Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
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Diagnostik im Dialog Ausgabe 39 • 2 / 2013 der Roche Diagnostics Deutschland GmbH Beilage Anforderungskarte Thrombozyten- funktionsdiagnostik
Editorial Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, In den Schwellenländern treiben wir unser Unser wichtigstes Kapital sind unsere Mit- soziales Engagement voran, zum einen arbeiter. Wir fördern diese auf allen Ebe- bereits zum vierten Mal in Folge wurde über zahlreiche Gesundheitsinitiativen – in nen, um ihr volles Leistungspotenzial aus- Roche 2012 als weltweit nachhaltigstes der Augustausgabe 2012 von „Diagnostik zuschöpfen und wir bieten eine integrative Gesundheitsunternehmen ausgezeichnet. im Dialog“ haben wir Ihnen hierzu mehr Unternehmenskultur, die das Wissen und Der renommierte Dow Jones Sustainabi- berichtet – zum anderen über den verbes- Können eines Jeden bestmöglich nutzt. Mit lity Index (DJSI) bewertet dafür die oberen serten Zugang zu Tests und Medikamen- gezielten Programmen entwickeln wir suk- zehn Prozent der 2.500 größten Unterneh- ten in diesen Ländern. Es ist unser Ziel, zessive unsere künftigen Führungskräfte. men im Dow Jones hinsichtlich ihrer öko- dass von unseren Produkten kontinuier- Der Anteil von Frauen in Schlüsselpositi- logischen, sozialen und wirtschaftlichen lich mehr Menschen profitieren; wir möch- onen soll sich in den nächsten Jahren um Entwicklungen. Auf all diesen Feldern ten ihnen eine Chance auf Leben und auf mindestens 50 Prozent erhöhen. übernimmt Roche seit Jahren Verantwor- bessere Lebensqualität geben. Ein mögli- tung und trägt so zu einem langfristigen cher Schlüssel hierfür, der derzeit in ersten Mit all diesen Initiativen und Projekten und kontinuierlichen Fortschritt bei. Pilotprogrammen getestet wird, ist die Ent- verfolgen wir ein Ziel, das unternehmens- wicklung unterschiedlicher Preisstrategien weit gilt: Wir wollen maßgeblich zum Die diesjährige Untersuchung führte eine in diesen Ländern. wissenschaftlichen Fortschritt beitragen – Reihe von Gründen an, Roche in seiner zum Wohle der Patienten. Branche als nachhaltigstes Unterneh- Auch ökologische und soziale Standards, die men zu nennen. Dazu gehört die Strate- sich Roche seit vielen Jahren auf die Fahnen Jürgen Redmann gie, sich auf Innovationen und personali- schreibt, bewertete das Assessment des DJSI sierte Therapieansätze zu konzentrieren positiv. Beim Thema Umweltschutz verfolgen und damit den Weg zu einer Medizin zu wir ehrgeizige Ziele: Der Anteil erneuerbarer verfolgen, die bei Patienten gezielter und Energien am Gesamtenergieverbrauch soll erfolgreicher eingesetzt werden kann. Als bis 2020 auf 20 Prozent steigen, umgekehrt Pionier der Personalisierten Medizin ver- die CO2-Emission im gleichen Zeitraum um eint Roche wie kein anderes Unternehmen 20 Prozent sinken. Was tun die deutschen weltweit die Forschungs- und Entwick- Roche Standorte, um diese Ziele zu errei- lungsaktivitäten der Divisionen Pharma chen? Sie konzentrieren sich beispielsweise und Diagnostics unter einem Dach. Das auf eine Kraft-Wärme-Kopplung sowie auf generiert Vorteile für den Patienten, die Biogasanlagen und verfügen außerdem über Jürgen Redmann Geschäftsführer der Ärzteschaft, die Zulassungsbehörden und ein Umweltmanagementsystem, das von Roche Diagnostics die Kostenträger im Gesundheitssystem. externen Stellen zertifiziert ist. Deutschland GmbH Inhalt Medizin Kardiotoxizität onkologischer Therapien und die Rolle kardialer Marker ................................................................................ S. 3 Therapieassoziierte Hämostasestörungen in der Hämatologie und Onkologie ......................................................................... S. 6 Risikostratifizierung bei Lungenembolie: Stellenwert kardialer Troponine................................................................................ S. 8 Altersabhängige D-Dimer-Werte zum Ausschluss einer DVT.................................................................................................... S. 11 Sensitive Troponin-Tests: Einfache „Gebrauchsanweisung“ ....................................................................................................... S. 12 Nicht-invasive Fibrosediagnostik ................................................................................................................................................ S. 14 Internationales Roche Infektionssysmposium 4.0 ....................................................................................................................... S. 16 Labororganisation Ein Labor zum Vorzeigen............................................................................................................................................................ S. 18 „Das größte Projekt in der Geschichte unseres Labors“.............................................................................................................. S. 20 Umfassende medizinische Betreuung für Schwangere ............................................................................................................... S. 22 Produkte & Services Stolpersteine der Präanalytik...................................................................................................................................................... S. 24 Schnell, genau und vernetzt........................................................................................................................................................ S. 28 Produktnews................................................................................................................................................................................ S. 29 Veranstaltungen & Kongresse Jetzt anmelden: Fachkurse Infektiologie und Hämostaseologie.................................................................................................. S. 30 Ausgewählte Kongresse & Veranstaltungen März – Mai 2013 ................................................................................................... S. 31 2 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
Medizin Kardiotoxizität onkologischer Therapien und die Rolle kardialer Marker Prof. Dr. med. Hans Joachim Stemmler, Klinikum der Ludwig-Maximilians Universität, München Die stete Zunahme innovativer Substan- Der kardiotoxische Effekt von Trastu- den dann klinisch relevant, wenn Patien- zen und Strategien gegen Krebserkran- zumab dagegen ist direkt auf die HER2- ten – wie bei einigen Tumorarten heute kungen trägt zu verbesserten Überle- Blockade zurückzuführen. HER2 hat am möglich – hohe Langzeitüberlebensraten benszeiten onkologischer Patienten bei. Herzen eine Schutzfunktion gegenüber haben. Dies betrifft insbesondere auch Bei einigen Tumorentitäten sind diese kardialen Stressoren. Wird dieses Sys- onkologische Erkrankungen bei Kindern Fortschritte so groß, dass die Krebser- tem blockiert – wie das unter anti-HER2- und Jugendlichen 14). Das Spektrum kar- krankung sogar als „chronische Krank- Therapie der Fall ist – überwiegt der oxi- diovaskulärer Nebenwirkungen unter heit“ aufzufassen ist. Dadurch rücken dative Stress. Diese als Typ II bezeichnete Chemotherapie ist breit. Es umfasst 11): Tumortherapie-induzierte Spätfolgen zu- Form der Kardiotoxizität, führt zwar O s ymptomatische oder asymptomati- nehmend in den Fokus, ausgelöst z.B. ebenfalls zu einer verringerten Kontrak- sche Veränderungen des Blutdrucks durch die Kardiotoxizität zytostatisch tilität, aber weniger zu einem Zellunter- O t hromboembolische Ereignisse wirksamer Medikamente. Dieser Artikel gang und ist damit reversibel 3-8). OE KG-Veränderungen, Arrhythmien gibt eine Übersicht über die Pathophy OP eri- und Myokarditis siologie von Anthrazyklinen und / oder OM yokardinfarkte Trastuzumab, beschreibt die Risiko OK ardiomyopathien faktoren für kardiale Nebenwirkungen O ntwicklung einer akuten bzw. chro- E und beleuchtet die Rolle kardialer Serum- nischen Herzinsuffizienz marker im Kontext kardiotoxischer Che- motherapien. Die Kinetik spezifischer Diese Veränderungen können akut inner- Biomarker unter onkologischer Chemo halb weniger Stunden / Tage, aber eben therapie könnte zukünftig für die indivi- auch viele Jahre nach Beendigung der duelle Prognose myokardialer Schäden Chemotherapie auftreten. eine relevante Rolle spielen. Das Risiko für die Entwicklung einer Pathophysiologie klinisch relevanten Kardiotoxizität ist Die der Kardiotoxizität zugrunde liegen- individuell. Derzeit gibt es keine Modelle den pathophysiologischen Mechanismen für die valide Vorhersage, andererseits sind bisher nur zum Teil und nur für die ist die rasche Diagnose einer Chemo Anthrazykline und Trastuzumab aufge- therapie-assoziierten kardialen Kompli- klärt. kation für das Überleben bzw. die Lebens- qualität der Patienten bedeutsam. Zwar Der therapeutisch gewünschte anti Individuelle Prognosemodelle fehlen kennt man prädisponierende Faktoren proliferative Effekt der Anthrazykline Die zytostatisch wirksamen Antibiotika und Parameter, die vor einer Therapie begründet sich auf eine vielschichtige aus der Gruppe der Anthrazykline und mit kardiotoxischen Substanzen abgeklärt Inhibierung von DNA-Reparaturme- der monoklonale Antikörper Trastuzu werden müssen 15, Tab 1), dennoch erscheint chanismen. Dies stört letztendlich die mab gehören zu den Krebsmedikamen- es dringend notwendig, geeignete Metho- Proteinbiosynthese nachhaltig. Ein kar ten mit dem größten kardiotoxischen den für die kardiale Überwachung zu diotoxischer Effekt lässt sich daraus Potenzial 9–13). Die Nebenwirkungen wer- etablieren. Nur so gelingt die Identifika- aber nicht zwingend ableiten, denn das Myokard besitzt keine Möglichkeit der Faktor erhöhtes kardiales Risiko, bei … Zellreplikation (postmitotisches Organ). Alter jüngeres > höheres Lebensalter Der einzige Mechanismus, mit dem Geschlecht weiblich > männlich der Herzmuskel reagieren kann, ist die Applikationsart Bolus / Kurzinfusion > protrahierte Infusion Hypertrophie. Der Kardiotoxizität liegen Kumulative Dosis (Anthrazykline) Überschreitung der wirkstoffspezifischen Kumulativdosis / m² Körperoberfläche daher vermutlich andere Mechanismen zugrunde: Apoptose, Veränderungen der Im Einzelfall höhere Kumulativdosen möglich bei fraktionierter bzw. protrahierter Applikation Eisenhomöostase, Dysregulation der Strahlentherapie Zustand nach bzw. bei simultaner Mediastinalbestrahlung Calcium-Homöostase im sarkoplasma- Kardiovaskuläre Vorerkrankungen Arterielle Hypertonie tischen Retikulum und in den Mito- Koronare Herzerkrankung chondrien induzieren einen oxidativen Elektrolytstörungen Hypokaliämie Stress, der schlussendlich zur Myokard- Hypomagnesiämie fibrose und -nekrose führt 1,2). Tab.1: Prädisponierende Risikofaktoren für kardiale Nebenwirkungen unter Chemotherapie (aus 15) Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013 3
tion potenziell gefährdeter Patienten zu einer Hochdosischemotherapie (cTnI- den Blutdruck 27). Die Peptide werden einem frühen Zeitpunkt und nur dann Messungen unmittelbar vor und nach in Abhängigkeit vom linksventrikulären besteht die Möglichkeit, durch adaptive der Chemotherapie, dann nach 12, enddiastolischen Füllungsdruck überwie- Maßnahmen (Dosisreduktion oder Weg- 24, 36 und 72 h) im weiteren Verlauf gend von den Herzvorhöfen, in einigen lassen der kardiotoxischen Substanz; eine signifikante und anhaltende Fällen auch von den Ventrikeln in die Gabe kardioprotektiver Medikamente) Reduktion der linksventrikulären Blutbahn sezerniert und dabei aus einer eine Herzinsuffizienz zu verhindern. Ejektionsfraktion (LVEF). Blieben Proform in das jeweils aktive Hormon die Verlaufswerte von cTnI dagegen und ein N-terminales Fragment gespal- Ermutigende diagnostische Ansätze negativ, war eine reduzierte LVEF nur ten. Natriuretische Peptide sind somit Zum Nachweis medikamentös indu- transient und damit voll reversibel 22). Marker für den Zustand des Myokards. zierter, myokardialer Veränderungen ist Die Abb. 1 veranschaulicht den Ver- Die Plasmakonzentrationen sind sowohl die Myokardbiopsie nach wie vor die lauf der LVEF bei cTnI-negativen und bei symptomatischer als auch bei asymp- Methode mit der höchsten Spezifität 1,16). cTnI-positiven Patienten. tomatischer Beeinträchtigung der systo- In der klinischen Routine haben sich OD ie Arbeitsgruppe um Auner verfolgte lischen oder diastolischen myokardialen nicht invasive, bildgebende Verfahren bei 78 Patienten unter Anthrazyklin- Funktion erhöht. Grundsätzlich eignen bewährt, die dem behandelnden Arzt basierter Chemotherapie wegen ver- sich beide serologischen Parameter bei die Entscheidung für oder gegen den schiedener hämatologischer Erkran- akuter und / oder chronischer Herzin- Beginn einer potenziell kardiotoxi- kungen (142 Behandlungszyklen) die suffizienz zur Diagnose, Prognose und schen Therapie erleichtern 17–19). Zahlrei- cTnT-Kinetiken. Der cTnT-Peak war Verlaufsbeurteilung unter Therapie 28–33), che Studien kamen zu dem Ergebnis, dass im Median an Tag +21,5 (Bereich: Tag allerdings sind BNP und sein N-termi- auch bestimmte Serummarker (Tropo- +6 bis +35) nach Beginn der Chemo- nales Fragment NT-proBNP klinisch nine und natriuretische Peptide) in die- therapie erreicht. Die echokardiogra- bedeutsamer 34, 35). Bei der linksventriku- sem Kontext einen wertvollen Beitrag phische Verlaufsuntersuchung ergab lären Dysfunktion hat NT-proBNP auch zum Management von Patienten leisten einen deutlicheren Abfall der LVEF gegenüber BNP klinische Vorteile: Es ist könnten. bei cTnT-positiven Patienten im Ver- stabiler (längere Halbwertszeit) und spe- gleich zu der cTnT-negativen Gruppe: zifischer (Spezifität NT-proBNP 78 % vs. Kardiale Troponine regulieren die Kal- 10 % versus 2 % (p=0,017) 23). BNP 69 %) 32). zium-abhängige Interaktion von Myosin und Aktin während der Kontraktion der Erhöhtes cTnI und cTnT im Serum als Im Vergleich zu den kardialen Troponinen Herzmuskelzellen. Die Proteinunterein- spezifisches Zeichen einer Kardiotoxi- existieren zur diagnostischen Wertigkeit heiten Troponin T (cTnT) und Troponin I zität lassen sich somit bereits innerhalb natriuretischer Peptide bei der myokar- (cTnI) eignen sich – gemessen mit ausrei- von Stunden bis Tagen nach Start der dialen Dysfunktion unter Chemotherapie chend sensitiven und spezifischen Assays Chemotherapie detektieren 23, 26). Darüber derzeit noch deutlich weniger Daten. – als Serummarker für Schädigungen der hinaus scheinen sie ebenfalls bereits zu O I n der Studie von Knobloch et al. Herzmuskulatur; sie sind im Blut gesun- einem frühen Zeitpunkt suggestiv für das wurde bei 75 Patientinnen mit HER2 der Probanden mit intakten Herzmuskel- Ausmaß einer myokardialen Schädigung überexprimierendem Mammakar- zellen normalerweise nicht nachweisbar. zu sein 20–26). zinom vor und nach der Infusion (Epirubicin bzw. liposomales Doxoru- Troponine können somit auch herzschä- Die natriuretischen Peptide ANP („atrial bicin) hämodynamische Messungen digende Nebenwirkungen einer Chemo- natriuretic peptide) und BNP („brain mittels USCOM, einem innovativen, therapie aufzeigen 14, 20–26). natriuretic peptide“) regulieren physio- Doppler basierten Verfahren, durch- OB eispielsweise entwickelten Patienten logischerweise unter anderem die renale geführt. Unter Epirubicin kam es mit erhöhten cTnI-Spiegeln während Natriumausscheidung, die Diurese und zu einer deutlichen Erhöhung des Schlag- und des Herzzeitvolumens 70 vor allem dann, wenn der primäre LVEF vs. Ausgangswert: * p < 0,001 NT-proBNP-Spiegel über 125 pg/ml cTnl - vs cTnl +: § p < 0,001 65 lag 36). Die Autoren spekulieren, ob cTnl – diese Veränderungen Ausdruck einer bereits prätherapeutisch, klinisch LVEF (%) * 60 stummen, myokardialen Dysfunktion sein könnten. Dieselbe Arbeitsgruppe beobachtete unter Trastuzumab ähnli- 55 *§ *§ *§ che Veränderungen 37). cTnl + O I n einer eigenen Studie 38) untersuch- 50 ten wir 50 Patienten unter Anthra- 0 1 2 3 4 7 zyklin-basierter Chemotherapie mit Monate Echokardiographie, USCOM und den Abb. 1: LVEF-Verlauf in Abhängigkeit von cTnI bei Patienten unter Hochdosischemotherapie (aus 22) Biomarkern cTnI und NT-proBNP 4 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
über ein 3-monatiges Intervall. Die Möglicherweise kann also die Kombina- 30) Mueller C et al.: Swiss Med Wkly (2007); 137: Messungen fanden zu folgenden Zeit- tion verschiedener bildgebender Verfah- 4–12 31) Mueller T et al.: Heart (2005); 91: 606–612 punkten statt: vor Erstinfusion (T0), ren (z.B. Echokardiographie, USCOM) 32) Rademaker MT et al.: Clin Sci (Lond) (2005); 108: 6 h nach Erstinfusion (T1) sowie 1 Tag mit der Messung von kardialen Biomar- 23–36 (T2), 7 Tage (T3) und 3 Monate (T4) kern im Verlauf bereits zu einem frühen 33) Kinnunen P et al.: Endocrinology (1993); 132: nach Therapiebeginn. Die Patienten Zeitpunkt diejenigen Patienten identifi- 1961–1970 mit einem signifikanten Abfall der zieren, bei denen mit einem höheren kar- 34) de Lemos JA et al.: Lancet (2003); 362: 316–322 35) Maisel A: Circulation (2002); 105: 2328–2331 LVEF (> 10 %) in der Echokardiogra- diotoxischen Risiko zu rechnen ist. Die 36) Knobloch K et al.: Int J Cardiol (2008); 128: phie zeigten diese Veränderung glei- bisherige Datenlage zu den serologischen 316–325 chermaßen im USCOM und hatten Parametern ist für eine Risikostratifizie- 37) Knobloch K et al.: Int J Cardiol (2008); 125: darüber hinaus bereits zu den frühen rung noch zu „dünn“, aber die bisherigen 113–115 Untersuchungszeitpunkten hohe NT- Ergebnisse lassen eine relevante Rolle 38) Geiger S et al.: Onkologie (2012) ; 35: 241–246 proBNP-Spiegel (Abb. 2a). Dies war spezifischer Biomarker vermuten. ein signifikanter Unterschied zu den Patienten, die keine LVEF-Einschrän- Die Verfügbarkeit verlässlicher und rou- kung in den Ultraschall-basierten Ver tinetauglicher Methoden für die kardiale fahren aufwiesen (Abb. 2b) Überwachung würde die Lebensqualität vieler Tumorpatienten mit langen Über- lebenszeiten erheblich verbessern. 800 80 700 Literatur: 75 1) Meinardi MT: Cancer Treat Rev (1999); 25: 237-247 600 2) Elliott P: Semin Oncol (2006); 33: S2-7 NT-proBNP (pg/ml) 70 SV (ml), EF (%) 500 3) Ewer MS et al.: J Clin Oncol (2005); 23: 7820–7826 4) Erickson SL et al.: Development (1997); 124: 400 65 4999-5011 300 5) Lee KF et al.: Nature (1995); 378: 394–398 60 6) Crone SA et al.: Nat Med (2002); 8: 459–465 200 7) Chien KR: N Engl J Med (2006); 354: 789–790 55 8) Perik PJ et al.: Eur J Heart Fail (2007); 9: 173–177 100 9) Jain D: J Nucl Cardiol (2000) ; 7: 53–62 0 50 10) Ryberg M et al.: J Clin Oncol (1998); 16: 3502– T0 T1 T2 T3 T4 3508 Zeitpunkt 11) Schimmel KJ et al.: Cancer Treat Rev (2004); 30: 181–191 NT-proBNP 12) Labianca R et al.: Tumori (1982) ; 68: 505–510 EF Echo SV USCOM 13) Nahta R, Clin Cancer Res (2003); 9: 5078–5084 14) Mavinkurve-Groothuis AM et al.: Pediatr Hematol Abb. 2a: NT-proBNP Kinetik bei Patienten mit Oncol (200); 25: 655–664 einem Abfall der Ejektionsfraktion von > 10 % 15) Ponisch W et al.: Internist (Berl) (2006); 47: unter Anthrazyklintherapie (aus 38) 266–268, 270–272 16) Cooper LT et al.: J Am Coll Cardiol (2007); 50: 800 80 1914–1931 17) Schwartz RG et al.: Am J Med (198); 82: 1109– 1118 700 70 18) Saad A et al.: Community Oncology (2007); 4: 739 19) Keef DL: Cancer (2002); 95: 1597 NT-proBNP (pg/ml) 600 60 SV (ml), EF (%) 20) Cardinale D et al.: Circulation (2004); 109: 2749– 2754 500 50 21) Cardinale D et al.: Ann Oncol (2002); 13: 710–715 22) Cardinale D et al.: J Am Coll Cardiol (2000); 36: 400 40 517–522 23) Auner HW et al.: Ann Hematol (2003) ; 82: 218– 300 30 222 24) Koh E et al.: Circ J (2004); 68: 163–167 200 20 25) Lipshultz SE et al.: Circulation (1997); 96: 2641– T0 T1 T2 T3 T4 2648 Zeitpunkt 26) Kremer LC et al.: Eur J Cancer (2002); 38: 686– Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Hans-Joachim Stemmler 689 NT-proBNP Oberarzt der Medizinischen Klinik III 27) Brunner–La Rocca HP et al.: J Am Coll Cardiol EF Echo Hämatologie & Onkologie SV USCOM (2001); 37: 1221–1227 Ludwig-Maximilians Universität München 28) Urek R et al.: Acta Med Croatica (2008); 62: Campus Großhadern Abb. 2b: NT-proBNP Kinetik bei Patienten ohne 53–56 Marchioninistraße 15 Abfall der Ejektionsfraktion unter Anthrazy- 29) Mueller C: Clin Chem (2007) ;53: 1719–1720; aut- 81377 München klintherapie (aus 38) hor reply 1720–1711. joachim.stemmler@med.uni-muenchen.de Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013 5
Medizin Therapieassoziierte Hämostasestörungen in der Hämatologie und Onkologie Dr. med. Tobias Bartscht und Dr. med. Harald Biersack, Medizinische Klinik I, UKSH, Campus Lübeck Der Pariser Arzt Armand Trousseau belegte sich bisher nicht etabliert, da die Mehrzahl Mitte des 19. Jahrhunderts den engen der Studien keinen signifikanten Benefit Zusammenhang zwischen Tumor und zeigte. Lediglich in einigen Therapiepro- Thrombose. Das Thema ist bis heute tokollen, z.B. beim Keimzelltumor, sind Gegenstand der Forschung. Aktuelle Heparine als Empfehlung zu finden12). Bei Untersuchungen zu den Veränderungen anderen klassischen Chemotherapeutika, der unmittelbaren Tumorumgebung (Mic- etwa aus der Gruppe der Antimetabolite, roenvironment)1) lassen darüber hinaus Vincaalkaloide, Taxane, interkalierenden eine Wechselwirkung zwischen Tumorbio- Substanzen und Hormontherapien wur- logie und Metastasierungsverhalten mit den ähnliche Effekte auf die Hämostase dem Gerinnungssystem vermuten. Seit der gefunden. Aber auch hier resultiert häufig Verwendung zytostatisch wirksamer Medi- keine therapeutische Konsequenz. kamente besteht auch die Frage, ob eine Thrombose durch die per se vorhandene Moderne Substanzen tumorbedingte Thrombophilie entstanden Das heutige Arzneimittelgesetz (AMG) ist oder erst durch die Therapie induziert Prostacyclins ein 4). Dies mündet wie- fordert im Rahmen von Zulassungs- wurde. Eine eindeutige Antwort steht aus. derum in eine erhöhte Plättchenaggre- studien eine statistische Erfassung von Bekannt ist, dass sowohl klassische Che- gation bzw. in die Sensibilisierung der Nebenwirkungen der evaluierten Medi- motherapeutika als insbesondere auch Thrombozyten gegenüber Kollagen und kamente. Deshalb liegen für alle neuen neuere Medikamente häufig Interaktionen Arachidonsäure 5). Einzelsubstanzen in der Tumortherapie mit dem Gerinnungssystem zeigen und vor OH ypomagnesiämie: Der regelmäßig auch Daten bezüglich einer möglichen allem eine therapieassoziierte Thrombo- messbare Magnesiummangel 6) verän- Beeinflussung der Hämostase vor. Das philie generieren. Verbindliche therapeu- dert die intrazelluläre Calciumkon- vereinfacht wesentlich die Identifizierung tische Konsequenzen z.B. zur prophylakti- zentration aller Zellen. Dies hat auch komplikationsträchtiger Medikamente. schen Antikoagulation gibt es bis auf einen signifikanten Effekt auf die wenige Ausnahmen derzeit nicht. Auf Thrombozytenaggregation 7). Tamoxifen, ein selektiver Modulator Basis valider Zulassungsstudien müssen OV erminderter Protein C-Spiegel: Die der Östrogenrezeptoren auf hormon- jedoch die evidenzbasierten Erkenntnisse toxinbedingte Freilegung des Sub sensitiven Tumorzellen, hat die Thera- über Veränderungen der Hämostase durch endothels bzw. der endothelialen pie des Mammakarzinoms entscheidend neue hämatologisch und onkologisch Basalmembran verursacht neben der geprägt. Nicht nur das: In den USA dient wirksame Substanzen in Praxisempfehl Thrombozytenaggregation auch die das Medikament bei Hochrisikopatien- ungen umgesetzt werden. Aktivierung verschiedenster Prote ten auch zur Primärprophylaxe 13). Unter asen, wodurch der Protein C-Spiegel Tamoxifen treten vermehrt therapie- Klassische Chemotherapie sinkt. Nach Therapieende ist regel assoziierte Thrombosen auf, deren Pa- Klassische Chemotherapeutika, wie bei- mäßig eine Normalisierung zu erken- thomechanismus jedoch bis heute unge- spielsweise das Alkylanz Cisplatin, kön- nen 8). klärt ist. Diskutiert wird zwar ein Effekt nen das venöse und arterielle Throm- OR aynaud-Syndrom: Diese lang anhal- durch die Modulation des Östrogenhaus- boserisiko signifikant erhöhen 2). Dafür tende Gefäßerkrankung mit Durch- werden verschiedene, denkbare Mecha- blutungsstörungen der Finger oder nismen diskutiert. Zehen ist sehr wahrscheinlich Aus- OA kute toxische Endothelschädigung: druck der neurotoxischen Nebenwir- Kurz nach Cisplatin-Applikation lässt kungen von Cisplatin 9). Die vegetative sich als Ausdruck einer Endothel- Dysregulation arterieller Endstrecken verletzung ein signifikanter Anstieg ist mit vermehrten thromboemboli- des von-Willebrand-Faktors in der schen Ereignissen vergesellschaftet 10). Zirkulation messen 3). Dies könnte die Plättchenaktivierung und -aggregation Diese und weitere Veränderungen der forcieren. Hämostase führen unter Cisplatin-The OD ysbalance von Zytokinen: Das Endo- rapie zu einem erhöhten Thrombose thel schüttet vermehrt den proinflam risiko, das in der Literatur mit ca.10 – matorischen Tumor Nekrose Faktor 20 % angegeben wird 11). Eine therapeu- alpha (TNFa) aus und schränkt die tische Konsequenz, z.B. eine Prophylaxe Synthese des aggregationshemmenden mit niedermolekularen Heparinen, hat 6 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
haltes, jedoch ist das Zusammenspiel hängigkeit seiner Therapiebedürftigkeit Empfehlungen für die Praxis von Hämostase und Östrogen unklar. ein erhöhtes Thromboserisiko bedeutet, Vor allem im Kontext mit modernen Die Bestimmung gerinnungsrelevanter jedoch waren die Befunde im Kontext Krebsmitteln, deren hämostaseologische Parameter in verschiedenen klinischen mit der Thalidomid-Therapie so eindeu- Risiken durch Studien belegt sind, stellt Studien ergab ein uneinheitliches Bild tig, dass die Deutsche Gesellschaft für sich die Frage nach der Empfehlung für ohne eindeutigen Prognosemarker. Hämatologie und Onkologie (DGHO) die Praxis. Wann ist bei der jeweiligen 2005 einen Konsensus erarbeitet hat. Tumortherapie welche Überprüfung zu Einen ähnlichen Siegeszug in der Tumor- Darin werden erstmalig evidenzbasierte veranlassen bzw. Maßnahme zu ergrei- therapie verzeichnen Antikörper, die Empfehlungen sowohl zur Thrombose- fen? Nur für einige wenige Substanzen als Antagonisten des VEGF (Vascular prophylaxe als auch zum Thrombophilie- gibt es klare Empfehlungen. Endothelial Growth Factor) das Mig- Screening ausgesprochen19), jedoch ohne OB ei Verwendung der prokoagulato- rationsverhalten und die Proliferation konkrete Parameterempfehlungen. Die risch wirkenden Substanz Thalidomid von Endothelzellen beeinflussen und Entscheidung über Art und Ausmaß des sollte sich der behandelnde Arzt an letztlich die Tumorangiogenese hem- Screenings verbleibt somit bei den Kolle- die oben genannten Empfehlungen men. Diese Art antiproliferativer The- gen der Hämostaseologie. der DGHO sowie von Hämostaseolo- rapie (z.B. mit Bevacizumab) findet bei gen halten. vielen soliden Tumoren Anwendung. OV or und täglich während der Therapie Und wiederum zeigte sich ein erhöhtes mit Asparaginase ist die Bestimmung und auch dosisabhängiges Thrombose- von Antithrombin III essenziell. risiko. Ursächlich wird hier diskutiert, OV or und nach einer ATG-Therapie dass durch eine erhöhte Apoptose von müssen die Thrombozytenzahl sowie Endothelzellen subendotheliale Struktu- ein eventueller Verbrauch an Gerin- ren freigelegt werden, die im Folgenden nungsfaktoren beobachtet werden. das Gerinnungsystem aktivieren14). Da der VEGF-Rezeptor viele Komponenten In allen anderen Fällen gilt die übliche der Hämostase auf Endothelebene regu- Vorgehensweise für die Thrombophi- liert, könnten verschiedene Mediatoren liediagnostik: Bei positiver Eigen- oder (z.B. Tissue-Faktor, Thrombomodulin, Familienanamnese ist vor Therapiestart von-Willebrand-Faktor, Plasminogen- bzw. bei entsprechender Verdachtssymp- Aktivator und Plasminogen-Aktivator- tomatik eine Thromboseneigung zu über- Inhibitor) ein Ungleichgewicht erfahren prüfen. Sinnvolle Parameter, aus deren und einen prokoagulatorischen Zustand Messergebnissen sich ein individuelles induzieren 14). Risiko ermitteln lässt, sind: Protein C, DIC unter Antithymozytenglobulin Protein S, Faktor VIII, APC-Resistenz, Beim Multiplen Myelom haben Immun- Das Antithymozytenglobulin (ATG) ist Homocystein, Lupus Antikoagulanz, modulatoren wie Thalidomid oder Lena- ein immunsuppressiv wirksames Gemisch Antiphospholipid-Antikörper sowie ggf. lidomid heute einen hohen Stellenwert polyklonaler Antikörper gegen menschli- molekularbiologische Verfahren zur im Rahmen von Kombinationsthera- che Lymphozyten, das bei der aplastischen Erfassung thrombogener Mutationen. pien. Doch Thalidomid korreliert mit Anämie oder in der Konditionierungsthe- In einigen Fällen kann auch eine Über- einer erhöhten Inzidenz thromboembo- rapie vor allogener Stammzelltransplanta- prüfung des Fibrinolysesystems sinnvoll lischer Ereignisse – in der Kombination tion zur Anwendung kommt. Unter ATG sein22). Es gibt zwar in der Regel (noch) mit einem Anthrazyklin lag das Risiko entwickelt sich häufig eine, z.T. auch kli- keine verbindlichen Aussagen zu thera- für venöse Thrombosen in der Erstlini- nisch relevante disseminierte intravasale peutischen Konsequenzen, bei bestehen- entherapie bei 20 – 30 %15). Der genaue Gerinnung (DIC), die vermutlich durch der Risikokonstellation sollte aber eine Pathomechanismus bleibt auch hier den ATG-vermittelten Zytokinsturm, Prophylaxe diskutiert und ein Kollege der unklar16). Neben dem oben beschriebe- einer Entgleisung des Immunsystems Hämostaseologie hinzugezogen werden. nen Mechanismus der Endothelschädi- mit potenziellem Multiorganversagen, gung könnte eine erworbene Resistenz ausgelöst wird 20). Zytokinsturm und DIC Die Hämostaseologie findet in der gegenüber aktiviertem Protein C (APCR) sind regelhaft mit Beendigung der The- modernen Tumortherapie zunehmend verantwortlich sein. Bei nachgewiesener rapie selbst limitierend, deshalb ist außer Beachtung. Nicht zuletzt deshalb, weil die APCR steigt das Thromboserisiko unter einer engmaschigen Überwachung der Datenvielfalt moderner Studien wertvolle Thalidomidtherapie bis auf 66 % 17). Gerinnungfaktoren (Quick, PTT, AT- Hinweise liefert, auf welchen Mechanis- Weiterhin beobachtete man bei Patien- III, Fibrinogen) und der Thrombozy- men die Beeinflussung der Hämostase ten mit starker Krankheitsaktivität eine tenzahlen nur die im Bedarfsfall not- beruht und mit welchen klinischen Kon- Erhöhung der Faktor VIII-Aktivität und wendige Substitution mit Thrombozyten sequenzen zu rechnen ist. Daraus abge- des von-Willebrand-Faktor-Antigens 18). und Antithrombin III durchzuführen 21). leitete Anweisungen für die Diagnostik, Zwar bestätigten mehrere Studien, dass Langfristige Konsequenzen sind nicht zu die Therapie und die Prophylaxe müssen ein Multiples Myelom per se und in Ab- erwarten oder zu kontrollieren. konsequent vorangetrieben werden. Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013 7
Literatur: 1) Demoulin S et al.:Journal of Leukocyte Biology Institute (2005); 97 (22): 1652–1662. doi:10.1093/ 19) DGHO, Konsensus Thalidomid,19. Juli 2005 http:// (November 15, 2012). doi:10.1189/jlb.0812397 jnci/dji372 www.dgho.de/informationen/grundlegende-doku- 2) Doll DC et al.: Journal of Clinical Oncology: Offi- 14) Tam B et al.: Nature Medicine (2006); 12 (7): mente/medizinische-stellungnahmen/Empfehlun- cial Journal of the American Society of Clinical 793–800. doi:10.1038/nm1428 gen Oncology (1986); 4 (9): 1405–1417 15) Escudier B et al.: British Journal of Haematology 20) Pihusch M: Seminars in Hematology (2004); 41 3) Dieckmann K-P et al.: Anticancer Research (2004); 126 (5): 715–721. doi:10.1111/ j.1365- (1), Suppl 1: 93–100 (2011); 31(12) : 4501–4505 2141.2004.05078 21) Weber M et al.: Bone Marrow Transplanta- 4) Aitokallio-Tallberg A et al.: British Journal of Can- 16) Cavo M et al.: Blood (2002); 100 (6): 2272–2273 tion (2003); 31 (9): 817–822. doi:10.1038/ cer (1989); 60 (5): 785–788 17) Jiménez-Zepeda et al.: Thrombosis Journal sj.bmt.1703921 5) Togna GI et al.: Thrombosis Research (2000); 99 (2006); 4(11). doi:10.1186/1477-9560-4-11 22) Middeldorp S et al.: British Journal of Haemato- (5): 503–509 18) Minnema MC et al.: Journal of Thrombosis and logy (2008); 143 (3): 321–335. doi:10.1111/j.1365- 6) Schilsky RL et al.: Annals of Internal Medicine Haemostasis (2003): 1(3): 445–449 2141.2008.07339.x (1979), 90 (6): 929–931 7) Hwang DL et al.: American Journal of Hyperten- sion (1992); 5 (10): 700–706 8) Anders et al.: Radiation Oncology (London, Eng- Korrespondenzadresse: land) 1 (2006): 14. doi:10.1186/1748-717X-1-14 Dr. med. Tobias Bartscht Oberarzt 9) Içli F et al.: Cancer (1993); 72 (2): 587–593 und 10) Doll DC et al.: Seminars in Oncology (1992); 19 Dr. med. Harald Biersack (5): 580–596 Bereichsleiter Hämatologie / Onkologie 11) Weijl NI et al.: Journal of Clinical Oncology: Offi- Medizinische Klinik I cial Journal of the American Society of Clinical Universitätsklinikum Schleswig Holstein Oncology (2000); 18 (10): 2169–2178 Campus Lübeck 12) Schmoll HJ, et al.: ”Kompendium der Internisti- Dr. Tobias Bartscht Dr. Harald Biersack Ratzeburger Allee 160 schen Onkologie”, 4. Auflage, Springer 2005 servicepoint-onkologie@uksh.de 13) Fisher B et al.: Journal of the National Cancer Medizin Risikostratifizierung bei Lungenembolie: Stellenwert kardialer Troponine Dr. med. Mareike Lankeit und Prof. Dr. med. Stavros Konstantinides, Universitätsmedizin Mainz Die Lungenembolie (LE) ist eine häufige Druckes und der rechtsventrikulären Infarzierung, Reduktion der linksvent- und potenziell lebensbedrohliche Erkran- Nachlast entwickelt, eine kritische Deter- rikulären Vorlast und schließlich Abfall kung. Die Symptomatik von Patienten mit minante. Es entsteht ein Circulus vitiosus des Herzzeitvolumens1). Dies imponiert LE variiert in ihrer Ausprägung vom asym- aus erhöhtem myokardialem Sauerstoff- klinisch als Synkope, als Blutdruckabfall ptomatischen Verlauf bis hin zum kardio- bedarf, Myokardischämie bis hin zur bis hin zum kardiogenen Schock und genen Schock. Die Vielzahl an uncharak- als plötzlicher Herztod aufgrund akuten teristischen Symptomen und klinischen Rechtsherzversagens. Präsentationen stellt eine Herausforde- rung für die Diagnosestellung und die dif- Die akute LE ist prognostisch heterogen: ferenzialdiagnostische Abgrenzung dar. Hämodynamisch instabile Patienten zei- Auch die Mortalitäts- und Morbiditäts- gen eine Mortalitätsrate von über 15 % – prognose der Patienten nach bestätigter in einigen Studien bis zu 65 %, während LE ist äußerst heterogen. Eine individuelle die Letalität bei hämodynamisch stabilen Risikostratifizierung ist aber Vorausset- Patienten ohne RV Dysfunktion und ohne zung für die Einleitung der jeweils am Hinweise auf myokardiale Ischämie bei besten geeigneten Therapie. Auf der weniger als 1 % liegt. Das erfordert eine Suche nach einer möglichst exakten individuelle Risikostratifizierung hin- Risikodifferenzierung werden verschie- sichtlich Mortalität oder der Entwicklung dene Parameter validiert, darunter auch schwerer Komplikationen. 2008 empfahl das prognostische Potenzial kardialer die European Society of Cardiology (ESC) Troponine. erstmals eine risikoadaptierte Einteilung von Patienten mit LE2). Sie ermöglicht Die Prognose bestimmt die Therapie eine an die Dringlichkeit der Situation Für die Prognose bei akuter LE ist das angepasste diagnostische Strategie (Abb. 1) Ausmaß der rechtsventrikulären (RV) und die Einleitung einer risikoadaptier- Dysfunktion, die sich infolge des abrup- ten Therapie nach definitiver Diagnose ten Anstiegs des pulmonalarteriellen (Tab. 1). 8 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
Patienten mit „Hochrisiko“-Lungenem- Therapieentscheidungen beim Akuten In den vergangenen Jahren haben sich bolie 2)* sind hämodynamisch instabil Koronarsyndrom. Troponine können kardiale Troponine in zahlreichen Stu- (persistierende arterielle Hypotonie oder auch bei anderen Erkrankungen, die dien auch als Biomarker für die Risi- kardiogener Schock) und gefährdet durch mit myokardialen Schäden einhergehen, kostratifizierung von Patienten mit aku- eine hohe und frühe Mortalität. Im Vor- erhöht sein – dieser Tatsache muss bei ter LE bewährt. Becattini et al.7) fanden dergrund stehen neben der raschen der differenzialdiagnostischen Abgren- 2007 mittels Metaanalyse von 20 Studien Diagnose die schnelle Einleitung einer zungen Rechnung getragen werden 6). mit 1 985 unselektionierten Patienten rekanalisierenden Therapie, wie Throm- bolyse, chirurgische Embolektomie oder Patient ist hämodynamisch instabil Patient ist hämodynamisch stabil kathetertechnische Thrombusaspiration / > „Hochrisiko-Lungenembolie“ > „Nicht-Hochrisiko-Lungenembolie“ -fragmentation 4) (Abb. 1). Rasche definitive Diagnose Klinische Wahrscheinlichkeit mittels spezifischer Bildgebung (z.B. Wells-, revidierter Genfer-Score) Hämodynamisch stabile Patienten wer- den als „Nicht-Hochrisiko“-Lungenem- negativ positiv hoch niedrig / mittel bolie eingestuft. Zur Diag nosefindung legen die aktuellen Leitlinien2, 5) beson- Weitere Rekanalisierende deren Wert auf die Anwendung bewähr- Differenzialdiagnostik Therapie D-Dimer-Wert ter Scores (z.B. Wells- oder revidierter Genfer-Score), mit denen sich die indi- pathologisch normal viduelle klinische Wahrscheinlichkeit einer LE abschätzen lässt. Bei niedriger / Spezifische Bildgebung mittlerer klinischer Wahrscheinlichkeit können sensitive D-Dimer-Tests mit ei- nem normalen Ergebnis eine LE aus- positiv negativ schließen, bei hoher Wahrscheinlichkeit wird die sofortige Diagnosesicherung Risikostratifizierung auf LE-bedingte Morbidität, Mortalität Ausschluss Lungenembolie über RV Dysfunktion und myokardiale Zellnekrose mittels spezifischer bildgebender Ver- fahren (Computertomographie oder Ven- intermediär niedrig tilations- / Perfusionsszintigraphie) emp- fohlen. Hinsichtlich der Prognose ist zu beachten, dass ein Teil dieser normo- Individuell angepasste therapeutische Maßnahmen tensiven, scheinbar „stabilen“ Patienten dennoch durch ein erhöhtes („interme- Abb. 1: Diagnostische (blau) und prognostische (grau) Schritte beim Verdacht auf akute Lungen- embolie vor Einleitung der adäquaten Therapie (grün) diäres“) Todes- und Komplikationsrisi- ko gefährdet ist. Daher erscheint eine weiterführende Risikostratifizierung in- Risikomarker diziert. Dies gelingt mit Untersuchungs- LE-bedingtes Klinisch RV- myokardiale Therapeutische befunden, die auf eine RV Dysfunktion frühes Todesrisiko (Schock, Dysfunktion Ischämie Konsequenz Hypotonie) hinweisen (transthorakale Echokardio- graphie, Computertomographie und / - Antikoagulation oder erhöhte Plasmaspiegel natriureti- Hoch > 15 % + (+)* (+)* - Thrombolyse - Interventionelle Verfahren scher Peptide) sowie mit Markern der - Chirurgische Thrombektomie myokardialen Zellnekrose (kardiale Tro- ponine oder heart-type fatty acid-binding + + - Antikoagulation protein). Aus der jeweiligen Ergebnis- - Thrombolyse / interventionelle Intermediär 3 – 15 % – + – Verfahren (?) in ausgewählten Fällen konstellation lassen sich Patienten mit - Stationäre Behandlung, ggf. Inten- „intermediärem“ und „niedrigem“ Risiko – + sivtherapie differenzieren, für welche derzeit teil- - Antikoagulation weise unterschiedliche Behandlungs- - Ambulante Behandlung / frühe strategien erprobt werden (Abb. 1). Niedrig < 1% – – – Entlassung möglich (noch nicht explizit empfohlen) Risiko-Scores und Troponine Abkürzungen: LE = Lungenembolie, RV = rechtsventrikulär Die kardialen Troponine T und I sind * Bei Vorliegen eines kardiogenen Schocks oder persistierender arterieller Hypotonie entfällt die Notwendigkeit, aufgrund ihrer hohen Gewebespezifität eine RV Dysfunktion oder Myokardnekrose mittels laborchemischer Marker nachzuweisen. Dies gilt auch für sehr sensitive Marker für eine myokar echokardiographische und computertomographische Befunde, sofern die bildgebenden Verfahren nicht bereits zur Diagnostik eingesetzt wurden. diale Schädigung. Ihre heutige Bedeu- tung liegt vor allem in der Diagnostik, Tab. 1: Risikoadaptiertes Management der akuten Lungenembolie. Modifiziert und angepasst nach der Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) (1) Risikostratifizierung und Leitung von Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013 9
mit akuter LE eine Assoziation zwischen Durch die Entwicklung und Validie- in prospektiven klinischen Studien zu erhöhten Troponin-Konzentrationen und rung von klinischen Scores wie z.B. dem überprüfen. Da ca. 25 % aller Patienten einem erhöhten Risiko für Pulmonary Embolism Severity Index mit LE zu dieser potenziell geeigneten OK urzzeitletalität (Odds Ratio: 5,2; (PESI)11) und seiner simplifizierten Ver- Gruppe gehören, erscheint eine ambu- 95 % Konfidenzintervall: 3,3 – 8,4) sion (sPESI)12) können heute Patienten lante Behandlung sowohl aus der Pers- OL E-assoziiertem Tod (Odds Ratio: 9,4; mit einem LE-assoziierten Letalitätsri- pektive von Patienten und Ärzten als auch 95 % Konfidenzintervall: 4,1 – 21,5) siko während der Akutphase von ~1 % aus ökonomischer Sicht hoch attraktiv. OL E-bedingten schweren Komplikatio- identifiziert werden. Auch hoch-sensi- nen (Odds Ratio: 7,0; 95 % Konfidenz- tive Tests für kardiale Troponine, deren intervall: 2,4 – 20,4) Normalbereich als 99. Perzentile einer * In Nordamerika gilt für diese Patientengruppe die gesunden Referenzpopulation mit einem Bezeichnung „massive“ Lungenembolie 3) Die Ergebnisse einer 2009 publizierten Variationskoeffizienten < 10 % definiert Metaanalyse von 9 Studien mit 1 366 ist, spielen in diesem Kontext eine wich- Literatur: normotensiven Patienten zeigten aller- tige Rolle. Diese neuen Assays erlauben 1) Konstantinides S: Curr Opin Cardiol (2005); 20: 496-501 dings, dass bei der Einstufung „Nicht- aufgrund ihrer verbesserten Präzision 2) Torbicki A et al.: Eur Heart J (2008); 29: 2276-315 Hochrisiko“-Lungenembolie erhöhte die zuverlässige Identifizierung von LE- 3) Jaff MR et al.: Circulation (2011); 123: 1788-830 Troponin-Konzentrationen alleine nicht Patienten mit „niedrigem Risiko“. 4) Konstantinides S, Goldhaber SZ: Eur Heart J ausreichen, ein erhöhtes Letalitätsrisiko (2012); 33: 3014-3022 vorauszusagen 8). Jedoch demonstrierten Patienten mit hsTnT-Konzentrationen 5) Interdisziplinäre S2-Leitlinie: Vasa (2010); 39: 1-39 6) Agewall S et al.: Eur Heart J (2011); 32: 404-411 verschiedene Studien 4, 9), dass die Kom- unterhalb des Referenzwertes von 14 pg/ 7) Becattini C et al.: Circulation (2007); 116: 427-433 bination aus Laborparametern (Tropo- ml (ElecsysT Troponin T high sensitive, 8) Jimenez D: Chest (2009); 136: 974-982 nin oder natriuretischen Peptiden) und Firma Roche Diagnostics) hatten einen 9) Konstantinides S: N Engl J Med (2008); 359: bildgebenden Verfahren die prognosti- günstigen klinischen Verlauf: Keiner 2804-2013 sche Information – und damit die Iden- dieser Patienten verstarb oder erlitt LE- 10) The PEITHO Steering Committee: Am Heart J (2012); 163: 33-38 tifikation der „truly“ intermediären Risi- assoziierte Komplikationen in der Akut- 11) Aujesky D et al.: Am J Respir Crit Care Med kogruppe – verbessern kann. phase (Negativer Prädiktiver Wert von (2005); 172: 1041-1046 100 %) 13). Eine große multizentrische 12) Jimenez D et al.: Arch Intern Med (2010); Therapeutische Implikationen Studie hat diese Erkenntnisse nicht nur 170:1383-1389 Im Gegensatz zu Patienten mit „Hoch- bestätigt, sondern darüber hinaus gezeigt, 13) Lankeit M et al.: Eur Heart J (2010); 31:1836-1844 14) Lankeit M et al.: Circulation (2011); 124: 2716- risiko“-Lungenembolie, bei denen die dass die Kombination von hoch-sensiti- 2724 rasche Rekanalisation und die damit vem Troponin-T und dem sPESI additive 15) Zondag W et al.: Eur Respir J (2012) verbundene Senkung der rechtsventri- prognostische Informationen z.B. für eine kulären Nachlast überlebensentscheidend noch exaktere Differenzierung zwischen ist, wird bei einer „Nicht-Hochrisiko“- „niedrigem“ und „intermediärem“ Risiko Lungenembolie die Thrombolyse nicht liefert 14). routinemäßig empfohlen. Da Patienten mit „intermediärem“ Risiko jedoch ein Eine kürzlich publizierte Metaanalyse (13 Todes- und Komplikationsrisiko von zum Teil randomisierte klinische Studien bis zu 15 % haben, wird in der laufen- mit 1 657 Patienten mit unterschiedli- den multizentrischen, internationa- chen Ein- und Ausschlusskriterien) lässt len, doppel-blind randomisierten Pul- annehmen, dass bei bestimmten hämo- monary Embolism Thrombolysis Study dynamisch stabilen Patienten mit „nied- (PEITHO) überprüft, ob normotensive rigem“ Risiko eine ambulante Behand- Patienten mit positivem Troponin-Wert lung sicher sein könnte 15). Die Kriterien und mittels Echokardiografie oder Com- zur Identifizierung dieser Subpopulation putertomographie nachgewiesener RV sowie die optimale Behandlungsstrategie Dysfunktion von einer frühen thrombo sind noch einheitlich zu definieren und lytischen Behandlung (Tenecteplase versus Placebo) profitieren10). Nach Ein- Korrespondenzadresse: schluss von 1 006 Patienten ist die Rekru- Dr. med. Mareike Lankeit Gruppenleiterin „Klinische Studien“ tierung abgeschlossen, die Ergebnisse und sind 2013 zu erwarten. Prof. Dr. med. Stavros Konstantinides Leiter Modul „Klinische Studien“ Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) Strategien zur optimierten Risikostra- Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg- tifizierung von Patienten mit „niedri- Universität Mainz gem“ Risiko haben in den letzten Jahren Dr. Mareike Prof. Dr. Stavros Langenbeckstraße 1, Geb. 403 55131 Mainz ebenfalls großes Interesse erfahren und Lankeit Konstantinides mareike.lankeit@unimedizin-mainz.de zunehmend an Bedeutung gewonnen. 10 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
Medizin – Für Sie gelesen Altersabhängige D-Dimer-Werte zum Ausschluss einer DVT Kriterium bei den Patienten mit initialem (einheitlicher Cut-off) bzw. 7 (alters- DVT-Ausschluss war identisch definiert: abhängiger Cut-off) D-Dimer Ergeb- Entwicklung einer venösen Thrombo- nisse falsch negativ. embolie (DVT oder PE) im Laufe von 3 Monaten ohne Antikoagulation? Abb. 1a Kohorten 1 – 4 Zum Einsatz kamen 4 verschiedene kom- 80 DVT ausgeschlossen (%) merzielle D-Dimer-Tests und ein einheit- licher Cut-off Wert von 500 µg/l FEU*: 60 OT ina-quantT D-Dimer (Roche) 40 OS TAT LIATESTT D-Dimer (Diagnostica Stago) 20 O r apid ELISA VIDAST DD (bioMérieux) OM DA D-Dimer Assay (bioMérieux) 0 Quantitative D-Dimer-Tests sind bei Ver- le 60 70 80 80 Al 1– 1– 1– r> dacht auf Tiefe Venenthrombose (DVT) Die Ausschlussdiagnose erfolgte jeweils r5 r6 r7 te te te te Al und Lungenembolie (PE) fester Bestand- auf Basis einer klinischen Einschätzung Al Al Al teil der diagnostischen Maßnahmen. Zu- in Kombination mit einem normalen sammen mit einer geringen klinischen D-Dimer-Wert. Die klinische Wahr- Wahrscheinlichkeit kann ein normaler scheinlichkeit wurde bei 1884 Patienten Abb. 1b D-Dimer-Wert (Cut-off < 500 µg/l FEU*) (67 %) als gering eingestuft. Kohorte 5 eine DVT oder PE mit hoher Sicherheit 80 DVT ausgeschlossen (%) ausschließen. Allerdings steigen die Die entscheidende Modifikation 60 D-Dimere im Blut oft mit fortschreiten- Die Autoren der aktuellen Publikation dem Alter und unabhängig von einem haben retrospektiv untersucht, ob alters- 40 thromboembolischen Ereignis über den abhängige D-Dimer-Werte den Einsatz „Normalwert“ an. Die Schlussfolgerung dieses Parameters zum DVT-Ausschluss 20 daraus lautete: Die D-Dimer-Bestim- auch bei älteren, ambulanten Patienten mung ist bei älteren Patienten weder rechtfertigen. Dafür wurden die Cut-off 0 klinisch wertvoll noch kosteneffektiv, da Werte folgendermaßen adaptiert: le 60 70 80 80 Al 1– 1– 1– r> zu selten Werte unterhalb von 500 µg/l OA lter ≤ 50 Jahre: Cut-off unverändert r5 r6 r7 te te te te Al Al Al FEU* auftreten. Die kürzlich erschienene bei < 500 µg/l FEU* Al Publikation einer internationalen Exper- OA lter > 50 Jahre: Alter (Jahre) × 10 = Konventioneller (altersunabhängiger) Cut-off-Wert Altersabhängige Cut-off-Werte tengruppe widerspricht dieser Auffas- Cut-off in µg/l FEU* sung. Sie zeigt, dass und wie Cut-off- Abb. 1: Anteil Patienten mit normalem D-Dimer- Wert bei gleichzeitiger geringer klinischer Werte, die dem Lebensalter angepasst Der Vergleich zwischen dem einheitli- Wahrscheinlichkeit auf DVT (modifiziert nach 1) werden, auch bei älteren Patienten eine chen Cut-off-Wert der Ursprungsstudien Vier Kohortenstudien 2–5) ließen sich zusammenfas- sichere Ausschlussdiagnose gewähr- und den altersadaptierten Entscheidungs- sen, da dort die Beurteilung der klinischen Wahr- scheinlichkeit nach einheitlichen Regeln erfolgte leisten 1). grenzen der retrospektiven Untersuchung (Abb. 1a, n = 1672 Patienten). Die fünfte Studie mit brachte interessante Erkenntnisse: abweichenden Kriterien 6) wurde separat beurteilt (Abb. 1b, n = 212 Patienten). Untersuchungsbasis OD urch die Kombination von geringer Basis der neuen Ergebnisse war die Aus- klinischer Wahrscheinlichkeit und wertung von fünf großen prospektiven altersabhängigen Cut-off-Werten für Die diagnostischen Maßnahmen bei Ver- Kohortenstudien aus 6 Ländern mit ins- D-Dimer, ließ sich eine DVT insge- dacht auf DVT und PE haben unter ande- gesamt 2818 ambulanten Patienten, bei samt bei rund 20 % mehr Patienten rem das Ziel, möglichst einfach und mit denen ein Verdacht auf DVT der unteren ausschließen (Abb. 1). hoher Sicherheit diejenigen Patienten zu Extremitäten bestand 2–6). Das diagnos- OD ie größten Unterschiede lagen in identifizieren, die keine Antikoagulation tische Stufenprozedere zur Bestätigung der Altersgruppe ≥ 70 Jahre (Abb. 1). benötigen. In diesem Kontext ist der Para- bzw. zum Ausschluss der Verdachtsdiag- Dort stieg die Ausschlussrate je nach meter D-Dimer hochattraktiv. Zusam- nose beinhaltete in allen Kohorten neben Kohorte um 20 – 33 %. men mit der klinischen Einschätzung der D-Dimer-Bestimmung, die klinische OD ie Sensitivität änderte sich durch die reduziert er den Bedarf an aufwändige- Pre-Test-Wahrscheinlichkeit sowie bild- altersadaptierten Cut-off-Werte nicht: ren und kostenintensiveren bildgebenden gebende Verfahren (Kompressions-Ultra- Bei den 1 884 Pateinten mit geringer Verfahren, die zudem nicht überall bzw. schall, Phlebographie, CT). Das Outcome- klinischer Wahrscheinlichkeit waren 5 nicht rund um die Uhr verfügbar sind. Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013 11
Die Ergebnisse der vorliegenden Publi- Literatur: kation mit altersadaptierten Cut-off-Wer- 1) Douma RE et al.: “Using an age-dependent D-dimer cut-off value increases the number of ten für D-Dimer bei Verdacht auf DVT older patients in whom deep vein thrombosis bestätigen die Erkenntnisse einer frühe- can be safely excluded”. Haematologica (2012); ren Studie bei Patienten mit PE 7). 97(10): 1507–1513 2) Schutgens RE et al.: Circulation (2003); 107(4): Die Anpassung der „Normalwerte“ von 593–597 3) Perrier A et al.: Lancet (1999); 353(9148): 190–195 D-Dimer an das Lebensalter könnte dem- 4) Legnani C et al.: Thromb Res. (2010); 125(5): Dr. Christine nach ein erfolgversprechender Weg sein, 398–401 Hettmann-Dreuw das diagnostische Potenzial dieses Para- 5) Bates SM et al.: Ann Intern Med. (2003); 138(10): Produktmanagement meters bei Verdacht auf venöse Throm- 787–794 Gerinnung 6) Tan et al.: submitted for publication 0621 759-2392 boembolien noch besser zu nutzen. christine.hettmann-dreuw 7) Douma RA et al.: BMJ (2010); 340:c1475 *FEU: Fibrin(ogen) equivalent units @roche.com Medizin – Für Sie gelesen Sensitive Troponin-Tests: Einfache „Gebrauchsanweisung“ Hochsensitive Troponin-Tests verbessern die frühe Diagnose eines Akuten Myo- kardinfarktes (AMI), weil sie bereits 436 Patienten mit Brustschmerz (Validierungsgruppe) geringe kardiale Schäden messbar machen. Die höhere Sensitivität treibt allerdings – verglichen mit früheren Test- generationen – die Anzahl pathologischer cTnT bei Aufnahme < 12 ng/l cTnT bei Aufnahme ≥ 52 ng/l Ergebnisse unabhängig von AMI nach und oder Andere Werte oben und der Positive Prädiktive Wert absolute Änderung nach 1 h < 3 ng/l absolute Änderung nach 1 h ≥ 5 ng/l (PPV) sinkt. Viele Kliniker sind verunsi- chert, wie die Ergebnisse der sensitiven Troponin-Methoden in der Praxis zu inter- Ausschluss AMI Diagnose AMI Weitere Beobachtung pretieren sind. Die kürzlich erschienene Publikation einer Baseler Arbeitsgruppe beschreibt einen einfachen Algorithmus, der klinische Entscheidungen schnell und 259 Patienten (60 %) 76 Patienten (17 %) 101 Patienten (23 %) Sensitivität: 100 % Spezifität: 97 % Prävalenz AMI: 8 % sicher unterstützen kann. Im Folgenden NPV: 100 % PPV: 84 % sind die Inhalte der Arbeit „One-Hour Rule-out and Rule-in of Acute Myocardial Infarction Using High-Sensitivity Cardiac Abb. 1 (modifiziert aus 1): Algorithmus zur schnellen Klassifizierung von Brustschmerzpatienten mit Elecsys T Troponin Ths Troponin T“ 1) zusammengefasst. Circa 10 % aller Patienten der Notfall- tige zu tun, so die Schlussfolgerung der aufnahme präsentieren sich mit akuten Autoren. Symptomen für eine Verdachtsdiagnose AMI. Neben der klinischen Bewertung Das Studiendesign und dem EKG ist die Bestimmung kar- Das Untersuchungskollektiv der pros- dialer Troponine heute diagnostischer pektiven multizentrischen Studie bil- Standard. Die Situation des Patienten deten 872 unselektierte Patienten, die erfordert schnelles Entscheiden, um die mit akutem Brustschmerz und Angina geeignete Therapie einzuleiten und um Pectoris (Symptombeginn innerhalb der nicht unnötig Zeit für alternative diag- vergangenen 12 Stunden) in die Not- nostische Maßnahmen zu verlieren, falls fallaufnahme kamen und für die zwei sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt. Trop onin T-Werte (Ausgangswert und Die Kinetik von ElecsysT Troponin Ths 1h-Folgewert) vorlagen. Ausgeschlossen (hochsensitiv), umgesetzt in einen ein- waren Patienten mit terminaler Nieren- fachen Algorithmus, erlaubt bei vielen insuffizienz und mit einem ST-Hebungs- Patienten schnell und sicher das Rich- infarkt (STEMI). 12 Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
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