BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz

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BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
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                           BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ

                           4/17                       VORBILDER
                                                      Holzbau im öffentlichen Raum
FIRST 4/17 VORBILDER

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BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
BIM

                                             Bauen

16. – 20. Januar 2018
Besuchen Sie die grösste Baumesse der Schweiz. Mehr auf swissbau.ch

Themenpartner Swissbau                       Leading Partner Swissbau Focus   Main Partner Swissbau Innovation Lab
BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
INHALT / EDITORIAL

                                 HOLZ.ART4                                                  Liebe Leserinnen
                                                                                             und Leser
                                 FOKUS.THEMA6
                                 Schöne Zweckmässigkeit : Beim Auto-
                                 bahnwerkhof in Loveresse (BE) trifft                        Im September trafen Archi-
                             4   Funktionalität auf Ästhetik.                                tekten, Planer, Wissen-
                                                                                             schaftler und Holzbauer aus
                                 STIL.FORM16
                                                                                             der ganzen Welt in Bordeaux
                                 Spektakel auf Zeit: Der Turm am Julier-
                                 pass greift auf biblische Motive zurück.                    zusammen. Was ich beim
                                 Sein letzter Vorhang fällt in vier Jahren.                  Kongress Woodrise erleben
                                                                                             durfte: eine energiegeladene
                             6 STIL.FORM22                                                  Aufbruchstimmung. Trotz
                                 Spiel im Akkordeon: Das Faltdach des                        unterschiedlicher Sprachen,
                                 Théâtre Vidy ist von besonderer Geo-
                                                                                             verschiedener Biografien,
                                 metrie – und von tragender Wirkung.
                                                                                             Referenzlisten und Erfah-
                                 BAU.WERK26                                                 rungswerte teilen sie eine
                                 Kommunalbau mit Signalwirkung:                              gemeinsame Vision: Holzbau
                                 In Kriens gilt das Gebäude Eichenspes                       im Hochbau. Das ist die
                                 als Beispiel moderner Dorfentwicklung.                      neue, die grüne Generation
                                                                                             des Bauens – massiv und
                                 STAND.PUNKT32
                            16   Vorbild werden: So können Sie das                           grau ist die Vergangenheit.
                                 Bauen mit Schweizer Holz fördern.                           Es braucht aber Vorbilder,
                                                                                             die dieser Vision Leben ein-
                                 LEBENS.RAUM34                                              hauchen. Kaum jemand an-
                                 Forschen im Holzkleid: Die Eidgenös-                        deres nimmt in einer Ge-
                                 sische Forschungsanstalt für Wald,
                                                                                             sellschaft eine stärkere
                                 Schnee und Landschaft hüllt sich in Holz.
                            22                                                               Vorbildfunktion ein als die
                                 WELT.WEIT40                                                öffentliche Hand. Es sind die
                                 Wissen ist Macht: Die Plattform TOE                         Akteure in Politik und Kultur,
                                 will global Experten vernetzen.                             die dem Holzbau in der
                                                                                             öffentlichen Wahrnehmung
                                 NACH.GEFRAGT41
                                                                                             ein Fundament geben. Diese
                                 Ideen und Idole: Der Architekt Michael
                            26   Green über den grenzenlosen Holzbau                         Ausgabe haben wir deshalb
                                 und seinen Helden Hermann Kaufmann.                         unseren Vorbildern gewid-
                                                                                             met: angefangen beim
                                 AUS.BLICK42                                                funktional-schönen Werkhof
                                                                                             in Loveresse bis hin zum
                                 IMPRESSUM42
                                                                                             symbolisch aufgeladenen
                                                                                             Turm am Julierpass.

                            41

                                                                                             Sandra Depner,
MIT CROSSMEDIALEM CONTENT                          1:10 i+                                   Redaktorin,
AUF MAGAZIN-FIRST.CH               Videos Fotos   Pläne   Zusatzinfos
                                                               (Reproduktionsgrösse 15–5%)
                                                                                             Projektleiterin
                                                                                             «FIRST»
BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
HOLZ.ART

                                                                                     LEBENDIGES MÖBEL
                                                                                     Lebendig und interaktiv: Der koreanische Designer Juno
                                                                                     Jeon haucht seinen Möbelstücken Leben ein und gibt
                                                                                     der Kollektion den passenden Namen «Alive Furniture
                                                                                     Series». Jeons Idee dahinter ist, dass der Mensch mit
                                                                                     dem Möbelstück interagieren und kommunizieren soll –
                                                                                     nicht erzwungen, sondern ganz natürlich, indem es ver-
                                                                                     wendet und genutzt wird. Dafür hat er gewöhnliche Mö-
                                                                                     belstücke mit dem «Pull me to life»-Mechanismus ausge-
                                                                                     stattet. Indem der Benutzer an der Schublade zieht, set-
                                                                                     zen sich die Schindeln wellenartig in Bewegung.
Juno Jeon

                                                                                     junojunos.com                                           1:10 i+
                                                                                                                                                    (Reproduktionsgrösse
                                                                                                                                                     (Reproduktionsgrösse 15–5%)
                                                                                                                                                                          15–5%)

                                                              AUSGEZEICHNETE ARCHITEKTUR GESUCHT
      Wood Design & Building Awards 2016; Designhaus «Wrap»

                                                              Mit den «Wood Design & Building Awards» zeichnet das gleichnamige Magazin
                                                              jährlich innovatives Holzdesign aus. In der Kategorie «International Building»
                                                              sind ausdrücklich Schweizer Architekten aufgerufen, ihre Projekte einzurei-
                                                              chen. In den übrigen Kategorien werden nur Bauten innerhalb Nordamerikas
                                                              ausgezeichnet. Dazu gehören unter anderem Gewerbebauten, Einfamilien- und
                                                              Mehrfamilienhäuser, Innenausbau oder Umbau. Einsendeschluss ist der
                                                              21. November 2017. Eingereicht werden können Projekte, die zwischen Januar
                                                              2012 und dem 15. September 2017 entstanden sind. Weitere Informationen zu den
                                                              Teilnahmebedingungen befinden sich auf der Webseite cwc.ca.

                                                                    4/5
BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
FIRST 04/2017

VEGAN ZU FUSS
Das deutsche Sneaker-Label Nat-2 präsentiert die weltweit ersten veganen
Holz-Sneaker für Mann und Frau. Die Schäfte sind – je nach Modell – bis zu 90
Prozent mit echtem, nachhaltigem Holz überzogen. Das verwendete Holz wird
auf organische Baumwolle gezogen und gelasert, sodass das Material so weich,
biegsam und flexibel wie feines Nappaleder wird. Die Haptik ist glatt, während
man das Holz riechen und seine individuelle, natürliche Textur erkennen kann.
Die verwendeten Holzarten sind Esche, Birke, Ahorn, Tulpenbaum, Walnuss,
Kirsche, Ulme und Buche. nat-2.eu 

                                                                                       Nat-2
                                                                               1:10   i+
                                                                                         (Reproduktionsgrösse 15–5%)

                                                                       HARTE SCHALE, WEICHER KERN
                                                                       Das Design von Sessel und Sofa aus der
                                                                       neuen Kollektion «Surpierre» stammt von
                                                                       Frédéric Dedelley, Atelier-Pfister-Designer
                                                                       der ersten Stunde. Er kombiniert eine harte
                                                                       Schale mit einer weichen Polsterung. Er ge-
                                                                       staltet mit Holz eine organische Form, die
                                                                       Geborgenheit und Bequemlichkeit sugge-
                                                                       riert. Sessel und Sofa sollten von allen Sei-
                                                                       ten skulptural und interessant aussehen. Für
                                                                       die Formgebung der Schale ging Dedelley
                                                                       von zweidimensionalen Papierschnittmus-
                                                                       tern aus und näherte sich daraufhin der drei-
                                                                       dimensionalen Schalenform an.
                                                                       atelierpfister.ch                            1:10   i+
                                                                                                                             (Reproduktionsgrösse 15–5%)

                                                                                                                                                           Pfister
BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
FOKUS.THEMA

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BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
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KONSTRUKTIVE SCHÖNHEIT
«Löse die Aufgabe dem Zweck entsprechend, wähle die Konstruktion, die ihn am besten in dem vorgegebenen Material verwirklicht,
und die Schönheit wird sich von selbst einstellen.» So definierte Architekturhistoriker Julius Posener 1964 funktionale Architektur. Dieser
Aufforderung scheinen auch die Architekten des Werkhofs in Loveresse gefolgt zu sein. Text Helen Oertli | Bilder Nils Sandmeier, Rasmus Norlander
BAUEN UND LEBEN MIT HOLZ - Holzbau Schweiz
FOKUS.THEMA

Von oben im Dorf ist der Werkhof gut sicht-       DER BAU: DEM ZWECK ENTSPRECHEND
bar. In der Talsohle, dort, wo die Trame in die   Sämtliche Nutzungen sind in der langen, li-
Birs mündet, zwischen Kuhweiden und tradi-        near aufgereihten Halle unter einem Dach
tionellen Bauernhäusern, liegt der Bau, trotz     vereint. Den Eingang markieren zwei hohe Si-
seiner schieren Grösse von 150 Metern             lotürme auf dem Vorplatz. Der breite Platz
Länge und 32 Metern Breite, eingebettet in        verjüngt sich nach hinten zu einer Umfahrt um
der jurassischen Landschaft. Sechs kanto-         das gesamte Gebäude. Die Werkstrasse führt
nale Stützpunkte, die bisher im Berner Jura       entlang der Nordostfassade an der Fahrzeug-
verteilt waren, ersetzt der neue Werkhof. La-     halle und den Werkstätten vorbei und an der
gerhalle, Wasch- und Einstellhalle für den        südwestlichen Fassade an den Büros, Sit-
Fuhrpark, Mechanikwerkstatt, eine Schlos-         zungsräumen und Lagern. Nach Südosten lie-
serei, ein Salzlager, Verwaltungsräume und        gen die frostsicheren Hallen, nach Nordwes-
eine Cafeteria sind in der Anlage in Love-        ten sind die beheizten Räume für Büros und
resse untergebracht. Noch ist das Salzlager       Werkstätten zusammengefasst. Ein quer
bis oben gefüllt und die Schneepflüge stehen      durch das Gebäude verlaufender Durchgang
im Lager. Im Herbst werden die Leitplanken        im Erdgeschoss trennt die beiden Bereiche
entlang der Autobahn repariert, Abfälle vom       und dient gleichzeitig als Zugang. Über dem
Strassenrand gesammelt und Stauden ge-            Durchgang befindet sich die Cafeteria, das
stutzt. Die 35 Mitarbeitenden unterhalten das     Herzstück der Anlage. Von dort blickt man
umliegende Kantonsstrassennetz und die            durch Kastenfenster ins Werkhofinnere oder
kürzlich fertiggestellte Autobahn A16 Süd.        nach draussen auf die Hügelkette des Moron.

ANZEIGEN

      www.zaugg-rohrbach.ch

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1 Der Längsschnitt in der Südwestansicht zeigt, wie sich der Bau mit 150 Metern in die Länge zieht. Im Werkhof Loveresse (BE) sind die Wasch- und Einstellhalle
für den Fuhrpark, die Mechanikwerkstatt, eine Schlosserei, ein Salzlager, Verwaltungsräume und eine Cafeteria untergebracht.
2 Die Bauträgerschaft gab das Bauen mit Holz vor. Der kantonale Neubau besteht zum Grossteil aus Schweizer Holz und ist als sichtbares Stapelwerk konstruiert.
Die unterschiedlichen Torbreiten orientieren sich an den Grössen der Fahrzeuge und erschliessen die direkte Zufahrt vom Vorplatz.

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Das Projekt – die Fakten:
Das Objekt: Autobahnwerkhof, Loveresse (BE)
Baujahr: 2017
Bauherrschaft: Amt für Grundstücke und Gebäude des Kantons Bern, Bern
Miteigentümer: Bundesamt für Strassen (Astra), Ittigen (BE)
Architektur: Claudia Meier & Markus Bachmann / MBAA, Zürich
Holzbauingenieur: Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Bern
Bauingenieur: Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Bern
Holzbauer: PM Mangold Holzbau AG, Ormalingen (BL)
Energiestandard: Minergie-P-Eco
Anlagekosten: CHF 20,8 Millionen
Gebäudevolumen: 39 460 m³
Verwendetes Holz: Brettschichtholz aus 1125 m³ Schweizer Fichte und Tanne;
Rahmenholz aus 110 m³ Schweizer Fichte und Tanne; 450 m³ Dreischicht-
platten; 110 m³ OSB-Platten
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3 Auch die Waschanlage ist als Holzbau konstruiert und mit transparenten Kunststoffplatten verkleidet.
4 Die Cafeteria ist das Herzstück der Anlage: Sie wird für kurze Besprechungen, um das Mittagessen zu wärmen und während der Kaffeepause genutzt.
5 Weiss lasierte Dreischichtplatten, geschliffener Betonboden und schimmerndes Stahlblech: Die Materialisierung im Bürotrakt ist reduziert und harmonisch.

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FOKUS.THEMA

DAS MATERIAL: HOLZ AUS DER SCHWEIZ
Bauen mit Holz wurde von der Bauträger-
schaft, dem Amt für Grundstücke und Ge-
bäude des Kantons Bern (AGG), vorgegeben.
Der Kanton Bern ist einer der grössten Wald-
besitzer und fördert den Einsatz von Holz bei
kantonalen Bauprojekten. Dabei wird Holz
ausschliesslich aus nachhaltig bewirtschaf-
teten Wäldern eingesetzt. Bis auf das Plat-
tenmaterial stammt das gesamte verbaute
Holz – 1235 Kubikmeter – aus Schweizer
Wald. Eine gigantische Masse, die erst ein-
mal verarbeitet werden muss. Auch für PM
Mangold Holzbau, den ausführenden Holz-
bauer, war eine solche Materialmenge ein
Novum. «Das Volumen war herausfordernd,
weil wir ‹just in time› produzierten und auf die
Baustelle lieferten. Kein Lager hätte diese
Mengen fassen können», berichtet der Pro-
jektleiter Michael Rapold. Die verschiedenen
Lieferungen mussten laufend aufeinander
abgestimmt werden. Verspätete sich ein
Lastwagen, wurde neu geplant und die wei-
teren Abläufe mussten angepasst werden.
Unkompliziert war hingegen die Produktion
und das Aufrichten. Die vielen gleichen Teile
– wie zum Beispiel die 165 identischen Spar-
ren mit Gerberstoss für das Dach – liessen
sich effizient produzieren und montieren.

SYSTEMATISCH KONSTRUIERT                           berstösse der Dachsparren sind mit einem         serverstärkten Kunststoffplatten vor der
Die Idee der Architekten war, mit einem            Flachstahl und langen, schräg verlaufenden       Nässe geschützt, dahinter bleibt die Holzkon-
durchgehenden System die Anforderungen             Schrauben zusätzlich verstärkt.                  struktion sichtbar. Beton wurde ausser für
an die grossräumigen Hallen genauso wie für                                                         das Fundament und die Böden nur in der Salz-
die kleinteiligen Büros zu lösen. Claudia Meier    Beim Übergang von den Aussenwänden zum           halle verwendet. Sechs Meter hoch ist dort
und Markus Bachmann, Gründer des Archi-            Dach sind Pfette und Dachsparren als sicht-      das Salz aufgeschüttet. Die mehreren Ton-
tekturbüros MBAA, entwarfen von diesem             bares Stapelwerk konstruiert – fast einein-      nen Salz entwickeln enorme Spreizkräfte auf
Gedanken ausgehend eine einfache, wirk-            halb Meter hoch ist das Detail. Es erinnert an   die Wände. Vorgängig zur fertigen Holzkons-
same und sich wiederholende Struktur. Drei         das Geschicklichkeitsspiel Jenga, wo höl-        truktion wurde deshalb eine Betonwanne
Stützenreihen mit Pfettenträgern, die die          zerne Bausteine zum Turm gestapelt wer-          gebaut, die diese Spreizkräfte aufnehmen
Längsachsen kennzeichnen, bilden das pri-          den. So spielerisch die Konstruktion wirkt,      kann. Bei einem Funktionswechsel könnte
märe Tragsystem. Senkrecht dazu verlaufen          steckt doch mehr dahinter. Um im beheizten       die Betonwanne einfach rückgebaut werden.
in einem Raster von 90 Zentimetern schlanke        Teil dem Standard Minergie-P-Eco zu ent-         Maximale Flexibilität für äussere Erweite-
Dachsparren aus Brettschichtholz. Diese for-       sprechen, setzte Lukas Rüegsegger, Holz-         rungen, innere Anpassungen und Nutzungs-
men das umlaufend auskragende Dach. Die            bauingenieur bei Timbatec, bei den Büroräu-      veränderungen ist durch den systematisch
Sparren sind über einen Dorn auf der Pfette        men eine luftdichte Abklebung hinter der         konzipierten Holzbau in der ganzen Anlage
verbunden. Weil beim Auflagern der Pfetten         Verkleidung ein. In den Werkstätten wurden       gegeben.
auf die Stützen Querdruck entsteht, wurden         Dichtungsbänder eingenutet und so die bau-
die hohen Kräfte über eine Verstärkung mit         physikalisch heiklen Stellen abgedichtet.        IMMER WIEDER DIE GLEICHEN MASSE
Vollgewindeschrauben und einer Stahlplatte                                                          An der langen nordöstlichen Fassade domi-
aufgenommen. Für die Erdbebenaussteifung           Sogar der Liftschacht ist mit Holz gebaut und    nieren hohe Tore für die Zufahrt der Lastwa-
diente die Mittelachse. Bei einem Erdbeben         entsprechend den Brandschutzvorgaben ge-         gen, auf der gegenüberliegenden Gebäude-
würde die Kraft durch die Pfette in die aus-       kapselt. In der Waschanlage werden die           seite, wo auch die Büros liegen, wechseln
steifenden Wandscheiben geleitet. Die Ger-         Grobspanplatten mit transparenten, glasfa-       sich Fenster und eine Fassadenfüllung mit

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6 Aus der Cafeteria blickt man durch die Kastenfenster direkt in die Einstellhalle.
7 Der Grundriss des Erdgeschosses. Ein quer durch das Gebäude verlaufender
Durchgang trennt die frostsicheren Hallen und die beheizten Räume voneinander
und ist zugleich der Zugang. Über dem Durchgang befindet sich die Cafeteria.

                                                                                                            Birse
                                                                                                                    7   CF
                                                                                                                          F

                                                                                                         La

                                                                                              La Trame

                                                                                                                                      ue
                                                                                                                                    -R
                                                                                                                                 nd
                                                                                                                              Gra
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Deckelschalung aus Fichte ab. Die 90 Zenti-    Auch hier trifft man wieder auf das 90er-      dass die Technik nicht eingebettet werden
meter breiten Abstände der oben verlaufen-     Mass: Wo die Platten – Grobspanplatten im      darf und eine konsequente Systemtrennung
den Dachsparren haben die Architekten          frostsicheren Teil und weiss lasierte Drei-    umgesetzt wird. Denn die Lebensdauer der
auch für die Fassadengestaltung übernom-       schichtplatten in den beheizten Räumen –       Haustechnik ist im industriellen Gebrauch
men. Das wirkt ruhig, und die Deckelscha-      nicht der Standardbreite von neunzig Zenti-    relativ kurz. Lüftungssystem, Wasser- und
lung nimmt ein vertrautes Bild von den alten   metern entsprechen, wurde das vorgege-         Stromleitungen müssen deshalb einfach re-
Scheunenwänden aus der Umgebung auf.           bene Raster eingefräst. Das gleichmässige      pariert oder ausgetauscht werden können.
Beim Eindunkeln zeigt sich auf der Fassade     Muster zieht sich durch das ganze Gebäude.     Die Hauptverteilung läuft entlang der drei
ein überraschendes Lichtspiel: ein Schatten-                                                  Hauptpfetten, versteckt zwischen den Dach-
wurf mit regelmässigen Rhomben, geformt        Roh und sichtbar sind die Platten. Schrau-     rippen wird die Feinverteilung geführt. Dort,
von den auskragenden Dachsparren. Die          ben, Leitungen, nichts wird hinter Gips ver-   wo Lüftungen oder Heizungsrohre sichtbar
Räume sind hell. Das Licht kommt von           steckt. Vom Holzbauer forderte das grosse      sind, wurden sie bewusst so eingeplant. Das
schlichten LED-Leuchten, die verborgen zwi-    Sorgfalt. Und von allen Beteiligten eine de-   schimmernde Stahlblech wirkt dekorativ in
schen den Sparren verlaufen, oder von Ober-    taillierte Planung. Wo die Haustechnik ver-    den sonst schlichten Innenräumen. Helles
lichtern, die entlang der Mittelachse – ein    laufen soll, wurde schon zu Beginn festge-     Holz, geschliffener Beton, Fensterrahmen
Licht pro Stützenfeld – angeordnet sind.       legt. Vorgegeben von den Bauherren war,        aus Holz-Aluminium: Die Materialisierung ist

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                                                                                                                                             Isover.
                                                                                                                                             ISOVER –
                                                                                                                                             Gelebte Ökolgie.

                                                                                                                                             Natura - Die Isover
                                                                                                                                             Produktlinie für In-
8 In der Talsohle von Loveresse, wo die Trame in die Birs mündet, liegt der Werkhof.
                                                                                                                                             nenanwendungen.
9 Der Querschnitt in der Südansicht: Gegen Westen erschliesst sich der zweige-                                                               Hergestellt mit
schossige Bürotrakt, östlich befinden sich die Werkstätten.                                                                                  pflanzlichem Binde-
                                                                                                                                             mittel, erfüllt sie alle
                                                                                                                                             Wünsche für ge-
                                                                                                                                             sundes Wohnen.

                                                                                                                                                      www.isover.ch

      klar und sorgfältig ausgewählt. Nur hin und              Architekturbüro MBAA in Zürich. «Der Werk-
      wieder blitzt irgendwo ein leuchtend oranger             hof in Loveresse war ein grossartiger Start
      Farbklecks auf. Die Farbe der Schneeschau-               für uns», sagt Bachmann. Pünktlich und unter
      feln, Helme und Schutzwesten findet sich                 Budget wurde die Anlage nach 15-monatiger
      auch bei den Ablageflächen im Büro, dem                  Bauzeit fertiggestellt. Wie es aussieht, wenn
      Papierkorb und dem Stiftköcher.                          Funktionalität und Ästhetik zusammenkom-
                                                               men, ist am Werkhof in Loveresse fast bei-
      SCHÖNHEIT STELLT SICH NICHT VON SELBST EIN               spielhaft ablesbar. Und zeigt, dass Feuer-
      So ganz «von selbst» hat sich die Schönheit              wehrgebäude, Sicherheitszentren und Werk-
      bei diesem Bau nicht eingestellt – zumindest             betriebe nicht nur funktional, sondern auch
      war sie mit grossem Einsatz von Claudia                  schön sein können. Und nachhaltig: In gerade
      Meier und Markus Bachmann verbunden.                     mal fünf Stunden wächst das gesamte Kon-
      Dass ihr Wettbewerbsentwurf wie konzipiert               struktionsholz von Loveresse im Schweizer
      umgesetzt wurde, ist nicht selbstverständ-               Wald wieder nach. timbatec.com, mbaa.ch,
      lich in solchen Projektprozessen. Mit dem                pm-holzbau.ch                            1:10 i+
      Zuschlag für ihren Entwurf gründeten sie das                                                             (Reproduktionsgrösse 15–5%)
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DER TURM AUF DEM JULIERPASS
30 Meter stemmt sich der rote Turm auf dem Julierpass in die Höhe. Der Bau trotzt der rauen alpinen Umgebung.
Das Juliertheater die neue Spielstätte des Kulturfestivals Origen. Ein spektakulärer Turm, der auf Motive des
Zerfalls und Untergangs zurückgreift – und daraus emporwächst zu einem Bau, der Grenzen, Sprachen,
Architektur und Umwelt miteinander verbindet. Sandra Depner | Fotos Bowie Verschuuren

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    Der Turmbau zu Babel steht für vieles. Die                vanni Netzer, einlud: «Die Welt ist vergäng-
    Motive der Überheblichkeit und des Unter-                 lich, ein grosses Theater, das geschaffen
    gangs prägen die biblische Erzählung: Da ist              wurde und am Ende vergeht.» Mit diesen
    ein Turm, der nach der Intention der Men-                 Worten deutet er die Zukunft des Turms an:
    schen bis zur Himmelsgrenze reichen soll –                Der Bau ist nur temporär, 2020 soll er zu-
    ein Zeichen menschlicher Hybris; und ein                  rückgebaut werden. Was danach mit ihm
    Gott, der sie dafür straft. Er nimmt ihnen die            passieren soll, ist unklar. Sicher ist, dass der
    gemeinsame Sprache und sät damit Unver-                   Standort am Julierpass renaturiert wird. So
    ständnis. Der Turm wird folglich nie vollen-              als hätte es den Turm nie gegeben.

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    det und die Menschen verstreuen sich in                   EINE NEUE, SPEKTAKULÄRE SPIELSTÄTTE
    alle Himmelsrichtungen. Dieses biblischen                 Spektakulär sollte die neue Spielstätte am
    Motivs nimmt sich der Turm am Julierpass                  Julierpass werden – so aussergewöhnlich
    oberhalb Rioms an. Anders als sein Vorbild                wie die bereits bestehenden Theaterorte des
    ist er erbaut und symbolisiert nicht das Aus-             Bündner Kulturvereins Origen: Da ist die Burg
    einandergehen, sondern die Einheit in der                 Riom – seit 2006 das Theaterhaus für die
    Vielfalt: Hier oben, wo geografische und                  Sommermonate – und das Wintertheater
    sprachliche Grenzen aufeinandertreffen,                   «Clavadeira» in der Scheune von Sontga
    steht er für Innovationsgeist. Er ist die neu-            Crousch, eröffnet 2015. Im Juliertheater prä-
    este Spielstätte des Origen Festival Cultural             sentiert Origen in dem 30 Meter hohen, roten
    auf dem Julierpass mit 2300 Höhenmetern.                  Turm ein vertikales Theater. Vom zweiten bis
                                                              zum vierten Geschoss blicken die Besucher
    Der Turm ist ein vertikales Bühnenspiel,                  von ihren Logen und der Galerie hinab auf die
    durchgängig über das Jahr bespielbar. Zur                 Darbietungen auf der schwebenden Bühne.
    Einweihung im Juli 2017 zeigten die Darstel-
    ler Szenen aus Gion Antoni Derungs' Oper                  Die Spielorte Origens setzen auf eine Sym-
    «Apocalypse». Sieben Monate lagen zwi-                    biose mit der Umgebung. Sie integrieren das
    schen Entwurf und Eröffnung, zu welcher                   Umfeld, in dem sie stehen, spielen mit der
    der Intendant und Visionär des Turms, Gio-                Landschaft und der Architektur. Anders als

    1 Ein roter Turm in grün-felsiger Landschaft: Auf 2300 Metern über Meer steht das neue Juliertheater.
    2 Hohe Bogenfenster lassen das bündnerische Alpenpanorama Teil des Theaterraums werden.

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viele andere Theaterstätten schliessen sie ihr   zu finden, die Finanzierung zu sichern und mit      Schwebebühne ist mit Ketten an der Turm-
Umfeld nicht aus, sie verhüllen nicht. So ist    Vertretern von Umwelt und Politik eine Lösung       decke befestigt. Die Bühne mit einem Durch-
das auch mit dem Turm am Julierpass. Grosse,     für das Vorhaben zu finden.                         messer von zehn Metern kann an den Ketten
hohe Bogenfenster, zahlreiche Öffnungen                                                              hinauf- und hinuntergefahren werden und
lassen das Licht in den Theaterraum dringen      EIN TURM AUS TÜRMEN                                 ermöglicht somit das vertikale Theater. Zur
– und schliesslich auch das Panorama der         Der Zugang zu den Geschossen erfolgt über           Premiere im Julierturm befand sich die Bühne
rauen Bergwelt. Origen integriert Licht, Ta-     die Türme. In vier Türmen befinden sich Wen-        auf Höhe des ersten Obergeschosses. In den
ges- und Jahreszeiten in das Bühnenbild. So      deltreppen, die zu den vier Obergeschossen          Stockwerken darüber konnte das vertikale
auch bei der ersten Oper, die im Julierturm      führen. Für einen der fünfeckigen Türme ist         Theater dann seine volle Wirkung entfalten:
aufgeführt wurde: «Apocalypse», in der das       ein Lift geplant, in den anderen Sanitär- und       Im zweiten und dritten Obergeschoss ver-
Ende der Welt besungen wird – der Untergang      Serviceräume. Die Türme sind das tragende           folgten die Logenbesucher das Schauspiel
der Himmelsstadt Babylon. Abends tauchte         Element der Konstruktion. Verbunden wer-            von oben. Im vierten Obergeschoss befindet
die untergehende Sonne den Theaterraum in        den sie über lichtdurchflutete Passerellen.         sich eine runde Galerie. Das Brandschutz-
mystisches Licht.                                Hier befinden sich auch die Sitzplätze in den       konzept erlaubt für das dritte und vierte
                                                 Rängen und Logen für die Theaterbesucher.           Obergeschoss eine maximale Belegung von
Die Idee und Architektur des Turms stammt        Die Türme sind über Fensterbrüstungen dia-          70 Personen. Auf dem Dach des Turmes ist
aus der Feder des Origen-Intendanten Gio-        gonal verschraubt. Rund 40 000 Schrauben            eine begehbare Aussichtsplattform vorhan-
vanni Netzer. Holzbauunternehmer Enrico          und Stabdübel sichern die Verbindung der            den. Gäste und Besucher können in offener
Uffer aus Savognin (GR) ist beeindruckt von      insgesamt 900 Einzelelemente in Holz. Aus           Kulisse die wunderbare Landschaft auf dem
dessen Idee: «Netzer hat Erfahrungen im Ku-      Brandschutzgründen sind im gesamten Turm            Julierturm in 30 Metern Höhe geniessen.
lissenbau. Er kam mit Zeichnungen und Mo-        maximal 300 Personen zugelassen. Der Bau
dellen auf mich zu und fragte, was es koste.»    ist mit einem Feuerwiderstand von 30 Minu-          WINDE BIS ZU 240 STUNDENKILOMETERN
Die Vision, die Netzer habe, werde wohl nie      ten ausgeführt.                                     Auf 2300 Metern über Meer ist der Turm oben
zum Stehen kommen, lautete Uffers Fazit zum                                                          am Julierpass der Natur und Witterung voll-
ersten Entwurf. Doch mit einem weiteren Ex-      Der Grundriss ist sternförmig, an dessen zehn       kommen ausgesetzt. Starker Wind und hohe
perten seines Fachs – Holzbauingenieur Wal-      Ecken sind die zehn Türme platziert. Der Eintritt   Schneelasten zerren an der Konstruktion.
ter Bieler aus Bonaduz (GR) – kamen die          zum Turm erfolgt über den Haupteingang im           Deshalb rechnete Holzbauingenieur Walter
Bündner dem Turm, wie er heute am Julier-        Erdgeschoss. Das Sockelgeschoss ist in Mas-         Bieler grosszügig und konstruierte einen
pass steht, schnell näher. «Einfach anpa-        sivbauweise ausgebildet, darüber erhebt sich        Turm, der selbst Orkanen trotzen soll. Der
cken», sagt Uffer heute rückblickend. «Ein       die Holzkonstruktion. Ebenerdig befinden sich       30 Meter hohe Holzturm soll Windböen von bis
Turm wie dieser braucht Vision und Denken        das Theaterbistro, die Garderobe, der Emp-          zu 240 Stundenkilometern standhalten. Dazu
ausserhalb der Grenzen. Wenn wir uns immer       fangsraum sowie der Zugang zu den Treppen-          trägt zum einen der sternförmige, fast runde
nur an Normen halten, werden wir keine Pio-      türmen.                                             Grundriss des Turmes bei, der dessen Fron-
nierbauten aufstellen.» Und so haben sie es                                                          talfläche verringert und somit die Angriffsflä-
geschafft, den Turm in kürzester Zeit auf die    Bis zu 200 Personen haben auf den Logen-            che für Schnee- und Windlasten reduziert.
Beine zu stellen, eine geeignete Konstruktion    plätzen im ersten Obergeschoss Platz. Die           Auch die schwere Basis des massiven Sockel-

                                                                   18 / 19
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3 Zentrales Element des Julierturms ist die schwebende Bühne. Sie ist im Querschnitt farblich blau hervorgehoben.
Sie ist mit Ketten an der Decke befestigt und ermöglicht das vertikale Theaterspektakel.
4 Premiere am Julierpass: Zur Dämmerung wird die Oper «Apocalypse» aufgeführt.

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                geschosses verleiht dem Turm grosse Stand-
                festigkeit. Es schützt den Holzbau zudem vor
                aufsteigender Feuchtigkeit. Ohne Fundament
                bringt der Turm 490 Tonnen auf die Waage.
                Nicht nur die starken Kräfte stellten eine Her-
                ausforderung dar. «Wir hatten extrem wenig
                Zeit», sagt Enrico Uffer rückblickend. «Zwi-
                schen Idee und Umsetzung lagen nur sieben
                Monate.» Unternehmer Enrico Uffer führte
                die Generalplanung und die Holzbauarbeiten
                aus. Der Zeitplan war eng getaktet: Im Mai
                2017 startete die Vorproduktion in der Werk-
                halle im bündnerischen Savognin. Ende Juni
                begann bereits der Transport der Türme in
            5   40 Einzelteilen. Der Turm musste daraufhin
                vor Ort – bei Wind und Wetter – in nur fünf
                Wochen aufgebaut werden. Wenn auch nicht
                vollständig ausgebaut, konnte der Turm Ende
                Juli zur Eröffnung Bundesrat Alain Berset
                empfangen.

                INSZENIERTE BAUARBEITEN
                Origen begleitete den gesamten Entste-
                hungsprozess des Turmes und liess hinter die
                Kulissen blicken: So gab beispielsweise der
                Holzbauingenieur Walter Bieler bei einem
                Atelierbesuch Einblick in die Rechenarbeit
                seines Büros. Die Uffer AG lud in ihre Werk-
                halle ein, in der sich die fertigen Turmele-
                mente stapelten. Die zehn Türme wurden in
                der Werkhalle vorproduziert – ein Turm in vier
                Einzelteilen. Die 40 Turmmodule waren zwi-
                schen 5,5 und 9,5 Tonnen schwer und zwi-
                schen sechs und acht Meter lang. 400 Kubik-
                meter Fichte aus dem Alpenraum wurden
                dafür zu 120 Millimeter dicken Massivholz-
                platten verarbeitet. Aus insgesamt 900 Holz-
                teilen besteht der roten Turm – das grösste
                ist acht Meter hoch und 9,5 Tonnen schwer.
                Der maximale Durchmesser lag bei vierein-
                halb Metern. Nicht ohne Grund. Denn die
                grossen Turmmodule und Bauteile mussten
                nach der Produktion erst noch auf die Bau-

                5 Der sternförmige Grundriss des vierten Obergeschos-
                ses: In jeder der zehn Sternspitzen ist einer der tragen-
                den Türme platziert.
                6 Von den Logenplätzen blicken die Theater-
            6   besucher hinab auf das Schauspiel.

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stelle am Julierpass gelangen – über Nacht-             sich die grossen Turmelemente im Schritt-
transporte durch die engen Strassen der                 tempo durch die schmalen Strassen der Ber-                                   Das Projekt – die Fakten
Dörfer Mulegns und Bivio.                               gdörfer. Schaulustige verfolgten die millime-                                Objekt: Juliertheater Origen
                                                        tergenauen Manöver zwischen den Haus-                                        Standort: Julierpass, 2300 Meter ü. M.
WELTUNTERGANG AUF DEM JULIERPASS                        wänden. Unter Donner und Regen erreichten                                    Baujahr: 2017
So lud Origen auch zum nächsten Bauspekta-              die Tieflader drei Stunden später ihr Ziel am                                Bauherrschaft: Origen Festival Cultural,
kel ein: In der «Nacht der Kurven» konnten              Julierpass. Oberhalb von Bivio verwandelte                                   Riom (GR)
Interessierte den Schwertransport auf den               sich der Regen in dichten, schweren Schnee-                                  Architektur: Origen, Giovanni Netzer
schmalen Strassen zum Julierpass erleben.               fall. Im Schneetreiben wurden die Turmele-                                   Holzbauingenieur: Walter Bieler AG,
Im Hotel Löwen in Mulegns warteten die Teil-            mente vom Lastwagenkonvoi abgeladen.                                         Bonaduz (GR)
nehmer darauf, dass sich der schwere Last-              Drei Wochen hatten die Monteure Zeit, die                                    Generalunternehmer: Uffer AG,
zug in Bewegung setzte, und vertrieben sich             Einzelteile des Turms mittels einer 250-Ton-                                 Savognin (GR)
die Wartezeit mit Lesungen über Babel, die              nen-Pneukrans zu dem 30 Meter hohen roten                                    Holzbau: Uffer Holz AG, Savognin,
Bibel und Kafka. In Savognin startete der               Wahrzeichen zusammenzubauen. uffer.ch,                                       Projektleiter Urs Hefti
Konvoi mit drei acht Meter langen Turmteilen            walterbieler.ch, origen.ch                                                   Baukosten: CHF 3,3 Millionen
Richtung Julierpasshöhe – begleitet von hef-                                                      1:10 i+                           Verwendetes Holz: 900 Kubikmeter Fichte
tigen Gewittern, Donner und Starkregen.
                                                                                                                    (Reproduktionsgrösse 15–5%)

In dieser Untergangsstimmung schlängelten

                                                                                                                                                                         ANZEIGE

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STIL.FORM

EIN ELEGANTES FALTWERK
FÜR DAS THÉÂTRE DE VIDY
Was verbindet den neuen, origamiartigen Holzpavillon des Théâtre de Vidy mit den bereits vorhandenen
Bauten von Max Bill aus Stahl und Glas? Viel mehr, als man auf den ersten Blick denken könnte.
Text SD, Blumer-Lehmann AG | Fotos Blumer-Lehmann AG

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1 Der Pavillon besteht geometrisch aus 220 Dreiecken und 88 Rechtecken oder rund dreihundert Holzwerkstoffplatten mit indivi-
dueller Geometrie. Die Elemente werden über spezielle, an der ETH Lausanne entwickelte Zapfenverbindungen zusammengesteckt.
2 Der neue, grau lasierte Pavillon des Lausanner Théâtre de Vidy ist ein Erweiterungsbau und bietet Platz für 250 Zuschauer.

Leicht verpasst man ihn, den neuen Pavillon            mierten Statik. So besteht das Hallenge-
des Théâtre de Vidy an der Lausanner Strand-           bäude, dessen Dach die Distanz von 20 Me-                    Das Projekt – die Fakten
promenade, gebaut als Erweiterung für 250              tern ohne Stützen überwindet, aus zwei par-                  Objekt: Pavillon Théâtre de Vidy
Zuschauer. Von der Strasse her wirkt der               allelen Schichten von Holzwerkstoffplatten,                  Standort: Lausanne
grau lasierte Holzbau hinter den Bäumen                die je nur 45 Millimeter dick sind. In den Raum              Baujahr: 2016 / 2017
eher unscheinbar. Beim Näherkommen wird                zwischen den beiden Lagen wurde Isola-                       Bauherrschaft: Théâtre de Vidy
indes seine Einzigartigkeit sichtbar: Wie ein          tionsmaterial eingeblasen. Dass die dünnen                   Architektur: Yves Weinand, Lausanne,
aufgefalteter Akkordeonbalg liegt das Bau-             Platten statisch tragen, liegt an der Anord-                 Atelier Cube, Lausanne
werk in der Wiese – als könnte man es zu-              nung der dreieckigen Bauteile, die sich ge-                  Holzbau: Blumer-Lehmann AG,
sammenschieben und in einen Koffer packen.             genseitig stabilisieren. Zugleich entsteht auf               Gossau (SG)
                                                       diese Weise die faszinierende Origami-Falt-                  Lieferung und Zuschnitt: Schilliger Holz AG,
ÄSTHETIK UND FUNKTION                                  form.                                                        Küssnacht am Rigi (SZ); Balteschwiler AG,
David Riggenbach ist Projektleiter beim Holz-                                                                       Laufenburg (AG)
bauunternehmen Blumer-Lehmann AG, das                  HISTORISCHE METHODE NEU ANGEWENDET                           Grundfläche: 540 m2
den Theaterbau in Zusammenarbeit mit dem               Die zweite Spezialität des Baus, welche eben-                Kosten: CHF 2,8 Millionen für Bau,
Laboratoire Ibois der ETH Lausanne unter               falls die Statik betrifft, ist die Verbindungs-              Szenografie und Technik (ohne Techno-
Yves Weinand plante und umsetzte. Riggen-              weise. «Die Holzplatten wurden mit einer aus-                logiestudien und Transfer von Ibois)
bach erklärt: «Zwei Aspekte sind sehr aus-             geklügelten Holz-Holz-Zapfenverbindung in-
sergewöhnlich, nämlich die Konstruktions-              einandergefügt», erläutert Riggenbach. «Ähn-
weise wie auch die Geometrie der Gebäude-              lich der traditionellen Schwalbenschwanz-
hülle.» Dabei sei die Geometrie nicht bloss            methode. Leim oder Schrauben waren des-
ein Genuss fürs Auge, sondern Teil der opti-           halb kaum nötig.» Das Ibois der ETH Lausanne
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                                                                                                      A

                                                                                               3

                                                                                                      B

                                                                                               4

                                                                                                      C

3 Die besondere Geometrie ist nicht nur eine Frage der Ästhetik ...
4 ... sondern auch der Statik: Die Dreiecke sind so angeordnet, dass sie statisch tragen.
5 Ein Grossteil der Wand- und Dachelemente wurde bereits im Werk zusammengebaut
(Schritte A bis D). Die Zeichnung E zeigt den abschliessenden Zusammenbau auf der Baustelle.
6 Bei der inneren Schale (oben) sind die Platten einseitig sichtbar, bei der äusseren Schale nicht.
                                                                                                      D

Zahlen und Fakten
250     Sitzplätze
19 × 11 Meter
        grosse Bühne mit offener Tribüne
10 MeterLichtraumhöhe im Gebäudeinnern
12 Monate
        Dauer der Bauarbeiten (Start August 2016)
308 Stück
        Plattenbauteile der Faltwerkkonstruktion mit individueller Geometrie
350 m³  verbautes Holzvolumen (Tragwerk/Fassade/Ausbau),
        davon 67 % Schweizer Holz
                                                                                                      E
690 m2  hinterlüftete Fassade aus sägeroher Fichte mit Vorvergrauung
680 m2	hinterlüftete Dachfläche mit einer zweilagigen, bituminösen,
        beschieferten Dachabdichtung
                                                                                                          5

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hatte im Vorfeld intensiv die Kräfteübertra-   EINE ANDEUTUNG VON GOTIK                           erinnert an ein Zitat gotischen Strebewer-
gung solcher Zapfenverbindungen er-            Unterschiedliche Perspektiven werden wohl          kes. «Wir waren erstaunt, wie unterschied-
forscht. Um dem Verbiegen der unterschied-     bald auch die Theaterbesucher einnehmen:           lich die Geometrie von innen und aussen
lich geformten Bauteile entgegenzuwirken,      Von aussen für den Besucher sichtbar ist           wirkt, obwohl die Formen exakt dieselben
untersuchte das Institut auch, welche Holz-    eine dritte Holzhülle, die genau in derselben      sind. Wir sind gespannt auf die Reaktion des
platten sich hierzu am besten eignen. Zum      Geometrie parallel auf der tragenden Kon-          Theaterpublikums», sagt Riggenbach.
Zug kam schliesslich eine fünfschichtig        struktion angebracht ist. Sie bildet eine Art      ateliercube.ch, blumer-lehmann.ch
verleimte Fichtenplatte. Für die Blumer-       Wettermantel des Gebäudes mit einer                ibois.epfl.ch                               1:10   i+
Lehmann AG war der Austausch mit dem           Bitumenabdichtung auf dem Dachrücken.                                                                   (Reproduktionsgrösse 15–5%)

Ibois herausfordernd und inspirierend:         Erst im Inneren trifft der Besucher auf die tra-
«Zwar arbeiten wir mit demselben Werk-         gende Struktur, schwarz gestrichen, um
stoff, begegnen diesem jedoch aus unter-       möglichst kein Licht zu reflektieren. Der
schiedlichen Perspektiven.»                    Übergang der gefalteten Wände in die Decke

                                                                                                                                         ANZEIGE

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BAU.WERK

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EIN KOMMUNALBAU
MIT SIGNALWIRKUNG
Das Grossprojekt «Zukunft Kriens – Leben im Zentrum» will dem Dorfkern Kriens neues Leben einhauchen. Zehn Jahre Zukunftsplanung zeigen
erste Früchte mit dem diesem realisierten Teilprojekt: dem Kommunalbau Eichenspes. In nur 14 Monaten stand das neue Gebäude mit Werkhof,
Feuerwehr und Schülerhort. Text Julia Antoniou | Bilder Hecht Holzbau
BAU.WERK

                                                                                                                                                  1

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                                3                        4         5       7    9                        10                                 1

  1   Vorplatz                      3   Einstellhalle        5    Trockenraum                   7   Technik           9   Magazin
  2   Fahrzeughalle Feuerwehr       4   Lager                6    Garderobe                     8   WC               10   Fahrzeughalle Werkhof
                                                                                                                                                  2

Ein multifunktionales Gebäude von 57 Metern      unbefriedigende Situation im Herzen des              durch. Gemäss der Vorgabe für alle Neu-
Länge und 47 Metern Breite: Das Projekt          Ortes – dort, wo eigentlich das Leben pulsie-        bauten sollte das künftige Gebäude Miner-
Eichenspes hat Hecht Holzbau eine neue           ren sollte. Um ihrem Zentrum und dem Kultur-         gie-Standard aufweisen und die gewünsch-
Dimension gelehrt. In 14 Monaten verarbei-       und Vereinsleben neue Impulse zu verleihen,          ten Funktionen erfüllen: also den Werkhof
tete das Luzerner Unternehmen, das projekt-      initiierte die Luzerner Gemeinde deshalb vor         und das Feuerwehrgebäude mitsamt eigenen
bezogen mit Bisang Holzbau zusam-                zehn Jahren ein Grossprojekt, das eine hoch-         Werkräumlichkeiten umfassen. Die Idee, den
menspannte, 1347 Kubikmeter Schweizer            komplexe Planung mit vielen Abhängigkeiten           Schülerhort zu integrieren, entstand erst im
Holz – was einem Würfel von 11 × 11 × 11 Me-     mit sich brachte. Für das resultierende Impuls-      Rahmen des Bauprojekts. Sie ist auch im
tern entspricht, der über 600 Tonnen wiegt.      programm bewilligten die Stimmbürger 2014            wortwörtlichen Sinn naheliegend, denn das
Gemeinsam errichteten die beiden Inner-          einen Kredit von 61 Millionen Franken. Inzwi-        Areal Eichenspes grenzt unmittelbar an eine
schweizer Holzbaubetriebe das neue dreitei-      schen hat die Gemeinde bereits ein erstes            Schulanlage.
lige Kommunalgebäude der Gemeinde Kriens         Teilprojekt realisiert: das multifunktionale
mit Werkhof, Feuerwehr und Schülerhort.          Kommunalgebäude im Eichenspes, 2016 fer-             WENIG GRUNDFLÄCHE, VIEL GRÜNRAUM
Damit waren sie ein wichtiges Zahnrad im         tiggestellt. Es ermöglicht die geplante              Zwei Vorschläge schafften es in die zweite
ehrgeizigen Vorhaben der Luzerner Vororts-       Umnutzung des bestehenden Standorts als              Runde des Studienauftrages: ein Betonbau
gemeinde, die ihr Zentrum aufwerten will.        Jugend- und Kulturzentrum. Zusammen mit              und der Holzbau von Masswerk Architekten,
                                                 privaten Investoren wird Kriens in den nächs-        Luzern. «Wir entschlossen uns aus ökologi-
IMPULSE FÜR DAS DORFZENTRUM                      ten Jahren genossenschaftliche Wohnungen             scher Sicht für einen nachhaltigen Holzbau,
Wenn ein Zustand als Provisorium vorgese-        auf dem Areal einer vormaligen Teigwaren-            wobei auch die kurze Bauzeit eine wichtige
hen ist, aber über Jahre andauert, spricht       fabrik realisieren, einen neuen Gemeindesaal         Rolle spielte», so Ronnie Stirnimann, projekt-
man scherzhaft von einem «Providurium».          bauen und ein neues Wohn- und Geschäfts-             verantwortlicher Architekt. Um die Möglich-
Genau ein solches existierte unlängst im         haus erstellen, in das auch die Gemeindever-         keiten eines Holzbaus auszuloten, arbeiteten
Dorfkern von Kriens. In den alten Fabrikhal-     waltung einziehen wird.                              Masswerk Architekten bereits in der Wettbe-
len an einer Busschleife hatten die Behörden                                                          werbsphase mit Pirmin Jung Ingenieure zu-
vor rund 40 Jahren Feuerwehr und Werkhof         Den Studienauftrag für den Kommunalbau               sammen. Der funktional wie ästhetisch gelun-
untergebracht. Seit Längerem bestand eine        führte Kriens mit fünf Architekturbüros              gene Entwurf der Luzerner basiert auf

                                                                  28 / 29
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1 Das gezackte Dach nimmt die Formen der umliegenden Satteldächer, Hügelketten und Berge auf. Die dunkelrote Fassade aus Aluminiumblech deutet auf die Nutzung hin.
2 Das Feuerwehr- und Werkhofgebäude im Schnitt.
3 Der Theoriesaal im Obergeschoss mit grosse Dachfenstern.

Das Projekt – die Fakten
Objekt: Feuerwehr- und Werkhofgebäude mit Schülerhort, Kriens (LU)
Fertigstellung: 2016
Bauherrschaft: Gemeinde Kriens
Architektur: Masswerk Architekten AG, Luzern
Holzbauingenieur: Pirmin Jung Ingenieure AG, Rain (LU)
Holzbau: Hecht Holzbau AG, Sursee (LU); Bisang Holzbau, Küssnacht am Rigi (SZ)
Baukosten: CHF 16,75 Millionen
Auszeichnung: Herkunftszeichen Schweizer Holz
Gebäudevolumen: 31 000 m3
Verwendete Materialien: 1347 m3 Schweizer Holz; 2300 Weichfaserplatten aus Schweizer Holz; 10 300 m3 OSB; 2700 m2 Gipsfaserplatten

                                                                                                                                                         ANZEIGE
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                                                                                                                                  2    Einsatzbüro
                                                                                             20
                                                     11                                                                           3    Führungsraum
                                                                                                                                  4    Materialverwalter
                                                                                                                                  5    Eingang
                                                     12                                                                           6    Aufenthalt
                                                                                                                                  7    Rapportraum
                                                                                                                                  8    Büro
                1                                    13                                                                           9    Sitzungszimmer
                                                                                                                                  10   Büro Werkhofchef
                                                     14              15        14
                                                                                                                                  11   Werkstatt
                                                                                                                                  12   Materialmagazin
                                                                     16
                                                                                                                                  13   Atemschutzservice
                                                                                                                                  14   Garderobe
                                                                     17        14                                                 15   WC / Dusche
                                                                                                                                  16   Dusche
                                                                     18             18                                            17   Waschraum
                                                     14                   19                                                      18   WC
                                                                                                                                  19   Küche
                                                                                                                                  20   Luftraum Werkstatt

                2           3                    4        5                         6
                                                                                         7        8   9      10

                                                                                                                                                     4

einer möglichst geringen Gebäudegrundflä-            Stützen auskommen. Die Dachlösung ver-           Zeit zu realisieren, ging das mittelgrosse Un-
che. «Uns war wichtig, grösstmögliche Aus-           langte besondere Aufmerksamkeit seitens          ternehmen aus Sursee eine Arbeitsgemein-
senplätze als Grünräume, Arbeits- und Lager-         der Holzbauingenieure und der ausführen-         schaft mit Bisang Holzbau, Küssnacht am
flächen zu erhalten. Werkhof und Feuerwehr           den Holzbauunternehmen. «Die Statik des          Rigi, ein. Das Faltdach verlangte millimeter-
sollten über einen eigenständigen Vorplatz           Faltdachs war eine Herausforderung», sagt        genaues Arbeiten, denn es galt, zu grossen
verfügen, der als erweiterte Halle individuell       Christoph Elsässer, der das Projekt seitens      Auflagedruck zu vermeiden und die Statik
genutzt werden kann.» Diese Grundidee fin-           Pirmin Jung Ingenieure leitete. Auch die hö-     nicht zu gefährden. Die 4,40 Meter grossen
det in den bis zu sieben Meter auskragenden          heren Anforderungen eines Feuerwehrge-           Elemente in Fertigbauweise benötigten bei
Vordächern Ausdruck, die als witterungsge-           bäudes an die Erdbebensicherheit verlang-        der Montage spezielle Massnahmen, da die
schützter Arbeitsraum dienen und gleichzei-          ten umfangreiche Berechnungen und Abklä-         Mitarbeitenden mit Geländer statt Auffang-
tig Funktionen des Lärmschutzes überneh-             rungen.                                          netzen arbeiteten. Hecht Holzbau erstellte
men. Das Projekt für den kompakten, energe-                                                           deshalb mit der Suva ein Sicherheitskonzept,
tisch optimierten Holzbau überzeugte die             «Es reicht nicht, wenn Gebäude im Erdbeben-      um die Mitarbeitenden zu schützen und die
Jury der Krienser Baukommission; es gewann           fall stehen bleiben, sie müssen auch be-         Abläufe sicherzustellen. Auch die Logistik
2010 den Projektwettbewerb.                          triebsbereit sein», präzisiert der Fachmann      der Elemente in Übergrösse war aufwendig.
                                                     des Unternehmens, das im In- und Ausland         Die Holzbauer mussten Sondertransporte mit
HERAUSFORDERUNG FALTDACH                             vorwiegend im mehrgeschossigen Holzbau           Polizeibegleitung durchführen. Selbst die
Die Gemeinde honorierte auch den Vorschlag           tätig ist. Von der guten Werkstattplanung des    Aufrichte verlangte nach einer Etappierung.
der Planer, bei der Ausschreibung Unterneh-          Ingenieurbüros profitierte das Gebäude im
men zu berücksichtigen, die Schweizer Holz           Eichenspes. Die Holzbauingenieure zeichne-       DER DUFT VON TANNENHARZ
verarbeiten. Die errechneten Mehrkosten für          ten jedes der vorgefertigten Holzelemente        Wie Holzbauingenieure errechneten, wach-
die Verwendung von einheimischem Holz be-            dreidimensional vor – mit Berücksichtigung       sen die 1347 Kubikmeter Holz, die für das Pro-
trugen weniger als ein halbes Prozent des            der elektrischen Leitungen, Bohrungen oder       jekt Eichenspes verbaut wurden, innerhalb
Baukredits von 16,75 Millionen Franken. Die          Steckdosen. «Das Krienser Kommunalge-            von 45 Minuten in den Schweizer Wäldern
Werkhallen im Eichenspes sind als tragende           bäude war aufgrund seiner Grösse und Kom-        nach – eine eindrückliche Zahl, die die Nach-
Holzkonstruktionen über einem Betonsockel            plexität technisch und planerisch anspruchs-     haltigkeit des Baus belegt. Die Mitarbeiten-
konzipiert. Architektonisch spannend ist das         voll», bestätigt auch Daniel Schmid, Projekt-    den der Feuerwehr und des Werkhofs bezo-
Faltdach. Es wird von langen Holzbindern ge-         leiter und stellvertretender Geschäftsführer     gen den Neubau im April 2016. Sie schätzen
tragen, weshalb beide Fahrzeughallen ohne            von Hecht Holzbau. Um es in der vereinbarten     die Verkehrsflächen, die ganz ohne Stützen

                                                                     30 / 31
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4 Der Grundriss: In den Hallen, die dank des Faltdaches ohne Stützen auskommen, besteht viel Freiraum zum Manövrieren.
5 Unter den bis zu sieben Meter auskragenden Vordächern lässt es sich wind- und wettergeschützt arbeiten.
Die Architekten bauten kompakt, um möglichst viel der begrenzten Umgebungsfläche zu erhalten.

auskommen und viel Freiraum zum Manövrie-             und Holzwirtschaft. Das Kommunalgebäude                menten spezialisiert. Für das Projekt Ei-
ren bieten. Und sie fühlen sich wohl in den           verdient das Prädikat Herkunftszeichen                 chenspes hat der Surseer Betrieb Holz von
holzig-heimeligen Räumlichkeiten, in denen            Schweizer Holz, da 85 Prozent des verwen-              drei regionalen Anbietern bezogen.
es nicht nach frischer Farbe, sondern nach            deten Holzes aus Schweizer Wäldern stam-               hecht-holzbau.ch, masswerk.com,
feinem Tannenharz riecht.                             men. Schmid von Hecht Holzbau freut sich               pirminjung.ch                        1:10 i+
                                                      über die Auszeichnung von Pro Holz Lignum              
                                                                                                                                                                (Reproduktionsgrösse 15–5%)

Zur Einweihung des formschönen Gebäudes               Luzern: «Sie bestätigt uns, dass wir auf dem
durfte der Krienser Gemeindepräsident im              richtigen Weg sind.» Das Unternehmen setzt
September 2016 die Auszeichnung von                   seit jeher konsequent auf Schweizer Holz.
Pro Holz Lignum Luzern entgegennehmen,                Mit den rund 40 Mitarbeitenden ist es auf
der Dachorganisation der Luzerner Wald-               kleinere bis mittlere Bauten aus Holzbauele-

                                                                                                                                                      ANZEIGE

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STAND.PUNKT

HOLZBAU
IM ÖFFENTLICHEN RAUM                                                                                               Hans Rupli, Zentralpräsident
                                                                                                                   Verband Holzbau Schweiz

 Waldgesetz, Klimapolitik, Ressourcen: Der hei-     von Handelshemmnissen erfolgen müssen.             Bauen mit eigenem Holz investieren. Das
 mische Rohstoff Holz nimmt in der politischen      Schweizer Holz hat einen Vorteil, wenn im          grösste Absatzpotenzial liegt im Holzbau. Der
 und öffentlichen Wahrnehmung eine wichtige         Wettbewerb die Beurteilungskriterien auf um-       Artikel 34a im Waldgesetz ist eine Legitimation
                                                    weltgerechtes Bauen fokussieren. Der Bund          des Bundes, in die Ressource Holz zu investie-
 Rolle ein. Wer sich für das Bauen mit Schwei-
                                                    fördert nachhaltiges Bauen – allein schon          ren. Somit können öffentliche Mittel den Ab-
 zer Holz entscheidet, entscheidet sich nicht nur   durch das SNBS-Label, Standard Nachhalti-          satz des heimischen Werkstoffs fördern. Im
 für nachhaltiges Bauen, sondern fördert die ge-    ges Bauen Schweiz, als ganzheitliche Gebäu-        Rahmen der Klima- und Energiepolitik erweist
 samte Wertschöpfungskette in der Schweiz.          dezertifizierung, das das Bundesamt für Ener-      sich die Ressource Holz als ein wertvoller Bau-
                                                    gie mit Partnern der Bauwirtschaft im Rahmen       stoff. Holzbau leistet einen hohen Beitrag, um
                                                    der Energiestrategie 2050 lancierte. Schluss-      die gesetzten Klima- und Energieziele zu errei-
 Auf politischer Ebene bekennt sich der Bund        endlich geht es bei der Waldpolitik nicht nur      chen. Zudem ist es nun auch möglich, das im
 mit dem Artikel 34b des neuen Waldgesetzes         darum, das Nutzungspotenzial von Schweizer         verbauten Holz gespeicherte CO2 in die
 (WaG) zum Bauen mit Holz. Der Artikel besagt       Holz auszuschöpfen. Sie zielt darauf ab, Bio-      schweizerische CO2-Bilanz einfliessen zu las-
 Folgendes: Wenn die öffentliche Hand baut,         diversität zu garantieren und die Umwelt un-       sen. Auf politischer Ebene gibt es viele Veran-
 muss er eine Holzvariante prüfen. In diesem        ter dem Aspekt der Klimaveränderungen auf          kerungsprozesse, um mehr Holz in den Schwei-
 Bezug reden wir dann aber nur von Holz allge-      die Zukunft vorzubereiten. Dieser Bereich der      zer Bauprozess einzubringen. Jetzt müssen
 mein, nicht von der Herkunft des Holzes. Will      Politik erfordert viel Weitsicht und langfristi-   wir den Bund unterstützen, gezielt holzspezi-
 das die Bauherrschaft beeinflussen und bei-        ges Denken, da es je nach Baumart etwa 100         fische Kriterien in Architekturwettbewerben
 spielsweise auf Schweizer Holz setzen, so          Jahre braucht, bis der Wald, den wir heute         oder Ausschreibungsverfahren anzuwenden.
 können in der Ausschreibung entsprechende          pflanzen, seine Nutzfunktion erreicht.             Eine Massnahme ist der Leitfaden von Lignum
 Anforderungen bezüglich Ökologie, grauer                                                              «Ausschreibung von Bauten mit Schweizer
 Energie und CO2-Bilanz gesetzt werden. Je          RESSOURCEN NUTZEN                                  Holz». Des Weiteren steht noch auf politischer
 stärker man diese Kriterien bewertet, umso         Auch ressourcenpolitisch ist das Bauen mit         Ebene die Frage im Raum, wie der Artikel 34b
 grösser ist der Einfluss von nachhaltigem Bau-     Holz ein zentraler Aspekt der öffentlichen         WaG umgesetzt werden soll – also wie das Re-
 material und somit auch von dessen Herkunft.       Hand. Es geht um die Frage, wie wir die            porting verlaufen soll, wenn der Bund trotz
                                                    Ressource Holz kaskadenartig mit maximaler         Prüfung keinen Holzbau für das Projekt wählt.
 Wettbewerbsrechtlich ist es für öffentliche        Wertschöpfung nutzen. Es geht darum, das
 Bauten nicht möglich, explizit die Verwendung      nachwachsende Holzvolumen auszuschöpfen,           GLAUBWÜRDIG SEIN
 von Schweizer Holz auszuschreiben. Die             die Waldfläche zu erhalten und bestmögliche        Holzbau Schweiz begrüsst die vermehrte
 Schweiz ist an die WTO-GATT-Vorschriften           Erntebedingungen für die Forstwirtschaft zu        Nutzung von Schweizer Holz. Der Einsatz der
 gebunden. Die Handelsverträge mit der EU ge-       sichern. Und hier ist noch viel Luft nach oben.    heimischen Ressource setzt ein konsequen-
 ben vor, dass ab vereinbarten Grössenverhält-      Wenn das Nutzungspotenzial ausgeschöpft            tes Zeichen für nachhaltiges Handeln. Bauen
 nissen Ausschreibungen international und frei      werden soll, sollte der Bund vermehrt in das       mit Holz ist nachhaltig. Ja, aber wenn das

 Bauen mit Schweizer Holz                                                                                                           Leitfaden

 Welche Möglichkeiten hat die Bauherrschaft, Schweizer Holz in seiner Anwendung zu fördern?
                                                                                                                                    Ausschreibung
 Der Leitfaden der Lignum «Ausschreibung von Bauten mit Schweizer Holz» gibt konkrete Hinweise.                                     von Bauten mit
                                                                                                                                    Schweizer Holz
 Die Informationsschrift kann bei der Lignum bestellt oder als PDF von der Website heruntergeladen werden.
 lignum.ch

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FIRST 04/2017

Material immer aus dem Ausland bezogen         DER HOLZBAUER ALS PARTNER
                                                                                                Holzförderung (ART. 34 WaG)
wird, lässt das an der Nachhaltigkeit zwei-    Die Bedeutung des Holzbaus wird sich erhö-
                                                                                                Art. 34a Absatz und Verwertung von Holz
feln – und schlussendlich auch an der Glaub-   hen. Der Bund bekennt sich mit der Waldge-
                                                                                                Der Bund fördert den Absatz und die
würdigkeit. Wir wollen einen Beitrag leis-     setzgebung und der Klima- und Energiepolitik
                                                                                                Verwertung von nachhaltig produziertem
ten, dass Schweizer Holz mehr zur Anwen-       zur Verwendung von Schweizer Holz im Bau-
                                                                                                Holz, insbesondere mittels der Unterstüt-
dung kommt. Das geht auf zwei Arten: Die       sektor. Nachhaltige Bausysteme gewinnen
                                                                                                zung von innovativen Projekten.
eine ist, den Konsumenten, Planer und Ent-     immer mehr am Markt. Der Holzbau erfüllt alle
                                                                                                Art. 34b Bauten und Anlagen des Bundes
scheider im Rahmen von Marketing und           Rahmenbedingungen, die moderne Zertifizie-
                                                                                                1 Der Bund fördert bei der Planung, der
Kommunikation zu sensibilisieren. Die an-      rungsverfahren und die politischen Zielsetzun-
                                                                                                Errichtung und dem Betrieb eigener Bau-
dere ist, dass die wettbewerbsfähige Lie-      gen vorgeben. Es sind jedoch weiterhin An-
                                                                                                ten und Anlagen soweit geeignet die
ferbereitschaft von Schweizer Holz steigt.     strengungen nötig – beispielsweise darin, dem
                                                                                                Verwendung von nachhaltig produzier-
Hier geht es um die Frage, unter welchen       Bund die entsprechende Hilfestellung zu ge-
                                                                                                tem Holz.
Voraussetzungen Kapazitäten erhöht wer-        ben, wie mit Holz gebaut werden kann. Es geht
                                                                                                2 Bei der Beschaffung von Holz­
den können. Es geht auch darum, die            auch darum, die Bestellerkompetenz der Bau-
                                                                                                erzeugnissen berücksichtigt er die nach-
Produktion von Holzwerkstoffen in der          herrschaft zu fördern. Von der Planung bis zum
                                                                                                haltige und naturnahe Waldbewirtschaf-
Schweiz zu fördern. Es soll das Ziel sein,     Gebäuderückbau ist die Planer- und Holzbau-
                                                                                                tung sowie das Ziel der Reduktion von
dass Schweizer Holz zu international wett-     branche ein wichtiger Partner.
                                                                                                Treibhausgasemissionen.
bewerbsfähigen Kriterien angeboten wird.       holzbau-schweiz.ch

                                                                                                                                   ANZEIGE

   Der Garant
   im Holzbau.
   Das Gütesiegel Holzbau Plus steht
   für einen vorbildlich geführten Betrieb.
   Hochwertige Holzbauweise ist das
   Resultat einer Unternehmenskultur mit
   dem Menschen im Zentrum.

   Dafür steh ich ein.
   Erwin Walker, Bianchi Holz- und
   Treppenbau AG, Landquart

   www.holzbau-plus.ch
LEBENS.RAUM

NATÜRLICHE HÜLLE AUS HOLZ
Birmensdorf liegt in einem Talkessel westlich des Zürcher Uetliberges. Eine kleine Agglomerationsgemeinde mit rund 6200 Einwohnern. Hier wird
Grundlagenforschung für eine nachhaltigere Umweltpolitik betrieben: am Hauptsitz der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und
Landschaft. Platzmangel und eine schlechte Energiebilanz forderten eine Gesamterneuerung des Hauptgebäudes, des Hörsaal- und Labortrakts.
Bei der Dachaufstockung und der neuen Gebäudehülle kam Holz zum Einsatz. Text Simone Leicht | Fotos Wiegand Hubert für Dietrich Schwarz Architekten AG

                                                                  34 / 35
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