Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte

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Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
Diagnostik im Dialog
Ausgabe 39 • 2 / 2013

                           der Roche Diagnostics Deutschland GmbH

                                              Beilage

                                              Anforderungskarte
                                              Thrombozyten-
                                              funktionsdiagnostik
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
Editorial
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,                            In den Schwellenländern treiben wir unser                            Unser wichtigstes Kapital sind unsere Mit-
                                                                      soziales Engagement voran, zum einen                                 arbeiter. Wir fördern diese auf allen Ebe-
bereits zum vierten Mal in Folge wurde                                über zahlreiche Gesundheitsinitiativen – in                          nen, um ihr volles Leistungspotenzial aus-
Roche 2012 als weltweit nachhaltigstes                                der Augustausgabe 2012 von „Diagnostik                               zuschöpfen und wir bieten eine integrative
Gesundheitsunternehmen ausgezeichnet.                                 im Dialog“ haben wir Ihnen hierzu mehr                               Unternehmenskultur, die das Wissen und
Der renommierte Dow Jones Sustainabi-                                 berichtet – zum anderen über den verbes-                             Können eines Jeden bestmöglich nutzt. Mit
lity Index (DJSI) bewertet dafür die oberen                           serten Zugang zu Tests und Medikamen-                                gezielten Programmen entwickeln wir suk-
zehn Prozent der 2.500 größten Unterneh-                              ten in diesen Ländern. Es ist unser Ziel,                            zessive unsere künftigen Führungskräfte.
men im Dow Jones hinsichtlich ihrer öko-                              dass von unseren Produkten kontinuier-                               Der Anteil von Frauen in Schlüsselpositi-
logischen, sozialen und wirtschaftlichen                              lich mehr Menschen profitieren; wir möch-                            onen soll sich in den nächsten Jahren um
Entwicklungen. Auf all diesen Feldern                                 ten ihnen eine Chance auf Leben und auf                              mindestens 50 Prozent erhöhen.
übernimmt Roche seit Jahren Verantwor-                                bessere Lebensqualität geben. Ein mögli-
tung und trägt so zu einem langfristigen                              cher Schlüssel hierfür, der derzeit in ersten                        Mit all diesen Initiativen und Projekten
und kontinuierlichen Fortschritt bei.                                 Pilotprogrammen getestet wird, ist die Ent-                          verfolgen wir ein Ziel, das unternehmens-
                                                                      wicklung unterschiedlicher Preisstrategien                           weit gilt: Wir wollen maßgeblich zum
Die diesjährige Untersuchung führte eine                              in diesen Ländern.                                                   wissenschaftlichen Fortschritt beitragen –
Reihe von Gründen an, Roche in seiner                                                                                                      zum Wohle der Patienten.
Branche als nachhaltigstes Unterneh-                                  Auch ökologische und soziale Standards, die
men zu nennen. Dazu gehört die Strate-                                sich Roche seit vielen Jahren auf die Fahnen                         Jürgen Redmann
gie, sich auf Innovationen und personali-                             schreibt, bewertete das Assessment des DJSI
sierte Therapieansätze zu konzentrieren                               positiv. Beim Thema Umweltschutz verfolgen
und damit den Weg zu einer Medizin zu                                 wir ehrgeizige Ziele: Der Anteil erneuerbarer
verfolgen, die bei Patienten gezielter und                            Energien am Gesamtenergieverbrauch soll
erfolgreicher eingesetzt werden kann. Als                             bis 2020 auf 20 Prozent steigen, umgekehrt
Pionier der Personalisierten Medizin ver-                             die CO2-Emission im gleichen Zeitraum um
eint Roche wie kein anderes Unternehmen                               20 Prozent sinken. Was tun die deutschen
weltweit die Forschungs- und Entwick-                                 Roche Standorte, um diese Ziele zu errei-
lungsaktivitäten der Divisionen Pharma                                chen? Sie konzentrieren sich beispielsweise
und Diagnostics unter einem Dach. Das                                 auf eine Kraft-Wärme-Kopplung sowie auf
generiert Vorteile für den Patienten, die                             Biogasanlagen und verfügen außerdem über                                                         Jürgen Redmann
                                                                                                                                                                       Geschäftsführer der
Ärzteschaft, die Zulassungsbehörden und                               ein Umweltmanagementsystem, das von                                                              Roche Diagnostics
die Kostenträger im Gesundheitssystem.                                externen Stellen zertifiziert ist.                                                               Deutschland GmbH

    Inhalt

    Medizin
    Kardiotoxizität onkologischer Therapien und die Rolle kardialer Marker ................................................................................                                       S.    3
    Therapieassoziierte Hämostasestörungen in der Hämatologie und Onkologie .........................................................................                                             S.    6
    Risikostratifizierung bei Lungenembolie: Stellenwert kardialer Troponine................................................................................                                      S.    8
    Altersabhängige D-Dimer-Werte zum Ausschluss einer DVT....................................................................................................                                    S.   11
    Sensitive Troponin-Tests: Einfache „Gebrauchsanweisung“ .......................................................................................................                               S.   12
    Nicht-invasive Fibrosediagnostik ................................................................................................................................................             S.   14
    Internationales Roche Infektionssysmposium 4.0 .......................................................................................................................                        S.   16
    Labororganisation
    Ein Labor zum Vorzeigen............................................................................................................................................................           S. 18
    „Das größte Projekt in der Geschichte unseres Labors“..............................................................................................................                           S. 20
    Umfassende medizinische Betreuung für Schwangere ...............................................................................................................                              S. 22
    Produkte & Services
    Stolpersteine der Präanalytik......................................................................................................................................................           S. 24
    Schnell, genau und vernetzt........................................................................................................................................................           S. 28
    Produktnews................................................................................................................................................................................   S. 29
    Veranstaltungen & Kongresse
    Jetzt anmelden: Fachkurse Infektiologie und Hämostaseologie..................................................................................................                                 S. 30
    Ausgewählte Kongresse & Veranstaltungen März – Mai 2013 ...................................................................................................                                   S. 31

2        Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
Medizin

Kardiotoxizität onkologischer Therapien und die Rolle kardialer Marker
Prof. Dr. med. Hans Joachim Stemmler, Klinikum der Ludwig-Maximilians Universität, München

Die stete Zunahme innovativer Substan-      Der kardiotoxische Effekt von Trastu-                den dann klinisch relevant, wenn Patien-
zen und Strategien gegen Krebserkran-       zumab dagegen ist direkt auf die HER2-               ten – wie bei einigen Tumorarten heute
kungen trägt zu verbesserten Überle-        Blockade zurückzuführen. HER2 hat am                 möglich – hohe Langzeitüberlebensraten
benszeiten onkologischer Patienten bei.     Herzen eine Schutzfunktion gegenüber                 haben. Dies betrifft insbesondere auch
Bei einigen Tumorentitäten sind diese       kardialen Stressoren. Wird dieses Sys-               onkologische Erkrankungen bei Kindern
Fortschritte so groß, dass die Krebser-     tem blockiert – wie das unter anti-HER2-             und Jugendlichen 14). Das Spektrum kar-
krankung sogar als „chronische Krank-       Therapie der Fall ist – überwiegt der oxi-           diovaskulärer Nebenwirkungen unter
heit“ aufzufassen ist. Dadurch rücken       dative Stress. Diese als Typ II bezeichnete          Chemotherapie ist breit. Es umfasst 11):
Tumortherapie-induzierte Spätfolgen zu-     Form der Kardiotoxizität, führt zwar                 O s ymptomatische oder asymptomati-
nehmend in den Fokus, ausgelöst z.B.        ebenfalls zu einer verringerten Kontrak-               sche Veränderungen des Blutdrucks
durch die Kardiotoxizität zytostatisch      tilität, aber weniger zu einem Zellunter-            O t hromboembolische Ereignisse
wirksamer Medikamente. Dieser Artikel       gang und ist damit reversibel 3-8).                  OE  KG-Veränderungen, Arrhythmien
gibt eine Übersicht über die Patho­phy­                                                          OP  eri- und Myokarditis
siologie von Anthrazyklinen und / oder                                                           OM  yokardinfarkte
Trastuzumab, beschreibt die Risiko­                                                              OK  ardiomyopathien
faktoren für kardiale Nebenwirkungen                                                             O  ntwicklung einer akuten bzw. chro-
                                                                                                   E
und beleuchtet die Rolle kardialer Serum-                                                          nischen Herzinsuffizienz
marker im Kontext kardiotoxischer Che-
motherapien. Die Kinetik spezifischer                                                            Diese Veränderungen können akut inner-
Biomarker unter onkologischer Chemo­                                                             halb weniger Stunden / Tage, aber eben
therapie könnte zukünftig für die indivi-                                                        auch viele Jahre nach Beendigung der
duelle Prognose myokardialer Schäden                                                             Chemotherapie auftreten.
eine relevante Rolle spielen.
                                                                                                 Das Risiko für die Entwicklung einer
Pathophysiologie                                                                                 klinisch relevanten Kardiotoxizität ist
Die der Kardiotoxizität zugrunde liegen-                                                         individuell. Derzeit gibt es keine Modelle
den pathophysiologischen Mechanismen                                                             für die valide Vorhersage, andererseits
sind bisher nur zum Teil und nur für die                                                         ist die rasche Diagnose einer Chemo­
Anthrazykline und Trastuzumab aufge-                                                             therapie-assoziierten kardialen Kompli-
klärt.                                                                                           kation für das Überleben bzw. die Lebens-
                                                                                                 qualität der Patienten bedeutsam. Zwar
Der therapeutisch gewünschte anti­          Individuelle Prognosemodelle fehlen                  kennt man prädisponierende Faktoren
proliferative Effekt der Anthrazykline      Die zytostatisch wirksamen Antibiotika               und Parameter, die vor einer Therapie
begründet sich auf eine vielschichtige      aus der Gruppe der Anthrazykline und                 mit kardiotoxischen Substanzen abgeklärt
Inhibierung von DNA-Reparaturme-            der monoklonale Antikörper Trastuzu­                 werden müssen 15, Tab 1), dennoch erscheint
chanismen. Dies stört letztendlich die      mab gehören zu den Krebsmedikamen-                   es dringend notwendig, geeignete Metho-
Proteinbiosynthese nachhaltig. Ein kar­     ten mit dem größten kardiotoxischen                  den für die kardiale Überwachung zu
diotoxischer Effekt lässt sich daraus       Potenzial 9–13). Die Nebenwirkungen wer-             etablieren. Nur so gelingt die Identifika-
aber nicht zwingend ableiten, denn das
Myokard besitzt keine Möglichkeit der        Faktor                               erhöhtes kardiales Risiko, bei …

Zellreplikation (postmitotisches Organ).     Alter                                jüngeres > höheres Lebensalter

Der einzige Mechanismus, mit dem             Geschlecht                           weiblich > männlich
der Herzmuskel reagieren kann, ist die       Applikationsart                      Bolus / Kurzinfusion > protrahierte Infusion
Hypertrophie. Der Kardiotoxizität liegen     Kumulative Dosis (Anthrazykline)     Überschreitung der wirkstoffspezifischen
                                                                                  Kumulativdosis / m² Körperoberfläche
daher vermutlich andere Mechanismen
zugrunde: Apoptose, Veränderungen der                                             Im Einzelfall höhere Kumulativdosen möglich bei
                                                                                  fraktionierter bzw. protrahierter Applikation
Eisenhomöostase, Dysregulation der
                                             Strahlentherapie                     Zustand nach bzw. bei simultaner Mediastinalbestrahlung
Calcium-Homöostase im sarkoplasma-
                                             Kardiovaskuläre Vorerkrankungen      Arterielle Hypertonie
tischen Retikulum und in den Mito-
                                                                                  Koronare Herzerkrankung
chondrien induzieren einen oxidativen
                                             Elektrolytstörungen                  Hypokaliämie
Stress, der schlussendlich zur Myokard-
                                                                                  Hypomagnesiämie
fibrose und -nekrose führt 1,2).
                                            Tab.1: Prädisponierende Risikofaktoren für kardiale Nebenwirkungen unter Chemotherapie (aus 15)

                                                                                              Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013    3
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
tion potenziell gefährdeter Patienten zu                 einer Hochdosischemotherapie (cTnI-             den Blutdruck 27). Die Peptide werden
einem frühen Zeitpunkt und nur dann                      Messungen unmittelbar vor und nach              in Abhängigkeit vom linksventrikulären
besteht die Möglichkeit, durch adaptive                  der Chemotherapie, dann nach 12,                enddiastolischen Füllungsdruck überwie-
Maßnahmen (Dosisreduktion oder Weg-                      24, 36 und 72 h) im weiteren Verlauf            gend von den Herzvorhöfen, in einigen
lassen der kardiotoxischen Substanz;                     eine signifikante und anhaltende                Fällen auch von den Ventrikeln in die
Gabe kardioprotektiver Medikamente)                      Reduktion der linksventrikulären                Blutbahn sezerniert und dabei aus einer
eine Herzinsuffizienz zu verhindern.                     Ejektionsfraktion (LVEF). Blieben               Proform in das jeweils aktive Hormon
                                                         die Verlaufswerte von cTnI dagegen              und ein N-terminales Fragment gespal-
Ermutigende diagnostische Ansätze                        negativ, war eine reduzierte LVEF nur           ten. Natriuretische Peptide sind somit
Zum Nachweis medikamentös indu-                          transient und damit voll reversibel 22).        Marker für den Zustand des Myokards.
zierter, myokardialer Veränderungen ist                  Die Abb. 1 veranschaulicht den Ver-             Die Plasmakonzentrationen sind sowohl
die Myokardbiopsie nach wie vor die                      lauf der LVEF bei cTnI-negativen und            bei symptomatischer als auch bei asymp-
Methode mit der höchsten Spezifität 1,16).               cTnI-positiven Patienten.                       tomatischer Beeinträchtigung der systo-
In der klinischen Routine haben sich                    OD
                                                          ie Arbeitsgruppe um Auner verfolgte           lischen oder diastolischen myokardialen
nicht invasive, bildgebende Verfahren                    bei 78 Patienten unter Anthrazyklin-            Funktion erhöht. Grundsätzlich eignen
bewährt, die dem behandelnden Arzt                       basierter Chemotherapie wegen ver-              sich beide serologischen Parameter bei
die Entscheidung für oder gegen den                      schiedener hämatologischer Erkran-              akuter und / oder chronischer Herzin-
Beginn einer potenziell kardiotoxi-                      kungen (142 Behandlungszyklen) die              suffizienz zur Diagnose, Prognose und
schen Therapie erleichtern 17–19). Zahlrei-              cTnT-Kinetiken. Der cTnT-Peak war               Verlaufsbeurteilung unter Therapie 28–33),
che Studien kamen zu dem Ergebnis, dass                  im Median an Tag +21,5 (Bereich: Tag            allerdings sind BNP und sein N-termi-
auch bestimmte Serummarker (Tropo-                       +6 bis +35) nach Beginn der Chemo-              nales Fragment NT-proBNP klinisch
nine und natriuretische Peptide) in die-                 therapie erreicht. Die echokardiogra-           bedeutsamer 34, 35). Bei der linksventriku-
sem Kontext einen wertvollen Beitrag                     phische Verlaufsuntersuchung ergab              lären Dysfunktion hat NT-proBNP auch
zum Management von Patienten leisten                     einen deutlicheren Abfall der LVEF              gegenüber BNP klinische Vorteile: Es ist
könnten.                                                 bei cTnT-positiven Patienten im Ver-            stabiler (längere Halbwertszeit) und spe-
                                                         gleich zu der cTnT-negativen Gruppe:            zifischer (Spezifität NT-proBNP 78 % vs.
Kardiale Troponine regulieren die Kal-                   10 % versus 2 % (p=0,017) 23).                  BNP 69 %) 32).
zium-abhängige Interaktion von Myosin
und Aktin während der Kontraktion der                   Erhöhtes cTnI und cTnT im Serum als              Im Vergleich zu den kardialen Troponinen
Herzmuskelzellen. Die Proteinunterein-                  spezifisches Zeichen einer Kardiotoxi-           existieren zur diagnostischen Wertigkeit
heiten Troponin T (cTnT) und Troponin I                 zität lassen sich somit bereits innerhalb        natriuretischer Peptide bei der myokar-
(cTnI) eignen sich – gemessen mit ausrei-               von Stunden bis Tagen nach Start der             dialen Dysfunktion unter Chemotherapie
chend sensitiven und spezifischen Assays                Chemotherapie detektieren 23, 26). Darüber       derzeit noch deutlich weniger Daten.
– als Serummarker für Schädigungen der                  hinaus scheinen sie ebenfalls bereits zu         O I n der Studie von Knobloch et al.
Herzmuskulatur; sie sind im Blut gesun-                 einem frühen Zeitpunkt suggestiv für das           wurde bei 75 Patientinnen mit HER2
der Probanden mit intakten Herzmuskel-                  Ausmaß einer myokardialen Schädigung               überexprimierendem Mammakar-
zellen normalerweise nicht nachweisbar.                 zu sein 20–26).                                    zinom vor und nach der Infusion
                                                                                                           (Epirubicin bzw. liposomales Doxoru-
Troponine können somit auch herzschä-                   Die natriuretischen Peptide ANP („atrial           bicin) hämodynamische Messungen
digende Nebenwirkungen einer Chemo-                     natriuretic peptide) und BNP („brain               mittels USCOM, einem innovativen,
therapie aufzeigen 14, 20–26).                          natriuretic peptide“) regulieren physio-           Doppler basierten Verfahren, durch-
OB eispielsweise entwickelten Patienten                logischerweise unter anderem die renale            geführt. Unter Epirubicin kam es
  mit erhöhten cTnI-Spiegeln während                    Natriumausscheidung, die Diurese und               zu einer deutlichen Erhöhung des
                                                                                                           Schlag- und des Herzzeitvolumens
           70                                                                                              vor allem dann, wenn der primäre
                                                                  LVEF vs. Ausgangswert: * p < 0,001       NT-proBNP-Spiegel über 125 pg/ml
                                                                         cTnl - vs cTnl +: § p < 0,001
           65
                                                                                                           lag 36). Die Autoren spekulieren, ob
                                                                                               cTnl –
                                                                                                           diese Veränderungen Ausdruck einer
                                                                                                           bereits prätherapeutisch, klinisch
LVEF (%)

                                                            *
           60                                                                                              stummen, myokardialen Dysfunktion
                                                                                                           sein könnten. Dieselbe Arbeitsgruppe
                                                                                                           beobachtete unter Trastuzumab ähnli-
           55                                                           *§           *§
                                                           *§                                              che Veränderungen 37).
                                                                                               cTnl +
                                                                                                         O I n einer eigenen Studie 38) untersuch-
           50                                                                                               ten wir 50 Patienten unter Anthra-
                     0            1           2            3            4            7                      zyklin-basierter Chemotherapie mit
                                                  Monate                                                    Echokardiographie, USCOM und den
Abb. 1: LVEF-Verlauf in Abhängigkeit von cTnI bei Patienten unter Hochdosischemotherapie (aus 22)           Biomarkern cTnI und NT-proBNP

4          Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
über ein 3-monatiges Intervall. Die                                     Möglicherweise kann also die Kombina-                         30)	Mueller C et al.: Swiss Med Wkly (2007); 137:
         Messungen fanden zu folgenden Zeit-                                     tion verschiedener bildgebender Verfah-                            4–12
                                                                                                                                               31)	Mueller T et al.: Heart (2005); 91: 606–612
         punkten statt: vor Erstinfusion (T0),                                   ren (z.B. Echokardiographie, USCOM)
                                                                                                                                               32)	Rademaker MT et al.: Clin Sci (Lond) (2005); 108:
         6 h nach Erstinfusion (T1) sowie 1 Tag                                  mit der Messung von kardialen Biomar-                              23–36
         (T2), 7 Tage (T3) und 3 Monate (T4)                                     kern im Verlauf bereits zu einem frühen                       33)	Kinnunen P et al.: Endocrinology (1993); 132:
         nach Therapiebeginn. Die Patienten                                      Zeitpunkt diejenigen Patienten identifi-                           1961–1970
         mit einem signifikanten Abfall der                                      zieren, bei denen mit einem höheren kar-                      34)	de Lemos JA et al.: Lancet (2003); 362: 316–322
                                                                                                                                               35)	Maisel A: Circulation (2002); 105: 2328–2331
         LVEF (> 10 %) in der Echokardiogra-                                     diotoxischen Risiko zu rechnen ist. Die
                                                                                                                                               36)	Knobloch K et al.: Int J Cardiol (2008); 128:
         phie zeigten diese Veränderung glei-                                    bisherige Datenlage zu den serologischen                           316–325
         chermaßen im USCOM und hatten                                           Parametern ist für eine Risikostratifizie-                    37)	Knobloch K et al.: Int J Cardiol (2008); 125:
         darüber hinaus bereits zu den frühen                                    rung noch zu „dünn“, aber die bisherigen                           113–115
         Untersuchungszeitpunkten hohe NT-                                       Ergebnisse lassen eine relevante Rolle                        38)	Geiger S et al.: Onkologie (2012) ; 35: 241–246

         proBNP-Spiegel (Abb. 2a). Dies war                                      spezifischer Biomarker vermuten.
         ein signifikanter Unterschied zu den
         Patienten, die keine LVEF-Einschrän-                                    Die Verfügbarkeit verlässlicher und rou-
         kung in den Ultraschall-basierten Ver­                                  tinetauglicher Methoden für die kardiale
         fahren aufwiesen (Abb. 2b)                                              Überwachung würde die Lebensqualität
                                                                                 vieler Tumorpatienten mit langen Über-
                                                                                 lebenszeiten erheblich verbessern.
                    800                                   80

                    700                                                          Literatur:
                                                          75
                                                                                   1)	Meinardi MT: Cancer Treat Rev (1999); 25: 237-247
                    600
                                                                                   2)	Elliott P: Semin Oncol (2006); 33: S2-7
NT-proBNP (pg/ml)

                                                          70
                                                               SV (ml), EF (%)

                    500                                                            3)	Ewer MS et al.: J Clin Oncol (2005); 23: 7820–7826
                                                                                   4)	Erickson SL et al.: Development (1997); 124:
                    400                                   65
                                                                                       4999-5011
                    300                                                            5)	Lee KF et al.: Nature (1995); 378: 394–398
                                                          60                       6)	Crone SA et al.: Nat Med (2002); 8: 459–465
                    200                                                            7)	Chien KR: N Engl J Med (2006); 354: 789–790
                                                          55                       8)	Perik PJ et al.: Eur J Heart Fail (2007); 9: 173–177
                    100
                                                                                   9)	Jain D: J Nucl Cardiol (2000) ; 7: 53–62
                      0                                   50                     10)	Ryberg M et al.: J Clin Oncol (1998); 16: 3502–
                          T0   T1      T2       T3   T4                                3508
                                    Zeitpunkt                                    11)	Schimmel KJ et al.: Cancer Treat Rev (2004); 30:
                                                                                       181–191
                           NT-proBNP
                                                                                 12)	Labianca R et al.: Tumori (1982) ; 68: 505–510
                           EF Echo
                           SV USCOM                                              13)	Nahta R, Clin Cancer Res (2003); 9: 5078–5084
                                                                                 14)	Mavinkurve-Groothuis AM et al.: Pediatr Hematol
Abb. 2a: NT-proBNP Kinetik bei Patienten mit                                           Oncol (200); 25: 655–664
einem Abfall der Ejektionsfraktion von > 10 %                                    15)	Ponisch W et al.: Internist (Berl) (2006); 47:
unter Anthrazyklintherapie (aus 38)                                                    266–268, 270–272
                                                                                 16)	Cooper LT et al.: J Am Coll Cardiol (2007); 50:
                    800                                   80                           1914–1931
                                                                                 17)	Schwartz RG et al.: Am J Med (198); 82: 1109–
                                                                                       1118
                    700                                   70
                                                                                 18)	Saad A et al.: Community Oncology (2007); 4: 739
                                                                                 19)	Keef DL: Cancer (2002); 95: 1597
NT-proBNP (pg/ml)

                    600                                   60
                                                               SV (ml), EF (%)

                                                                                 20)	Cardinale D et al.: Circulation (2004); 109: 2749–
                                                                                       2754
                    500                                   50
                                                                                 21)	Cardinale D et al.: Ann Oncol (2002); 13: 710–715
                                                                                 22)	Cardinale D et al.: J Am Coll Cardiol (2000); 36:
                    400                                   40                           517–522
                                                                                 23)	Auner HW et al.: Ann Hematol (2003) ; 82: 218–
                    300                                   30                           222
                                                                                 24)	Koh E et al.: Circ J (2004); 68: 163–167
                    200                                   20                     25)	Lipshultz SE et al.: Circulation (1997); 96: 2641–
                          T0   T1      T2       T3   T4                                2648
                                    Zeitpunkt                                    26)	Kremer LC et al.: Eur J Cancer (2002); 38: 686–           Korrespondenzadresse:
                                                                                                                                                Prof. Dr. med. Hans-Joachim Stemmler
                                                                                       689
                           NT-proBNP                                                                                                            Oberarzt der Medizinischen Klinik III
                                                                                 27)	Brunner–La Rocca HP et al.: J Am Coll Cardiol
                           EF Echo                                                                                                              Hämatologie & Onkologie
                           SV USCOM                                                    (2001); 37: 1221–1227                                    Ludwig-Maximilians Universität München
                                                                                 28)	Urek R et al.: Acta Med Croatica (2008); 62:              Campus Großhadern
Abb. 2b: NT-proBNP Kinetik bei Patienten ohne                                          53–56                                                    Marchioninistraße 15
Abfall der Ejektionsfraktion unter Anthrazy-                                     29)	Mueller C: Clin Chem (2007) ;53: 1719–1720; aut-          81377 München
klintherapie (aus 38)                                                                  hor reply 1720–1711.                                     joachim.stemmler@med.uni-muenchen.de

                                                                                                                                              Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013            5
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
Medizin

Therapieassoziierte Hämostasestörungen in der Hämatologie und Onkologie
Dr. med. Tobias Bartscht und Dr. med. Harald Biersack, Medizinische Klinik I, UKSH, Campus Lübeck

Der Pariser Arzt Armand Trousseau belegte                                                    sich bisher nicht etabliert, da die Mehrzahl
Mitte des 19. Jahrhunderts den engen                                                         der Studien keinen signifikanten Benefit
Zusammenhang zwischen Tumor und                                                              zeigte. Lediglich in einigen Therapiepro-
Thrombose. Das Thema ist bis heute                                                           tokollen, z.B. beim Keimzelltumor, sind
Gegenstand der Forschung. Aktuelle                                                           Heparine als Empfehlung zu finden12). Bei
Untersuchungen zu den Veränderungen                                                          anderen klassischen Chemotherapeutika,
der unmittelbaren Tumorumgebung (Mic-                                                        etwa aus der Gruppe der Antimetabolite,
roenvironment)1) lassen darüber hinaus                                                       Vincaalkaloide, Taxane, interkalierenden
eine Wechselwirkung zwischen Tumorbio-                                                       Substanzen und Hormontherapien wur-
logie und Metastasierungsverhalten mit                                                       den ähnliche Effekte auf die Hämostase
dem Gerinnungssystem vermuten. Seit der                                                      gefunden. Aber auch hier resultiert häufig
Verwendung zytostatisch wirksamer Medi-                                                      keine therapeutische Konsequenz.
kamente besteht auch die Frage, ob eine
Thrombose durch die per se vorhandene                                                        Moderne Substanzen
tumorbedingte Thrombophilie entstanden                                                       Das heutige Arzneimittelgesetz (AMG)
ist oder erst durch die Therapie induziert        Prostacyclins ein 4). Dies mündet wie-     fordert im Rahmen von Zulassungs-
wurde. Eine eindeutige Antwort steht aus.         derum in eine erhöhte Plättchenaggre-      studien eine statistische Erfassung von
Bekannt ist, dass sowohl klassische Che-          gation bzw. in die Sensibilisierung der    Nebenwirkungen der evaluierten Medi-
motherapeutika als insbesondere auch              Thrombozyten gegenüber Kollagen und        kamente. Deshalb liegen für alle neuen
neuere Medikamente häufig Interaktionen           Arachidonsäure 5).                         Einzelsubstanzen in der Tumortherapie
mit dem Gerinnungssystem zeigen und vor          OH
                                                   ypomagnesiämie: Der regelmäßig           auch Daten bezüglich einer möglichen
allem eine therapieassoziierte Thrombo-           messbare Magnesiummangel 6) verän-         Beeinflussung der Hämostase vor. Das
philie generieren. Verbindliche therapeu-         dert die intrazelluläre Calciumkon-        vereinfacht wesentlich die Identifizierung
tische Konsequenzen z.B. zur prophylakti-         zentration aller Zellen. Dies hat auch     komplikationsträchtiger Medikamente.
schen Antikoagulation gibt es bis auf             einen signifikanten Effekt auf die
wenige Ausnahmen derzeit nicht. Auf               Thrombozytenaggregation 7).                Tamoxifen, ein selektiver Modulator
Basis valider Zulassungsstudien müssen           OV
                                                   erminderter Protein C-Spiegel: Die       der Östrogenrezeptoren auf hormon-
jedoch die evidenzbasierten Erkenntnisse          toxinbedingte Freilegung des Sub­          sensitiven Tumorzellen, hat die Thera-
über Veränderungen der Hämostase durch            endothels bzw. der endothelialen           pie des Mammakarzinoms entscheidend
neue hämatologisch und onkologisch                Basalmembran verursacht neben der          geprägt. Nicht nur das: In den USA dient
wirksame Substanzen in Praxisempfehl­             Thrombozytenaggregation auch die           das Medikament bei Hochrisikopatien-
ungen umgesetzt werden.                           Aktivierung verschiedenster Prote­         ten auch zur Primärprophylaxe 13). Unter
                                                  asen, wodurch der Protein C-Spiegel        Tamoxifen treten vermehrt therapie-
Klassische Chemotherapie                          sinkt. Nach Therapieende ist regel­        assoziierte Thrombosen auf, deren Pa-
Klassische Chemotherapeutika, wie bei-            mäßig eine Normalisierung zu erken-        thomechanismus jedoch bis heute unge-
spielsweise das Alkylanz Cisplatin, kön-          nen 8).                                    klärt ist. Diskutiert wird zwar ein Effekt
nen das venöse und arterielle Throm-             OR
                                                   aynaud-Syndrom: Diese lang anhal-        durch die Modulation des Östrogenhaus-
boserisiko signifikant erhöhen 2). Dafür          tende Gefäßerkrankung mit Durch-
werden verschiedene, denkbare Mecha-              blutungsstörungen der Finger oder
nismen diskutiert.                                Zehen ist sehr wahrscheinlich Aus-
OA kute toxische Endothelschädigung:             druck der neurotoxischen Nebenwir-
  Kurz nach Cisplatin-Applikation lässt           kungen von Cisplatin 9). Die vegetative
  sich als Ausdruck einer Endothel-               Dysregulation arterieller Endstrecken
  verletzung ein signifikanter Anstieg            ist mit vermehrten thromboemboli-
  des von-Willebrand-Faktors in der               schen Ereignissen vergesellschaftet 10).
  Zirkulation messen 3). Dies könnte die
  Plättchenaktivierung und -aggregation          Diese und weitere Veränderungen der
  forcieren.                                     Hämostase führen unter Cisplatin-The­
OD ysbalance von Zytokinen: Das Endo-           rapie zu einem erhöhten Thrombose­
  thel schüttet vermehrt den proinflam­          risiko, das in der Literatur mit ca.10 –
  matorischen Tumor Nekrose Faktor               20 % angegeben wird 11). Eine therapeu-
  alpha (TNFa) aus und schränkt die              tische Konsequenz, z.B. eine Prophylaxe
  Synthese des aggregationshemmenden             mit niedermolekularen Heparinen, hat

6   Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
haltes, jedoch ist das Zusammenspiel       hängigkeit seiner Therapiebedürftigkeit        Empfehlungen für die Praxis
von Hämostase und Östrogen unklar.         ein erhöhtes Thromboserisiko bedeutet,         Vor allem im Kontext mit modernen
Die Bestimmung gerinnungsrelevanter        jedoch waren die Befunde im Kontext            Krebsmitteln, deren hämostaseologische
Parameter in verschiedenen klinischen      mit der Thalidomid-Therapie so eindeu-         Risiken durch Studien belegt sind, stellt
Studien ergab ein uneinheitliches Bild     tig, dass die Deutsche Gesellschaft für        sich die Frage nach der Empfehlung für
ohne eindeutigen Prognosemarker.           Hämatologie und Onkologie (DGHO)               die Praxis. Wann ist bei der jeweiligen
                                           2005 einen Konsensus erarbeitet hat.           Tumortherapie welche Überprüfung zu
Einen ähnlichen Siegeszug in der Tumor-    Darin werden erstmalig evidenzbasierte         veranlassen bzw. Maßnahme zu ergrei-
therapie verzeichnen Antikörper, die       Empfehlungen sowohl zur Thrombose-             fen? Nur für einige wenige Substanzen
als Antagonisten des VEGF (Vascular        prophylaxe als auch zum Thrombophilie-         gibt es klare Empfehlungen.
Endothelial Growth Factor) das Mig-        Screening ausgesprochen19), jedoch ohne        OB ei Verwendung der prokoagulato-
rationsverhalten und die Proliferation     konkrete Parameterempfehlungen. Die              risch wirkenden Substanz Thalidomid
von Endothelzellen beeinflussen und        Entscheidung über Art und Ausmaß des             sollte sich der behandelnde Arzt an
letztlich die Tumorangiogenese hem-        Screenings verbleibt somit bei den Kolle-        die oben genannten Empfehlungen
men. Diese Art antiproliferativer The-     gen der Hämostaseologie.                         der DGHO sowie von Hämostaseolo-
rapie (z.B. mit Bevacizumab) findet bei                                                     gen halten.
vielen soliden Tumoren Anwendung.                                                         OV or und täglich während der Therapie
Und wiederum zeigte sich ein erhöhtes                                                       mit Asparaginase ist die Bestimmung
und auch dosisabhängiges Thrombose-                                                         von Antithrombin III essenziell.
risiko. Ursächlich wird hier diskutiert,                                                  OV or und nach einer ATG-Therapie
dass durch eine erhöhte Apoptose von                                                        müssen die Thrombozytenzahl sowie
Endothelzellen subendotheliale Struktu-                                                     ein eventueller Verbrauch an Gerin-
ren freigelegt werden, die im Folgenden                                                     nungsfaktoren beobachtet werden.
das Gerinnungsystem aktivieren14). Da
der VEGF-Rezeptor viele Komponenten                                                       In allen anderen Fällen gilt die übliche
der Hämostase auf Endothelebene regu-                                                     Vorgehensweise für die Thrombophi-
liert, könnten verschiedene Mediatoren                                                    liediagnostik: Bei positiver Eigen- oder
(z.B. Tissue-Faktor, Thrombomodulin,                                                      Familienanamnese ist vor Therapiestart
von-Willebrand-Faktor, Plasminogen-                                                       bzw. bei entsprechender Verdachtssymp-
Aktivator und Plasminogen-Aktivator-                                                      tomatik eine Thromboseneigung zu über-
Inhibitor) ein Ungleichgewicht erfahren                                                   prüfen. Sinnvolle Parameter, aus deren
und einen prokoagulatorischen Zustand                                                     Messergebnissen sich ein individuelles
induzieren 14).                                                                           Risiko ermitteln lässt, sind: Protein C,
                                           DIC unter Antithymozytenglobulin               Protein S, Faktor VIII, APC-Resistenz,
Beim Multiplen Myelom haben Immun-         Das Antithymozytenglobulin (ATG) ist           Homocystein, Lupus Antikoagulanz,
modulatoren wie Thalidomid oder Lena-      ein immunsuppressiv wirksames Gemisch          Antiphospholipid-Antikörper sowie ggf.
lidomid heute einen hohen Stellenwert      polyklonaler Antikörper gegen menschli-        molekularbiologische Verfahren zur
im Rahmen von Kombinationsthera-           che Lymphozyten, das bei der aplastischen      Erfassung thrombogener Mutationen.
pien. Doch Thalidomid korreliert mit       Anämie oder in der Konditionierungsthe-        In einigen Fällen kann auch eine Über-
einer erhöhten Inzidenz thromboembo-       rapie vor allogener Stammzelltransplanta-      prüfung des Fibrinolysesystems sinnvoll
lischer Ereignisse – in der Kombination    tion zur Anwendung kommt. Unter ATG            sein22). Es gibt zwar in der Regel (noch)
mit einem Anthrazyklin lag das Risiko      entwickelt sich häufig eine, z.T. auch kli-    keine verbindlichen Aussagen zu thera-
für venöse Thrombosen in der Erstlini-     nisch relevante disseminierte intravasale      peutischen Konsequenzen, bei bestehen-
entherapie bei 20 – 30 %15). Der genaue    Gerinnung (DIC), die vermutlich durch          der Risikokonstellation sollte aber eine
Pathomechanismus bleibt auch hier          den ATG-vermittelten Zytokinsturm,             Prophylaxe diskutiert und ein Kollege der
unklar16). Neben dem oben beschriebe-      einer Entgleisung des Immunsystems             Hämostaseologie hinzugezogen werden.
nen Mechanismus der Endothelschädi-        mit potenziellem Multiorganversagen,
gung könnte eine erworbene Resistenz       aus­gelöst wird 20). Zytokinsturm und DIC      Die Hämostaseologie findet in der
gegenüber aktiviertem Protein C (APCR)     sind regelhaft mit Beendigung der The-         modernen Tumortherapie zunehmend
verantwortlich sein. Bei nachgewiesener    rapie selbst limitierend, deshalb ist außer    Beachtung. Nicht zuletzt deshalb, weil die
APCR steigt das Thromboserisiko unter      einer engmaschigen Überwachung der             Datenvielfalt moderner Studien wertvolle
Thalidomidtherapie bis auf 66 % 17).       Gerinnungfaktoren (Quick, PTT, AT-             Hinweise liefert, auf welchen Mechanis-
Weiterhin beobachtete man bei Patien-      III, Fibrinogen) und der Thrombozy-            men die Beeinflussung der Hämostase
ten mit starker Krankheitsaktivität eine   tenzahlen nur die im Bedarfsfall not-          beruht und mit welchen klinischen Kon-
Erhöhung der Faktor VIII-Aktivität und     wendige Substitution mit Thrombozyten          sequenzen zu rechnen ist. Daraus abge-
des von-Willebrand-Faktor-Antigens 18).    und Antithrombin III durchzuführen 21).        leitete Anweisungen für die Diagnostik,
Zwar bestätigten mehrere Studien, dass     Langfristige Konsequenzen sind nicht zu        die Therapie und die Prophylaxe müssen
ein Multiples Myelom per se und in Ab-     erwarten oder zu kontrollieren.                konsequent vorangetrieben werden.

                                                                                         Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013   7
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
Literatur:
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  4)	Aitokallio-Tallberg A et al.: British Journal of Can-   16)	Cavo M et al.: Blood (2002); 100 (6): 2272–2273           tion (2003); 31 (9): 817–822. doi:10.1038/
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      (5): 503–509                                            18)	Minnema MC et al.: Journal of Thrombosis and              logy (2008); 143 (3): 321–335. doi:10.1111/j.1365-
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  8)	Anders et al.: Radiation Oncology (London, Eng-                                                                   Korrespondenzadresse:
      land) 1 (2006): 14. doi:10.1186/1748-717X-1-14
                                                                                                                        Dr. med. Tobias Bartscht
                                                                                                                        Oberarzt
  9)	Içli F et al.: Cancer (1993); 72 (2): 587–593
                                                                                                                        und
10)	Doll DC et al.: Seminars in Oncology (1992); 19
                                                                                                                        Dr. med. Harald Biersack
      (5): 580–596                                                                                                      Bereichsleiter Hämatologie / Onkologie
11)	Weijl NI et al.: Journal of Clinical Oncology: Offi-                                                               Medizinische Klinik I
      cial Journal of the American Society of Clinical                                                                  Universitätsklinikum Schleswig Holstein
      Oncology (2000); 18 (10): 2169–2178                                                                               Campus Lübeck
12)	Schmoll HJ, et al.: ”Kompendium der Internisti-          Dr. Tobias Bartscht          Dr. Harald Biersack        Ratzeburger Allee 160
      schen Onkologie”, 4. Auflage, Springer 2005                                                                       servicepoint-onkologie@uksh.de
13)	Fisher B et al.: Journal of the National Cancer

Medizin

Risikostratifizierung bei Lungenembolie: Stellenwert kardialer Troponine
Dr. med. Mareike Lankeit und Prof. Dr. med. Stavros Konstantinides, Universitätsmedizin Mainz

Die Lungenembolie (LE) ist eine häufige                       Druckes und der rechtsventrikulären                       Infarzierung, Reduktion der linksvent-
und potenziell lebensbedrohliche Erkran-                      Nachlast entwickelt, eine kritische Deter-                rikulären Vorlast und schließlich Abfall
kung. Die Symptomatik von Patienten mit                       minante. Es entsteht ein Circulus vitiosus                des Herzzeitvolumens1). Dies imponiert
LE variiert in ihrer Ausprägung vom asym-                     aus erhöhtem myokardialem Sauerstoff-                     klinisch als Synkope, als Blutdruckabfall
ptomatischen Verlauf bis hin zum kardio-                      bedarf, Myokardischämie bis hin zur                       bis hin zum kardiogenen Schock und
genen Schock. Die Vielzahl an uncharak-                                                                                 als plötzlicher Herztod aufgrund akuten
teristischen Symptomen und klinischen                                                                                   Rechtsherzversagens.
Präsentationen stellt eine Herausforde-
rung für die Diagnosestellung und die dif-                                                                              Die akute LE ist prognostisch heterogen:
ferenzialdiagnostische Abgrenzung dar.                                                                                  Hämodynamisch instabile Patienten zei-
Auch die Mortalitäts- und Morbiditäts-                                                                                  gen eine Mortalitätsrate von über 15 % –
prognose der Patienten nach bestätigter                                                                                 in einigen Studien bis zu 65 %, während
LE ist äußerst heterogen. Eine individuelle                                                                             die Letalität bei hämodynamisch stabilen
Risikostratifizierung ist aber Vorausset-                                                                               Patienten ohne RV Dysfunktion und ohne
zung für die Einleitung der jeweils am                                                                                  Hinweise auf myokardiale Ischämie bei
besten geeigneten Therapie. Auf der                                                                                     weniger als 1 % liegt. Das erfordert eine
Suche nach einer möglichst exakten                                                                                      individuelle Risikostratifizierung hin-
Risikodifferenzierung werden verschie-                                                                                  sichtlich Mortalität oder der Entwicklung
dene Parameter validiert, darunter auch                                                                                 schwerer Komplikationen. 2008 empfahl
das prognostische Potenzial kardialer                                                                                   die European Society of Cardiology (ESC)
Troponine.                                                                                                              erstmals eine risikoadaptierte Einteilung
                                                                                                                        von Patienten mit LE2). Sie ermöglicht
Die Prognose bestimmt die Therapie                                                                                      eine an die Dringlichkeit der Situation
Für die Prognose bei akuter LE ist das                                                                                  angepasste diagnostische Strategie (Abb. 1)
Ausmaß der rechtsventrikulären (RV)                                                                                     und die Einleitung einer risikoadaptier-
Dysfunktion, die sich infolge des abrup-                                                                                ten Therapie nach definitiver Diagnose
ten Anstiegs des pulmonalarteriellen                                                                                    (Tab. 1).

8      Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
Patienten mit „Hochrisiko“-Lungen­em-        Therapieentscheidungen beim Akuten                             In den vergangenen Jahren haben sich
bolie 2)* sind hämodynamisch instabil        Koronarsyndrom. Troponine können                               kardiale Troponine in zahlreichen Stu-
(persistierende arterielle Hypotonie oder    auch bei anderen Erkrankungen, die                             dien auch als Biomarker für die Risi-
kardiogener Schock) und gefährdet durch      mit myokardialen Schäden einhergehen,                          kostratifizierung von Patienten mit aku-
eine hohe und frühe Mortalität. Im Vor-      erhöht sein – dieser Tatsache muss bei                         ter LE bewährt. Becattini et al.7) fanden
dergrund stehen neben der raschen            der differenzialdiagnostischen Abgren-                         2007 mittels Metaanalyse von 20 Studien
Diagnose die schnelle Einleitung einer       zungen Rechnung getragen werden 6).                            mit 1 985 unselektionierten Patienten
rekanalisierenden Therapie, wie Throm-
bolyse, chirurgische Embolektomie oder
                                                       Patient ist hämodynamisch instabil                              Patient ist hämodynamisch stabil
kathetertechnische Thrombusaspiration /                 > „Hochrisiko-Lungenembolie“                                 > „Nicht-Hochrisiko-Lungenembolie“
-fragmentation 4) (Abb. 1).
                                                           Rasche definitive Diagnose                                           Klinische Wahrscheinlichkeit
                                                          mittels spezifischer Bildgebung                                  (z.B. Wells-, revidierter Genfer-Score)
Hämodynamisch stabile Patienten wer-
den als „Nicht-Hochrisiko“-Lungenem-
                                                       negativ                        positiv                               hoch                       niedrig / mittel
bolie eingestuft. Zur Dia­g nosefindung
legen die aktuellen Leitlinien2, 5) beson-
                                                      Weitere                   Rekanalisierende
deren Wert auf die Anwendung bewähr-           Differenzialdiagnostik              Therapie
                                                                                                                                                       D-Dimer-Wert
ter Scores (z.B. Wells- oder revidierter
Genfer-Score), mit denen sich die indi-                                                                                                 pathologisch               normal
viduelle klinische Wahrscheinlichkeit
einer LE abschätzen lässt. Bei niedriger /
                                                                                                             Spezifische Bildgebung
mittlerer klinischer Wahrscheinlichkeit
können sensitive D-Dimer-Tests mit ei-
nem normalen Ergebnis eine LE aus-                                                                               positiv            negativ
schließen, bei hoher Wahrscheinlichkeit
wird die sofortige Diagnosesicherung                Risikostratifizierung auf LE-bedingte Morbidität, Mortalität
                                                                                                                                        Ausschluss Lungenembolie
                                                        über RV Dysfunktion und myokardiale Zellnekrose
mittels spezifischer bildgebender Ver-
fahren (Computertomographie oder Ven-
                                                     intermediär                                       niedrig
tilations- / Perfusionsszintigraphie) emp-
fohlen. Hinsichtlich der Prognose ist zu
beachten, dass ein Teil dieser normo-                  Individuell angepasste therapeutische Maßnahmen
tensiven, scheinbar „stabilen“ Patienten
dennoch durch ein erhöhtes („interme-        Abb. 1: Diagnostische (blau) und prognostische (grau) Schritte beim Verdacht auf akute Lungen-
                                             embolie vor Einleitung der adäquaten Therapie (grün)
diäres“) Todes- und Komplikationsrisi-
ko gefährdet ist. Daher erscheint eine
weiterführende Risikostratifizierung in-                                                    Risikomarker
diziert. Dies gelingt mit Untersuchungs-           LE-bedingtes               Klinisch           RV-         myokardiale                      Therapeutische
befunden, die auf eine RV Dysfunktion           frühes Todesrisiko            (Schock,       Dysfunktion      Ischämie                         Konsequenz
                                                                             Hypotonie)
hinweisen (trans­thorakale Echokardio-
graphie, Computertomographie und /                                                                                                 - Antikoagulation
oder erhöhte Plasmaspiegel natriureti-       Hoch                > 15 %           +             (+)*               (+)*
                                                                                                                                   - Thrombolyse
                                                                                                                                   - Interventionelle Verfahren
scher Peptide) sowie mit Markern der                                                                                               - Chirurgische Thrombektomie
myokardialen Zellnekrose (kardiale Tro-
ponine oder heart-type fatty acid-binding                                                        +                  +              - Antikoagulation
protein). Aus der jeweiligen Ergebnis-                                                                                             - Thrombolyse / interventionelle
                                             Intermediär         3 – 15 %         –              +                   –                Verfahren (?) in ausgewählten Fällen
konstellation lassen sich Patienten mit                                                                                            - Stationäre Behandlung, ggf. Inten-
„intermediärem“ und „niedrigem“ Risiko                                                           –                  +                 sivtherapie
differenzieren, für welche derzeit teil-
                                                                                                                                   - Antikoagulation
weise unterschiedliche Behandlungs-                                                                                                - Ambulante Behandlung / frühe
strategien erprobt werden (Abb. 1).          Niedrig             < 1%             –              –                   –
                                                                                                                                      Entlassung möglich (noch nicht
                                                                                                                                      explizit empfohlen)

Risiko-Scores und Troponine
                                             Abkürzungen: LE = Lungenembolie, RV = rechtsventrikulär
Die kardialen Troponine T und I sind         * Bei Vorliegen eines kardiogenen Schocks oder persistierender arterieller Hypotonie entfällt die Notwendigkeit,
aufgrund ihrer hohen Gewebespezifität           eine RV Dysfunktion oder Myokardnekrose mittels laborchemischer Marker nachzuweisen. Dies gilt auch für
sehr sensitive Marker für eine myokar­          echokardiographische und computertomographische Befunde, sofern die bildgebenden Verfahren nicht bereits
                                                zur Diagnostik eingesetzt wurden.
diale Schädigung. Ihre heutige Bedeu-
tung liegt vor allem in der Diagnostik,      Tab. 1: Risikoadaptiertes Management der akuten Lungenembolie. Modifiziert und angepasst nach
                                             der Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC) (1)
Risikostratifizierung und Leitung von

                                                                                                           Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013                        9
Diagnostik im Dialog der Roche Diagnostics Deutschland GmbH - Anforderungskarte
mit akuter LE eine Assoziation zwischen           Durch die Entwicklung und Validie-           in prospektiven klinischen Studien zu
erhöhten Troponin-Konzentrationen und             rung von klinischen Scores wie z.B. dem      überprüfen. Da ca. 25 % aller Patienten
einem erhöhten Risiko für                         Pulmonary Embolism Severity Index            mit LE zu dieser potenziell geeigneten
OK urzzeitletalität (Odds Ratio: 5,2;            (PESI)11) und seiner simplifizierten Ver-    Gruppe gehören, erscheint eine ambu-
  95 % Konfidenzintervall: 3,3 – 8,4)             sion (sPESI)12) können heute Patienten       lante Behandlung sowohl aus der Pers-
OL E-assoziiertem Tod (Odds Ratio: 9,4;          mit einem LE-assoziierten Letalitätsri-      pektive von Patienten und Ärzten als auch
  95 % Konfidenzintervall: 4,1 – 21,5)            siko während der Akutphase von ~1 %          aus ökonomischer Sicht hoch attraktiv.
OL E-bedingten schweren Komplikatio-             identifiziert werden. Auch hoch-sensi-
  nen (Odds Ratio: 7,0; 95 % Konfidenz-           tive Tests für kardiale Troponine, deren
  intervall: 2,4 – 20,4)                          Normalbereich als 99. Perzentile einer       * In Nordamerika gilt für diese Patientengruppe die
                                                  gesunden Referenzpopulation mit einem           Bezeichnung „massive“ Lungenembolie 3)

Die Ergebnisse einer 2009 publizierten            Variationskoeffizienten < 10 % definiert
Metaanalyse von 9 Studien mit 1 366               ist, spielen in diesem Kontext eine wich-    Literatur:
normotensiven Patienten zeigten aller-            tige Rolle. Diese neuen Assays erlauben        1)	Konstantinides S: Curr Opin Cardiol (2005); 20:
                                                                                                     496-501
dings, dass bei der Einstufung „Nicht-            aufgrund ihrer verbesserten Präzision
                                                                                                 2)	Torbicki A et al.: Eur Heart J (2008); 29: 2276-315
Hochrisiko“-Lungenembolie erhöhte                 die zuverlässige Identifizierung von LE-       3)	Jaff MR et al.: Circulation (2011); 123: 1788-830
Troponin-Konzentrationen alleine nicht            Patienten mit „niedrigem Risiko“.              4)	Konstantinides S, Goldhaber SZ: Eur Heart J
ausreichen, ein erhöhtes Letalitätsrisiko                                                            (2012); 33: 3014-3022
vorauszusagen 8). Jedoch demonstrierten           Patienten mit hsTnT-Konzentrationen            5)	Interdisziplinäre S2-Leitlinie: Vasa (2010); 39: 1-39
                                                                                                 6)	Agewall S et al.: Eur Heart J (2011); 32: 404-411
verschiedene Studien 4, 9), dass die Kom-         unterhalb des Referenzwertes von 14 pg/
                                                                                                 7)	Becattini C et al.: Circulation (2007); 116: 427-433
bination aus Laborparametern (Tropo-              ml (ElecsysT Troponin T high sensitive,        8)	Jimenez D: Chest (2009); 136: 974-982
nin oder natriuretischen Peptiden) und            Firma Roche Diagnostics) hatten einen          9)	Konstantinides S: N Engl J Med (2008); 359:
bildgebenden Verfahren die prognosti-             günstigen klinischen Verlauf: Keiner               2804-2013
sche Information – und damit die Iden-            dieser Patienten verstarb oder erlitt LE-    10)	The PEITHO Steering Committee: Am Heart J
                                                                                                     (2012); 163: 33-38
tifikation der „truly“ intermediären Risi-        assoziierte Komplikationen in der Akut-
                                                                                               11)	Aujesky D et al.: Am J Respir Crit Care Med
kogruppe – verbessern kann.                       phase (Negativer Prädiktiver Wert von              (2005); 172: 1041-1046
                                                  100 %) 13). Eine große multizentrische       12)	Jimenez D et al.: Arch Intern Med (2010);
Therapeutische Implikationen                      Studie hat diese Erkenntnisse nicht nur            170:1383-1389
Im Gegensatz zu Patienten mit „Hoch-              bestätigt, sondern darüber hinaus gezeigt,   13)	Lankeit M et al.: Eur Heart J (2010); 31:1836-1844
                                                                                               14)	Lankeit M et al.: Circulation (2011); 124: 2716-
risiko“-Lungenembolie, bei denen die              dass die Kombination von hoch-sensiti-
                                                                                                     2724
rasche Rekanalisation und die damit               vem Troponin-T und dem sPESI additive        15)	Zondag W et al.: Eur Respir J (2012)
verbundene Senkung der rechtsventri-              prognostische Informationen z.B. für eine
kulären Nachlast überlebensentscheidend           noch exaktere Differenzierung zwischen
ist, wird bei einer „Nicht-Hochrisiko“-           „niedrigem“ und „intermediärem“ Risiko
Lungenembolie die Thrombolyse nicht               liefert 14).
routinemäßig empfohlen. Da Patienten
mit „intermediärem“ Risiko jedoch ein             Eine kürzlich publizierte Metaanalyse (13
Todes- und Komplikationsrisiko von                zum Teil randomisierte klinische Studien
bis zu 15 % haben, wird in der laufen-            mit 1 657 Patienten mit unterschiedli-
den multizentrischen, internationa-               chen Ein- und Ausschlusskriterien) lässt
len, doppel-blind randomisierten Pul-             annehmen, dass bei bestimmten hämo-
monary Embolism Thrombolysis Study                dynamisch stabilen Patienten mit „nied-
(PEITHO) überprüft, ob normotensive               rigem“ Risiko eine ambulante Behand-
Patienten mit positivem Troponin-Wert             lung sicher sein könnte 15). Die Kriterien
und mittels Echokardiografie oder Com-            zur Identifizierung dieser Subpopulation
putertomographie nachgewiesener RV                sowie die optimale Behandlungsstrategie
Dysfunktion von einer frühen thrombo­             sind noch einheitlich zu definieren und
lytischen Behandlung (Tenecteplase
versus Placebo) profitieren10). Nach Ein-                                                      Korrespondenzadresse:
schluss von 1 006 Patienten ist die Rekru-                                                     Dr. med. Mareike Lankeit
                                                                                               Gruppenleiterin „Klinische Studien“
tierung abgeschlossen, die Ergebnisse                                                          und
sind 2013 zu erwarten.                                                                         Prof. Dr. med. Stavros Konstantinides
                                                                                               Leiter Modul „Klinische Studien“
                                                                                               Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH)
Strategien zur optimierten Risikostra-                                                         Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-
tifizierung von Patienten mit „niedri-                                                         Universität Mainz
gem“ Risiko haben in den letzten Jahren           Dr. Mareike           Prof. Dr. Stavros      Langenbeckstraße 1, Geb. 403
                                                                                               55131 Mainz
ebenfalls großes Interesse erfahren und           Lankeit               Konstantinides
                                                                                               mareike.lankeit@unimedizin-mainz.de
zunehmend an Bedeutung gewonnen.

10   Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
Medizin – Für Sie gelesen

Altersabhängige D-Dimer-Werte zum Ausschluss einer DVT
                                            Kriterium bei den Patienten mit initialem                (einheitlicher Cut-off) bzw. 7 (alters-
                                            DVT-Ausschluss war identisch definiert:                  abhängiger Cut-off) D-Dimer Ergeb-
                                            Entwicklung einer venösen Thrombo-                       nisse falsch negativ.
                                            embolie (DVT oder PE) im Laufe von 3
                                            Monaten ohne Antikoagulation?
                                                                                               Abb. 1a
                                                                                                                                          Kohorten 1 – 4
                                            Zum Einsatz kamen 4 verschiedene kom-                                   80

                                                                                           DVT ausgeschlossen (%)
                                            merzielle D-Dimer-Tests und ein einheit-
                                            licher Cut-off Wert von 500 µg/l FEU*:                                  60
                                            OT  ina-quantT D-Dimer (Roche)
                                                                                                                    40
                                            OS  TAT LIATESTT D-Dimer
                                               (Diagnostica Stago)                                                  20
                                            O r apid ELISA VIDAST DD (bioMérieux)
                                            OM  DA D-Dimer Assay (bioMérieux)                                       0
Quantitative D-Dimer-Tests sind bei Ver-

                                                                                                                           le

                                                                                                                                    60

                                                                                                                                              70

                                                                                                                                                        80

                                                                                                                                                                   80
                                                                                                                         Al

                                                                                                                                  1–

                                                                                                                                            1–

                                                                                                                                                      1–

                                                                                                                                                                r>
dacht auf Tiefe Venenthrombose (DVT)        Die Ausschlussdiagnose erfolgte jeweils

                                                                                                                                r5

                                                                                                                                          r6

                                                                                                                                                    r7

                                                                                                                                                              te
                                                                                                                              te

                                                                                                                                        te

                                                                                                                                                  te

                                                                                                                                                            Al
und Lungenembolie (PE) fester Bestand-      auf Basis einer klinischen Einschätzung

                                                                                                                            Al

                                                                                                                                      Al

                                                                                                                                                Al
teil der diagnostischen Maßnahmen. Zu-      in Kombination mit einem normalen
sammen mit einer geringen klinischen        D-Dimer-Wert. Die klinische Wahr-
Wahrscheinlichkeit kann ein normaler        scheinlichkeit wurde bei 1884 Patienten
                                                                                               Abb. 1b
D-Dimer-Wert (Cut-off < 500 µg/l FEU*)      (67 %) als gering eingestuft.                                                                    Kohorte 5
eine DVT oder PE mit hoher Sicherheit                                                                               80

                                                                                           DVT ausgeschlossen (%)
ausschließen. Allerdings steigen die        Die entscheidende Modifikation
                                                                                                                    60
D-Dimere im Blut oft mit fortschreiten-     Die Autoren der aktuellen Publikation
dem Alter und unabhängig von einem          haben retrospektiv untersucht, ob alters-
                                                                                                                    40
thromboembolischen Ereignis über den        abhängige D-Dimer-Werte den Einsatz
„Normalwert“ an. Die Schlussfolgerung       dieses Parameters zum DVT-Ausschluss                                    20
daraus lautete: Die D-Dimer-Bestim-         auch bei älteren, ambulanten Patienten
mung ist bei älteren Patienten weder        rechtfertigen. Dafür wurden die Cut-off                                  0
klinisch wertvoll noch kosteneffektiv, da   Werte folgendermaßen adaptiert:
                                                                                                                           le

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                                                                                                                                               70

                                                                                                                                                         80

                                                                                                                                                                   80
                                                                                                                         Al

                                                                                                                                  1–

                                                                                                                                            1–

                                                                                                                                                      1–

                                                                                                                                                                r>
zu selten Werte unterhalb von 500 µg/l      OA lter ≤ 50 Jahre: Cut-off unverändert
                                                                                                                                r5

                                                                                                                                          r6

                                                                                                                                                    r7

                                                                                                                                                              te
                                                                                                                              te

                                                                                                                                        te

                                                                                                                                                  te

                                                                                                                                                            Al
                                                                                                                            Al

                                                                                                                                      Al

FEU* auftreten. Die kürzlich erschienene      bei < 500 µg/l FEU*                                                                               Al
Publikation einer internationalen Exper-    OA lter > 50 Jahre: Alter (Jahre) × 10 =                               Konventioneller (altersunabhängiger) Cut-off-Wert
                                                                                                                    Altersabhängige Cut-off-Werte
tengruppe widerspricht dieser Auffas-         Cut-off in µg/l FEU*
sung. Sie zeigt, dass und wie Cut-off-                                                    Abb. 1: Anteil Patienten mit normalem D-Dimer-
                                                                                          Wert bei gleichzeitiger geringer klinischer
Werte, die dem Lebensalter angepasst        Der Vergleich zwischen dem einheitli-
                                                                                          Wahrscheinlichkeit auf DVT (modifiziert nach 1)
werden, auch bei älteren Patienten eine     chen Cut-off-Wert der Ursprungsstudien        Vier Kohortenstudien 2–5) ließen sich zusammenfas-
sichere Ausschlussdiagnose gewähr-          und den altersadaptierten Entscheidungs-      sen, da dort die Beurteilung der klinischen Wahr-
                                                                                          scheinlichkeit nach einheitlichen Regeln erfolgte
leisten 1).                                 grenzen der retrospektiven Untersuchung       (Abb. 1a, n = 1672 Patienten). Die fünfte Studie mit
                                            brachte interessante Erkenntnisse:            abweichenden Kriterien 6) wurde separat beurteilt
                                                                                          (Abb. 1b, n = 212 Patienten).
Untersuchungsbasis                          OD urch die Kombination von geringer
Basis der neuen Ergebnisse war die Aus-       klinischer Wahrscheinlichkeit und
wertung von fünf großen prospektiven          altersabhängigen Cut-off-Werten für         Die diagnostischen Maßnahmen bei Ver-
Kohortenstudien aus 6 Ländern mit ins-        D-Dimer, ließ sich eine DVT insge-          dacht auf DVT und PE haben unter ande-
gesamt 2818 ambulanten Patienten, bei         samt bei rund 20 % mehr Patienten           rem das Ziel, möglichst einfach und mit
denen ein Verdacht auf DVT der unteren        ausschließen (Abb. 1).                      hoher Sicherheit diejenigen Patienten zu
Extremitäten bestand 2–6). Das diagnos-     OD ie größten Unterschiede lagen in          identifizieren, die keine Antikoagulation
tische Stufenprozedere zur Bestätigung        der Altersgruppe ≥ 70 Jahre (Abb. 1).       benötigen. In diesem Kontext ist der Para-
bzw. zum Ausschluss der Verdachtsdiag-        Dort stieg die Ausschlussrate je nach       meter D-Dimer hochattraktiv. Zusam-
nose beinhaltete in allen Kohorten neben      Kohorte um 20 – 33 %.                       men mit der klinischen Einschätzung
der D-Dimer-Bestimmung, die klinische       OD ie Sensitivität änderte sich durch die    reduziert er den Bedarf an aufwändige-
Pre-Test-Wahrscheinlichkeit sowie bild-       altersadaptierten Cut-off-Werte nicht:      ren und kostenintensiveren bildgebenden
gebende Verfahren (Kompressions-Ultra-        Bei den 1 884 Pateinten mit geringer        Verfahren, die zudem nicht überall bzw.
schall, Phlebographie, CT). Das Outcome-      klinischer Wahrscheinlichkeit waren 5       nicht rund um die Uhr verfügbar sind.

                                                                                         Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013                                     11
Die Ergebnisse der vorliegenden Publi-             Literatur:
kation mit altersadaptierten Cut-off-Wer-            1)	Douma RE et al.: “Using an age-dependent
                                                         D-dimer cut-off value increases the number of
ten für D-Dimer bei Verdacht auf DVT
                                                         older patients in whom deep vein thrombosis
be­stätigen die Erkenntnisse einer frühe-                can be safely excluded”. Haematologica (2012);
ren Studie bei Patienten mit PE 7).                      97(10): 1507–1513
                                                     2)	Schutgens RE et al.: Circulation (2003); 107(4):
Die Anpassung der „Normalwerte“ von                      593–597
                                                     3)	Perrier A et al.: Lancet (1999); 353(9148): 190–195
D-Dimer an das Lebensalter könnte dem-
                                                     4)	Legnani C et al.: Thromb Res. (2010); 125(5):                         Dr. Christine
nach ein erfolgversprechender Weg sein,                  398–401                                                               Hettmann-Dreuw
das diagnostische Potenzial dieses Para-             5)	Bates SM et al.: Ann Intern Med. (2003); 138(10):                     Produktmanagement
meters bei Verdacht auf venöse Throm-                    787–794                                                               Gerinnung
                                                     6)	Tan et al.: submitted for publication                                 0621 759-2392
boembolien noch besser zu nutzen.                                                                                              christine.hettmann-dreuw
                                                     7)	Douma RA et al.: BMJ (2010); 340:c1475
*FEU: Fibrin(ogen) equivalent units                                                                                            @roche.com

Medizin – Für Sie gelesen

Sensitive Troponin-Tests: Einfache „Gebrauchsanweisung“
Hochsensitive Troponin-Tests verbessern
die frühe Diagnose eines Akuten Myo-
kardinfarktes (AMI), weil sie bereits                                                      436 Patienten mit Brustschmerz
                                                                                                (Validierungsgruppe)
geringe kardiale Schäden messbar
machen. Die höhere Sensitivität treibt
allerdings – verglichen mit früheren Test-
generationen – die Anzahl pathologischer
                                                       cTnT bei Aufnahme < 12 ng/l         cTnT bei Aufnahme ≥ 52 ng/l
Ergebnisse unabhängig von AMI nach                                 und                                 oder                         Andere Werte
oben und der Positive Prädiktive Wert               absolute Änderung nach 1 h < 3 ng/l absolute Änderung nach 1 h ≥ 5 ng/l
(PPV) sinkt. Viele Kliniker sind verunsi-
chert, wie die Ergebnisse der sensitiven
Troponin-Methoden in der Praxis zu inter-
                                                              Ausschluss AMI                          Diagnose AMI              Weitere Beobachtung
pretieren sind. Die kürzlich erschienene
Publikation einer Baseler Arbeitsgruppe
beschreibt einen einfachen Algorithmus,
der klinische Entscheidungen schnell und                    259 Patienten (60 %)                   76 Patienten (17 %)           101 Patienten (23 %)
                                                             Sensitivität: 100 %                     Spezifität: 97 %             Prävalenz AMI: 8 %
sicher unterstützen kann. Im Folgenden
                                                                NPV: 100 %                             PPV: 84 %
sind die Inhalte der Arbeit „One-Hour
Rule-out and Rule-in of Acute Myocardial
Infarction Using High-Sensitivity Cardiac          Abb. 1 (modifiziert aus 1): Algorithmus zur schnellen Klassifizierung von Brustschmerzpatienten
                                                   mit Elecsys T Troponin Ths
Troponin T“ 1) zusammengefasst.

                                                   Circa 10 % aller Patienten der Notfall-                     tige zu tun, so die Schlussfolgerung der
                                                   aufnahme präsentieren sich mit akuten                       Autoren.
                                                   Symptomen für eine Verdachtsdiagnose
                                                   AMI. Neben der klinischen Bewertung                         Das Studiendesign
                                                   und dem EKG ist die Bestimmung kar-                         Das Untersuchungskollektiv der pros-
                                                   dialer Troponine heute diagnostischer                       pektiven multizentrischen Studie bil-
                                                   Standard. Die Situation des Patienten                       deten 872 unselektierte Patienten, die
                                                   erfordert schnelles Entscheiden, um die                     mit akutem Brustschmerz und Angina
                                                   geeignete Therapie einzuleiten und um                       Pectoris (Symptombeginn innerhalb der
                                                   nicht unnötig Zeit für alternative diag-                    vergangenen 12 Stunden) in die Not-
                                                   nostische Maßnahmen zu verlieren, falls                     fallaufnahme kamen und für die zwei
                                                   sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt.                   Tro­p onin T-Werte (Ausgangswert und
                                                   Die Kinetik von ElecsysT Troponin Ths                       1h-Folgewert) vorlagen. Ausgeschlossen
                                                   (hochsensitiv), umgesetzt in einen ein-                     waren Patienten mit terminaler Nieren-
                                                   fachen Algorithmus, erlaubt bei vielen                      insuffizienz und mit einem ST-Hebungs-
                                                   Patien­ten schnell und sicher das Rich-                     infarkt (STEMI).

12    Diagnostik im Dialog • Ausgabe 39 • 2/2013
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