Tätigkeits-bericht - Bericht der Bundesanwaltschaft über ihre Tätigkeit im Jahr 2018 an die Aufsichtsbehörde
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2018 Tätigkeits- bericht Bericht der Bundesanwaltschaft über ihre Tätigkeit im Jahr 2018 an die Aufsichtsbehörde
Vorwort Ich freue mich, den Tätigkeitsbericht 2018 der Bundes- Abschliessend danke ich den zahlreichen Partnerbehör- anwaltschaft (BA) vorlegen zu können. Der Bericht um- den der BA beim Bund und in den Kantonen für die gute fasst insbesondere die jährliche Berichterstattung zuhan- Zusammenarbeit sowie den Mitarbeitenden der BA für den der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft ihren Einsatz. (AB-BA), deren aufsichtsrechtlichen Weisungen er Rech- nung trägt. Michael Lauber, Im Kerngeschäft der BA konnten im Berichtsjahr Bundesanwalt verschiedene, mitunter ältere Verfahren zu einem Ab- schluss gebracht werden. Die Bearbeitung grosser Ver- Bern, im Januar 2019 fahrenskomplexe im Rahmen von sog. Task Forces (Verfahrensteams) hat sich bewährt. Das Umfeld der Strafverfolgung verändert sich, die Anzahl (komplexer) Strafverfahren wird voraussichtlich weiter ansteigen. Bei gleichzeitig stagnierenden Ressourcen sind die Bünde- lung der Kräfte und eine systematische Weiterentwick- lung der BA unverzichtbar, um ihre Handlungsfreiheit zu wahren. Verschiedene Bereiche der Strafverfolgung haben sich zwischenzeitlich zu eigentlichen Verbundaufgaben von Bund und Kantonen entwickelt. Im Bereich der Ter- rorismusbekämpfung hat sich die operative Koordinati- onsplattform TETRA etabliert. Weiter wurde im Berichts- jahr von mehreren Behörden die gemeinsame Plattform «Cyberboard» lanciert, um die Cyberkriminalität auf stra- tegischer und operativer Ebene koordiniert, gebündelt und einheitlich zu bekämpfen. Organisatorisch hat die BA im Berichtsjahr beharr- lich an der Stärkung ihrer Führungs- und Steuerungs- strukturen (Governance) gearbeitet. Ferner befasste sich die BA intensiv mit dem Thema digitale Transformation: So können durch den Einsatz spezialisierter Softwarelö- sungen vormals manuelle Arbeitsvorgänge standardi- siert und automatisiert werden, um insbesondere kom- plexe Verfahren mit grossen Datenmengen administrativ effizienter zu bewältigen. Einen weiteren organisatori- schen Schwerpunkt bildeten im Berichtsjahr die Vorbe- reitungsarbeiten zum 2019 anstehenden Umzug ins neue Verwaltungszentrum G1. Im Gesetzgebungsbereich sind zwei wichtige Vor- lagen hervorzuheben: Die erste betrifft die Stärkung des rechtlichen Instrumentariums zur Bekämpfung der orga- nisierten Kriminalität und des Terrorismus, die zweite die Änderung der Strafprozessordnung. Die BA stand und steht zu diesen Vorlagen in engem Austausch mit der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz (SSK) und der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirek- torinnen und -direktoren (KKJPD). Die BA blickt auf ein intensives Jahr zurück. Der vorliegende Bericht dokumentiert in Auszügen, wie viel- fältig die von der BA wahrgenommenen gesetzlichen Aufgaben sind.
Inhalt Einleitung 1 Stellung und gesetzlicher Auftrag der Bundesanwaltschaft (BA) 4 2 Internationale Zusammenarbeit 4 3 Nationale Zusammenarbeit 6 4 Allgemeine Hinweise an den Gesetzgeber und Rechtsfragen 9 Interview Interview mit dem Bundesanwalt 12 Operative Tätigkeit 1 Strategie 2016 – 2019 16 2 Zentrale Eingangsbearbeitung der BA (ZEB) 16 3 Bekämpfung der Cyberkriminalität 17 4 Fälle im Interesse der Öffentlichkeit 18 5 Ermächtigungsdelikte 22 6 Urteilsvollzug 23 Administrative Tätigkeit 1 Rechtliche Grundlagen für die Organisation 26 2 Generalsekretariat 26 3 Einsatz von Finanz- und Sachmitteln: Rechnung 2018 28 4 Allgemeine Weisungen 28 5 Code of Conduct 29 6 Personalwesen 29 7 Organigramm 30 8 Belastung der einzelnen Abteilungen 31 Reporting Zahlen und Statistiken 34 (Reporting per 31. Dezember 2018)
1 Stellung und gesetzlicher 2 Internationale Zusammenarbeit Auftrag der Bundesanwaltschaft (BA) 1.1 Stellung der BA (organisatorisch) 2.1 GAFI 1 Die BA ist gemäss Art. 7 des Strafbehördenorganisati- Die BA ist als Expertin in die schweizerische Arbeits- onsgesetzes (StBOG, SR 173.71) die Staatsanwaltschaft gruppe eingebunden, die unter der Leitung des Staats- des Bundes. Sie steht unter der Gesamtverantwortung sekretariats für internationale Finanzfragen (SIF) an den des Bundesanwalts, der von der Bundesversammlung Arbeiten der GAFI teilnimmt. In diesem Zusammenhang gewählt wird und über umfassende Organisations- und analysiert die BA die zahlreichen Dokumente, die von Führungskompetenzen verfügt. Der Bundesanwalt hat den Arbeitsgruppen der GAFI erstellt werden; sie ver- zwei Stellvertreter, welche ebenfalls von der Bundesver- fasst Stellungnahmen und formuliert Vorschläge ge- sammlung gewählt werden und im Vertretungsfall alle stützt auf ihre Erfahrungen in ihrem Kompetenzbereich, Befugnisse des Bundesanwalts haben. Die Wahl der der Strafverfolgung der Geldwäscherei und der Terroris- übrigen Staatsanwälte und die Anstellung aller weiteren musfinanzierung. Mitarbeitenden obliegen dem Bundesanwalt. Er ist ei- 2018 führte die Schweiz die Umsetzung der Emp- genständiger Arbeitgeber nach Bundespersonalrecht. fehlungen der GAFI zu den Schwachstellen fort, die im Die BA unterliegt der ungeteilten Aufsicht einer Rahmen der 2016 abgeschlossenen Länderprüfung der ebenfalls von der Bundesversammlung gewählten Auf- vierten Evaluationsrunde identifiziert worden waren. Die sichtsbehörde (AB-BA; Art. 23 ff. StBOG). BA setzte insbesondere die Überprüfung und Optimie- rung der Statistiken fort, die für die Evaluation auf Ebene 1.2 Gesetzlicher Auftrag (operativ) der BA und der kantonalen Staatsanwaltschaften zu Als Staatsanwaltschaft des Bundes ist die BA zuständig führen sind, sowie die Koordination und Sensibilisierung für die Ermittlung und Anklage von Straftaten im Bereich der Kantone für die Empfehlungen der GAFI. der Bundesgerichtsbarkeit, wie sie in Art. 23 und 24 der Die BA nahm darüber hinaus an den Arbeiten der Strafprozessordnung (StPO, SR 312.0) sowie in beson- «Interdepartementalen Koordinationsgruppe zur Be- deren Bundesgesetzen aufgeführt werden. kämpfung der Geldwäscherei und der Terrorismusfi- Einerseits handelt es sich dabei um klassische nanzierung» (KGGT) und deren Arbeitsgruppen teil, die Staatsschutzdelikte, also Straftaten, die sich vornehm- im Auftrag des Bundesrats und unter der Leitung des lich gegen den Bund richten oder dessen Interessen SIF die Identifikation und Beurteilung der Geldwäsche- stark berühren. Andererseits handelt es sich um die rei- und Terrorismusfinanzierungsrisiken in der Schweiz Strafverfolgung komplexer interkantonaler bzw. interna- sicherstellen und mit welchen der Bundesrat die ent- tionaler Fälle von organisierter Kriminalität (einschliess- sprechende GAFI-Empfehlung zur nationalen Risikobe- lich Terrorismus und dessen Finanzierung), Geldwä- urteilung umsetzt. scherei und Korruption. Im Rahmen einer fakultativen In diesem Kontext beteiligte sich die BA insbeson- Bundeskompetenz befasst sich die BA mit Fällen von dere an der Ausarbeitung eines im Juni 2018 veröffent- Wirtschaftskriminalität gesamtschweizerischer oder in- lichten Berichts über Geldwäschereirisiken bei juristi- ternationaler Ausprägung. Schliesslich gehört auch der schen Personen2 sowie zweier weiterer Berichte zum Vollzug von Rechtshilfegesuchen ausländischer Straf- Risiko der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung verfolgungsbehörden zu den Aufgaben der BA. durch Krypto-Assets und Crowdfunding3 und zum Geld- wäschereirisiko bei Bargeldverwendung.4 2.2 GRECO 5 In ihrem im Frühling 2017 publizierten Bericht über die vierte Evaluation der Schweiz formulierte die Greco zwei Empfehlungen, welche die Tätigkeit der BA betrafen. Die BA hatte zum einen die Arbeiten zur Festlegung von Standesregeln für die Staatsanwälte und Mitarbeitenden 1 Groupe d’Action financière (Arbeitskreis Massnahmen zur Geldwäschebekämpfung). 2 www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/52564.pdf 3 www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/55111.pdf 4 www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/55177.pdf 5 Groupe d’Etats contre la corruption (Staatengruppe gegen Korruption). 4 Einleitung
der BA abzuschliessen. Zum andern hatte sie Massnah- Schliesslich erachtet die OECD eine systematischere men zur Aufbewahrung von Daten über allfällige, gegen Veröffentlichung von Strafbefehlen im Bereich der inter- Staatsanwälte eröffnete Disziplinarverfahren zu treffen nationalen Korruption als sinnvoll. und die Modalitäten einer eventuellen Veröffentlichung Die Schweiz wird der OECD im März 2020 über der diesbezüglichen Praxis unter Wahrung der Anony- die Umsetzung der Empfehlungen schriftlich Bericht mität in Betracht zu ziehen. erstatten. Der Follow-up-Prozess zur Überprüfung der Um- setzung der im erwähnten Bericht formulierten Empfeh- 2.4 Genocide Network 7 lungen begann 2018 und sollte im Frühling 2019 abge- Die BA nahm im Berichtjahr am 24. und 25. Treffen des schlossen sein. Die BA erachtet, die sie betreffenden Europäischen Genocide Network in Den Haag teil. Die- Empfehlungen umgesetzt zu haben, indem sie am 1. Juli ses Netzwerk setzt sich aus Praktikern von Staatsan- 2017 ihren Code of Conduct erliess, der im Herbst 2017 waltschaften, Justiz- und Polizeibehörden auf dem Ge- auf ihrer Internetseite veröffentlicht wurde, und indem biet des Völkerstrafrechts zusammen und bietet den sie ihrem Tätigkeitsbericht eine neue Rubrik hinzugefügt Teilnehmern aus EU-Ländern und Beobachterstaaten hat, die allfälligen, gegen Staatsanwälte geführten Dis- (darunter die Schweiz) die Gelegenheit, sich fachspezi- ziplinaruntersuchungen gewidmet ist. fisch weiterzubilden und Erfahrungen auszutauschen. Thematisiert wurden an den Treffen im Berichtsjahr u.a. 2.3 OECD 6 die Sammlung, Analyse, Aufbewahrung und Verwen- Im März 2018 fand bei der OECD in Paris die Bespre- dung von Open-Source-Informationen in Völkerstraf- chung des Prüfberichts der Phase-4-Länderprüfung rechtsverfahren, Völkerstrafrechtsverbrechen gegen die statt. Vorgängig war durch Experten zweier Vertrags- Jesiden sowie das sekundäre Trauma als Gesundheits- staaten und den Experten der OECD aufgrund der Be- risiko für Vertreter der Strafverfolgungsbehörden und antwortung eines umfassenden Fragekatalogs sowie Übersetzer, die auf dem Gebiet des Völkerstrafrechts einer Vorort-Überprüfung ein Berichtsentwurf verfasst arbeiten. Weitere Themen waren die Initiative für ein worden, zu welchem die Schweiz Stellung genommen neues internationales Rechtshilfeinstrument für Völker- hatte. Als zuständige Strafverfolgungsbehörde im Be- strafrechtsverbrechen, die SIRIUS-Plattform und das reich der internationalen Korruption war die BA sowohl Analyseprojekt AP CIC von Europol, welches Mitglied- an der Beantwortung des Fragekatalogs als auch an der staaten, Drittstaaten und Organisationen bei der Verfol- Stellungnahme zum Berichtsentwurf beteiligt. Unter der gung von Völkerstrafrechtsverbrechen unterstützen soll. Leitung des Bundesanwalts nahm die BA zudem an der Überdies konnten sich die Vertreter der Strafver- Besprechung des Berichts im Plenum der Working folgungsbehörden im Rahmen von ausschliesslich ihnen Group on Bribery teil. An der offen und positiv geführten vorbehaltenen Sitzungen zwecks Sicherstellung einer Diskussion im Plenum wurden verschiedene für die vernetzten und koordinierten Verfolgung von Völkerstraf- Schweiz bedeutsame Punkte behandelt. Die Voten der rechtsverbrechen austauschen. Schweizer Delegation flossen in den Bericht ein. Die OECD würdigt die Zunahme der Verurteilungen 2.5 Teilnahme an der 23. Jahreskonferenz der IAP 8 von Personen und Unternehmen wegen Bestechung Die Jahreskonferenz der IAP, welche vom 9. bis 13. fremder Amtsträger, das proaktive Vorgehen der Schweiz September 2018 in Johannesburg stattfand, wurde von bei der Beschlagnahme und Einziehung unrechtmässig der Nationalen Strafverfolgungsbehörde Südafrikas erworbener Vermögenswerte sowie die Zusammenar- organisiert. beit mit dem Ausland im Rahmen der Rechtshilfe. Sie Die diesjährige Konferenz behandelte als Haupt- würdigt insbesondere, dass die Schweiz seit 2012 sechs thema «Die Unabhängigkeit der Strafverfolgung – Eck- Personen und fünf Unternehmen wegen Bestechung pfeiler der Gerechtigkeit für die Gesellschaft» und die fremder Amtsträger verurteilt hat. Gleichzeitig fordert die damit zusammenhängenden Themen Politik und Unab- OECD strengere Sanktionen gegen Unternehmen und hängigkeit der Strafverfolgung, Verwaltung von Straf- natürliche Personen sowie den Schutz von Whistleblo- verfolgungsdiensten zwischen Verantwortlichkeit und wern auch im Privatsektor. Weiter soll die laufende Re- individueller Autonomie, Schutz des Staatsanwalts und vision im Bereich der Rechtshilfe abgeschlossen werden. 7 European Network of contact points in respect of persons res- 6 Organisation for Economic Co-operation and Development ponsible for genocide, crimes against humanity and war crimes. (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). 8 International Association of Prosecutors. Einleitung 5
3 Nationale Zusammenarbeit unabhängige Strafverfolgung sowie Vertrauen der Öf- 3.1 Bundesamt für Polizei (fedpol) fentlichkeit. Weiter wurden im Rahmen von Workshops Die Zusammenarbeit mit fedpol kann auf allen Ebenen und Sitzungen von Interessengruppen Themen wie In- als gut bezeichnet werden. Namentlich die Abläufe zwi- ternationale Strafjustiz, berufliche Standards der Staats- schen der BA und der Bundeskriminalpolizei (BKP), dem anwälte in den verschiedenen Verfahrensphasen, Men- Bundessicherheitsdienst (BSD), aber auch der Melde- schenhandel, Cybercrime und Umweltverbrechen vertieft stelle für Geldwäscherei (MROS) haben sich etabliert. erörtert. Darüber hinaus hatten die mehr als 400 Teil- Für die Zukunft geht es im Rahmen des Programms nehmer aus 90 Staaten die Gelegenheit, sich fachlich «Joining Forces» (JF) darum, jene Prozesse einheitlich zu und persönlich auszutauschen und dadurch das eigene gestalten, welche im Zusammenwirken verschiedener Kontaktnetz zu erweitern. Zudem fand eine Sitzung des Bereiche von fedpol, der BA bis hin zum Bundesstrafge- «Executive Committee» der IAP statt, in welchem der richt eine Rolle spielen. Damit soll namentlich eine Stan- Bundesanwalt Einsitz hat. dardisierung der Abläufe und der unausweichlichen Di- Im Vorfeld zur Konferenz der IAP nahm die BA gitalisierung erreicht werden. In diesem Kontext nimmt überdies am thematischen Treffen und an der General- der Steuerungsausschuss Ressourcen (SAR) als Schnitt- versammlung der «Association internationale des procu- stelle zwischen BA und BKP eine wichtige Aufgabe reurs et poursuivants francophones» (AIPPF) teil. wahr, indem er die im Programm JF erzielten Zwischen- ergebnisse validiert. Insofern wirkt der SAR – ergänzend zu seinem bisherigen Pflichtenheft – als qualitätssichern- des Organ sowie als Bindeglied zwischen den gemein- samen Entwicklungsarbeiten im Programm JF und den Tätigkeiten im Kerngeschäft von BA und BKP. 3.2 Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Auch im Berichtsjahr war die Zusammenarbeit mit dem NDB gut. Die Umsetzung der Empfehlungen der Ge- schäftsprüfungsdelegation gemäss deren Bericht «Ins- pektion als Folge der Verhaftung einer ehemaligen Quelle des NDB in Deutschland» vom 13. März 2018 (BBl 2018 5045) läuft. Im Bereich der Terrorismusbekämpfung konnten laufende Verfahren über die operative Koordinations- plattform TETRA (TErrorist TRAcking) zeitnah koordiniert bzw. optimiert werden. 3.3 Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) Die BA begrüsst die gute Zusammenarbeit mit der FINMA in Fällen von Geldwäscherei und Börsendelikten. Insbe- sondere die Börsendelikte sind Gegenstand regelmässi- ger Koordinationssitzungen zwischen den Spezialisten der BA und der FINMA, an denen ein behördlicher Aus- tausch über Untersuchungsmassnahmen, Fortschritte und Ergebnisse der beidseitigen Verfahren stattfindet. Generell konnte die Zusammenarbeit nochmals optimiert und erleichtert werden, indem in beiden Behörden ein Single Point of Contact eingerichtet wurde. 3.4 Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) Die ESTV und die BA intensivieren ihre Zusammenarbeit weiter, um Synergien zu nutzen, die ihre Tätigkeitsberei- che bieten. Bei den Ermittlungen der BA werden mitunter steuerrechtliche Unregelmässigkeiten festgestellt (z.B. natürliche Person, die nicht ihr gesamtes Einkommen 6 Einleitung
versteuert oder nicht ausgewiesen hat, dass sie die Kri- nachdem das BJ das Verfahren für die nationale und terien eines professionellen Effektenhändlers erfüllt; im internationale Aufteilung (sharing) abgeschlossen hat. Ausland besteuerte Gesellschaft mit tatsächlicher Ver- waltung in der Schweiz). Solche Fälle kann die BA bei 3.6 Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK) den zuständigen Steuerbehörden anzeigen. Umgekehrt Der Bundesanwalt ist Vizepräsident der SSK. Die aktive können laufende Steuerverfahren Verhaltensweisen ans Mitarbeit in der SSK ist der BA wichtig, denn die SSK Licht bringen, die Gegenstand eines Strafverfahrens der fördert die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehör- BA bilden können. den der Kantone und des Bundes. Sie bezweckt insbe- In dieser Hinsicht konnte die Feststellung relevanter sondere den Meinungsaustausch zwischen den Straf- Sachverhalte erleichtert und die Zusammenarbeit zwi- verfolgungsbehörden der Kantone untereinander und schen beiden Behörden optimiert werden, indem ein mit denjenigen des Bundes sowie die Koordination und Single Point of Contact eingerichtet wurde, der als Bin- Durchsetzung gemeinsamer Interessen. Die SSK för- deglied zwischen der Abteilung Strafsachen und Unter- dert eine einheitliche Praxis und damit Rechtssicherheit suchungen der ESTV und der BA fungiert. im Bereich des Straf- und Strafprozessrechts. Sie nimmt namentlich Stellung zu Gesetzgebungsvorhaben 3.5 Eidgenössisches Departement für auswärtige des Bundes, erlässt Empfehlungen und nimmt Einfluss Angelegenheiten (EDA) auf die Meinungsbildung in Fragen des Straf- und Straf- Die Strafprozessordnung überträgt der BA die Verfah- prozessrechts sowie verwandter Gebiete. rensführung in Fällen mit überwiegendem Auslandbe- Erwartungshaltung und Umfeld sind in den letzten zug, namentlich in den Bereichen Geldwäscherei und Jahren (auch) für die SSK komplexer geworden: Der Takt internationale Korruption. Dies bedeutet, dass zahlrei- von Gesetzesrevisionen oder neuer Vorlagen ist gestie- che Beweise in anderen Ländern erhoben werden müs- gen. Faktische Verbundaufgaben von Bund und Kanto- sen, was notwendigerweise über die Mechanismen der nen müssen koordiniert bewältigt werden (z.B. Cyber- internationalen Rechtshilfe in Strafsachen erfolgt. Die kriminalität). Die SSK ist gehalten, Schritt zu halten und Organisation von Arbeitssitzungen mit den zuständigen sich als Fachorgan zu positionieren. Von der Öffentlich- ausländischen Strafverfolgungsbehörden ist unentbehr- keit wird erwartet, dass sie als einheitliche Stimme der lich, um die bestmögliche Koordination der Verfahren Staatsanwaltschaften kompetent und verlässlich Aus- sicherzustellen. Nach Auffassung der BA sind die Be- kunft geben kann. In einem anspruchsvollen fachlichen hörden jener Länder am besten in der Lage, solche Ver- sowie politischen Umfeld hat die SSK die Sache der brechen zu verfolgen, in denen der jeweilige Handlungs- unabhängigen Strafverfolgung zu vertreten. Diese Her- schwerpunkt liegt. Ziel der BA ist insbesondere die ausforderungen verlangen, dass sich die SSK weiter- Verfolgung der natürlichen oder juristischen Personen, entwickelt und ihre Strukturen professionalisiert. Die BA die in der Schweiz gehandelt haben, und damit der unterstützt die zukunftsgerichtete Weiterentwicklung Schutz der Integrität des schweizerischen Finanzplatzes. der SSK. In Fällen mit Bezug zu nicht europäischen Rechts- Im Berichtsjahr hatte das Bundesamt für Verkehr ordnungen nutzt die BA regelmässig die Dienste der bei der BA und bei der Staatsanwaltschaft Bern-Mittel- schweizerischen Botschafter oder diplomatischen Ver- land Strafanzeige eingereicht wegen mutmasslich zu tretungen, um ihr die Kontaktaufnahme mit den auslän- hoher Subventionsbezüge bei der Post Auto Schweiz AG. dischen Strafverfolgungsbehörden zu erleichtern. Ge- Nach Prüfung des angezeigten Sachverhalts und einem mäss Art. 3 der Rechtshilfeverordnung spielt das EDA fachlichen Austausch kamen die BA wie auch die Ge- auch in Fällen von politischer Bedeutung eine wichtige neralstaatsanwaltschaft des Kantons Bern zum Schluss, Rolle. In solchen Fällen holt das Bundesamt für Justiz dass die in der Strafanzeige geltend gemachten, mut- (BJ) nach Eingang eines ausländischen Rechtshilfeer- masslichen Widerhandlungen unter das Verwaltungs- suchens in Strafsachen die Stellungnahme des EDA ein. strafrecht fallen und weder die nationale noch die kan- Und schliesslich kann das EDA im Zusammenhang mit tonale Strafverfolgungsbehörde für die Untersuchung Einziehungsentscheiden der eidgenössischen Gerichte eines mutmasslichen Subventionsbetrugs zuständig ist. und der BA in analoger Anwendung der Vorschriften des 5. Abschnitts des Bundesgesetzes über die Sper- 3.7 Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle rung und Rückerstattung unrechtmässig erworbener (SUST) Vermögenswerte (SRVG; SR 196.1) damit betraut wer- Die Untersuchungen der SUST erfolgen mit dem Ziel der den, die Modalitäten der Rückerstattung eingezogener Förderung der Flugsicherheit. Ihre Abklärungen fokus- Vermögenswerte an ausländische Staaten festzulegen, sieren auf die Aufklärung des Unfallherganges und damit Einleitung 7
auch auf objektive und subjektive Tatsachen im Zusam- zur Bekämpfung der Cyberkriminalität einsetzt, erörtern menhang mit Sicherheitsdefiziten im Luftfahrtsystem. und koordinieren Cyber-Spezialisten in einem zweiten Wenn parallel zur Untersuchung der SUST ein Strafver- Gremium operative Fragestellungen und Vorgehenswei- fahren geführt wird, ist die Koordination zwischen SUST sen. Für das operative Gremium hat jeder Kanton eine und BA insbesondere in der Anfangsphase, in welcher Staatsanwältin / einen Staatsanwalt als Single Point of sich die Interessen der beiden Behörden decken, un- Contact nominiert. Auf polizeilicher Ebene bilden fedpol abdingbar. Die Zusammenarbeit der BA mit der SUST und das polizeiliche «Netzwerk Ermittlungsunterstüt- funktioniert gut und kann beispielhaft am folgenden zung digitale Kriminalitätsbekämpfung» wichtige Mitglie- Ereignis dargelegt werden: der des Cyberboards. Am 4. August 2018 stürzte ein Flugzeug vom Typ Die BA hat gemeinsam mit fedpol das Konzept Junkers JU-52 an der Westflanke des Piz Segnas ab. Cyberboard erarbeitet. Der BA kommt in der Umsetzung Dabei kamen alle 20 Flugzeuginsassen ums Leben. des Cyberboards nach wie vor eine tragende Rolle zu, Dank des ausserordentlichen Einsatzes aller beteiligten indem sie sowohl die Sitzungen für das strategische als Behörden und Organisationen konnten die Bergungs- auch für das operative Gremium organisiert und koor- arbeiten drei Tage nach dem Unfall abgeschlossen wer- diniert. Das Cyberboard wird fortlaufend weiterentwi- den. Sämtliche Opfer des Flugzeugabsturzes konnten ckelt und mit der zweiten nationalen Strategie zum innert fünf Tagen durch Spezialisten des Instituts für Schutz vor Cyber-Risiken 2018–2022 abgestimmt. So- Rechtsmedizin der Universität Zürich und der Organi- mit kann das Cyberboard die Strafverfolgung weiter sation Disaster Victim Identification Schweiz formell iden- stärken und die Zusammenarbeit mit Cybersicherheit tifiziert werden. Die Zusammenarbeit mit den involvierten und Cyberabwehr fördern. Behörden und Organisationen (Kantonspolizei Graubün- den, SUST, Feuerwehr, Rega, Luftwaffe, Schweizer Al- pen-Club, Zivilschutz, Care Team Grischun, Gemeinde Flims, Amt für Natur und Umwelt des Kantons Graubün- den) funktionierte reibungslos. Die strafrechtlichen Abklärungen der BA wurden bzw. werden parallel und in enger Koordination mit der SUST durchgeführt, welche im Rahmen einer Sicher- heitsuntersuchung die Unfallursache abklärt. Die Unter- suchungen dauern an. 3.8 Cyberboard Die Cyberkriminalität kennt keine territorialen Grenzen und verändert sich ständig und schnell. Dementspre- chend ist die Bekämpfung der Cyberkriminalität eine Verbundaufgabe aller in der Strafverfolgung tätigen Be- hörden des Bundes und der Kantone. Ziel der Strafver- folgung ist es, die schweizweite Durchsetzung des na- tionalen Rechts im Cyberraum gemeinsam zu fördern. Die Schweiz benötigt für die Strafverfolgung eine gemeinsame Plattform, um Cyberkriminalität auf strate- gischer und operativer Ebene koordiniert, gebündelt und einheitlich zu bekämpfen. Anfang 2018 lancierten daher mehrere Behörden gemeinsam das Cyberboard, welches alle relevanten Akteure der Cybercrime-Be- kämpfung, d.h. sowohl kantonale und nationale Straf- verfolgungsbehörden als auch Vertreter der Prävention (z.B. die Melde- und Analysestelle Informationssiche- rung MELANI und die Schweizerische Kriminalpräven- tion) zusammenbringt. Während sich ein strategisches Steuerungsorgan des Cyberboards für geeignete Rahmenbedingungen 8 Einleitung
4 Allgemeine Hinweise an den Gesetzgeber und Rechtsfragen 4.1 Änderung der StPO welche die Verfahren oft monatelang blockiert und Zu Beginn des Berichtsjahres nahm die BA im Rahmen damit die Auffindung inkriminierter Vermögens- der Vernehmlassung zur Änderung der StPO Stellung werte und die Sicherstellung von Beweisen verhin- und adressierte folgende Kernanliegen:9 dert, einzuschränken. • Einführung einer generellen Bundeskompetenz für • Schaffung der Möglichkeit einer aufgeschobenen die Verfolgung aller Straftaten, die sich gegen völ- Anklageerhebung bei Strafverfahren gegen Unter- kerrechtlich geschützte Personen sowie Räumlich- nehmen, d.h. einer aussergerichtlichen Einigung, keiten, Archive oder Schriftstücke diplomatischer nach welcher einstweilen auf eine Anklageerhebung Missionen und konsularischer Posten richten. verzichtet wird und das Verfahren nach einer Be- • Entlastung der BA von Bagatelldelikten im Spreng- währungszeit eingestellt wird, wenn das Unterneh- stoffbereich (Anschläge auf Robidog-Behälter, men alle vereinbarten Verpflichtungen erfüllt (hat). Briefkästen, Parkuhren usw.) zwecks Konzentra- • Streichung der Rechtsmittelkompetenz der BA in tion der BA auf ihre Kernaufgaben. Art. 381 Abs. 4 StPO, da für die BA kein Anlass • Prüfung einer gesetzlichen Grundlage, die eine besteht, in Strafverfahren einzugreifen, die kanto- Übertragung der Strafverfolgung an die BA auf Er- naler Gerichtsbarkeit unterliegen. suchen des Bundesrats ermöglichen würde in kom- plexen, eine unabhängige Untersuchung ausser- 4.2 Anpassung der Zuständigkeitsregelung im halb der Bundesverwaltung erfordernden Fällen aus Luftfahrtgesetz (LFG) dem Bereich des Verwaltungsstrafrechts (wie je- Die BA begrüsst grundsätzlich das Bestreben der Mo- nem um die Post Auto Schweiz AG, vgl. S. 7 Ziff. 3.6). tion Candinas 18.3700 10, die strafrechtliche Zuständig- • Ausgestaltung der Teilnahmerechte an Einvernah- keit bei Flugunfällen einheitlich dem Bund zu übertragen. men gemäss Europäischer Menschenrechtskon- Aus Sicht der BA wäre Art. 98 Abs. 1 LFG (SR 748.0) vention (EMRK) und zugehöriger Rechtsprechung, hierzu wie folgt anzupassen: «Die an Bord eines Flug- indem jedermann, der in einem Strafverfahren be- zeuges begangenen strafbaren Handlungen sowie die schuldigt wird, das Recht hat, mindestens einmal am Boden begangenen strafbaren Handlungen, die zu während des Verfahrens mit Belastungszeugen einem Flugunfall oder einem schweren Vorfall geführt konfrontiert zu werden und Fragen zu stellen. haben, unterstehen unter Vorbehalt von Absatz 2 der • Ausgestaltung der Teilnahmerechte der Privatkläger Bundesstrafgerichtsbarkeit.» an Einvernahmen, indem diese das Recht haben, Abklärungen eines Unfallhergangs oder der Ursa- sich mindestens einmal im Verfahren äussern und chen eines schweren Vorfalls sind in der Regel kompli- Fragen stellen zu können, wobei der Anspruch auf ziert und aufwendig. Das Gericht kann zwar die Unter- rechtliches Gehör schriftlich gewahrt werden kann. suchungsergebnisse der SUST (vgl. S. 7 Ziff. 3.7) beiziehen. • Schaffung einer Möglichkeit, in Strafuntersuchun- Deren Erkenntnisse strafrechtlich zu bewerten, erfor- gen mit einer Vielzahl von Privatklägern Mitteilun- dert jedoch profundes Spezialwissen im Bereich der gen an Privatkläger und Rechtsbeistände mit Wohn- Aviatik. Aufgrund der geltenden Zuständigkeitsordnung sitz, gewöhnlichem Aufenthalt oder Sitz im Ausland kann eine entsprechende Strafuntersuchung in irgend- ausschliesslich an das von ihnen bezeichnete Zu- einem Kanton anfallen, was die Akkumulation von Ex- stellungsdomizil in der Schweiz machen zu können. pertenwissen und die Schaffung einer einheitlichen Ur- • Festhalten am Strafbefehlsverfahren, das sich in teilspraxis erschwert. Die vorgeschlagene, einheitliche der Praxis bewährt hat, eine hohe Akzeptanz ge- Verfolgung von auch am Boden begangenen strafbaren niesst und dessen Rechtsstaatlichkeit gegeben ist, Handlungen, die zu einem Flugunfall oder schweren Vor- da jeder Entscheid und jede Verfahrenshandlung fall geführt haben, durch die Strafbehörden des Bundes, der Staatsanwaltschaft angefochten bzw. mittels bietet den Vorteil, dass entsprechendes Sachwissen Einsprache gegen den Strafbefehl dessen gericht- und die hierfür nötigen Ressourcen zentral aufgebaut liche Überprüfung mit voller Kognition erwirkt wer- werden können. Gleichzeitig bleibt sichergestellt, dass den kann. Übertretungen weiterhin durch das Bundesamt für Zivil- • Prüfung einer Möglichkeit, die Siegelung zu durch- luftfahrt (BAZL) verfolgt und beurteilt werden. suchender Aufzeichnungen und Gegenstände, 9 Die vollständige Stellungnahme der BA ist erhältlich unter www.admin.ch/ch/d/gg/pc/documents/2914/Organisationen_ 10 www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/ Teil_1.pdf, S. 22 ff. geschaeft?AffairId=20183700. Einleitung 9
4.3 Streichung der Parteistellung der BA in Hintergrund dieses Falles ist die Privatisierung der Wirt- Verwaltungsstrafverfahren schaft in der Tschechischen Republik, wo den fünf Be- Der BA kommt im Verwaltungsstrafrecht (Art. 24 und 74 schuldigten zwischen Ende 1996 und 1998 die Über- Abs. 1 VStrR; SR 313.0) Parteistellung zu, obwohl sie – nahme der Mehrheit der Aktien der Gesellschaft MUS, im Gegensatz zur zuständigen Verwaltung – weder an eines der grössten Energieunternehmen des Landes, der Untersuchung beteiligt ist noch über die besonde- gelang. Die Beschuldigten, darunter auch Führungs- ren, verwaltungsrechtlichen Fachkenntnisse verfügt. kräfte des Unternehmens, leiteten mehr als USD 150 Mio. Entsprechend nimmt die BA ihre Parteirechte nicht (ak- unrechtmässig auf Konten in der Schweiz, um die 46 % tiv) wahr, zumal die für die Untersuchung zuständige der Aktien zu erwerben, die sich 1998 noch in der Hand Fachbehörde (Verwaltung) über vollumfängliche Fall- der Tschechischen Republik befanden. Letztere wurde kenntnisse und eine eigene Parteistellung verfügt. arglistig veranlasst, sie zu einem Spottpreis an eine Das Finanzmarktaufsichtsgesetz (FINMAG; SR schweizerische Gesellschaft zu verkaufen, die insgeheim 956.1) weist die gerichtliche Beurteilung strafbarer Hand- von den Beschuldigten kontrolliert wurde. Nachdem sie lungen unter den Voraussetzungen von Art. 50 Abs. 2 sich die Gesellschaft MUS angeeignet hatten, erzielten der Bundesgerichtsbarkeit zu. In diesen Fällen überweist die Beschuldigten einen unrechtmässigen, wirtschaftli- das – für die Untersuchungsführung alleine zuständige chen Vorteil von mehr als CHF 1 Mia. und wuschen die- – Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) seine Akten sen durch eine komplexe Finanzstruktur bestehend aus der BA zuhanden des Bundesstrafgerichts. Die Art. 73- zahlreichen Briefkastengesellschaften. 83 VStrR gelten sinngemäss, wodurch der BA in diesen Verfahren, nebst dem EFD, ebenfalls Parteistellung zu- Dieser Fall ist auch rechtlich bedeutsam: kommt. Die BA nimmt ihre Parteirechte nicht (aktiv) wahr, • Das Bundesgericht bestätigte unter anderem die da das befasste EFD über vollumfängliche Fallkennt- Zuständigkeit der schweizerischen Strafverfol- nisse und über eine eigene Parteistellung verfügt. Die gungsbehörden zur Verfolgung der Straftaten, Tätigkeit der BA umfasst somit eine rein administrative derer die Täter schuldig befunden wurden, und «Briefträgerfunktion», d.h. die Weiterleitung der Akten beendete damit eine Streitfrage der Lehre: Die der zuständigen Verwaltung an das Bundesstrafgericht. qualifizierte ungetreue Geschäftsbesorgung ist – Die Rolle der BA in diesen Verfahren beschränkt ebenso wie der Betrug und die Veruntreuung – ein sich auf die Kenntnisnahme entsprechender Postein- Delikt mit einem doppelten Erfolg, und einer da- gänge bzw. den Versand verfahrensbezogener Unterla- von war in der Schweiz, dem Ort der Bereiche- gen sowie die Verwaltung der betreffenden Ablage. Die rung der Täter, eingetreten. Parteistellung der BA bringt demnach keinerlei Mehrwert, • Das Bundesgericht folgte überdies dem Antrag bindet bei der BA lediglich unnötig Ressourcen und ge- der BA, wonach der Tschechischen Republik die neriert Aufwand am Gericht sowie für die Parteien. Stellung einer Geschädigten zuzuerkennen war, Aus Sicht der BA ist ihre im VStrR bzw. FINMAG liess die Frage allerdings offen, ob diesem Land vorgesehene Parteistellung zu streichen. ein Teil der eingezogenen Vermögenswerte zu- rückzuerstatten ist. Diese Frage wird das Bundes- 4.4 Klärung von Rechtsfragen in der Strafuntersu- strafgericht zu einem späteren Zeitpunkt entschei- chung «MUS» den müssen. Der Fall «MUS» fand seinen Epilog in einer Reihe von Bundesgerichtsurteilen vom 22. Dezember 2017,11 die das Urteil des Bundesstrafgerichts von Oktober 201312 zum Grossteil bestätigen. Die Vorwürfe gegen die fünf Hauptbeschuldigten, nämlich Betrug, qualifizierte unge- treue Geschäftsbesorgung, Urkundenfälschung und qualifizierte Geldwäscherei, wurden ebenso bestätigt wie die Einziehungen und Ersatzforderungen. 11 Arrêts du TF 6B_653/2014, 6B_659/2014, 6B_660/2014_, 6B_663/2014, 6B_668/2014, 6B_669/2014, 6B_671/2014, 6B_672/2014, 6B_687/2014, 6B_688/2014, 6B_695/2014. Für eine vollständige Darstellung des Sachverhalts, vgl. Bundes- gerichtsurteil 6B_668/2014. 12 SK.2011.24. 10 Einleitung
Interview
Interview mit dem Bundesanwalt «Die Arbeit in den Verfahren ist und bleibt die grösste Herausforderung» Die Verfahren der BA sind zunehmend komplex und meistens international. Bundesanwalt Michael Lauber ist sich bewusst, dass sich die BA in einem herausfordern- den Umfeld bewegt. Fortschritte in Verfahren wechseln sich mit Rückschlägen ab, und Kritik ist oft lauter als Lob. Michael Lauber, wenn Sie auf die letzten 12 Monate zurückblicken, wie würden Sie das vergangene Jahr auf einer Skala von 1 bis 10 einschätzen? Michael Lauber (ML): Es gab im vergangenen Jahr ge- nauso viele erfreuliche Momente wie es herausfordernde Situationen gab. Also ist es entweder eine zehn im Sinne von: diese Spannungsfelder gehören zur BA. Oder es ist eine fünf im Sinne von: die Spannungsfelder haben sich in etwa die Waage gehalten. Welches war die grösste Herausforderung für die BA? ML: Die Arbeit in den Verfahren. Diese Herausforderung ist und bleibt die grösste Herausforderung für die BA. … und für Sie persönlich? ML: Die Führung der BA. Sie sagen, die erfreulichen Momente und die Heraus- forderungen hielten sich die Waage. Was hat Sie denn am meisten gefreut? ML: Mich hat am meisten gefreut, wie sich alle Mitar- beitenden jeden Tag aufs Neue von der Arbeit motivie- ren und grundsätzlich nicht abschrecken lassen, sich für das Richtige einzusetzen. Bekanntlich ist das Um- feld für die BA nie einfach. Und trotz oder – vielleicht besser – gerade wegen dieses Umfelds motiviert für die Strafverfolgung des Bundes einzustehen, das ver- dient Respekt. Ich wünsche mir, dass sich dieses En- gagement auch im nächsten Jahr fortsetzt und sich alle Mitarbeitenden bewusst sind: nur zusammen geht es. Und wenn Entscheidungen gefragt sind, dann sind diese zu treffen. Zuvor ist jedoch immer eine gute Analyse der zugrundeliegenden Sache vorzunehmen. Im Herbst sorgte die BA gleich mehrfach für Schlagzeilen. Vorwürfe gegenüber einem Kadermitarbeiter führten letztlich zu seinem Abgang und auch Sie selber sahen sich Anschuldigungen ausgesetzt. Waren oder sind deswegen Verfahren gefährdet? ML: Die BA arbeitet mit den ihr zur Verfügung stehen- den rechtlichen Grundlagen in einem herausfordernden Umfeld. Die Verfahrensführung gestaltet sich entspre- chend komplex. Verfahren sind nicht wegen einzelner 12 Interview
Vorkommnisse gefährdet, sondern durch eine nicht ad- Für die BA ist zentral, dass sich die Berufungskammer äquate und laufende Beurteilung des Risikos. aus Richterinnen und Richtern zusammensetzt, die über Zudem war es anspruchsvoll, gegenüber der Öf- praktische Erfahrung in komplexen Strafverfahren ver- fentlichkeit die notwendigen Koordinationstreffen mit fügen und sowohl institutionell als auch in der Sache Verfahrensbeteiligten so einzuordnen, dass deren Wich- unabhängig urteilen können. tigkeit für die komplexen Verfahren der BA zum Aus- druck kommt. Im Verlauf von 2018 wurde mit dem Cyberboard eine neue Plattform zur Bekämpfung der Cyberkriminalität Welche Lehren ziehen Sie aus diesen Vorkommnissen? ins Leben gerufen. Sie waren eine der treibenden ML: Es sind Grundsätze, die gelten: Das Coaching und Kräfte zu deren Lancierung. Sind Sie zufrieden mit Controlling ist zentral für alle Verfahren der BA. Ebenso diesem Projekt? zentral sind die Führung und das gemeinsame Füh- ML: Der BA wurde von verschiedenen wichtigen Per- rungsverständnis. sönlichkeiten in der schweizerischen Strafverfolgungs- landschaft das Vertrauen ausgesprochen, diese Koor- Ein anderes Thema: Die BA bearbeitet einige sehr dinationsplattform zu konzipieren und vorerst auch zu grosse Verfahrenskomplexe wie 1MDB, Petrobras oder führen. Die Motivation aller Beteiligten und das Engage- Fussball. Wann ist die Grenze der ihr zur Verfügung ment für diese Sache waren für mich im laufenden Jahr stehenden Ressourcen erreicht? einer der Höhepunkte. ML: Wie ich bereits vor Jahresfrist in den einschlägigen Die Bekämpfung von Cyberkriminalität ist eine fak- Kommissionen des Parlaments ausführen durfte: die BA tische Verbundaufgabe, in der alle ihre Rolle haben. Und arbeitet zurzeit an ihrer Belastungsgrenze. Optimierun- bereits das Aufbauen dieser Plattform setzte voraus, gen aus eigener Kraft können noch erreicht werden über dass alle Beteiligten ihre Aktivität als einen wichtigen eine Standardisierung wesentlicher Arbeitsabläufe und Beitrag für das Gesamte sehen. Das hat bestens funk- über die Digitalisierung. Im Rahmen der Vorbereitungen tioniert, und deshalb bin ich zufrieden. für den Voranschlag 2020 sind wir daran, unter anderem auch die Arbeitslast auszuwerten. Zum Schluss: Wo wird die BA Ende 2019 stehen? Was sich aus meiner Sicht bis jetzt gut bewährt hat, ML: Die BA wird sich weiter konsolidiert und in verschie- ist die Führung von grossen Verfahrenskomplexen mittels denen Verfahren Fortschritte erzielt haben, und sie wird Task Forces. Diese setzen sich abteilungsübergreifend auch Rückschläge und Kritik einzustecken haben. zusammen aus allen Experten, die jeweils notwendig sind, um die konkreten Themen im Fallkomplex anzugehen. Das Bundesstrafgericht hat 2018 einige zentrale Urteile gesprochen. Welches war für Sie das wichtigste und warum? ML: Es gibt verschiedene Urteile in zentralen juristischen Fragen. Beispielhaft seien folgende zwei Entscheide genannt: Die vorgenommene Abgrenzung zwischen strafloser Sympathiekundgebung und strafbarer Propa- ganda im Umfeld des dschihadistischen Terrorismus und die Zulassung von italienischen Mafia-Kronzeugen als Beweis vor Bundesstrafgericht. Zudem konnten verschiedene wichtige Zwischen- entscheide in unseren komplexen Wirtschaftsstrafver- fahren erwirkt werden. Am 1. Januar 2019 nimmt die neu geschaffene Beru- fungskammer beim Bundesstrafgericht ihre Arbeit auf. Was bedeutet dies für die BA? ML: Die Fälle der BA sind die einzigen Fälle, welche die Berufungskammer zu beurteilen hat. Es ist gut, dass diese Kammer nun endlich ihre Tätigkeit aufnehmen kann. Interview 13
Operative Tätigkeit
1 Strategie 2016 – 2019 2 Zentrale Eingangsbearbeitung der BA (ZEB) Das Umfeld der Strafverfolgung verändert sich. Nach Die ZEB registriert, analysiert und triagiert zentral alle Einschätzung der BA wird die Anzahl (komplexer) Straf- Eingänge, die nicht direkt mit einer bereits eröffneten verfahren weiter ansteigen. Gleichzeitig dürften die Strafuntersuchung in Zusammenhang stehen oder von verfügbaren finanziellen Ressourcen stagnieren. Die dieser unabhängig bearbeitet werden sollen. Es handelt Handlungsfreiheit der BA soll mittels systematischer sich dabei namentlich um Strafanzeigen, Ersuchen um Weiterentwicklung und Bündelung der Kräfte gewahrt Verfahrensübernahme aus den Kantonen und Meldun- werden: gen der MROS. Wenn erforderlich wird ein Eingang ei- • Die operative Führung erfolgt mittels thematisch nem Staatsanwalt oder einem Assistenz-Staatsanwalt gegliederter Deliktsfelder. Die Führungskräfte ver- zur Prüfung übertragen, dessen Antrag für das weitere fügen über Hilfsmittel, welche abteilungsinterne Vorgehen im operativen Ausschuss des Bundesanwalts Steuerungsentscheide ebenso ermöglichen wie (OAB) diskutiert wird. Klare Fälle werden direkt durch die abteilungsübergreifende Priorisierung und Ko- die ZEB erledigt. Dies dient insbesondere der Entlas- ordination der Verfahren. tung der verfahrensführenden Einheiten und der Förde- • Die BA tauscht sich mit fedpol institutionalisiert rung der unité de doctrine innerhalb der BA. über gemeinsame Themen, mögliche Synergien Ein wesentlicher Teil der Aufgaben der ZEB um- und praxisbezogene Lösungsansätze aus. Ge- fasst die administrative Unterstützung im Bereich Be- meinsam werden Grundlagen für die digitale Trans- kämpfung der Cyberkriminalität. So wurden Eingänge formation erarbeitet (vgl. S. 27 Ziff. 2.3). in diesem Bereich (insbesondere Ersuchen um Verfah- • Mit Einführung der softwareunterstützten Aufbe- rensübernahme aus den Kantonen und MROS-Meldun- reitung von Bankeditionsdaten hat die BA in einem gen) vortriagiert, den zuständigen Staatsanwälten zur Teilbereich ihres Arbeitsumfelds eine organisatori- Beurteilung vorgelegt und anschliessend an die eben- sche Optimierung realisiert. Die verstärkte Auto- falls mitwirkende BKP weitergeleitet. Die ZEB übernahm matisierung und Standardisierung der Verarbei- schliesslich auch Abschlussarbeiten in Fällen, welche tung von Bankeditionsdaten unterstützt namentlich abgeschlossen werden konnten. die fokussierte Ermittlungsarbeit der forensischen Insgesamt wurden im Berichtsjahr 1832 Eingänge Finanzanalyse. bearbeitet. Darunter waren 223 Ersuchen um Verfahrens- • Die Aufgaben im Generalsekretariat wurden zu- übernahme; bei 81% von diesen hat der OAB die Bun- gunsten einer Entlastung der verfahrensführenden deskompetenz anerkannt. Ferner wurden 358 MROS- Abteilungen weiter geschärft. Meldungen bearbeitet. Von den Eingängen wurden 1334 in die Abteilungen zur weiteren Bearbeitung weitergelei- tet (darunter 765 Massengeschäfte) und 498 direkt von der ZEB bearbeitet und erledigt (Ablehnung von Ersu- chen um Verfahrensübernahme oder Nichtanhandnahme von Strafanzeigen). 16 Operative Tätigkeit
3 Bekämpfung der Cyberkriminalität Die Staatsanwälte der Cyber-Einheit der Abteilung WiKri Person wird im Rahmen eines niederländischen haben 2018 mehrere Verfahren von Cyberkriminalität Strafverfahrens verfolgt. vorangetrieben, die 2017 an den Standorten Lausanne Internationale Cyberkriminalität erfordert nament- und Zürich eröffnet worden waren: lich eine wirksame grenzüberschreitende Koope- • Eines dieser Verfahren, das nach Übernahme meh- ration und Koordination. Das beschriebene Ver- rerer, in verschiedenen Westschweizer Kantonen fahren ist ein Anschauungsbeispiel dafür, wie eine eröffneter Dossiers eingeleitet worden war, erlaubte international funktionierende Zusammenarbeit zur den Nachweis neuer Fälle von Telefonbetrug, die Identifikation und Strafverfolgung von Cyberkrimi- hauptsächlich Unternehmen betrafen. Die Täter sind nellen führen kann. schwer zu orten, weil sie komplexe Anonymisie- rungstechniken und Voice-over-IP-Kommunikati- Zudem wurde das Konzept der Zentralisierung der Phish- onsdienste nutzen, um sich schweizerische Tele- ing-/Pharming-Fälle bei der ZEB, das seit Anfang 2017 fonnummern anzueignen. Mehrere Staaten leisteten in Kraft ist, angepasst und vereinfacht. Damit wurde der Rechtshilfe; in einem Fall reisten Schweizer Behör- erheblichen Zunahme der administrativen Belastung denvertreter ins Ausland. Die Rechtshilfe ermög- Rechnung getragen und der BKP ermöglicht, die Fälle lichte bedeutende Fortschritte in der Ortung der nach den Cyber-Angriffen jeweils rascher zu analysieren. Täter im Ausland. Auf diese Weise konnten in der Schliesslich hat die neue nationale Plattform Cyber- Schweiz mehrere Betrugsversuche mit Deliktssum- board (vgl. S. 8 Ziff. 3.8) ihre Tätigkeit durch ihr operatives men von mehreren Millionen Franken unterbunden Modul Cyber-CASE aufgenommen. Dessen Mitglieder werden. (Staatsanwälte, Polizisten von Bund und Kantonen, Ver- • Ein weiteres Verfahren beinhaltet zahlreiche Fälle, treter von MELANI und der Prävention) sind seit Juli 2018 in denen E-Banking-Sitzungen umgeleitet wurden, viermal zusammengekommen, um Fälle zu behandeln, indem ein Trojaner auf dem Rechner der Opfer ein- die zahlreiche Kantone betreffen, und um den Mitglie- geschleust wurde. Auch in diesem Verfahren wur- dern zu ermöglichen, Erfahrungen und Kenntnisse in den dank aktiver Rechtshilfe eines Staates, in den diesem besonderen Kriminalitätsbereich auszutauschen. sich die Vertreter der schweizerischen Strafverfol- gungsbehörden begeben hatten, wesentliche Fort- schritte erzielt. Die enge Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden soll die Ortung und Festnahme der im Ausland befindlichen Haupttäter ermöglichen. • Seit Mai 2017 führt die BA ein Strafverfahren we- gen des Verdachts auf betrügerischen Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage. Eine international aktive Gruppierung wird verdächtigt, mittels Spam- E-Mails und Telefonanrufen E-Banking-Daten er- langt und rechtswidrig verwendet zu haben (Voice Phishing). Betroffen sind mitunter Kunden von Fi- nanzinstituten in der Schweiz. Mittels rechtshilfe- weiser Zusammenarbeit mit den Niederlanden konnten die mutmasslichen Täter identifiziert und deren Operationsbasis im Grossraum Rotterdam lokalisiert werden. Mit Unterstützung der niederlän- dischen Strafverfolgungsbehörden, von fedpol und der Koordination durch Eurojust fand am 17. Juli 2018 in den Niederlanden eine Operation statt, bei der zwei Personen verhaftet und Hausdurchsu- chungen durchgeführt wurden. Auf Antrag der BA ersuchte das BJ die niederländischen Justizbe- hörden um Auslieferung jener festgenommenen Person, welche mutmasslich für die Phishing-An- rufe in die Schweiz verantwortlich ist. Die andere Operative Tätigkeit 17
4 Fälle im Interesse der Öffentlichkeit Die Information über die Fälle im Interesse der Öffent- Der NDB teilte der BA im September 2018 die Identität lichkeit erfolgt mit Stand per Ende 2018. einer dritten Person – ebenfalls russischer Staatsange- hörigkeit – mit, die in die Ereignisse von Lausanne ver- 4.1 Strafuntersuchung im Bereich Beamtenkorruption wickelt war. Sehr wahrscheinlich betrieben die drei be- Während über zehn Jahren vergab ein Mitarbeiter der schuldigten Personen, die alle dem GRU angehörten, SBB unrechtmässig mehr als 600 freihändige Aufträge verbotenen politischen Nachrichtendienst im Interesse im Gesamtumfang von ca. CHF 4 Mio. an das Unterneh- der Russischen Föderation. Nachdem das EJPD die men eines Bekannten und führte die Arbeiten – soweit Ermächtigung zur Strafverfolgung nach Art. 66 StBOG diese überhaupt erbracht wurden – in seiner Freizeit aus- erteilt hatte, liess die BA die drei beschuldigten Perso- schliesslich selber aus. Damit erlangte er unrechtmässig nen im RIPOL ausschreiben. Da es sich beim Tatvor- Gelder im Umfang von ca. CHF 2 Mio. und verursachte wurf um ein politisches Delikt handelt, war eine interna- der SBB einen Schaden in gleicher Höhe. Derselbe Be- tionale Ausschreibung nicht möglich. schuldigte erhielt von drei Geschäftsleitungsmitgliedern Weiter eröffnete die BA am 16. März 2017 ein Ver- eines Elektrounternehmens als Gegenleistung für mass- fahren aufgrund des Verdachts auf politischen Nach- gebend beeinflusste Auftragsvergaben nicht gebührende richtendienst im Umfeld der türkischen Diaspora in der Vorteile in Form von Elektrogeräten, Bargeldzahlungen Schweiz gegen ehemalige Mitarbeiter der türkischen und weiteren Zuwendungen im Umfang von mehreren Botschaft in Bern und Unbekannt. Das EDA stellte auf hunderttausend Franken. Die Zuwendungen wurden Anfrage der BA fest, dass die beiden Beschuldigten durch überhöhte Offerten und Rechnungen zulasten der keine diplomatische Immunität geniessen. Sie wurden SBB finanziert. durch die BA national zur Festnahme ausgeschrieben. Im September 2017 erhob die BA Anklage u.a. we- Die Untersuchung wurde sistiert. gen ungetreuer Amtsführung, Sich-Bestechen-Lassens und Bestechens, Vorteilsannahme und Vorteilsgewäh- 4.3 Terrorismusbekämpfung rung sowie (gewerbsmässigen) Betruges. Das Bundes- Die Zahl der Untersuchungen im Bereich der Terroris- strafgericht folgte den Anträgen der BA weitgehend und musbekämpfung blieb 2018 stabil. Der Anreiz der verurteilte die drei Hauptbeschuldigten. Der SBB-Mitar- dschihadistischen Ideologie ist unverändert, was sich beiter wurde zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von in der stabilen Zahl der Verfahren im Zusammenhang mit 36 Monaten und einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen der Nutzung sozialer Medien zu Propagandazwecken verurteilt. Zwei der Geschäftsleitungsmitglieder des zeigt. Es kann festgestellt werden, dass bestimmte Be- Elektrounternehmens wurden zu bedingten Geldstrafen schuldigte, die in den Kampf gezogen sind, enge Kon- im Umfang von 360 bzw. 240 Tagessätzen verurteilt. takte mit der dschihadistischen Szene in der Schweiz Das Gericht bestätigte, dass es sich beim SBB-Mitar- unterhalten. beiter, da er wesentliche öffentliche Aufgaben des Bun- Das Berichtsjahr war geprägt durch die fortge- des wahrnahm, um einen Beamten des Bundes handelte, setzte, enge Zusammenarbeit mit Frankreich. Diesbe- womit Bundeszuständigkeit gegeben war. züglich sind zwei Vereinbarungen über die Bildung ge- Das Urteil gegen den SBB-Mitarbeiter ist rechts- meinsamer Ermittlungsgruppen in Kraft. Dank der ersten kräftig, da er und die BA auf ein Rechtsmittel verzichtet Vereinbarung, die ein 2016 gegen einen Schweizer er- haben. In Bezug auf die Geschäftsleitungsmitglieder öffnetes Verfahren betrifft, konnten Ende 2017 in Frank- des Elektrounternehmens ist es bis Ende 2018 noch reich zehn Personen festgenommen werden, die auf den nicht in Rechtskraft erwachsen. sozialen Netzwerken aktiv waren und insbesondere Pläne für gewalttätige Aktionen verbreiteten. Der schwei- 4.2 Fälle des politischen Nachrichtendienstes zerische Beschuldigte wurde in Frankreich angehalten Gestützt auf einen Amtsbericht des NDB eröffnete die und wird 2019 vor ein französisches Gericht kommen. BA im März 2017 ein Strafverfahren gegen zwei Perso- Ein anderer Fall betraf den Islamischen Zentralrat nen russischer Staatsangehörigkeit und gegen Unbe- Schweiz (IZRS). Dem Verantwortlichen für das «Depar- kannt wegen politischen Nachrichtendienstes. Während tement für Kulturproduktion» des Vereins IZRS wurde einer Konferenz der Welt-Anti-Doping-Agentur in Lau- vorgeworfen, in Syrien Filmaufnahmen mit einem füh- sanne wurde der Rechner eines der Teilnehmer mit der renden Vertreter der verbotenen terroristischen Organi- Spionagesoftware SOFACY infiziert, als er sich im Kon- sation Al-Qaïda hergestellt und die Filmaufnahmen dazu ferenzhotel mit dem WLAN verband. SOFACY ist eine verwendet zu haben, um den Al-Qaïda-Vertreter propa- Software, die vom russischen Militärgeheimdienst (GRU) gandistisch darzustellen. Das Bundesstrafgericht er- benutzt wird. Der Angriff erfolgte im September 2016. kannte, dass solche Handlungen Propaganda für eine 18 Operative Tätigkeit
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