50 Jahre AEEB Evangelische Erwachsenenbildung aktuell und innovativ - Mitteilungsblatt 2015
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50 Jahre AEEB Evangelische E r w a c hs e n e n b il d u n g aktuell und innovativ Mitteilungsblatt 2015 Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern e.V.
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwachsenenbildung in Bayern e. V. (AEEB) Herzog-Wilhelm-Str. 24 80331 München Tel: 0 89 – 5 43 44 77 – 0 Fax: 0 89 – 5 43 44 77 – 25 Mail: landesstelle@aeeb.de www.aeeb.de Mitteilungsblatt der AEEB ISSN 1610-5095 Nr. 1/31. Jahrgang (2015) Redaktion: Dr. Jens Colditz Layout: Bachhuber GmbH grafik- & webdesign Nachdruck mit Quellenangabe bzw. Kürzel AEEB gerne gestattet. (gegen Belegexemplar) 2
Editorial 50 Jahre AEEB Liebe Leserin, lieber Leser, wir feiern ein Jubiläum. Vor 50 Jahren wurde die tiefsten Grund haben in der biblischen Botschaft: Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwach- Gottes Liebe und sein Heil gelten allen Menschen senenbildung in Bayern gegründet. Es war ein und seiner ganzen Schöpfung. Darum engagieren ereignisreiches halbes Jahrhundert mit Aufbruch wir uns für den öffentlichen Verkündigungsauftrag und Konsolidierung, mit Herausforderungen und der Kirche und für ihr Bildungshandeln in der Ge- Klärungen. Dankbar blicken wir vor allem auf die sellschaft.“ Menschen, die mit ihrem großen Engagement, mit Ideen und Kreativität diese Arbeit begleitet haben Mit 50 fängt man gerne etwas Neues an. Erfahrun- und heute gestalten. Die Evangelische Erwachse- gen sind da, man weiß um die Stärken und kann nenbildung zeigt ihre Vielfalt und Lebendigkeit mit den Kräften haushalten. Die Bibel kennt das 50. durch die haupt-, neben- und ehrenamtlichen Mit- Jahr als Jubeljahr, das in eine neue Freiheit führt. arbeiterinnen und Mitarbeiter. 50 Tage nach Ostern feiern wir mit Pfingsten das Kommen des Heiligen Geistes, einen Aufbruch. Der In den 60-er und 70-er Jahren des vergange- aktuelle Innovationsprozess in der Erwachsenen- nen Jahrhunderts gab es einen Aufbruch aus der bildung setzt Weichen für eine Weiterentwicklung. „Bildungskatastrophe“. Mit ihrer Gründung im Vernetzung, Regionalisierung, Service, neue Forma- Dezember 1964 war die AEEB früh dabei. Sie hat te, das sind Schlüsselworte für die Zukunft. bildungspolitische Systemfragen mit gestaltet, die zehn Jahre später zu einem staatlichen Weiterbil- Wie präsentiert sich die Evangelische Erwachse- dungsgesetz in Bayern führten. nenbildung aktuell? Was bewegt Menschen heute? Wo sind wir dran? In dieser Jubiläumsausgabe des Heute ist Bildung in aller Munde. Vieles soll damit Mitteilungsblattes bekommen Sie einen Einblick. gerettet werden: Wohlstand, Erfolg, soziale Sicher- Den Autorinnen und Autoren danke ich für Ihre heit, Migrationsprobleme. Bildung evangelisch hat Beiträge und Ihnen wünsche ich viel Freude beim den Menschen im Blick – in seinem Denken und Lesen. Fühlen, Wissen und Glauben, in seiner Freude und Gebrochenheit, in seiner Nüchternheit und Empa- thie. In Zeiten der Pluralisierung und Orientierungs- Ihr suche hat lebensbegleitendes Lernen an Bedeutung gewonnen; die Bildungsarbeit unserer Kirche möchte den Menschen hier neue Dimensionen er- Dr. Jens Colditz öffnen. Im Leitbild der AEEB heißt es: „Als Christen Kirchenrat glauben wir, dass Hoffnung und Engagement ihren Editorial 5
Inhalt Grußwort Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm ...................................................... S. 9 Innovation und Perspektiven Evangelische Erwachsenenbildung aktuell Aufbruch in die Zukunft Drei Fragen an Oberkirchenrat Detlev Bierbaum ...................................................................................................... S.10 Hans Jürgen Luibl Regionale Bildungslandschaften blühen Eine Zukunftsvision ............................................................................................................................................................. S. 12 Wolfgang Wurch Kirche in der Welt Ein evangelischer Beitrag für eine Bildungsgesellschaft ........................................................................................ S. 15 Harald Wildfeuer Evangelische Stadtakademien im Gespräch Strategien und Perspektiven ............................................................................................................................................ S. 18 Udo Hahn Am Ende kommt es auf die Inhalte an Die Evangelische Akademie Tutzing als Ort des Diskurses ..................................................................................... S. 23 Christoph Seyler Lebensqualität in ländlichen Räumen stärken Der Beitrag der Evangelischen Erwachsenenbildung ............................................................................................... S. 26 Sonja Sibbor-Heißmann Wir sind so frei Evangelisches Bildungsprofil in der Diaspora ............................................................................................................. S. 30 Sabine Hammerbacher In guter Kommunikation mit der Kirche vor Ort Ein Erfahrungsbericht ........................................................................................................................................................ S. 33 Christian Stalter Was heißt hier trivial? Impressionen zu einem gemeindlichen Bildungsformat ........................................................................................... S. 36 Jürgen Wolff Aktuelle Modelle der Transformation Didaktik der Evangelischen Erwachsenenbildung ...................................................................................... S. 40 6 Inhalt
Trends und Themen Dorathea Strichau Ehrenamtliches Engagement … davon lebt die Evangelische Erwachsenenbildung .............................................................................................. S. 44 Bernd Rother / Susanne Diestelhorst-Weiand „miteinander.fördern“ Ehrenamtsakademie im Dekanatsbezirk Rosenheim ................................................................................................ S. 49 Sigrid Zimmermann „Warum Kerzen? Ihr habt doch elektrisches Licht!“ Ehrenamtliche in der Arbeit mit Asylsuchenden ....................................................................................................... S. 52 Kornelia Schmidt Bildung von Anfang an Begleitung, Beratung, Interaktion ................................................................................................................................. S. 55 Bettina Marquis Young at heart Förderung der Medienkompetenz von älteren Frauen ............................................................................................ S. 59 Johannes Rehm Ethische Bildung Ein Auftrag des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt ........................................................................................ S. 62 Jens Colditz Fremder Glaube, eigener Glaube Profile religiöser Bildung .................................................................................................................................................. S. 64 Autorinnen und Autoren............................................................................................................................................ S. 70 Bildnachweis................................................................................................................................................................. S. 72 Inhalt 7
Grußwort Sehr geehrte Damen und Herren, die Arbeitsgemeinschaft für Evangelische Erwach- manchmal bin ich ja selber dabei -, dann zeigt sich: senenbildung in Bayern feiert ein Jubiläum, zu dem sie sind von öffentlicher Relevanz, sie interessieren ich sehr herzlich gratuliere. 50 Jahre lang arbeiten viele gesellschaftliche Gruppen, auch wenn diese die verschiedenen Bildungseinrichtungen unserer nicht Teil der Kirche sind. Evangelischen Kirche zusammen, sie kooperieren, befruchten sich wechselseitig und helfen mit, den Dass unsere Evangelische Erwachsenenbildung da Bildungsauftrag, der untrennbar mit dem Evange- „am Ball“ ist, dass sie öffentliche Foren schafft oder lium verbunden ist, so gut wie möglich zu erfüllen. manchmal auch in kleineren Kreisen den Rahmen dafür bildet, dass grundlegende Orientierungsfra- Ich blicke selber auf viele gute Erfahrungen mit der gen hinter den mitunter kleinteiligen, politischen Evangelischen Erwachsenenbildung. Als Gemein- Diskussionen zum Vorschein kommen, das ist ein depfarrer habe ich eng mit dem Evangelischen Bil- ganz wichtiger Verdienst. dungswerk vor Ort zusammengearbeitet, auch mit dem Katholischen Bildungswerk in ökumenischer Ich danke allen, die in der Evangelischen Erwach- Verbundenheit. Wir haben Runde Tische initiiert – senenbildung tätig sind, für ihre tägliche Arbeit. für Fragen sozialer Verantwortung und zur Ökume- Manchmal geschieht dies unter schwierigen Be- ne. Der Runde Tisch der Religionen ist zur Tradition dingungen. Aber die Wirkung ist groß, wenngleich geworden. Vertreter unterschiedlicher Religionen man sie im Einzelnen nicht immer genau ermitteln kommen zusammen, tauschen sich über Fragen der kann. Auch für die Prozesse der Innovation, die ge- Zeit aus und bringen damit öffentlich zum Aus- rade jetzt stattfinden, bin ich dankbar. Ich wünsche druck, wie wichtig es ist, dass die Religionen zur mir, dass die Evangelische Erwachsenenbildung Kraft des Friedens und der Versöhnung in der Ge- auch in der Zukunft ihren Auftrag erfüllen kann, sellschaft werden. dass sie die Menschen erreichen und auf diese Art eine Stimme der Kirche, ja, eine Stimme des Evan- Evangelische Erwachsenenbildung beschäftigt sich geliums in unserer heutigen Zeit sein kann. nicht nur mit sich selbst, nicht nur mit der Kirche, sondern wirkt in die Gesellschaft hinein. Das kenn- Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und Gottes Se- zeichnet im Kern den Auftrag unseres christlichen gen für die Zukunft! Glaubens. „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“, so hat es Dietrich Bonhoeffer, dessen 70. Todestag wir 2015 gedenken, ausgedrückt. Die Ihr Evangelische Erwachsenenbildung setzt diese Maß- gabe in ganz eindrucksvoller Weise seit vielen Jah- ren in die Realität um. Kirche muss immer öffent- liche Kirche sein, Theologie ist immer öffentliche Theologie und interessiert sich für die Gesellschaft, Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm für den Raum der Welt. Bonhoeffer hat gesagt: „Ich Landesbischof kann mich nur auf die Gotteswirklichkeit einlas- Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche sen, wenn ich mich ganz auf die Weltwirklichkeit in Deutschland einlasse.“ Wenn ich mir die Themen anschaue, mit denen sich die Evangelische Erwachsenenbildung beschäftigt – und dazu habe ich viel Gelegenheit, Grußwort 9
Innovation und Perspektiven Evangelische Erwachsenenbildung aktuell Aufbruch in die Zukunft Drei Fragen an Oberkirchenrat Detlev Bierbaum Interview: Jens Colditz 10 Innovation und Perspektiven
Evangelische Erwachsenenbildung – welchen Auftrag hat sie im 21. Jahrhundert? Der Protestantismus entstand als Bewegung, die Mitgestaltung der Gesellschaft einzutreten, ob ge- vom Evangelium herkommend in die Gesellschaft gen Rechtspopulismus oder Fundamentalismus, auf hineinwirkte. Zwischen den Polen Freiheit und Ver- jeden Fall für Meinungsfreiheit. Bei all dem wird die antwortung galt es zukünftig sein Leben als Christ Freiheit des Evangeliums gelebt und so auch vertei- und Bürger zu gestalten. So hat er sich individuell digt. Ohne Bildung geht das nicht. In einer pluralen und gesellschaftlich als prägende Kraft hinein ent- Gesellschaft können unterschiedliche – verantwor- wickelt in säkulare Strukturen unseres Gemeinwe- tete – Meinungen bestehen. Mündigkeit ist gefragt. sens. Das 21. Jahrhundert wird durch die Zivilge- Dieses reformatorische Bildungsanliegen ist auf sellschaft geprägt sein. Für den Protestantismus ist dem Hintergrund der Entscheidungsoptionen, die es auf Grund seiner Identität unverzichtbar, für die sich Menschen unserer Tage bieten, hoch aktuell. Inwiefern braucht Bildung auch im Medienzeitalter die Begegnung von Mensch zu Mensch? Bildung von unserem christlichen Fundament her Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei! Biblische gedacht bezieht sich auf den ganzen Menschen. Geschichten sind immer auch Bildungsgeschichten. Begegnungen face to face sind dabei unerlässlich, Es ist allerdings notwendig, dass sich die Bildungs- denn es geht so gesehen oft um existenzielle The- formate den verändernden Bedürfnissen der Men- men: Sinn des Lebens, Beziehungen, Schuld, Ster- schen anpassen. Über Facebook oder Twitter, Soci- ben und Tod, Hoffnung, Freude. Also spirituelle al-Media-Nutzung, Dialogrunden und Bar Camps Themen im weitesten Sinn. Es geht natürlich auch erreicht man neue Zielgruppen. Auch Zeitfenster um Lebenspraxis, etwa in Erziehungsfragen. Die Bi- für Veranstaltungen, die sich an den Lebenswirk- bel erzählt davon, wie sich in der Begegnung von lichkeiten ausrichten, sind gefragt. Hier gilt es ge- Mensch zu Mensch und in der bewussten Ausein- meinsam mit den Besuchern unserer Veranstaltun- andersetzung mit dem Grund des Lebens – Christen gen nachzudenken. Manches über Bord zu werfen. nennen ihn Gott Schöpfer – neue Perspektiven er- Neues zu erproben. Doch das geschieht auch. öffnen. Der Mensch ist einfach ein soziales Wesen: Durch den laufenden Innovationsprozess der Bildungswerke ist die Evangelische Erwach- senenbildung auf vielen Ebenen der Landeskirche neu ins Gespräch gekommen. Welche Erwartungen verbinden Sie damit? Die Erwachsenenbildung ist – etwa neben früh- texten zukunftsfähig ausrichtet. Dazu gehört auch, kindlicher Bildung in unseren Kindertagesstätten die Erwachsenenbildung vor Ort neu zu denken. Die oder auch dem Religionsunterricht – ein wesentli- Denkwerkstätten sind ein erster großer Erfolg, sie cher Teil des Bildungshandelns unserer Kirche. bieten Raum und Zeit, neue Perspektiven zu ent- In den Transformationsprozessen, also in der Ge- wickeln. Sie bringen Menschen und Organisationen staltung von Veränderung in unserer Kirche, spielt miteinander ins Gespräch. Überraschend viele Ver- Bildung eine wesentliche Rolle. So gilt es, Gemein- antwortliche aus dem kirchlichen, aber auch kom- de- und Dekanatsentwicklung miteinander zu ver- munalen Kontext haben sich ansprechen lassen. Ein knüpfen, Diakonie und Kirche neu aufeinander zu gutes Zeichen der Wertschätzung für die Evange- beziehen, Sozialräume in Quartieren zu gestalten. lische Erwachsenenbildung. Und ein Zeichen, wie Der Prozess „Innovation Bildung 2017“ muss im notwendig sie für Kirchenentwicklung ist. Blick haben, wie sich unsere evangelische Kirche in gesellschaftlichen Umbrüchen und neuen Kon- Innovation und Perspektiven 11
Hans Jürgen Luibl Regionale Bildungslandschaften blühen Eine Zukunftsvision, auch für die Evangelische Erwachsenenbildung 12 Innovation und Perspektiven
Regionale Bildungslandschaften, regionaler Bil- nen, wenn sie denn einen Lebensraum, einen leben- dungsraum, Bildungsregionen – diese Begriffe ha- digen Raum darstellen. ben Konjunktur. Gründe dafür gibt es genug. Einer davon liegt schon im Stichwort der Regionalisie- Ein anderer Grund liegt vermutlich im ‚User-Turn‘. rung. Die großen Systeme und Theorien scheinen Also schlicht die Erkenntnis, die gerade für die Er- immer weiter weg zu rücken von der eigenen Le- wachsenenbildung schon immer handlungsleitend benswelt. Gesucht wird verstärkt die Region als Le- war: Am Anfang der Bildung steht der Mensch. Vor- benswelt, in der man sich orientiert, sich einbringen bei sind die Zeiten der reinen Angebots- und Insti- und auch etwas gestalten kann. Das gilt auch für tutionenlogik, nach dem Motto: Wir bieten an … Bildung: Bildung vor Ort, angefangen von ‚mei- Und die Menschen kommen oder manchmal auch nem‘ Stadtteil, ‚meinem‘ Dorf bis zu Metropolregio- nicht. Der Mensch bleibt das Maß In den Blick rückt verstärkt die Bildungsbiogra- Regionale Bildungslandschaften, das ist Bildung, phie des einzelnen Menschen und seines Umfelds. die vor Ort und unter Einbeziehung der Einzelnen Frühkindliche Bildung ist wichtig, aber sie braucht sich entwickelt. Lassen sich solche Vorstellungen den Blick auch für die Eltern, die mit den Kindern auf kirchliches Bildungshandeln übertragen? Etwa lernen, sich und ihr Kind besser zu verstehen und auf ein Dekanat? Das Dekanat ist – mal mehr, mal zu entwickeln. Ein sehr gutes Beispiel ist dafür der weniger – Lebensraum und Handlungsebene in ei- Elternkurs der AEEB „vertrauen-spielen-lernen“. nem. Zur Bildungsregion wird das Dekanat schlicht Dahinter stehen weitere Fragen, nämlich nach der mit der Frage, welche Bildungseinrichtungen und Verknüpfung der Lernorte (z.B. Konfirmandenun- Bildungsangebote es eigentlich vor Ort gibt. Da sind terricht und Elternarbeit, Lernort Schule und Lern- etwa das Bildungswerk, die Stadtakademie, die Fa- ort Internet usw.) und der Lernarten, etwa die Ent- milienbildungsstätte, das spirituelle Zentrum. Dazu deckung des informellen Wissens als Ressource für gehören auch die Fortbildungen, vor allem ehren- formale und non-formale Bildungsprozesse. Drän- amtlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Und gend dabei ist die Frage, wie die Übergänge von das reicht dann von der Lektorenschulung über die einer Bildungsphase zur anderen gestaltet werden Weiterbildung für den Besuchsdienst in Kranken- können. Dazu braucht es ein Übergangsmanage- häusern – von Klinikseelsorgern verantwortet – bis ment, in dem die Bildungseinrichtungen sich nicht hin zu den Kursen für Altersberater/innen oder Mi- nur einbringen, sondern selber verändern und ent- grationsbegleiter/innen, die in Kooperation mit der wickeln, gemäß den Bedarfen der Menschen. „Der Kommune durchgeführt werden. Und so schwingt Mensch bleibt das Maß.“ So haben es vor Jahren kirchliches Bildungshandeln in den zivilgesell- schon die sieben staatlich anerkannten Träger der schaftlichen Bereich hinein – nicht zwanghaft, son- Erwachsenenbildung in Bayern programmatisch als dern der Dynamik in einem Bildungsraum folgend. Bildungsaufgabe formuliert. Lernorte im kirchlichen Bildungsnetz Wenn man die Augen aufmacht, wird man vor Ort Bildungsbegleitung der Eltern und Großeltern in noch Anderes und noch mehr entdecken. Und das, Erziehungsfragen – in kleinen Gruppen und grö- was da in Blick kommt, sollte auch miteinander ins ßeren öffentlichen Veranstaltungen. In dieser Ver- Spiel gebracht und gestaltet werden. Ein Bildungs- knüpfung wird die Kindertagesstätte ein lebendiger ort mit vielen Potentialen sind die evangelischen Lernort in der Gemeinde – und damit ein wichtiges Kindertagesstätten. Neben der frühkindlichen Bil- Element der Gemeindepädagogik. Hier geschieht dung braucht es die Fort- und Weiterbildung der viel, an anderen Orten steht das noch bevor. Erzieher und Erzieherinnen; es braucht auch die Innovation und Perspektiven 13
Ein manchmal übersehener Bildungsort, mitten in nötig ist. Und die Gemeinden? Das aber bleibt leer, der Gemeinde, mitten im Dekanat, ist die Schule wenn nicht verstärkt Menschen vor Ort mit ihren und darin speziell der Religionsunterricht. Es gibt Bildungsmöglichkeiten einbezogen werden. Es gibt eine Öffnung des Lebensraums Schule, nicht nur, nicht „die“ evangelische Bildung oder Erwachse- aber verstärkt durch die Ganztagsschulen. Welche nenbildung, aber sie kann vor Ort entstehen. Etwa Möglichkeiten ergeben sich dabei für Gemeinde- wenn Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen und Dekanatsentwicklung? Wie könnte Schule ein verstärkt nach hilfreichem Wissen im Bereich Ver- Lernort im kirchlichen Bildungsnetz vor Ort wer- waltung wie Religion fragen, um den steigenden den? Oder die Diakonie! Sie ist nicht einfach Pflege, Herausforderungen in dieser Leitungsfunktion ge- sie ist Pflege und Verstehen; Bildung als Qualifizie- recht zu werden. Oder etwa, wenn Menschen in der rung der Pflegekräfte gehört ebenso dazu wie Bil- Flut der Informationen nach verlässlichem Wissen dung Ehrenamtlicher im diakonischen Bereich oder fragen, nach Orientierungswissen für die eigene Vermittlung von Wissen über Entwicklungen hin zu Lebenspraxis und ihren gemeinschaftlichen Lebens- einer „sozialen“ Gesellschaft. raum – der ist Gemeinde und Sozialraum in einem. Wie kann es gelingen, Menschen vor Ort zu ermuti- Bildungslandschaften entwickeln heißt Institutio- gen und zu befähigen, mithilfe der Bildungseinrich- nen miteinander ins Spiel bringen, um gemeinsam tungen vor Ort ihr Orientierungswissen zu finden? zu entdecken, was Bildung ist und welche Bildung Ur-eigenes Prinzip Die regionale Bildungslandschaft Dekanat blüht, sie rausforderung. Aber davor sollte evangelische Bil- wuchert. Einen Bildungsbotaniker, der alles sam- dungsarbeit nicht zurückscheuen, denn das ist ihr melt, oder einen Gärtner, der alles reglementiert, ur-eigenes Prinzip. braucht es nicht. Es braucht aber Verständigungs- prozesse und Kommunikationsarbeit unterschiedli- Die institutionalisierte Evangelische Erwachsenen- cher Bildungsagenten. Das Leitmotiv hierfür könn- bildung ist hier ganz neu gefragt. Es geht darum, te „educational governance“, Leitung eines offenen den offenen Bildungsprozess auf Dekanatsebene zu Prozesses mit unterschiedlichen Teilnehmenden, organisieren. Denn wir können Bildung. Wir haben sein. Wenn und wo Bildung sich von unten orga- gelernt, dass und wie Bildungsprozesse als freiwil- nisiert, muss auch die Leitung, Struktur und Orga- lige Prozesse begleitet werden können – in evan- nisation dem angepasst werden. Leitung ist damit gelischer Freiheit. Und ja: Wir kennen die Ausdiffe- so etwas wie die Organisation des Spiels der Diffe- renzierungen, die kleinen und großen Unterschiede renzen. Menschen mit ihren Ideen, Wünschen und im Bildungshandeln. So können wir einladen zum Fragen wahrzunehmen und dies in einen Bildungs- „dancing with difference“. prozess zu bringen, zeigt sich dabei als größte He- 14 Innovation und Perspektiven
Wolfgang Wurch Kirche in der Welt Ein evangelischer Beitrag für eine Bildungsgesellschaft Innovation und Perspektiven 15
Der Innovationsprozess „Innovation Bildung sere Phantasie für eine profilierte Bildungsarbeit: 2017“ innerhalb der Evangelischen Erwachsenen- bildung hat uns inspiriert, das Evangelische Bil- • Profilierung des Bildungswerks als dekanatliches dungswerk in Bamberg neu zu denken. Wir sind Kompetenzzentrum im Blick auf die Situation vor Ort die drei von • Professionalisierung neuer Bildungs- und Lern- der AEEB vorgegebenen Ziele und Schwerpunkte formate im Sozialraum der Innovation abgeschritten. Alle drei Richtun- gen waren für uns attraktiv und beflügelten un- • Regionalisierung von Bildungseinrichtungen Dekanatliches Kompetenzzentrum In Bezug auf diesen Schwerpunkt konnten wir eine So ist das EBW ein unverzichtbarer Partner, der im gute Einbindung des Evangelischen Bildungswerks Dekanat gut eingebunden und vernetzt ist. Diese in das Dekanat feststellen. Die Beziehungen zwi- guten Arbeitsbeziehungen zum Dekanat werden schen Dekanat und EBW sind geprägt von Wert- wir weiter pflegen und ausbauen, um ein verlässli- schätzung. Das Dekanat nimmt unsere Dienstleis- cher Partner zu bleiben. Gestützt wird das gute Ver- tungen in Anspruch. Wir spielen einen wichtigen hältnis durch eine strukturelle Anbindung des EBW Part bei der inhaltlichen Planung dekanatlicher an den Dekanatsausschuss: ein Mitglied des DA ist Themen, unterstützen Kirchengemeinden bei Ver- satzungsgemäß im EBW-Vorstand. So gesehen sind anstaltungsplanung und Gestaltung von Jahresta- wir mit unserer Bildungsarbeit zunächst in der Kir- gen und Ausstellungen und vieles mehr. Daneben che verankert. Doch wie kommt die Kirche durch bietet unser Bildungswerk Fortbildungen für Mitar- die Erwachsenenbildung in die Welt – wie es der beiter und Mitarbeiterinnen an. Titel dieses Berichts ankündigt? Neue Bildungs- und Lernformate im Sozialraum Den stärksten Reiz für die Weiterentwicklung und gar biblischen Auftrag ernst: Suchet der Stadt Bes- Ausrichtung des EBW auf die Zukunft übt das zwei- tes. Wir sind bereit, Verantwortung für die soziale te Innovationsziel aus: das Bespielen des sozialen und politische Gestaltung der Gesellschaft zu über- Raumes mit neuen Bildungsformaten. Gerade in nehmen. Angeregt durch den Innovationsprozess den letzten Jahren zeigt sich ein besonderer Wir- haben wir uns vergewissert, dass diese Ausrichtung kungsgrad beim Agieren des EBW in die Stadt bzw. der Bildungsangebote im sozialen Raum Rückende- Stadtgesellschaft hinein. Das EBW hat sich durch ckung durch Dekanatsausschuss und Dekan haben seine qualitätsvollen Angebote, gute Öffentlich- und sich darin ein Teil des Kirchenverständnisses keitsarbeit und geschickte Kontaktarbeit Ansehen des Dekanatsausschusses abbildet. Mit dieser Klam- verschafft in Teilen des öffentlichen Lebens und ist mer EBW-Dekanat tragen wir zur Kirchenentwick- ein akzeptierter Akteur und erwünschter Partner lung, bezogen auf den Auftrag, Kirche in der Welt für verschiedene Themen, Anliegen und Zielgrup- zu sein, bei und stärken die Relevanz der Kirche in penarbeit geworden. der Gesellschaft. Umgekehrt ist Evangelische Er- wachsenenbildung unter diesem Blickwinkel auch Dabei versteht sich das EBW als Arm der Kirche in Agentur für Dekanatsentwicklung. die Stadt und nimmt darin einen kirchlichen, ja so- 16 Innovation und Perspektiven
Drehscheibe für Innovation und Effizienz Für die Durchführung unserer Denkwerkstatt ha- nen und Parteien herzustellen und Kompetenzen ben wir Teilnehmende aus verschiedenen Bereichen und Potentiale effizient ins Spiel zu bringen. Von der Stadt, Politik, Kultur, Bildung und aus Kirche der Koexistenz zur Kooperation – lautet die De- und Diakonie eingeladen. 36 Personen inklusive vise. Das EBW könnte durch die Moderationsauf- des vier-köpfigen EBW-Vorstandes nahmen teil. gabe seine evangelische Stimme einbringen und Der Horizont der Denkwerkstatt wurde abgesteckt sich zur Drehscheibe für Innovation und Effizienz durch offene Fragestellungen, die sich auf die He- in Bamberg machen. Gerade für eine Gesellschaft rausforderungen des Sozialraums der Stadt bezo- im Wandel ist ein abgestimmtes und Potentiale er- gen: Welche Themen werden die Entwicklung des schließendes Vorgehen unerlässlich, zumal wir im Sozialraumes in den nächsten Jahren bestimmen? Bildungswerk durch unsere Transition-Arbeit gute Plenum und Kleingruppen, die sich im Blick auf die Erfahrungen mit geteilter Verantwortung und ver- Arbeitskontexte der Anwesenden sowohl homogen antwortlicher Teilhabe außerhalb festgefügter In- als auch heterogen ausrichteten, führten zu span- stitutionsstrukturen gemacht haben. nenden Perspektiven und verdichteten sich in eini- gen Begriffen. Unser Eindruck an diesem Nachmittag und Abend war, dass die Vertreter der anwesenden Einrichtun- Von Beginn an brachte das Plenum übereinstim- gen und Arbeitsbereiche unter der Versäulung von mend seine Freude über so eine Veranstaltung Akteuren und Bildungsorganisationen leiden und zum Ausdruck. Der Austausch und die gemeinsa- eine Entgrenzung in oben beschriebener Weise er- me Suche nach der Stadt Bestes war getragen von sehnen. Man spürt uns als EBW ab, dass wir nicht höchster Motivation. Ein Ergebnis: Die Beteiligten mit den anderen in Wettbewerb gehen wollen, wollen dieses Format nach einem Jahr unbedingt sondern dass wir für Vernetzung stehen, Anknüp- wiederholen. Inhaltlich verdichtete sich die Spuren- fungspunkte suchen, neue Potentiale einbeziehen suche auf Begriffe wie Alphabetisierung, Integra- und Innovation sowie Wachstumsmöglichkeiten tion oder Inklusion jeweils im umfassenden Sinn. ausloten möchten. Darin sehen wir für unser Bil- Deutlich wurde der Wunsch, die Themen gemein- dungswerk die Gunst der Stunde. sam anzugehen. Was sich in diesen fünf Stunden der Denkwerkstatt ereignete, waren erste Schritte Waren wir in der Planung unserer Denkräume eher von Vernetzung. Die Einsicht war offensichtlich, davon ausgegangen, dass wir auf ein konkretes Pro- dass für die in den Blick genommenen Bildungs- jektvorhaben stoßen würden, so wurde der Gedan- bedarfe Kooperation eine Grundbedingung ist. Das ke an Strukturarbeit – den Aufbau von Netzwer- EBW wurde geradezu aufgerufen, seine Kompetenz ken und Kooperationen – und an das Moderieren für Vernetzung und Kooperation einzubringen. und Steuern dieser Vernetzungsarbeit, wie es auch in der Denkwerkstatt schon lebendig wurde, eine Der Vorstand sieht dieses Votum als eine wunder- großartige Vision. Wir sind davon beflügelt, diesen bare Einladung, nach seinen Möglichkeiten für die Ansatz als unseren evangelischen Beitrag in die Bil- Stadtgesellschaft Bamberg eine Vernetzung mit an- dungsgesellschaft einzubringen. deren Bildungsträgern, Initiativen, Akteuren, Verei- Innovation und Perspektiven 17
Harald Wildfeuer Evangelische Stadtakademien im Gespräch Strategien und Perspektiven 18 Innovation und Perspektiven
In der Erwachsenenbildung ist in den letzten 20 das für sie passende Angebot auswählen. Sie müs- Jahren ein grundlegender Paradigmenwechsel er- sen ihre Lernprozesse selbst in die Hand nehmen folgt. Nach der realistischen Wende, die in den und aktiv steuern. Non-formales und vor allem 1960er Jahren mit der konsequenten Orientierung informelles Lernen werden zunehmend wichtiger. am persönlichen und zunehmend auch ökonomi- schen Nutzen von Weiterbildung für die Teilnehmer • Dazu kommt als weiterer Trend die wachsende begann und in den 1970er Jahren mit dem profes- Marktorientierung und Ökonomisierung der Er- sionellen Ausbau der Erwachsenenbildung als ei- wachsenenbildung. An die Stelle von Institutions- nem eigenständigen quartiären System im dama- orientierung tritt Kundenorientierung. Damit geht ligen Bildungskonzept einen vorläufigen Abschluss einher, dass alle Einrichtungen von Erwachsenen- erlangte, erfolgte seit den 1990er Jahren unter dem bildung auf dem Bildungsmarkt um Kunden wer- Druck zurückgehender öffentlicher Förderung und ben müssen. Es ist längst nicht mehr so, dass die wachsender Konkurrenz gerade auch durch die Zu- Kunden zum Programm kommen. Vielmehr muss nahme an Angeboten nicht-institutioneller und das Programm zum Kunden kommen. Das eigene kommerzieller Weiterbildung eine doppelte Wei- Profil wird zur Marke. Der eigene Marktanteil re- chenstellung: guliert sich unter den Vorzeichen von Angebot und Nachfrage. • Zum einen lässt sich von einer konstruktivisti- schen Wende sprechen. Damit ist die Aufgabe be- Wie können evangelische Stadtakademien ange- schrieben, dass sich lernwillige Menschen ihre Wei- messen auf diese Herausforderungen reagieren? Die terbildung selbst organisieren müssen. Sie müssen folgenden strategischen Überlegungen verstehen aus einer Fülle an möglichen Lehr-Lern-Szenarien sich als Denkanstoß und Orientierungshilfe. Stärkung der „individuellen Regulationsfähigkeit“ Eine angemessene Beschreibung der gegenwärti- die Fähigkeit des Individuums, sein Verhalten und gen Bildungslandschaft liefert der Bildungsbericht sein Verhältnis zur Umwelt, die eigene Biographie von 2006: „Der steigende Stellenwert der Weiter- und das Leben in der Gemeinschaft selbstständig bildung innerhalb des Bildungswesens wird in Poli- zu planen und zu gestalten. Diese umfassende und tik und öffentlicher Meinung immer wieder betont. allgemeine Zielkategorie für das Bildungswesen als Die veränderte Bedeutung von Weiterbildung ist Ganzes wie für jeden seiner Teile beinhaltet unter auf die beschleunigte Dynamik des wissenschaft- den Bedingungen der Wissensgesellschaft in beson- lich-technischen und sozioökonomischen Wandels derem Maße die Entfaltung der Lernfähigkeit von und die Alterung der Gesellschaft zurück zu führen. Anfang an und deren Erhalt bis ins hohe Alter.“(2) Moderne Gesellschaften weisen sich dadurch aus, dass Lern- und Bildungsprozesse nicht mehr nur das Auch Evangelische Erwachsenenbildung versteht prägende Muster im Kindes- und Jugendalter sind, sich als Unterstützung für lernende Individuen in sondern inzwischen auch das Erwachsenenalter voll ihrem Bemühen um lebenslange Anpassung an sich erfasst haben. Für die Individuen bedeutet das, sich ständig ändernde persönliche, gesellschaftliche und auf veränderte Bedingungen einzustellen. Die In- berufliche Herausforderungen. Sie stärkt deren in- stitutionen sind gehalten, ebenfalls auf veränder- dividuelle Regulationsfähigkeit. Mit diesem Ansatz te Anforderungen zu reagieren und entsprechende entspricht sie ihrem Grundauftrag, Menschen in ih- Angebote und Kapazitäten bereitzustellen.“(1) rer persönlichen Entwicklung im Geiste des Evange- liums zu begleiten: „Wir orientieren uns in unseren Der Zwang zum lebenslangen Lernen und zur Selbst- Veranstaltungen an den Teilnehmerinnen und Teil- organisation der damit verbundenen Lernprozesse nehmern, ihren Bedürfnissen und Lebenslagen. Wir lässt sich als individuelle Regulationsfähigkeit be- nehmen sie als mündige Partnerinnen und Partner schreiben: „Individuelle Regulationsfähigkeit meint ernst und respektieren sie mit ihren Meinungen und Innovation und Perspektiven 19
Einstellungen. Weil wir uns an den Menschen ori- ment ihren tiefsten Grund haben in der biblischen entieren, greifen wir die Fragen unserer Zeit auf. Als Botschaft: Gottes Liebe und sein Heil gelten allen Christen glauben wir, dass Hoffnung und Engage- Menschen und seiner ganzen Schöpfung.“(3) Lokalisierung und lokale Präsenz in der Stadtgesellschaft Die entscheidende Planungs- und Handlungsebe- erstattung der lokalen Medien angewiesen, weil sie ne einer evangelischen Stadtakademie ist der Mi- mit den Mitteln ihrer eigenen Öffentlichkeitsarbeit krokosmos der Stadtgesellschaft. Es kommt dabei (z.B. Programmheft, Homepage) zunächst immer entscheidend darauf an, bei der Programmplanung nur einen kleinen Ausschnitt der städtischen Gesell- genau Ausschau nach den relevanten Schnittstellen schaft erreicht, nämlich interessierte Angehörige zu halten, mittels derer lokale Bildungsangebote an aus dem konservativen und postmateriellen Milieu. globale Trends und Themen andocken können, die Die verlässliche Information von Bestandskunden in den Medien aufgegriffen und diskutiert werden. mit dem eigenen Programm ist die unabdingbare Globale Themen und Trends müssen lokalisiert wer- Voraussetzung eines nachhaltigen Bildungsmarke- den, d.h. im regionalen Umfeld an konkreten Orten, tings. Denn nur zufriedene Kunden kommen gerne Ereignissen oder Personen festgemacht werden, um wieder. Und nur sie werben gerne in ihrem Umfeld Interesse und direkte Betroffenheit zu wecken. für neue Kunden. Für die Stadtakademie kommt es zentral darauf an, dass sie aus Kundensicht ein at- Die Stadtakademie muss aber auch umgekehrt mit traktiver Ort und eine gute Adresse ist. Und dass ihrem Angebot in der Stadtgesellschaft lokal prä- sie bei denen, die gerne kommen, selbst zum Stadt- sent sein, um angemessen wahrgenommen zu wer- gespräch wird, dass sich ihre Qualität also bei den den. Sie ist auf wohlwollende und positive Bericht- potenziellen Zielgruppen herumspricht. „Evangelisch“ als Marke Aus einer Sicht, die sich an den Spielregeln des besteht demgegenüber wohl am klarsten im protes- Marktes orientiert, kommt es darauf an, dass ein tantischen Prinzip (Paul Tillich), also in dem Grund- Anbieter erkennbar ist, dass er sein Profil deutlich gedanken der Reformation, dass jeder Mensch von zum Ausdruck bringt und sich gegenüber den Mit- Gott mit einer unauslöschlichen Würde und Freiheit bewerbern ein Alleinstellungsmerkmal verschafft. ausgestattet ist, die seine Selbstbestimmung und Was also ist das Alleinstellungsmerkmal Evangeli- (Gewissens-) Autonomie ermöglicht: Im Mittel- scher Erwachsenenbildung? Auch im Angebot einer punkt steht immer der Mensch mit seinen Aufgaben evangelischen Stadtakademie werden sinnvoller- und Fragen, mit seiner Begabung und Würde. Die weise die Trends und Themen aufgegriffen, die auch Stärkung der „individuellen Regulationsfähigkeit“ an anderen Stellen den Markt prägen: Gesundheit, lernender Menschen ist daher in der Evangelischen Fragen von Erziehung und Partnerschaft und nach Erwachsenenbildung nicht in erster Linie eine Mar- dem gelingenden Leben überhaupt. Zum besonde- ketingstrategie unter veränderten Marktbedingun- ren Portfolio einer kirchlichen Bildungseinrichtung gen, sondern Teil ihrer theologisch begründeten gehören darüber hinaus auch theologische The- Identität. Dass Menschen in ihrem Denken und ihrer men und der interreligiöse Dialog sowie Fragen der Entscheidungsfreiheit nicht klerikal vereinnahmt christlichen Spiritualität und Lebensgestaltung. Alle oder ideologisch bevormundet werden, dass sie in diese Themen begründen für sich genommen noch ihrem eigenständigen und kritischen Denken ange- keine Alleinstellung Evangelischer Erwachsenenbil- regt und „freigesetzt“ werden, das macht in einer dung, finden sie sich doch ebenso in anderen all- Zeit, in der unter dem Vorzeichen der Ökonomisie- gemein- und persönlichkeitsorientierten Bildungs- rung Bildung für alle möglichen Zwecke vermarktet einrichtungen oder in denen anderer Konfessionen. wird, die Größe und die Besonderheit Evangelischer Das Besondere evangelischer Erwachsenenbildung Erwachsenenbildung aus. 20 Innovation und Perspektiven
Vernetzung und regionale Angleichung Erwachsenenbildung erfordert unter den Vorzei- sermaßen die Funktion öffentlicher Trendsetter für chen der Postmoderne multiple Perspektiven und Themen, die in die Stadtgesellschaft hineinwirken Strategien. Kein Anbieter kann auf alle Trends und und das Stadtgespräch bereichern können. Von da- Bedarfe reagieren. Keiner kann alle relevanten As- her kommt der regelmäßigen Kommunikation und pekte der Themen und Bedürfnisse abdecken. Ge- Kooperation zwischen den Bildungseinrichtungen meinsam mit anderen Einrichtungen der Erwach- in der Stadt eine besondere und stetig wachsende senenbildung in der Region findet die Planung Bedeutung zu. Eine Arbeitsgemeinschaft der Er- daher sinnvollerweise als ein kommunikativer Ab- wachsenbildung oder ein runder Tisch der Bildungs- stimmungs- und Angleichungsprozess statt, der die einrichtungen sollten in jeder Stadt zum Standard verschiedenen Personengruppen und Institutionen professioneller Erwachsenenbildung gehören. In einbezieht. Wiltrud Gieseke spricht in diesem Zu- dieser permanenten und gesicherten Kommunika- sammenhang von regionaler Angleichung: „Die tion und Kooperation laufen die regionalen Anglei- Programmplanung wird in diesem Angleichungs- chungsprozesse ab, die Gieseke im Blick hat: „Salopp handeln durch Übernahme und Abstimmung, Fin- formuliert lässt sich also sagen: Die Themen liegen den gemeinsamer Lösungen, Ideenaustausch, durch auf der Straße. Sie durchlaufen mehrere Prüf- gemeinsame Arbeitsbeschlüsse etc. zu einem mit instanzen, müssen vorher aber gefunden, auf- anderen Menschen gemeinsam erarbeiteten Vorha- gehoben und für relevant befunden werden. (...) ben.“(4) Es ist die Verbindung zwischen Inhalten, institu- tionellem Interesse an Bildung/Kompetenz/Quali- In der Kooperation der vielfältigen Anbieter von fikation in einer Region, identifizierten Bedarfen Weiterbildung ergibt sich gewissermaßen eine und Bedürfnissen und professioneller Kompetenz. seismografische Gesamtschau auf die regiona- Kommunikation und die daraus entstehende Ver- le Bildungslandschaft. So können Trends und netzung sind dann die Verbindungsfäden, die zu Schwerpunkte gemeinsam entdeckt, bearbeitet entsprechenden Bildungsangeboten oder Projekt- und programmatisch umgesetzt werden. Regionale vorhaben führen.“ (5). Bildungseinrichtungen übernehmen dabei gewis- Programmplanung Programmplanung hat immer auch mit der Markt- siert und verwaltet werden, noch kann Bildung als position des Anbieters und seiner Sicht auf poten- Dienstleistung nur pädagogisch verstanden werden. zielle Kunden zu tun. Jedes Programmheft sagt Bildung ist stets eine strukturelle Koppelung zwei- auch: „Diese Themen haben wir zu bieten. Dafür er autonomer und selbstreferenzieller Systeme: Auf stehen wir. Und diese Inhalte könnten unsere Kun- der einen Seite steht der Anbieter mit seinem Lehr- den interessieren.“ Ähnliches gilt auch für die di- arrangement; auf der anderen der Kunde mit sei- daktische Gestaltung der Bildungsformate und die nem Lernarrangement. Anbietersicht und Kunden- Kultur in einer Bildungseinrichtung: „Diese Form sicht müssen in Passung gebracht werden, damit es von Bildung bieten wir unseren Kunden an. Da- zu einem gelingenden Lehr-Lernprozess kommen rin unterstützen wir sie in ihrem Bildungsinteresse. kann. Ein marktorientiertes Bildungsmanagement Diesen Service können sie bei uns erwarten.“ Es geht kann diese Suchbewegung professionell fördern stets um eine kundenorientierte Bildungsarbeit und und unterstützen. Es steht daher nicht im Gegen- um eine bildungsförderliche Kundenfreundlichkeit. satz zur pädagogischen Ausrichtung der Planung, Weder darf das pädagogische Anliegen nur organi- sondern unterstützt und ergänzt diese. Innovation und Perspektiven 21
Anmerkungen (1) Bildung in Deutschland, herausgegeben im Der Beitrag ist ein überarbeiteter und stark ge- Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminis- kürzter Auszug aus einer Masterarbeit zum Thema: ter der Länder in der Bundesrepublik Deutschland „Vom Trend zum Thema - Aspekte eines marktori- und des Bundesministeriums für Bildung und For- entierten Bildungsmanagements am Beispiel einer schung, 2006, S. 123. evangelischen Stadtakademie“, die der Autor zum (2) Bildung in Deutschland, aaO, S. 2. Abschluss eines Masterstudiengangs Erwachsenen- (3) Leitbild der Arbeitsgemeinschaft für Evangeli- bildung im Jahr 2013 an der Evang. Hochschule in sche Erwachsenenbildung in Bayern (AEEB). Nürnberg erstellt hat. (4) Wiltrud Gieseke, Bedarfsorientierte Angebots- planung in der Erwachsenenbildung, 2008, S. 48. (5) Gieseke, aaO, S. 49. 22 Innovation und Perspektiven
Udo Hahn Am Ende kommt es auf die Inhalte an Die Evangelische Akademie Tutzing als Ort des Diskurses Innovation und Perspektiven 23
Wissen, Bildung, lebenslanges Lernen. Drei Stich- Sie wirkt an der Gestaltung einer verantwortlichen, worte, jedes für sich mit Signalcharakter, die als Sy- gerechten und partizipativen Gesellschaft mit. nonym für den viel zitierten „Schlüssel zur Zukunft“ stehen. Zugleich handelt es sich um Containerbe- Die genannten Stichworte je für sich können auch griffe, die im jeweiligen Kontext präzisiert werden andere Bildungsträger zur Beschreibung der eige- müssen und nur allzu oft alles und auch gar nichts nen Arbeit heranziehen. In der Summe und in der aussagen. Kombination kann man schon von einem Alleinstel- lungsmerkmal sprechen. Der Bildungsmarkt in Deutschland wächst. Auch das kann man für einen Allgemeinplatz halten, denn Wo steht die Akademie heute? In einem Haus, das tatsächlich gibt es ein kaum noch zu überblicken- 1947 seine Arbeit aufnahm, darf, ja muss man sich des Feld von Aus-, Fort- und Weiterbildung, dazu diese Frage in immer neuen Anläufen stellen. Die Trainings und Beratung u.a.m. Auch im Kontext von Zukunft gestalten kann nur, wer die Herkunft kennt Bildungsangeboten für Erwachsene ist eine Erwei- und sie zu würdigen weiß. Das gilt auch in Tutzing. terung des Marktes zu beobachten. Überregiona- Klar ist aber auch, dass die Verdienste der Vergan- le Tageszeitungen bieten Vortragsabende an – mit genheit in der Gegenwart nichts gelten. Aber sie Kosten für den Nutzer, die keiner der üblichen Bil- sind mehr als nur Ausstellungsstücke unter Glas. dungsträger zu fordern wagen würde. Und Maga- zine laden an exklusive Orte mit exklusiven Redne- „Wandel durch Annäherung“ – das Motto der Ost- rinnen und Rednern ein. Immer geht es um Bildung. politik Willy Brandts, das der damals unbekannte Egon Bahr in einer Tagung des Politischen Clubs Zugleich verändert sich der Bildungsmarkt. Nicht der Evangelischen Akademie Tutzing 1963 prägte, alles, was es heute gibt, wird auf Dauer Bestand ha- ist im Rückblick eine Sternstunde diskursorientier- ben. Die Ursachen hierfür sind unterschiedlich. Und ter Bildungsarbeit gewesen. Es ist immer wieder sie sind nicht immer zuallererst dem Bildungsträ- erfreulich wahrzunehmen, wie in evangelischen, ger anzulasten. Dort, wo z.B. Fördermittelgeber ihre aber auch in katholischen Akademien darauf Be- Schwerpunkte verändern, kann das die Existenz ge- zug genommen wird. Es wird als gemeinsames Erbe fährden. Und in alledem stellt sich die Frage: Was betrachtet, die Zivil- und Bürgergesellschaft voran muss am Ort angeboten werden? Was braucht es in zu bringen. einer Region? Und wie steht es um die Leuchtturm- projekte? Es gibt, wenn ich das richtig recherchiert habe, kei- ne Tagung anderer Bildungsträger, in der gleichsam Die Evangelische Akademie Tutzing wird immer idealtypisch der Diskurs zu einer Klärung führte, in wieder zu den Leuchttürmen gerechnet. Und das deren Folge tatsächlich die Geschichte einen ande- nicht ohne Grund. Sie ist die einzige Einrichtung ren Verlauf nahm. der Landeskirche, die den bayernweiten Bildungs- auftrag hat – so wie ihn vergleichbare Häuser in Warum hat sich ein solches Ereignis nicht wieder- anderen Landeskirchen haben. holt bzw. wiederholen lassen? Es hängt nach meiner Wahrnehmung mit der Ausweitung und Ausdiffe- Konkret lautet das Konzept wie folgt: Die Evange- renzierung des Bildungsmarktes zusammen – und lische Akademie Tutzing führt Menschen aus Poli- zwar über die Jahrzehnte. Namhafte Unternehmen tik, Wirtschaft, Kultur, Medien und Kirche zusam- haben Stiftungen gegründet und entsprechend men. Sie versteht sich als ein Ort der Bildung und ausgestattet, um eigene Impulse zu setzen. Die der Begegnung mit dem christlichen Glauben. Sie politischen Parteien haben mit ihren Stiftungen will Meinungsbildung möglich machen und för- überparteilich anerkannte Dialog-Foren geschaf- dert durch den Diskurs die Suche nach Lösungen in fen. Vor allem aber hat sich etwas auf der Seite der der Zivilgesellschaft. Sie richtet ihre Arbeit inter- Verantwortungsträger in Politik, Wirtschaft, Kultur, disziplinär, interkulturell und international aus. Medien – und auch in den Kirchen – verändert. Als Egon Bahr und Willy Brandt und Konrad Adenauer 24 Innovation und Perspektiven
und andere sich 1963 in der Evangelischen Akade- Auf dem Bildungssektor scheint es, liegt bei Dis- mie Tutzing aufhielten, blieben sie mehrere Tage – kursangeboten die Messlatte am höchsten. Einen und diskutierten in immer neuen Anläufen unter- Zwang zur Fortbildung kennen die Gäste der Tut- einander und mit den Tagungsteilnehmern. Heute zinger Tagungen nicht. Sie reagieren auf interes- ist das unvorstellbar! Die Entscheider haben nicht sante Themen, bei denen das Team der Studien- mehr wie in jener Zeit vielleicht ein, zwei Termine leiterinnen und Studienleiter zeigen muss, dass es am Wochenende, sondern zehn bis zwanzig. entsprechend vernetzt ist und die Hand am Puls des gesellschaftlichen Geschehens hat. Am Ende Hinzu kommt: Wir haben heute mehr Orte und Fo- kommt es auf die Inhalte an. Wobei Schloss und ren. Und wer seine Ideen in Tutzing präsentiert, der Park auch ihren Teil dazu beitragen, dass die Gäste vermittelt sie auch bei jeder anderen Gelegenheit. Bildungsprozessen hier vielleicht aufgeschlossener Deshalb sind Impulse in dieser Eindeutigkeit – wie gegenüber stehen. es bei „Wandel durch Annäherung“ der Fall war – heute nicht mehr eindeutig an einen Ort zu binden. Bundespräsident Joachim Gauck hat beim Jahres- empfang in Tutzing eine große Rede auf die Freiheit gehalten. Über dieses Thema hatte er auch schon andernorts gesprochen. Aber erst diese Rede wurde von einem Verlag publiziert – mit Hinweis auf die Evangelische Akademie Tutzing – und nahm über mehrere Monate den Spitzenplatz auf der Sach- buch-Bestsellerliste des „Spiegel“ ein. Ob auf den vielen Marktplätzen heute wirklich dis- kutiert wird, oder doch nur Statement auf State- ment und Vortrag auf Vortrag folgt – und für die Diskussion meist keine Zeit bleibt, diese Frage darf und muss man stellen. Da ist viel verloren gegan- gen. Und ob im Zeitalter der Digitalisierung mit sei- nen großartigen Möglichkeiten, die vielen zu betei- ligen, die sich sonst gar nicht einbringen könnten, alles besser geworden ist, das darf und muss man kritisch hinterfragen. Was bedeutet das für die Gegenwart – und für die Zukunft? Das Mandat, sich als Ort des Diskurses ein ums andere Mal zu behaupten, gilt auch heute und ist in einem Akademiegesetz für unser Haus fest- gelegt. Zugleich muss das Angebot auf dem Markt Abnehmer finden. Nach wie vor ist die Evangelische Akademie Tutzing eines der Ziele, das Entscheider aus Politik und Gesellschaft ansteuern. Wer hier spricht, trifft auf ein qualifiziertes Publikum und weiß um die Reichweite sowie um die Möglichkei- ten der medialen Kommunikation seiner Botschaft von Tutzing aus. Innovation und Perspektiven 25
Christoph Seyler Lebensqualität in ländlichen Räumen stärken Der Beitrag der Evangelischen Erwachsenenbildung 26 Innovation und Perspektiven
Begleitendes Handeln in der Kirche hat Lebensräu- Erwachsenenbildung. Nachfolgende Ausführungen me von Menschen im Blick. „Innenstadt“, „Ballungs- nehmen die Kombination „Ländliche Räume und gebiete“, „Diaspora“ und die „Ländlichen Räume“ Erwachsenbildung“ in den Blick; andere Kombina- haben ihr spezifisches Gepräge. Das eröffnet un- tionen sollten an anderer Stelle ebenso bedacht terschiedliche Fragestellungen zu den kirchlichen werden. Anliegen, etwa zur Spiritualität oder Diakonie oder Dörfliche Lebensqualität In ländlichen Strukturen stellen sich die Fragen der Maßgebend für eine dörfliche Lebensqualität ist die Lebensqualität, die diese Räume ermöglichen, wie- Beibehaltung oder der Aufbau einer entsprechen- der neu. Waren die Dörfer früher stark landwirt- den Infrastruktur. Die Themenfelder Kindergarten schaftlich geprägt, müssen „Dorfidentitäten“ nun und Schulen, Arztpraxis und Krankenhausnähe, neu und für das eigene Dorf passend entwickelt Breitbandanbindung und öffentliche Nahverkehrs- werden. Die gemeinsamen Themen, die bislang von möglichkeiten deuten neben den Einkaufsmöglich- der Landwirtschaft vorgegeben waren, gibt es so keiten diese Herausforderungen an. kaum noch. Wenn es hagelt, dann ist das schon lang nicht mehr Dorfthema Nr. 1! Dörfer entwickeln sich Die Zahl der landwirtschaftlichen Anwesen nimmt dort gut, wo gemeinsame Themen – etwa ein Grün- zwar weiterhin ab, aber die Flächen und damit die dungsjubiläum – gefunden werden, und vor allem Themen bleiben. Derzeit erleben wir in der Land- dort, wo ein lebendiges Vereinswesen diese Themen wirtschaft eine gewaltige Umbruchsituation, in der gestaltet. die Landwirte bzw. Landwirtsfamilien sich orientie- ren müssen. Globalisierung und wirtschaftliche Be- Sichtbar ist das auch am Dorfbild. Landwirtschaft- triebsgröße, Tier-, Futter- und Bodenethik, Nach- liche Anwesen siedeln sich zunehmend mit großem haltigkeit und Ökologie sind da ebenso die Themen Gebäudebestand am Dorfrand an, im Einzelfall prä- wie die Positionierung in den Fragen der Energieer- gen in Dorfzentren schon Leerstände ein entspre- zeugung. chendes Bild. Häufig gruppieren sich Siedlungen verschiedener Baugenerationen um den Dorfkern, Die neuen Themen der Landwirtschaft produzieren Ausbildung und Beruf jedoch finden woanders im ländlichen Gefüge sozusagen neue Gewinner statt. Mancherorts nimmt die Bevölkerungszahl und Verlierer, und das gilt ebenso für die Dörfer in spürbar ab. In einigen Gebieten sind die Strukturen einer Region, die sich unterschiedlich entwickeln. stark vom Tourismus bestimmt. Neue Herausforderungen Für die Evangelische Erwachsenbildung bringen tende der Evangelischen Erwachsenbildung mit- diese Entwicklungen nun auch neue Herausforde- bringen, genannt: rungen. Wie oben angedeutet, sind das Anfragen an kirchliche Strukturen, an den Seelsorgeauftrag, • Die Strukturen der Kirchengemeinden bleiben an die Diakonie vor Ort und an die Gestaltung von in der Veränderung, die Bereitschaft, sich ehren- spirituellen Angeboten. Und auch an die Erwach- amtlich zu engagieren, ist dabei groß. In der Aus- senbildung. bildung und Befähigung zum ehrenamtlichen Dienst – etwa im Leiten einer Seniorengruppe – Als Beispiele für Chancen des begleitenden kirch- hat die Evangelische Erwachsenbildung eine große lichen Handelns in Form der Erwachsenbildung sei Aufgabe. Durch Fortbildungen und Trainings zur die Profilierung des Ehrenamtes und das Angebot Gruppenleitung – in der Spannweite von inhaltli- einer kompetenten Moderation, wie sie Mitarbei- chen Themen über Vorbereitungen, Durchführun- Innovation und Perspektiven 27
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