde, der Bezirksregierung Arnsberg.
                                                         Ganze Regionen haben sich        schätzte 220 Millionen Euro
     Im Ruhrgebiet werden 240 Flusskilometer,            abgesenkt, in extremen           ausgeben, um die Ewigkeits­
zum Beispiel das ganze Emschersystem, nach Um­           Fällen bis zu 25 Meter.          aufgaben zu finan­zieren.
setzung des RAG-Konzeptes frei von eingeleitetem         An diesen Stellen muss das       Allein die Gru­ben­wasser­
Grubenwasser sein. Weil nach Umsetzung dieses            Oberflächenwasser (etwa          haltung beansprucht rund
                                                         Flüsse und Bäche) jetzt und      zwei Drittel dieser Summe.
Konzeptes nur noch sechs aktive Wasserhaltungs-
                                                         zukünftig aktiv reguliert        Die dauerhafte Finanzierung
standorte übrig bleiben sollen (siehe Karte), verrin-    werden, um zu vermeiden,         der Ewigkeitsaufgaben ist
gert sich der Energieaufwand für die Grubenwas-          dass sich Oberflächen­           die Heraus­forderung, der
serhaltung dann erheblich. Auch die Kosten sinken        wasser in den Senken             sich die RAG-Stiftung
im Vergleich zu heute, denn 13 alte Schächte und         sammelt. Spezielle Pump­         verpflichtet hat – zur Ent­
                                                         werke müssen betrieben           lastung der öffentlichen
der entsprechende untertägige Raum müssen nicht
                                                         und instand gehalten sowie       Hand und damit des Steuer­
mehr offengehalten werden: Die neuen Tauch-              Gewässer vertieft werden,        zahlers. Berg­schäden fallen
pumpen werden von über Tage gesteuert und ge­­           um den Abfluss zu garan-         nicht unter die Ewigkeits­
wartet.                                                 tieren.                          aufgaben.

                                                                                           RAG-STIFTUNG    •   Geschäftsbericht 2016          11
ZUKUNFTS-INITIATIVE

                    Das ist „Glückauf Zukunft!“
           Das Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus wird auch zu einem Signal für den Aufbruch:
           Dies ist die ist Botschaft von „Glückauf Zukunft!“. Die RAG-Stiftung, die RAG Aktiengesell-
           schaft und die Evonik Industries AG verabschieden im Schulterschluss mit ihrem Sozialpartner
           IG BCE den deutschen Steinkohlenbergbau. Sie würdigen die historische Leistung des
           Bergbaus und fördern neue Ideen, Initiativen und Projekte zur Gestaltung der Zukunft.

          Das Programm auf einen Blick

         RAG-Stiftung                              RAG                      Evonik                    IG BCE

                                                                                               Beirat
                                                                                               Zwölf prominente Experten
                                                                                               aus Wissenschaft, Kultur, Sport,
                                                                                               Bundes-, Landes- und Lokal­
                                                                                               politik beraten und unterstützen
                                                                                               die Initiative. Vorsitzender
                                                                                               ist der frühere WDR-Intendant
                                                                                               Fritz Pleitgen

           PROJEKTSCHWERPUNKTE

                    Zukunftsimpulse                                Bergleute                                    Bergbau
                    setzen                                         würdigen                                     verabschieden
                    Ideenwettbewerbe für                           Wettbewerbe und Events                       Veranstaltungen und
                    ­Schüler und Jugendliche                       wie die Extraschicht 2018                    Initiativen zum Ende
                     sowie Förderungen für                         mit besonderer Schwer­                       des Steinkohlenbergbaus
                     Jugendprojekte;                               punktlegung oder der
                     Ideen und Aktionen für                        „Deutsche Bergmannstag“
                     eine bessere Nach­barschaft
                     unterschied­licher
                                                         Geschichte                                  Kultur
                     Gene­rationen und Kulturen
                                                         schreiben                                   erleben
                                                         Dialogveranstaltungen,                      Sonderausstellungen,
                                                         Bücher und Online-Projekte                  Veranstaltungen und u. a.
                                                         zur Geschichte des Bergbaus,                Neueröffnung des Deutschen
                                                         Dokumentationen                             Bergbau-Museums,
                                                                                                     Sportveranstaltungen

          Fördervolumen
          Die RAG-Stiftung stellt für „Glückauf Zukunft!“ insgesamt rund 30 Millionen Euro zur Verfügung.
          Größtes Einzelvorhaben (15 Mio. Euro) ist die Umgestaltung des Deutschen Bergbau-Museums

12   RAG-STIFTUNG   •   Geschäftsbericht 2016
M ANAGEMENT            TH E M E N     L AG E BE R ICH T           J A H RE S A B S C H L U S S

                                                                                 Fan des Ruhrgebiets:
                                                                                 der Journalist und
                                                                                 gebürtige Duisburger
                                                                                 Fritz Pleitgen

                                                                                   wurden. Auch wenn ich jetzt bei Köln lebe, fühle
                                                                                   ich mich dem Ruhrgebiet und seinen Menschen
                                                                                   sehr eng verbunden. Es ist meine Heimat. Als Jour-
                                                                                   nalist habe ich immer wieder aus der Region
                                                                                   berichtet, auch und gerade in den schwierigen Zei-
                                                                                   ten des Bergbaus und des Stahls.
                                                                                       Der Slogan „Glückauf Zukunft!“ hat mir von
                                                                                   Anfang an gut gefallen. Dahinter steckt in kon-
                                                                                   zentrierter Form eine große Idee: die Würdigung
                                                                                   der Vergangenheit und der zuversichtliche Blick
                                                                                   nach vorn.

                                                                                   Zwischen 2007 und 2010 haben Sie die
                                                                                   RUHR.2010 GmbH geleitet. Welche Erkenntnisse
                                                                                   dieses Kulturhauptstadt-Festivals bringen
                                                                                   Sie in die Initiative „Glückauf Zukunft!“ ein?
    5 FRAGEN AN FRITZ PLEITGEN                                                     Das Erfolgsrezept von RUHR.2010 war, dass die
                                                                                   Städte in der Region vorbildlich Gemeinsinn
  „Bilder, die bleiben“                                                            praktizierten. Alle zogen an einem Strang. Auch
                                                                                   „Glückauf Zukunft!“ wird alles versuchen, die
Der frühere WDR-Intendant Fritz Pleitgen über                                      gesamte Bevölkerung mitzunehmen. Das schafft
sein Engagement als Vorsitzender des Beirates von                                  man am besten mit breit angelegten Projekten, die
„Glückauf Zukunft!“.                                                               Emotionen wecken. „Glückauf Zukunft!“ will über
                                                                                   viele Projekte hinweg erreichen, dass sich die
                                                                                   Bürgerinnen und Bürger beteiligt fühlen. Da wer-
                       Herr Pleitgen, welche Rolle spielt der Beirat bei           den Bilder entstehen, die bleiben.
                       „Glückauf Zukunft!“?
                       Der Beirat erfüllt eine Doppelrolle: Er soll einerseits     Integration, Bildung, Geschichte, Aufbruch –
                       Empfehlungen – insbesondere für die öffentlich-             „Glückauf Zukunft!“ ist in vielen Bereichen
                       keitswirksamen Programmpunkte 2018 – abgeben,               aktiv. Welches Projekt oder welches Handlungs­
                       andererseits sollen die Mitglieder über ihre Kon-           feld liegt Ihnen besonders am Herzen?
                       takte die Botschaft von „Glückauf Zukunft!“ ins             Mir sind alle Projekte wichtig. Das Gesamtkunst-
                       Land tragen. Es handelt sich um angesehene Ver-             werk ist am Ende entscheidend. Besonders am
                       treter aus der Bundes-, Landes- und Lokalpolitik            Herzen liegt mir ein Thema, das mich schon seit
                       sowie aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur und            Jahrzehnten als Journalist beschäftigt hat: Migra-
                       Sport. Die Beiräte fungieren als Botschafter nicht          tion und Integration. Beide betrachte ich als die
                       nur im Ruhrgebiet, sondern auch darüber hinaus.             größte und komplizierteste Herausforderung der
                                                                                   demokratischen Gesellschaften in unserer Zeit. Das
                       Was würden Sie als Vorsitzender des Beirates                Ruhrgebiet kann auf diesem Feld zu einem Vorrei-
                       gerne erreichen?                                            ter für Europa werden. Mit Solidarität als einem
                       Ich möchte erreichen, dass das Ruhrgebiet auf lange         zentralen Wert der Bergleute hat das Ruhrgebiet
                       Sicht als kraftvolle Zukunftsregion in Europa wahr-         bereits in der Vergangenheit besondere Integrati-
                       genommen wird. Wie zur Blütezeit des Steinkoh-              onsleistungen vollbracht. Es gibt in Europa derzeit
                       lenbergbaus! Der Ruf des Ruhrgebiets liegt immer            nirgendwo ein Gesamtmodell, an dem sich die ver-
                       noch weit unter seiner tatsächlichen Verfassung.            einten Staaten angesichts der aktuellen Herausfor-
                       Mein dringender Wunsch ist es, das grundsätzlich            derungen orientieren können. Hier funktionie-
                       zu ändern. „Glückauf Zukunft!“ hat das Potenzial,           rende Integrationsmodelle für größere Räume zu
                       hierzu einen wesentlichen Beitrag zu leisten.               entwickeln, würde „Glückauf Zukunft!“ und dem
                                                                                   Ruhrgebiet international großen Respekt ver­
                       Woher kommt Ihr Engagement für die Region?                  schaffen. Deshalb setze ich sehr auf das Projekt
                       Ich wurde in Duisburg geboren und habe einige               „Glückauf Nachbarn – Modellquartier Integra-
                       Jahre als Kind in Essen gelebt, bevor wir evakuiert         tion“.

                                                                                                            RAG-STIFTUNG    •   Geschäftsbericht 2016          13
RÜCKBLICK: ZUKUNFTSFORUM 2016

     	Zehn Jahre, die
       den Kurs bestimmen
     Über die Zukunft des Ruhrgebiets entscheiden die nächsten zehn Jahre. Diese Erkenntnis
     zog sich durch das hochkarätig besetzte Zukunftsforum von RAG-Stiftung und RAG
     am 9. Juni 2016 auf Zollverein. Als Teil des Programms „Glückauf Zukunft!“ wurden
     auf dem Forum Inhalte der Zukunftsstudie „Das Schicksalsjahrzehnt“ diskutiert.

                           W         ie geht es weiter mit dem Ruhrgebiet? Wie
                                     wird die Region attraktiv für qualifizierte
                           Arbeitskräfte? Welche Rahmenbedingungen
                                                                                   und zu diskutieren. Die Basis dafür lieferte der
                                                                                   ­Vorstandsvorsitzende der RAG-Stiftung, Dr. Wer-
                                                                                    ner Müller, gleich zu Beginn: Er überreichte Nord-
                           braucht es, damit sich junge Familien für ein Leben      rhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore
                           zwischen Lippe, Emscher und Ruhr entscheiden,            Kraft die von der Stiftung in Auftrag gegebene
                           statt dem Lockruf angesagter Metropolen wie              Studie „Das Schicksalsjahrzehnt“, die Impulse für
                           ­Berlin, Hamburg, Leipzig oder München zu fol-           die Zukunft des Ruhrgebiets beleuchtet und auch
                            gen? Wie soll sich das Revier positionieren, um im      einen zusätzlichen Blick auf das Saarland enthält.
                            Wettbewerb der Regionen zu bestehen? Diese              Ebenso wie Kraft betonte auch Michael Vassiliadis,
                            Fragen beschäftigen Politik, Wirtschaft, Wissen-        Vorsitzender der IG BCE, die Dringlichkeit, die in
                            schaft und Zivilgesellschaft im Ruhrgebiet intensiv     der Studie benannten Herausforderungen anzu-
                            – nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden           gehen. Sieben in der Studie formulierte Zukunfts-
                            ­historischen Zäsur, die das Ende des deutschen         thesen liefern hierfür Handlungsempfehlungen.
                             Steinkohlenbergbaus 2018 bedeutet.                         So heißt es etwa in These 4 (siehe Klapper):
                                 Das Zukunftsforum 2016 in Essen bildete mit        „Das Ruhrgebiet muss sich als junge Region
                             rund 400 nationalen und internationalen Gästen         präsen­tieren, dann wachsen Attraktivität und
                             aus allen gesellschaftlichen Bereichen den ange-       Anziehungskraft.“ Diesen Gedanken bekräftig-
     Impulse: Stiftungs­   messenen Rahmen, um Antworten zu präsentieren            ten die meisten Teilnehmer des Panels „Junge
     chef Dr. Werner
     Müller übergab die
     Zukunftsstudie an
     Ministerpräsidentin
     Hannelore Kraft

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M ANAGEMENT          TH E M E N        L AG E BE R ICH T           J A H RE S A B S C H L U S S

                                                                                                                   Intensiver Austausch:
                                                                                                                        Ebenso engagiert
                                                                                                                  wie Stiftungs-Personal­
                                                                                                                          vorstand Bärbel
                                                                                                                    Bergerhoff-Wodopia
Gene­ration, Ruhrgebiet und Lebensqualität“. Da­­      des Zukunfts­forums: „Kein anderer Ort als das                       (links) zeigten
                                                                                                                           sich alle Gäste.
her forderte RAG-Vorstandschef Bernd Tönjes:           Ruhrgebiet ist so geeignet, um die Verknüpfung
„Wenn wir das Ruhrgebiet als lebenswerte Region        von digitaler Wirtschaft und klassischer Industrie
erhalten wollen, müssen wir mit den ­jungen Leu-       Wirklichkeit werden zu lassen“, so beispielsweise
ten sprechen.“ Um die jungen Menschen und ihr          NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin. Schließlich
kreatives Potenzial an die Region zu binden,           brauche das Internet der Dinge vor allem eines:
bedürfe es jedoch eines klaren Profils, betonte die    Dinge. Und mit deren Herstellung habe die
Stadt­entwicklungsexpertin Annamaria Deiters­-         ­Wirtschaft des Ruhrgebiets nun wirklich Erfah-
Schwedt. Hier zeichneten viele Städte des Ruhr-         rung.
gebiets ein noch zu unspezifisches Bild von sich.             „Ohne Zuwanderung und gelungene Integra-
Dabei, so der Tenor auch weiterer Expertenbei-          tion im Ruhrgebiet würde hier heute kein Ober-
träge, habe das Ruhrgebiet jungen Menschen              bürgermeister stehen, sondern ein Dorfvorste-
eine Menge zu bieten.                                   her“, brachte Essens Oberbürgermeister Thomas
     Als eines der spezifischen Probleme der Region     Kufen die Geschichte des Reviers auf den Punkt.
haben Experten die – an sich vielfältige – Bildungs-    Die aktuell akute Integration von Flüchtlingen und

                                                                                                                  400
landschaft identifiziert. Sie sei in Deutschland auf    Migranten beschäftigte das vierte Panel des
die bürgerliche Mittelschicht ausgerichtet, wes-        Zukunftsforums. Die Sorge vor neuen sozialen
halb sich gerade im Ruhrgebiet viele Schulen weit       Brennpunkten in den Städten ist groß. Christa
von der gesellschaftlichen Realität entfernt hätten.    ­Reicher, Professorin für Städtebau und Bauleit­
„Wir benötigen hier eine besondere Ansprache für         planung an der TU Dortmund, forderte die Kom-            GELADENE
sozial benachteiligte Jugendliche“, betonte Bär-         munen zum Handeln auf: Jetzt müsse es nicht nur          GÄSTE UND
bel Bergerhoff-Wodopia, Vorstandsmitglied der            Think-Tanks, sondern auch „Do-Tanks“ geben,              EXPERTEN
RAG-Stiftung, die sich bei der Förderung entspre-        die vorhandene gute Konzepte umsetzen.                   diskutierten beim
                                                                                                                  Zukunftsforum 2016
chender Projekte engagiert. Die Experten auf dem              Die abschließende Runde des Zukunftsforums          von RAG-Stiftung
Podium zum Thema Bildung lieferten mit Best-­            thematisierte das Image des Ruhrgebiets und seine        und RAG im Essener
Practice-Beispielen zahlreiche Anregungen für das        Repräsentation in den Medien. Hier gebe es noch          Weltkulturerbe
                                                                                                                  Zollverein.
Aufzeigen von Bildungschancen. „Schulen kön-             zahlreiche Fehldeutungen, die falsche Bilder pro-
nen Standortnachteile in herausfordernden Lagen          duzieren würden, so Prof. Dr. Oliver Scheytt, der
durch Innovationen kompensieren“, so die Er­­-­          ­ehemalige Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH.
ken­ntnis von Dr. Ilse Kamski, Erziehungswissen-          Ein besseres Image, so die Erkenntnis des Panels,
schaftlerin an der TU Dortmund.                           kann nur über positive, spannende Geschichten
     Können aber im früheren Land von großen              wachsen. Davon würden im Ruhrgebiet noch zu
Kohle- und Stahlimperien auch innovative neue             wenige erzählt. Gleichzeitig müssten solche Ge­
Technologien heranwachsen und junge Start-ups             schichten aber auch mit der Lebenswirklichkeit
Erfolg haben? Zukunftsfähige Arbeitsplätze ent-           übereinstimmen.
stehen derzeit durch Digitalisierung und das                  Gute Ansätze bietet das Ruhrgebiet zahlreich
„Internet der Dinge“, die sogenannte Indus­               – doch unbegrenzt Zeit hat es bei der Realisie­-
trie 4.0. Die ökonomischen Chancen des Reviers            rung nicht: „Die nächsten 10 Jahre entscheiden“,
in diesem Bereich diskutierte eine weitere Runde          mahnt These 1 der Zukunftsstudie.

                                                                                                              RAG-STIFTUNG    •   Geschäftsbericht 2016          15
ZUKUNFTSSTUDIE

                                       Sieben Thesen
                                        für die Zukunft
                                        des Ruhrgebiets
                                  Für die Zukunftsstudie der RAG-Stiftung
                                  wurden die Expertenempfehlungen in sieben
                                  wesentlichen Thesen zusammengefasst.

                     Die nächsten 10 Jahre
                          entscheiden
                    Das Ruhrgebiet steht vor einem Schicksalsjahrzehnt:
                  Globalisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel,
                   soziale Polarisierung und große Integrationsaufgaben
                setzen das Ruhrgebiet unter massiven Handlungsdruck, um
                  als Region im internationalen Wettbewerb zu bestehen.

                                                   Nur Kooperation
                                                   entfaltet Vitalität
                                                Die anhaltende Konkurrenz der Städte lähmt
                                           das Ruhrgebiet. Sie muss endlich überwunden werden.
                                                Nur bei arbeitsteiliger Kooperation der Städte
                                           und einem gleichzeitigen Auftreten als wahrnehmbare
                                                  Einheit erlangt das „Revier“ die Stärke und
                                            Vitalität, um im Wettbewerb der Regionen – national
                                                   wie international – bestehen zu können.

  Prosperität braucht
    Einwanderung
     Einwanderung und Integration können
der Überalterung und Entleerung entgegenwirken
     und die Region wirtschaftlich beleben.
Das Ruhrgebiet: Die Adresse
  der jungen Generation
               Das Ruhrgebiet muss sich als
         junge Region präsentieren, dann wachsen
            Attraktivität und Anziehungskraft.

                          Strahlkraft durch
                       Tradition und Moderne
                            Das Ruhrgebiet braucht für seine Strahlkraft
                               ein zukunftsgerichtetes Leitbild und ein
                         Erscheinungsbild, das die vergangenheitsbezogene
                             Symbolik von Kohle und Stahl kontrastiert.

Vitale Bildungslandschaft
   für soziale Stabilität
       Bildung wirkt sozialer Desintegration
 nach innen entgegen und erhöht die Attraktivität
    nach außen. Dafür braucht das Ruhrgebiet
   in der Bildungslandschaft Spitze wie Breite.

                              Reindustrialisierung nur
                                mit Digitalisierung
                             Die Digitalisierung revolutioniert die gesamte Wirtschaft
                         und eröffnet gleichzeitig neue Marktchancen für ganze Regionen.
                             Mit seiner gewaltigen industriellen Erfahrung und seiner
                           großen Kompetenz im Strukturwandel kann das Ruhrgebiet
                               diese Revolution für eine neue wirtschaftliche Blüte
                           nutzen und wieder eine führende Wirtschaftsregion werden.
DEUTSCHES BERGBAU-MUSEUM BOCHUM

     	Ein Museum
       erfindet sich neu
     Staubige Museumsatmosphäre? Nein danke! Im Rahmen von „Glückauf Zukunft!“
     fördert die RAG-Stiftung die Modernisierung des Deutschen Bergbau-Museums
     Bochum: Jünger und interaktiver wird es seine künftigen Besucher empfangen.

                                S   tolz in der Erscheinung, spannend in der The-
                                    matik – und bald deutlich attraktiver auch für
                                jüngere Besucher: Das Deutsche Bergbau-Museum
                                                                                      thek sowie die Musealen Sammlungen. Das mon-
                                                                                      tan.dok bietet damit die wichtige Forschungsin­
                                                                                      frastruktur für nationale und internationale Wis-
                                Bochum (DBM) wird derzeit gründlich saniert.          senschaftler im Bereich der Montangeschichte.
                                Nach Abschluss der aufwendigen Arbeiten wird              Mit 15 Millionen Euro fördert die RAG-Stif-
                                das 1930 eröffnete Haus seine Botschaften und         tung die bauliche Ertüchtigung des Museums

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                                Sammlungen deutlich moderner präsentieren.            sowie zwei von vier neu konzipierten Rundgän-
                                     Schon vor dem Beginn der Umbauarbeiten           gen. Diese werden rechtzeitig zum Auslauf des
                                besuchten jährlich an die 400.000 Menschen das        deutschen Steinkohlenbergbaus Ende 2018 für
                                DBM, das ursprünglich eingerichtet worden war,        Besucher geöffnet. Insbesondere nach dem Um­­
             MILLIONEN          um Geschichte zu bewahren und den Abbau der           bau wird das Museum der Ort sein, an dem der
                  EURO
                                Steinkohle in einem Anschauungsbergwerk zu ver-       Steinkohlenbergbau erlebbar bleibt. Seit Anfang
      an Fördermitteln stellt
       die RAG-Stiftung für     mitteln. Inzwischen leistet die Einrichtung aber      2017 wird das Hauptgebäude über die Dauer von
       die Ertüchtigung und     noch viel mehr: Sie dokumentiert den weltweiten       zwei Jahren saniert. Gleichzeitig entsteht die Neu-
        Modernisierung des      Abbau aller Bodenschätze, und das von vorge-          präsentation der Dauerausstellungen. Dennoch
         Bergbau-Museums
                      bereit.   schichtlicher Zeit bis heute. Technikzeugnisse, um­   bleibt das Museum über die gesamte Zeit des
                                fangreiche mineralogische und einzigartige histo-     Umbaus geöffnet. Die Besucher erleben im An­
                                rische Sammlungsgegenstände gehören zum Be­­          schauungsbergwerk hautnah, wie Bergbau funk-
                                stand. Es ist damit das bedeutendste Bergbaumu-       tioniert, können mit dem Seilfahrtsimulator unter
                                seum der Welt und zugleich das deutsche For-          Tage „einfahren“ und erleben oben auf dem För­
                                schungsmuseum der Leibniz-Gemeinschaft für            dergerüst einen Panoramablick über die Montan-
                                Georessourcen. Sein Montanhistorisches Doku-          region Ruhrgebiet. Eine Ausstellung im preisge-
                                mentationszentrum (montan.dok) umfasst das            krönten Erweiterungsbau „DBM+“ ergänzt das
                                Bergbau-Archiv Bochum, die Bibliothek und Foto-       Angebot während des Umbaus. 

     Altes Haus mit neuem
     Konzept: Modern
     gestaltete Rundgänge
     (links) machen das
     traditions­reiche
     DBM wieder flott.

16
M ANAGEMENT         TH E M E N        L AG E BE R ICH T           J A H RE S A B S C H L U S S

                                                                                                    Das Neue beginnt in den Köpfen:
                                                                                                 Im offenen Dialog entwickeln Planer
                                                                                                  zusammen mit Quartiersbewohnern
                                                                                              Ideen für ein besseres Zusammenleben.

                               GLÜCKAUF NACHBARN

                          	Modelle für
                            mehr Miteinander
                          Vitale Viertel, gute Nachbarschaft und gelingende Integration: Mit „Glückauf
                          Nachbarn“ entstehen zielführende Ideen für die Quartiere im Revier.
                          ­Impulsgeber sind RAG Montan Immobilien und VIVAWEST, die Immobilien­
                           unternehmen im Verantwortungsverbund der RAG-Stiftung.

D    er deutsche Steinkohlenbergbau blickt auf
     eine historische Integrationsleistung zurück:
Menschen aus vielen Ländern haben in den Berg-
                                                     Im Jahr 2016 haben Wissenschaftler und Integra-
                                                     tionsexperten in einer „Denkfabrik“ zunächst
                                                     Thesen für eine gelingende Integration entwi-
werken zusammengearbeitet und in ihren Siedlun-      ckelt. Parallel dazu bereitete ein Historiker die
gen Tür an Tür gelebt. Auf dieser Basis suchen RAG   Geschichte der Integrationsleistungen des Stein-
Montan Immobilien und VIVAWEST mit „Glückauf         kohlenbergbaus sowie die der beteiligten Unter-
Nachbarn – Modellquartier Integration“ Lösung­-      nehmen auf. Die historische Aufarbeitung und die
en für die gegenwärtigen Heraus­      forderungen.   Thesen der Experten wurden zur Grundlage für
Dazu zählt nicht nur die Zuwanderung durch           die darauf aufbauende „Werkstatt“-Phase: Seit
Flüchtlinge. Integration meint hier auch Aspekte     Februar 2017 erarbeiten vier internationale und
der Demografie, der Bildung, der lokalen Wirt-       interdisziplinäre Planungsbüros konkrete Vor-
schaft oder der Barrierefreiheit. Eine nachhaltige   schläge.
Quartiersentwicklung, so der Grundgedanke, kann          Die Lösungsansätze der Werkstatt werden an
einen wirkungsvollen Beitrag zur Stärkung des        der Siedlung Duisburg-Vierlinden des VIVAWEST-­
gesellschaftlichen Zusammenhalts leisten.            Bestandes und der ehemaligen Bergbaufläche
    „Wir sehen es als unsere Aufgabe, auch nach      Friedrich-Heinrich in Kamp-Lintfort erprobt. Da­bei
dem Ende des Steinkohlenbergbaus bei dieser          geht es um weit mehr als bauliche Veränderun-
aktuellen gesellschaftlichen Herausforderung als     gen. Durch Einbeziehung unterschiedlicher Pers-
Vorreiter voranzugehen“, sagt Bernd Tönjes, Vor-     pektiven und Kompetenzen entstehen völlig neue
standsvorsitzender der RAG. Innerhalb von zwei       Ansätze mit Modellcharakter für Ballungsräume
Jahren soll das Projekt konkrete Ansätze liefern.    in ganz Deutschland. Prof. Dr. Hans-Peter Noll,
„Wir wollen zeigen, welche Möglichkeiten die         Geschäftsführer RAG Montan Immobilien, er­­
aktive Quartiersentwicklung in der heutigen Zeit     wartet: „‚Glückauf Nachbarn‘ wird einen entschei-
hat, lebendige und lebenswerte Quartiere durch       denden Beitrag zur Revitalisierung ehe­   maliger
Integration zu schaffen“, ergänzt VIVAWEST-­         Bergbaustandorte und nachhaltigen Quartiers­
Geschäftsführerin Claudia Goldenbeld.                entwicklung leisten.“ 

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