A u f - Andrea Giovanni Käppeli ...
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O BEN Abfall kann wunderschön sein ... R SC H VE i 20 22 Littering hat globale Auswirkungen f J u n au Öffentliche Ausstellung am Rhein, vom Juni 2022 in Basel und Begleitbuch Littering und seine globalen Auswirkungen auf Rohstoffe, Energie und Nahrungskette ©WasteArt Projektbeschrieb Bilder und Platzierung Begleitbuch (Entwürfe) 22. Juni 2021
Alle, die in irgendeiner Weise mit Littering zu tun haben oder in Kontakt kommen, legen dar, wie sich die Situation für sie darstellt und entwickeln Ideen, auch Utopische, wie dem Littering begegnet werden könnte. Littering-Buch und Kunstprojekt Alles im Fluss Wer nutzt den Rhein? Eine interaktive Kampagne https://www.allesimfluss.info/
Das Gesamtkonzept der Litteringplakate «Abfall kann wunderschön sein. Aber nur auf Bildern! Niemals an Deinem Lieblingsplatz.» Dieser Gedanke stand am Anfang der Littering-Ausstellung. Fotografische Stillleben von Abfall, «©WasteArt», auf Plakaten und Banner, am Ort des Geschehens. Ein soziologisches Projekt Ausgangslage: Seit einigen Jahren sammle ich in Basel, am Rheinufer des St. Johanns den Abfall auf, weil er mich stört und er eine grosse Verletzungsgefahr für Kinder und Rheinschwimmer ist. Die Auseinandersetzung mit dem Abfall, eröffnete mir Einsichten in unsere Gesellschaft. Den meisten Menschen ist Littering ein Ärgernis, und doch ist Abfall in unserer Stadt omnipräsent. Abfall wurde zu den Emojis, den Icons unserer Lebensweise. Littering ist viel mehr, als ein Ärgernis. Erster Projektentwurf: Ich räume den Abfall nicht nur weg, ich beschäftige mich auch als Fotograf damit. Ich mache Stillleben von den Menschlichen Hinterlassenschaften. Nicht immer ist noch sichtbar, um was es sich handelt. Es ist dem Betrachter überlassen, was er sieht. Die Gedanken sind frei. Wie ein Archäologe kann er sich der ursprünglichen Verwendung annähern. Die Idee entstand, diese Bilder, am Ort des Geschehens zu zeigen, um den Menschen, das Thema mit verstörender Schönheit vor Augen zu halten. Eine Verbindung zwischen der Ikone und unserem gedanken- losen Tun. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Ästhetik. Fasziniert und Dankbar über die Tag tägliche Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtreinigung, möchte ich deren Leistung auch sichtbar machen. Mehr noch als die Fussballer unseres FCBs sind Sie die grossen Stars unserer Stadt, erhalten aber kaum Applaus, das muss sich ändern. Sie pflegen das saubere Image unserer Stadt, wie sonst niemand. Sie halten unsere Stadt lebenswert. Die Ausstellung und dieses Buch ist mein Applaus und mein Dank den Stadtreinigerinnen und Stadtreinigern. Der Lauf der Dinge: Die Idee entpuppte sich schnell als grosse Aufgabe, zugleich trat Corona auf die Weltbühne und Littering war plötzlich für niemand mehr Thema und die Restriktionen stoppten die Planungen fast vollständig. Der Ausstellungstermin blieb. Die Einsicht, dass eine Ausstellung schnell vergessen ist, bewog mich ein Buch zum Thema zu machen, in dem das Thema von möglichst vielen Seiten, auf möglichst kontroverse Art behandelt wird. Littering hat viele Ursachen, die auch im Wandel unserer Gesellschaft begründet sind. Was sagt das aus über die Menschen, über unsere Gesellschaft? Welche Botschaften lesen wir heute im Abfall, was lesen in 2000 Jahren die Archäologen im Abfall? Welche Schlüsse werden sie ziehen? Meine Ausstellung ist eine Ikonografie der heutigen, westlichen Gesellschaft. Jedes Plakat markiert ein Tatort. Wenn der Besucher eines der Plakate betrachtet, kann, ja muss er die Verbindung zum Tatort machen, das direkt zu seinen Füssen liegt, denn da lag, was er jetzt vor Augen hat, auf Augenhöhe. Ich hebe den Abfall nicht nur auf, um ihn zu entsorgen, ihn zum Verschwinden zu bringen. Mit der Ausstellung hebe ich den Abfall auf Augenhöhe, halte ihn der Gesellschaft vor Augen, mit all seiner zweifelhaften Ästhetik.
Katalog und Begleitschrift Wie bei jeder grossen Ausstellung, gibt es auch bei dieser einen Katalog. Nebst der Katalogisierung der ausgestellten Bilder, zeige ich weitere Bilder, die am Rhein und im St. Johann entstanden sind. Nicht nur aus der Serie «©WasteArt», auch aus der Serie «Am Wegesrand». Während «©WasteArt» auf ein soziologisches Problem aufmerksam macht, will die Serie «Am Wegesrand» auf die alltäglichen Schönheiten aufmerksam machen, an denen wir meist achtlos vorbeigehen. Es lohnt sich, die Augen aufzumachen. Da ich Littering als weitreichendes Problem mit globalen Auswirkungen auf Rohstoffe, Energie und Nahrungskette sehe und als Ausdruck unserer heutigen Gesellschaft, möchte ich das Thema mit Gastautoren vertiefen. Was bedeutet das Littering für die Stadtreinigung, für das AUE, für den Tourismus, für die Politik, die Wirtschaft (...)? Welche Zahlen und Fakten gibt es zum Thema? Sehr schön wäre ein geschichtlicher Abriss, der direkt Betroffenen, der Stadt- reinigung. Wie ist sie entstanden, wie hat sie sich bis heute entwickelt, wie stellt sie sich ihre Zukunft vor? So soll eine Bestandsaufnahme der Situation entstehen, auf der man gemeinsam nach Lösungen suchen kann. Ganz aktuell sind die Zusammenhänge, zwischen den «fridays for future» Demonstrationen, der ausserordentlichen Lage wegen Corona und dem Abfall-Verhalten der Gesellschaft. Wie geht Turbo-Konsum to go und die Sorge um das Klima zusammen? Wie hat sich das Littering, mit Corona verändert? (...)
Einführung ©WasteArt Intro Warum ich mich mit dem Thema «Littering» beschäftige, warum ich es als «elegantester Strassenwischer» (TeleBasel) mache und was mich dabei bewegt, erfahren Sie in dieser Einführung. Immer wieder werde ich gefragt, wa- Ich sehe die Vermüllung dieser weg heimwärts laufe, sehe ich Grup- rum ich Abfall sammle und warum wunderbaren Plätze als Spiegel und pen von Jugendlichen, ausgestattet ich das in edler Kleidung mache. Es Symptom unserer immer schneller mit diversen Trag- und Rucksäcken scheint auch sehr unglaubwürdig zu drehenden Konsumgesellschaft und voll mit Getränken und Junkfood. sein, dass das jemand freiwillig, aus der damit einhergehenden Gedan- Am nächsten Morgen zeigt sich dort freien Stücken, in seiner Freizeit tut. kenlosigkeit als ein Soziologisches dann ein trauriges Bild: viele ange- Anfangs wurde selbst seitens Litte- Problem. «Ich, jetzt, hier! Was nach brochene Energy-Drinks, angefres- ring-Organisationen angezweifelt, mit ist? Egal!» Meine Beobachtung sener Junkfood und halb leere Fla- dass ich das freiwillig mache. Die ist, dass sich diese Gedankenlosig- schen billigsten Wodkas. Seit zwei, Antwort ist einfach und vielschichtig keit, quer durch alle Alters- und Ge- drei Jahren finde ich immer mehr zugleich. Die einfache Antwort: Ich sellschaftsschichten zieht. Über Mit- auch Grosspackungen von Tampons, liebe meine Stadt, das St. Johann, tag sind es eher Business-Menschen, Kopfschmerztabletten und CO2-Pa- das Rheinbord und ich mag es sau- im Anzug oder eleganten Zweiteiler. tronen. Zur Verwendung dieser drei ber. So einfach! Abends sind es mehrheitlich Ju- Dinge, möchte ich hier nicht noch gendliche und junge Erwachsene, eine Anleitung bieten. Es geht offen- Dahinter steckt natürlich noch die Party machen und einmal «die sichtlich darum, sich möglichst effizi- deutlich mehr. Die «Geburt» des Sau rauslassen» wollen. Was sich ent und billig «abzuschiessen». Also «elegantesten Strassenwischers» war dann auch am sehr hohen Geräusch- möglichst schnell, möglichst weit vor einigen Jahren, am ersten war- pegel bemerkbar macht. Wenn ich weg der Realität zu sein. Was ist mit men Wochenende Anfang April. Es abends auf dem St. Johanns-Rhein- diesen jungen Menschen passiert, war ein herrlich sonniger und warmer Sonntagmorgen. Wie so oft drehte 1995 2000 2005 2012 2018 ich mit der Kamera meine Runden kg/Jahr Dänemark am Rhein. Vier Viking-Kreuzfahrt- schiffe lagen vor Anker. Edle Schiffe für anspruchsvolle Passagiere. Doch Norwegen da passte etwas absolut nicht ins Schweiz Bild: Das Rheinbord und die Berme sahen aus, wie eine Müllhalde. Das Erste, was die noblen Passagiere von Malta Deutschland Basel sehen, ist eine Müllhalde. Das darf nicht der erste Eindruck von Ba- Österreich sel sein! Darum nahm ich Tags dar- auf, Kontakt mit der Stadtreinigung Frankreich auf und bot an, an den Wochenen- Italien den, freiwillig, den Abfall wegzuräu- EU England men. Heute verstehe ich gut, war- um mein Angebot nur auf mässige Lettland Freude, ja eher auf Misstrauen stiess. Heute weiss ich auch, dass ich zu Be- ginn überprüft wurde. Mit den Front- Polen mitarbeitern hatte ich jedoch rasch ein sehr schönes Verhältnis. Auch die Rumänien Feriengäste haben ihre Freude an Quelle: Eurostat diesem Exoten. So viel Abfall pro Kopf und Jahr fällt in den verschiedenen Ländern der EU an. Quelle: Eurostat Abfall zum 4-ten
was tut ihnen unsere Gesellschaft an, dass sie der Realität so entflie- hen müssen? Klar, dass in diesem Zu- stand nicht nur Abfall, sondern alles mögliche liegen bleibt und sehr viele Scherben entstehen. In der Regel lie- gen genug Tragtaschen herum, um den ganzen Müll da rein zu packen, und ihn in den bereitstehenden Con- tainer oder Mistkübel zu entsorgen. Sind das etwa die gleichen Jugend- lichen, die freitags für ihre Zukunft demonstrieren? Was für ein Wider- spruch das wäre! Wenn ich unterwegs bin, werde ich oft angesprochen. Ich nutze die- se Gelegenheit auch, um über das Littering zu sprechen. Interessan- der mache, bestätigt Forschungser- Abfall zu verstecken. Da wird gerne terweise ist es allen bewusst, dass gebnisse: Treffe ich auf Menschen, ein sehr grosser Aufwand betrieben, Abfall richtig entsorgt, oder besser die Abfall verursachen und mache den eigenen Abfall «unsichtbar» zu recykliert gehört. Ausnahmslos alle sie freundlich darauf aufmerksam, machen. Das zeigt sich auch dann, berichten mir, dass sie sehr umwelt- dass sie ihren Abfall bitte in die be- wenn das hohe Gras am Rheinbord bewusst leben würden und selbst- reitstehenden Container entsorgen gemäht wird. Danach sammle ich nur verständlich nicht nur ihren persön- sollen, bleibt garantiert ein Berg noch etwa die Hälfte des Abfalls, wie lichen Abfall mitnehmen, sondern Abfall liegen. Offenbar fühlen sich bei hohem Gras. Da scheint offenbar auch der, der ringsum liegt. Wäre die Angesprochenen in ihrer Freiheit noch eine Art «Restscham» vorhan- dem wirklich so, könnte man überall beschränkt und reagieren mit einer den zu sein. vom Boden essen. Wo nur sind all die Trotzreaktion. Dass die Nutzer des Menschen, die ihren Abfall liegen- Rheinufers, durchaus wissen, dass sie Was also tun, wenn doch alle ge- lassen? Fällt der Mist vom Himmel? ihren Abfall richtig entsorgen müss- nau wüssten, wie sie sich zu verhal- Eine Erfahrung, die ich immer wie- ten, zeigt auch das Verhalten, den ten hätten? Das Umweltbewusstsein Abfall zum 5-ten
und das Wissen über das notwen- dige Verhalten und das tatsächliche Verhalten, geht nach meiner eigenen Beobachtung, am meisten bei der jungen Generation auseinander. Den Jungen ist völlig klar, dass wir das Ru- der dringend rumreissen müssen, um unseren Planeten noch zu retten. Sie engagieren sich und demonstrieren für ihre Zukunft. Die gleiche Genera- tion ist aber dem masslosen Konsum verfallen. Nutzt immer neuste Tech- nik, macht gerne Party und konsu- miert Junkfood. Lebt «to go». Dafür kann man ihnen keinen Vorwurf ma- chen. Die Wirtschaft ist schliesslich darauf ausgerichtet, möglichst viel sett von Gesetzen und wirtschaft- fordert sind, die Konsumenten dazu lichen Interessen. Die gesetzlichen zu bringen, die Verpackung wieder Rahmenbedingungen der Grossver- zurück zu bringen, selbst die Verpa- teiler, begünstigt die Vermeidung ckung zu vermeiden, am Besten mit von Littering nicht. Für mich ist klar, Mehrwegverpackungen zu ersetzen. die Bevölkerung, gegen die Wirt- Denn ganz grundsätzlich muss es da- schaft zu «erziehen», geht nicht. Die rum gehen, Verpackung und damit Wirtschaft und damit die Gesetzge- Abfall zu vermeiden. Einwegverpa- bung muss dazu gebracht werden, ckungen müssen unbedingt vermie- Konsum zu generieren. Die Indust- keinen Abfall mehr zu produzieren. den, vielleicht sogar verboten wer- rie, das Gewerbe tut Alles, damit es Vielleicht extrem hohe Steuern auf den. So werden Rohstoffe eingespart möglichst einfach wird zu konsumie- Verpackung oder der Zwang zu Re- und die Umwelt geschont. Denn Lit- ren. An jeder Ecke gibt es Lebens- tour-Verpackung mit hohem Depot. tering ist lokal, ein optisches, global mittel «to go», in viel Verpackung. Ein Thema, das ich in dieser Publika- aber ein Ressourcen und Umweltpro- Die Grossverteiler geben sich einen tion, gerne breit diskutieren möch- blem, das uns Alle angeht. grünen Anstrich mit Nachhaltigkeits- te. Die Buvetten und Bars am Rhein abteilungen und mit der Teilnahme erheben Fr. 2.- pro Gebinde. Das an den Basler Littering Gesprächen. kümmert offenbar nicht viele, wenn Verdienen dann gutes Geld mit der so viel Depot-Geschirr am Rhein lie- Mitnahmeverpflegung, deren Verpa- gen bleibt. Fr. 2.- Depot scheint viel ckungen dann überall liegen bleibt. zu wenig Anreiz, um ein Glas wieder Aber auch die Industrie und die zurück zu bringen. Das zeigt, dass die Grossverteiler stecken in einem Kor- Anbieter und der Gesetzgeber ge- Ich muss aber feststellen, dass Ab- fall in der Umwelt, dass Littering, we- der bei den Grossverteilern (als Ab- fall Emittenten, zum Beispiel durch den Verkauf mobiler Verpflegung), noch bei Leidtragenden, wie Basel Tourismus, ein Thema ist, dem man sich widmen möchte. Die «Basler Lit- tering-Gespräche» sind eine Arbeits- gemeinschaft, in der sich Behörden und Wirtschaft in partnerschaftlicher Weise seit fast zehn Jahren gegen Littering engagieren. Die Arbeits- gemeinschaft setzt sich zusammen aus Coop, Migros, Manor, McDo- nalds, Valora, Gewerbeverband Ba- sel-Stadt, Pro Innerstadt sowie dem Amt für Umwelt und Energie und Abfall zum 6-ten
der Stadtreinigung. Diese sitzen an einem Tisch und engagieren sich im- mer wieder in verschiedensten Ak- tionen für eine saubere Stadt Basel. Ausser dem AUE und der Stadtreini- gung, war kein Teilnehmer der Basler Littering Gespräche bereit, sich in diesem Buch zu äussern, was Litte- ring für sie bedeutet und wie sie mit diesem Thema umgehen. Reflexartig frage ich mich, ob die Abteilungen für Nachhaltigkeit und die «Basler Littering Gespräche», nur greenwas- hing für die Müllemittenten sind. Wie immer ist die Realität aber viel kom- plexer. Die Bio-Gurke wird nicht aus lauter Lust am Abfall, in Plastik ver- packt. Offenbar ist Die Angst sich mit diesem Thema zu exponieren, downs und Lock downs. Vieles ist eine Anregung, auch wieder über sehr gross, denn auch Greenpea- jetzt schwieriger, ungewohnt. Alle unsere Klimazukunft und damit über ce und WWF wollten sich nicht zum beschäftigen sich nur noch mit Co- die Zukunft der Menschheit nachzu- Thema äussern. rona und Corona muss für viele denken. Littering ist ein Teil, der Versäumnisse herhalten. Es ist das globalen Ressourcenverschwen- Alles beherrschende Thema. Bei dung, die wir heute betreiben. Ich dem ganzen Corona-Verdruss, der denke, das Littering-Projekt wäre mittlerweile um sich greift, wäre ein einen Beitrag wert. Littering geht brennendes Umweltthema, vielleicht uns Alle an. Mit Aufrufen in den Sozialen Me- dien und mit Flyern, rief ich auf, dass sich auch Nutzer des Rheinufers, zum Thema äussern sollen. Ohne Resonanz. Auch dies erstaunt mich, da das Thema auf der Strasse die Gemüter enorm erhitzt und die ab- strusesten Reaktionen auslöst. Noch nie habe ich jemanden gefunden, den der Abfall nicht stört, noch nie jemanden, der sagte, dass er seinen Mist liegenlasse. Ich finde nur Men- schen, die selbstverständlich immer, konsequent alles wieder mitnehmen, auch was nicht von ihnen selbst ist. Trotzdem liegt überall Müll. Es ist mir klar, im Augenblick ist Corona, die Gesellschaft schwankt Abfall sammeln im Kleid und Frack: Zusammen mit Celina Burkfisch, der Fotografin der meisten Fotos von Andrea Giovanni Käppeli bei der Arbeit. Celina, ein grosses Foto-Talent. zwischen Teilöffnungen, Teil-Lock Abfall zum 7-ten
Zum Geleit, wie ich zum Abfall kam Littering, ein grosses Thema Wie entstand das Littering, was macht das mit uns, welchen Einfluss hat Littering auf unsere Gesellschaft, Tourismus Wirtschaft und Umwelt? Was sagt das Litteringverhalten über unsere Ge- sellschaft und Wirtschaft aus? Diese Fragen und noch viele mehr beschäftigen mich und werden mit der Fotoausstellung und diesem Begleitbuch thematisiert. Text & Fotos: Andrea Giovanni Käppeli Unbewusst bewegt mich dieses The- Reisenden erwarten einen sehr ho- ma, seit ich Kinder hatte. Wenn wir hen Standard, keine Müllhalde. Die Wandern, oder einfach nur in den erzählen ihre Erlebnisse auch eher in Wald gingen, kamen wir nicht nur Einflussreichen Kreisen. Es darf also mit Fundstücken der Natur wieder nicht sein, dass Kreuzfahrtpassagiere Heim. Wir hatten auch immer einen in Basel in einer Müllhalde landen. Sack mit Abfall eingesammelt. Der Dreck hat uns in der Natur einfach Kurz entschlossen startete ich mit gestört. Das ging so weit, dass wir meinem Projekt, jeweils Samstag und die Gastfreundschaft unseres Gast- Richtig bewusst wurde mir das Sonntagmorgen, den Abfall weg zu gebers im Puschlav vermutlich regel- Thema und der Begriff «Littering» räumen. Ja, es gibt verständliche mässig auf eine harte Probe gestellt erst vor einigen Jahren: Früh im Gründe, warum die Stadtreinigung haben, nach jeder Wanderung, nach April, am ersten warmen Wochen- erst vorsichtig auf mein Angebot jeder Bergtour waren unser Rucksä- ende standen vier Viking-Kreuz- reagierte. Aber ich durfte fortan, an cke deutlich schwerer als beim Start. fahrtschiffe im St. Johann vor Anker. den Wochenenden das Rheinbord Immer gefüllt mit Abfall, den wir un- Das Rheinbord sah aus, wie eine vom Müll befreien. Das Verhältnis mit terwegs eingesammelt hatten. Müllhalde. Menschen, die sich eine den Frontmitarbeitern der Stadtrei- Viking-Kreuzfahrt leisten, sind alles nigung war sehr schnell sehr herzlich andere als Rucksacktouristen. Diese und kollegial. Das alleine ist mir ein grosser Dank und freut mich sehr. Für mich sind die Stadtreiniger, die unbeachteten Stars unserer Stadt. Sie sind es, die das Bild von Basel pflegen. Tag für Tag, bei jedem Wetter, jahrein jahraus. Mit den Anwohnern und Nutzern des Rheinufer war mein Verhältnis in den ersten beiden Jahren noch sehr angespannt. Auf der Höhe des Feu- erwehrschiffes, wurde ich mehrere Male mit Steinen und Glasflaschen beworfen, als ich auf der Berme den Partyabfall wegräumen wollte. Es wurden auch plötzlich Ansprüche an mich gestellt: «Das werfen Sie jetzt aber nicht weg, das trennen Sie nach Blech, PET, weiss-, braun- und Bunt Abfall zum 8-ten
Glas und Papier …». Meine Antwort «Aber Sie können ja ihr Zeug wa- sehbare Müll, den Menschen hinter- darauf: «Wenn Sie Ihren Abfall selbst schen!» Kopfschüttelnd wandte ich lassen, die eine gute Zeit, an einem mit nachhause nehmen, können Sie mich dem Scherbenteppich zu und der schönsten Orte verbracht haben, ihn fachgerecht ins Recycling brin- liess die Dame wetternd stehen … der danach alles andere als schön gen, ich habe nur einen Sack, und ist. Da frage ich mich, was in diesen der wird entsorgt.» Ganz bunt in Er- Menschen vorgeht, die einen so innerung ist mir eine Begebenheit wunderbaren Ort, einfach zumüllen. an einem sonnigen Sonntagmor- Ich sehe aber auch die grosse Ver- gen. Mitten auf der Wiese des San- schwendung: Jedes Getränke-Ge- tihans-Parks, drückt ein Hund seine binde muss ich umdrehen, um es aus- Wurst mitten auf die Spielwiese. Ich zuleeren, bevor ich es in meinen Sack schaue mich um, ob ich einen Hun- werfe. Aus Energy-Drink-Dosen fehlt dehalter ausmachen kann. Ich sehe meist nur ein Schluck. Spritzt Ener- eine gut gekleidete Dame mit Leine, gy-Drink auf meine Kleider, frisst es am Rand des Parks. Unter der Jo- Während das Unverständnis bei Löcher in den Stoff und ins Schuhle- hanniterbrücke finde ich dann einen den Anwohnern zuweilen sehr gross der. Bier wird im Schnitt zur Hälfte gigantischen Scherbenteppich, über war, ist dafür die Freude unserer Fe- ausgetrunken. Oft bleiben aber auch die gesamte Strassenbreite, von der riengäste um so grösser. Es kommt ungeöffnete Gebinde zurück. Mein Mitte der Brücke bis zur Cargo-Bar. immer wieder vor, dass von der Re- Glasreiniger zuhause ist Wodka, der Just, als ich den Besen zücken woll- ling oder von den Balkonen der ungeöffnet liegenblieb. Die Getränke te, fährt mich die Dame mit Leine Kreuzfahrtschiffe applaudiert wird, sind eines. Zurückbleiben aber auch aus dem Park an: «Machen Sie sofort wenn ich im Frack den Abfall wegräu- grosse Mengen an Lebensmittel. Oft diese Scherben weg, sonst kann ich me. Natürlich werde ich viel gefilmt nur angebissen oder noch völlig un- mit meinem Hund da nicht durch!» und fotografiert. Viele Gäste wollen angetastet. Wir scheinen in einem «Und diese Schweinerei mit diesem ein Selfie mit mir. Immer wieder be- unglaublichen Überfluss zu leben. Hundedreck räumen Sie auch gleich komme ich Trinkgeld in buntesten Und nein, es ist zu kurz gedacht, mit weg, ist ja scheusslich!» Ich: «Gute Währungen, die ich noch nie gese- dem Finger auf sogenannte «Rand- Dame, ich bin gerade erst angekom- hen habe. Manchmal kommen Tour- ständige» oder «sozial Schwache» zu men und ich habe nur diesen kleinen guides zu mir und fragen mich, was zeigen. Ja, es gibt Ecken, wo ich auch Besen, der nicht für eine so riesige ich genau bin und was das soll und Hinterlassenschaften dieser Mitmen- Fläche geeignet ist, aber ich bemühe sind dann erstaunt, dass das nichts schen finde. Ich vermute aber, dass mich. Der Hundedreck ist allerdings Offizielles ist, sondern einfach mein diese Menschen nicht das Geld für Sache der Hundehalter, den nehme kleines privates Engagement, damit die grosse Verschwendung haben, ich nicht mit.» Dame: «Aber Sie ha- es unsere Gäste schön haben. die ich vorfinde. Kein «Randständi- ben doch Besen und Schaufel, damit ger» kauft sich im Hotel Drei-Köni- können Sie den Dreck doch aufneh- Das ist die schöne Seite meiner ge eine Flasche Champagner, stösst men!» Ich: «Mein Werkzeug steht bei Aktion. Wie und was ich da so alles mit zwei Chüppli an und lässt Gläser mir zuhause im Hausflur, ich will kei- finde, ist eine Art Sozial- oder Gesell- und den ganzen Rest der Flasche am ne Hundekacke im Hausflur.» Dame: schaftsstudie. Da ist dieser unüber- Rhein stehen.
Zum Geleit, wie ich zum Abfall kam Aus meiner Beobachtung ist Litte- mehr. Alles muss schnell im Gehen bere und lebenswerte Stadt bekom- ring am Rheinufer, ein soziologisches und beim Telefonieren und chatten, men, ohne dass die Stadtreinigung, Problem, das sich durch alle Gesell- «to-go» konsumiert werden. Alles in Tag täglich mit einer Effortleistung schafts- und durch alle Altersschich- Häppchen verpackt. Oft mehr Verpa- die Stadt wieder sauber machen ten zieht. ckung als Lebensmittel. In meiner Ju- muss. gend wären wir schlicht nicht in der Die einzige und vermutlich grösste Lage gewesen solchen Müll zu pro- Gruppe der Nutzer am Rheinufer, die duzieren. «To go» kannten wir damals mir ganz persönlich zu denken ge- nicht. Getränke waren in Depot-Fla- ben, sind Jugendliche. Die Generati- schen, das Essen bereiteten wir zu- on, die freitags die Schule schwänzt, hause vor und brachten es in Papier um für die Zukunft zu demonstrieren, eingewickelt mit. Der wenige Abfall, aber selbst in einer Konsumspirale den das gab, nahmen wir wieder mit. steckt, aus der sie kaum ausbrechen Nicht aus Umweltschutzgründen, wir kann. Es tut mir weh, wenn diese jun- waren so erzogen worden. gen Menschen mit den Fingern auf Ich hoffe, dass die Gastautoren meine Generation zeigt und behaup- in diesem Begleitbuch, das Thema tet, dass wir ihre Zukunft zerstört hät- aus ihrem persönlichen Blickwinkel ten. Unsere Generation, die das AKW darlegen, mit Fakten belegen und Kaiseraugst verhindert hat, unter an- Lösungsansätze entwickeln, seien derem mit WWF und Greenpeace sie noch so «utopisch». Ich hoffe erstmals auf die Umweltprobleme auf eine möglichst kontroverse aufmerksam gemacht hat. In unse- Diskussion. rer Generation ist der Umwelt Akti- vismus entstanden, und nun zeigen Andrea Giovanni Käppeli Konsum-addicts mit den Fingern auf Ich hoffe, dass meine Fotoausstel- uns. Ich mache den «Jungen» nicht lung, die Augen für dieses nicht nur Dezember 2020 den Vorwurf, dass sie sich in einer «optische Problem» öffnet. Dass wir Konsumspirale befinden. Die ganze verstehen lernen, was Littering glo- Wirtschaft baut auf möglichst viel bal verursacht, was Littering mit der Konsum. Eine Mittagspause mit ei- Gesellschaft und unserem Planeten nem gepflegten Essen, gibt es nicht- macht und wie wir wieder eine sau- Abfall zum 10-ten
Bilder Verkauf Fotografien von Andrea Giovanni Käppeli Nebst Auftragsarbeiten, wie Anlässe, Portraits oder Kunstreproduktionen, arbeite ich auch an eigenen Arbeiten. Im Wesentlichen sind das Stillleben von Abfall, «©WasteArt» und «Disposable Food» und von den unscheinbaren Dingen, den kleinen Schätzen «Am Wegesrand». Die Fotografien sind Ausdruck meiner Beschäftigung mit den Menschen im urbanen Umfeld. Selbst wenn übelriechender Abfall Ich bin nicht nur Fotograf, ich bin In Basel bekannt geworden bin abgebildet ist, bestechen meine Bil- auch ausgebildeter Peer-Psychiatrie. ich allerdings mit einem eher kurio- der durch grosse Ästhetik und Ruhe. Ich habe die gesamte technische sen Hobby. In der warmen Jahreszeit Niemand käme auf die Idee, sich Ab- Entwicklung in der Druckvorstufe, sammle ich den Abfall am Rheinufer fall ins Wohnzimmer zu hängen, doch von der Dunkelkammer bis zum Di- ein, im Frack natürlich! Dies zähle ich diese Bilder passen sogar in eine gitaldruck miterlebt und fast jeden ebenfalls zu meiner Öffentlichkeits- perfekt aufgeräumte Küche! Produktionsschritt innerhalb der arbeit. Druckindustrie, beruflich ausgeübt, Bei der Aufnahme inszeniere von der Idee bis zum Versand. Da- Die Fotos entstanden mit einer Ni- ich nichts, ich berühre die Objekte bei waren, wie selbstverständlich so kon D500 und einer Nikon D850, mit nicht. Ich suche lediglich eine anmu- exotische anmutende Arbeiten, wie Sigma ART Zoom 24 – 105mm DG tende Perspektive, einen schönen Laserschnitt und Prägearbeiten. ƒ4, Sigma ART 135mm DG ƒ1.8, Sig- Ausschnitt. Das Bild entsteht im Au- ma APO 70-200mm ƒ2.8, AF-S Micro genblick der Aufnahme. Grundsätz- In der Psychiatrie engagiere ich Nikkor 105mm ƒ2.8 und Nikkor DC- lich retuschiere oder beschneide ich mich sehr in der Selbsthilfe, leite ei- 105mm ƒ2.0 Objektiven die Bilder nie. Bei der digitalen «Ent- gene Gruppen, so auch das trialogi- wicklung» hole ich lediglich das Bes- sche Seminar Depression. te aus den vorhandenen Daten. Meine Bilder erhalten nie Na- men, um dem Betrachter keine Vorgaben über seine eigenen Ge- danken zu machen. Auflage pro Bild: insgesamt maximal 10 Exemplare, in folgenden Varianten: Echter Fotoabzug ultraHD hinter Acrylglas auf AluDibond Format: 40 × 60 cm Preis: Fr. 600.00 Die Bilder werden, nach meinen An- Format: 60 × 90 cm Preis: Fr. 1’100.00 weisungen, in einer Sammelbestel- Format: 80 × 120 cm Preis: Fr. 1’750.00 lung, sorgfältig produziert. Echter Fotoabzug ultraHD auf AluDibond Aufgrund der sehr hohen Verpa- Format: 40 × 60 cm Preis: Fr. 500.00 ckungs- Porto- und Versicherungs- Format: 60 × 90 cm Preis: Fr. 900.00 kosten sind die Bilder nur auf Abho- Format: 80 × 120 cm Preis: Fr. 1’350.00 lung erhältlich. Jeweils mit Bildnummer, Aufnahmedatum und GPS-Koordinaten, nummeriert und signiert. Abfall zum 11-ten
Plastik in der Nahrungskette Was hat Littering, was hat Plastik mit der Nahrungskette zu tun? Gaby Gorsky, ein Forscher des Labors für Ozeanografie in Villefranche-sur-Mer, in Frankreich sagte einmal zu seinen Studenten: «Ihr braucht die Plastiktüten nicht wegzuwerfen. Würzt sie gut und esst sie direkt. Denn sie landen ohnehin auf Euren Tellern, in welcher Form auch immer.» Text: Andrea Giovanni Käppeli Wenn ich am Rhein unterwegs bin, Die Welt erstickt im Plastik. Plastik winziger werdenden Bruchstücken. geht mir diese Aussage immer wie- ist heute ein fester Bestandteil unse- Dieses verteilt sich so fein, dass man der durch den Kopf. Wie kommt er rer Gewässer und Ozeane, genau wie es heute überall findet: Von der Ark- zu dieser Aussage und ist da wirklich Algen oder Plankton. Menschen wer- tis, über die tropischen Gewässer, etwas dran? Essen wir Plastik? Das fen Müll in den Rhein, oder der Wind bis in die Antarktis, vom Meer bis in klingt so eklig, dass ich dem nachge- weht ihn dort hin. Das geschieht das ewige Eis der Berge. Und immer gangen bin. überall, nicht nur am Rhein, an al- mehr auch in den Organismen der len Gewässern und am Meer. Auch Nahrungskette. Plastik ist heute unersetzlich. Schiffe entledigen sich des Mülls Massgeschneidert bei niedrigen auf den Meeren. Und doch findet Bisher ist noch kaum bekannt, Herstellungskosten. Doch dieses sich nur ein kleiner Teil des Plastiks, was das Mikroplastik mit unserem «perfekte» Material, das unseren in den fünf riesigen Müllwirbeln der Ökosystem anstellt und wie es un- Alltag erleichtert, ja erst ermöglicht, Ozeane. Wohin also «verschwindet» sere Gesundheit schädigt. Als gesi- wird zum Riesenproblem, sobald wir das Plastik? chert gilt, dass Mikroplastik nicht nur es nichtmehr brauchen. Sehr viel aus allerlei Schadstoffen besteht, sie Plastik brauchen wir sehr schnell Das Plastik verschwindet nicht. wirken auch wie Magnete auf weite- nichtmehr. Es zerlegt sich vom Makroplastik, re Schadstoffe, Bakterien, Algen und also den Tüten, Flaschen und Verpa- Schalentiere, die dem Plastik anhaf- ckungen, zu Mikroplastik, den immer ten. Über Planktonfresser gelangen diese Schadstoffe auf dem Mikro- plastik dann in die Nahrungskette Plastik & Styropor und damit auch auf unsere Teller. Metall Bei den Mengen, die in den Ge- wässern landet, müsste das Plastik Glas in den fünf riesigen Müllwirbeln in den Ozeanen, stetig zunehmen. Tat- Gummi sächlich bleibt die Menge dort aber Holz relativ stabil, bei geschätzten 50 Mil- liarden Teilen und einem Gewicht Papier & Pappe von 236´000 Tonnen, was ca. 1% der Müllmenge entspricht, die Jährlich Hygieneartikel im Meer landet. Wo bleiben die rest- lichen 99% des Mülls? Kleidung Müllzusammensetzung an der südlichen Zum einen sind alle Meeresströ- Nordseeküste in Prozent. (Nach OSPAR Intermediate Assessment 2017) Sonstige me der Welt, miteinander verbunden und somit auch die Plastikstrudel. Abfall zum 12-ten
Damit kann jedes Plastikteil, überall in allen Meeren und Küsten wieder auftauchen. Zum anderen wird das Plastik immer weiter zerkleinert, bis man es nichtmehr sieht. Doch es ist noch da, unsichtbar! Wenigstens ein Teil davon. Und der Rest? Das Plastik «verschwindet» von der Oberfläche. 2010 Entstanden rund 275´000´000 Tonnen Plastikmüll, davon wurden 31›100›000 Tonnen unsachgemäss entsorgt. Davon wiederum gelang- ten etwa 8´000´000 Tonnen in die Weltmeere. Erst einmal im Meer, verliert sich meist die Spur des Mülls. Doch wohin ist der ganze Müll «ver- schwunden»? Der Zerfall in immer Plastik in Wasserproben in 3000m Mikroplastik kann die Magenwand kleinere Teile könnte ein Grund sein, Tiefe, ist 1000-Mal grösser als an der durchdringen und in den Blutkreis- dass wir ihn nicht finden. Die Partikel Oberfläche. Plastik befindet sich in lauf und das Lymphsystem gelangen sind überall, aber so winzig, dass sie allen Wasserschichten, mit zuneh- und so in weitere Organe und Ge- schwer aufzuspüren sind, trotz der mender Konzentration, bei zuneh- webe. Welche Konsequenzen das gigantischen Menge. mender Tiefe und sammelt sich in Plastik in den Organen hat, ist noch Senken. Es hat sich längst in die Nah- wenig erforscht. Es hat sich aber ge- 20 Kilometer vor der Mittelmeer- rungskette eingegliedert und wan- zeigt, dass Jungfische, die mit Mik- küste, in 1000m Tiefe zum Beispiel, dert in der Nahrungskette von einem roplastik gefüttert wurden, um die finden sich Berge von intakten Plas- Organismus zum anderen. In grossen Plastikteile herum, häufig Leberkarz- tikflaschen und anderen Plastikmüll Teilen der Weltmeere besteht das inome bilden. aus den 60er Jahren. Ohne Licht, Plankton zu gut 50% aus Plastik. In Sauerstoff und Wellenbewegung, den Verdauungssystemen der Plank- Mikroplastik wird von Algen, Bak- dauert der Plastikabbau in der Tie- tonfiltrierer, wie Walhaie, Heringe, terien und Schalentieren besiedelt. fe, unendlich viel länger als an der Makrelen und Bartenwalen, landet Das Plastik wandert auf den globalen Meeresoberfläche. Plastik sammelt also sehr viel Plastik. Aber auch Mu- Meeresströmungen an weit entfern- sich in Rinnen am Meeresboden und scheln, Röhrenwürmer, Korallen und te Orte. Es kann an jeden Ort, der «fliesst» in die Tiefe, wo es sich dann Schwämme ernähren sich vom kon- Meere gelangen. Auf diesem Weg ist in der Tiefsee sammelt und kaum taminierten Plankton. Viele Plankton- genug Zeit für die Organismen, sich zersetzt werden kann. fresser, wie Heringe, Makrelen und den neuen Umweltbedingungen an- Muscheln landen direkt auf unserem zupassen. So entstehen neue Arten, Forscher finden Mikroplastik an Teller, damit auch das Plastik. dank Plastik. Mikroplastik ist so ein Nesseltieren, Würmern und Korallen bedeutender Weg zur Entstehung der Tiefsee. Die Konzentration von und Ausbreitung der Arten! Plastik- abfälle sind für diese Organismen ein DAS GLOBALE FÖRDERBAND neues Transport-, Entwicklungs- und Das globale Förderband ist ein System Verbreitungsmittel. Die Entstehung von Meeresströmungen, die Wasser um die Welt transportieren. Während Wind in von 120 neuen Arten an der kanadi- erster Linie Oberflächenströme antreibt, 1 Arktischer Ozean Kaltes Wasser werden tiefe Ströme durch Unterschiede in der Wasserdichte in einem Prozess an- Warmes Wasser schen Küste, ausgehend von einem getrieben, der thermohaline Zirkulation genannt wird. Die Dichte hängt sowohl von der Temperatur (Thermo) als auch grossen Stück Plastik, das durch eine vom Salzgehalt (Haline) des Wassers ab. Entlang dieses Förderbandes werden japanische Flutwelle angespült wur- Wärme und Nährstoffe in einem gemächli- chen 1000-Jahres-Zyklus um die Welt bewegt. Atlantik Pazifik de, hat Forscher davon überzeugt. Während es Wärme transportiert, hält das globale Förderband das Klima der Erde stabil. Allerdings haben Wissenschaftler in letzter Zeit eine Verlangsamung der Oze- 4 3 Mikroplastik in den Gewässern, anzirkulation festgestellt. Mit dem Klima- wandel und steigenden Temperaturen kann sich der Prozess noch weiter verlang- Indischer Ozean unsichtbar, aber auch ungefährlich? samen und extreme Temperaturen in ver- schiedene Regionen der Welt bringen. Vieles spricht dafür, dass es uns nicht guttut, fast Alles spricht dafür, OZEAN STRÖMUNGEN Warmes Wasser Südlicher Ozean dass es der Umwelt schadet. Plastik, Kühlung Fliesst zu den Polen grundsätzlich jeder Abfall, gehört entsorgt, besser recycelt aber auf Erwärmung Kaltes, salziges 2 Übergangsschicht Wasser sinkt ab keinen Fall in die Umwelt. Denn frü- (thermocline) Kaltes Wasser 1 An den Polen wird kaltes Meerwasser salziger und 2 Weil es keine Kontinente gibt, die den Strom blo- 3 Tiefenwasser steigt an die Oberfläche. 4 Der warme Oberflächen- strom fließt nach Norden her oder später landet es auf unseren Tellern. Ausbreitung in POL der Tiefe erwärmt Dichter durch Verdun- ckieren kann der Strom Richtung Grönland. Der und steigt auf stung und Eisbildung. Das frei um die Antarktis Zyklus beginnt von kalte, salzige, dichte fliessen. Etwas Wasser Neuem. Wasser sinkt und breitet fliesst in den Indischen sich langsam aus. Ozean, während ein ande- rer Strom in den Pazifi- ÄQUATOR schen Ozean reist. Abfall zum 13-ten
Artikel im Selbsthilfe Magazin Sisyphos am Rheinufer Wohin führt das mit unserer Gesellschaft, mit unserer Stadt, mit unserem Lebensraum? Wohin gehst Du … Mit Deinem Mittagessen, Deiner Party? Mit Deinem Abfall? Was sind die Wichtigsten Begriffe unserer Gesellschaftskultur? «Ich», «jetzt», «sofort», «to go», «egal», «die Anderen», «geht mich nichts an» … Text & Fotos: Andrea Giovanni Käppeli Natürlich gibt es Organisationen, und Tampons, deren tatsächlichen die versuchen gegen das Littering Einsatz ich hier ungerne erläutern anzugehen. Doch mit «Aufklärungs- möchte. Neuerdings gesellen sich kampagnen», die erklären, wie man Grosspackungen von CO2 Gas dazu, sich verhalten sollte, wird offenbar das den Suff weiter beschleunigt eher wenig erreicht, denn eigentlich und einen völlig wegtreten lässt. Üb- wüssten wir alle, wie man sich verhal- licherweise bleiben Grosspackungen ten müsste. Die «Gehtmichnichts- von billigem Bier und Junkfood-Ver- an-Generation» reagiert eh nicht packungen liegen. Aber es bleiben auf erhobene Zeigefinger. Was aber regelmässig Abfall zu sammeln, wun- auch sehr teure Spezial-Biere, Weine, fehlt, sind Vorbilder, die zeigen, wie dere ich mich immer wieder, was da Champagner und Cocktails liegen. es geht. alles liegen bleibt. Es gibt Einblicke Was dabei auffällt: ich muss jede in Menschen, die sich möglichst bil- Flasche, jede Dose zuerst ausleeren, Littering ist ein Phänomen, das lig, aber hocheffizient «abschiessen», bevor ich sie in den Abfallsack ste- uns tag täglich begegnet. Es ist so möglichst schnell besoffen sein cken kann. Im Durchschnitt wurde normal geworden, dass wir oft nicht wollen. Sie hinterlassen billigsten von Energy-Drinks, nur ein Schluck, mehr wahrnehmen, wenn irgend- Junkfood, billigste Energydrinks, von Bier nur ein bis zwei Drittel ge- wo wieder Abfall rumliegt. Doch im billigsten Wodka in ein oder zwei Li- trunken. Von Wein, Champagner Sommer, wenn es wieder Alle nach ter Flaschen, Kopfschmerztabletten und Schnaps, bleibt meist weniger draussen zieht und die Nächte lau sind und zu Partys unter Sternen- himmel einladen, dann wird es of- fensichtlich, dass man sich einen schönen Platz, ohne Abfall suchen muss. Wer im Rhein baden will, muss festes Schuhwerk tragen, um nicht ernsthafte Verletzungen von Scher- ben, Kronkorken oder aufgerissenen Blechdosen zu riskieren. Auf den ersten Blick habe ich völ- liges Unverständnis, dem liegenge- lassenen Abfall gegenüber. Denn meist liegen beim zurückgelassenen Abfall, genügend Säcke und Taschen herum, um den Abfall in die immer nahegelegenen Tonnen zu werfen. Seit ich selbst angefangen habe, Abfall zum 14-ten
übrig. Durchaus aber noch ungeöff- wenige Ecken, wo sich auch «Rand- In diesem Begleitbuch zur Foto- nete Gebinde. Auch die Lebensmit- ständige» aufhalten und Dreck hin- ausstellung am Rheinufer, möchte tel werden selten aufgegessen. terlassen. Die sind aber eher Ausnah- ich diesem Thema auf den Grund men. Sie haben vermutlich auch nicht gehen. Ich möchte wissen, wie es de- Offenbar leben wir in einem riesi- das Geld, um solche Übermengen zu nen wunderbaren Menschen geht, gen Überfluss, den wir mit den Hin- kaufen, nur um sie, oft ungeöffnet, die Tag täglich unseren Mist wieder terlassenschaften zur Schau stellen. liegen zu lassen. Randständige sind wegräumen. Ich möchte offizielle Es gibt offenbar kaum eine Wert- eine Ausrede für das eigene Versa- Stallen, wie die Stadtreinigung, das schätzung gegenüber Lebensmit- gen, oder um das schlechte Gewis- AUE oder das Stadtteilsekretariat, teln, die immer und überall, billig sen zu beruhigen. aber auch Organisationen, die dem verfügbar sind. Littering den Kampf ansagen, zu Wohin führt uns das? Welche Lö- Sprache kommen lassen. Ohne die Ja, das Leben hat sich in den letz- sungen gibt es dazu? Helfen drakoni- Stimme der Nutzer, wäre das Buch ten 40 Jahren, seitdem ich selbst sche Steuern auf Verpackungsmateri- aber nicht vollständig. Die Antwor- am Rheinufer gefestet habe, radikal al, damit weniger davon verkauft und ten werden so bunt sein, wie der Ab- verändert. An jeder Ecke gibt es «To dann liegen bleibt? Belehrungen und fall selbst. Go», in viel Alu, Plastik und Karton Strafen halfen bisher nichts. Denn für verpackt. Die Gesellschaft scheint Littering gäbe es Bussen: Eine Ziga- PS: nicht mehr gewillt zu sein, zivilisiert rettenkippe wegwerfen, kostet 80 Nicht immer allein. Ab und zu helfen zu essen und zu geniessen. Alles Franken. Doch selbst unser oberster mir Mitarbeiter der Stadtreinigung. In muss schnell gehen, im Gehen oder Polizist wirft seine Kippe ins Rhein- ihrer Freizeit! Wenn das nicht Engage- ment und Liebe zum Job ist! An dieser irgendwo draussen, unterwegs. Da bord. Es fehlt offensichtlich an Vorbil- Stelle möchte ich allen Mitarbeiterin- scheint keine Zeit mehr, die Verpa- dern. Offenbar lernt heute niemand nen und Mitarbeitern der Stadtreini- ckungen wieder zurück in die mit- mehr Anstand oder logisches Den- gung ein riesiges Dankeschön aus- gebrachte Tasche zu stecken und im ken. Ich höre oft: «Die kommen es ja sprechen. Sie machen täglich einen riesigen Job, eine Sisyphos-Arbeit. Vorbeigehen, in den nächsten Con- holen, dafür bezahle ich schliesslich tainer zu werfen. Nein, die Tasche Steuern.» Himmel! Willst Du Steu- bleibt gleich auch liegen. ern sparen, dann nimm Deinen Mist wieder mit! So drehe ich weiter allein Ich höre immer wieder den Vor- meine Runden an den Wochenen- Dieser Text stammt aus meinem wurf, dass die «Randständigen» den und staune, was ich da alles ein- Artikel des Selbsthilfe Magazins, diesen Dreck machen. Ja, es gibt sammle. Ausgabe 2020, Nummer 14 Abfall zum 15-ten
Krisen eröfnen neue Möglichkeiten Jede Krise eröffnet Chancen und neue Möglichkeiten In jeder Krise haben wir die Möglichkeit, in Lethargie, in die Opferrolle zu fallen und «hilflos» mit den Fingern auf die «Schuldigen» zu zeigen, oder wir lösen von der Lethargie und suchen nach neuen Möglichkeiten, nach neuen Normalitäten. Krisen sind immer auch Innovationstreiber. Text & Fotos: Andrea Giovanni Käppeli Innerhalb des Anthropozän befinden die Müllberge nicht sichtbar, da sich plexe Systeme, die nicht mit simplen wir uns in der Hochblüte des «Era Reinigungsunternehmen bemühen, «Lösungen» gelöst werden können. Vastis», dem Abfallzeitalter, in dem den Abfall «verschwinden» zu lassen. Dank der weit verbreiteten «Komple- es gesellschaftlich akzeptiert und Aus den Augen, aus dem Sinn. xitäts-Inkompetenz» der Menschen, wirtschaftlich erwünscht ist, mög- sucht man trotzdem nach möglichst lichst viel Abfall zu konsumieren und Das Littering-Verhalten der Men- simplen «Lösungen», hängt «Ver- zu jeder Zeit, an jedem Ort, zu hinter- schen, offenbart exemplarisch sein schwörungs-Mythen» nach, zeigt lassen. So kommt es, dass Milliarden Verhalten gegenüber gesellschaftli- mit Fingern auf Andere, «ich allei- Menschen in Müllbergen leben. In chen, ökologischen und klimatischen ne kann ja nichts ausrichten», lässt sogenannt zivilisierten Ländern sind Herausforderungen. Alles hochkom- es deshalb gleich bleiben, erhebt den Zeigefinger: «man sollte», «man müsste», «man könnte» … doch da- mit verändert sich absolut nichts. «Keine Veränderung ist die beste Veränderung», scheint die Losung der Wirtschaft zu sein, die uns vor je- der dringend nötigen Veränderung, mit Arbeitsplatzverlust droht. Doch wenn wir die Nahrungsmittelpro- duktion, Natur und Tierfreundlicher gestalten, liegt die Forschung, das Nimm Dich selbst nicht so ernst, Wissen in unseren Händen. Stecken wir unsere Klimaziele am höchsten, Du kannst nicht die Welt bewegen, entstehen unzählige Arbeitsplätze in Forschung, Lehre und Produktion. aber vielleicht Die «Nachzügler» müssen dann das «Wissen» bei uns einkaufen. Sind wir beginnt eine Weltbewegung die «Nachzügler», müssen wir die Technologie bei den Leadern ein- mit Deinem ersten Schritt kaufen. Wissen, Kreativität und For- schung sind die einzigen Rohstoffe der Schweiz, es werden künftig die Wichtigsten Rohstoffe der Welt sein. Fatal für unseren Wohlstand, wenn wir da nicht zuvorderst dabei sind. Littering ist exemplarisch für un- sere Rohstoff-Verschwendung. Jeder Abfall zum 16-ten Nicht_ernst_nehmen.indd 1 17.04.21 17:32
Stoff, der nicht wieder in den Kreis- en. Für einen Moment. Danach hilft mir eigenen Verstand. Die Zeit dazu lauf zurück findet, ist eine Verschwen- es, einen Schritt beiseite zu treten habe ich ja jetzt. So kann ich auch dung von Energie und endlichen und Inventar zu machen: Wo stehe Kontakte knüpfen, Ideen entwickeln, Rohstoffen. Denn auch nachwach- ich, was habe ich, was könnte ich da- austauschen und umsetzen. sende Rohstoffe sind nicht unendlich raus machen, was bräuchte ich, um verfügbar. Doch das RE-cycling ist meine Ideen zu realisieren, wo und Leider sind Krisenzeiten, auch nur eine Notlösung, zumal es meist wie bekomme ich das? Prozesse, die immer eine Hochzeit von Verschwö- ein DOWN-cycling, oder eine «ther- Ruhe und Zeit brauchen. rungsmythen und «alternativen mische Verwertung» (verbrennen) ist. Wahrheiten», in die sich Menschen In einer Krise sind doch Ruhe und gerne flüchten, weil diese einfache Es gibt den Spruch: «Not macht Zeit Mangelware! Ja, wenn ich mich Lösungen für sehr komplexe Frage- erfinderisch.» Ich finde, Not lähmt zu- an den unveränderlichen Dingen auf- stellungen anbieten. Das Denken allererst. Doch schafft man es aus der halte. Wenn ich mir Gedanken darü- wird einem dabei bequemerweise Schockstarre hinaus, dann kann man ber mache, wieso ich da drinstecke auch gleich abgenommen, man kann eine Notsituation auch als Möglich- und dass doch alles so schwierig ist, schön mit den Fingern auf Andere keit zur Erneuerung, zur Veränderung ich doch selbst nichts tun kann. Dann zeigen, sieht sich selbst als Opfer ei- nutzen. In jeder Notsituation gibt es fehlt mir die Zeit und die Musse. Las- ner fremden Macht und sieht für sich Profiteure. In den Aktuellen Krisen se ich all die Beschäftigung mit den keine Handlungsmöglichkeit. Das ist müssen die Menschen, die Profiteu- von mir selbst nicht beeinflussbaren unglaublich bequem, fixiert aber re werden, nicht die Politik, nicht die Dingen weg und lenke meine Ge- die Situation, es verändert absolut Industrie. Wenn die Menschen profi- danken um die Hindernisse herum, nichts. Das ist der grosse Haken an tieren, gewinnt auch die Politik und kann ich in Ruhe, klare Gedanken der schönen neuen Internet-Welt. die Industrie. fassen. Nicht immer, aber immer öf- Der Aufwand, die gefundenen Infor- ter, mit immer mehr Übung. Im Ruck- mationen zu überprüfen, wird immer Zu oft habe ich Krisen erlebt, sie sack, den wir Alle mit uns herumtra- grösser, die Eigenverantwortung, als sehr schlimm wahrgenommen, gen, befindet sich nicht nur Ballast. immer wichtiger. Das macht die Re- aber immer mehr auch als Chan- Da befindet sich so mancher Schatz, cherche, sehr aufwändig. Doch mit ce, als Möglichkeit zur Erneuerung, so manches Werkzeug, das wir jetzt der nötigen Ruhe und Gelassenheit, zur Veränderung gesehen. Stimmt, nutzen können. Wir sind nicht al- können wir uns diese Zeit nehmen nie freiwillig. Freiwilligkeit, die reine lein, auch wenn wir das oft glauben. und aus einer Krise, eine grosse Freude am Tun, der Forscherdrang in Selbst wenn ich noch niemanden Chance machen. Neue, spannen- uns, gilt schlechthin als Lebensqua- kenne, von dem ich mir Hilfe erwar- de Arbeitsplätze entstehen, eine lität und Lernprozessor. Je heftiger te. So gab es früher die Bücherei, neue Normalität entwickelt sich. Ir- wir eine Krise erleben, um so weniger heute steht mir das ganze Internet gendwann werden wir uns fragen, dieser Lernprozessoren bleiben uns. zur Verfügung. Dort kann ich von zu- wie wir auf die Idee kamen, so vie- Da erleichtert es bestimmt zu jam- hause aus recherchieren, allerdings le Rohstoffe und Energie einfach mern, sich Luft zu verschaffen, sich immer mit einer gewissen Skepsis, wegzuwerfen, zu verschwenden. den Unmut aus dem Leibe zu schrei- mit Quervergleichen und mit dem Abfall zum 17-ten
Naturgewalten Anthropozän Der Mensch als Naturgewalt In der Erdgeschichte gab es immer wieder radikale Wendepunkte, wie die kambrische Explosion, in der fast alle heutigen Tierstämme im geologisch winzigen Zeitraum von 5 bis 10 Millionen Jahren entstanden sind. Oder der Meteoriten Einschlag, der vor 66 Millionen Jahren vermutlich zum Aussterben der Saurier führte. Das Auftreten des Menschen ist auch ein solcher Wendepunkt in der Erdgeschichte. Text & Fotos: Andrea Giovanni Käppeli Geschützt durch eine Atmosphäre, völkern Menschen diesen Planeten, gebremster Drang nach Eroberung die schädliche Strahlung aus dem die ihn in dieser kurzen Zeit so stark und Wachstum, wird uns nun aber Weltall abhält, hat sich in Jahrmilli- verändert haben, wie dies sonst nur zum Verhängnis, denn wir haben nur arden, in einem aufeinander abge- Naturgewalten in erdgeschichtlichen diese eine Erde. Die Natur lässt sich stimmten System aus Sonne, Luft, Zeiträumen vermögen, oder wie vor zwar ausbeuten, aber sie lässt nicht Wasser und Land, Leben auf der 66 Millionen Jahren, der 10 bis 15 mit sich über die Konsequenzen un- Erde entwickelt. Seit kurzem, einem km grosse Meteoriteneinschläger im seres Verhaltens verhandeln. Natur- erdgeschichtlichen Wimpernschlag Golf von Mexiko. Wir machten uns gesetze sind nicht verhandelbar! (3 Sekunden vor Mitternacht), be- die Erde zum Untertanen! Unser un- Abfall zum 18-ten
Wir sehen Veränderungen im ge- Unsere «Technoshpäre», also all das samten, komplexen System der Erde, was wir erschaffen, verdrängt immer neben dem Klima, das sich immer mehr die Biosphäre, also das Leben, schneller, immer stärker erwärmt, mit das sich über Milliarden von Jahren all den Problemen, die dies mit sich entwickelt hatte. Bereits nutzen wir bringt. Diese Veränderungen sind etwa zwei Drittel der Erdoberfläche anders und vollziehen sich schneller und sind damit der dominierende als in der bisherigen Erdgeschichte. Faktor der Erde geworden. Etwa 50 Nach einer 11’000-jährigen Warm- kg/m2 ist Mensch gemacht, das ist zeit, müssten längst die Tempera- mehr als alle Tiere und Pflanzen zu- turen wieder fallen, wir müssten am sammen. Unser Wirken hat ähnliche Beginn einer neuen Eiszeit stehen. Folgen, wie die Asteroiden-Einschlä- Diese Veränderungen zeigen, dass ge in der Frühgeschichte. wir das Holozän, die seit etwa 11’700 Jahren andauernde warmzeitliche Es gibt unzählige Beispiele von Epoche, die der letzten Kaltzeit folg- Entwicklungen, für «saubere Lösun- te, in die falsche Richtung verlassen. gen» von Menschheitsproblemen, Statt dass wir wieder in eine Kaltzeit die sich als fatal entpuppten, weil kommen, erwärmt sich das Klima so man die Folgen der Entwicklungen kurzfristigem Denken heraus, ohne schnell, wie wohl noch nie in der Erd- nicht bedacht hatte. So entwickelte an die Folgen unseres Tuns zu den- geschichte. Weil der Mensch all diese Thomas Midgley 1930 das scheinbar ken. Trotz der Nuklearkatastrophen Veränderungen verursacht, nennen ungiftige und unbrennbare FCKW- von Tschernobyl und Fukushima, de- wir diese neue Zeit, das «Anthro- Gas. Es ersetzte giftige und explo- ren Wahrscheinlichkeit von den Er- pozän». Es ist unser Zeitalter, aber sive Gase, die in der Industrie, vor bauern, als extrem gering eingestuft es gibt keinen Grund, auf diese Be- allem zur Kühlung und in Spraydosen wurden, erleben wir weltweit wieder zeichnung stolz zu sein. Mit Techno- eingesetzt wurden. Doch das neue einen Boom von neuen Atomkraft- logie gestalten und verändern wir die Gas veränderte und zerstörte die werken, die auch direkt am Meer Welt. Wir sind so erfolgreich, dass wir Ozonschicht der Erdatmosphäre, die und auf seismischen Brüchen gebaut jeden Winkel der Erde bevölkern. Bis uns wie ein Schutzschild vor harter werden. An Orten, wo Naturgewal- im Jahr 2050, werden 10 Milliarden Strahlung aus dem All schützt. Oder ten wirken, die wir nicht beherrschen Menschen diesen Planeten bevöl- die scheinbar umweltfreundliche können. Auch hier wird die Verant- kern. Wir wurden zu einer Naturge- Atomenergie, wird mit ihren strah- wortung und die Verarbeitung der walt, die die Erde verändert, die das lenden Abfällen, die Erde noch viele Folgen, an zukünftige Generationen Komplexe Zusammenspiel des Le- Millionen Jahre nach ihrer Nutzung externalisiert. Noch immer zählt nur bens aufbrach, ohne sich Gedanken beschäftigen, lange nach dem Ver- der Kurzfristige Gewinn, im Wissen, über die Konsequenzen zu machen. schwinden der Menschheit. Alles aus dass die Folgen erst später auftreten und dann zu gross sind, um vom Ver- ursacher getragen zu werden. Kein einziges Atomkraftwerk wird je in der Lage sein, die Folgen eines Unfalls zu tragen, oder Kosten für den Rück- bau des Kraftwerks und die sichere Lagerung der strahlenden Abfälle. Das Uran-238, im explodierten Kraft- werk von Tschernobyl, strahlt harte Alpha- und Gamma Strahlen, mit ei- ner Halbwertszeit von 4’468’000’000 Jahren. Es braucht also fast so lan- ge, wie unser Planet schon existiert, bis Uran-238 nur noch halb so stark strahlt. Diese Verantwortung kann selbst die gesamte Weltbevölkerung nicht übernehmen. Jugendlichen wird gerne vorgeworfen, unver- antwortlich zu handeln. Die Wirt- schaft handelt viel unverantwortli- cher! Im Gegensatz zu Jugendlichen in der Adoleszenz, weiss die Indust- rie und die Politik genau was sie tut. Meteoriten könnten unser leben verändern; der Mensch tut dies in jedem Fall! Abfall zum 19-ten
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