Zuschnitt 7777 - proHolz Bayern
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Zuschnitt Zeitschrift über Holz als Werkstoff und Werke in Holz März 2020 Nr. 77 | 20. Jahrgang | Euro 8 | isbn 978-3-902926-35-7 proHolz Austria zuschnitt 77 Brandrede für Holz Im Brandfall ist Holz berechenbar. Im Brandfall schützt Holz sich selbst. Diese Gewissheit spiegelt sich in den gelockerten Brandschutzvorschriften für den modernen Holzbau wider. Damit wird das Bauen mit Holz immer sicherer und einfacher, und das ist gut so.
Inhalt Zuschnitt 77.2020 Seite 3 Seite 12 – 13 Seite 22 – 23 Editorial Digital vernetzte Brand- Lernen vom 60 Meter hohen Text Anne Isopp schutzplanung Studenten- U nihochhaus im Kanton Zug Seite 4 wohnheim in Norwegen Text Clementine Hegner- Essay Text Eva Guttmann van Rooden Riskantes Denken mit Holz Seite 14 – 16 Seite 24 Text Yves Schihin Drei Brandschutzexperten im Brandausbreitung über die Gespräch Holz brennt überall Fassade Unterschiedliche Themenschwerpunkt gleich, und doch unterschei- Schutzziele in Deutschland, Seite 6 – 7 den sich die nationalen He- Österreich und der Schweiz Allgemeine Ziele des Brand- rangehensweisen Text Thomas Engel, Michael schutzes Text Anne Isopp Merk und Markus Lechner Text Stefan Winter Literatur Seite 8 – 9 Seite 17 Seite 25 Zuschnitt 78.2020 Ausbildung Mit Sprinkler und Rauchent- Alles F 30 Seitenware erscheint im Juni 2020 lüftung Interdisziplinäres Aufstockung in Berlin Biegen mit Hitze Laboratorium in Linz Text Claus Käpplinger Text Michael Hausenblas Text Anne Isopp Seite 18 – 19 Biegen durch Trocknen Welche Ausbildungswege gibt es in Österreich, Seite 10 – 11 Lernen vom 84 Meter hohen Text Anne Isopp um in der Holzbranche im Bereich Holzbau arbeiten Lernen vom 34 Meter hohen Hochhaus in Wien Seite 26 – 27 zu können? Wie genau schauen diese Berufsbilder Wohnhaus in Heilbronn Text Maik Novotny Wald – Holz – Klima aus und welche Anforderungen werden an die Text Roland Pawlitschko Seite 20 – 21 Care for Paris Lehrlinge und Studierenden heute gestellt? Der kom- Wenn Holz brennt, dann Text Anne Isopp helfen der vorbeugende und Seite 28 mende Zuschnitt führt zu den Fachschulen, Fach- abwehrende Brandschutz Holz(an)stoß hochschulen und Universitäten im In- und Ausland, und die Schutzschicht des Toshikatso Endō in die Büros und zu den Firmen, um die Vielfalt der Holzes Text Stefan Tasch Berufsbilder und Ausbildungswege im Holzbau und in der Holzbranche nachzeichnen zu können. Zuschnitt Impressum Offenlegung nach § 25 Redaktionsteam Fotografien issn 1608-9642 Medieninhaber und Mediengesetz Anne Isopp (Leitung) Atelier Andrea Gassner s. 1 Zuschnitt 77 Herausgeber Arbeitsgemeinschaft der Linda Lackner überholz⁄ Veronika Müller s. 2 isbn 978-3-902926-35-7 proHolz Austria österreichischen Holzwirt- (Assistenz) tu München s. 3 Arbeitsgemeinschaft der schaft nach Wirtschafts Kurt Zweifel icd⁄ itke University of Stuttgart www.zuschnitt.at öst erreichischen Holzwirt- kammergesetz (wkg § 16) redaktion @ zuschnitt.at s. 5, 25 u. Zuschnitt erscheint viertel schaft zur Förderung der Mark Sengstbratl s. 8, 9 jährlich, Auflage 11.500 Stk. A nwendung von Holz Ordentliche Mitglieder Lektorat Bernd Borchardt s. 10, 11 Einzelheft euro 8 Obmann Richard Stralz Fachverband der Holz- Esther Pirchner, Innsbruck Jørgen Freim s. 12, 13 Preis inkl. USt., exkl. Versand Geschäftsführer indust rie Österreichs Marcus Bredt s. 17 Georg Binder Bundesgremium des Holz- Gestaltung cetus Baudevelopment⁄ Projektleitung Zuschnitt und Baustoffhandels Atelier Andrea Gassner, KiTO.photography s. 18, 19 Kurt Zweifel Feldkirch; Reinhard Gassner, erne ag Holzbau⁄ A-1030 Wien Fördernde Mitglieder Marcel Bachmann, Myriam Brunner s. 22, 23 Am Heumarkt 12 Präsidentenkonferenz der Christopher Walser Thonet s. 25 o. T +43 (0)1 ⁄ 712 04 74 Landwirtschaftskammern Toshikatso Endō s. 28 li. info @ proholz.at Österreichs Druck Hideto Nagatsuko s. 28 re. www.proholz.at Bundesinnung der Zimmer- Print Alliance, Bad Vöslau meister, der Tischler und gesetzt in Foundry Journal Copyright 2020 bei proHolz andere Interessenverbände auf GardaPat 13 Kiara Austria und den AutorInnen der Holzwirtschaft Die Zeitschrift und alle in Bestellung⁄ Aboverwaltung ihr enthaltenen Beiträge Editorialboard proHolz Austria und Abbildungen sind Reinhard Gassner, Schlins info @ proholz.at urheberrechtlich geschützt. Hermann Kaufmann, T +43 (0)1 ⁄ 712 04 74 Jede Verwendung außerhalb Schwarzach shop.proholz.at der Grenz en des Urheber- Anton Oster, Wien rechts ist ohne Zustimmung Arno Ritter, Innsbruck des Herausgebers unzulässig Andreas Schleicher, Wien und strafbar. Dietger Wissounig, Graz
Editorial Editorial Inhalt Anne Isopp 16 Jahre ist es her, dass wir einen Zuschnitt zum Thema Brandschutz 2 3 herausgegeben haben. Damals, 2004, konnte man in Wien schon vier- geschossige Wohnbauten in Holz errichten mit einem Erdgeschoss in zuschnitt 77.2020 mineralischer Bauweise. Heute darf man in Österreich laut oib sechs Vollgeschosse in Holz ohne zusätzliche Brandschutzmaßnahmen bauen. So wie in Österreich wurden auch in Deutschland und der Schweiz die Brandschutzvorschriften parallel zu den technologischen Entwick- lungen des Holzbaus liberalisiert. Das Bauen mit Holz wurde damit ein- facher und wirtschaftlicher, weil es bis zu einer bestimmten Gebäude- Vollholz nach Brand höhe keine erhöhten Anforderungen für den Holzbau mehr gibt. Die Schweizer liberalisierten nach einer intensiven Forschungs- und Ent- wicklungsphase ihre Brandschutzvorschriften sogar so weit, dass seit 2015 brandschutztechnisch robuste Holzbauteile nicht brennbaren Bauweisen gleichgestellt sind. Auch über die Hochhausgrenze hinaus können hier Häuser ohne Weiteres in Holz gebaut werden. Diese Gleichstellung mit anderen Baustoffen bietet ein großes Potenzial für das nachhaltige Bauen in den Städten. Endlich kann auch in großem Maßstab in den Städten in Holz gebaut werden, ohne zusätzliche Auf- lagen erfüllen zu müssen. In diesem Sinne kann man den Essay, den der Schweizer Architekt Yves Schihin für diesen Zuschnitt geschrieben hat, auch als eine Art Brandrede für Holz lesen. Er sagt, wir sind gefordert, wienwood 2020 unser Verhalten im Bauwesen den neuen klimatischen Gegebenheiten Holzbaupreis Wien anzupassen und endlich wieder nachhaltig zu planen und zu bauen. Es ist höchste Zeit. proHolz Austria prämiert 2020, zum dritten Mal nach 2005 und 2015, in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien und dem Architekturzentrum Wien, herausra- gende Holzbauten in der Bundeshauptstadt. Ziel von wienwood ist es, Architektur zu fördern bzw. hervorzuheben, bei der Holz als moderner Baustoff eine zentrale Rolle spielt. Darüber hinaus soll das proHolz Student Trophy bau:Holz-Seminare in Wien und Graz Bewusstsein für die zeitgemäße Verwendung des Light up! Aufstockungen mit Holz Nachverdichtung und mehr traditionsreichen Baustoffs und dessen Nachhaltig- Preisverleihung am 26. Mai 2020 geschossiger Holzbau keit, auch im Hinblick auf das Thema Ressourcen, weiter gestärkt werden. Gesucht werden Beispiele proHolz Austria lobte in Kooperation Die erfolgreiche Seminarreihe aus den Bereichen Wohnbau, öffentliche Bauten, mit der Stadt Wien und Wiener Woh- bau:Holz geht 2020 in eine weitere Gewerbebau und Innenausbau⁄ Umbau⁄ Sonstige. nen einen Studentenwettbewerb aus, Runde. In Graz geht es in den Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Werk- an dem Teams der Fachrichtung Ar- bau:Holz-Seminaren um den mehrge- stoffs Holz sollen verdeutlicht und hervorgehoben chitektur und Bauingenieurwesen schossigen Holzbau. Hier werden die werden. Eine hochkarätig besetzte Jury wird zahlreicher europäischer Universitäten aktuellen Holzbautechnologien, Ge- vier bis sechs Preise v ergeben, die mit insgesamt und Fachhochschulen teilnehmen. setze und Normen für die praktische 15.000,– Euro dotiert sind. Anhand von drei ausgewählten Umsetzung vermittelt. In Wien wird Wohnbaut en in Wien aus den 1960er ein neuer Themenschwerpunkt ange- Jury Jahren sollen die Studierenden das boten: Hier widmen sich die vier Mo- _ Gabriele Kaiser (Publizistin, Juryvorsitzende, Wien) Verdichtungspotenzial durch Aufsto- dule der innerstädtischen Nachver- _ Reinhard Kropf (Architekt, Stavanger⁄ NO) ckungen mit Holz ausloten. Die Preis- dichtung mit Holz. _ Claudia Ruck (Architektin, Klagenfurt) verleihung findet am Dienstag, proHolz Austria bietet nun auch _ Stefan Zöllig (Tragwerksplaner, Thun⁄ CH) 26. Mai 2020, im Kuppelsaal der Tagesexkursionen an. Sie führen von _ Sylvia Polleres (Holzforschung Austria, Wien) tu Wien statt. Produktionsstätten bis hin zu Vor _ Gerhard Kast (Stv. Bundesinnungsmeister Holzbau, Gols) Infos unter zeigebauten. Die erste Exkursion im www.proholz-student-trophy.at Frühjahr ist bereits ausgebucht, die Einreichfrist: 18. März bis 24. Juni 2020 zweite wird im Herbst stattfinden. Preisverleihung: Donnerstag, 24. September 2020 Infos unter www.proholz.at/bauholz Infos unter www.wienwood.at
Essay Riskantes Denken mit Holz Yves Schihin In seiner Festrede zum Beginn der Salzburger Festspiele 2018 for- Die gelockerten Brandschutzvorschriften ermöglichen so neue derte der Schriftsteller Philipp Blom, dass wir in Zeiten des Klima- systemische Denkweisen, mit gesundem Menschenverstand ein notstandes wieder mehr „riskantes Denken“ wagen sollten. Als riskantes Denken und generieren schließlich auch einen neuen Kinder der Aufklärung wissen wir, dass die Baubranche einer der Ausdruck in der Holzarchitektur. Hauptverursacher für den enormen Ressourcenverbrauch ist und Im Zuge der Anpassung der Brandschutzvorschriften der Vereini- dass allein die Zementindustrie für satte 8 Prozent des weltweiten gung Kantonaler Feuerversicherungen (vkf) 2015 fiel auch die CO2-Ausstoßes verantwortlich zeichnet. Im Gegensatz dazu ist Höhenbeschränkung für Holzhäuser. Die Regulierung der Höhen Holz ein nachwachsendes, regional verfügbares, CO2-speicherndes, für Hochhäuser wurde neu definiert. Nach den neuen Vorschriften leicht bearbeitbares und vor allem rückbaubares und wiederver- gilt jedes Gebäude ab einer Höhe von 30 Metern unabhängig wendbares Baumaterial. Damit steht es für einen kreislaufgerech von seinem Baumaterial als Hochhaus. Daraus ergeben sich neue ten, verantwortungsvollen Umgang mit den endlichen Ressourcen Perspektiven für den Holzbau beim Einsatz von Hochhäusern. unserer Erde. Holz, ein Baustoff mit hohen ökologischen und nachhaltigen Das Pariser Klimaabkommen von 2015 wurde von den meisten Eigenschaften, hat nun aufgrund der Gleichstellung im Brand- Staaten ratifiziert. Es fordert, die menschengemachte globale schutzbereich die Chance, sein Potenzial auch im Bereich hoch- Erwärmung auf deutlich unter 2 °C gegenüber vorindustriellen leistungsfähiger Bauweisen und Konstruktionen unter Beweis Werten zu begrenzen. Hierfür scheint es also entscheidend, dass zu stellen. Die Holzbauweise löst gegenüber einem Hochhaus in die Hindernisse abgebaut werden, welche die Holzbauweise Massiv- oder Stahlbauweise hinsichtlich der Brandschutzvorgaben (scheinbar noch) daran hindern, die konventionelle Bauweise keine erhöhten Anforderungen aus. Dies betrifft sowohl den mit Beton, Stahl und Backstein sinnvoll zu ersetzen und Holz im Feuerwiderstand als auch die Fluchtwegsituationen oder tech- großen Maßstab zur urbanen Verdichtung heranzuziehen. nischen Brandschutzmaßnahmen. Eines der größten Hemmnisse war bis vor kurzem das Brandver- Dies wird beispielsweise im Modul 17,* einem soeben publizierten halten von Holz. Das älteste Holzhaus in Europa steht in Schwyz Innosuisse-Forschungsprojekt zu einer hochflexiblen Typologie und wurde 1287 errichtet. Der Einsatz von Holz als Baumaterial für Holz-Hybrid-Hochhäuser zur urbanen Verdichtung deutlich. war bis zum Aufkommen von Stahl und Beton im 19. Jahrhundert Dabei gelangte das Autorenteam mit einem modular aufgebauten weit verbreitet. Das Problem der eng zusammenstehenden Holz- Konzept zu einem Prototyp mit über 100 Metern Gebäudehöhe bauten waren die Großfeuer, die Dörfer und Städte großflächig und einem sichtbaren Holzanteil von knapp 90 Prozent. Mit dem zerstörten. Als sich im 18. Jahrhundert unsere Vorfahren in Evolène Forschungsprojekt bewiesen die Autoren, dass dank der Liberali- im Wallis infolge des begrenzt verfügbaren bebaubaren Bodens sierung der Brandschutzvorschriften neue Wege in der Hoch- und des regional verfügbaren Baumaterials entscheiden mussten, hausdebatte eingeschlagen werden können: Das Projekt postuliert mit Holz in die Höhe zu bauen, und in dichter Bauweise vier- und eine komplett flexibel bespielbare vertikale Stadt mit einem fünfstöckige „Holzhochhäuser“ errichteten, erforderte dies ein hybriden Nutzungsmix. Die Vorteile der Nachhaltigkeit und der riskantes Denken. Vorfabrikation wiegen die etwas höheren Baukosten der Holz- Eva Guttmann hat noch 2004 im Editorial zum Zuschnitt 14 ge- bauweise auf, insbesondere dann, wenn nicht nur die Erstellungs- schrieben: „Holz brennt sicher.“ Mit dem ambivalenten Ausspruch kosten berücksichtigt werden, sondern die gesamten Lebenszy- meinte sie, dass Holz zwar brennt, aber dank der Verkohlung kluskosten inklusive der CO2-Äquivalente für Herstellung und berechenbar brennt. Seither hat sich im Brandschutz zum Glück Entsorgung der Produkte der Fossilindustrie. enorm viel getan. Mit der Liberalisierung der Brandschutzvor- Damit wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens als globale Ge- schriften 2005, vor allem aber 2015 erfolgte – zumindest in der sellschaft einhalten können, sind wir gefordert, unser Verhalten Schweiz – eine Gleichstellung der Holzkonstruktionen mit Bauten im Bauwesen den neuen klimatischen Gegebenheiten anzupas- aus nicht brennbaren Baustoffen. Während das Sicherheitsniveau sen und endlich wieder nachhaltig zu planen und zu bauen. Das im Personenschutz beibehalten wurde, setzen die neuen Vor- Wissen, die digitalisierte Materialtechnologie und die Brand- schriften beim Sachwertschutz dank riskanterem Denken auf eine schutznormen erlauben es uns heute. Die Leitworte dabei sind wirtschaftliche Optimierung. „Refuse, Reuse, Reduce, Recycle“. Dahinter steht der Mut zu Die Bedeutung dieser Liberalisierung ist in unserer Arbeit der einem riskanten Denken. letzten zwanzig Jahre deutlich sichtbar: Vor der Jahrhundertwende Oder um nochmals mit Philipp Blom zu sprechen: „Der Homo sa- beschränkte sich die Kubatur der neu erstellten Holzbauten auf piens kann sein Verhalten durch Verständnis der Fakten, Fantasie eingeschossige Pavillons wie die Forstwerkhöfe und um die Jahr- und Empathie ändern und so vielleicht eine Zukunft schaffen, in tausendwende auf zwei- bis dreigeschossige Siedlungen wie die welcher Ökonomie als Teil der Ökologie begriffen wird. Das wäre Wohnhäuser Ziegelwies in Altendorf. Während 2013 bei der vier- riskant für unseren Wohlstand. Das wäre aufklärerisch.“ geschossigen Aufstockung beim Bahnhof Giesshübel in Zürich noch alle tragenden Bauteile gekapselt werden mussten, sind Yves Schihin bei der aktuell im Bau befindlichen fünfgeschossigen Wohnüber- ist Architekt und Mitinhaber bei burkhalter sumi architekten. Er ist an diversen bauung Waldacker in St. Gallen sogar offene Laubengänge mit Forschungsprojekten im Holzbau beteiligt und ist Lehrbeauftragter am Lehrgang linearen tragenden Bauteilen und Fassaden in Holz möglich. Nur Überholz, Kunstuniversität Linz. der jeweils an beiden Enden der Veranda angeordnete vertikale Fluchtweg ist nach wie vor mit nicht brennbaren Materialen gebaut. * Modul 17. Hochhaustypologie in Holzhybridbauweise, www.vdf.ch/modul17.html
Dieser komplex gekrümmte Turm steht im Remstal bei Stuttgart, s. S. 25 Themenschwerpunkt Brandschutz
Allgemeine Ziele des Brandschutzes Stefan Winter Für den Entwurf, die Planung, Werkstattzeichnungen, Ausführung, Qualitätssicherung und den Betrieb mehrgeschossiger Gebäude aller Art spielt der vorbeugende Brandschutz eine wesentliche Rolle. Dies gilt weltweit gleichermaßen und unabhängig von der Wahl des dominierenden konstruktiven Werkstoffs. Holz ist allerdings im Vergleich zu Stahlbeton, Mauerwerk und Stahl der einzige Konstruktionswerkstoff, der selbst brennbar ist und somit im Falle eines Brands einen Teil der Brandlast eines Gebäudes darstellen kann. Diese Brennbarkeit des Werkstoffs trägt – zusammen mit der Erinnerung an zum Teil verheerende Stadtbrände im Mittelalter und in den großen Kriegen – bis heute zu Vorurteilen bezüglich der Brand sicherheit moderner Holzgebäude bei. Dass diese Vorurteile sachlich unbegründet sind, wird nachfolgend anhand einer Reihe typischer Fragestellungen dargelegt. Brandentstehungsrisiko in Holzgebäuden Brennbarkeit und Feuerwiderstand Das Brandentstehungsrisiko ist grundsätzlich unab- Es ist unbedingt notwendig, zwischen der Brennbar hängig von den Konstruktionswerkstoffen. Denn keit der Baustoffe (durch die Baustoffklassen defi- das Risiko einer Brandentstehung geht nicht vom niert) und dem Feuerwiderstand der Bauteile (durch Konstruktionsmaterial eines Gebäudes aus, sondern die Feuerwiderstandsklassen der Bauteile definiert) von den technischen Installationen und im Wesent- zu unterscheiden. Die Brennbarkeit der Baustoffe lichen von menschlichem Fehlverhalten. Hier sind beeinflusst im Wesentlichen die Ausbreitung eines beispielsweise der implodierende alte Röhrenfern- Brands unmittelbar nach der Entstehung und wäh- seher, der vergessene Milchtopf auf dem Herd oder rend der Brandentwicklung. Der Feuerwiderstand die unsachgemäße Elektroinstallation neben den eines Bauteils beschreibt das Vermögen, stand häufig vorkommenden Brandursachen wie der sicher zu bleiben (Kriterium R) sowie bei raumab- Weihnachtsbaumkerze und dem Einschlafen mit schließenden Bauteilen den Durchgang von Rauch- brennender Zigarette die wesentlichen Brandent- gasen (Kriterium E) und den Durchgang von Wärme stehungsrisiken. Eine Holzkonstruktion selbst stellt (Kriterium I) für die geforderte Feuerwiderstands- für sich kein Risiko einer Brandentstehung dar. dauer zu verhindern. Entsprechend ihrer Feuerwider standsdauer werden Bauteile in Feuerwiderstands- Leistungsanforderungen an den Brandschutz klassen eingeteilt, denen die bauaufsichtlichen Die weltweit gleichen Leistungsanforderungen an den Brandschutz sind: Begriffe „feuerhemmend“, „hochfeuerhemmend“ _ die Verhinderung der Entstehung eines Brands und der Brandausbreitung und „feuerbeständig“ zugeordnet sind. Tragende _ die mögliche Rettung von Menschen und Tieren Bauteile wie Wohnungstrennwände (rei) können _ das Zulassen von wirksamen Rettungs- und Löscharbeiten zugleich raumabschließend sein, während einzelne Stützen nur bezüglich ihrer Standsicherheit zu Diese Leistungsanforderungen sind von allen Bauwerken gleichermaßen zu er- bemessen sind (R). füllen. Dazu ist eine Reihe von Parametern zu berücksichtigen, beispielsweise: _ die Größe der brandschutztechnisch abgetrennten Nutzungseinheiten Die Brennbarkeit eines Baustoffs und der Feuer _ vorhandene Brandlasten widerstand eines Bauteils haben nicht direkt mit _ Flucht- und Rettungswege in Abhängigkeit von der Nutzung einander zu tun. Einige Beispiele: _ bauliche Situation des Gebäudes _ Eine Stahlstütze (Baustoffklasse A – nicht brenn- _ Gestaltung der Außenfassaden bar), die weder durch eine Brandschutzbekleidung _ Anlagen des vorbeugenden Brandschutzes (Alarmierung, Sprinkler) noch durch einen Brandschutzanstrich geschützt Aus den vorgenannten Anforderungen werden in wird, verliert im Regelfall spätestens nach 30 Minu- den meisten Ländern fortlaufend präskriptive (also ten ihre Tragfähigkeit. detailliert vorschreibende) Regeln für den vorbeu- _ Eine Stütze aus Brettschichtholz brennt zwar genden baulichen und den anlagentechnischen an ihren Außenseiten ab, kann aber auf mehr als Brandschutz entwickelt, die in den jeweiligen Bau- 90 Minuten Standsicherheit im Brandfall ohne ordnungen niedergelegt sind. Als Beispiele seien zusätzliche Schutzbekleidungen oder -anstriche hier die Anforderungen an den Feuerwiderstand bemessen werden. der tragenden und aussteifenden Bauteile in Ab- _ Eine Glasscheibe ist nicht brennbar, lässt aber hängigkeit von den Gebäudehöhen und Ausdehnun einen nahezu sofortigen Wärmedurchgang zu. Eine gen genannt, weil diese wiederum die Möglichkei 30 mm dicke Platte aus Holzweichfasern brennt ten der Feuerwehr für Lösch- und Rettungsarbeiten zwar, behindert aber den Wärmedurchgang wesent- wesentlich beeinflussen. Diese bilden beispielsweise lich und führt frühestens nach ca. 15 Minuten zu die Grundlage für die Anforderungen an den Feuer- einer Temperaturerhöhung auf der dem Feuer abge- widerstand von Gebäuden je nach Gebäudeklasse. wandten Seite.
Brandrede für Holz Eine wesentliche Rolle spielt die Brennbarkeit aller- den inneren Bereich. Da zudem die Wärmeleitzahl Dies ist ein Auszug aus dem 6 7 dings in der Brandentstehungsphase und hinsicht- des Holzes relativ gering ist (l ≤ 0,13 – 0,17 W⁄ mK) Text „Schutzfunktionen“ von lich der Weiterleitung eines Brands. Daraus folgen bleibt der innere, unversehrte Bereich kühl und Stefan Winter. Der Original- zuschnitt 77.2020 artikel ist nachzulesen in: in den präskriptiven Bauordnungen Anforderungen damit tragfähig. Durch eine Erhöhung der Bauteil- Atlas Mehrgeschossiger an die Nichtbrennbarkeit von Oberflächen in dicken gegenüber den statisch erforderlichen Ab- Holzbau, Detail Business Fluchtwegen (z. B. in notwendigen Treppenräumen messungen lässt sich somit eine Brandschutzbeklei- Information GmbH, München und notwendigen Fluren) oder die Anforderung, dung aus Holz erzeugen. Die massiven Holzbauteile 2017, S. 72 – 87. schwer entflammbare Baustoffe für Fassadenbeklei- haben zudem den Vorteil, dass ein Brand nicht in Zu bestellen unter: dungen zu verwenden, um die vorgenannten gene- Hohlräume eindringen kann, in denen er sich un- shop.proholz.at rellen Leistungsanforderungen zu erfüllen. kontrolliert und für die Feuerwehr nahezu unerreich- bar ausbreiten könnte. Massive Holzbauteile selbst Leistungsvermögen des Holzbaus sind gut löschbar, Nachzündungen treten nicht auf. Da bei einem Holzbau ein gleichwertiges Sicherheits- Es ist daher durchaus möglich und wird in vielen niveau gewährleistet sein muss, ist es erforderlich, Fällen auch realisiert, massive und sichtbare Holz- eine realistische Beurteilung des Brandverhaltens bauteile mit einem Feuerwiderstand von 90 Minu- von Holz und Holzkonstruktionen vorzunehmen und ten (REI 90) in Gebäuden bis zur Hochhausgrenze unabhängig von der Brennbarkeit die im Brandfall einzusetzen, auch in Treppenraumwänden als durchaus positiven Eigenschaften des Materials zu Brandwandersatzwand (REI 90-M). nutzen. Die grundlegenden Leistungsanforderungen an alle Konstruktionen im Brandfall sind durch die Fazit Holzbauweisen gleichermaßen zu erfüllen. Beachtet man einige grundlegende Anforderungen an den Brandschutz, ist das Da es oft Wunsch von Planern, Bauherren und Nut- Bauen mit Holz zumindest bis zur Hochhausgrenze in Europa unproblematisch. zern ist, in Holzgebäuden das Holz auch (zumindest In vielen europäischen Ländern werden die entsprechenden baurechtlichen in Teilbereichen) sichtbar zu belassen, muss die Anforderungen laufend angepasst. Ob dem Holzbau in größerer Anzahl auch der Brennbarkeit des Werkstoffs in besonderem Maße Sprung über die Hochhausgrenze gelingt, ist von der Akzeptanz und Verbesse- berücksichtigt werden. Das Brandverhalten von rung von Sprinkleranlagen, der Weiterentwicklung von ökonomisch vertretbaren Holzbauteilen wird durch das Verhältnis von Ober- brandschutztechnisch wirksamen Bekleidungen und dem Nachweis abhängig, fläche zu Querschnitt und durch die Rohdichte der dass auch Holztragwerke Vollbrände ohne Löscharbeiten der Feuerwehr über- Hölzer sehr stark beeinflusst. Je größer die Rohdichte stehen können. Einzelne Pilotprojekte weltweit zeigen, dass diese Möglichkeit eines Holzes, umso geringer ist seine Abbrandrate. generell besteht. Das abbrennende Holz trägt zur Brandlast im Raum bei, zugleich schützt aber die Holzkohleschicht, die Stefan Winter sich auf der dem Feuer zugewandten Seite bildet, Professor für Holzbau und Baukonstruktion an der tu München 1.000 °C Reanimationsgrenze 17 min. REI 30 500 °C Erträglichkeitsgrenze 13 min. Eintreffen Feuerwehr Brandtemperatur 20 °C Entzündung Entstehungsbrand Flashover Vollbrand abklingender Brand Minuten 5 10 15 20 25 30 45 50 In Wien ist die Feuerwehr im Die Rettung von Personen muss vor Flashover und Vollbrand erfolgen. Entwicklung Durchschnitt in 7 Minuten Danach ist der Schutz von Sachwerten relevant (Abschottung, Brandabschnitte …). des Brandes ab Alarm vor Ort. Die Bauweise spielt erst bei ausgedehnten Bränden eine Rolle.
Mit Sprinkler und Rauchentlüftung Interdisziplinäres Laboratorium in Linz Anne Isopp Der Campus der Johannes Kepler Universität liegt am Stadtrand Im Inneren sorgen die weiß lasierten Holzoberflächen für eine von Linz, das neue interdisziplinäre Forschungsgebäude am äußers angenehme Raumatmosphäre, die großen Brandschutzver ten Rand dieses Campus. Der Wald ist hier zum Greifen nahe. glasungen zur angrenzenden Forschungsfabrik unterstützen die Der lang gestreckte Kubus mit seiner rot lasierten Lamellenfassade Kommunikation von Firmen und Universität, von Labor- und beheimatet Laborräume sowie 240 Arbeitsplätze, die sich in einer Bürotätigkeit. Die Sheds, die sowohl die Labors als auch die Art Großraumbüro über zwei Geschosse verteilen. Im lit Open Büros mit ausreichend Licht von oben versorgen, bringen zudem Innovation Center (lit oic) soll angewandte Forschung statt einen industriellen Charme mit ein. Den Sheds kommt auch beim finden, an dem Projekt beteiligte Firmen treffen hier auf univer Brandschutz eine besondere Bedeutung zu. Sie sorgen für eine sitäre Forscher. Das Untergeschoss und die Treppenhäuser sind ausreichende Rauchentlüftung im Brandfall. Nur so war es mög- in Stahlbeton errichtet, der Rest des Gebäudes ist ein lupenreiner lich, einen Bürotrakt mit sichtbaren Holzoberflächen zu schaffen, Holzbau. der sich als Großraumbüro über zwei Etagen erstreckt. Dies be- Riepl Riepl Architekten gewannen 2016 den Realisierungswettbe- durfte einer Ausnahmeregelung der oib. Mithilfe einer verdichte- werb für die Neu- und Umgestaltung des Unicampus in Linz. Der ten Sprinkleranlage und der Rauchentlüftung über die Sheds Weg von der Straßenbahnendhaltestelle zum lit oic führt an den konnten die Behörde und die Feuerwehr vom Brandschutzkonzept vielfältigen Bautätigkeiten vorbei, der Aufstockung der Bibliothek, überzeugt werden. dem neuen, im Herzen der Anlage gelegenen Eingangs- und Der Holzbau ist ein Skelettbau mit Holz-Beton-Verbunddecken. Veranstaltungsgebäude und neu gestalteten Außenanlagen. Die Aufbauten der Decken sind dabei, dem Budget entsprechend, Man erkennt gleich, dass Riepl Riepl keine Architekten sind, die sehr einfach gehalten: nur Holz, Beton und Teppich. ein bevorzugtes Baumaterial haben. Holz gehört zu ihrem Reper- Kurz vor der Fertigstellung kam der Wunsch auf, eine ausgediente toire wie viele andere Materialien. Postrutsche vom Postverteilerzentrum hierhin zu transferieren. Dass sie beim lit oic zum Holz griffen, ist auch dem großen Gesagt, getan. Nun kann, wer will, vom zweiten Obergeschoss bis Zeitdruck geschuldet. Denn erst, als der Wettbewerb schon ent- ins Untergeschoss rutschen. Ganz ungefährlich war der Einbau schieden war, kam dem Bauherrn die Idee, ein interdisziplinäres nicht, erzählt Christof Pernkopf, Projektleiter und Partner im Büro Forschungsgebäude zu errichten. Dafür sollte es umso rascher Riepl Riepl. Man musste in dem schon fast fertiggestellten Ge- umgesetzt werden. Zwischen der ersten Ideenskizze und der bäude noch einmal schweißen, um die einzelnen Teile der Rutsche Fertigstellung lagen gerade einmal zwei Jahre. Um in so kurzer zusammenzusetzen. Gerade während der Bauphase bedarf der Zeit mit geringem Budget ein hochwertiges Gebäude erstellen Brandschutz im Holzbau besonderer Achtsamkeit. Eine gute Bau- zu können, schien den Architekten Holz optimal geeignet. Das aufsicht aber war vorhanden und bewachte die nachträglichen nachhaltige und innovative Image des Holzbaus gefiel dem Bau- Schweißarbeiten aufmerksam. herrn sogleich. Der Eingang in das lit Open Innovation Center liegt an der Naht- stelle zwischen den drei gleich großen Laboren der Forschungs fabrik und dem Bürotrakt. Vom Eingang aus fällt der Blick auf die Zugangsstufen und dann weiter auf eine Treppenanlage, die die beiden Büroetagen verbindet und mit breiten Stufen zum Sitzen einlädt. Eine zweite, ähnlich gestaltete Treppenanlage ist räumlich von den Büros abgetrennt und kann auch für Vorträge genutzt werden. Standort Altenberger Straße 69, Linz⁄ AT Bauherr oic Open Innovation Center GmbH, Linz⁄ AT Planung Riepl Riepl Architekten, Linz⁄ AT, www.rieplriepl.com Statik Bollinger und Grohmann, Wien⁄ AT, www.bollinger-grohmann.com Brandschutzplanung FireX Greßlehner GmbH, Leonding⁄ AT, www.firex.at Holzbau Graf-Holztechnik GmbH, Loosdorf⁄ AT, www.graf-holztechnik.at Fertigstellung Juni 2019
Brandrede für Holz 9 8 zuschnitt 77.2020 EI30 + verdichteter Sprinklerschutz Brandabschnitt Rauchabschnitt Schleuse Rauchentlüftung Sprinkleranlage Fluchtweg Hauptzugang Feuerwehr 5m Brandabschnitt Rauchabschnitt Schleuse Rauchentlüftung Sprinkleranlage Fluchtweg Hauptzugang für die Feuerwehr
Lernen vom 34 Meter hohen Wohnhaus in Heilbronn Roland Pawlitschko Zur Bundesgartenschau 2019 initiierte die Stadt Heilbronn mehre- re Stadtentwicklungsprojekte. Die „Stadtausstellung Neckarbogen“ entstand auf dem BuGa-Gelände direkt nordwestlich des Stadt- zentrums – auch um vorhandene innerstädtische Flächenressour- cen neu zu erschließen. Dabei realisierten verschiedene Bauherren mit unterschiedlichen Architekten modellhaft innovative Projekte, die sowohl Eigentums- und Mietwohnungen als auch Wohn- und Inklusionskonzepte für Studenten, junge und ältere Menschen umfassen. Das Wohnhochhaus aus Holz bietet 56 kompakte Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen, vier größere Einheiten für Wohnge- meinschaften sowie eine gemeinschaftliche Dachterrasse, ein öffentliches Café und einen Gemeinschaftsraum mit Küche und Waschsalon. Als Eckbebauung an einer der Haupterschließungs- achsen des Geländes und als höchstes Gebäude des Stadtausstel- lungsensembles nimmt es eine besondere städtebauliche Rolle ein. Außergewöhnlich ist das Haus aber vor allem, weil es als aktuell höchstes Holz-Hochhaus Deutschlands gilt. Genau genommen handelt es sich um e ine Hybridkonstruktion, bei der auch Stahl- beton- und Stahlbauteile zum Einsatz kamen. Angesichts bereits zahlreicher in Holzbauweise realisierter Wohn- häuser waren die Berliner Architekten des Büros Kaden+Lager schon vor Planungsbeginn hinreichend mit diesem Baustoff Um die Wohnungen mit viel Tageslicht zu versorgen und umge- vertraut. Dennoch stellte der Bau eines Hochhauses auch für kehrt den ungestörten Blick auf das neu gestaltete Neckarufer zu sie eine Herausforderung dar, nicht zuletzt, weil die in Baden- ermöglichen, entwarfen die Architekten große raumhohe Fenster, Württemberg nicht eingeführte Muster-Hochhausrichtlinie (mhhr) die sie in der Gebäudehülle aus Aluminiumpaneelen versetzt lediglich als Orientierungshilfe diente. Aus diesem Grund war anordneten. Als Kompensation zur dadurch entstehenden Gefahr zur brandschutztechnischen Bewertung des Projekts die aktuelle eines Brandüberschlags über die Fassade wurde eine Hochdruck- Landesbauordnung (lbo) Baden-Württemberg heranzuziehen. Wassernebellöschanlage eingebaut. Diese Anlage wirkt nicht nur Diese erlaubt brennbare Tragkonstruktionen ohne nicht brennbare der Entwicklung eines Vollbrands effektiv entgegen, sie ermög Bekleidungen bei Bauten der Gebäudeklasse 5 nur dann, wenn lichte es auch, sämtliche Außenwände als nicht tragende, außen- ein Brandüberschlag (insbesondere zwischen den Geschossen) seitig gedämmte Massivholzwände in F30 und von innen holzsich- durch bauliche Maßnahmen ausgeschlossen werden kann. tig auszuführen. Als weitere Folge der fehlenden Brüstungen, Um dies zu gewährleisten, arbeitete Kaden+Lager von Anfang an aber auch aufgrund der großen Stützenabstände von 8,5 Metern mit den Statikern und den Brandschutzingenieuren zusammen, wurden in der Außenfassade Stahlträger eingebaut, die zugleich die ein sehr ausführliches Brandschutzkonzept erstellten. Teil als Ringanker und Deckenauflager dienen. Holzträger kamen hier dieses Konzepts war eine in statischer und brandschutztechni wegen zu großer Aufbauhöhen nicht infrage. scher Hinsicht sehr „robuste“ Konstruktion, die beispielsweise ein Wesentliches brandschutztechnisches Thema dieses Projekts Sockelgeschoss und ein mittiges Sicherheitsfluchttreppenhaus ist die Rauchdichtigkeit der Deckenkonstruktion. Sie wird durch in Stahlbeton beinhaltet. Letzteres verfügt über Schleusen und Fugen an den Bauteilverbindungen erreicht, die mehrfach mit steht zudem unter Überdruck, wodurch verhindert wird, dass Nuten und Gipsfaserplatten sowie teils zusätzlich mit Brand- Rauch aus einer brennenden Etage in den Treppenraum gelangt. schutzmasse und Klebebändern geschützt sind. An den Decken- Die tragenden Stützen bestehen aus Brettschichtholz, die Decken stößen wird dieses Prinzip ebenso angewendet wie an den Decken und die vereinzelt tragenden Wände der Wohnungen aus Brett anschlüssen zu Beton- und Holzwänden. Hinzu kommt ein aus sperrholz – alle Bauteile wurden aus zertifiziertem Fichtenholz vielen weiteren Einzelschichten bestehender Bodenaufbau mit vorgefertigt. Massive Holzbauteile bieten vor allem zwei Vorteile: Trockenestrich. Der weitgehende Verzicht auf aufschäumende Sie sind frei von Hohlräumen, in denen Hohlraumbrände entste- Brandschutzmasse ist ebenso Teil der ökologischen Nachhaltig- hen können, und sie sind im Brandfall durch die einsetzende keit dieses Projekts wie der trockene Bodenaufbau. Letzterer Holzkohlebildung geschützt. macht es möglich, sämtliche Baustoffe eines Tages einfach zer legen und getrennt recyceln oder wiederverwenden zu können. Gebäudeentwurf und Brandschutzkonzept sind das Ergebnis aus Standort Fruchtschuppenweg 3, Heilbronn⁄ DE Bauherr Stadtsiedlung Heilbronn GmbH, Heilbronn⁄ DE, www.stadtsiedlung.de den langjährigen Holzbau-Erfahrungen sowohl der Architekten Planung Kaden+Lager, Berlin⁄ DE, www.kadenundlager.de als auch der Ingenieure. Um diese tatsächlich in die Realität um- Statik bauart Konstruktions GmbH & Co. kg, Lauterbach⁄ DE, www.bauart-konstruktion.de setzen zu können, war es unerlässlich, sie in allen Einzelheiten Brandschutzplanung Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. kg, Gifhorn⁄ DE, schon sehr früh mit den Baubehörden und der Feuerwehr der Stadt www.kd-brandschutz.de Holzbau Züblin Timber, Aichach⁄ DE, www.zueblin-timber.com Heilbronn abzustimmen. Dies war umso wichtiger, als sich das Fertigstellung März 2019 Projekt ja jenseits der bauaufsichtlichen Regelwerke bewegte.
Brandrede für Holz 10 11 zuschnitt 77.2020 von 1:200 um 40 Prozent auf 1:500 verkleinert 5m Dass sich der enge Austausch gelohnt hat, zeigt ein Genehmi- Sowohl die hybride Konstruktion als auch das Brandschutzkonzept gungsprozess, der nach Abgabe der Pläne vergleichsweise un- hätten – zwar mit größeren Bauteilquerschnitten, aber in der spektakulär und ohne wesentliche Nachforderungen wie Brand- gleichen innenräumlichen Qualität – die Ausführung eines viel versuche ablief. Und auch eine Teilbaugenehmigung für den höheren Holzhochhauses erlaubt. Während die Böden Linoleum- Betonbau wurde problemlos erteilt, weil die Aussicht auf Rea beläge erhielten, erscheinen sämtliche Außenwände und die lisierung des Gesamtprojekts zu keinem Zeitpunkt infrage stand. Decken in unbekleidetem Holz. Die Leichtbauwände hingegen Diese Teilbaugenehmigung bot vor allem den Vorteil, mit dem wurden mit Gipskartonbekleidung versehen und die Betonwände Bau beginnen und gleichzeitig die Holzbauteile vorfertigen zu des Fluchttreppenhauses gespachtelt und gestrichen. Ergebnis ist können. eine differenzierte Innenraumwirkung mit hohem Anteil an wohn lich warmen Holzoberflächen. Das Wohnhochhaus in Heilbronn ist ein Wegbereiter eines undogmatischen und immer selbstver- ständlicher werdenden Holzbaus, dem die konstruktiven und Detail Deckenstoß brandschutztechnischen Anstrengungen nicht anzusehen sind. Auf eine korrekte Ausführung vor Ort kommt es an. Nur dann kann die Konstruktion als absolut rauchdicht eingeschätzt werden. Roland Pawlitschko ist freier Architekt, Autor und Redakteur sowie Architekturkritiker. Er kuratiert Ausstellungen rund um das Thema Architektur und Öffentlichkeit, organisiert Architekturexkursionen und veröffentlicht Artikel und Aufsätze in Büchern, Zeitschriften und Tageszeitungen. Roland Pawlitschko lebt und arbeitet in München. Quelle (Detail): Brandschutzkonzepte für mehrgeschossige Gebäude und Aufstockungen, holzbau handbuch, Reihe 3, Teil 5, Folge 1, Informationsdienst Holz, Berlin 2019 Brandschutzmasse Rauchdichtheitsschicht mit Gipsfaserplatte 18 mm Fase 3 mm Rauchdichtheitsschicht mit Klebeband Brandschutzkonzept (Auszug) _ Hybridbauweise: Sockelgeschoss und Treppenhaus aus Stahlbeton _ Treppenhaus mit Schleusen und Überdruck, damit kein Rauch in den Treppenraum gelangt _ Hochdruck-Wasserlöschanlage, verhindert Brandüberschlag über Fassade und erlaubt Außenwände in F 30 _ enger Austausch mit Behörden und Feuerwehr _ Rauchdichtigkeit der Decken
Sorhauggata kein Nordpfeil vorhanden! Digital vernetzte Brandschutzplanung 0 1 5 Studentenwohnheim in Norwegen EI 60 [B 60] REI 120 A2-s1, d0 [A 120] EI60 REI 120, A2-s1, d0 Fluchtweg 5m Eva Guttmann Seit der Bürogründung Mitte der 1990er Jahre beschäftigen sich tern eines Projekts auch deren inhärente Komponenten wie etwa Helen & Hard mit dem Holzbau. Die technischen Möglichkeiten unterschiedliche, hierarchisch gegliederte inhaltliche und mate haben sich seither maßgeblich weiterentwickelt und in Norwegen rielle Ebenen gemeinsam mit Spezialisten aus anderen Disziplinen gelten Siv Helene Stangeland und Reinhard Kropf zu Recht als zu berücksichtigen und in den Entwurf miteinzubeziehen.“ Holzbaupioniere. Neben Innenraumgestaltungen, Ein- und Mehr- So wurde das 2015 fertiggestellte Studentenheim in der Sørhaug- familienhäusern, Bürogebäuden etc. haben die Architekten auch gata 100 in Haugesund gemeinsam mit den Experten von viele großmaßstäbliche öffentliche Bauten in Holz geplant und itre (Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie des Euro realisiert, u. a. das Vennesla Library and Cultural House (Vennesla, päischen Parlaments) entwickelt. Es wurde in einer Baulücke im 2011), die Grimstad Library (Grimstad, 2017), den Bjergsted Zentrum von Haugesund in Massivholzbauweise mit Sichtoberflä- Financial Park (Stavanger, 2019) oder den Samling-Komplex, ein chen im Inneren und Holzfassaden dank Vorfertigung in einer multifunktionales Gebäude mit Bibliothek und Wohnungen Bauzeit von nur sieben Monaten errichtet und besteht aus einem (Nord-Odal, 2019). fünfgeschossigen straßenbegleitenden und einem kleineren, Technische Innovation in Planung und Ausführung, Ressourcen- weiter hinten am Grundstück positionierten Trakt. Die beiden Teile management, Bionik und „Relational Design“ spielen bei all diesen sind durch eine gemeinsame Terrasse miteinander verbunden, Bauwerken eine wichtige Rolle. Reinhard Kropf beschreibt letzte- dazwischen gibt es einen Hof. An der Straßenfront fällt neben ren Begriff so: „Bei Relational Design geht es darum, neben den der bewegten Trauflinie, deren Verlauf mit der Dachlandschaft technischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Parame- entlang der Straße zu tun hat, die Dreiteilung des Gebäudes auf. Standort Sørhauggata 100, Haugesund⁄ NO Bauherr Student Welfare Organization of Stord, Haugesund⁄ NO Planung Helen & Hard, Stavanger⁄ NO, www.helenhard.no Statik Høyer Finseth (heute wsp) Oslo⁄ NO, www.wsp.com Brandschutzplanung Roar Jørgensen as, Hønefoss⁄ NO, www.roarjorgensen.no Holzbau Woodcon as, Brumunddal⁄ NO, www.woodcon.no Fertigstellung 2015
In formaler Hinsicht ist diese Dreiteilung der gewünschten Maß- Ausrüstung der örtlichen Feuerwehr im Brandschutzkonzept mit stäblichkeit und Rhythmisierung im urbanen Kontext geschuldet, zu bedenken. Ist ein entsprechendes Brandschutzkonzept vorhan- in funktionaler Hinsicht der Belichtung der Mittelgangerschließung den, dann ist die Freigabe durch die Behörde meist kein Problem, in den Wohngeschossen. Technisch bestand die Notwendigkeit, auch wenn es Abweichungen von den „regulären“ Richtlinien und zwei Treppenhäuser zu implementieren, ein Haupttreppenhaus mit Gesetzen gibt. selbstschließenden Brandschutztüren und ein Fluchttreppenhaus. Dazu kommen eine Sprinkleranlage, Rauchmelder und konstruk- Eva Guttmann tive Maßnahmen an neuralgischen Punkten. 2004 – 09 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt, 2010 – 13 Geschäftsführerin In Norwegen war bis 1997 Holz für Häuser mit mehr als drei des hda, Haus der Architektur in Graz. Freischaffende Autorin, Herausgeberin, Geschossen verboten, erst dann wurden die Gesetze nach und Redakteurin und Verlagsrepräsentantin für Park Books Zürich; lebt und arbeitet nach adaptiert. „Doch immer noch sind die Brandschutzbestim- in Graz und Wien. mungen in Norwegen streng und gerade im Holzbau eine Herausforderung“, berichtet ein Mitglied des Planungsteams. Daher war es auch bei diesem Bauwerk essenziell, von Anfang an Brandschutzingenieure in den Entwurfsprozess miteinzubeziehen und im Rahmen von digital vernetzter Planung optimale Lösungen zu erzielen. Zudem ist es in Norwegen notwendig, die verfügbare 5m 0 1 5
Drei Brandschutzexperten im Gespräch Holz brennt überall gleich, und doch unterscheiden sich die nationalen Herangehensweisen Anne Isopp Holz brennt überall gleich, und doch gibt es unterschiedliche kohle und brennbaren Gasen zersetzt) zu vieler brennbarer Ober- Einschätzungen der Brandgefahr. Unterschiedliche Denk- und flächen schneller vonstatten gehen kann, dass wir eine größere Herangehensweisen führen zu unterschiedlichen Brandschutz Feuersäule vor der Fassade bekommen und dass wir u nter Umstän- verordnungen. Wir haben dazu die Brandschutzexperten Stefan den bei einem voll ventilierten Brand eine Temperaturentwicklung Winter aus Deutschland, Reinhard Wiederkehr aus der Schweiz bekommen, die über der Einheitstemperaturkurve im Prüfverfahren und Frank Peter aus Österreich befragt. liegt. Man muss die Grenzen kennen. Holz ist ein brennbarer Stoff. Deutschland Welche weiteren Änderungen in Bezug auf den Brandschutz Gespräch mit Stefan Winter sind zu erwarten? Es gibt noch eine Frage, die uns vor allem bei Im letzten Jahrzehnt wurde in Deutschland die Gesetzgebung den Hochhäusern beschäftigt: Geht das Holz nach einem Brand für den Brandschutz im Holzbau liberalisiert. Wie ist es dazu von allein wieder aus? Nach etwa anderthalb Stunden ist bei gekommen? Einen großen Beitrag hat hier die internationale For- einem entsprechend ventilierten Brand die mittlere mobile schung geleistet. Insbesondere in den dach-Ländern haben wir Brandlast (Möbel, Einrichtung, Bücher) verbrannt. Dann geht durch koordinierte Forschungen nachweisen können, dass wir im das Feuer aus und die Konstruktion bleibt stehen. Muss aber ein Holzbau zu einem vergleichbaren Sicherheits- und Risikoniveau Gebäude einen Brand komplett alleine überstehen, ohne dass kommen wie bei den mineralischen Bauarten. Es braucht aber die Feuerwehr kommt? Auch schon bei der Gebäudeklasse 5? immer seine Zeit, bis sich solche Erkenntnisse in der Praxis durch- Die Frage nach der Definition des Schutzzieles ist, zumindest in setzen. Je mehr große und mehrgeschossige Gebäude aus Holz Deutschland, nicht vollständig beantwortet. Die wissenschaft- entstehen, umso gesellschaftsfähiger wird diese Bauweise. liche Antwort in Deutschland, der Schweiz und Österreich lautet: Nach 90 Minuten, nach einem Vollbrand, darf ein Gebäude theo- Trotz koordinierter Forschungen im dach-Raum werden die retisch zusammenstürzen. Egal ob Holzbau oder Stahlbau – so Ergebnisse in den jeweiligen Ländern verschieden ausgelegt ist das Schutzziel. Nur ist diese klare Formulierung des Schutz- und führen zu unterschiedlichen Gesetzgebungen. Das Thema ziels gesellschaftlich nicht ausdiskutiert. Es gibt Experten, die der brennbaren Fassaden ist hier ein gutes Beispiel. Da gab es s agen, ein solches Gebäude muss einen Naturbrand überleben. Versuche in Österreich, in der Schweiz und bei uns. Es kam mehr Dann sind wir beim selbst verlöschenden Holz. Der dicke Holz- oder weniger überall das Gleiche heraus, und doch haben wir querschnitt geht im Regelfall von allein aus. Man könnte aber unterschiedliche Systeme. Der Brandschutz in der Schweiz wird auch nachhelfen, daran forschen wir gerade. Man kann Massiv- im Wesentlichen von der Vereinigung Kantonaler Feuerver holzbauteile herstellen, die eine innen liegende Brandstopp- sicherungen (vkf) getrieben. Die Bauordnungen bei uns sind schicht haben, bei der ein Feuer definitiv aufhört und die den L andesgesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Das innen liegenden Querschnitt weiter schützt. ist ein anderer Entscheidungsprozess, es sind andere Player mit unterschiedlichem Hintergrund. Gesetzestexte werden überwie- Stefan Winter ist Professor für Holzbau und Baukonstruktion an der gend von Juristen geschrieben, Brandschutzrichtlinien der vkf tu München. Brandschutz im Holzbau zählt zu seinen Forschungsgebieten. überwiegend von Technikern. Der Umgang mit Sichtholzflächen ist auch ein gutes Beispiel Schweiz dafür, wie unterschiedlich das Brandrisiko von Holz beurteilt Gespräch mit Reinhard Wiederkehr wird. Wie schaut es hier in der deutschen Gesetzgebung aus? Worin unterscheidet sich die schweizerische Herangehenswei Da gibt es im Moment unterschiedliche Auffassungen. Nach se im Brandschutz von jener der Nachbarländer? Die Schweizer baden-württembergischer Bauordnung kann man alle Oberflä- sind weniger normengläubig als gewisse europäische Nachbar- chen in Sichtholz bauen. länder. Wenn wir feststellen, dass eine Norm ungenügend ist, dann Nach dem jetzigen Entwurf der Muster-Holzbaurichtlinie hingegen suchen wir nach Lösungen. In der Schweiz darf man theoretisch darf entweder die Decke sichtbar in Holz belassen werden oder alles bauen, wenn man es verantworten kann. In Deutschland ein Anteil der Wände. Diese Regelung halte ich für vernünftig. hingegen können Sie, wenn es für etwas keine Norm gibt, das auch Wir wissen, dass die Brandausbreitung durch die Pyrolysen (dem nicht bauen. So können in der Schweiz natürlich Neuerungen viel thermischen Prozess, bei dem sich Holz unter Bildung von Holz- schneller umgesetzt werden.
1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020 Entwicklung der Brandschutzvorschriften So hoch darf man mit Holz bauen ohne Z usatzauflagen ≤ 22 m 2004 Muster-Holzbaurichtlinie Auch in Deutschland ist die Baugesetzge- Brandrede für Holz bung Ländersache. In immer mehr Bundes- ländern ist es möglich, mit Holzbau ohne 2018 Stand September R 90 ≤ 13 m ≤ 13 m Kapselung bis zu einem Fluchtniveau von A R 60 22 Metern zu bauen. Auch für die Muster- R 6 0 -B R 90 ≤7m bauordnung liegt inzwischen ein Entwurf A R 60 R 60 R 6 0 -B vor, der eine Abweichung für das Bauen Deutschland R 60 mit Holz bis zur Hochhausgrenze erlaubt. 14 15 ≤ 100 m zuschnitt 77.2020 ≤ 30 m R 60 mit k- S p rin - le r v o ll z s c hut 1993 vkf-Brandschutznorm 2003 vkf-Brandschutznorm 2015 vkf-Brandschutznorm R0 R 60 bei R0 k- Die Schweiz hat als erstes Land ein S p rin - materialunabhängiges Sicherheitsniveau le r v o ll z R 60 ⁄ s c hut eingeführt. Damit können Holzbauteile R0 EI 3 0 R e duk in allen Gebäudekategorien und Nutzun Schweiz R0 m (nb b) t io n u . R 30 3 0 M in gen eingesetzt werden. R 30 In Österreich ist die Baugesetzgebung Ländersache. Die hier gezeigten Angaben gelten für Wien. Die oib-Richtlinie 2 zum ≤ 22 m Thema Brandschutz kann und wird in den meisten Bundesländern als Basis für die ≤ 11 m ≤ 11 m R 60 2007 Techniknovelle 2015 Techniknovelle 2001 Techniknovelle länderspezifischen bautechnischen Vor- ≤7m schriften herangezogen. Die letzte Ände- R 60 R 30 R 90 rung der oib von 2015 hat vor allem in der Gebäudeklasse 5 Erleichterungen für den Österreich R 60 R 60 2 Holzbau mit sich gebracht. R 9 0 +A ≤ m Fluchtniveau Die Schweizer trauen sich also in Bezug auf den Brandschutz Holzbau eine faire Chance zu geben und die Grundsätze des Vor- mehr? Auch in der Schweiz ist ein Material viel zu stark danach schriftenwerks zu überarbeiten. Mit der rein technischen Diskus- beurteilt worden, ob es brennbar ist oder nicht. Dabei ist das Ge- sion, ob ein Material brennbar oder nicht brennbar ist, kam man samtbrandverhalten von Holzgebäuden nicht markant schlechter nicht weiter und hat deshalb die ganze Gesetzgebung grundsätz- als von Gebäuden aus anderen Baustoffen. Mithilfe von Forschun- lich hinterfragt. Das zaghafte Vorwärtsgehen in den anderen gen und Entwicklungen und anhand von Schadensfällen konnte Ländern ist darauf zurückzuführen, dass man dort das Gegenteil aufgezeigt werden, dass die Kategorisierung in brennbar und nicht einer Norm beweisen will. Damit bleibt man immer im gleichen brennbar nicht mehr sinnvoll ist. Heute bauen wir Holzbauten Denkmuster. technisch robuster und haben eine ganze andere Wasserversorgung. Darum kann der Brand im Kleinen bekämpft werden. Zugleich Sind in Zukunft noch weitere Erleichterungen für den Brand haben sich die Schweizer auch die Frage gestellt, wo die heuti schutz im Holzbau zu erwarten oder ist nun alles ausgereizt? gen Risiken liegen, und festgestellt: Die CO2-Thematik stellt ein In der Schweiz können heute Gebäude bis zur Hochhausgrenze viel größeres gesellschaftliches Risiko dar als ein Brand. In der ohne Weiteres in Holz gemäß Standardkonzept der Brandschutz- Schweiz gibt es kantonale Monopol-Gebäudeversicherungen. Diese vorschriften gebaut werden. Hier gibt es sicher noch Vereinfa- Versicherungen sind daran interessiert, ein Gebäude möglichst chungsmöglichkeiten. Da es in der Logik unserer technischen sicher bauen zu lassen, damit es nicht niederbrennt. Während aber Entwicklung nicht mehr um die Frage geht, ob ein Material die Brandschäden in der Schweiz gleichbleibend sind, haben die brennbar ist oder nicht, können durchaus auch Hochhäuser in Schäden im Elementarbereich – durch Überschwemmungen oder Holz gebaut werden. Murenabgänge – zugenommen. Das haben die Versicherungen Es gibt aber noch ein anderes Thema, das wir als Branche ernst- erkannt. nehmen müssen: den Brandschutz auf der Baustelle. Holzgebäude Da eine gesunde Waldwirtschaftspolitik einen positiven Einfluss sind sicher, wenn sie fertiggebaut und in Betrieb sind. Aber wäh- auf das Klima hat, will man der Wertschöpfungskette Wald und rend der Bauphase muss sich die Branche der Risiken bewusst sein Holz mehr Bedeutung verleihen. In diesem Kontext kann man und verantwortungsbewusst damit umgehen. auch volkswirtschaftlich etwas mehr Brandschäden verantworten. Die Frage der Personensicherheit hat nichts mit der Materialwahl Reinhard Wiederkehr ist Holzbauingenieur und Brandschutzexperte im Büro der Geschossdecke oder der Trennwand zu tun. Dies ist eine Makiol Wiederkehr ag. Er war als Mitglied des Fachausschusses Brandschutz im wohnungsinterne Frage. So hat man politisch entschieden, dem Holzbau in die Überarbeitung der Brandschutzvorschriften involviert.
Literatur Österreich Atlas Mehrgeschossiger Holzbau Gespräch mit Frank Peter Detail Business Information GmbH, München 2017, Euro 130,– In Österreich wurden in den letzten Jahren die Brandschutz Zu bestellen unter: shop.proholz.at vorschriften für den Holzbau liberalisiert. Welche Vorbehalte gegenüber dem Holzbau sind dennoch geblieben? Wir können att.Zuschnitt in Österreich sechs Geschosse in Holz errichten, ohne besondere Brandschutzvorschriften in Österreich Anforderungen nach oib-Richtlinie 2 Anforderungen erfüllen zu müssen. Wir müssen nicht mehr, wie proHolz Austria (Hg.), 3. Auflage 2015 in einigen deutschen Bundesländern nach wie vor gefordert, die Zum Download: shop.proholz.at Holzkonstruktion kapseln. Mit einer Kapselung will man verhin- dern, dass sich Holzbauteile durch einen Raumbrand entzünden Fassaden aus Holz und in weiterer Folge eine unkontrollierte Brandausbreitung Ein Fachbuch von proHolz Austria (Hg.) stattfindet. Natürlich kann der Baustoff Holz einen zusätzlichen Zu bestellen unter: shop.proholz.at Beitrag zum Brand leisten und damit die Größe eines Brand ereignisses beeinflussen. Die wesentliche Frage ist immer, ob der www.dataholz.eu Brand für die Feuerwehr beherrschbar bleibt oder nicht. Erst ab Interaktiver Online-Bauteilkatalog behördlich zugelassener einem gewissen Stadium in der Brandentwicklung spielt es eine sowie bauphysikalisch und ökologisch geprüfter Holzbauteile Rolle, dass Holz ein brennbarer Baustoff ist. Ein Raumvollbrand in der Größe von einer Wohnung ist für die Feuerwehr beherrsch- Lignum Dokumentation Brandschutz bar, unabhängig davon, ob das Gebäude aus Holz oder einem Technische Dokumentationsreihe zur Anwendung der Schwei- anderen Material errichtet wurde. zer Brandschutzvorschriften. Die detaillierten Publikationen thematisieren jeweils einzelne Aspekte der Brandschutzpla- nung von den Anschlüssen bei Bauteilen mit Feuerwiderstand Wie schaut es in Österreich mit Gebäuden mit mehr als sechs bis hin zur Qualitätssicherung im Brandschutz. Geschossen in Holzbauweise aus? Derzeit haben wir eine klare www.lignum.ch Trennlinie: Erst bei mehr als sechs Geschossen in Holzbauweise brauchen wir ein Brandschutzkonzept, in dem wir begründen, www.proholz.at/bauholz – bau:Holz – Seminarreihe Mehr dass wir das gleiche Sicherheitsniveau wie mit mineralischen geschossiger Holzbau Baustoffen erreichen. Uns fehlt hier ein Übergangsbereich von Die Vorträge von 2018 und 2019 stehen zum Download und sechs Geschossen zu h öheren Gebäuden. Man sollte sich von der zum Nachlesen auf www.proholz.at/bauholz bereit. Genehmigungsseite her überlegen, wie man Holzbauten mit mehr als sechs Geschossen auch ohne besondere Maßnahmen Modul 17. Hochhaustypologie in Holzhybridbauweise ausführen kann. Das kann e ine kleinzellige Bauweise sein oder Frank Keikut, Sonja Geier, Kompetenzzentrum Typologie & es kann Kompromisse in B ezug auf die Sichtholzflächen geben. Planung in Architektur (cctp), Zürich 2019 Basierend auf der Liberalisierung der Brandschutzvorschriften So könnte man auf der Basis einer Risikobetrachtung neue Vorga- im Jahr 2015 in der Schweiz beschäftigte sich dieses For- ben für Gebäude aus Holz über sechs Geschosse festsetzen. schungsprojekt mit den Merkmalen einer spezifischen Hoch- haustypologie in Holzhybridbauweise. Der Umgang mit dem Wollen Sie das Grenzdenken durch Risikodenken ablösen? Brandschutz ist dabei wesentlich. Die Risikobetrachtung im Brandschutz ist eine schwierige Materie. www.vdf.ch/modul17.html Im Gegensatz zu einem Brandereignis ist das Risiko, im Straßen- verkehr zu verunglücken, ein akzeptiertes. Ein Brand hingegen ist ein ungewöhnliches Ereignis. Die Angst vor Feuer zählt zu den Urängsten des Menschen und unsere Gesellschaft hat hier ein hohes Sicherheitsbedürfnis. Nehmen wir als Beispiel einen gewöhn lichen Lebensmittelmarkt mit 1.200 m2 Fläche, bei dem keine Brandschutzeinrichtung gefordert ist. Wenn das Brandereignis eine entsprechende Größe entwickelt hat, wird es der Feuerwehr nicht mehr gelingen, den Brand zu löschen. Der Lebensmittel markt wird vollständig abbrennen, egal ob er aus Holz, Beton oder Stahl errichtet wurde. Dieses Risiko ist in der Bauordnung enthalten und damit gesellschaftlich akzeptiert. Dennoch tun sich die Menschen sehr schwer, einen solchen Verlust, ein solches Schadensereignis zu akzeptieren. Die Schweizer hingegen betrach- ten das Risiko bei Bränden viel objektiver und lassen auch volks- wirtschaftliche Aspekte in ihre Risikobetrachtungen miteinfließen. Frank Peter ist Brandschutzexperte und Geschäftsführer der Firma brandRat für Brandschutz, Consulting und Engineering.
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