42|11 - Unterricht im Mutterleib - journal 42.2011 | ISSN 1617-3627 - Universität Konstanz
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K A R R I E R E TAG am Freitag, 27. Mai 2011 Vorträge 09:00-09:30 Uhr Was bringt mir der Doktorhut? B 602 Silke Hell, Academic Staff Development, Uni Konstanz 09:00-09:30 Uhr Bachelor - was dann? A 702 Rüdiger Salomon, Agentur für Arbeit Konstanz 09:40-10:10 Uhr Arbeiten und Leben in der Schweiz A 702 Viele Chancen - aber nicht für alle Anita Scherrer, EURES-Beraterin 10:20-10:50 Uhr Wie finde ich den richtigen Job? A 702 Birte Spreckelsen, Coaching-Training-Beratung 11:00-11:30 Uhr Golden Profiler of Personality A 702 Albrecht Mayer, MLP 11:40-12:10 Uhr Berufsfeld Kommunikation und Marketing A 702 Julia Wandt, Kommunikation und Marketing, Uni Konstanz 12:00-12:30 Uhr Als Nicht-Wirtschaftswissenschaftler/in A 701 IN DIE STRATEGIEBERATUNG Jana Kühnel, The Boston Consulting Group 12:20-12:50 Uhr PE und OE - warum wollen viele ins HR Management? A 702 Agnes Joester, vivo consulting gmbh 13:00-13:30 Uhr Traumberuf Journalismus? A 702 Kerstin Conz, freie Journalistin 13:40-14:10 Uhr Lehramt - Perspektiven und Alternativen A 702 Margit Jetter, Career Service, Uni Konstanz Frank Maurer, Zentrum für Lehrerbildung, Uni Konstanz 14:20-14:50 Uhr Job oder Master? A 702 Wie finde ich den passenden Master-Studiengang Heike Schwartz, Zentrale Studienberatung, Uni Konstanz 15:00-15:30 Uhr Dress for success! A 702 Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance Gwendolin Spellenberg, Farb- und Stilberaterin Workshops 10:00-12:00 Uhr Social Media im Unternehmenskontext Anmeldung erforderlich B 602 Michael Pertek, Benjamin Hörner, Kristine Teske, Namics AG Kosten: 10 € / Workshop 14:00-16:00 Uhr International Job Applications Studierenden-Service-Zentrum (SSZ) B 602 Dr. Veronika Caspers, Language Consultant Tel. 07531/88-3636, -5155 E-Mail: ssz@uni-konstanz.de 14:00-16:00 Uhr Gehaltsverhandlungen im Vorstellungsgespräch G 302 Jeder sollte verdienen, was er wert ist Patrick Gottschalk, Akademikerfinanz 16:00-18:00 Uhr Zwischen Traumjob und Wirklichkeit - Erfolgreiches B 602 Selbstmarketing Ina Klietz, ina - Institut für neue Wohnformen im Alter Weitere Angebote 09:00-17:00 Uhr Kostenlose Bewerbungsfotos (MLP) 09:00-18:00 Uhr Karriere-Café (Career Service & Bodensee Consulting) 10:00-14:00 Uhr Bewerbungsunterlagen-Check (Career Service) 10:00-14:00 Uhr Informationsstände Weitere Informationen: www.careerservice-konstanz.de
Zur Sache 01 Frau Dr. Terheiden, was zeichnet Solarzellen als Energiequellen der Zukunft aus? \\ Solarzellen wandeln Sonnenlicht in elektrische Leistung um. Das Sonnenlicht steht in unbeschränkter Menge koordinierten europäischen Projekts „20plµs“ werden beide Ansätze kombiniert: Zum einen wird die Dicke der D r. Barbara Terheiden und kostenfrei überall auf der Welt zur Verfügung. Damit Siliziumscheiben, aus denen die Solarzellen hergestellt bieten Solarzellen, ganz gleich aus welchem Material, die werden, halbiert, zum anderen wird der Wirkungsgrad von Möglichkeit, lokal am Ort des Verbrauchs elektrische Lei- gegenwärtig zirka 18 Prozent auf über 20 Prozent erhöht. stung bereitzustellen. Der modulare Aufbau der Solaranla- Die Herausforderung liegt in der Kombination beider Ziele. gen erlaubt es, unterschiedlichste Mengen an elektrischer Eine extreme Variante der Dickenreduzierung auf unter ein Leistung zu generieren. Jeder kann also Stromproduzent Viertel der Dicke der gegenwärtig produzierten Solarzellen werden. wird im europäischen Projekt „R2M-Si“ unter Beteiligung Ein vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE der Photovoltaik-Abteilung der Universität Konstanz von Eicke Weber und Bruno Burger erstelltes Energiekonzept verfolgt. Hier wird ein völlig neuer Ansatz zur Solarzellen- für Baden-Württemberg beschreibt, dass bis 2020 die herstellung gewählt, der eine kontinuierliche Produktion Photovoltaik gefolgt von der Windkraft den größten Anteil von Solarzellenmodulen von der Rolle erlaubt. unter den erneuerbaren Energien haben könnte. Der Anteil der Photovoltaik an der Stromproduktion in Baden-Württ- emberg läge bei 27 Prozent, wenn weiterhin jährlich die Menge an Photovoltaikleistung, die 2010 neu hinzukam, Dr. Barbara Terheiden installiert würde. Um die Kosten für die Solarzellenherstellung zu verringern, (Barbara Terheiden ist stellvertretende Leiterin der Photovoltaik-Abteilung an der Universität verfolgt die Forschung verschiedene Herangehensweisen: Konstanz und leitet vor Ort die beiden Projekte. Zum einen lässt sich der Wirkungsgrad erhöhen, zum Siehe Artikel S. 20) anderen der Materialverbrauch und damit die Materialko- sten senken. Im Rahmen des an der Universität Konstanz uni´kon 42 11
Inhalt 02 04 08 18 Titelthema Forschung Exzellenzinitiative Unterricht im Mutterleib Babys füllen keine Fragebögen aus, beantworten keine In- terviews und interessieren sich nicht für sprachwissen- Antragsskizze für schaftliche Experimente: Wer gemeinsam mit Babys forscht, Abenteuer weitere Graduierten- der muss tief in die Trickkiste Wissenschaft schule erfolgreich greifen. Das Babysprachlabor der Universität Konstanz un- Prof. Dr. Matthias Armgardts Die Antragsskizze der Uni- ter der Leitung von Prof. Dr. Forschung hat viel mit forma- versität Konstanz für die Janet Grijzenhout untersucht, len Symbolen zu tun. Dabei ist „Graduiertenschule für Ent- was Kinder über Sprache er weder Logiker noch Mathe- scheidungswissenschaften“ wissen, noch bevor ihnen das matiker, aber er könnte es sein hat in der zweiten Runde der erste Wort über die Lippen - wenn er nicht Jurist wäre. Mit Exzellenzinitiative des Bundes kommt. Beginnt doch der viel Sinn für das noch Unent- und der Länder erfolgreich die Sprachunterricht bereits im deckte begibt er sich auf die Eingangshürde genommen. Die Mutterleib. Spuren des rabbinischen Rechts Bewerbung für die Graduier- mit all der schriftlichen Rät- tenschule wurde zur Voll- selhaftigkeit, in der römischen antragsstellung ausgewählt. Jurisprudenz spürt er die stoische Logik auf und in der Rechtsinformatik arbeitet er mit der Zahlentheorie und mit Verschlüsselungsalgorithmen. uni´kon 42 11
Inhalt 03 24 28 35 Gleichstellung Bibliothek Kultur Zur Sache 01 Titel 04 Forschung 08 Exzellenzinitiative 18 Im Sinne Die Wüste in mir / Neue Projekte 20 der Gleichstellung Die Faszination am Lehre 22 Töten Prof. Dr. Katharina Holzinger, Gleichstellung 24 die als Prorektorin für Das Universitätstheater beein- Gender-Fragen zuständig ist, Tun ist angesagt / druckte mit der Inszenierung Förderung 26 und Marion Woelki, Leiterin Arbeitsplatz Bibliothek von Simon Stephens „Motor- Kooperation 27 des Gleichstellungsreferats, town“. Im anschließenden äußern sich im Interview Interview klärt die Psychologin Bibliothek 28 dazu, warum ein Gender In zwei Interviews kommen Dr. Maggie Schauer, die Leiterin Kodex nötig ist, wie die der Psychologischen For- Weiterbildung 31 einerseits Rektor Prof. Dr. Ul- zehn Punkte des Regelwerks rich Rüdiger und Bibliotheks- schungs- und Modellambulanz der Universität Konstanz am Studierende 32 zustande gekommen sind, direktorin Petra Hätscher wie sie umgesetzt werden sowie andererseits Dennis Zentrum für Psychiatrie Reiche- Symposium 34 sollen, warum sich die Wis- Junghans vom AStA zur nau, über das Leiden von Dan- senschaftskultur ändern muss Teilschließung der Bibliothek ny auf, im Stück ein britischer Kultur 35 und was unter dem Begriff zu Wort. Die einen berichten Soldat, der von einem Einsatz im Irak-Krieg in seine Heimat- Preise 38 des „akademischen Alters“ zu von der Zeit des Krisenma- verstehen ist. nagements, von Sanierungs- stadt zurückgekehrt ist. Service 40 plänen und Bemühungen, die Situation für die Nutzerinnen Neue Professoren 41 und Nutzer möglichst zu ver- Personalia 44 bessern. Der andere begrün- det, warum die Studierenden Kurz berichtet 46 auf eine Rückerstattung von Studiengebühren pochen. Impressum 47 Gäste 48 uni´kon 42 11
Titel 04 Unterricht im Mutterleib \\ Was Kinder über Sprache wissen, noch bevor ihnen das erste Wort über die Lippen kommt: Das Konstanzer Babysprachlabor erforscht den frühkindlichen Spracherwerb uni´kon 42 11
Titel 05 Es ist ein magischer Moment im Leben einer jeden Mama labors um Prof. Dr. Janet Grijzenhout haben es sich zur und eines jeden Papas, ein unvergesslicher Tag voll Aufgabe gemacht zu erforschen, was ein Kleinkind über glänzender Augen und stolz gereckter Häupter: Das Baby Sprache weiß, noch bevor es das erste Wort spricht. spricht das erste Wort – und schließlich dann die ersten Wer gemeinsam mit Babys forscht, der muss tief in die kurzen Sätze! Den einen mag es wie ein Wunder vorkom- Trickkiste greifen: Denn anders als erwachsene Probanden men, dass ein Kind allen ernstes eine „echte Sprache“ füllen Babys keine Fragebögen aus, beantworten keine erlernen kann, wo es doch von seinen Mitmenschen Interviews und interessieren sich in aller Regel auch immerzu mit all den mehr für alles, was im „Dididis“, „Gagas“ und Sprachlabor nicht niet- „Bubus“ angesprochen „Überall auf der Welt ist es gleich und nagelfest ist, als für wird. Den Eltern ist es einfach oder gleich schwierig, das sprachwissenschaft- hingegen schon lange eine Muttersprache zu erlernen liche Experiment und die klar: Ihr Kind ist ein – es gibt keine ,einfachere‘ oder hehre Wissenschaft. Wie echtes Sprachgenie, keine also kommt man Babys ,schwierigere‘ Muttersprache.“ Frage! Sprachkompetenz auf die Den wenigsten ist jedoch Prof. Dr. Janet Grijzenhout Schliche? Der entschei- bewusst, dass das Baby dende Kniff ist, die Auf- zu diesem Zeitpunkt schon längst eine ganze Menge über merksamkeit eines Babys genauestens zu beobachten. Für Sprache wusste – noch ehe ihm das erste Wort über die welche Lautfolgen interessiert sich das Kind? Bei welchen Lippen kommt. Genau genommen begann Babys Sprach- Lautunterschieden lauscht das Baby auf, wann lässt es unterricht bereits im Mutterleib. Sein Geheimnis lautet: hingegen die Tonbandgeräusche links liegen? Und welche genaues Zuhören. Doch auch wer dem Baby sein Wissen Schlüsse lassen sich daraus ziehen, wenn chinesische über die Sprache entlocken will, der muss ganz genau zu- Kleinkinder auf Tonhöhenunterschiede reagieren, deutsche hören und zusehen, der muss darauf achten, bei welchen Babys ab einem gewissen Alter jedoch nicht mehr? Lauten sich die Herzfrequenz des Babys verändert und „Noch bevor Kinder ihre ersten Worte sprechen, haben sie welche Buchstaben das Kind mit Vorliebe verschluckt: Die schon eine Menge über ihre Muttersprache gelernt“, versi- Sprachwissenschaftlerinnen des Konstanzer Babysprach- chert Muna Pohl: „Welche Schritte werden also von einem uni´kon 42 11
Forschung Titel 06 Kind durchlaufen, um ein Muttersprachler zu werden?“ Die stellen“, führt Janet Grijzenhout aus. Dies mündet nicht Sprachwissenschaftlerin erforscht, in welchem Lebensal- zuletzt darin, dass es für Erwachsene schwieriger wird, ter ein Kleinkind nicht-muttersprachliche Lautkontraste Fremdsprachen jenseits des vertrauten Lautsystems zu erkennen und unterscheiden kann – und ab wann es dies erlernen. Allerdings: „Ganz wichtig ist für uns der Befund, nicht mehr tut. „In den ersten zwölf Monaten werden dass es überall auf der Welt gleich einfach oder gleich die Kategorien für die Muttersprache schon gebildet“, schwierig ist, eine Muttersprache zu erlernen – es gibt erläutert Janet Grijzenhout. Ein Baby hört ganz genau keine ,einfachere‘ oder ,schwierigere‘ Muttersprache.“ zu, erkennt die Charakteristika der Muttersprache – deren Die Arbeit im Konstanzer Babysprachlabor umkreist die typischen Laute, Intonationen und Satzmelodien – und große Frage, wie Sprache im Gehirn gespeichert wird. Der spezialisiert sich auf dieses Tonsystem. frühkindliche Spracherwerb folgt in allen Sprachen densel- Lautkontraste, die die eigene Muttersprache nicht verwen- ben Mustern: Bereits im Mutterleib lauscht das Baby dem det, selektiert ein Baby hingegen aus: Fortan „überhört“ Sprachrhythmus und der Satzmelodie der Mutter. Nach der es die tonalen Feinheiten fremder Sprachsysteme einfach, Geburt wird die Erkennung und Wiedergabe von Lautkon- während es für die muttersprachlichen Lautkontraste ein trasten sehr früh ausgebildet, später kommen dann die Feingespür entwickelt. „Wenn ein Kind innerhalb der ers- morphologischen Wortstrukturen und die Satzstrukturen ten vier Jahre nicht mit einer anderen Sprache als seiner hinzu. Solche Satzstrukturen der „Kindersprache“ unter- Muttersprache konfrontiert wird, wird es für das Kind sucht Anne Gwinner. „Kinder im Kindergartenalter bevor- später viel schwieriger, seine Lautwahrnehmung umzu- zugen ein rhythmisches Muster aus abwechselnd betonten uni´kon 42 11
Forschung Titel 07 und unbetonten Silben“, erklärt die Sprachwissenschaft- lerin. Weicht ein Satz von diesem einfach zu sprechenden erklärt die Sprachwissenschaftlerin: Ein gleiches Umfeld bedeutet vergleichbare Ergebnisse. Nichtsdestotrotz be- P rof. Dr. Janet Grijzenhout (3. v. l.) ist seit 2005 Profes- sorin für Anglistische Sprach- trochäischen Silbenmaß ab, so tilgen Kinder häufig eine sitzt Konstanz einen Standortvorteil für die Babysprach- wissenschaft und Direktorin des schwache Silbe und kürzen einen Vokal, um das einfache- forscherinnen: Schließlich ermöglicht es die Situierung im Babysprachlabors an der Univer- re Sprachmuster wiederherzustellen: Das „Gesicht“ wird „Dreiländereck“, auf engem Raum vergleichende Studien sität Konstanz. Ihre Kerngebiete zum „G‘sicht“, die „Banane“ wird zur „‘nane“. In einer mit mehreren Sprachgemeinschaften durchzuführen. in Lehre und Forschung sind Langzeitstudie untersucht nun Gwinner, wie einsprachi- Phonetik, Phonologie, Morpho- logie und Syntax im englischen ge und wie zweisprachig erzogene Kinder mit holprigen Jürgen Graf Sprachraum. Neben Christine Satzstrukturen umgehen. Graf (links), der Mutter von Baby Das Babysprachlabor wurde 2007 in Konstanz nach Mathilde, Janet Grijzenhouts kanadischem und niederländischem Vorbild eingerichtet. Mitarbeiterinnen Anne Gwinner, In Deutschland sind Babysprachlabore noch eher eine (2. v. l.), Teresa Kieseier (2. v. r.) und Muna Pohl (rechts). Seltenheit. „Wir arbeiten aber nicht auf einer Insel, sondern sind international eingebunden“, versichert Janet Grijzenhout. Gerade in der Babysprachforschung ist es ein entscheidender Faktor, dass die Labore international gleich gestaltet sind: „Damit unsere Forschungsergebnis- se auch für andere Sprachen repliziert werden können“, http://ling.uni-konstanz.de uni´kon 42 11
Forschung 08 Abenteuer Wissenschaft \\ Prof. Dr. Matthias Armgardts Forschung hat viel mit formalen Symbolen zu tun. Dabei ist er weder Logiker noch Mathematiker, aber er könnte es sein - wenn er nicht Jurist wäre. Seit 2009 ist er an der Universität Konstanz Professor für Bürgerliches Recht, Antike Rechtsgeschichte, Römisches Recht und Neuere Privatrechtsgeschichte. uni´kon 42 11
Forschung 09 P rof. Dr. Matthias Armgardt ist seit 2009 Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht, Antike Rechtsgeschichte, Römisches Recht und Neuere Privatrechtsgeschichte an der Universität Konstanz. Zuvor hatte er eine Lehrstuhlvertretung an der Ludwig- Maximilians-Universität in München inne. Er habilitierte sich an der Universität Köln über antikes Lösungsrecht und wurde zuvor über die Anwendung der mathematischen Logik auf das Recht bei G. W. Leibniz ebenda promoviert. Von 1999 bis 2009 war Matthi- as Armgardt als Sozius einer Wirtschaftskanzlei tätig. An der Fakultät für Evangelische Theologie an der Ruhr-Universität Bochum legte er das Hebraicum ab. Der Jurist ist Mitglied des Konstanzer Exzellenzclusters „Kulturelle Grundlagen von Integration“. Das klingt zunächst nicht nach außergewöhnlichen „Und das macht die Sache zu einem Abenteuer.“ juristischen Forschungsfeldern. Doch das täuscht. Die Abenteuerlich mutet auch der dicke Wälzer an, den Antike Rechtsgeschichte umfasst bei Matthias Armgardt der vielseitige Jurist aus dem Regal holt. Ein dickes auch rabbinisches Recht mit all seiner schriftlichen Konvolut mit mehreren tausend Seiten. 54 Bände gibt Rätselhaftigkeit, in der römischen Jurisprudenz begibt es von dieser zweisprachigen Ausgabe des Talmud. Das er sich auf die Spuren der stoischen Logik und in der Problem mit der jüdischen Rechtskodifikation ist nicht Rechtsinformatik arbeitet er mit der Zahlentheorie und so sehr die zu erlernende hebräische bzw. aramäische mit Verschlüsselungsalgorithmen. Sprache, sondern das Abkürzungssystem. Die Sätze sind Dass die noch sehr junge Universität Konstanz die kryptisch, ohne Hintergrundwissen ist kein Verständnis einzige Universität in Deutschland mit einer Tradition möglich. Selbst mit den Ergänzungen von rabbinischen ist, an die er anknüpfen kann, hat Matthias Armgardt Gelehrten erscheint der Text für einen Laien rätselhaft. erst erfahren, als er seine Stelle auf den Gießberg be- Wobei man beim Thema wäre: Der Jurist und sein Sinn reits angetreten hatte. für das Geheimnisvolle. Stichwort: David Daube. „Die formallogisch exakte Erfassung Allerdings als Heraus- Mit „derjenige, mit von Wertungswidersprüchen und forderung, das noch dem ich mich innerlich die Analyse von Rechtssystemen auf Unentdeckte ans Licht verbunden fühle“, nimmt zu bringen. Matthias Wertungswidersprüche hin gehören er auf den jüdischen Armgardt ist darüber zu den ganz großen Aufgaben der Rechtgelehrten aus hinaus ein großer Freiburg Bezug, der 1936 Zukunft.“ Liebhaber der formalen Prof. Dr. Matthias Armgardt aus Deutschland fliehen Logik. Hier an der Uni- musste. Als es in Kon- versität ist er auf den stanz noch keinen juristischen Fachbereich gab, hielt Konstanzer Philosophen Dr. Karlheinz Hülser gestoßen, Daube bereits Gastvorträge an der gerade gegründeten der in einem monumentalen Werk die nur fragmenta- Universität. Der Konstanzer Honorarprofessor, der längst risch vorliegende stoische Logik gesammelt und kritisch in Oxford lehrte, brachte das römische Recht in Verbin- bearbeitet hat. In seiner Dissertation hat Armgardt über dung mit dem jüdischen Recht. Und nicht von ungefähr. die Anwendung der mathematischen Logik auf das Recht Die beiden antiken Rechtssysteme verbindet einiges. beim Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz geschrie- Wie das römische Recht bis heute ins europäische Recht ben, dem universellen Denker (und Juristen), der im 16. hinein wirkt, ist Matthias Armgardt überzeugt, dass im Jahrhundert schon daran ging zu untersuchen, wie viel jüdischen Talmud Rechtssätze zu finden sind, die auch formale Logik im römischen Recht steckt. „Man kann für Heutige noch interessant sind. „Das Niveau ist genau zeigen, dass die römischen Juristen die stoische Logik so hoch wie im römischen Recht“, lautet seine Einschät- meisterhaft beherrschten“, merkt Armgardt an, der von zung. Im Talmud, der verschriftlichten Form jüdischer dem Mehrwert formallogisch geschulter Argumentation religiöser Rechtsfiguren, steckt sehr viel Zivilrecht. Das auch für die Juristerei überzeugt ist. hat mit einer Eigenheit der rabbinischen Jurisprudenz Das römische Recht als Juristenrecht war auf scharfe zu tun: Religiöses Recht und Zivilrecht sind nicht scharf Argumentation angewiesen. Nicht der Staat schuf Recht, getrennt. „Eine Eigenart dieses Rechts ist, dass zivil- sondern die Juristen selbst durch ihre Gutachten, die rechtliche Argumentationen oft Bezug nehmen auf das Gesetzeskraft erhielten. Wobei die zwei miteinander rein religiöse Recht“, umschreibt Armgardt die entspre- konkurrierenden Rechtsschulen die logisch einwandfreie chenden Argumentationsverläufe. Um hinzuzusetzen: Argumentation zusätzlich kultiviert haben dürften. www.jura.uni-konstanz.de uni´kon 42 11
Forschung 10 Nach dem Untergang des weströmischen Reiches wurden und Dorothea Weltecke für Religionsgeschichte zusam- die Schriften der großen klassischen Juristen unter menarbeitet. Kaiser Justinian im sechsten nachchristlichen Jahrhun- Vom Einsatz der formalen Logik verspricht sich Armgardt dert im Corpus Iuris Civilis auszugsweise zusammenge- ein Instrument, um Rechtssysteme auf Widersprüchlich- stellt und so überliefert. „Durch die freie Entwicklung keit zu überprüfen. Den Rechtscorpus allerdings nicht der Jurisprudenz ist das römische Recht im zweiten nur als Aussage-, sondern auch als Wertungssystem Jahrhundert zu voller Blüte gelangt, sonst hätte es sich verstanden. „Die formallogisch exakte Erfassung von nicht so entwickelt“, schwärmt der Konstanzer Rechts- Wertungswidersprüchen und die Analyse von Rechtssy- wissenschaftler von den goldenen Zeiten. stemen auf Wertungswidersprüche hin gehören zu den Die erste Kodifikation des rabbinischen Rechts war die ganz großen Aufgaben der Zukunft, die noch nie jemand um 200 nach Christus verschriftlichte Mischna. Wiede- angepackt hat“, so Armgardt, der in dieser Sache mit rum rein mündliche Diskussionen zu dem dort Nieder- dem Logikprofessor Shahid Rahman von der Universität gelegten wurde im Talmud schriftlich fixiert, genauer, Lille kooperiert. in den beiden Talmudin, der babylonischen und der Jeru- Das römisches Recht spielt eine wichtige Rolle bei der salemer Ausgabe. Bis zu den jeweiligen Kodifikationen europäischen Rechtsvereinheitlichung dieser Tage. Die wurden die Rechtssätze über die Jahrhunderte memo- nationalen Zivilrechtsordnungen, die „umgeformtes riert. „Das müssen gleichsam lebende Kassettenrekorder römisches Recht“ darstellen, werden derzeit im Ein- gewesen sein“, so Armgardt, der eng mit den Konstanzer zelnen darauf hin abgeklopft, welche Rechtsfiguren in Historikern Prof. Dr. Ulrich Gotter für Alte Geschichte ein einheitliches europäisches Privatrecht eingehen und welche aufgegeben werden. Wie groß der Verein- heitlichungsbedarf ist, macht Armgardt am Beispiel des grundlegenden juristischen Vorgangs wie einem Kauf deutlich. Während in Frankreich der Käufer allein durch Abschluss des Kaufvertrages automatisch auch Eigentümer der Kaufsache wird, schließt der Käufer einer Zeitung in Deutschland am Kiosk nichts ahnend drei Verträge ab. Im benachbarten Österreich ist es nochmals anders. Schließlich geht Armgardt einem Thema nach, das er neben der Geschichte des antiken Rechts als seinen zweiten Ast bezeichnet: Der Rechtsinformatik, und hier dem Zusammenspiel von Sicherheit und Recht, worunter solch prekäre Dinge wie Online-Banking, elektronische Gesundheitskarte und digitaler Personalausweis fallen. Auf diesem Gebiet arbeitet er eng mit dem Informatiker Dr. Adrian Spalka von der Universität Bonn zusammen. Schon in seinen Jahren als Anwalt gehörte IT-Recht zu seinem Fach, IT-Sicherheit, die Kombination aus Zah- lentheorie und Verschlüsselungsalgorithmen. Und somit Mathematik, eine weitere Leidenschaft des Juristen mit dem Sinn für das Symbolträchtige. msp. uni´kon 42 11
Forschung 11 Für Kinder nicht geeignet? \\ J ohannes Fuchs (rechts) studierte an der Universität Konstanz den Bachelor-Studien- Informatiker der Universität Konstanz haben eine Software zur Altersempfehlung gang Information Engineering mit Vertiefung im Bereich für Bücher entwickelt Mensch-Computer-Interaktion. Für das Masterstudium im sel- bigen Fach wechselte er seine Vertiefungsrichtung in den Konstanzer Nachwuchswissenschaftler haben ein siert eingespeiste Texte nach Fragen der Komplexität Bereich Datenanalyse und Vi- Computerprogramm entwickelt, das Eltern und Erzie- der Handlung, positiven und negativen Emotionen, sualisierung mit Schwerpunkt hungsberechtigte bei der altersgerechten Auswahl Verständlichkeit der Sprache oder den angesprochenen Textanalyse. Johannes Fuchs von Büchern für ihre Kinder unterstützt. Anhand von Themenbereichen. So werden beispielsweise für eine promoviert bei Prof. Dr. Daniel Keim im Bereich Netzwerk- Algorithmen werden die Erzählungen nach verschie- Ermittlung des Schwierigkeitsgrads der Handlung ein- sicherheit. denen Kategorien analysiert und in schematischen zelner Akteure bestimmt, damit anschließend analy- F Darstellungen visualisiert. siert werden kann, wie oft und an welchen Stellen die ranz Wanner (links) stu- Während Altersempfehlungen bisher durch Verlage Figuren agieren. Das Ergebnis wird illustriert und in dierte an der Universität und Buchhändler nach für den Nutzer nicht nachvoll- einem Diagramm für den Nutzer nachvollziehbar. Auch Konstanz den Diplom-Studien- gang Wirtschaftspädagogik ziehbaren Kriterien erstellt werden, ermöglicht die Themenauswahl und Gewichtung werden anhand von und belegte als Doppel- neue Software „Age Suitability“ eine transparente Algorithmen durch die Software berechnet, so dass wahlpflichtfach Information und individuelle Einstufung der Lektüre. „Kinder sind sich die Nutzer des Programms durch die verschiedenen Engineering. Nach Abschluss unterschiedlich sensibel. Zwei Kinder im gleichen Alter Schemata informieren können, ob und wie oft Katego- seines Referendariats begann können bereits mit ganz unterschiedlichen Themen rien wie Krieg und Verbrechen, Sexualität oder Horror in er als Doktorand ebenfalls in der Arbeitsgruppe Keim, vertraut sein. Eine allgemeingültige Altersempfehlung dem untersuchten Buch auftauchen. Dabei ist „Age Sui- wo er im Bereich Textanalyse ist daher prinzipiell schwierig, wie beispielsweise auch tability“ vollständig interaktiv, je nach Interessenlage promoviert. die Diskussion um eine Altersbeschränkung für die Harry können die Nutzer sich bis in die kleinsten Details der Potter-Bücher in den letzten Jahren gezeigt hat“, erläu- Emotionen durchklicken oder mit einer Durchsicht der tert Johannes Fuchs, der das Programm im Zuge seiner zentralen Diagramme einen raschen Überblick gewinnen. Masterarbeit entwickelt hat und heute an der Universi- tät Konstanz zu Datenanalyse und Datenvisualisierung promoviert. Ziel der Software ist, den Interessenten Helena Dietz einen raschen und umfassenden Überblick über die Erzählung zu geben, damit diese selbst einschätzen und entscheiden können, ob das Buch für ihre Schutzbefoh- lenen geeignet ist. Dafür haben die Konstanzer Informatiker Johannes Fuchs und Franz Wanner einen Kriterienkatalog zu- sammengestellt, der die wichtigsten Aspekte für eine Altersempfehlung widerspiegelt. Das Programm analy- www.informatik.uni-konstanz.de uni´kon 42 11
Forschung 12 Das Staffelholz weitergereicht \\ Eine gemeinsame Tagung markiert die Abschlussveranstaltung des von Prof. Dr. Georg Maret geleiteten Graduiertenkollegs und den Auftakt der von Prof. Dr. Matthias Fuchs koordinierten Forschergruppe Es ist bei weitem mehr als „nur“ eine gemeinsame Forschungspartnern der Universitäten Louis Pasteur in Forschungsveranstaltung, wenn die beiden Konstanzer Strasbourg und Joseph Fourier in Grenoble. Ein Drittel Physiker Prof. Dr. Georg Maret und Prof. Dr. Matthias des Gesamtbudgets wurde von der Deutsch-Franzö- Fuchs eine gemeinsame Tagung organisieren, denn sischen Hochschule in Saarbrücken gesponsort. diese besondere Gemeinschaftsveranstaltung besitzt „Nichtlineare Antworten“ sind das bindende Thema der eine wahrlich symbolische Geste: Der internationale neun Forschungsgruppen, die in der von Matthias Fuchs Workshop „Nonlinear Response of Soft Matter“ ist die koordinierten neuen Forschungsinitiative „Nonlinear Abschlussveranstaltung von Georg Marets Graduierten- Response to Probe Vitrification“ zusammenarbeiten: kolleg „Soft Condensed Matter Physics of Model Sys- „Nichtlineare Antworten“, das bedeutet in diesem Zu- tems“ und markiert zugleich den Auftakt von Matthias sammenhang, komplexe Flüssigkeiten und ungeordnete Fuchs‘ Forschergruppe „Nonlinear Response to Probe Festkörper jenseits des Zustands eines thermischen Vitrification“ – als würde eine Forschungsgemeinschaft Gleichgewichts zu erforschen: „Die Gesetzmäßigkeiten das Staffelholz weiterreichen. Anlass genug, um auf die des Nicht-Gleichgewichts sind in der Grundlagenfor- Pionierarbeit eines neunjährigen deutsch-französischen schung der Physik noch im Wesentlichen unverstan- Graduiertenkollegs zurückzublicken und zugleich nach den“, erklärt Matthias Fuchs: „Unsere Idee ist, die vorne zu schauen, was die neue Forschergruppe in nicht-lineare Antwort fern vom Gleichgewicht, wenn Aussicht stellt. die Systeme sehr stark gestört werden, zu verwenden, „Wir haben bei der Organisation unserer Tagung nicht um neue Einblicke in kondensierte Materie zu gewin- mit dieser Resonanz gerechnet. Die Beteiligung der nen.“ Insgesamt acht Forschungsstandorte beteiligen externen Gäste war wirklich außergewöhnlich hoch“, sich an der DFG-geförderten Forschungsinitiative: erinnert sich Georg Maret an die Tagung im März. Knapp 100 Teilnehmer fanden sich zu dem internatio- nalen Workshop in Konstanz ein. Weit über die Hälfte der Sprecher reiste aus dem Ausland an, weniger als ein Viertel der Referenten stammte aus den Konstan- zer Forschungsgruppen. Die Tagung behandelte die Gesetzmäßigkeiten von Nicht-Gleichgewichtszuständen in „weicher Materie“: Transportphänomene, Wachstums- prozesse, Strukturbildung und raum-zeitliche Instabili- täten wurden ergründet. Ein Workshop von zwei Forschungsgruppen mit ihren jeweils eigenen Fragestellungen und Blickwinkeln scheint ungewöhnlich zu sein, bot sich im Falle der Kooperation von Georg Maret und Matthias Fuchs jedoch an: „Da unsere Fragestellungen thematisch sehr nahe beieinanderliegen, konnte jeder von dem ,anderen Teil‘ auch profitieren. Eine Synergie zwischen Theo- rie, Experiment und Simulation wurde möglich“, führt Maret aus: „Beeindruckend war für mich, dass in vielen experimentellen Vorträgen atomistische Einblicke in die Materialien möglich waren. Dies hat uns sehr viel Einsicht in die grundlegenden Prozesse erlaubt.“ Der Dank der Forscher gilt vor allem den französischen uni´kon 42 11 www.uni-konstanz.de/physik
Forschung 13 Neben Konstanz, von wo aus die Forschungsgruppe geschrieben und durchgezogen“, bestätigt Maret. Die organisiert wird, sind die Standorte Köln, Marburg, Universitäten Joseph Fourier in Grenoble und Louis Münster, Düsseldorf, Erlangen-Nürnberg, Augsburg Pasteur in Straßburg wurden als Partner gefunden. Die und Göttingen mit insgesamt elf Doktorandenstel- Herausforderungen einer internationalen Forschungs- len vertreten. Im Rhythmus von ein bis zwei Jahren kooperation sorgten jedoch in der Gründerzeit zunächst will die Forschungsgruppe Workshops veranstalten: für erschwerte Startbedingungen, insbesondere durch „Diese Kolloquien sind vor allem auf die Ausbildung die strukturellen Unterschiede des französischen und der Doktoranden ausgerichtet, um sie untereinander deutschen Hochschulsystems. „Unsere französischen zu vernetzen und um sie an die aktuelle Forschung Kollegen haben unendlich viel Arbeit hineingesteckt“, heranzuführen“, erläutert Fuchs. Im ersten Zug wird die bedankt sich Maret für die fruchtbare Kooperation. Forschergruppe für drei Jahre tätig sein, eine Verlänge- „Ein Graduiertenkolleg bringt junge Leuten zusammen rung auf acht Jahre ist angedacht. „Es war ein Riesen-Erfolg“, blickt Georg Maret auf zu einem Thema. Wenn es gut organisiert und struk- turiert ist, kann es zu einer Eigendynamik führen“, A m Rande der Tagung in der Villa Rheinburg: Prof. Dr. Georg Maret (1. Reihe, 3. v. l.) sein deutsch-französisches Graduiertenkolleg „Soft erklärt Maret. Diese Eigendynamik ist im Fall des ist Professor für Experimental- Condensed Matter Physics of Model Systems“ zurück: Konstanzer Graduiertenkollegs mit Sicherheit gegeben, physik an der Universität Kon- Im Jahr 2001 startete die Forschungsinitiative als auch über die neun Jahre seiner Laufzeit hinaus: „Die stanz. Jüngst wurde er mit dem deutsch-französischen Gentler- echte Pionierarbeit, schließlich gab es zu jener Zeit Forschungskooperation hat die Physik der weichen Kastler-Preis für seine Pionier- in der Physik noch fast keine internationalen Gradu- Materie in Deutschland zu einer erhöhten Sichtbarkeit arbeit im Gebiet der „Weichen iertenkollegs. „Wenn wir ein Graduiertenkolleg nach und Blüte gebracht. Das Konstanzer Graduiertenkolleg Materie“ ausgezeichnet. Konstanz holen, dann ein internationales“, war den Initiatoren von Anfang an klar: Ausländische For- gehört zu den sichtbaren Zentren des Gebiets ,Physik der weichen Materie‘ in Deutschland.“ P rof. Dr. Matthias Fuchs (1. Reihe, 7. v. l.) ist Profes- sor für Theoretische Physik an schungseinrichtungen sollten als gleichwertige Partner der Universität Konstanz. Zu auftreten. „Wir nehmen nur Projekte auf, in denen Jürgen Graf seinen Forschungsschwerpunkten Projektleiter aus zwei verschiedenen Instituten nicht gehört die „Physik der weichen nur auf dem Papier stehen, sondern auch intensiv Materie“. kooperieren. Das haben wir uns selbst ins Pflichtenheft uni´kon 42 11
Forschung 14 Alternativen schaffen \\ Prof. Dr. Marcel Leist engagiert sich seit vielen Jahren für die Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen – seit einem Jahr leitet er in Konstanz die europäische Plattform CAAT-Europe I m Oktober 2010 hat im Konstanzer Inselhotel der erste Informationstag Die Universität Konstanz blickt auf eine zwanzigjährige Tradition in Forschung und Entwicklung von Alterna- beschreibt Prof. Dr. Marcel Leist die sich immer weiter öffnende Schere zwischen wissenschaftlichen Erkennt- tivmethoden für Tierversuche zurück. Hier wurde der nissen und industrieller Praxis. Der Konstanzer Biologe des Center for Alternatives to Animal Testing Europe erste europäische Lehrstuhl für In-vitro-Toxikologie und ist Inhaber des Doerenkamp-Zbinden-Stiftungslehrstuhls stattgefunden. Dort wur- Biomedizin eingerichtet. Vor rund einem Jahr wurde an für In-vitro-Toxikologie und Biomedizin und Direktor von den mit internationalen der Universität das Center for Alternatives to Animal CAAT-Europe. Teilnehmern aus Industrie, Testing Europe (CAAT-Europe) eingeweiht, das sich in Bekanntestes Beispiel für das Versagen von Tierversu- Wirtschaft, Verwaltung und Zusammenarbeit mit der Bloomberg School of Public chen bei der toxikologischen Überprüfung von Arz- Wissenschaft die aktuellsten Health der Johns Hopkins-Universität in den USA der Er- neimitteln ist der Contergan-Skandal aus den 1960er Informationen etwa über die EU-Chemikalienverordnung forschung und Entwicklung von Alternativen zu Tierver- Jahren. Durch die bei Tierversuchen nicht vorherseh- ausgetauscht. suchen widmet. Seit über 50 Jahren werden Tierversuche baren Nebenwirkungen des Beruhigungsmedikaments Der Vortragende am Pult ist durchgeführt, um Chemikalien auf ihre Verträglichkeit sind tausende schwer missgebildete Kinder zur Welt Prof. Dr. Thomas Hartung, und Wirksamkeit zu überprüfen. gekommen. Marcel Leist berichtet in einem weiteren der Leiter von CAAT an der Allein in Deutschland wurden laut Bundesministerium Beispiel, dass in Tierversuchen zahlreiche Medikamente kooperierenden Bloomberg School of Public Health der für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im zur Heilung von Epilepsie und Parkinson erfolgreich John Hopkins-Universität in Jahr 2009 rund 2,8 Millionen Wirbeltiere für Tierversuche waren, die untersuchten Mäuse also geheilt haben, aber den USA. eingesetzt. Unabhängig von der ethischen Frage nach in klinischen Tests versagten. Trotz der erfolgreichen einer Rechtfertigung der Experimente ist auch die wis- Tierversuche gibt es noch immer kein Medikament gegen senschaftliche Effizienz von Tierversuchen nicht immer diese Krankheiten bei Menschen. gegeben. „Gegenüber dem heutigen Forschungsstand der Im Dezember letzten Jahres hat Leist den Forschungs- Pharmakologie und Toxikologie sind die Experimente, preis „Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch die zur Sicherheitsprüfung von Chemikalien durchgeführt 2010“ in Höhe von 25.000 Euro zugesprochen bekommen. und verlangt werden, regelrecht primitive Ansätze,“ Er erhielt die Auszeichnung für ein von ihm aus mensch- uni´kon 42 11
Forschung 15 lichen Zellen entwickelten Modell der Parkinsonschen Die Entwicklung von alternativen Testmethoden ist Krankheit. Der Biologe konnte zeigen, dass mit seiner nur eine von drei Varianten, die unter dem Titel des Methode nicht nur dieselben Ergebnisse wie im Tiermo- „3R-Konzepts“ zusammengefasst werden, für dessen dell erreicht wurden, sondern auch Untersuchungen zu Umsetzung und Verbreitung sich CAAT-Europe enga- Degenerationsmechanismen von Parkinson durchgeführt giert. Die drei „R“ stehen für: Replacement, Reduction werden können, die in Tierversuchen nicht möglich sind. und Refinement, für das Ersetzen, die Reduktion und die Verbesserung von Tierversuchen. Die Aufgabe von CAAT-Europe ist also auch eine der Vermittlung, des Dialogs und der Kommunikation. Es geht um pharmako- P rof. Dr. Marcel Leist, Inhaber des Doerenkamp- Zbinden-Stiftungslehrstuhls logische und toxikologische Forschung mit den jeweils für In-vitro-Toxikologie und am besten geeigneten Methoden, aber genauso um Biomedizin sowie Direktor politische, wirtschaftliche und natürlich auch ethische von CAAT-Europe an der Uni- Fragen. Deshalb möchte Marcel Leist seine Arbeit nicht versität Konstanz. als eine reine Tierschutzarbeit verstanden sehen. „Na- türlich wollen wir den Schutz der Tiere ermöglichen, aber wir sind unvoreingenommene Wissenschaftler. Der Kern unserer Forschung bezieht sich vor allem auf die Frage, wie toxikologische Sicherheitsprüfungen am ver- lässlichsten, günstigsten und schnellsten ermöglicht werden können,“ fasst Leist die Aufgabenstellung von CAAT-Europe zusammen. Regelmäßig organisiert CAAT-Europe Workshops und Tagungen, bei denen Experten aus ganz Europa zu unterschiedlichen Fragestellungen zusammen kom- men. Zuletzt haben sich in diesem Rahmen Anfang des Jahres in Berlin Vertreter von Wissenschaft, Industrie, Tierschutzverbänden und der Europäischen Kommission Zur Entwicklung und Förderung von Alternativmetho- versammelt, um die durch eine neue EU-Richtlinie zu den gehören aber nicht nur wissenschaftliche Er- Tierversuchen notwendigen Maßnahmen und Möglich- kenntnisse, sondern auch politische Maßnahmen und keiten zu diskutieren. Das erste Jahr von CAAT-Europe organisatorische Instrumente, um einen weltweiten hat gezeigt, dass im Engagement für Alternativmetho- Standard für die Sicherheitsprüfungen von Chemikalien den zu Tierversuchen viel getan werden kann – und durchzusetzen. Unter der Geschäftsführung von Dr. auch in Zukunft getan werden muss. Mardas Daneshian dient CAAT-Europe als die euro- päische Plattform zur Vernetzung von Experten aus Wissenschaft, Industrie, gesetzgebenden Behörden und Helena Dietz auch Tierschutzorganisationen. Gleichzeitig zeichnet sich nach dem ersten Geschäftsjahr ab, dass gerade der transatlantische Brückenschlag zwischen den USA und Europa eine der großen Herausforderungen im Engagement für Alternativmethoden ist. „Eine rein europäische Regulation von Tierversuchen ist zwar ein wichtiger Ansatz, aber im Einsatz für eine Durch- setzung der Alternativmethoden eher ein Tropfen auf den heißen Stein. Nur möglichst globale Regelungen und Vereinbarungen haben tatsächlich Einfluss auf die Industrie,“ erklärt Marcel Leist. Solange auch nur ein Abnehmerland eines Produktes einen Tierversuch zur Genehmigung eines Produktes verlangt, werden in der Industrie die Tierversuche nicht ersetzt werden. cms.uni-konstanz.de/leist/caat-europe uni´kon 42 11
Forschung 16 Mit dem Kamera-Auge der Wissenschaft \\ Prof. Dr. Martin Wikelski, Professor für Ornithologie an der Universität Konstanz und zugleich Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfzell, wirkte vor und hinter der Kamera in der aufsehenerregenden Tierdokumentarfilm- reihe „Great Migrations“ von National Geographic mit. Für uni‘kon erklärt er den wissenschaftlichen Hintergrund der Dokumentarfilme. „Fliege, kleiner bunter Schmetterling! In der bahnbrechenden Dokumentarfilmreihe „Great Für dich gibt es keine Grenzen. Alles Gute wünsch ich dir. Migrations“ verfolgte das Filmteam von National Geogra- Fliegst du fort in fremde Länder, dann bist du ein Gruß von phic die Massenwanderungen der großen Tierherden und mir“, heißt es in dem Kinderlied. Was das Lied jedoch -schwärme über die Kontinente hinweg und bringt nun nicht verrät: Der kleine Schmetterling fliegt keineswegs Tieraufnahmen in nie gesehener Schärfe in die Wohn- alleine, sondern wird begleitet von Millionen seiner Art. zimmer. National Geographic profitierte dabei vor allem Mit dabei auf seiner kontinenteüberschreitenden Reise: von zwei Faktoren: Neueste HD-Kameratechnik, die zum die Kamera von National Geographic. ersten Mal für Tieraufnahmen zum Einsatz kam, sowie ein uni´kon 42 11
Forschung 17 Fundament aus wissenschaftlicher Beratung nah am Puls folgen und biotechnische Daten von der Flügelschlagfre- der Forschung. Einer der wissenschaftlichen Berater ist quenz bis zum Stresslevel der Tiere zu gewinnen. der Konstanzer Ornithologe Prof. Dr. Martin Wikelski. Es erfordert viel Fingerspitzengefühl, um einen der Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Zeitlupe, die kleinsten Sender der Welt auf dem Rücken eines Schmet- Sonne scheint durch seine hauchdünnen Flügel hindurch. terlings anzubringen – und das auch noch vor laufender Luftaufnahmen von einer Herde aus Tausenden von Gnus Filmkamera. Eigens für die Aufnahmen von „Great und Zebras, die über die Savanne der Serengeti don- Migrations“ wurde erstmalig ein Monarchfalter mit einem nert. Ein Gepard, der in Zeitlupe seine Beute schlägt. nur wenige Millimeter großen Sender ausgestattet: und Tausende von Krabben, wie sie vor der Kamera in der zwar hier in Konstanz, im Schmetterlingshaus der Insel Meeresbrandung der Weihnachtsinseln tänzeln. Es ist Mainau, von Martin Wikelski. Die konsequente „Besen- geradezu eine Symphonie der Bilder, wenn die Kamera in derung“ weiterer Tierarten ist ein Schritt für Wikelski, „Great Migrations“ so nahe an die Tiere heranzoomt und um ein Gesamtbild der ökologischen Zusammenhänge zu derart gestochen scharfe Bilder liefert, dass man jede erhalten – und Rückschlüsse über das Zugverhalten der Muskelbewegung und jede Gesichtszuckung der Tiere Tiere und ihre Beweggründe. „Wir bauen eine globale erkennt. Doch eigentlich hat der Film einen viel weiteren Bibliothek der Messdaten von Tierbeobachtungen auf“, Fokus, als die Bewegung einzelner Tier hochauflösend skizziert Wikelski: „In diesem Bereich ist Konstanz im einzufangen: „Great Migrations“ ergründet die Massen- Moment Weltführer.“ In den Auswertungen dieser Daten phänomene der weltum- zeichnet sich ein Umden- spannenden Tierwande- „Wir wollen im Endeffekt Lebens- ken der Forschung zur rungen und ihre globalen Zusammenhänge: Warum zusammenhänge an sich verstehen, Schwarmintelligenz ab: Die traditionelle Lehrmei- P rof. Dr. Martin Wikelski hat die Professur für Or- den Puls des Planeten.“ nithologie an der Universität überqueren Tier ganze nung, dass Schwarmtiere Konstanz inne und ist zugleich Kontinente, über welche Prof. Dr. Martin Wikelski ihr Verhalten zum Wohl Direktor des Max-Planck- Routen ziehen sie – und des gesamten Schwarms Instituts für Ornithologie in wie genau geschieht dies? ausrichten, macht einer individuelleren Betrachtungs- Radolfzell. Die Beobachtung von Tierwanderungen und Nach welchen Mustern bewegen sich die Schwärme und weise Platz: „Das Individuum handelt nicht zum Wohl deren ökologischen Wech- Herden? Wie finden sich die einzelnen Tiere zurecht, der Gruppe, sondern nur für sich selbst. Aus den vielen selwirkungen machen einen durch welche Sinnesleistungen navigieren sie? Wie viel eigennützigen Entscheidungen entsteht etwas, das Schwerpunkt seiner Forschung Energie brauchen sie für ihre Reise bis ans andere Ende aussieht wie ein intelligentes Ganzes“, erläutert Martin aus. Anhand der Bodensee- des Globus? Auf der Spur der Massenwanderungen wird Wikelski: „Die Forschung versteht immer besser, dass Stockenten startet Martin Wikelski in Kürze ein Projekt vor allem eines deutlich: Wie erschreckend wenig der es in den Schwärmen kein Leittier gibt, sondern eine am Bodensee, in dem eine Mensch bisher tatsächlich über die Tierwanderungen und Gruppendynamik.“ Tierpopulation so umfangreich ihre ökologischen Zusammenhänge weiß – noch immer So klein die Sender zur Tierbeobachtung auch sind: Im wie nie zuvor beobachtet und ist es schwierig, Tiere über einen längeren Zeitraum zu Grunde ist ihre noch analoge Technik längst veraltet. analysiert wird. beobachten. „Hier ist massiver Forschungsbedarf: Wie Ein öffentliches satellitengestütztes Tier-Beobachtungs- hängt zum Beispiel Westafrika mit Ost- und Südafrika system ab 2014, das Tiere live auf jedermanns Handy zusammen, wenn Flughunde zu Hunderttausenden auf bringt, wird neue Erkenntnisse über die Massenbewe- ihrer Reise Pflanzensamen und Krankheitserreger trans- gungen von Tieren bringen – und neue Herausforde- portieren? Wir wollen im Endeffekt Lebenszusammen- rungen, schließlich bewegen sich Chancen und Risiken hänge an sich verstehen, den Puls des Planeten. Wenn von Überwachungssystemen auf einem schmalen Grat: wir Tiere nicht systematisch auf ihrer globalen Reise „Deshalb wollen wir in diesem Projekt alles öffentlich Die Tierdokumentarreihe verfolgen können, dann ist die Ökologie, die wir betrei- durchführen: Damit niemand es manipulieren oder mo- „Great Migrations“ von ben, eigentlich ziemlich sinnlos“, erklärt Martin Wikelski: nopolisieren kann“, erklärt Wikelski: „Da entsteht etwas „Grundlegend ist für uns die einfache Frage: Wo setzt völlig Neues, was den Menschen vielleicht auch mehr National Geographic ist Selektion an? Wie, wann und warum stirbt eigentlich Gefühl für das Leben auf dem Planeten gibt.“ auf BluRay oder DVD unter ein Tier? Wenn wir das wissen, dann schlüsselt sich uns dem deutschen Titel „Das die gesamte Biologie auf.“ Eine Hauptrolle im Film und Jürgen Graf große Wunder der Tier- in Wikelskis Forschung spielt deshalb immer wieder eine wanderungen“ im Handel verschwindend kleine technische Apparatur: ein Peilsen- erhältlich. der, der es erlaubt, Tierbewegungen global nachzuver- cms.uni-konstanz.de/wikelski uni´kon 42 11
Exzellenzinitiative 18 Antragsskizze für weitere Graduiertenschule erfolgreich \\ Universität Konstanz geht mit vier Vollanträgen in die zweite Runde der Exzellenzinitiative uni´kon 42 11
Exzellenzinitiative 19 Die Antragsskizze der Universität Konstanz für die „Gra- in ihrer zukünftigen Laufbahn von Nutzen sein wird”, duiertenschule für Entscheidungswissenschaften“ hat in erklärt Prof. Dr. Leo Kaas, Koordinator des Exzellenzan- der zweiten Runde der Exzellenzinitiative des Bundes trages. und der Länder erfolgreich die Eingangshürde genom- Die Graduiertenschule soll etwa 60 Doktoranden umfas- men. Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) sen. Sie baut maßgeblich auf den bestehenden Konstanzer und der Wissenschaftsrat (WR) bekanntgaben, wurde Promotionsstudiengängen „Quantitative Economics and die Bewerbung für die Graduiertenschule im Rahmen Finance“ sowie „Politics and Management“ auf und ist in der 1. Förderlinie zur Vollantragstellung ausgewählt. ein Netz aus nationalen und internationalen Forschungsko- „Das ist eine sehr gute Nachricht. Ich bin überzeugt, operationen eingebettet. dass der Antrag für die Graduiertenschule für Entschei- Teil der Konzeption der Graduiertenschule ist es, fließende dungswissenschaften große Chancen hat, die exzellente Übergänge zwischen Studium, Promotion und Berufstä- Forschung an der Universität Konstanz noch zusätzlich tigkeit zu schaffen. Bestehende Masterprogramme der zu bereichern“, kommen- beteiligten Disziplinen tiert Rektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger das erfolgreiche „Wir wollen die disziplinären sollen so ausgebaut und angepasst werden, dass ein P rof. Dr. Leo Kaas ist seit 2004 Professor für Volks- wirtschaftslehre, insbesonde- Abschneiden der Antrags- Perspektiven zu einem multi- schneller Einstieg in die re Wirtschaftstheorie an der skizze. disziplinären Horizont öffnen Graduiertenschule auch mit Universität Konstanz. In sei- ner Forschung beschäftigt er Die geplante Graduierten- und den Doktoranden eine unterschiedlichen Abschlüs- sich mit friktionalen Arbeits- schule für Entscheidungs- breitere Basis an Fähigkeiten und sen erfolgen kann. Die märkten und makroökono- wissenschaften widmet Konzeption der Graduier- mischen Gleichgewichtsmo- Wissen vermitteln, die ihnen in dellen mit unvollkommenen sich dem Eckpfeiler aller tenschule sieht ferner eine sozialwissenschaftlicher ihrer zukünftigen Laufbahn von gezielte Karriereförderung Finanzmärkten. Er ist Koor- dinator des Exzellenzantrags Fragestellungen: dem Ent- Nutzen sein wird.“ für die Promovenden im für die Graduiertenschule für scheidungsverhalten von Entscheidungswissenschaf- Prof. Dr. Leo Kaas letzten Jahr ihres Promoti- ten. Individuen und Kollektiven. onsstudiums vor. Auf diese Wie kommen Entscheidungen von Personen zustande, Weise soll ihnen ein Zugang zu attraktiven Positionen an wie gestaltet sich die Entscheidungsfindung in zwischen- führenden internationalen Forschungseinrichtungen wie menschlicher Interaktion und was sind deren gesamtge- auch zu hochqualifizierten Aufgaben in der Wirtschaft und sellschaftlichen Ergebnisse? der öffentlichen Verwaltung ermöglicht werden. „Dadurch Die Graduiertenschule ist vorwiegend in den Fächern wird eine besonders hohe nationale und internationale Politikwissenschaft, Psychologie und Wirtschaftswissen- Sichtbarkeit der Graduiertenausbildung in den Sozialwis- schaften angesiedelt, umfasst aber auch Forscherinnen senschaften an der Universität Konstanz gewährleistet“, und Forscher aus den ergänzenden Disziplinen Informa- erläutert Leo Kaas. tik, Soziologie und Statistik. Interdisziplinarität ist der Aus der Antragsskizze wird nun ein Vollantrag erarbeitet, Dreh- und Angelpunkt der Graduiertenschule: Während der bis zum 1. September 2011 einzureichen ist. Auch die die Einzeldisziplinen ihr Augenmerk traditionell eher Fortsetzungsanträge für die bereits in der ersten Pro- auf Teilaspekte richteten – sich somit entweder für die grammphase erfolgreichen Projekte müssen bis dahin ge- Ergebnisse (Politik und Wirtschaftswissenschaften) oder stellt sein. Sowohl mit ihrer Graduiertenschule „Chemische für die zugrundeliegenden Prozesse (Psychologie und Biologie“ als auch mit dem Exzellenzcluster „Kulturelle Verwaltungswissenschaften) interessierten –, will die Grundlagen von Integration“ sowie dem Zukunftskonzept Graduiertenschule die Perspektiven bündeln und dadurch „Modell Konstanz – towards a culture of creativity“ will ein umfassendes Verständnis des menschlichen Entschei- die Universität Konstanz in die Verlängerung gehen. Am dungsverhaltens und seiner sozialwissenschaftlichen 15. Juni 2012 wird in einem gemeinsamen Bewilligungs- Auswirkungen schaffen. ausschuss der Deutschen Forschungsgemeinschaft und „Die Herausforderung besteht darin zu verhindern, des Wissenschaftsrats die Entscheidung über die Anträge dass sich die Promovenden zu eng auf ihre spezifischen fallen. Bei erfolgreichem Ausgang würde am 1. November Themen und Methoden konzentrieren. Wir wollen die 2012 die Förderung der Neu- und Fortsetzungsanträge disziplinären Perspektiven zu einem multidisziplinären beginnen. Horizont öffnen und den Doktoranden eine breitere Jürgen Graf Basis an Fähigkeiten und Wissen vermitteln, die ihnen www.exzellenz.uni-konstanz.de uni´kon 42 11
Neue Projekte 20 EU-Förderung in Millionenhöhe \\ Tauglichkeitstest für die Praxis durchführen und zeigen werden, dass die von uns entwickelten Technologien auch bei hohen Durchsätzen industriell anwendbar sind“, fasst Barbara Terheiden die Herausforderung des Projekts zusammen. Bei einer Laufzeit von drei Jahren beläuft sich der Anteil der Fördersumme für die Universität Konstanz auf rund 1,2 Millionen Euro. Dr. Barbara Terheiden leitet vor Ort auch das zweite von der Universität Konstanz eingeworbene Projekt: „R2M-Si“. In ebenso europaweiten Kooperationen sollen hier noch dünne- Dr. Barbara Terheiden re Solarzellenmodule, basierend auf Silizium-Dünnschichten, entwickelt werden. Allerdings liegt das Forschungsinteresse in Neue Verbundprojekte in der Abteilung Photovoltaik einem kreativen Produktionsansatz: Wie es der Titel des Projekts An der Universität Konstanz wurden in der von Prof. Dr. Giso andeutet, sollen dünne Silizium-Schichten von einem runden Hahn geleiteten Abteilung Photovoltaik zwei neue, von der Euro- Silizium-Kristall abgerollt werden, anstatt den Kristall in Schei- päischen Union (EU) geförderte Forschungsprojekte eingeworben. ben zu sägen. Die in diesem innovativen Vorhaben hergestellten Das EU-weite Verbundprojekt „20plµs“ mit einem Gesamtvolumen Solarzellen sollen einen Wirkungsgrad von mindestens 20 Prozent von sieben Millionen Euro wird von der Universität Konstanz erlauben. Barbara Terheiden betont: „Wenn es uns gelänge, ein koordiniert. Dr. Barbara Terheiden, stellvertretende Abteilungs- solches Roll-to-Module-Verfahren zu entwickeln, könnten große leiterin der Konstanzer Photovoltaik, leitet das Projekt mit Fortschritte für die Herstellung von Solarzellen erzielt werden. Forschungspartnern aus ganz Europa. Es wäre möglich, mit deutlich geringeren Kosten als bisher ein Ziel des Projekts „20plµs“ ist es, Solarzellen zu entwickeln, die sehr hochwertiges Silizium zu erzeugen.“ deutlich dünner und trotzdem effizienter sein werden, als bisher Auch für das Projekt „R2M-Si“ ist eine Laufzeit von drei Jahren üblich. Aus kristallinem Silizium sollen Solarzellen mit einer vorgesehen, bei einem Gesamtvolumen von knapp vier Millionen Dicke von höchstens 100 Mikrometern entstehen, die gleichzeitig Euro beträgt der Förderanteil für die Universität Konstanz rund einen Wirkungsgrad von mindestens 20 Prozent zeigen werden. 450.000 Euro. Dabei wird es aber nicht bei reinen Forschungsergebnissen bleiben: Die teilnehmenden Forschungspartner haben es sich zum Helena Dietz Ziel gesetzt, die Entwicklung der Zellen auch in eine industrielle Pilotfertigungslinie zu transferieren. „Das heißt, dass wir einen Einblicke ins Schülerleben \\ zu habituellen und situativen Emotionen im Unterricht“ der Arbeitsgruppe Erziehungswissenschaft/Empirische Bildungsfor- schung an der Universität Konstanz untersucht, welchen Einfluss die Unterrichtsqualität auf die Emotionen der Schülerinnen und Schüler im Unterricht hat. Die Untersuchungsergebnisse sollen in der Lehrerausbildung und -fortbildung eingebracht werden. Prof. Dr. Thomas Götz leitet das Projekt zusammen mit Prof. Dr. Vinzenz Morger von der Pädagogischen Hochschule Thurgau (PHTG). Geför- Prof. Dr. Thomas Götz dert wird die über drei Jahre laufende Studie vom Schweizer Nati- onalfonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (SNF) Langzeitstudie der Universität Konstanz und PH Thurgau mit 258.000 Schweizer Franken. Dass Thomas Götz als Forscher an untersucht den Zusammenhang von Unterrichtsqualität und einer deutschen Universität Schweizer Fördergelder erhält, liegt an Emotionen dem wohl einmaligen Zuschnitt seiner Professur: Der Konstanzer Ob Schüler während des Schulunterrichts Freude empfinden, sich Bildungsforscher hat eine so genannte Brückenprofessur inne, die ärgern, Angst haben oder sich langweilen, hat entscheidende Aus- sowohl an der Universität Konstanz angesiedelt ist als auch an der wirkungen auf den Lernerfolg. Die Langzeitstudie „Struktur und PH Thurgau im Schweizer Kreuzlingen. Die Langzeitstudie findet im Ursachen von Lern- und Leistungsemotionen: Längsschnittanalysen Kanton Thurgau und anderen Kantonen der Ostschweiz uni´kon 42 11
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