6/2011 Bayerischer Gemeindetag
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BAYERISCHER GEMEINDETAG • Verband kreisangehöriger Städte, B 6015 E Märkte und Gemeinden • Körperschaft des öffentlichen Rechts Bayerischer Gemeindetag 6/2011 Die Stadt Schwarzenbach an der Saale (Lkr. Hof) ist „Ausgewählter Ort 2011“ des Wettbewerbs „365 Orte im Land der Ideen“ BAYERISCHEN GEMEINDETAGS Die Zeitschrift des Der Bayerische Gemeindetag im Internet: http://www.bay- gemeindetag.de Die Geschäftsstelle ist gleichzeitig über folgende e-mail-Adresse erreichbar: baygt@bay-gemeindetag.de
Bayerischer Gemeindetag Inhaltsverzeichnis QuintEssenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 Dr. Busse: Was für Bayerns Städte und Gemeinden bei der Energiewende wichtig ist . . . . 219 Dr. Steger: Vertrauen in die Kommunen . . . . . . . . . 222 (Fast) 100 Jahre Bayerischer Gemeindetag . . . . . 227 Politische Gespräche in Abensberg . . . . . . . . . . . . . 228 VERWALTUNG Organisationsfragen der Gemeinde . . . . . . 235 PERSONAL Freistellung von kommunalen Mandatsträgern nach § 17 der Urlaubsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 VERTRAGSWESEN Städtebauliche Verträge . . . . . . . . . . . 236 FINANZEN + STEUERN Kommunalfinanzen nach/in der Krise? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 UMWELTSCHUTZ „Aktiv für die zukunftsfähige Kommune“ . . 237 KOMMUNALE am 19./20. Oktober 2011 in Nürnberg . . . . 238 UMWELTSCHUTZ Energieeffizienter Neubau von Nichtwohngebäuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Lotse für effiziente Straßenbeleuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Stadt und Fluss: Bayerischer Werkbundtag 2011 . . . . . . . . 242 SOZIALES Wertvolle Kinder – teure Alte!? . . . . . . . . . . . . . 242 EUROPA Europakongress in St. Florian . . . . . . . . . . . . . . . 244 VERSCHIEDENES „Deutschland – Land der Ideen“ . . . . . . 244 ÖFFENTLICHE SICHERHEIT Tag des Sicherheits- rechts 2011 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 KAUF + VERKAUF Kommunalfahrzeuge, Feuerwehrauto, Gleitregalanlage, Auf- und Abrollgeräte, Löschgruppen- fahrzeug, 8-fach Loch-Ordner, FW-Mehrzweckfahrzeug, Traktor, Kommunalfahrzeug, Unimog . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 LITERATURHINWEISE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Dokumentation: „Entwicklung und Zukunft strukturschwacher ländlicher Räume in Bayern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Dokumentation: Feuerwehrbeschaffungskartell – Resolution . . . . . 253 Übersendung von Gerichtsentscheidungen an die Geschäftsstelle Die Auskunfts- und Beratungstätigkeit der Geschäftsstelle hängt in einem hohen Maße davon ab, wie gut der Informationsfluss zwischen Mitgliedskörperschaften und der Geschäftsstelle ist. Wir bitten deshalb unsere Mitglieder dringend, uns gerichtliche Entscheidungen umgehend zu überlassen und uns über anhängige Verfahren bei den Verwaltungsgerichten oder bei den obersten Bundesgerichten zu informieren, damit andere Mitglieder schnell und zeitnah von diesen Erfah- rungen profitieren können.
Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz Wichtiges in Kürze 217 Energieversorgung Bayerischer Gemeindetag Die Energiewende „Leutenot“ schaffen vor 100 Jahren Durch die Katastrophe in Fukushima ist In unserer Folge„(Fast) 100 Jahre Bayeri- ein Thema schlagartig in den Vorder- scher Gemeindetag“ stellen wir in dieser grund der politischen Diskussion getre- Ausgabe das zeitlose Thema „demogra- ten: die Energiewende. Bundesregierung fische Entwicklung“ unter den besonde- und Bayerische Staatsregierung wett- ren Blickwinkel der Jugendpflege vor eifern darum, die jeweilige Opposition knapp 100 Jahren dar. Auf Seite 227 in den Parlamenten bei diesem Thema finden Sie wunderbare Ausführungen links zu überholen. Waren bislang deut- im Verbandsblatt „Der Bayerische Bür- sche Kernkraftwerke „die sichersten der germeister“ aus dem Jahre 1913. Schon Welt“, so scheint man sich derzeit nicht damals wurde intensiv dafür geworden, schnell genug von Ihnen trennen zu durch eine intensive Jugendarbeit den können. Der Ruf nach der sogenannten jungen Menschen die Vorzüge ihrer Hei- Energiewende ist zu einem vielstimmi- mat auf dem Lande nahezubringen. Sie gen Chor angeschwollen. sollten dadurch von der Landflucht ab- Die Gemeinden und Städte können sich Die handelsüblichen Preise spiegeln gehalten werden. Man sollte „unserer dieser Diskussion nicht entziehen. Sie nicht die Kosten wider, die wirklich Dorfjugend das Herz für die ländliche müssen sich selbst fragen, welche Posi- für den Strom bezahlt werden müs- Heimat warm machen.“ tion sie in der aktuellen Diskussion ein- sen. Das geht aus einer Studie des Was so mit anrührenden Worten be- nehmen. Die kommunalen Spitzenver- Forums Ökologisch-Soziale Markt- schrieben wurde, gilt im Grunde genom- wirtschaft (FÖS) im Auftrag des bände veranstalteten dazu eine fünftei- men auch heute noch: Die Großstädte Energie-Unternehmens Greenpeace lige Tagungsreihe, um von mit der Ener- und Ballungsräume mögen zwar mit Energy hervor. Die Studie gibt laut giepolitik besonders versierten Gemein- Arbeitsplätzen und einem großen kultu- den Analysten die„wirklichen“ Strom- den Anregungen zu erhalten. Dr. Jürgen kosten wieder, die auch die Kosten rellen Angebot locken. Dennoch sollte Busse, Geschäftsführendes Präsidialmit- berücksichtigen, die der Staat mit der hohe Stellenwert der ländlichen Ge- glied des Bayerischen Gemeindetags,trug Förderungen (getragen durch alle genden für Herz und Seele nicht gering dabei die vielschichtige Faktenlage zu- Bürger der Gesellschaft) finanziert. geschätzt werden. Warum sonst zieht es sammen und warf entscheidende Fra- Auch Kosten, die zum Beispiel durch die Großstädter am Wochenende ge- gen auf. Auf den Seiten 219 bis 221 ha- Folgen wie Umweltschäden entste- radezu magnetisch raus aufs Land? ben wir seinen Vortrag für Sie abge- hen, müssten berücksichtigt werden. druckt. Demnach ist Strom aus Wasserkraft mit 6,5 Cent pro Kilowattstunde am Bayerischer Gemeindetag günstigsten, gefolgt von auf dem Demokratie Land erzeugter Windenergie mit Politische Gespräche Vertrauen in die 7,6 Cent pro Kilowattstunde. Strom beim Spargelessen aus Atomkraft und Kohle liegt zwi- Auf den Seiten 228 und 229 finden Sie Kommunen schen 12 und 13 Cent pro Kilowatt- Impressionen von mehreren Treffen der stunde. Am teuersten ist Strom aus Viel ist in den letzten Monaten vom Repräsentanten des Bayerischen Gemein- Photovoltaikanlagen (Sonnenener- „Wutbürger“ geschrieben worden. Seit detags mit Spitzenpolitikern und Vertre- gie), der laut den Experten eine „Stuttgart 21“ ist immer stärker erkenn- tern der bayerischen Wirtschaft beim „Anschubfinanzierung“ erfährt. bar, dass sich die Bürger gegen Groß- gemütlichen Spargelessen in Abensberg. projekte auflehnen, deren Sinn oder Fi- Solche Treffen mögen ihren Nutzen nanzierbarkeit sie nicht einsehen. Prof. nicht auf den ersten Blick offenbaren. Dr. Christian O. Steger, der ehemalige Bürgerinnen und Bürger annehmen, Sie sind dennoch wichtig, um in einer Hauptgeschäftsführer des Gemeinde- dort mehr Einfluss zu haben. Diese Stär- angenehmen Gesprächskultur aktuelle tags Baden-Württemberg, beschäftigt kung der demokratisch-politischen Funk- politische Themen zu besprechen und sich in seinen Ausführen auf den Seiten tion kommunaler Selbstverwaltung im den „direkten Draht“ zu Politik und Wirt- 222 bis 226 mit den aktuellen Facetten repräsentativen System einschließlich schaft aufrecht zu erhalten. des „Wutbürgers“, bezogen auf die kom- ihrer ausgewogenen direktdemokrati- munale Ebene. Dabei kommt er zur Er- schen Möglichkeiten kann die Demokra- kenntnis, dass durch die Komplexität tie im Gesamtstaat stärken. Er mahnt Zum Titelbild der Politik in Deutschland und in der Folge Undurchschaubarkeit der Entschei- daher sowohl die nationale als auch die europäische Ebene an, die Möglichkei- Deutschland – Land dungsgänge die Bürger frustriert und ten und Bürgernähe der Kommunen nicht der Ideen zunehmend verärgert sind. Die vielbe- nur zur Umsetzung oder zum kommuni- Diesmal kein Rathaus. Sondern viele schworene „Politikverdrossenheit“ kann kativen Verkauf europäischer Politik zu fröhlich dreinblickende Menschen, die alsbald in eine „Demokratieverdrossen- nutzen, sondern umgekehrt auf die Be- sich über die Auszeichnung „Ausgewähl- heit“ umschlagen. dürfnisse lokaler Einheiten nach Selbst- ter Ort 2011“ des Wettbewerbs „365 Prof. Dr. Steger spricht sich im Ergebnis bestimmung einzugehen und im Sinne Orte im Land der Ideen“ freuen. Die für Reformen des politischen Systems im der Subsidiarität Freiheit der örtlichen Stadt Schwarzenbach a.d. Saale hat mit Sinne einer Stärkung der kommunalen Entscheidung zu gewährleisten. So kön- dem Schülerprojekt „Bevölkerungsent- Entscheidungskompetenzen aus, weil die ne ein Teil der „Wut“ verfliegen. wicklung meiner Gemeinde“ der Stratcon
Bayerischer Gemeindetag • QuintEssenz 218 GbR am Wettbewerb teilgenommen – und die unabhängige Jury überzeugt. Aus 2.600 eingereichten Bewerbungen repräsentiert die Stadt mir ihrer zu- kunftsfähigen Idee Deutschland als das „Land der Ideen“. Näheres hierzu können Sie auf den Seiten 244 und 245 nachlesen. Dokumentation Strukturschwache Auch wenn der eine oder andere Medizin-Skandal für negative Schlagzeilen Räume stärken! gesorgt hat: Der Arzt steht im Ansehen seiner Mitmenschen weiter ganz oben. 82 Prozent aller Befragten schätzen den Beruf des Mediziners am meis- Unter der Rubrik „Dokumentation“ fin- ten. Mit deutlichem Abstand folgt auf Platz zwei der Imageskala ein weiterer den Sie ein Positionspapier des Bayeri- Klinikberuf: die Krankenschwester. Alle weiteren Berufe können nicht ein- schen Gemeindetags, das die beiden mal jeden zweiten Befragten Achtung abringen: Am besten schneiden noch Vizepräsidenten des Verbands, Josef Lehrer und Handwerker ab, die von 42 bzw. 31 Prozent genannt werden. Be- Mend (Iphofen) und Klaus Adelt (Selbitz) sonders wenig Ansehen genießen bei den Deutschen Banker und Fern- anlässlich einer Anhörung des Aus- sehmoderatoren: Ihr Image stand nur bei vier Prozent der Befragten hoch im schusses für Wirtschaft, Infrastruktur, Kurs. Verkehr und Technologie des Bayeri- schen Landtags am 26. Mai 2011 vorge- tragen haben. Nachdem das Gutachten des Zukunftsrats der Bayerischen Staats- regierung Anfang des Jahres für Em- pörung im ländlichen Raum des Frei- staats gesorgt hatte, wollten sich die Volksvertreter anhören, welche Positio- nen die Vertreter der ländlichen Gegen- den des Freistaats vertreten. Dabei wur- de deutlich, dass eine Konzentration der Kräfte auf die ohnehin starken Ballungs- räume nicht die Zukunft Bayerns sein kann.Vielmehr muss der ländliche Raum gestärkt werden. Das A und O sind Arbeitsplätze und eine attraktive Infra- struktur. Dokumentation Feuerwehrbeschaf- fungskartell Der Kreisverband Berchtesgadener Land des Bayerischen Gemeindetags hat am 30.März 2011 eine Resolution zum Feuer- wehrbeschaffungskartell zu Lasten der Städte und Gemeinden gefasst. Darin sprechen sich die Bürgermeister des Kreisverbands dafür aus, dass neue Modelle der kommunalen Zusammen- arbeit geprüft werden und sich Fach- Fast zwei Drittel aller Bundesbürger begeben sich mehrmals in der Woche in verband und Innenministerium dafür die Natur. Bevorzugtes Ziel der Erholungsuchenden ist der Wald (61 Pro- einsetzen, dass die bestehenden Nor- zent). Auf Felder und Wiesen zieht es 46 Prozent der Bürger; in den Garten men für Grundmodelle von Feuerwehr- – in den eigenen oder in den von Freunden und Bekannten – gehen 44 Pro- fahrzeugen konsequenter eingehalten zent. Das ergab eine Umfrage im Auftrag des Bundesumweltministeriums. werden. Die meisten verbinden mit einem Ausflug in die Natur Gesundheit und Erho- lung. Jeder zweite hat schöne Kindheitserinnerungen an Ausflüge ins Grüne Die Resolution haben wir unter der und möchte diese positiven Naturerfahrungen auch seinen Kindern nahe- Rubrik „Dokumentation“ für Sie abge- bringen. druckt.
6/2011 Bayerischer Gemeindetag 219 Was für Bayerns Städte und Gemeinden Der GAU von Fukushima hat wie bei der Energiewende zienz sowie kontinuierlicher Aus- ein Katalysator auf die deutsche bau erneuerbarer Energien. Mit Energiepolitik gewirkt.Der Wech- wichtig ist* diesen Fragen beschäftigen sich sel zu den Erneuerbaren Energien ja auch die drei Fachblöcke der als neues Standbein der deut- heutigen Veranstaltung. Außer- schen und bayerischen Energie- dem betonen alle Konzepte, dass versorgung und die Überschrei- Energiepolitik natürlich nicht nur tung der Brücke „Atomkraft“ Dr. Jürgen Busse, Strom bedeutet, sondern auch soll nun mit einer Schnelligkeit Geschäftsführendes Wärme und Verkehr. Zur Ver- kommen, der die früheren Rot- Präsidialmitglied des deutlichung: Mit fast 180 Terra- Grünen Atomausstiegsverträge Bayerischen Gemeindetag wattstunden pro Jahr liegt der noch übertrifft. Auch wenn das Energieverbrauch für Wärme in letzte Wort noch nicht gespro- Bayern über doppelt so hoch chen ist und die Koalition bislang kei- Abrupte Schwenks haben bei allen wie der des Stromsektors (85 Terra- ne gemeinsame Sprachregelung ge- Risiken einen Vorteil: Wohl dosierte, wattstunden/a). Und der Verkehrssek- funden hat, so ist das neue Energie- langfristig angelegte Umsteuerungen tor benötigt über 120 Terrawattstun- konzept der Staatsregierung „Energie laufen eher unmerklich ab. Eine Ener- den pro Jahr. Dennoch ist die aktuelle innovativ“ in jedem Falle ambitio- giewende, wie sie jetzt vollzogen wer- Debatte auf die Stromversorgung fi- niert: Das CSU-geführte Umweltminis- den soll, hat dagegen Brennglasfunk- xiert, da es gilt den hohen bayeri- terium nennt als Zielmarge für Bayern tion: Für alle wird deutlich, was sich schen Atomstromanteil zu ersetzen. 2020, „spätestens 2022“. Das Wirt- ändern soll, die Auswirkungen sind Erlauben Sie mir deshalb, dass ich schaftsministerium spricht von„einem transparenter und alle Beteiligten sind mich in meinem Eingangsstatement Zeitraum von 15 Jahren“, also spätes- gezwungen, Stellung zu beziehen. Wir ganz auf diesen Aspekt konzentriere tens 2026. wollen nicht verhehlen, dass auch die und hierzu die entscheidenden Fra- kommunalen Spitzenverbände ange- gen aus kommunaler Sicht heraus- sichts des atemberaubenden Meinungs- arbeite: schwenks in der Staatsregierung erst I. die kommunale Position finden müs- sen. Wir möchten deshalb die insge- Der Ausstieg aus der Kernenergie in samt fünfteilige Veranstaltungsreihe einem Zeitraum von zehn bis 15 Jah- nutzen, mit Ihnen, als Vertreter von in ren wird kommen. Union und FDP lie- der Energiepolitik besonders versier- gen eher marginal auseinander, auch ten Gemeinden, die kommunale Posi- die Ethikkommission bewegt sich in tion zu diskutieren. diesem Rahmen. Man kann angesichts der europäischen Dimension von Atom- Sowohl die Pläne der Bundesregie- unfällen und der Wahrscheinlichkeit rung, wie das Energiekonzept der von GAUs bei den deutschen Kern- Staatsregierung predigen selbstver- ständlich den sogenannten energie- * Statement anlässlich der Auftakt-Veranstaltung der Dr. Jürgen Busse politischen Dreisprung, also Energie Regionalveranstaltungen zur Energiewende am 16. Mai sparen, Steigerung der Energieeffi- 2011 in Barbing BAYERISCHER Geschäftsführendes Präsidialmitglied Dreschstraße 8, 80805 München Marina Ottendorfer, Tel. 0 87 09 / 92 17-60 Direktor Dr. Jürgen Busse Tel. 0 89 / 36 00 09-30, Fax 0 89 / 36 00 09-36 Margit Frey (BayGT),Tel. 0 89 / 36 00 09-13 GEMEINDETAG Verantwortlich für Redaktion und Erscheinungsweise monatlich; Bezugspreis Druck, Herstellung und Versand: Herausgeber und Verlag: Anzeigen: EUR 33,– jährl.; bei Mitgliedern im Beitrag enth. Druckerei Schmerbeck GmbH Bayerischer Gemeindetag, Wilfried Schober, Direktor beim Anzeigenverwaltung: Gutenbergstr. 12, 84184 Tiefenbach b. Landshut Körperschaft des öffentlichen Rechts; Bayerischen Gemeindetag Druckerei Schmerbeck GmbH Tel. 0 87 09 / 92 17-0, Fax 0 87 09 / 91 57 25
220 Bayerischer Gemeindetag 6/2011 kraftwerken sicher Gegenargumente hält existentielle Bedeutung. Der am len: Bis 2021 zusätzliche (Bestand: finden, doch müssen die neuen politi- Montag vorgelegte Entwurf zum EEG 410 Anlagen) 1.000 bis 1.500 Anlagen schen Realitäten als Fakt hingenom- geht in diese Richtung: Üppige Vergü- mit 3 Megawattleistung. Es wird auf men werden. Im Übrigen schwenken tungen für Offshore-Windkraft, Kür- einen massiven Ausbau in Nord- auch unsere AKW-Anrainer Gemein- zungen bei Inshore-Windkraft und und Nordost Bayern gesetzt. Das den um, wie die Resolution der Ge- eine sehr eingeschränkte Vergütung „Söder-Papier“ hält Windenergie- meinde Geldersheim bei Grafenrhein- von PV-Freiflächenanlagen. flächen auf 150.000 bis 200.000 ha feld zeigt. Auch kann nicht behauptet Modell B: Trotz Abschaltung aller in Bayern für möglich, also immer- werden, dass ein Ausstieg zu Beginn AKWs soll weiterhin möglichst viel hin 2 bis 3% der Landesfläche, mit- der 20er Jahre vollkommen überra- Energie in Bayern erzeugen werden. hin etwa ¼ von Mittelfranken. schend käme. Das oberste Beratungs- Die Staatsregierung will mit ihrem • Rasant auch der angepeilte Zu- gremium der Bundesregierung in Konzept diesen Weg gehen: Für das wachs bei der Photovoltaik: Geplant Umweltfragen, der „Sachverständigen- Zieljahr 2021 ist geplant, dass nur ist annähernd eine Vervierfachung rat für Umweltfragen“ hat just im rechnerische knapp 15% (ca. 10 TWh/a) der Leistung. Das „Söder-Papier“ Januar ein knapp 700 Seiten dickes als Importbedarf notwendig sind. Gut spricht von einer Gesamtfläche (ein- Ausstiegszenario vorgelegt, wie eben ein Drittel des Strombedarfs soll durch schließlich Dachflächen) von rund bis zu dieser Zielmarke auf Atom- Kraftwerke auf fossiler Basis erzeugt 15.000 ha, also knapp 3 Mal die Flä- strom verzichtet werden kann und werden – wofür ein Zubau von fünf che des Starnberger Sees. dennoch dem Klimaschutzzielen Ge- Gaskraftwerken mit einer jährlichen • Ambitioniert selbst die Pläne bei nüge getan wird. Erzeugungskapazität von über 14 TWh der Biomasse: Auf weiteren 100.000 geplant ist. Den Löwenanteil mit über ha (derzeit 400.000 ha) sollen auf II. der Hälfte des bayerischen Strombe- landwirtschaftlicher Nutzfläche nach- Bis zum Ausstiegszeitpunkt gehen darfs sollen die erneuerbaren Ener- wachsende Rohstoffe angebaut wer- alle Annahmen von einem konstan- gien übernehmen. Dies bedeutet eine den. Die Stromgewinnung soll um ten Strombedarf in Bayern von 85 Ter- Verdoppelung (derzeitiger Anteil 23,3%) fast 50% auf 8 TWh/a (bislang 5,8 rawattstunden (2009 exakt 85,4 Mrd. der Erzeugungsmenge in zehn Jahren! TWh/a) gesteigert werden. kWh) pro Jahr aus. Dies ist angesichts • Sogar die traditionell in Bayern äu- der hinzukommenden Elektroautos III. ßerst starke Wasserkraft soll Zu- durchaus eine Herausforderung. Die wächse verbuchen: Eine Erzeugungs- Kernenergie hat derzeit einen Anteil Der Bayerische Gemeindetag und auf- grund entsprechend eindeutiger Äu- steigerung um 15% ist anvisiert (dann von deutlich über 50%, an der Ener- 17% des bay. Stromverbrauchs). Seit gieerzeugung, exakt gesagt, sind bis ßerungen der Stadtwerke, gehe ich davon aus, auch im Sinne des Städte- langem ist auch wieder von einem zum Ausstiegszeitpunkt in Bayern gute Zubau bei der Kleinwasserkraft die 48 Terrawattstunden (57,6%) pro Jahr tags zu sprechen, hat sich klar positio- niert: Wir begrüßen das Ziel, mög- Rede – allerdings nur an vorhande- zu ersetzen. Die Herausforderungen nen Querbauwerken. für Bayern sind daher im Vergleich zur lichst viel Wertschöpfung in Bayern bundesweiten Betrachtung, wo der zu halten bzw. zu mehren. Wir sehen Wir bekennen uns dazu, dass diese Atomstrom nur 29% ausmacht, we- hier große wirtschaftliche Chancen Potentiale gehoben werden. Aller- sentlich größer. für den ländlichen Raum. dings müssen die Gemeinden das Steuerrad in der Hand behalten. Des- Wenn man nicht sämtliche Klimaschutz- Allerdings muss uns klar sein, dass die halb haben wir uns als Gemeindetag ziele über Bord werfen will, kommt Verwirklichung der Pläne der Staats- für eine grundlegende Umstrukturie- eine Substitution durch fossile Ener- regierung in den nächsten zehn Jah- rung der Außenbereichsregelung im gieträger nur in einem bedingten ren die bayerische Landschaft, spe- BauGB ausgesprochen. Was wir vor- Umfang in Frage. Für Bayern zeichnen ziell den ländlichen Raum, erheblich schlagen, klingt zunächst nach einer sich deshalb für die Energiewende verändern wird. Außerdem werden Einschränkung der kommunalen Pla- grob skizziert zwei Modelle ab: wir – bei allen Einsparungs- und Effi- nungshoheit: Alle Anlagen zur Nut- zienzbemühungen – wohl hinsicht- Modell A: Bayern wird in erheblichem zung regenerativer Energien,also Wind- lich des Anlagenbestands dann nicht Umfang zum Energieimporteur. So energieanlagen, Wasserkraftanlagen, stehen bleiben, da ja auch noch ein setzen die Modellrechnungen des aber auch Biomasseanlagen und PV- erheblicher Energiebedarf für den Sachverständigenrats für Umweltfra- Anlagen sollen eine „relative“ Privile- Wärme- und Verkehrsbereich besteht. gen insbesondere auf große Wind- gierung erhalten. Diese Anlagen sol- kraftanlagen in der Nordsee offshore Einige Zahlen: len im Außenbereich grundsätzlich und in den Küstenregionen inshore. • Zuallerst die Windkraftanlagen, die zulässig sein, jedoch unter dem Vor- Der favorisierte Stromverbund mit Dä- mit über 20% des Strombedarfs behalt, dass die Gemeinde nicht im nemark und Norwegen, zwecks Spei- zukünftig den größten Anteil am er- Rahmen einer umfassenden „Ener- cherung in Pumpspeicherwerken, er- neuerbaren Energiemix haben sol- gieleitplanung“, durch Darstellungen
6/2011 Bayerischer Gemeindetag 221 im Flächennutzungsplan, bestimmte richten, indem am Betrieb der erfor- EEG-Anreize in möglichst großen Um- Standortzuweisungen für derartige derlichen EE-Anlagen verdient wer- fang an die öffentliche Hand zurück- Anlagen vorgenommen hat. Der Ge- den kann. Und zur Akzeptanzförde- fließen? Sollten wir deshalb nicht meinde soll dabei ermöglicht werden, rung sollen möglichst viele vor Ort wieder stärker betonen, dass Energie- sich für eine bestimmte Energieform mitverdienen. Dieser Weg ist sicher versorgung kommunale Daseinsvor- zu entscheiden oder auch einen Ener- besser, als den für unsere Bürger in sorge ist? giemix zu regeln, solange einer oder jedem Fall teuren Umbau der Energie- Sicher wird es wenig zielführend sein, mehrerer der genannten Energieer- versorgung im Wesentlichen durch wenn nun Gemeinden mit weniger zeugungsformen eine substantielle Be- die großen Vier zu bewerkstelligen. als tausend Einwohnern Gemeinde- deutung eingeräumt wird. Wir beken- werke gründen. Aber es gibt erfolg- Aber: Was bedeutet das für die nen uns damit zu den ehrgeizigen reiche Modelle der interkommunalen Energiekosten? bayerischen Ausbauplänen für erneu- Zusammenarbeit im Energiesektor erbare Energien, überlassen es aber Heute liegen wir bei den konven- (z.B. KommEnergie Puchheim) oder der Gemeinde, für welche Energie- tionellen Energieträgern bei Strom- die Ausweitung von Stadtwerken auf form sie sich entscheidet. gestehungskosten um die sechs Cent die Umlandgemeinden. Mit der Re- Die Staatsregierung hat im Energie- pro kWh. Der Sachverständigenrat für kommunalisierung mehrerer Verteil- konzept unseren Vorschlag aufge- Umweltfragen, der sicher nicht ver- netze in Bayern zeichnet sich hier ein griffen. Ich will aber nicht verhehlen, dächtigt ist, die Kosten zu hoch zu Trend ab. In jedem Fall sehen wir die dass dieser in der kommunalen Fami- rechnen, geht bei den erneuerbaren Städte und Gemeinden nicht bloß als lie nicht auf uneingeschränkte Zu- Energien für 2020 von Gestehungs- Vorbild für Energieeffizienzmaßnah- stimmung stößt. Aber wir als Gemein- kosten von 12 bis 13 Cent pro kWh men, sondern als qua Verfassung detag sehen dies als Möglichkeit zu aus. Heute schon liegt der EEG-Zu- Verantwortliche für die örtliche Ener- verhindern, dass die Gemeinden von schlag, bei einem Anteil der erneuer- gieversorgung. Entsprechend sollten den EE-Anlagen überrollt werden. baren Energien an der Stromerzeu- die Städte und Gemeinden jedenfalls gung in Deutschland von 17%, bei verstärkt darauf schielen, selbst die IV. 3,53 Cent pro kWh. Die Staatsregie- Trägerschaft für Energieerzeugungs- rung plant für 2021 einen Anteil von anlagen zu übernehmen. Entscheiden wir uns für den Weg 50% nur des regional erzeugten Stroms einer größtmöglichen bayerischen Meine sehr verehrten Damen und aus erneuerbaren Energien-Anlagen, Herren, ich könnte hier mit Ihnen Energieerzeugungsquote – ohne er- hinzu käme noch der zusätzlich erfor- gänzende Energieimporte wird es noch über viele Facetten der vor- derliche Importstrom aus EE-Wind- liegenden Konzepte für zukünftige keinesfalls funktionieren, da sind sich kraftanlagen. Daneben ist noch mit alle Konzepte einig – stellt sich die Energiepolitik sprechen, z.B. dass sich erheblichen Steigerungen bei den die Staatsregierung unserer Forde- Frage nach der Rolle der Kommu- Netznutzungskosten, die nach heu- nen. Neben den dargestellten pla- rung angeschlossen hat, den Investi- tigem Stand bereits über ein Drittel tionspakt der energetischen Sanie- nungsrechtlichen Überlegungen be- des Nettostrompreises ausmachen, zu grüßen wir als Gemeindetag sehr, rung sozialer Infrastruktur wieder auf- rechnen: Sowohl im Übertragungs- leben zu lassen und auch für die dass die Staatsregierung in Abstim- wie im Verteilnetzbereich sind erheb- mung mit den kommunalen Spitzen- Straßenbeleuchtung nochmals zins- liche Investitionen erforderlich. Die verbilligte Darlehen geplant sind. verbänden eine Initiative plant, um Staatsregierung schreibt in ihrem Kon- die bestehende Gewerbesteuerzerle- Aber da ich davon ausgehe, dass der zept dann auch, dass der gesamte heutige Vormittag hierzu an anderer gungsregelung für Windkraft auf alle Umbau der Energieversorgung in erneuerbare Energieanlagen auszu- Stelle noch Gelegenheit bietet, ging Deutschland Investitionen in Höhe es mir darum, Ihren Blick auf die weiten. von rund 200 Mrd. Euro erfordere. Im anstehenden Umwälzungen bei der Aber müssen wir nicht weiter denken? Konzept heißt es auch: Die Energie- Energieerzeugung zu richten, um hier kosten werden steigen. Ich möchte da eine Positionierung der Kommunen Die bisherigen Konzepte führen zum deutlicher werden: Ich sehe das all- voranzutreiben. einen den bisherigen EEG-Ansatz seits gepriesene, energiepolitische Ziel- weiter. Das heißt Private sollen ani- dreieck „sicher, bezahlbar, umwelt- miert werden, durch Einspeisever- verträglich“ vor einer erheblichen gütungen bzw. durch Boni auf den Deformation. Eigenverbrauch weitere EE-Anlagen zu errichten. Zur Akzeptanzförderung Die Gretchenfragen sind deshalb für vor Ort werden Bürgerbeteiligungs- mich: Wie können wir den Umbau modelle in Form von Genossenschaf- unserer Energieversorgung möglichst ten oder Fonds vorgeschlagen. Grund- kostengünstig bewerkstelligen? Muss gedanke ist also: Der Markt soll es nicht zumindest das Ziel sein, dass die
222 Bayerischer Gemeindetag 6/2011 Vertrauen in die Kommunen – Was halten die „Wutbürger“ Durchschaubarkeit – Politik- von den Institutionen? – spiel unter vielen, illustriert, der verdrossenheit andernorts dargestellt wird. Schon auf nationaler Ebene ist Im Folgenden sollen in einem die Politik in Deutschland mit ersten Teil zunächst einige Aus- seinem föderalen Aufbau für gangspunkte benannt werden, Nicht-Fachleute, und das ist die gerade für das Vertrauen in nun einmal die größte Zahl aller die kommunale Selbstverwaltung Bürgerinnen und Bürger, kaum wichtig erscheinen. In Ergänzung mehr durchschaubar. Dies gilt sollen einige von der Universi- Prof. Dr. Christian O. Steger, tät Stuttgart9 erhobene Meinungs- noch stärker für die europäi- Universität Stuttgart1 sche Politik und Rechtssetzung. äußerungen dargestellt werden. Politikgestaltung und Politik- durchsetzung vollziehen sich im euro- gesellschaftlicher Wertewandel wird Keine Gleichsetzung der Ebenen im päischen Mehrebenensystem als kom- für den vielfach registrierten Ver- Staat plexes Zusammenwirken nationaler trauensverlust in „die Institutionen“ Es wäre ein grober Fehler, die Ent- und transnationaler Institutionen und verantwortlich gemacht.4 Vor ca. 30 scheidungsebenen von der Gemein- Akteure.2 Nicht zuletzt durch diese Jahren tauchte in der deutschen De- de oder Stadt über Land und Bund bis Komplexität und in der Folge Un- batte der Begriff der „Politikverdros- hinauf zum europäischen Gesetzge- durchschaubarkeit der Entscheidungs- senheit“ auf. Der Begriff ist schillernd. ber bezüglich der Bildung politischen gänge werden die Chancen der Bür- Viele meinen, dass es sich dabei weni- Vertrauens und der dafür notwendi- ger, auf politische Entscheidungen ger um einen Überdruss an der Demo- gen Maßnahmen gleichzusetzen. Die Einfluss zu nehmen, schwächer.3 Die- kratie im Allgemeinen als um eine Bürgerinnen und Bürger tun das näm- se fehlende Transparenz führt nahezu spezifische Verdrossenheit der Wähler lich auch nicht, wie alle Umfrage- zwangsläufig zu Frustrationen, zu- über die Verhaltensweisen der politi- daten zeigen. Und um ihr Vertrauen mindest bei den Interessierten unter schen Parteien bzw. über das Handeln den Staatsbürgerinnen und Staats- geht es schließlich. Überdies werden oder Nicht-Handeln des aus den Par- bürgern. Frust produziert nicht nur die Kommunen und ihre spezielle Be- teien hervorgegangenen politischen politischen Ärger im Einzelfall, son- deutung für „die Institutionen“ der Führungspersonals handle.5 Am 17. De- dern auch möglicherweise dauerhaf- Demokratie zu wenig in den Blick zember 2010 wurde gar der „Wut- te Vertrauensverluste. Aber auch ein genommen, obwohl sie seit alters her bürger“ als Wort des Jahres 2010 kre- als „Grundschule der Demokratie“10, iert. „Wutbürger“ stehe für die Empö- als „Graswurzeldemokratie“, als Mus- rung in der Bevölkerung, „dass politi- ter eines volksnahen Systems der ge- sche Entscheidungen über ihren Kopf gliederten repräsentativen Demokra- hinweg getroffen werden“.6 Bundes- tie11, und schließlich als wichtiges Ele- tagspräsident Lammert hat dieses ment der vertikalen Gewaltenteilung12 Wort als „Medienerfindung“ charak- im demokratischen Staat gepriesen terisiert.7 Jedenfalls scheint die „Zau- werden. Das Folgende soll sich also berformel der Bundesrepublik“, die im Wesentlichen auf die kommunale „Legitimation durch Verfahren“ (Luh- Ebene beschränken. mann) heute nicht mehr zu wirken, „nicht nur in Stuttgart, aber dort be- Man kann die Notwendigkeit einer sonders offenkundig“.8 Zunehmend Differenzierung auch an Wahlen fest- scheinen auch der lokalen Ebene ge- machen: Kommunalwahlen sind in genüber solche Erscheinungen „ab- der Regel Persönlichkeitswahlen.Wah- zufärben“. Das wirkt sich bei größeren len zum nationalen oder gar europäi- Projekten, ob Kraftwerkstandorte, Lei- schen Parlament sind weitgehend Lis- tungstrassen, Brücken aus, selbst wenn tenwahlen über die politischen Par- Prof. Dr. Christian O. Steger die Kommune nicht Hauptakteur ist, teien. Nicht ohne Grund gibt es in wie der Fall „Stuttgart 21“, als ein Bei- Deutschland, insbesondere in den süd-
6/2011 Bayerischer Gemeindetag 223 lichen Bundesländern, viele nicht in Parteien gebundene Mitglieder der Gemeinderäte und Bürgermeister. Die sog. Rathausparteien sind z.B. im Land Subjektive politische Kompetenzgefühle in der BRD Baden-Württemberg statistisch sogar (in % aller Befragten) Institut für Sozialwissenschaften (SOWI I) die stärkste politische Kraft.13 Damit aber herrschen in den Kommunen Europa ganz andere Beziehungen zwischen 89,7% 8,4% den Bürgern und ihren gewählten Re- präsentanten als auf regionaler Ebene 84,9% 14,7% Bund in den Ländern oder gar im National- staat. Dort kennt man den gewählten Kandidaten häufig nicht oder allen- 59,7% 39,9% Kommunen falls vom Wahlplakat, im Unterschied Nein, ich könnte Ja, ich könnte zur örtlichen Ebene. eher nichts -100 unternehmen -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 etwas unter- nehmen Schließlich noch eine Anmerkung zur Fragestellung: Angenommen, eine Verordnung oder ein Gesetz würden in diskutiert, die/das Sie als sehr ungerecht oder nachteilig betrachten. Meinen Sie, Sie könnten dagegen etwas unternehmen oder könnten Sie dagegen eher nichts nötigen Differenzierung: die vielen unternehmen? Quelle: Repräsentative Bevölkerungsumfrage in der BRD im Auftrag der Freiherr vom Stein Akademie und des Instituts für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart, Januar 2008. kleinen Kommunen in Europa weisen PD Dr. Angelika Vetter Freiherr vom Stein Akademie, Februar 2008 ganz andere Entscheidungsstruktu- ren und Entscheidungsmechanismen auf als einmal die großen Städte14 Grafik 1 und zweitens die stärker „politischen“ Ebenen weiter „oben“15. Maßnahmen selbst wenn die handelnde Person als Beispielsweise sind politische Kompe- zur Schaffung von Vertrauen oder ge- honorig und vertrauenswürdig einge- tenzgefühle (siehe Grafik 1) am stärks- gen Vertrauensverluste müssen sich schätzt wird. Die Europäische Charta ten mit Bezug zur lokalen Politik ent- demgemäß an diesen Strukturen orien- der Kommunalen Selbstverwaltung, wickelt. Gefragt, ob man glaubt, im tieren, so sehr es gemeinsame Grund- die von allen EU-Mitgliedstaaten un- Falle ungerechter oder nachteiliger linien in bestimmten Bereichen, z.B. terzeichnet ist, setzt als völkerrecht- Verordnungen oder Gesetze in der bei der notwendigen Transparenz po- licher Vertrag die europäischen Stan- Gemeinde, im Bund oder in Europa litischen Handelns, geben mag. Da- dards für Funktion und Autonomie etwas unternehmen zu können, se- raus folgt, dass die Betrachtungsweise der kommunalen Entscheidungsebe- hen annähernd 40% der Bürgerinnen der „Good Governance“ in Europa ne.18 Dementsprechend sind auch die und Bürger die Möglichkeit, in den stärker ebenenspezifisch differenziert „vertrauensbildenden Maßnahmen“ Kommunen Änderungswünsche ein- erfolgen muss.16 mit Blick auf die Städte und Gemein- bringen zu können. Auf Bundesebene den auszurichten. Wo die Standards glauben das nur 15% der Deutschen Kommunen in Europa ernster nehmen der Europäischen Charta nicht er- und im Hinblick auf europäische Ent- „Eine politische Institution ist umso reicht werden, ist sozusagen der Kata- scheidungen sind es sogar nur etwa bedeutsamer im politischen Entschei- log der notwendigen Maßnahmen je 8%. Das zeigt, „wie wichtig die Kom- dungsprozess, je weniger andere Ins- nach Lage und Mitgliedstaat mit munen gerade im Hinblick auf die titutionen ihr als mögliche Vetospie- unterschiedlichen Prioritäten anzu- Integration der Bürger in das politi- ler gegenüberstehen“.17 Demgemäß passen. sche Geschehen und damit für die kommt es bei der Betrachtung auch Demokratie sind“20. auf europäischer Ebene auf die Ge- Meinungsäußerungen und samt-Situation der kommunalen Selbst- Vertrauen der Bürger Ähnlich sind die Befunde, wenn die verwaltung im jeweiligen Mitglieds- Daten aus einer repräsentativen Be- Bürger nach ihrer allgemeinen Zufrie- staat der Europäischen Union, auf ihre völkerungsumfrage, die im Auftrag denheit mit der Demokratie gefragt Stellung im Staatsaufbau, ihre Ent- der Stuttgarter Freiherr vom Stein werden (siehe Grafik 2), so wie sie in scheidungsbefugnisse und ihre Ent- Akademie für Europäische Kommu- der jeweiligen Kommune, in Deutsch- scheidungsmöglichkeiten auch in fi- nalwissenschaften und des Instituts land oder in Europa funktioniert. Hier nanzieller Hinsicht maßgeblich an, für Sozialwissenschaften der Univer- geben 80% an, mit der Demokratie wenn Vertrauensbildung erfolgen soll: sität Stuttgart im Januar 2008 erho- vor Ort zufrieden zu sein. Die Werte Wer nichts zu sagen hat, wird von den ben wurden19, zeigen in mehreren Be- für Deutschland liegen bei 70% und Bürgerinnen und Bürgern nicht ernst reichen eine signifikant positivere Be- für Europa bei knapp unter 50%. Aller- genommen, geschweige denn, dass wertung der lokalen gegenüber der dings ist aus dem Vergleich von Um- man ihm – im konkreten Fall eher nationalen und der europäischen Po- fragewerten zu entnehmen, dass die nutzloses – Vertrauen entgegenbringt, litik. Zufriedenheitswerte in Deutschland
224 Bayerischer Gemeindetag 6/2011 worten zwischen Parlamenten bzw. Gemeinderäten und der Verwaltung bzw. der Regierung deutliche Unter- Demokratiezufriedenheit in der BRD schiede. (in % aller Befragten) Die Zahlen sind, was die lokale und Institut für Sozialwissenschaften (SOWI I) die nationale Ebene angeht, den Europa 89,7% 44,2% 8,4% 48,2% Europa Angaben der vom Ausschuss der Re- gionen und der Europäischen Kom- mission veröffentlichten Eurobarome- 29,9% Bund 69,9% Bund 84,9% 14,7% ter Spezial-Umfrage 307 vom Februar 200923 ähnlich. Sie unterscheiden sich 19,0% 79,7% Kommunen aber deutlich, was die europäische 59,7% 39,9% Kommunen Sehr unzu- frieden und Ebene angeht: In der Eurobarometer- Sehr zufrieden eher unzufrieden -100 -80 -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 und eher zufrieden Umfrage wird für die Europäische Union ein Vertrauen von 47% der Bür- Fragestellung: Wie zufrieden sind Sie alles in allem mit der Demokratie, so wie sie in … funktioniert? Sind Sie damit sehr zufrieden, eher zufrieden, eher unzufrieden oder sehr unzufrieden? Quelle: Repräsentative Bevölkerungsumfrage in der BRD im Auftrag der Freiherr vom Stein Akademie und des Instituts für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart, Januar 2008. gerinnen und Bürger dargestellt. Die Stuttgarter Daten weisen jedenfalls in Freiherr vom Stein Akademie, Februar 2008 PD Dr. Angelika Vetter Deutschland für die EU bestenfalls leicht über 20% aus, ähnliches ergibt Grafik 2 sich aus einer neueren Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allens- bach.24 erheblich schwanken können, zum Teil Auch das Vertrauen in lokale politi- Auf europäischer Ebene genießt das im selben Jahr.21 sche Institutionen und Akteure in Parlament nach der Stuttgarter Erhe- Die Zufriedenheit mit dem Funktio- Deutschland (siehe Grafik 3) ist deut- bung etwas mehr Vertrauen als die nieren von Demokratie hat immer lich höher als das Vertrauen der Men- Kommission als exekutives Organ, auf auch mit ihrer „Performance“ zu tun, schen gegenüber den korrespondie- deutscher nationaler und auf Ge- mit dem, was Demokratie konkret zu renden Institutionen und Akteuren meinde-Ebene ist es umgekehrt, wo- leisten in der Lage ist. Hier schneiden auf nationaler Ebene und Europa: Ge- bei die in Deutschland praktisch über- die Kommunen ebenfalls überdurch- fragt, ob sie den entsprechenden Ein- all direkt gewählten Bürgermeister in schnittlich ab.22 Auch das ist ein Hin- richtungen voll und ganz, weitge- ihren Vertrauenswerten stark heraus- weis, wie wichtig schon allein dieser hend, teils/teils oder eher nicht oder ragen. Teilbereich des„Daseins“ der Kommu- gar überhaupt nicht vertrauen, finden Dass in allen drei Ebenen die „Politi- nen ist. sich bei einer Differenzierung der Ant- ker“ am schlechtesten abschneiden, obwohl die besser bewerteten Gre- mien und die exekutiven Organe kon- kret aus ebensolchen Politikern be- stehen, wirft ein bezeichnendes Bild Vertrauen in politische Institutionen und Akteure auf den Berufsstand des Politikers, (in % aller Befragten) relativiert aber auch die Angaben Institut für Sozialwissenschaften (SOWI I) Politiker Europa zum Vertrauen etwas.25 Parlament Kommission Eine Rolle spielt nicht nur nach der In- ternet-Umfrage„Perspektive Deutsch- Politiker Bundestag Bund land“ von 200226 die wahrgenom- Bundesregierung mene Entfernung zu den Institutio- nen des politischen Systems (siehe Politiker Gemeinderat Kommunen Grafik 4). Vertraue Bürgermeister Vertraue voll Während immerhin noch 33 Prozent überhaupt nicht und eher nicht -60 -40 -20 0 20 40 60 80 100 und ganz, vertraue eher der Befragten die Stadt- und Gemein- Fragestellung: Ich nenne Ihnen nun einige Einrichtungen des öffentlichen Lebens. Sagen Sie mir bitte, wie sehr Sie diesen Einrichtungen vertrauen. deverwaltungen als kompetent ein- Antwortvorgaben: vertraue voll und ganz, weitgehend, teils/teils, eher nicht, überhaupt nicht. Quelle: Repräsentative Bevölkerungsumfrage in der BRD im Auftrag der Freiherr vom Stein Akademie und des Instituts für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart, Januar 2008. schätzen, sind es beim deutschen na- PD Dr. Angelika Vetter tionalen Parlament, dem Bundestag, Freiherr vom Stein Akademie, Februar 2008 nur ganze 11 Prozent. Grafik 3 Auch bei der wahrgenommenen Bür- gernähe ist der Unterschied eklatant:
6/2011 Bayerischer Gemeindetag 225 Bereich bei weitem nicht auf den Lor- beeren ausruhen kann, sondern die Verbesserung bzw. Erhaltung des Ver- trauens ständig im Auge haben und daran arbeiten muss. Die Schaffung Institut für Sozialwissenschaften (SOWI I) von Transparenz, gründlich vorberei- tete Partizipationsangebote, ausrei- chende Offenheit und Ernsthaftigkeit im Umgang mit Ergebnissen der Bür- gerbeteiligung sind Voraussetzungen des Erfolgs.28 Zum anderen: Die Bewertung ist umso schlechter, das Vertrauen umso geringer, je grö- ßer die Entfernung zwischen Bürger und Institution ist. Daraus ist einmal zu folgern, dass vertrauensbildende Prof. Dr. Christian O. Steger Maßnahmen auf örtlicher Ebene die Grafik 4 Defizite der höheren Ebenen allein wohl nicht ausgleichen können. Dies muss auf den übergeordneten staat- 39 Prozent der Bürger bewerten die Zusammenfassung lichen Ebenen als Aufgabe viel erns- Stadt- und Gemeindeverwaltungen ter genommen werden als bisher. Zum einen: als bürgernah; beim Bundestag sind Die Bürger bewerten im Vertrauens- Zum dritten: es nur noch 3 Prozent. und im Effizienzbereich die kommu- All das spricht für Reformen des poli- Schließlich wird auch die Forderung nale Ebene im Verhältnis zu den an- tischen Systems im Sinne einer Stär- erhoben, die Entscheidungskompe- deren Ebenen im Nationalstaat und in kung der kommunalen Entscheidungs- tenzen wieder näher an den Bürger Europa besser. Die Einschätzung ist kompetenzen, weil die Bürgerinnen heran zu rücken (siehe Grafik 5). 45 jedoch nach den gemessenen Werten und Bürger annehmen, dort mehr Ein- Prozent der Befragten fordern einen nicht per se dauerhaft und wirklich fluss zu haben. Diese Stärkung der größeren Einfluss der Gemeinden überzeugend. Das heißt insbesondere demokratisch-politischen Funktion und Städte. Diese Tendenz wird auch mit Blick auf die Vertrauensbildung, kommunaler Selbstverwaltung im re- durch andere Umfragen bestätigt.27 dass man sich auch im kommunalen präsentativen System einschließlich ihrer ausgewogenen direktdemokra- tischen Möglichkeiten stärkt die De- mokratie im Gesamtstaat. Die Mehrheit der Deutschen will in diesem Sinne eine bessere Unterstüt- Institut für Sozialwissenschaften (SOWI I) zung bzw. Autonomie für die Kommu- nen! Dies ist eine Mahnung auch an die europäische Ebene, die Möglich- keiten und Bürgernähe der Kommu- nen nicht nur zur Umsetzung oder zum kommunikativen „Verkauf“ euro- päischer Politik nutzen zu wollen, son- dern umgekehrt auf die Bedürfnisse lokaler Einheiten nach Selbstbestim- mung einzugehen und im Sinne der Subsidiarität Freiheit der örtlichen Entscheidung zu gewährleisten. Gera- de darin sehen die Bürgerinnen und Prof. Dr. Christian O. Steger Bürger offensichtlich die stärksten Grafik 5 Möglichkeiten eigener Einflussnahme auf Entscheidungen.
226 Bayerischer Gemeindetag 6/2011 Die Reform des politischen Systems 8. Zitat aus DIE ZEIT, 07.10.2010 Nr. 41; Eisenmann in: 19. Im Folgenden nahezu wörtliche Übernahme der Er- Stuttgarter Zeitung vom 22.10.2010, S. 27; vgl. Stutt- läuterungen der folgenden Grafiken aus:Vetter in: Ga- ist ein Bürgerziel. Es scheint so, dass garter Zeitung vom 30.10.2010, S. 24 briel/Müller-Graff/Steger (Hrsg.), Schriftenreihe des dann zumindest ein Teil der„Wut“ ver- 9. Institut für Sozialwissenschaften, SOWI I, und Freiherr Arbeitskreises Europäische Integration Bd. 68, Nomos Verlag Baden-Baden 2010, 119, 137 – 140. fliegen könnte. vom Stein – Akademie für Europäische Kommunal- wissenschaften, Stuttgart 20. Zitat Vetter in: Schuster / Murawski (Hrsg), Die regier- 10. So der Innenminister von Baden – Württemberg bare Stadt, 2.Aufl.2010, Kohlhammer, 248, 254f; Steger 1954 bei der ersten Lesung des Entwurfs der neuen in: Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 1 Rdn. 77f. mwN. Gemeindeordnung des neuen Bundeslandes, zitiert 21. Die Eurobarometer – Umfrage vom April 2006 ermit- bei Steger in: Kunze/Bronner/Katz, GemO BW, § 1 telte 55 Prozent zufriedene Bürgerinnen und Bürger. Fußnoten Rdn. 77 mwN.; Murawski in: Schuster/Murawski (Hrsg), Die Deutschlandtrend – Umfrage von Ende Oktober 1. Prof. Dr. Christian O. Steger ist Hauptgeschäftsführer Die regierbare Stadt, 2. Aufl. 2010, Kohlhammer, 39 desselben Jahres ergab nur 49 Prozent. Quelle: Der a.D. des Gemeindetags Baden-Württemberg, und 11. BVerfGE 83, 37, 54 Spiegel, 2006, http://www.spiegel.de/politik/deutsch- Honorarprofessor an der Universität Stuttgart, Institut land/0,1518,446203,00.html; Zugriff 10.9.2010 für Sozialwissenschaften 12. BVerfGE 79, 127 = BWGZ 1989, 262, 265 13. Pressemitteilung Statistisches Landesamt Baden– 22. Infratest Dimap, Sachsen-AnhaltTREND, Mai 2009 2. Gabriel in: Gabriel/Müller-Graff/Steger (Hrsg), Kommu- Württemberg vom 16.6.2009, BWGZ 2009, 470 23. z.B. http://www.netzwerk-zukunftsstaedte.de/dstgb/ nale Aufgaben im Europäischen Binnenmarkt, Schrif- tenreihe des Arbeitskreises Europäische Integration 14. Ellwein BWGZ 1980, 274, 276; zum Teilaspekt der Wahl- homepage/artikel/schwerpunkte/europa/aktuell/euro- Bd. 68, Nomos Verlag Baden-Baden 2010, 95 beteiligung nach Ortsgrößen siehe Vetter in: Vetter barometer_umfrage_kommunen_haben_in_euro- (Hrsg), Erfolgsbedingungen lokaler Bürgerbeteiligung, pa_das_groesste_vertrauen_des_buergers/einfluss- 3. Ebenso Vetter in: Gabriel/Müller-Graff/Steger (Hrsg), VS Verlag 2008, 49, 58, 64 gemeindeneurobarfeb09dtld.pdf, Letzter Zugriff 14.03. Kommunale Aufgaben im Europäischen Binnenmarkt, 2011 Schriftenreihe des Arbeitskreises Europäische Inte- 15. Siehe etwa das BVerfG zu direktdemokratischen Ele- gration Bd. 68, Nomos Verlag Baden-Baden 2010, 119, menten auf Bundesebene und in den Kommunen, 24. FAZ vom 25.01.2011, http://www.faz.net/s/Rub99C3E 120 BVerfGE 79, 127 = BWGZ 1989, 262, 265 ECA60D84C08AD6B3E60C4EA807F/Doc~EAE005CA 16. Zur Bedeutung der lokalen Demokratie in diesem Zu- 324524217B16D205CA47FBE88~ATpl~Ecommon~S 4. Klages/Daramus/Masser, FÖV Discussion Papers 15, content.html, Zugriff 12.03.2011 Speyer 2004, 19 sammenhang siehe Gabriel in: Gabriel/Müller-Graff/ Steger (Hrsg), Schriftenreihe des Arbeitskreises Euro- 25. Vgl. auch Vetter in: Schuster/Murawski (Hrsg), Die 5. Vgl. von Lucke, „Demokratie ohne Volk“?, Blätter für päische Integration Bd. 68, Nomos Verlag Baden- regierbare Stadt, 2. Aufl. 2010, Kohlhammer, 248, 255 f. deutsche und internationale Politik 7/2010, 5, http:// Baden 2010, 95 ff. www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/2010/juli/demo- 26. http://www.stern.de/politik/perspektivedeutsch- 17. Zitat Vetter in: Vetter (Hrsg), Erfolgsbedingungen loka- land/perspektive-deutschland-2002-so-wollen-wir- kratie-ohne-volk, letzter Zugriff 12.3.2011 ler Bürgerbeteiligung, VS Verlag 2008, 49, 59 leben-506934.html, letzter Zugriff 12.03.2011 6. Die deutsche Gesellschaft für Sprache (GfdS) wählt 18. Zur Vielfalt kommunaler Selbstverwaltung in Europa jeweils prägnante Begriffe aus den Medien zum Wort 27. z.B. TNS-Emnid Studie, berichtet in „Die Welt“ vom siehe Vetter in: Gabriel/Müller-Graff/Steger (Hrsg.), des Jahres: http://www.tagesschau.de/inland/wort- 10.9.2003 Schriftenreihe des Arbeitskreises Europäische Inte- desjahres106.html, Zugriff 12.3.2011 gration Bd. 68, Nomos Verlag Baden-Baden 2010, 119, 28. Gabriel in: Schuster/Murawski (Hrsg), Die regierbare 7. Stuttgarter Zeitung vom 22.12.2010, S. 4 122 ff. Stadt, 2. Aufl. 2010, Kohlhammer, 164, 188 f.
6/2011 Bayerischer Gemeindetag 227 (Fast) 100 Jahre Bayerischer Gemeindetag Im nächsten Jahr kann der Bayerische Gemeindetag auf 100 Jahre Verbandsgeschichte zurückblicken. Seit seiner Grün- dung im Jahr 1912 gibt unser Verband eine regelmäßig erscheinende Zeitschrift heraus. Sie erschien bis zur Gleichschal- tung der kommunalen Spitzenverbände während des Nationalsozialismus als offizielles Verbandsorgan unter dem Titel „Der bayerische Bürgermeister“. In Erinnerung an die Leistungen der Gründerväter und um Sie, die verehrten Leserin- nen und Leser unserer heutigen Verbandszeitschrift, neugierig zu machen auf unsere große Jubiläumsveranstaltung, bringt der„Bayerische Gemeindetag“ Ernstes, Heiteres, Besinnliches und auch manches, was uns heute absonderlich er- scheint, aus den Anfangsjahren des größten bayerischen kommunalen Spitzenverbands. Demografische Entwicklung anno dazumal –„Leutenot“ (1913, S. 41) Jugendpflege, dieses große Vermächtnis unseres nun in Gott ruhenden Prinzregenten Luitpold, das allgemach auch auf dem Lande draußen verständnisvolle Aufnahme findet, empfiehlt der Deutsche Verein für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege als ein wirksames Mittel gegen die Landflucht, gegen die Neigung der schulentlassenen jungen Burschen und Mädchen, der ländlichen Scholle zu entfliehen und in der Stadt ungewissen Glücksträumen nachzujagen, die sich nur zu oft nicht erfüllen wollen und mit all dem Elend enden, das in der Großstadt so viele im Kampfe ums Dasein schei- tern lässt, während draußen in der ländlichen Heimat Eltern, Geschwister und Verwandte unter der Leutenot leiden, die das Behaupten der ererbten Heimstatt zu hartem Ringen macht. Und diese Heimstatt soll doch der Stolz des Land- bewohners sein, jedes Opfers wert. Ja, auf solches Heim und das darin wurzelnde Heimatsbewusstsein darf einer stets stolz sein, ob auch mal ein Städter – in Altbayern nennen sie ihn „Stadtfrack“ – die Nase ob dem „Bauernstolze“ rümpfen will. Wenn den Stadtbewohner Hausherren und Mietsteigerung von Stadtteil zu Stadtteil, viele Treppen hoch, in Rückgebäude mit engen dunstigen Höfen jagen, dann wäre der selbstbewusste Stadtbewohner heilfroh, wenn er ein eigen Heim als Rückhalt wüsste, aus dem ihn keiner verscheucht. Und doch zieht es so viele junge Leute, Burschen und Mädchen, nach der Stadt, weil sie dort Freiheit, Vergnügen und goldene Berge erhoffen. Wenn sie erst einmal in den Strom der Jagd, wir wollen gar nicht sagen nach dem Glück, nur nach dem täglichen Brote untergetaucht und ihnen die Wellen der Not über dem Kopfe zusammenschlagen, dann denken gewiss viele an die ländliche Heimat mit ihrem ruhigen, gesundes sicheres Brot gewährenden Leben, an die einfache Schlafkammer im eigenen dörflichen Heim, die ihm gegen die städtische, oft überfüllte, kärgliche Schlafstelle ein Palast dünken mag. Man mag das der jungen Welt auf dem Lande noch so oft predigen, sie wird ungläubig, ja unwillig den Kopf schütteln, dass man sie von der so ernsten Fahrt nach dem städtischen Glücke abhalten will. Da heißt es nun früh einsetzen und schon in der Schule, vor allem in der Sonn- und Feiertagsschule unserer Dorfjugend das Herz für die ländliche Heimat warm machen. Nicht gegen die Gefahren und Nöte des Stadtlebens eifern, das fordert nur den Widerspruchsgeist heraus, der heute mehr denn je in unserer Jugend steckt, aber die Schönheiten und Guttaten der Heimat den jungen Leuten erschließen, dass sie nicht mit der Gleichgültigkeit der Gewohnheit an ihnen nichtachtend vorübergehen. Viel Geduld, viel Ausdauer und Arbeit erfordert diese Jugendpflege in ihrer Entwicklung zur Heimatliebe, aber sie lohnt sich auch, denn nach Jahren wird sie der Entvölkerung des Landes doch einen Damm setzen und der Leutenot draußen steuern.
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