1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land

 
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1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
1.21

                          ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDLICHE ENTWICKLUNG

                                                                                         Die Ziele des
                                                                                         europäischen Green Deal
                                                                                         Klimaneutralität und
                                                                                         Kreislaufwirtschaft bis 2050

                                                                                         Vom Hof auf den Tisch
                                                                                         Noch viel Gesprächsbedarf
                                                                                         bei Lebensmittelstrategie

                                                                                         Biodiversitätsstrategie
                                                                                         „Wir brauchen verbindliche Ziele“

                                                                                         LEADER und Kulinarik
                                                                                         Stärken mit Stärken verbinden
www.zukunftsraumland.at

                          Österreichische Post AG / 20Z042101 M
                          ARGE Vernetzungsstelle LE 14–20, Schauflergasse 6, 1015 Wien
                          Retouren an Postfach 100, 1350 Wien
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
02                       Inhalt // Intro // Abbildungsnachweis

                                                                                                                Green Deal auf Öster­reichisch:
                                                                                                                105 Klima- und Energiemodellregionen

                                                                                                                Eine österreichische Erfolgsgeschichte sind die Klima- und Energie­
                                                                                                                modell­regionen (KEM). 45 Prozent aller ­Gemeinden arbeiten mit dem
                                                                                                                Ziel zusammen, erneuerbare ­Energien ­auszubauen, den E    ­ nergiebedarf
                                                                                                                zu senken, Bauen nachhaltig zu gestalten sowie ­Mobilität und Land­
                                                                                                                bewirtschaftung klimagerecht auszurichten. Einschließlich der 13 neuen
                                                                                                                Modell­regionen, die vor wenigen ­Wochen genehmigt wurden, gibt es
                                                                                                                105 Klima- und ­Energiemodellregionen, an denen 950 Gemeinden betei-
                                                                                                                ligt sind. Das langfristige Ziel ist der 100-­Prozent-Ausstieg aus ­fossiler
		INHALT                                                                                                        Energie. Unser Bild stammt aus der neuen KEM Alpbachtal und zeigt
                                                                                                                die thermische Solaranlage des Schul­zentrums (Vordergrund) sowie
    02 _       Green Deal auf Österreichisch //                                                                 die Fotovoltaikanlage der M ­ ontanwerke (Hintergrund) in der Gemeinde
		             Aus der Praxis der Netzwerkarbeit                                                                Brixlegg. Alle Regionen finden Sie online unter f­ olgendem Link:
    03 _       LE konkret // Geleitwort // Alle EIP-AGRI-                                                       www.klimaundenergie­modellregionen.at .
		             Projekte gesammelt auf Homepage
    04 _       Der europäische Green Deal // InvestEU:
		             650 Milliarden für nachhaltiges Wachstum
    05 _       Next Generation EU // Ein Pakt mit der
		             Bevölkerung // Europäisches Semester
    06 _       Europas Weg zu einer klimaneutralen
		             Wirtschaft // Der Weg zu den Klimaschutz-
		             zielen 2030 und 2050 // Verkehrsbedingte
		             Emissionen um 90 Prozent reduzieren //
		             Gebäudesektor: Renovierungsquote
		             muss verdreifacht werden

                                                                               Aus der Praxis der Netzwerkarbeit
    07 _       Europas Weg zur Klimaneutralität //
		             Entfossilisierung des Energiesystems //
		             Mobilisierung der Wirtschaft in vielen
		             Bereichen // Schäden aus dem                                     Der Green Deal der Europäischen Union                             Die Vielzahl von Ideen und Anregungen,
		             Klimawandel vervielfachen sich                                   ­bedeutet nichts weniger als den Umbau                            aber auch die sachliche Kritik hilft uns sehr
    08 _       Noch großer Gesprächsbedarf bei                                   ­unseres gesamten Wirtschaftssystems.                            bei der Feinabstimmung unserer Maßnah­
		             EU-Lebensmittelstrategie                                           Unter Einsatz einer Vielzahl von politischen                    men. Diese Rückkoppelung, die auch in den
    09 _       Kernziele der EU-Strategie „Vom Hof                                Instrumentarien werden mehrere Einzel­                          Begleitgruppen zu den Fachbereichen in
		             auf den Tisch“                                                     strategien vorangetrieben, um 2030 die                          ­vertiefender Weise stattfindet, ist ein integ­
 10 / 11_      Biodiversitätsstrategie:                                           ­Zwischenziele und 2050 die Klimaneutralität                     raler Bestandteil der Vernetzungstätigkeit.
		             „Wir brauchen verbindliche Ziele“//                                 des Kontinents zu erreichen. In dieser                          Wir suchen ständig nach Möglichkeiten,
		             Schreitet die Biodiversitätspolitik rasch 		                        ­Ausgabe der Netzwerkzeitschrift befassen                       ­diesen Dialog mit den unterschiedlichen
		             genug voran?                                                         wir uns mit den Eckpunkten des Deals.                           Zielgruppen zu intensivieren.
 12/ 13 _      Standpunkte: Was kann ich zu einer 		                                Sie werden sehen: Es wird spannend                                   Nicht unerwartet ist das Feedback,
		             nachhaltigen Lebensgestaltung beitragen?                             in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.                         dass die Onlineformate oft zwar sehr vorteil­
    14 _       LEADER und Kulinarik:                                                    Bevor wir uns aber der laufenden Arbeit                     haft sind, die Vernetzung der Akteurinnen
		             Stärken mit Stärken verbinden                                        widmen, werfen wir noch einen k ­ urzen                         und Akteure aber leidet. Auch wir im Team
    15 _       Haus der Region im Lavanttal //                                 Blick zurück auf das Jahr 2020. An unserer                           hoffen sehr, dass wir vor allem unsere
		             Aus den LEADER-Regionen                                         Stakeholderbefragung über die Arbeit                                 ­Leitveranstaltungen heuer wieder physisch
 16/ 17 _      Ökonomie und Ökologie sind kein                                 des Netzwerks Zukunftsraum Land haben                                 durchführen können.
		             Widerspruch                                                     sich diesmal 209 Personen beteiligt –
 18/ 19 _      Expertinnen- und Expertenforum Über die 		                      vielen Dank allen Teilnehmerinnen und                              Ihr Netzwerkteam: Karl Bauer //
		             Green-Deal-Umsetzung in Österreich                              Teilnehmern! Die Arbeit des Netzwerks                              Luis Fidlschuster // Michael Fischer //
    20 _       Europa // Publikation // Impressum                              ­wurde wieder gut bewertet (Gesamtdurch­                           Georg Keuschnigg // Gertraud Leimüller //
                                                                                schnitt 1,5 im Schulnotensystem).                                 Gerald Pfiffinger // Johanna Rohrhofer

            ABBILDUNGSNACHWEIS Cover: iStock/Borut Trdina | Seite 2: Klima- und Energiefonds/Krobath | Seite 3: links oben: Rabeder, links unten: lehrlingswelten.at, Porträt: BMNT/Paul G
                                                                                                                                                                                         ­ ruber |
            Seite 4: Andrea ­Neuwirth, Porträt: Felix Richter | Seite 5: Andrea Neuwirth | Seite 6: iStock/BrianAJackson | Seite 7: links oben: iStock/BrianAJackson, rechts unten: iStock/Jevtic |
            Seite 8: Schübl, Porträt: privat | Seite 9: Schübl | Seite 10: ­iStock/www.fotogestoeber.de, Porträt: Walter Skotanitsch | Seite 11: iStock/www.fotogestoeber.de | Seite 12: Hintergrund: iStock/­
            sankai, P               ­ nergieinstitut Vorarlberg/Markus Gmeiner, Porträt unten: privat | Seite 13: Hintergrund: iStock/sankai, Porträt links oben: Umweltbundesamt/B. Gröger, Porträt
                     ­ orträt oben: E
            rechts oben: ­privat, Porträt unten: Ötztaler | Seite 14: oben: Netzwerk Kulinarik/Martina Siebenhandl, Porträt: www.pov.at | Seite 15: oben: Haus der Region, Illustration: LAG Pongau |
            Seite 16: ­Porträt: winnovation c­ onsulting gmbh, rechts unten: iStock/Björn ­Forenius, ­Illustrationen: iStock/ONYXprj | Seite 17: links unten: iStock/Björn Forenius, Illustrationen: iStock/­
            Volodymyr Kryshtal, iStock/ONYXprj | Seite 18: ­Hintergrund: i­ Stock/FredFroese, Porträt links: VCOE/Rita Newman, Porträt rechts: privat | Seite 19: Hintergrund: iStock/FredFroese,
            Porträt links: Klima- und E ­ nergiefonds, Porträt rechts: ÖRV | Seite 20: iStock/republica
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
LE konkret // Aus dem Netzwerk // Geleitwort                               03

LE konkret
                                                   Größte Tiroler Bioheumilch­
                                                   käserei neu errichtet
                                                   Sechs Millionen Liter Milch können künftig
                                                   von der neu errichteten Bioheumilchkäserei
                                                   Walchsee verarbeitet werden, die damit
                                                   die größte dieser Art in Tirol ist. Neun

                                                                                                     Geleitwort
                                                   ­Millionen Euro wurden investiert; das
                                                    ­Programm LE 14–20 fördert solche Inves­
                                                     titionen im Rahmen der Vorhabensart
                                                     ­„Ver­arbeitung, Vermarktung und Entwick­
Die Bioleinerzeugung im Mühlviertel ist bereits       lung landwirtschaftlicher Erzeugnisse“.        Die Krise bewältigen,
auf mehr als 100 Hektar angewachsen.                  Im Reiferaum ­haben 5000 Bergkäse- und         die Zukunft gestalten
                                                      8000 Schnitt­käselaibe Platz.
farmgoodies: Leintradition                            www.biokaeserei-walchsee.com                   Die Corona-Krise stellt uns alle vor große Heraus-
neu belebt                                                                                           forderungen. Nichtsdestotrotz müssen wir schon
Im Jahr 2014 haben Judith und Günther              Steiermark: Innovatives                           heute an die Zukunft denken. Die Pandemie hat
­Rabeder den elterlichen Bauernhof völlig          ­LEADER-Sozialprojekt                             in manchen Bereichen wie ein Brennglas ­gewirkt
 neu ausgerichtet. Aus einem klassischen            im Parlament vorgestellt                         und uns Agrarsysteme aufgezeigt, wie wir sie
 Mühlviertler Mischbetrieb wurde ein               Ein innovatives LEADER-Projekt erlebte            nicht haben wollen. Unsere Antwort darauf kann
 ­Lebensmittelverarbeiter mit aktuell sechs        kürzlich durch eine Vorstellung im öster­         nur das österreichische Agrarmodell mit unserem
  Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die           reichischen Parlament eine besondere              Motto „Qualität statt Quantität“ sein.
  GmbH wächst jährlich um mehr als 30 Pro­         ­Auszeichnung. Bei der Kooperation der                     Mit unseren Corona-Unterstützungsmaß­
  zent, und mittlerweile werden für farm­           ­LEADER-Region Oststeirisches Kernland             nahmen wird es uns gelingen, unsere Strukturen
  goodies im Mühlviertel mehr als 100 Hektar         und der „Chance B Gruppe“ steht die               abzusichern. Mit dem Waldfonds und der COVID-­
  ­Bio-Lein kultiviert. Vor Kurzem wurde die         ­Integration Jugendlicher in den Arbeits-         Investitionsprämie haben wir eine gute Basis
   neue ­Lager- und Produktionshalle in ­Betrieb      markt im Mittelpunkt. Als Begegnungsraum         ­geschaffen, um aus der Krise heraus ­wichtige
   ­genommen.                                         für J­ ugendliche und regionale Betriebe          ­Investitionen in die Land- und Forstwirtschaft zu
    www.farmgoodies.net                               ­wurde ein Container-Sattelaufleger mit            tätigen. Den wichtigsten Erfolg konnten wir bei den
                                                       einer Werkstatt, einem Arbeits- und einem         Verhandlungen zum Mehr­jährigen Finanzrahmen
                                                       Kommunikationsbereich ausgerüstet.                2021 bis 2027 erreichen. Mit einem deutlichen Plus
                                                       www.zeitkultur.at                                 für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in Öster-
                                                                                                     reich haben wir einen soliden Grundstein gelegt.
                                                                         Auseinandersetzung                   Wir werden in diesem Jahr die Arbeiten am
                                                                         mit Berufsbildern           GAP-Strategieplan fortführen. Über 80 Prozent
                                                                         in der digitalisierten
                                                                                                     ­unserer Familienbetriebe nehmen am ÖPUL teil.
                                                                         ­Werkstatt im Container-­
                                                                          Sattelaufleger              25 Prozent der Fläche werden biologisch bewirt-
                                                                                                      schaftet. Vor einem Jahr hat der Agrarkommissar
                                                                                                      bei seinem Besuch in Österreich gemeint, dass
                                                                                                      wir den „Green Deal“ bereits umgesetzt haben.
                                                                                                      Das bedeutet nicht, dass wir stehen bleiben
                                                                                                      ­dürfen, sondern dass wir uns Schritt für Schritt
                                                                                                       weiterentwickeln. Wir können den Weg hin zu
                                                                                                       mehr Klima- und Umweltschutz nur gemeinsam
                                                                                                       mit den Bäuerinnen und Bauern gehen.
                                                                                                              Gemeinsam mit dem „Netzwerk Zukunfts-
Alle EIP-AGRI-Projekte gesammelt auf unserer Homepage                                                  raum Land“ freue ich mich, den „Green Deal“
 Die Europäische Innovationspartnerschaft für landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit     der Europäischen Kommission einer genaueren
 (EIP-AGRI) ist ein ganz besonderes Unterstützungsformat für innovative Projekte: Im Rahmen            Diskussion zu unterziehen und auf Basis
­Operationeller Gruppen (OG) arbeiten Partnerinnen und Partner aus unterschiedlichen Bereichen         der b ­ isherigen österreichischen Leistungen
 an Lösungen zu landwirtschaftlichen Herausforderungen. Bisher haben sich nach vier Förderungs-        die nächsten Akzente zu setzen.
 aufrufen bereits 30 Operationelle Gruppen formiert. Mit dem fünften Aufruf, der am 29. Jänner
 ­geschlossen wurde, werden weitere folgen. Um Ihnen einen besseren Überblick zu ermöglichen,        Elisabeth Köstinger
  ­haben wir nun diese Projekte auf unserer Website übersichtlich zusammengefasst:                   Bundesministerin für Landwirtschaft,
   www.zukunftsraumland.at/eipagri.                                                                  Regionen und Tourismus
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
04                 Schwerpunktthema Green Deal

Ein Kontinent bündelt seine Kräfte:

Der europäische Green Deal
                         Mit dem Green Deal verfolgt die Europäische Kommission das Ziel,
                         bis 2050 keine Nettotreibhausgase mehr zu emittieren. Das erfordert
                         einen substanziellen Umbau unserer Wirtschaft und Änderungen
                         in vielen Lebensbereichen. Georg Keuschnigg

Mit dem ebenso ehrgeizigen wie langfristi­        Ziel ­formuliert: Im Jahr 2050 sollen in          öffent­lichen und privaten Finanzströme
gen Projekt des europäischen Green Deal           ­Europa keine Nettotreibhausgasemissionen         ebenso auf die Nachhaltigkeitsziele aus­
hat Ursula von der Leyen im Dezember 2019          mehr freigesetzt werden und das Wirt­            gerichtet wie die Forschungsprogramme.
die Präsidentschaft der Europäischen               schaftswachstum von der Ressourcennut­           Für Schulen, Berufsbildungseinrichtungen
­Kommission angetreten. Das alle wirtschaft­       zung ­abgekoppelt sein.                          und Hochschulen wird ein europäischer
 lichen und gesellschaftlichen Kräfte ein­                Methodisch werden im Green Deal           Kompetenzrahmen zur Verfügung gestellt
 bindende Programm soll Klimawandel                ­sämtliche Register der europäischen Politik     werden, um proaktive Umschulungen und
 und Umweltzerstörung in Europa Einhalt             ­gezogen. Neben der Überarbeitung der           Weiterqualifizierungen zu fördern. Aber
 ­gebieten und den Wohlstand nachhaltig              ­relevanten Rechtsvorschriften werden die      auch die Instrumente der Zusammenarbeit
  ­absichern.
        In der Mitteilung an die europäischen
   Organe werden die Herausforderungen
   für ­unsere Generation in drei knappen         InvestEU: 650 Milliarden für nachhaltiges Wachstum
   ­Zeilen zusammengefasst: „Mit jedem Jahr       Unter dem Dach „InvestEU“ bündelt die Europäische Kommission b   ­ isherige
    steigt die Temperatur der Atmosphäre          ­Programme zur Stärkung der Wirtschaft. Im Wesentlichen h ­ andelt es sich um einen
    und ver­ändert sich das Klima. Eine Million    europäischen Garantierahmen, mit dem ­öffentliche und private Investitionen in
    der acht Millionen Arten auf dem Planeten      der Größenordnung von 650 Milliarden Euro ausgelöst werden sollen. Auch dieser
    droht zu verschwinden. Wälder und              Fonds wird überwiegend für die Erreichung der Ziele des Green Deal eingesetzt.
    Ozeane werden verschmutzt und zerstört.“       www.europa.eu/investeu/home_de
    Genauso komprimiert ist auch das generelle
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
Schwerpunktthema Green Deal                                    05

                                                                                                      „Next Generation EU“:
                                                                                                      Mehr als eine Milliarde für den
                                                                                                      ­Klimaschutz in Österreich
                                                                                                      Mit dem Wiederaufbaufonds „Next Generation
                                                                                                      EU“, welcher der schwer ­geschädigten Wirt-
                                                                                                      schaft Europas nach der COVID-Pandemie einen
                                                                                                      kräftigen ­Impuls verleihen soll, setzt die Union
                                                                                                      einen wichtigen Schritt zur Erreichung der
                                                                                                      Green-­Deal-Ziele. 37 Prozent der nationalen
                                                                                                      Maßnahmen müssen der ­Erreichung der
                                                                                                      ­Klimaziele d
                                                                                                                  ­ ienen. ­Österreich erhält aus dem
                                                                                                       750-Milliarden-Topf 3,3 Milliarden Euro an
                                                                                                       nicht rückzahl­baren Zuschüssen.

                                                                                                        Ein Pakt mit der Bevölkerung

                                                                                                         Zur besseren Einbindung der europäischen
                                                                                                         Bevölkerung hat die Kommission im Dezem-
mit den Mitgliedsländern stehen im Dienst         ­ itgliedstaaten, Ländern und G
                                                  M                                 ­ emeinden           ber 2020 einen EU-Klimapakt vorgestellt.
des gemeinsamen Vorhabens. Der EU-Rah­            eine Mobilisierung des privaten Sektors                ­Damit soll eine Plattform für Beiträge zum
men für die wirtschaftspolitische Steuerung       ­unumgänglich. Von e   ­ uropäischer Seite sollen       Klimaschutz geboten werden. In der Start­
wird um die Zielbestimmung erweitert,              mindestens 25 Prozent des EU-Finanz­                   phase stehen vier Bereiche im Mittelpunkt:
die umweltgerechte Haushaltsplanung über­          haushaltes für ­Klimaziele verwendet ­werden.          Grünflächen, grüne Mobilität, energieeffizien-
prüfen und beeinflussen zu können. Mit             Dazu kommen die Mittel aus den Förder­                 te Gebäude und grüne Kompetenzen. Auf
dem „Europäischen Klimapakt“ wendet sich           fonds (siehe Factbox „InvestEU“). In enger             ­einer jährlichen Klimapaktveranstaltung
die ­Kommission direkt an die Gesellschaft.        Zusammenarbeit mit der Europäischen                     ­sollen Wissen und Erfahrungen ausgetauscht
         In den Einzelstrategien ist der Green     ­Investitionsbank (EIB) und mit den nationa­             werden.
Deal auf die Erreichung der Klimaschutz­            len ­Förderbanken und -instituten soll eine             www.europa.eu/climate-pact/index_de
ziele bis 2050, die Versorgung mit sauberer         ­generelle Ökologisierung einge­leitet werden.          www.europa.eu/climate-pact/system/­
Energie, den Umbau von Wirtschaft und                Einnahmen ­sollen zudem aus der Besteue­               files/2020-12/20201209%20European%20
­Industrie, energie- und ressourcenschonen­          rung von nicht recycelten Verpackungs­             ­Climate%20Pact%20Communication.pdf
 des Bauen und Renovieren, die raschere              abfällen aus Kunststoff und aus der Verstei­
 ­Umstellung auf eine nachhaltige und intelli­       gerung von Emissionszertifikaten lukriert
  gente Mobilität, die Entwicklung eines             werden.
  ­fairen, gesunden und umweltfreundlichen
   Lebensmittelsystems sowie auf die Erhal­       Das grüne Gebot: „Verursache                          Europäisches Semester
   tung und Wiederherstellung von Öko­            keine Schäden“
   systemen und der Biodiversität ausge­richtet   Zentrale Idee des Green Deal ist es, sämt­
   (siehe dazu die Beiträge auf den Seiten 6      liche Instrumente zur Erreichung der Ziele            Beispielhaft zeigt das Europäische Semester
   bis 11).                                       einzusetzen, Rechtsfolgenabschätzungen                die Richtlinienkompetenz der Europäischen
         Der Umbau aller betroffenen Politik­     und Evaluierungen zur Erreichung der neu­             Union sowie die Vernetzung der nationalen
   bereiche kostet enorme Summen. Den             en Prioritäten zu nutzen und von Beginn an            Wirtschaftspolitiken in Europa auf. Es wurde
   ­Finanzbedarf zur Erreichung der derzeitigen   für sozialen Ausgleich zu sorgen. Möglichst           2011 im Rahmen der Europa-2020-Strategie
    Klima- und Energieziele bis 2030 schätzt      alle Initiativen auf allen Ebenen sowie die           ­ein­geführt. Das Europäische Semester
    die Kommission auf jährlich 260 Milliarden    Anreize für Wirtschaft und Gesellschaft                ­ermöglicht der Kommission die Überprüfung
    Euro. Das entspricht circa 1,5 Prozent des    ­sollen unter dem Leitsatz „Verursache keine            der ­nationalen Haushalts- und Reforment-
    Bruttoinlandsprodukts in der Europäischen      Schäden!“ stehen. q                                    würfe, bevor diese von den Parlamenten
    Union im Jahr 2018. Zur dauerhaften                                                                   ­beschlossen werden. Bei der Erreichung der
    ­Deckung des Finanzbedarfs ist neben dem      Georg Keuschnigg ist Projektleiter                       Ziele des Green Deal spielt dieses Instrument
     Einsatz der öffentlichen Mittel von EU,      des Netzwerks Zukunftsraum Land.                         eine wesentliche Rolle.
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
06                   Schwerpunktthema Green Deal

Green Deal:

Europas Weg
zu einer
­klimaneutralen
 Wirtschaft
25 Jahre dauert die Umstellung
der ­Wirtschaft und ihrer
­Wertschöpfungsketten
auf eine klimaneutrale und
­kreislauf­orientierte Arbeitsweise.
 Im Green Deal sind für
 alle relevanten Bereiche
 ­detaillierte ­Maßnahmenpakete
  ­vorgesehen.

Der Weg zu den Klimaschutzzielen                       Verkehrsbedingte Emissionen                        Gebäudesektor: Renovierungsquote
2030 und 2050                                          um 90 Prozent reduzieren                           muss verdreifacht werden

 Das 2015 in Paris getroffene Klimaschutz­             Eine 90-prozentige Reduktion der verkehrs­          Auf den Gebäudesektor entfallen in Europa cir­ca
 übereinkommen verpflichtet alle 195 Vertrags-         bedingten Treibhausgasemissionen sieht              40 Prozent des Endenergieverbrauchs. Hier liegt
 partner zur Begrenzung der globalen Er­wär­           die neue Mobilitätsstrategie der EU vor.            auch viel Potenzial zur Steigerung der Effizienz
 mung auf 2 Grad und zu Anstrengungen für              Die Emissionen aus Boden- und Luftverkehr           und zur Verringerung der Emissionen. Der
 eine ­Begrenzung auf 1,5 Grad. Dieses Ziel ist        ­machen in etwa ein Viertel der europäischen        Großteil des Wohnungsbestands des Jahres 2050
 nur zu erreichen, wenn die CO2-Netto­emissionen        Treibhausgasemissionen aus. Der Aktionsplan        ist ­bereits heute vorhanden. Erforderlich sind
 bis zum Jahr 2050 auf null gesenkt werden und          sieht 82 politische Maßnahmen und Initiativen      ­daher hohe Renovierungsquoten sowie ein Um­­
 im weiteren Verlauf des Jahrhunderts Neu­trali­        in zehn Aktions­bereichen vor, die in den           stieg bei den Heizstoffen auf erneuerbare
 tät in Bezug auf alle übrigen Treibhausgase            ­kommenden Jahren umgesetzt werden sollen.          Energie­träger wie Wärme, Strom und Gas aus
 ­hergestellt wird. Im Green Deal wird der Weg           Zudem sind Meilensteine definiert, welche        ­erneuerbaren Energiequellen. Weitere wichtige
  dahin in Form einer Langfrist­strategie definiert.     die Ziele in den Jahren 2030 und 2050 messbar      Ansatzpunkte auf dem Weg zur Klimaneu­tralität
  Das erste europäische Klima­gesetz, das zurzeit        machen ­sollen. Darunter fällt etwa die Förde-     bilden effizientere Produkte und Geräte, Ge­
  diskutiert wird, schafft den rechtlichen Rahmen        rung der Einführung emissionsfreier Fahrzeuge,     bäude- und Gerätemanagementsysteme ­sowie
  für die Union ebenso wie für die Mitglied­             Schiffe und Flug­zeuge, zum Beispiel durch         bessere Dämm­stoffe. Die derzeitige Renovie-
  staaten. Ü ­ berprüfbarkeit und Umsetzbarkeit          die Installation von 3 Millionen öffent­lichen     rungsquote liegt in der EU bei jähr­lich rund
  der M ­ aßnahmen spielen ­dabei eine große Rolle.      ­Ladepunkten bis 2030. Der Schienengüter­          0,4 Prozent. Für die Erreichung der Klimaziele
  Bis Juni 2021 sollen alle einschlägigen klima­          verkehr soll bis 2050 ver­doppelt werden.         müsste sich der Anteil auf ungefähr 1,2 Prozent
  bezogenen Politik­instrumente geprüft und               Im Mittelpunkt stehen des Weiteren eine           belaufen. Die Europäische Union ist ­bestrebt,
­Weiterentwicklungen ­vorgeschlagen werden.               ­vernetzte und automatisierte multimodale         dass die Rechtsvorschriften über die Gesamt­
  Dazu gehören das Emissions­handelssystem                 ­Mobilität und Maß­nahmen zum Aufbau eines       energieeffizienz von Gebäuden in den Mitglieds-
  ­genauso wie nationale Reduktionsvorgaben.                gemeinsamen europäischen Datenraums             ländern zielkonform gestaltet werden. Einer
   Ein weiteres großes Ziel ist eine effektive              für Mobilität.                                  der Schritte ist die Bewertung der nationalen
   CO2-Bepreisung. Ein Grenz­ausgleichssystem               www.ec.europa.eu/transport/themes/­             Renovierungs­strate­gien. Zudem sollen Ge­bäu­de­
   soll die europäische ­Wirtschaft gegen                   mobilitystrategy_en                             emissionen in den ­europäischen Emissionshan-
   ­Klimadumping bei Importen schützen.                                                                     del einbe­zogen ­werden. Mit neuen Finan­zierungs­
                                                                                                            formen soll das Tempo g  ­ esteigert werden.
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
Schwerpunktthema Green Deal                                    07

                         Europas Weg zur Klimaneutralität

                 240                                                                                                                    Sonstige,
                 220                                                                                                                    außer CO2
                 200                                                                                                                    Landwirtschaft,
                 180                                                                                                                    außer CO2
                 160                                                                                                                    Wohngebäude
                 140                                                                                                                    Tertiärsektor
 Mio. t CO2-Äq

                  120                                                                                                                   Verkehr
                 100                                                                                                                    Industrie
                   80                                                                                                                   Strom
                   60                                                                                                                   Technologien für die
                   40                                                                                                                  ­Entfernung von CO2
                   20                                                                                                                   Landnutzung und
                    0                                                                                                                   Forstwirtschaft
                 –20                                                                                                                    Nettotreibhausgas­
                                                                                                                                        emissionen
                                                                                                                                        EU-Bruttoinlands­
                        1990       2000        2010            2020              2030             2040           2050                   produkt

Entfossilisierung                                     Mobilisierung der Wirtschaft
des Energiesystems                                    in vielen Bereichen                                    Schäden aus dem Klimawandel
                                                                                                            ­vervielfachen sich

75 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU          Laut Green-Deal-Papieren der Kommis­sion
stammen aus der Erzeugung und dem Verbrauch           hat sich die Rohstoffgewinnung zwischen 1970
von Energie. Die Entfossilisierung des Energie­       und 2017 weltweit verdreifacht. Sie ist laut
systems ist daher eine der wichtigsten Säulen         einer Mitteilung der Europäischen Kommission
des Green Deal. Derzeit beruht unser Energie­         für die Hälfte der Treibhausgasemissionen
system überwiegend auf fossilen Brennstoffen.         und für mehr als 90 Prozent des Biodiversitäts-
Das wird sich bis zur Mitte des Jahrhunderts          verlusts sowie die zunehmende Wasserknapp-
grundlegend ändern. Ausschlag­gebend dafür            heit verantwortlich. In der EU emittiert die
sind der Ausbau der Elektrifizierung, der             ­Industrie rund 20 Prozent der Treibhausgase.
­Umstieg auf nachhaltige, erneuerbare Energien         ­Erforderlich sind daher ­umfassende Maß­
 und eine Steigerung der Energieeffizienz. Enor-        nahmen zur Entfossilisierung energieintensiver      Wetterbedingte Katastrophen verursachten
 me Herausforderungen, auch gesellschaftlicher          Industrien, Förderung der Energieeffizienz          ­allein im Jahr 2017 wirtschaftliche Kosten
 Natur, liegen im beschleunigten Ausstieg aus           und Gewährleistung ­einer Versorgung mit             in der Rekordhöhe von 283 Milliarden Euro
 der Kohle. Zur Sicherung der Verfügbarkeit,            ­nachhaltiger, erneuerbarer Energie zu wettbe-       und könnten um das Jahr 2100 rund zwei
 ­Erleichterung der Verteilung und Optimierung           werbsfähigen Preisen. Zum Instrumentarium           ­Drittel der europäischen Bevölkerung
  des Einsatzes wird der europäische Energie-            gehören Allianzen für grünen Wasserstoff             treffen (heute 5 Prozent). Flusshochwässer
  markt über unterschiedliche Instrumente voll-          und für emissionsarme Industrien. Ein ­Beispiel      etwa d ­ rohen in Europa jedes Jahr Schäden
  ständig integriert, vernetzt und digitalisiert.        dafür ist die Förderung von Stahltechnologien,       in Höhe von 112 Milliarden Euro zu
  Ein zentrales Element ist die Weiterentwicklung        die bis 2030 zu einer CO2-freien ­Stahlerzeugung     ­verur­sachen (heute 5 Milliarden Euro).
  intelligenter Infrastrukturen. Bis Juni 2021 wird      führen sollen. Im EU-Kreislaufwirtschaftsplan
  die Europäische Union die Rechtsvorschriften           sind Maßnahmenkataloge für Lebensdauer­            Quelle: Ein sauberer Planet für alle. Eine europäische
                                                                                                            strategische, langfristige Vision für eine wohlhaben-
  im Energiebereich überprüfen und Vorschläge            zyklen und Reparierbarkeit von Produkten,
                                                                                                            de, moderne, wettbewerbsfähige und klimaneutrale
  für die Überarbeitung vorlegen. Danach sind            für ­Verpackungsmaterialien, Batterien sowie       ­Wirtschaft, Mitteilung der Europäischen Kommissi­
  wieder die Mitgliedstaaten am Zug, ihre                Kunststoffe und Mikroplastik vorgesehen.            on, COM(2018) 773 final; https://eur-lex.europa.eu/­
  ­Energie- und Klimapläne auf die ambitionierten                                                            legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018D­
                                                                                                             C0773&from=de.
   Ziele auszurichten.
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
08               Schwerpunktthema Green Deal

„Vom Hof auf den Tisch“:

Noch großer Gesprächsbedarf
bei EU-Lebensmittelstrategie
                          Mit dem Green Deal will die Europäische Union Europa bis 2050
                       zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Einen Eckpfeiler
                       bildet die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (Farm to Fork Strategy),
                       die das gesamte Lebensmittelsystem umfasst. Während eine
                       ­Folgenabschätzung der Zielvorgaben noch aussteht, zeigt die
                        ­heimische Landwirtschaft bereits heute, dass Produktion und
                         ­Nachhaltigkeit vereinbar sind. Thomas Weber

Mit der im Mai 2020 vorgestellten Strategie     ist j­ edoch eine umfassende und wissen­        im selben Ausmaß gilt und alle Akteurinnen
hat es sich die Europäische Kommission        schaftlich f­ undierte Folgenabschätzung          und ­Akteure der Lebensmittelversorgungs­
zum Ziel gesetzt, ein faires, gesundes und    wichtiger denn je, um die Versorgungs­            kette von den ­Produzentinnen und Produ­
umweltfreundliches Lebensmittelsystem         sicherheit mit hochwertigen heimischen            zenten bis hin zu den Konsumentinnen und
zu schaffen. Die vorgeschlagenen Maßnah­      ­Lebensmitteln auch in Zukunft sicherzustel­      ­Konsumenten gleichermaßen in die Pflicht
men für die Landwirtschaft (siehe Info­        len. Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“        ­genommen werden.
kasten) nehmen Bezug auf bereits konkrete      wird in unserer g   ­ lobalisierten Welt ihrem
Zielwerte, wurden jedoch bis heute noch        ganzheitlichen ­Anspruch nur dann gerecht,       Entscheidender Beitrag
­keiner Folgenabschätzung unterzogen.          wenn die E   ­ rhöhung der Standards für         Während sich die Mitgliedstaaten und die
 ­Gerade ­infolge der COVID-19-Pandemie        ­in­ländische und i­ mportierte Lebensmittel     Europäische Kommission hinsichtlich Aus­
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
Schwerpunktthema Green Deal                                  09

                                                                                           Kernziele der EU-Strategie
                                                                                           „Vom Hof auf den Tisch“ bis 2030

                                                                                           — Reduktion von Einsatz und Risiko ­chemischer
                                                                                             ­Pestizide um mindestens 50 Prozent
                                                                                           — Reduktion des Einsatzes von Pestiziden mit höherem
                                                                                              Risiko um mindestens 50 Prozent
                                                                                           — Verringerung der Nährstoffverluste bei gleichbleiben-
                                                                                              der Bodenfruchtbarkeit um mindestens 50 Prozent
                                                                                           — Reduktion des Einsatzes von Dünge­mitteln
                                                                                              um mindestens 20 Prozent
                                                                                           — Ausweitung des Biolandbaus auf ­mindestens
                                                                                              25 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche
                                                                                           — Verringerung der Gesamtverkäufe von
                                                                                              ­antimikrobiellen Mitteln um mindestens 50 Prozent
                                                                                           — Reduktion der Lebensmittelabfälle im Lebens­
                                                                                               mitteleinzelhandel und bei ­Verbraucherinnen
                                                                                               und Verbrauchern um 50 Prozent

                                                                                           Diese Ziele sollen EU-weit erreicht werden. Jeder
                                                                                           ­Mitgliedstaat ist aufgerufen, seinen Beitrag zu leisten.

gangsjahr und -niveau für die Reduktions­         gemeinsam mit ­Schweden b        ­ ereits die       eindeutiges Verbesserungspotenzial. So liegt
ziele im Bereich Pflanzenschutz, Dünge­            Nase vorn. Österreich zeigt also, dass viele       der Anteil der Landwirtschaft an der Wert­
mittel und Antibiotika noch uneinig sind,          Ziele der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“            schöpfung von Lebensmitteln mit 20 Prozent
zeigt der Blick auf die österreichische Land­      bei gleichzeitiger Nutzung der natürlichen             klar unter dem EU-Durchschnitt von 27 Pro­
wirtschaft, dass diese schon heute einen           Ertragspotenziale zu erreichen sind, sie           zent. Höhere Standards in der ­Produktion
zentralen Beitrag zu einem nachhaltigen            müssen jedoch von e    ­ inem Bündel unter­        können somit nur dann realisiert werden,
­Lebensmittelsystem leistet. Mit einer frei­       stützender Maßnahmen wie Einführung                wenn die Primärerzeugung den ­damit
 willigen und nahezu flächendeckenden              ­einer Herkunftskennzeichnung, Erhöhung            ­einhergehenden Mehrwert am Markt abge­
 ­Teilnahme am ­Österreichischen Programm           der Zahlungsbereitschaft, ­Abgeltung der           golten bekommt.
  für eine umweltgerechte, extensive und den        ­erbrachten Leistungen und Gleichstellung                  Die wohl wichtigsten Feststellungen
  natürlichen Lebensraum schützende Land­            der Wettbewerbsbedingungen für heimische          ­finden sich bereits auf den ersten beiden
  wirtschaft (ÖPUL) leisten Österreichs Bäue­        und importierte Lebensmittel begleitet             ­Seiten der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“.
  rinnen und Bauern tagtäglich einen Beitrag         ­werden. Jeder Player der L ­ ebensmittelkette      Sie besagen, dass „den Bemühungen nur dann
  zur nachhaltigen Verwendung von Betriebs­           hat seinen Beitrag zur E­ tablierung eines         Erfolg vergönnt sein wird, wenn für die Pri­
  mitteln sowie zum sorgsamen Umgang mit              nachhaltigen Lebens­mittel­systems zu leis­        märerzeuger, deren Einkommen noch immer
  Natur und U ­ mwelt. Solche in die Produktion   ten – nicht nur die Land­wirtschaft, wie               dem der gesamten Wirtschaft hinterherhinkt,
  integrierten Maßnahmen in Kombina­tion          es in der Diskussion derzeit allzu oft den             ein nachhaltiger Lebensunterhalt gesichert
  mit einer vollständigen Leistungs­abgeltung     ­Anschein erweckt.                                     ist“, und dass „europäische Lebensmittel be­
  für die von der Öffentlichkeit geforderten                                                             reits heute weltweit als Maßstab für sichere,
  Auflagen, Transparenz in der Herkunfts­         Erfolgsgeschichte                                      ausreichend verfügbare, nahrhafte und
  kennzeichnung sowie faire Wettbewerbs­          gemeinsam fortschreiben                                ­hochwertige Lebensmittel gelten“. Ziehen wir
  bedingungen sind der Schlüssel zur erfolg­      Die Empfehlungen der Europäischen                       daher als Gesellschaft gemeinsam und mit
  reichen Etablierung eines zukunftsfähigen       ­Kommission für die nationale GAP-Strategie­            gleicher Kraft an einem Strang, denn Lebens­
  Lebensmittelsystems. Weiters hat Österreich      planerstellung belegen, dass Österreich                mittel und die Arbeit, welche in deren
  als einziger Mitgliedstaat das Ziel, auf         ­bereits in der aktuellen Periode die richtigen        ­Herstellung investiert wird, sind wertvoll! q
  25 Prozent der landwirtschaftlichen Nutz­         Akzente gesetzt hat, die es nun weiterzu­
  fläche biologisch zu ­produzieren, schon          entwickeln gilt. Mit Blick auf das Lebens­         Thomas Weber ist Mitarbeiter der
  jetzt erreicht. Auch in Sachen ­Tierwohl hat      mittelsystem ortet die Kommission jedoch          ­Landwirtschaftskammer Österreich
  Österreich laut ­„World Animal Protection“        insbesondere in der Wertschöpfungskette            und des Netzwerks Zukunftsraum Land.
1.21 Netzwerk Zukunftsraum Land
10                Schwerpunktthema Green Deal

                                                                                                    Schreitet die Biodiversitätspolitik
                                                                                                    rasch genug voran? Franz Essl

                                                                                                        In der aktuellen Umwelt- und Klimakrise
                                                                                                    ist die Zeit leider keine Verbündete.
                                                                                                    Sie läuft uns davon. Es geht schnell,
Biodiversitätsstrategie:                                                                            ­Lebensräume zu zerstören, aber sie wieder
                                                                                                     zu ­renaturieren ist schwierig, teuer und

„Wir brauchen                                                                                        ­lang­wierig. Ein Baum ist flugs gefällt,
                                                                                                      ein Fluss bald begradigt, eine Feuchtwiese
                                                                                                      rasch trockengelegt. Daher fordert der

­verbindliche Ziele“                                                                                  ­Biodiversitätsrat des Netzwerkes Biodiver­
                                                                                                       sität Österreich in Übereinstimmung mit
                                                                                                       ­vielen Wissenschaftlerinnen und Wissen-
              Die Biodiversitätsstrategie ist einer der Eckpfeiler                                      schaftlern, dass die Trendwende zu einer
            des ­europäischen Green Deal. Die großen Ziele                                              nachhaltigen Gesellschaft in den nächsten
                                                                                                        Jahren erfolgen muss. Das ist nicht leicht,
            sind der Erhalt der Artenvielfalt und die Renaturierung                                     aber machbar ‒ und vor allem nötig!
            ­geschädigter ­Ökosysteme. Über die österreichische
             ­Umsetzung sprach Netzwerk Zukunftsraum Land mit
              dem Mitglied des ö­ ster­reichischen ­Biodiversitätsrates
              und Ökologen Franz Essl.

Herr Professor Essl, mit dem Schutz              meldungen nicht nur anonymisiert durch­
und ­Erhalt der Biodiversität haben              zuführen. Dann wäre auch klar zuordenbar,
wir auch in Österreich ein Problem –             wer beziehungsweise welche Organisation
wo hapert es am meisten?                         welche Position vertritt. Außerdem wäre es
Wie der 2019 vorgelegte Bericht des Weltbio­     essenziell, einen Überblick über die Rück­
diversitätsrats gezeigt hat, befinden wir uns    meldungen öffentlich einsehbar zu machen.
inmitten einer globalen Biodiversitätskrise:     Leider ist dies so nicht erfolgt, und daher
Während Sie diesen Beitrag lesen, stirbt         ist unklar, wie mit den mehr als 2200 Rück­
­irgendwo auf der Erde eine Art aus. Alle paar   meldungen umgegangen wird und ob sie tat­
 Minuten verschwindet eine Art, für immer,       sächlich angemessen berücksichtigt werden.
 tagtäglich. In Österreich sieht es keineswegs
 besser aus: Ich möchte ein paar Zahlen nen­     Biodiversität erfordert ein breites
 nen, welche die Dramatik dieser Entwick­        ­Bewusstsein in der Bevölkerung. Wie weit
 lung zeigen: Jede dritte Art in Österreich       ist der Bewusstseinswandel gediehen?
 steht auf der Roten Liste und ist bedroht,       Die Bevölkerung ist bei Themen des Natur-
 die Zahl der Brutvögel ist in Österreich in      und Umweltschutzes viel weiter als die
 nur 20 Jahren um 42 Prozent eingebrochen,        ­Politik, mehr als 85 Prozent der Österreiche­
 und mehr als die Hälfte der Lebensräume           rinnen und Österreicher bekennen sich
 Österreichs sind bedroht. Statt des Gesangs       bei der regelmäßig durchgeführten Euro­
 der Feldlerchen und Schwalben ist der             barometerumfrage zu einem starken Schutz
 ­stumme Frühling vielfach Realität geworden.      der Biodiversität. Was leider meist fehlt,
  Und täglich werden in Österreich 13 Hektar     ist der Wille, die Biodiversitätskrise als zent­
  neu verbaut – das entspricht etwa 25 Fuß­      rale Zukunftsfrage grundlegend politisch
  ball­feldern, mehr als alle Vereine der        ernst zu nehmen und danach zu handeln.
  ­Fußballbundesliga zusammen besitzen.          Eine Trendwende beim Artensterben ist
                                                 möglich – es gibt das Geld, ambitionierte
Mit dem „Biodiversitätsdialog 2030“ wurde        Zielsetzungen und das Wissen, der Weg ist
erstmals ein großer Beteiligungsprozess          bekannt – allein es fehlt bislang der politi­
durchgeführt. Was hat er gebracht?                 sche Wille, ihn zu gehen.
Der Biodiversitätsdialog war eindeutig ein
Schritt in die richtige Richtung, weil ­damit     Wo sehen Sie die größten Herausforderun-
bei der Ausgestaltung der neuen Biodiversi­       gen und Chancen für die österreichische
tätsstrategie der Austausch mit der Zivil­        ­Biodiversitätsstrategie 2030?
gesellschaft gesucht wurde. Aber es bleibt         Für die Wirksamkeit der Biodiversitäts­
unklar, wie mit den vielen Rückmeldungen,          strategie 2030 ist ein strategisch geplanter
die eine ambitionierte ­nationale Biodiversi­      und verbindlicher Rahmen entscheidend:
tätsstrategie einfordern, letztlich umgegan­     Es bedarf klarer und angemessener Ziele,
gen wird. Das ist ein ­gravierendes Manko.       ­deren Erreichung regelmäßig überprüft ­und
Um daraus einen ­echten Dialog zu machen,        wo im Falle von Abweichungen entspre­
wäre es auch wichtig gewesen, die Rück­          chend nachjustiert werden muss. Dafür ist
Schwerpunktthema Green Deal                            11

                                             ein rechtlicher Rahmen in Form eines natio­
                                             nalen Biodiversitätsgesetzes notwendig.
                                             Und: Schutz und nachhaltige Nutzung von
                                             Natur und natür­lichen Ressourcen müssen
                                             sich lohnen. Eine biodiversitätsfördernde
                                             Landnutzung, e  ­ ffektive Schutzgebiete und
                                             die Erarbeitung von Grundlagendaten benö­
                                             tigen ange­messene finanzielle Ressourcen:
                                             Dafür ist der jüngst eingerichtete Nationale
Dass artenreiche, bunte Blumenwiesen         Biodiversitätsfonds auf eine Dotierung von
in vielen ­Regionen Österreichs eine         einer Milliarde Euro jährlich aufzustocken.
­Seltenheit geworden sind, ist eine der
 wichtigsten ­Ursachen des Insektenrück-
 gangs. Eine angepasste Nutzung solcher      Was motiviert Sie persönlich zum
 Wiesen muss sich für Landwirtinnen          ­Engagement im Natur- und Biodiversitäts-
 und Landwirte lohnen. ­Dafür muss            schutz?
 die Agrar­politik deutlich mehr Geld
                                              Als Biologe und Forscher wird mir nahezu
 als bisher ausgeben, ­anstatt die weitere
 Intensivierung der Landwirtschaft
                                              täglich anschaulich vor Augen geführt,
 zu fördern.                                  in welche gefährliche Richtung sich unsere
                                              Gesellschaft bewegt. Am Land aufgewach­
                                              sen, verbrachte ich als Kind sehr viel Zeit
                                              im Garten, am Bach, im Wald. Ich fühle
                                              mich daher der Natur eng verbunden. Und
                                              ich sehe, wie vieles, was in meiner Kindheit
                                              an blühenden Wiesen, ungenutzten Ecken,
                                              ­artenreichen und attraktiven Landschaften
                                               noch vorhanden war, zerstört wurde und
                                               wird. Wie so oft, wenn Personen sich enga­
                                               gieren, gehen persönliche Emotion und
                                               ­Wissen Hand in Hand. Daher ist es auch
                                                ­entscheidend, Kindern einen Zugang zur
                                                 ­Natur mitzugeben.

                                                Wie sehen Sie auf EU-Ebene die „Farm
                                             to Fork“- und die Biodiversitätsstrategie
                                             in den Green Deal eingebettet? Und
                                             (wie) lässt sich dieses Zusammenspiel
                                             auf österreichischer Ebene umsetzen?
                                             Die EU-Kommission nimmt mit dem Green
                                                Deal, der dazugehörigen Strategie „Farm
                                             to Fork“ und der EU-Biodiversitätsstrategie
                                             die Mitgliedstaaten in die Pflicht. Ich würde
                                             mir wünschen, dass Österreich den Green
                                             Deal vorbehaltlos unterstützt, und zwar
                                             auch dann, wenn es um konkrete und
                                             ­verbindliche Ziele geht. Und dass Österreich
                                              hier auch voranschreitet – etwa bei der
                                              ­derzeit national verhandelten Ausgestaltung
                                               der Agrarpolitik für die kommenden Jahre.
                                               Hier ist erkennbar, dass das Ziel einer wirk­
                                               lich nachhaltigen Landwirtschaft weiterhin
                                               nicht ausreichend umgesetzt wird. Das
                                               ­schadet der Natur, der Landschaft und letzt­
                                                lich auch der Bauernschaft. q

                                             Franz Essl lehrt und forscht als Ökologe an der
                                             Universität Wien. Er gehört dem Leitungsteam
                                             des 2019 ­gegründeten ö  ­ sterreichischen
                                             Biodiversitäts­rates (www.biodiversityaustria.at/­
                                             biodiversitaetsrat ) an.
12                                                           Standpunkte

Mein persönlicher „Green Deal“:

Was kann ich zu einer nachhaltigen
Lebensgestaltung beitragen?
Mit dem Green Deal möchte die Europäische Union Klimavorreiter werden und die
­Transformation des Wirtschaftssystems einleiten. Ziel ist, die Treibhausgasemissionen
 bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken und bis 2050 Klimaneutralität
 zu erreichen. Der Green Deal ist ein großes Gemeinschaftsprojekt, das die Europä­ische
 ­Union, die Mitgliedstaaten, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft in die Pflicht
  nimmt. Netzwerk Zukunftsraum Land hat fünf Personen gebeten, darzustellen, welche
  Beiträge im persönlichen Bereich geleistet werden können.

                           Persönlich Verantwortung für Energie
                           übernehmen!
                           Jederzeit verfügbare Energie – ob Strom oder Raum­
                           wärme – ist in unserem Alltag so selbstverständlich
                           wie volle Supermarktregale. Wir machen uns in                   Nachhaltige Landnutzung
          Monika Forster   aller Regel kaum Gedanken, wo diese ­Energie her­               ­betrifft uns alle
 Modellregionsmanagerin    kommt und ob sie denn auch morgen noch so selbst­                   Landwirtschaft erreicht das Ziel, Menschen
           Energieregion   verständlich sein wird. Sollten wir aber! Energie                   zu ernähren, nur, indem sie Ressourcen
  Vorderwald, Vorarlberg
                           ist Nahver­sorgung. Wir müssen ­Verantwortung                       ­beansprucht. Aber ­Landwirtschaft ist
                           dafür übernehmen, dass Energie aus erneuerbaren                      ­unverzichtbar, ohne ­Lebensmittel kann
                           Quellen bedarfsgerecht ver­fügbar ist. Ein Beispiel,            der Mensch nicht leben. Darüber hinaus
                           wie Kommunen das tun, zeigt der Umgang mit dem                  ­erfüllt sie eine Fülle weiterer System­
                           Thema in der ­Gemeinde Sibratsgfäll in der Klima-                leistungen: Allein die Wiesen in Oberöster­
                           und Energie­modellregion Vorderer Bregenzerwald:                 reich ­produzieren so viel ­Sauerstoff wie
                           Dort wurde auf dem Schuldach eine Fotovoltaikanlage                   alle ­Österreicherinnen und Österreicher
                           ­installiert, die von den ­Bürgerinnen und Bürgern                    ­jährlich brauchen.
                            ­finanziert wurde. Ihren Einsatz bekommen sie in                          Nachhaltige Landnutzung bedeutet
                             ­jährlichen ­Tranchen verzinst zurück – in Form von                  letztlich Achtung vor allen Lebewesen und
                              Dorfgutscheinen für die Sennerei, den Dorf­laden                    allen Lebensräumen. Achtung meint ein
                              und das Gasthaus.                                                   Zurücktreten, um dem Gegenüber Raum
                                                                                            zu geben, wie es der Theologe Michael
                                                                                            ­Rosenberger formuliert. Nachhaltige Land­
                                                                                             nutzung ist in diesem Sinne eine gesamt­
                                                                                             gesellschaftliche Aufgabe und beginnt be­
                                                                                             reits bei jeder und jedem Einzelnen von
                                                                                             uns! Die Bereiche Bauen, Verkehr, Gewerbe
                                                                       Peter Frühwirth,      und Industrie sind hier besonders gefor­
                                                                        ­Mitarbeiter der     dert, ihren Beitrag zu leisten.
                                                               ­Landwirtschaftskammer                 Wenn wir in der Biodiversitäts-
                                                                         Oberösterreich
                                                                                             und Klimafrage entscheidend weiter­
                                                                                             kommen wollen, müssen wir zu einem
                                                                                             von partnerschaftlichem Respekt
                                                                                             ­geprägten Umgang miteinander finden.
                                                                                              Dazu zählen auch die Anerkennung bereits
                                                                                              stattfindender Leistungen sowie das
                                                                                              ­Bewusstsein, dass der Mittelweg und nicht
                                                                                               Extreme die Evolution voranbringen.
Standpunkte                          13

                                                                                                                      Bauen und Renovie­
                                                                                                                      ren: Die Augen
                                                                                                                      für k
                                                                                                                          ­ limaneutrale
                                                                                                                      ­Ansätze öffnen
                                                                                                                      Der fortschreitenden Boden­
                                                                                                 Andrea Achrainer,    versiegelung und Verbauung
                                                                                                    ­Projektleitung   wertvoller Flächen kann
                                                                                               Netzwerk Handwerk,
                        Gemeinsam nachhaltig(er)                                                                      durch achtsame Bauweise
                                                                                                   www.netzwerk-
                        Wissen über Nachhaltigkeit alleine reicht nicht aus,                                          im Neubau, intelligente
                                                                                                    handwerk.tirol
                        um seinen Lebensstil zu ändern. Daher haben wir                                               ­Renovierungen und neue
                        mit vielen ­Kolleginnen und Kollegen des Umwelt­                                               ­Nutzungskonzepte bestehen­
                        bundesamts die Initiative „Transform_U“ gestartet.                                              der Gebäude entscheidend
     Bernhard Ferner,   Wir haben ausprobiert, wie wir unsere Gewohnheiten                                              entgegengewirkt werden.
  Umweltbundesamt,      in puncto Konsum, Ernährung, Abfall, Energie und                                                Das regionale Handwerk
Senior Client Manager   Zeitwohlstand nachhaltig verbessern können. Unser                                               spielt dabei eine Schlüssel­
                        Fazit: ­Transformation verbindet, und der Weg zu                                                rolle. ­Klimaneutrale Ansätze
                        ­einem bewussteren Lebensstil schweißt zusammen.                                                wie Holzbau, die Verwendung
                         Viele der Teilnehmenden bestätigen das und haben                                               von ­Ziegeln, Lehm und Kalk
                         ­ihren Alltag dauerhaft verändert.                                                             sowie ö   ­ kologischen Dämm­
                              Auch in ländlichen Regionen gibt es viele, die                                            stoffen und die Nutzung
                          schon heute Zukunft gestalten und andere nachhaltig                                           ­erneuerbarer Energiesysteme,
                          inspirieren. LEADER-Aktionsgruppen können                                                      aber auch das kritische Hin­
                          helfen, Gleichgesinnte zu finden und Initiativen                                               terfragen komplexer Bau­
                          wie „Transform_U“ zu entwickeln. Gemeinsam                                                     themen im Hinblick auf
                          an Veränderung zu arbeiten eröffnet neue Perspekti­                                            ­ökologische ­Kriterien sind
                          ven, schafft neue Lösungen und macht Spaß.                                                      Domänen des Handwerks,
                                                                                                                          das zudem ­regionale Struktu­
                                                                                                                          ren und den wohnortnahen
                                                                                                                          Arbeitsmarkt stärkt. Um diese
                                                                 Wandel durch                                             ­Herausforderungen zu bewäl­
                                                                 ­Überzeugungskraft                                        tigen, ist es nötig, die Jugend
                                                                   Mobilität ist seit meiner Jugend                        für das Handwerk zu begeis­
                                                                   eine Errungenschaft und                                 tern und auszubilden und
                                                                   ein ­hohes Stück individueller                          so das Wissen um nachhaltige
                                                 Franz Sailer,     ­Lebensqualität. ­Dabei treibt                          Techniken und Materialien
                                             ­Geschäftsführer       mich die Frage an, wie sich das                        weiterzugeben und zu nutzen
                                       der Ötztaler Verkehrs­       Verhalten– Stichwort Klima­                            – Netzwerk Handwerk setzt
                                        gesellschaft (Sölden)
                                                                    freundlichkeit – vieler Menschen                       dabei auf Kooperationsprojek­
                                            und Gemeinderat
                                                                    im Bereich dieses persönlichen                         te von Handwerkerinnen und
                                                                    Grundbedürfnisses ändern                               Handwerkern mit ­Schulen.
                                                                    lässt. Anstatt den Zeigefinger
                                                                    zu erheben und möglichst dras­
                                                                    tische Zukunftsszenarien zu
                                                                    kommunizieren, müssen wir
                                                                    mit dem besten Angebot über­       den ÖPNV öffnen? ­Einen weite­
                                                                    zeugen. Für den öffentlichen       ren Hebel stellt das Ticketing
                                                                    Personennahverkehr (ÖPNV)          dar. Dank der digitalen
                                                                 ­bedeutet dies eine erhöhte Takt­     ­Technik können wir es jedem
                                                                  frequenz im ländlichen Raum.          ­Menschen ermöglichen, seine
                                                                  Gleichzeitig darf der Schienen­        Mobilität persönlich optimal
                                                                  verkehr nicht als einziger             zu planen. Dabei gilt es, die
                                                                  ­Heilsbringer angesehen werden.        ­Individualität des jeweiligen
                                                                   Ein Mit­einander von Bus und           ­Angebots zu vermitteln. Fazit:
                                                                   Bahn ist gefragt. Warum also            Mobilität darf sich nicht dar­
                                                                   nicht den Pannenstreifen auf            auf beschränken, grün zu sein.
                                                                   der Autobahn in neuralgischen           Nein, sie muss auch bequem
                                                                   Bereichen in der Früh für               und attraktiv sein.
14                 LEADER

LEADER und Kulinarik:
                                                                                                                            NETZ
Stärken mit Stärken verbinden                                                                                               WERK
                                                                                                                            KULINARIK

             Kooperationen haben einen wesentlichen Stellenwert in der
             ­Weiter­entwicklung Österreichs als Kulinarikdestination. Es gilt,
             die Stärken und Angebote der vorhandenen Ebenen (Region, Land,
             Bund) gut zu bündeln und die Vernetzung der Akteurinnen
             und Akteure innerhalb der Regionen ­auszubauen. Christina Mutenthaler

  Österreich ist ein Land mit ausgeprägter            und Schwächen. Wichtig ist, Doppelgleisig­    lung von kulinarisch-touristischen Ange­
  Ess- und Küchenkultur. Um den großen                keiten zu vermeiden, Synergien zu nutzen      boten ­gemeinsam mit den Destinationen.
  Schatz der Kulinarik zu heben, bedarf               und auf gut Funktionierendes aufzubauen.      Das Netzwerk Kulinarik unterstützt mit
  es der engen Zusammenarbeit zwischen                Auf Bundesebene ideal angesiedelt ist die     Web­inaren/Workshops von Spezialistinnen
  den Organisationen und Initiativen auf              Etablierung des bestehenden, national an­     und Spezialisten; Umsetzung und persönli­
  ­Bundes-, Landes- und regionaler Ebene.             erkannten und durchgängigen Qualitäts-        cher Austausch können aber nur auf regiona­
 ­Dafür wurde das Netzwerk Kulinarik                und Herkunftssicherungssystems „AMA             ler Ebene erfolgreich sein. LEADER ist ein
   ins Leben gerufen. Es dient als Vernetzungs­     ­GENUSS REGION“. Dieses System gilt öster­      ideales Instrument, um regionale Verfügbar­
   stelle entlang der Wertschöpfungskette,           reichweit und garantiert die von den Konsu­    keiten von Lebensmitteln bei bestimmten
   von der Landwirtschaft und Verarbeitung           mentinnen und K   ­ onsumenten geforderte      Zielgruppen zu verbessern und Vertriebs­
   über die Gastronomie und Hotellerie bis ­         Transparenz und Sicherheit. Mit dem Quali­     kooperationen ­aufzubauen. Auf Bundes­
   hin zu den Vermarktungspartnern. 400 Ver­         täts- und Herkunftssicherungssystem ge­        ebene kann die ­österreichweite Vernetzung
   treterinnen und Vertreter aus unterschied­        koppelt ist eine österreichweite Datenbank     durch Veranstaltungen beziehungsweise
   lichen Bereichen haben gemeinsam die              mit umfang­reichen Betriebs- und Produkt­      Matching-Tools unterstützt werden.
   ­Kulinarikstrategie für Österreich erarbeitet.    daten aller zertifizierten „AMA GENUSS               Wir empfehlen allen LEADER- und
    Österreich soll die Kulinarikdestination         ­REGION“-Betriebe. Diese beiden zentralen      ­Genussregionen, sich miteinander zu ver­
    ­Europas werden. Die Strategie basiert            Tools, die auch im Regierungsprogramm und      netzen. Die Erfahrung zeigt: Überall dort,
     auf sechs Erfolgsfeldern. Die wichtigsten        in der nächsten GAP-Periode verankert sind,    wo eine enge Zusammenarbeit besteht,
     sind die Etablierung einer Qualitäts-            sollten die LEADER-Regionen bei künftigen      sind kontinuierliche Aktivität und Nach­
     und Herkunftssicherung, das Innovations­         Kulinarikprojekten nutzen beziehungsweise      haltigkeit gegeben. Das Netzwerk Kulinarik
     management für Betriebe sowie Modelle            darauf aufbauen können.                        steht dabei gerne als aktive Ver­netzungs-
     der Kooperation zwischen Landwirtschaft               Auf regionaler Ebene sind die Stärkung    und Servicestelle, als Drehscheibe
     und Tourismus (siehe www.netzwerk-­              der Zusammenarbeit, die Erhöhung der           und die Kräfte bündelnde Einrichtung
     kulinarik.at).                                   ­Verfügbarkeit von Produkten und der Aufbau    zur ­Verfügung. q
          Bei der Vernetzung kann LEADER in            regionaler Wertschöpfungsketten bestens
 der neuen GAP-Periode eine zentrale Rolle             angesiedelt. So besteht für die LEADER-­      Christina Mutenthaler leitet das Netzwerk
­einnehmen. Jede Ebene hat ihre Stärken                Regionen großes Potenzial in der Entwick­    ­Kulinarik.
LEADER                            15

Haus der Region im Lavanttal

In der Bezirkshauptstadt Wolfsberg wurde das leerstehende
­Bamberghaus mit LEADER-Mitteln zum „Haus der Region“ für regio­
 nale Produzentinnen und Produzenten u   ­ mgestaltet. Durch um­
 fassende Bau- und Einrichtungsmaßnahmen wurde das Gebäude zu
 einem Genussshop mit integrierter Gebietsvinothek umfunktioniert.
 Als Vermarktungsplattform bietet das Haus der Region sowohl den
 Lavanttaler Winzerinnen und Winzern als auch den Direktvermark­
 terinnen und Direktvermarktern die Möglichkeit, ihre hoch­wertigen
 Produkte zu präsentieren und zu vermarkten. Ausgewählt nach
 strengen Zertifizierungskriterien reicht die Produktpalette von
 ­Gütern aus dem Lebensmittelbereich über bäuerliches Kunsthand­
  werk bis hin zu handgefertigten S
                                  ­ ouvenirs. Derzeit wird mit             Genussshop mit integrierter Gebietsvinothek
  über 100 Lavanttaler Klein- und Groß­betrieben aus ­verschiedenen        im Haus der Region

Branchen zusammengearbeitet.
       Neben dem Verkauf und der Verkostung von regionalen Produk­         dung unterschiedliche Produktverkostungspakete angeboten.
  ten werden im Haus der Region unter Einbeziehung der Partner­            ­Zahlreiche Produkte sind außerdem im Onlineshop erhältlich.
  betriebe Veranstaltungen zur Bewusstseinsschärfung für die                Das Haus der Region bietet auch Vernetzungs- und Kooperations­
  ­Themen regionale Produkte sowie Gesundheit und Nachhaltigkeit            möglichkeiten für alle Partnerbetriebe.
   geplant und durchgeführt. Für Gruppen werden gegen Voranmel­            Kontakt: Haus der Region, info@hdr.or.at

Aus den LEADER -Regionen                                                   E
www.zukunftsraumland.at/projekte

Energy Kids im Pongau                   Maßnahmen können die Kinder         gem Einkommen, Alleinerziehende,             und -­ pädagogen und damit die
Das Projekt „Energy Kids“ ist eine      ­ihren Beitrag zum Energiesparen    Pensionistinnen und Pensionisten,            Möglichkeit zur Entwicklung weite-
Weiterführung der Initiative „Klima      leisten und die eigene Familie     Arbeitslose sowie Personen mit               rer ­Angebote sind ebenso geplant
Kids“, die in den letzten drei Jahren   dazu motivieren.                    ­gesundheitlichen oder psychischen           wie der Aufbau eines Qualitäts­
erfolgreich in der L­ EADER-Region      Kontakt: Birgit Kallunder,           Beeinträchtigungen bei der                  sicherungssystems für Beherber-
Pongau umgesetzt wurde. Spiele-         kallunder.leader@pongau.org          ­Wohnungssuche. Mit professionel-           gungsbetriebe.
risch sollen den Energy Kids die                                              ler ­Beratung sollen leer stehende         Kontakt: Beatrix Übelacker,
­Zusammenhänge zwischen Ener-            Wohnungsagentur                      Wohnungen von privaten, ge­                uebelacker@oststeiermark.at
 gieverbrauch und Klima aufgezeigt      ­Linz-Land: Leistbares                meinnützigen und gewerblichen
 werden. Im Herbst 2020 starteten        ­Wohnen für benachteiligte           ­Ver­mietern in den Gemeinden              Vogelfrei-Raum
 fünf Volksschulen mit Angeboten          Menschen                             des ­Bezirks für benachteiligte            Ein lange Zeit leer stehender
 zum Thema Energiesparen daheim         Die Wohnungsagentur Linz-Land          ­Personen leichter zugänglich              ­Geschäftsladen mitten in Rankweil
 und in der Schule. Mit einfachen       unterstützt Menschen mit niedri-   ­gemacht ­werden.                               wurde mit Unterstützung von
                                                                                Kontakt: Isolde Fürst,                     ­LEADER zum Raum der Begegnung
                                                    Spielerisch                 isolde.fuerst@linz-land.at                  und kulturellen Vielfalt. Für die
                                                    ­Zusammenhänge ­                                                        ­Bevölkerung gibt es ein ­offenes
                                                     lernen: Die „Energy
                                                     Kids“ im Pongau
                                                                           Kräuterregion Wechselland                         Angebot unterschiedlicher kultu-
                                                                           Das steirische Wechselland soll                   reller Veranstaltungen.
                                                                           als Kräuterregion touristisch posi-               Das Programm umfasst verschie-
                                                                           tioniert werden. Dazu beitragen                   dene ­Formate wie Erzählcafés,
                                                                           sollen Marketingmaßnahmen wie                     ­Lesungen, Konzerte und Theater.
                                                                           eine Kräuterfibel, eine Wanderkar-                 Der Gedanke der Gemeinnützigkeit
                                                                           te, ein Imagefilm mit Schwerpunkt                  und Partizipation wird hier vorbild-
                                                                           Kulinarik und Kräuter, Plakate,                    haft und mit viel ehrenamtlichem
                                                                           die Integration in die Gemeinde­              ­Engagement gelebt.
                                                                           web­site und Inserate. Die Ausbil-                 Kontakt: Karen Schillig,
                                                                           dung von Kräuterpädagoginnen                       schillig@leader-vwb.at
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