AB 26. JANUAR IM KINO - bunkverlag
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U4/Titel_kulturnews_02_2023.qxp_U4/Titel_kulturnews_12_2022.qxp 18.01.23 13:35 Seite 1 kulturnews Das Magazin für Popkultur 2/2023 2/2023 Das Magazin für Popkultur KINO MUSIK BUCH Nicht traurig, AB 26. JANUAR IM KINO Traurig + komisch aber schaurig WANN WIRD ES ENDLICH WIEDER Traurig + schön OTTESSA SO, WIE ES NIE WAR SYML MOSHFEGH
U2/U3_kulturnews_02_2023.qxp_U2/U3_kulturnews_12_2022 18.01.23 13:33 Seite 1 VON MARTIN MCDONAGH, DR EHBUCHAUTOR UND R EGISSEUR VON THREE BILLBOARDS UND N BRÜGGE SEHEN... UND STER BEN? BALLETTFESTWOCHE 31.3. – 8.4.2023 “Eine Geschic chte, die es in sicch hat.” 31.3. SCHMETTERLING “Besonders originell. gro g ssartige wiie kluge Komödiee.” 1.4. EIN SOMMERNACHTSTRAUM “Es ist einee Freude zuzuseh hen.” 2.4. SCHMETTERLING 3.4. ROMEO UND JULIA 4.4. PASSAGEN 5.4. CINDERELLA 8.4. TSCHAIKOWSKI-OUVERTÜREN © 2022 20TH CENTURY STUDIOS. ALL RIGHTS RESERVED. V Bayerisches Staatsballett www.staatsballett.de A B 5. J A N U A R EXK L U S I V I M K I N O 1140_13_Banshees_kulturnews_movies_AZ_185x250_02.indd 1 06.12.22 12:23
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 3 Inhalt 4 Musik 18 Jazz 28 Film 38 Literatur 44 Krimi 46 Kulturhighlights Titelmotiv: FKP Scorpio | Titelfotos: Warner Bros. (Wann wird es endlich wieder so wie es nie war) | Sarah Cass (SYML) | Jake Belcher (Ottessa Moshfegh) 50 Kunst 52 Bühne Wir klären auf In diesem Magazin lesen Sie, wie einsam toxische Arbeits- Fahrt auf und zeigt auf einer 20-seitigen Verfolgungsjagd, warum beziehungen machen. Und natürlich auch, was dagegen hilft: Erfahrung auch in dieser Branche zählt. Das werden wir uns zu der Zuspruch von Kolleg:innen und alten Freund:innen; gegebener Zeit abgucken, nehmen wir uns hiermit vor! der Musiker Rhodes ist damit gut gefahren (Seite 12). Sie lernen Überhaupt, südkoreanische Ästhetik – auf Seite 28 lesen Sie weiterhin, dass es auch für eine Auftragskillerin nicht einfach ist, Spannendes über die Bildsprache des Krimimelodrams „Die Frau ins Rentenalter einzutreten: im Nebel“. Außerdem Die Muskeln schmerzen, können Sie sich auf 2023 Kultur erleben und manchmal hat sie auf guten Jazz freuen. Und Probleme, mit dem Messer wer den Unterschied zwi- zu wirbeln. Zu alt zum schen Natas und Nanas Morden? Doch dann nimmt der südkoreanische .de (hä?) nicht kennt: Aufklä- rung gibt’s auf Seite 50! Krimi „Frau mit Messer“ kulturnews | 3
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 4 Musik Alles tanzt: Wenn selbst Beyoncé auf ihrem jüngsten Album hauptung zugleich. Doch zentral bleibt immer ihre in- House feiert, sind die Zeichen der Zeit klar. Auch Kelela härente Coolness, die Kelela davon abhält, auf allzu kehrt jetzt auf den Dancefloor zurück, doch bei ihr ist das gleißende Instrumentals oder poppige Melodien zu setzen. alles andere als ein Zugaufsprung: Schon auf ihrem Stattdessen gibt es kühle Gesangslinien und subtile Debüt-Mixtape von 2013 hat die Künstlerin R’n’B mit Beatverschiebungen. Mit „Washed away“ und „Far away Techno und Grime verbunden. Umso überraschender ist (Washed away reprised)“ wird das Album gar von zwei es, wenn Kelela heute angibt, sich als schwarze Femme in Tracks gerahmt, die auf einem Ambient-Album nicht fehl Foto: Justin French der Szene immer als Außenseiterin gefühlt zu haben. Ihr am Platz wären. So klingt nur eine Künstlerin, für die die zweites Album „Raven“ ist eine Auseinandersetzung mit Tanzfläche so alltäglich ist, dass sie sie manchmal gar diesem Thema – Feier, Freiheitskampf und Selbstbe- nicht mehr sieht. mj 4 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 5 Foto: Ben Jakon Szene „Unendlich viele Gender/ Im Bentley übern Deich viele Wege führen ins Ich/ Foto: Chantal Pahlsson Sie sind der Entsafter unserer Wohlstandsgesellschaft: Seit über 20 Jahren Diversity is Reality und pressen Deichkind ein feistes Konzentrat aus unseren saturierten Alltagsphrasen. Auf ihrem neuen Album „Neues vom Dauerzustand“ Selbstbestimmung der Weg“ aus: „Das Universum ist nicht binär“ trifft grüngewaschener Hyperkapitalismus auf naturalistische Idiotie und deutsche Strickjackenmentalität auf Optimierungsfantasien. Und zwischendrin wird natürlich ordentlich gesoffen, gefeiert und ab- Sängerin* Saskia Lavaux weiß, dass eine selbstbestimmte, gestürzt. Doch das jetzt als brillantes Abbild gegenwärtiger postbinäre Zukunft nicht nur bestehende patriarchale Struk- Ambivalenzen zu feiern, würden Kryptik Joe, Porky und La Perla mit turen bekämpfen muss, sondern sich auch Bürokratie sowie Sicherheit als bürgerliche Selbstvergewisserung zurückweisen. fe Kapital- und Eigentumsverhältnisse grundlegend verändern müssen. Mit „Das Universum ist nicht binär“ komplettiert die niedersächsische Punkband Schrottgrenze ihre queere Albumtrilogie – und wird dabei deutlicher als je zuvor. Foto: Matthias Reinhardt Foto: Zachary Gray Verdammt gute Gründe Hast du mal Feuer? Nach sechs langen Jahren erscheint am 10. 2. endlich ein Bereits ihr Debütalbum „Blüte“ war ein Fest des doppelbödigen neues Album von Paramore. Das jahrelange Zus- Songwritings – nun schießt die Hamburger Indierockband Fluppe ammenspiel der Band um Sängerin Hayley Williams macht gleich das nächste assoziative Sprachfeuerwerk hinterher. Sänger sich auf „This is why“ in punktgenauen musikalischen Josef Endicott zoomt mit seinen Texten mal bis ins All hinaus und Akzenten bemerkbar: Besonders viel Freude bereitet das begutachtet den alltäglichen, irdischen Wahnsinn, um dann wieder US-amerikanische Trio aus Franklin, Tennessee mit ganz intim zu werden: „Bin fortgerannt/ein Leben lang/und das „Running out of Time“ und „This is why“. Verletzliche davor/mein letzter Schuss bleibt das Eigentor“ („Zerstreut“). Vor- Songs wie das sehnsüchtig-lebenslustige „Crave“ oder das wiegend hüllt sich die Band jedoch im Nebel der Uneindeutigkeit nachdenkliche „Thick Skull“ runden die Platte ab. Fehlt und malt düstere Bilder von stürmischen Schiffsfahrten („Nacht“), eigentlich nur noch, dass endlich auch Shows angekündigt Kanalisationskreaturen („Monster“) und der Hölle („Paradies“). werden. Während Paramore in anderen Teilen der Welt ein Passenderweise wird hierzu Wolfgang Petrys „Wahnsinn“ zitiert – Konzert nach dem anderen planen, stehen Termine bei uns da bleibt einem nicht mehr viel übrig, außer am Inferno erst eine in Deutschland noch aus. jm Fluppe und dann die Welt anzuzünden. fe kulturnews | 5
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 6 Musik Die Drei vom Tempelhof Während andere Festivals ein Riesenrad, 100 Artists und Wellness-Camping brauchen, reicht dem Tempelhof Sounds ein ausgewähltes Dreierteam. › Wenn in Berlin die seismologischen Stationen einen überdurch- schnittlichen Ausschlag melden, bedeutet das entweder, dass ein riesiges Aquarium in Berlin-Mitte geplatzt ist oder dass auf dem Tempelhofer Feld gerade knapp 35 000 Indierockfans völlig durch- drehen. Tatsächlich soll das Tempelhof Sounds letztes Jahr kurzzeitig ein leichtes Erdbeben im Süden von Berlin ausgelöst haben, dass nahegelegene Häuser ins Schwanken gebracht hat. Ob dieses Jahr erneut ein Beben durch Berlin gehen wird, bleibt abzuwarten, doch eines steht bereits fest: Der Herd der Erschütterung wird ganz sicher nicht das Tempelhofer Feld sein … Vom Feld auf die Waldbühne Obwohl die Premiere des Tempelhof Sounds 2022 als voller Erfolg gefeiert wurde und als Gegenentwurf zum durchgestylten Lollapalooza fantastisch funktioniert hat, muss das Festival dieses Jahr einen Schritt kürzertreten: Vom 300 Hektar riesigen Flugfeld geht’s in die nicht minder eindrucksvolle Berliner Waldbühne. Das Programm wird ein wenig komprimiert, aus 48 werden drei Acts, und aus einem ganzen Wochenende wird ein ganz beson- derer Abend. Der Grund dafür ist dringend wie ehrbar: Seit Kriegsbeginn in der Ukraine sind auf dem Tempelhofer Feld Notunterkünfte für Fever Ray Geflüchtete entstanden, die nun aufgrund der anhaltenden Kriegssituation ausgebaut werden sollen. Somit kann das Festival keine Lärmschutzverordnungen mehr einhalten. In einem Statement heißt es dazu: „Davon abgesehen halten wir es auch menschlich für geboten, in dieser besonderen Ausnahmesituation Rücksicht walten zu lassen, um sicherzustellen, dass Menschen, die Zuflucht brau- chen, unter keinen Umständen beeinträchtigt werden.“ Dreigangmenü statt All you can eat Während das Tempelhof Sounds letztes Jahr mit den drei Headlinern Muse, The Strokes und Florence + The Machine noch auf Nummer Foto: Nina Andersson sicher gegangen ist, überraschen die drei diesjährigen Acts. Mit Bon Iver, Fever Ray und Holly Humberstone fährt das Festival einen frischen Soundmix auf, der zum Abfeiern, aber eben auch zum Wegträumen einlädt. 6 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 7 Musik Justin Vernon, das Mastermind hinter Bon Iver, hat mit den letzten beiden Alben „22, a Million“ und „i,i“ seinen Indiefolk auf ein neues Level gehoben: zerstückelte Akkorde, mehrdeuti- ge Klänge, übersteuertes Falsetto-Autotune, und das alles Bon Iver gepaart mit herrlicher Poesie. Äußerlich würde man den verzot- telt-grummeligen Vernon wohl eher im Biomarkt als auf den großen Festivalbühnen vermuten. Doch wer schon mal eine der intensiven Bon-Iver-Shows gesehen hat, weiß: Da gehört der sympathische Soundästhet definitiv hin. Ganz anders hingegen Fever Ray: Extravagant wäre als Be- zeichnung für die schwedische Artpopkünstlerin noch weit untertrieben. Ihre Shows sind avantgardistische Live- performances, bei denen sich die 47-jährige Karin Dreijer als mystisches Wesen inszeniert. Mal mit kreischender Stimme und düsteren Wave-Bässen, dann wieder mit gradlinigen 80er- Popnummern. Entstanden ist Fever Ray als eine künstlerische Auseinandersetzung mit ihrer Mutterschaft: feministisch, ehr- lich, abgründig. Mit „Radical Romantics“ erscheint dieses Jahr das erste neue Album seit fünf Jahren – das Timing könnte kaum besser sein. Als Gegengewicht könnte Holly Humberstone verstanden werden – zumindest ihr Sound. Die britische Singer/Song- writerin ist während der Pandemie zum absoluten Shootingstar avanciert: Ihre Debüt-EP „Falling asleep at the Wheel“ schreibt sie in ihrem Elternhaus, einer heruntergekommenen Dienstboten- villa. Der morbide, gruselige Ort wird zur perfekten Inspirationsquelle für ihre entwaffnenden Coming-of-Age- Foto: Graham Tolbert & Eric Carlson Erzählungen, die auf ihrem aktuellen Album „Can you afford to lose me?“ in wunderschönem Pop aufgehen. Felix Eisenreich TEMPELHOF SOUNDS PRESENTS 2. Juni 2023 Berliner Waldbühne | Tickets ab 75 Euro zzgl. Gebühren Holly Humberstone Foto: FKP Scorpio kulturnews | 7
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 8 Musik Süchtig nach Neuem Foto: Stephen Roe Das schottische Trio Young Fathers will immer überraschen. Wird das nicht irgendwann langweilig? Alloysious, Graham, Kayus, euer neues Album heißt „Heavy heavy“, Jemand anderes hat geantwortet, dass ihr in Wahrheit eine „Man- aber gerade die ersten paar Songs sind ziemlich euphorisch. Oder band“ seid. Was haltet ihr heute von dem Label „Boyband“, das ihr habe ich mich da verhört?x anfangs selbst genutzt habt? Graham Hastings: Ich glaube, es ging uns vor allem um die Dichte. Beim Hastings: Wenn du dir die klassischen Boybands anschaust, die Monkees Aufnehmen hatten wir den Ansatz, nichts wegzunehmen oder zu ver- oder so, war immer einer dabei, der „richtige“ Musik machen wollte. So schlanken, im Gegenteil. Stattdessen wollten wir immer noch mehr über- ähnlich war das am Anfang bei uns, nur, dass wir nicht berühmt waren. einanderhäufen, eine Umgebung schaffen, in der alles möglich ist. Das Wir machen ja gemeinsam Musik, seit wir 14 sind. Anfangs hätten wir hat geklappt, und trotzdem ist die Platte durchgängig intensiv. leicht zu einer Boyband werden können, die einen Hit hat und dann wieder Alloysious Massaquoi: Der Titel ist auch verspielt gemeint. Wenn du nur in der Versenkung verschwindet. Zum Glück ist es nie dazu gekommen. einmal „heavy“ sagst, klingt das ganz anders. In der Doppelung des Bankole: Das Wort hat gewisse Konnotationen, aber die Beatles waren ja Titels steckt der Prozess drin, die Freiheit, die wir uns auch eine Boyband. Für uns hat es vor allem damit gegönnt haben. zu tun, dass wir Popmusik mögen. (lacht) Wir haben Ihr habt mal gesagt, dass jedes Album besser sein weder bei den Rappern reingepasst, noch waren wir muss als der Vorgänger. Ist „Heavy heavy“ also noch die klassische Band mit Gitarren. Deshalb hat der besser als „Cocoa Sugar“? Begriff gut gepasst, aber wie alle Genrebezeichnungen Hastings: Besser bedeutet für uns, dass wir uns selbst ist er auch irgendwie bedeutungslos. überraschen konnten. Ich hoffe immer, dass die ande- Mittlerweile wissen die Leute aber, woran sie bei ren etwas beisteuern, das ich selbst mir nicht einmal euch sind, oder? vorstellen konnte. Das verhindert auch, dass unsere Massaquoi: Klar. Hätten Arctic Monkeys einen Song Egos zu groß werden. Der Song steht über allem. wie „I saw“ veröffentlicht, würde er in der Presse als Kayus Bankole: Ich habe erkannt, dass ich absolut Klassiker gefeiert werden. Aber weil er von uns ist, süchtig nach Neuem bin. Nach dem Gefühl: Hier ist war keiner überrascht. Die Leute erwarten mittlerweile etwas, das ich noch die gehört habe. das Unerwartete von uns. In einem YouTube-Kommentar hat euch jemand Heavy heavy kürzlich als „beste Boyband der Welt“ bezeichnet. erscheint am 3. Februar Interview: Matthias Jordan 8 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 9 Musik Ey Mann, wo is’ dein Auto? Auch Gorillaz-Chef Damon Albarn kann seinen Horizont mit Mitte 50 noch erweitern – natürlich in L.A. Foto: Warner Music › Traditionell hat der musikalische Kopf der virtuellen Hipsterband Gorillaz dem kalifornischen Metropolenmoloch Los Angeles nie etwas abgewinnen können. Klar, aus beruflichen Gründen musste Damon Albarn immer mal wieder hin, der Widerwille war jedoch stets Boheme-Viertel Silverlake. „Dort gibt es coole Restaurants, coole Läden beträchtlich. „Ich habe die Stadt immer sehr herzlich gehasst, aber da und Leute. Es ist eine vollkommen neue Welt für mich gewesen.“ war ich zuvorderst selbst dran schuld“, sagt er. Albarn, der im März auch schon 55 wird und seit drei Jahrzehnten seine kreativen Säfte in alle Die beiden Profis haben effektiv und flott gearbeitet. Albarn ist mit einer möglichen Bands und Projekte wie natürlich Blur, The Good, The Bad & großen Palette an für Gorillaz-Verhältnisse vorwiegend verträumten, The Queen und immer wieder auch Soloalben strömen lässt, hat sich melodischen und ein bisschen wehmütigen Liedern ins Studio – offenbar nämlich immer rund um den Sunset Boulevard in West Hollywood ein- wirkt sein minimalistisches Soloalbum „The nearer the Fountain more quartiert – einer Touristengegend, die ihre beste, weil zügelloseste Zeit in pure the Stream flows“ hier noch nach. Und eine handvoll Knallergäste den 70ern und 80ern gehabt hat. „Autofahren konnte ich nicht, also wie Bassist Thundercat, Beck, Fleetwood-Mac-Ikone Stevie Nicks und habe ich da rumgehockt und alles sterbenslangweilig gefunden.“ Latin-Topstar Bad Bunny waren auch schnell am Start. So markiert das melodische und stimmungsvolle Werk einen starken Auftakt zu einem Nun jedoch ist die Liebe des Engländers, der seit 2020 ebenfalls die echten Albarn-Festspieljahr, in dessen Verlauf er mit Blur im Londoner Staatsbürgerschaft seiner Herzensheimat Island besitzt, zu L.A .so heftig Wembley-Stadion und mit den Gorillaz beim Coachella-Festival auf- und unerwartbar erblüht wie eine Teenagerromanze. Ende 2021 war er trumpfen wird. „Und ich habe es sogar geschafft, in Los Angeles endlich gleich für mehrere Monate dort, um an einem Animationsprojekt rund meinen Führerschein zu machen“, sagt Damon lächelnd. Schließlich gibt um die Gorillaz für Netflix zu arbeiten, das nach Lage der Dinge momentan es nicht nur in L.A. noch so einige Ecken zu entdecken. allerdings zu versanden droht. Doch um die Zeit optimal zu nutzen, hat Steffen Rüth er sich zwei Wochen lang fast täglich mit dem Superproduzenten Greg Kurstin (Adele, Foo Fighters) getroffen – in dessen Studio im lässigen Cracker Island erscheint am 24. Februar. kulturnews | 9 27.04.23 Kiel WUNDERINO Arena 28.04.23 Rostock stadthalle 29.04.23 Nürnberg arena nürnberger versicherung 05.05.23 Mannheim sap arena TICKETS AN ALLEN BEKANNTEN VORVERKAUFSSTELLEN, 06.05.23 Baden-Baden Festspielhaus LIMITIERT AB €49 ERHÄLTLICH.
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 10 Musik Dialoge im Dunkeln Foto: Jesse Morrow Brian Fennell alias SYML zieht Bilanz – doch vor allem ist es ein Check für seine Hörer:innen: Wer bei den Songs von „The Day my Father died“ nicht ergriffen ist, hat kein funktionierendes Herz. › Sein verstorbener Vater, so erzählt Brian Fennell, sei ein guter Vater gewesen – selbst wenn er immer ausgesprochen hohe Erwartungen an seinen Sohn gehabt habe. „Er hat als Manager bei Boeing gearbeitet, gewesen sind, als er schon krank war und wusste, dass er nicht mehr lange leben würde. Er hat mir damals gesagt, wie lebendig er sich fühle und wie wunderbar dieses Leben doch sei. Das hat mich tief bewegt.“ und es ist ihm schwergefallen, dieses Führungskraftbenehmen bei uns zu Hause abzulegen. Er hat gern die Ansagen gemacht. Richtige Freunde Brian Fennell ist jetzt gerade 40 geworden. Ungefähr Halbzeit, in jedem sind wir erst geworden, als ich erwachsen gewesen Fall ein guter Moment für eine Bestandsaufnahme. und selbst Vater geworden bin.“ Brian hat mittlerweile Der Mann, dessen biologische Eltern aus Wales stam- drei Kinder im Alter von acht, sechs und einem Jahr, men – SYML ist walisisch für „simpel“ – und der bei sei- und sein Vater ist vor einigen Jahren an Krebs gestor- nen Adoptiveltern in Seattle aufgewachsen ist, hat eine ben. Das neue Album „The Day my Father died“ ist herrliche Falsettstimme. Man hört ihm beim Singen ihm gewidmet, wie zuvor auch schon die EP „DIM“ wirklich sehr gerne zu, und seine behutsam elektrifi- aus dem Jahr 2021. „Während die Songs damals ein- zierten, hier und da aber auch akustisch im Stil von fach nur meine Trauer zum Ausdruck gebracht haben, Simon & Garfunkel gehaltenen Songs sind ausnahms- entdecke ich auf dem neuen Album neben dem los geschmackvoll. SYML hat ein tolles Händchen für Vermissen auch mehr und mehr dieses schöne Gefühl gefühlvolle, dem Leben und Feinheiten wie der Liebe der Dankbarkeit und der Freude darüber, meinen zugeneigte Songs: „Howling“ und „Marion“ sind etwa Vater gekannt zu haben.“ Zumal er sich mit zuneh- unverstellte Huldigungen an den Zauber von Frau mendem Alter emotional immer stärker geöffnet habe. The Day my Father died Fennell. Pop für Stadien ist das alles eher nicht, laut „Ich erinnere mich, wie wir einmal am Strand laufen ist gerade erschienen und lärmend schon gar nicht. „Grunge habe ich nie 10 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 11 Musik Z | A R T AG E N C Y I N A S S O C I A AT T I O N W I T H M OT H E R A R T I S T S PR ES E N T S TOUR 10.3. Köln | 15.3. München | 19.3. Berlin | 20.3. Hamburg 02 .0 3. 23 MUFFA AT T HALLE MÜ ÜNC HE N 0 3.0 3. 23 E -WE RK KÖ LN 0 4 .0 3. 23 VE RTI M USIC HALL BE RLI N „Touch me like a lover Speak to me like a friend Teach me how my father taught me how to live again Hold me like no other Embrace my brokenness 14.03.23 15.03.23 Leipzig Hamburg Täubchenthaal Tä Uebel & Gefäährlich 16.03.23 Köln Die Kantine Don’t preach to me, 05.04.23 06.04.23 München Berlin Teechnikum T Huxley's Neue u We Welt a believer in a choir You’re that hallelujah sweetness on my lips“ aus: „Believer“ 18 .0 4.2 2 02 3 Sil e nt Gre en Kup p ehalle B erliin BERLIN 19.0 4.2 2 02 3 Kulturk irche gemocht, auch wenn ich der Stimme von Kurt Cobain durchaus verfallen bin“, grenzt er sich von Cologne den musikalischen Helden seiner Heimatstadt ab. Doch wer – am besten mit Kopfhörern und im Dunkeln – ein traurig-wonniges Kindheitserinnerungslied wie „Corduroy“ hört und nicht ergriffen ist, der hat kein vernünftig funktionierendes Herz. „Ich war ein sanfter Junge, der am liebsten Cordhosen getragen hat“, sagt Fennell und lächelt. SYML, der schon früh Klavier gespielt, mit 18 das Songschreiben begonnen und als Sänger der 14.04.23 18.04.23 Indieband Barcelona über viele Jahre immer kurz vorm Durchbruch gestanden hat, ist vor allem SÄÄLCHEN YUCA BERLIN KÖLN über die Kirche zur Musik gekommen. Als Teenager ist er dem Glauben sehr verbunden gewesen, hat regelmäßig in Gottesdiensten gespielt und die Geborgenheit in seiner Gemeinde geschätzt. „Irgendwann habe ich aber die manipulativen Elemente in dieser märchenerzählenden, latent radikalen Vereinigung namens Christentum durchblickt“, erklärt er seine spätere Abkehr. Der Song „Tragic Magic“ greift nun noch einmal die innere Zerrissenheit als verzweifelter Gläubiger auf. Ob er die hohen Erwartungen seines Vaters erfüllt hat? Brian Fennell überlegt kurz, dann lächelt er und bejaht. „Er hat noch miterleben können, wie ich ein paar großartige Dinge in meiner Karriere erreicht habe, in die Charts gekommen bin und Songs in Filmen und TV-Serien platzie- ren konnte. Aber viel mehr noch hat ihm es bedeutet, als er gesehen hat, wie glücklich unsere Kinder, meine Frau Marion und ich zusammen sind.“ Steffen Rüth Tickets, Termine und Informationen: zart-agency.com kulturnews | 11
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 12 Musik CHECK-BRIEF RHODES Name David Rhodes Alter 35 Geburtsort Baldock, Hertfordshire Wohnort London Debüt „Wishes“ (2015) Kollaborationen Der Song „Let it all go“ mit Birdy ist seine bisher erfolgreichste Single. Wer Außerdem hat er mit Felix Jaehn („Your Soul (Holding on)“, Kygo („Not alone“) und Alle Farben („H.O.L.Y.“) gearbeitet. Tour 19. 2. Hamburg solche 20. 2. Berlin, 22. 2. Köln 23. 2. München Freunde hat … Foto: Charlie Moore Der britische Singer/Songwriter Rhodes hat jahrelang auf die falschen Ratgeber gehört. Jetzt folgt er lieber dem Herzen eines Golfers. David, seit deinem sehr erfolgreichen Debütalbum sind mehr als gelungen, deinen eigenen Entscheidungen zu vertrauen und einen sieben Jahre vergangen. Betrachtest du „Friends like these“ als einen Neuanfang mit einem Indielabel zu wagen? Neuanfang? Rhodes: Ich habe viel zu lang an toxischen Arbeitsbeziehungen fest- David Rhodes: Das neue Album dokumentiert meinen Kampf, mir das zu gehalten und mich dabei immer einsamer gefühlt. Auch das alte Label erhalten, warum ich ursprünglich mit dem Musikmachen begonnen hat ja gar nicht meine Songs angezweifelt. Es ging immer nur um die Art habe. Wenn du bei einem Majorlabel unter Vertrag bist, passiert es sehr der Präsentation – und trotzdem sind dabei meine Selbstzweifel immer schnell, dass du auf deine Anfänge zurückblickst und feststellen musst, größer geworden. Letztlich ist es der Zuspruch von Musiker-Kolleg:innen dass sich einiges verändert hat und du dabei sehr viel verloren hast. und meinen alten Freund:innen gewesen, der mich gerettet hat. Du hast bei deiner alten Plattenfirma zwei potenzielle Nachfolger für Deswegen auch der Albumtitel … das Debüt „Wishes“ abgeliefert – und sie wurden beide aus kommer- Rhodes: Es ist eine positive Umkehrung von diesem Spruch: Wer solche ziellen Gründen abgelehnt. Freunde hat, braucht keine Feinde. Der Titelsong ist in New York entstanden, Rhodes: Mein A&R-Manager war vor allem in der Dancemusik verwurzelt, nachdem mich ein betrunkener Freund aus London mitten in der Nacht und er wollte, dass ich immer weiter in eine elektronische Richtung gehe. angerufen und stundenlang zugequatscht hat. Ich war noch völlig erledigt Ich experimentiere gern und werde auch weiterhin vom Flug und natürlich schwer genervt – doch als ich Kollaborationen machen, aber was meine eigenen mich am nächsten Morgen ans Klavier gesetzt habe, Songs angeht, definiere ich mich als Singer/Songwriter, waren da diese Wärme und die Erkenntnis, wie wichtig der vor allem Balladen schreibt. Ich will meine Musik solche Beziehungen sind. roh, mit meinem Gesang im Zentrum. Hast du Ratgeber, die rein gar nichts mit Musik zu Auf „Friends like these“ sind jetzt aber auch einige tun haben? dieser älteren Stücke, die sehr aufwändig produziert Rhodes: Mein bester Freund ist zwar total musikbegei- sind. stert, aber er lebt in Norwegen und arbeitet dort für Rhodes: Das sind Songs, die mir sehr am Herzen liegen mehrere Golfclubs. Warum mir seine Meinung so und die ich auch unbedingt veröffentlichen wollte. wichtig ist? Ich analysiere jeden Song, und ich würde Insofern steht dieses Album für das Ende einer Ära – alles dafür geben, wenn ich Musik so wie er nur mit und zugleich ist es auch eine Wiedergeburt. dem Herzen hören könnte. In den Texten thematisierst du auch Depression und Friends like these Alkoholmissbrauch. Wodurch ist es dir schließlich ist gerade erschienen Interview: Carsten Schrader 12 | kulturnews fck2
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 13 fck2020_kulturmovies_185x250mm_3mm.indd 1 21.11.2022 10:54:57
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 14 Musik CHECK-BRIEF THE GOLDEN DREGS Wer? Benjamin Woods Woher? Truro, Cornwall Wie viele Alben? 3 Wer noch? 5 weitere Bandmitglieder Was hören? „American Airlines“, „Josephine“ Das Leben ist eine Baustelle Foto: Charlie Fairbain Wie Benjamin Woods alias The Golden Dregs auf seine realistischen Texte kommt Benjamin, „On Grace and Dignity“ bietet ein Panorama deiner Heimat extrem beliebtes Ziel für Tourist:innen, viele haben dort einen Zweitwohn- Cornwall. War es für dich auch eine persönliche Rückkehr an den Ort sitz. Aber die Leute, die dort geboren sind, können sich kein Haus leisten, deiner Kindheit? können nicht mal mieten, weil alle Wohnungen Airbnbs sind. Deshalb Benjamin Woods: Ich habe schon vor meiner Rückkehr nach Cornwall werden mehr Sozialwohnungen gebaut – aber die Qualität ist scheiße. an mehreren Songs gearbeitet, obwohl es vor allem instrumentelle Stücke Hast du Erfahrungen auf dem Bau? ohne Konzept waren. Texte hatte ich schon länger kaum mehr geschrieben, Woods: (lacht) Ich habe es schon oft gemacht, aber ich bin eine ich hatte eine Blockade. Dann bin ich zurück zu meinen Eltern gezogen, Katastrophe. Obwohl mir diese Art von Arbeit eigentlich Spaß macht, bin weil ich wegen Covid meinen Job in London verloren hatte und alles ich nicht dafür gemacht. Ich bin sehr glücklich darüber, dass es mit The irgendwie gerade traurig fand. Während ich wieder in Cornwall war, habe Golden Dregs gerade gut läuft. Trotzdem habe ich auch furchtbare Angst ich auf einer Baustelle gearbeitet. Das hat mir die Motivation gegeben, davor zu schreiben, weil ich schreiben muss. Es gibt viele großartige zu schreiben, hat aber auch das beeinflusst, was ich geschrieben habe: Bands, die mit interessanten Alben anfangen, aber plötzlich nichts mehr Plötzlich waren Texte da. zu sagen haben. Daran merkst du, dass ihre Karriere Eine Baustelle ist ja eigentlich kein klassischer anzieht. Die schreiben dann einen Song darüber, wie Arbeitsplatz für einen Singer/Songwriter. es ist, im Tourbus zu sitzen. Wer soll sich denn davon Woods: Musik ist eine Echokammer, du hängst vor angesprochen fühlen? allem mit anderen Musiker:innen rum – was toll ist, Du bist kein Fan vom Tourbus? aber es ist gut, auch andere Erfahrungen zu machen. Woods: Doch, ich bin gerade das erste Mal im Tourbus In London habe ich mehr im Service gearbeitet, in Bars unterwegs, und ich liebe es. Du kannst direkt nach der und so, da gibt es weniger zu erleben. Ich schätze, Show ins Bett gehen und bist nach dem Aufwachen wenn du in der richtigen Bar arbeitest, kannst du über bereit für den Tag. die interessanten Leute dort schreiben. Aber ich war Wie viele Tage seid ihr denn schon unterwegs? nie in so einer Bar angestellt. (lacht) Woods: Heute ist erst der dritte. Kann also sein, dass Was hat dich an der Baustelle so inspiriert? ich es am Ende der Tour hassen werde. (lacht) Woods: Sie hat mir eine verstörende Seite an Groß- On Grace and Dignity britannien gezeigt. Insbesondere Cornwall: Es ist ein erscheint am 10. Februar Interview: Matthias Jordan 14 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 15 Musik DERMOT KENNEDY DERMOT KENNEDY Foto: Assunta Opahle Die Zeit rieselt Der Progressive Rock von Franz Mang alias Robespierre hat traditionell mehr Fans im Ausland als zu Hause – doch ein schlagkräftiges Team könnte das ändern. Franz, Florian, viele Tracks auf „Sandclocks musikalisch nieder: Man kann sich dann auch of Eternity“ beruhen auf deutschen und eng- mehr trauen, was Taktarten oder Akkorde lischen Sagen. Was fasziniert euch an diesen angeht. Franz hat die Demos aufgenommen, alten Geschichten? aber er ist so frei, dass er auch eine zweite Franz Mang: Früher haben wir Alben gemacht, oder dritte Meinung zulässt. Das ist großartig. wie es uns zugeflogen ist. Dieses Mal wollten Robespierre ist in Großbritannien schon wir alles durchdachter machen. Dabei sind wir lange besonders erfolgreich, und die Texte auf ein Thema gekommen, das im Prinzip sind allesamt auf Englisch. Woher kommt unendlich ist: Es gibt sehr viele Sagen, sehr die beidseitige Affinität? viele mystische Plätze. Manche sind interna- Mang: Während meiner Studienzeit habe ich tional bekannt, andere national oder auch nur viel Volksmusik aus Irland und Schottland lokal. Dazu kommen noch zwei, drei philoso- gehört. Dann kamen Sachen wie Gentle Giant, phische Songs, die sich Gedanken über die die plötzlich auch Rock mit eingebaut haben. Sache machen. Das sind die Einflüsse, die in meinem Kopf Was für Gedanken sind das? umeinander kreisen – und das sticht dann Mang: Schon der Albumtitel ist ja eine philo- klangfarbenmäßig natürlich heraus. sophische Aussage, und die ist auch eingebet- Opahle: Ich fühle mich in vielen Genres zu tet in den Titelsong am Ende. Da geht es um Hause, aber durch die 15 Jahre, in denen ich die Sanduhren, die permanent laufen und die Gitarrist bei Jethro Tull sein durfte, fällt es mir Gegenwart vor unseren Augen zerfließen las- bei Celtic Rock besonders leicht, mich da rein- sen: Von oben kommt die Zukunft runter, zufinden. Auch in Deutschland ist Folkrock unten bleibt die Vergangenheit im Glas drin. oder Mittelalterrock ja ein riesiges Genre – da Florian, du hast die von Franz geschriebenen muss man nur an unseren Schlagzeuger Songs produziert. Wie habt ihr musikalisch Simon Michael denken, der auch für Subway zueinander gefunden? To Sally spielt. Florian Opahle: Franz hat sich ja schon immer Interview: Matthias Jordan mit Dingen auseinandergesetzt, die ver- schachtelt sind und mindestens eine Meta- ebene haben. Das schlägt sich dann auch Sandclocks of Eternity ist gerade erschienen. kulturnews | 15 01_Kulturnews_1-3s_02_23.indd 1 16.01.23 15:15
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 14:15 Seite 16 Musik Foto: Katie Silvester Endlich zu beneiden Foto: Edgar Berg Auf „A common Turn“ hat Anna B Savage sehr offen über Seelenqualen gesungen. Gut für schwärmerische Kritiken, weniger gut für die englische Musikerin selbst. Umso schöner, dass Savage auf dem Nachfolger „in|FLUX“ zwar noch genauso ver- wundbar ist – aber auch besser gelaunt. Denn sie hat gelernt, ihre inneren Widersprüche nicht länger als Schwächen zu begreifen. Die sind auch in der Musik „Wenn ich sie trag’, sind wir zusammen, fehlen hörbar, hinter deren Sanftheit Abgründe zu erahnen sind – aber eben nur noch nur einundzwanzig Gramm. Früher war da deine zu erahnen. „If this is all that there is/I think I’m gonna be fine“, singt Savage mit ihrer Hand in der Bomberjacke“, singt Elif in unverkennbaren Stimme im Schlusstrack „The Orange“. Beneidenswert. mj „Bomberjacke“. 21 Gramm, so heißt es, sind das Gewicht der Seele, die nach dem Tod den Körper verlässt. Auch wenn nicht klar ist, für wen die Sängerin diese Zeilen geschrieben hat – Vermissen und Schmerz sind für sie stets Inspiration. In diesem Sinne auch der Titel des neuen Albums: „Endlich tut es wieder weh“. jm Foto: Anne Moldenhauer „Sorry to be right/sorry Die Ruhe im Sturm when I’m An Nordsee und Atlantik haben Amber And The Moon ihr wrong“ Debütalbum aufgenommen – und danach klingt „Things we’ve got in common“ auch: Die melancholische Stimme aus: „Sorrysorrysorry“ von Ronja Pöhlmann legt sich auf raue, tiefe Akustik- Foto: Haliblue melodien. Gemeinsam mit ihren Bandkollegen erzeugt sie eine Atmosphäre von Ruhe und Schutz, während draußen ein Sturm tobt und das Meer aufpeitscht. Jazzelemente mischen sich mit Folk und sehr persönlichen Textzeilen: „There’s a place I go to when it’s quiet./The walls are way Ganz so oft wie in diesem Song müsste sich Yvan Murenzi eigentlich nicht ent- too thin not to hear you crying“. So liefert die Hamburger schuldigen, der nach dem Ausstieg seines Bruders allein als YellowStraps auftritt: Band eine wind- und wetterfeste Jacke für regnerische Der in Ruanda aufgewachsene Belgier hat mit seinem Solodebüt „Tentacle“ eine Spaziergänge; ihre Musik ist ein Zufluchtsort. jm spannende Mischung aus R’n’B und Elektropop vorgelegt. 16 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 17 Musik reservix x.de Bundes weit 0 dein ticke ketportal 90.0n0 ts! Eve Schlosspark Bonffeld B dR Bad Rappenau 22.09.23 Hamburg 23.09.23 Leipzig 03.03.23 Süßen 29.09.23 Dortmund 29.04.23 Stuttgart 30.09.23 München 11.05.23 Rheinfelde en ... und weitere Ter e min ne ... und weitere Ter e miine Foto: Annika Weertz Aller Anfang ist Schwert „Kulturelle Neubesetzung wird nicht aus Komfort geboren, und meines 01.04.23 Ravensburg 22.09.23 Köln Wissens nach gibt es ein rein weiblich produziertes Album auf dem 02.04.23 Fulda 23.09.23 Hannover deutschen Markt noch nicht“, sagt Charlotte Brandi. Bis jetzt, denn die 20.04.23 Aachen 0 7.10 . 23 Stuttgart als Teil des Duos Me And My Drummer bekannt gewordene Musikerin 21.04.23 Weimar 19.10.23 München hat ihr zweites Soloalbum „An den Alptraum“ ausschließlich mit FLINTA*-Personen eingespielt. Dass sich der Albumtitel nicht nur auf ... und weitere Ter e min ne ... und weitere Ter e miine Entstehungsorte am Alpenrand, sondern auch auf den von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah herausgegebenen Sammel- band „Eure Heimat ist unser Albtraum“ bezieht, bürgt für die Qualität Ticke kets unte er rre eservix.de ihrer Texte. Doch auch musikalisch wagt sich Brandis Artpop an spek- Hotline 0761 888499 99 takuläre Orte zwischen A-Capella-Chor und Jodeleinlagen. Und wenn Alle Angaben ohne Gewähr sie für „Vom Verlieren“ die Kollegin Stella Sommer an ihre Seite holt, ist das nicht weniger als ein Gipfeltreffen der derzeit aufregendsten Stimmen dieses Landes. cs kulturnews | 17
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 18 Jazz + Klassik Ebbe … der Nach Foto: Gregor Hohenberg Michael Wollny Trio … kommt der Jazz. Elbjazz 2023 besticht auch dieses Jahr mit einem außergewöhnlichen Line-up. › Ein Festival auf einem Werftgelände, über die Elbe ist die Reeperbahn bloß einen Katzensprung entfernt, und sechs exklusive Konzerte in der Elbphilharmonie, dem Tempel der norddeutschen Hochkultur – mehr puristen dürfte der wilde Genremix hier und da zu crazy sein – doch uns gefällt’s! Neben dem achtmaligen Echo-Gewinner Michael Wollny, der mit seinem virtuosen Trio leichthändig Improvisation mit Komposition Hamburg geht eigentlich nicht. Fehlt nur noch Aale-Dieter, der mit einem verschmelzen lässt, gehören ebenso die Techno-Marchingband Meute Akkordeon bewaffnet die besten und die Psypopband Dope Lemon zur Shantys der 80er, 90er und 2000er illustren Headliner-Runde. Die junge zum Besten gibt. Und mal ganz ehrlich: Neosoul-Sängerin Cherise wandelt auf Zuzutrauen wäre es dem Elbjazz. den Spuren einer Erykah Badu und Schließlich interpretiert das renommierte wurde bereits mit dem Parliamentary Jazzfestival das Genre im besten Sinne Jazz Award ausgezeichnet, Sarah sehr frei … McCoy bringt mit düsterem Klavierspiel und brachialem Soul die patriarchale Foto: Anoush Seit 2010 entert das Elbjazz das Welt zum Einstürzen, und Lambert, Gelände von Blohm+Voss in der Sarah McCoy gehörnt maskierter Star der europäi- Hamburger Hafencity. Dort, wo sonst schen Neoklassikszene, vermischt mal nur frisch zusammengeklöppelte Schiffe eben Jazz und Klassik mit elektroni- auslaufen, docken für ein Wochenende schen Elementen. Sowohl McCoy als große nationale wie internationale auch Lambert gehören zu den ausge- Künstler:innen an und verwandeln vom wählten Künstler:innen, die je eines der 9. bis zum 10. Juni den tristen Ort sechs exklusiven Konzerte in der zwischen Containerschiffen und Möwen Elbphilharmonie spielen werden. Wer Foto: Karolina Wielocha zu einem maritimen Hotspot moderner Foto: Andreas Hornoff aber lieber von einer Bierbank aus Jazzmusik. Auch dieses Jahr wird das Konzerte genießen will, ist beim Elbjazz Elbjazz seinem Ruf gerecht, eines der genauso richtig. spannendsten und diversesten Jazzfesti- Lambert Cherise Felix Eisenreich vals Europas zu sein. Dem steifen Jazz- 18 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 19 Jazz + Klassik Brad Mehldau Brad Mehldau plays The Beatles Nonesuch MODERN JAZZ Brad Mehldau gilt der Kritik als der erste, der den Pop des Post-Beatles-Zeitalters in das Repertoire des Jazz überführt hat – ohne dabei Songs zu banalisieren. In der Tat: Wer einmal die brillanten Radiohead-Cover des US-Pianisten gehört hat oder sich in voller Länge dem SYML 16-minütigen Klanggewitter aussetzt, das in seiner Version von „And I love her“ entfacht wird, der weiß, was gemeint ist. „Easy Beatles Piano“ auf YouTube könnte kaum weiter weg sein. Für sein neues, im September THE DAY MY FA ATHER DIED ab 03.02.23 2020 live in Paris aufgenommenes Fab-Four-Programm hat Mehldau sich zehn Songs aus- Produziert von Phil Ek (Band of Horses, gesucht, die er nie zuvor hat mitschneiden lassen. Manches („She said, she said“, „If I needed Fleet Foxes, Father John Misty) mit den someone“) ist dabei sehr nah am Original, doch es scheint nur so, als sei dem Pianisten mit Gästen Lucius, Guy Garvey (Elbow), 50 plötzlich die Lust am Experiment vergangen. „Golden Slumbers“ ist eine achtminütige Charlotte Lawrence and Sara Watkins Meditation, „I saw her standing there“ ein lustiger Boogie-Woogie und „Baby’s in Black“ ein SYML auf Tour: 10.03. Bürgerhaus Stollwerck - Köln, Gospel, wie ihn Keith Jarrett nicht deeper hinbekommen hätte. Furios! jp 15.03. Ampere - München, 17.03. Porgy & Bess - Wien (AT), 19.03. Heimathafen Neukölln - Berlin, 20.03. Übel & Gefährlich - Hamburg Johanna Summer Resonanzen Act KLAVIERMUSIK Ein bemerkenswerter kreativer Prozess, der belegt, dass verbissene Konzentration auf das Werk nicht alles ist: Die Pianistin Johanna Summer wollte auf Biegen und Brechen an ihren vor gut zwei Jahren veröffentlichten Debüterfolg mit Robert Schumanns „Kinderszenen“ anknüpfen. Also ging sie erneut ins Studio, arbeitete sich an Bach, Ligeti, Ravel, Skrjabin, Tschaikowski und Beethoven ab – und war unzufrieden: zu steril, zu professionell, zu wenig Emotion, zu viel Kopf- arbeit. Freie Bearbeitungen der ausgewählten Werke sollten es werden, und die brauchen Luft zum Atmen, brauchen Ohren, die zuhören. Also eine zweite Session, dieses Mal in der Berliner Ölberg-Kirche mit kleinem Publikum. Und siehe da: Die Improvisationen rund um die Original- werke liefen Summer aus den Fingern wie warmer Wachs. Sinnfällig im doppelten Sinn ist also der Albumtitel: Resonanzen der Studiosession sind zu hören, aber eben auch sehr persönliche, aus- drucksstarke Resonanzen der klassischen Werke, die den Aufnahmen zugrunde liegen. ron Eldbjørg Hemsing Arctic Sony Classical NEOKLASSIK Mit „Arctic“ will die norwegische Violinistin Eldbjørg Hemsing genau das bieten, was der Titel ver- spricht: eine klangliche Reise durch die Arktis. Dazu hat sie sich mit einem Orchester, Klavier und einer ganzen Rhoddes Reihe von Komponisten zusammengetan, Grieg kommt ebenso vor wie neue Stücke. Dominiert wird das Album Frien r ds von einer sechsteiligen Suite des US-Amerikaners Jacob Like Shea, der schon mit Hans Zimmer gearbeitet hat. Apropos Zimmer: Hemsing sieht das Album als „Filmmusik für den Konzertsaal“, und daran erinnert „Arctic“ tatsächlich – mit allen Stärken Thesee ab 27.0 . 1.23 und Schwächen, die das mit sich bringt. Einen so großen Themenkomplex wie die Arktis samt Schmelzen und Klimakrise ohne Bild und Text einzufangen, ist immerhin kein leichtes Unter - Sein Durchbruch feierte der englische fangen. Am spannendsten sind daher Stücke, in denen das Konzept konkreter wird, darunter Songwriter mit dem Debütalbum „Wishes“, „The Return of the Sun“, bei dem der Sami-Komponist Frode Fjellheim einen traditionellen Joik welches den Hit „Let It All Go“ (ein Duett singt. An anderen Stellen, wenn es wieder besonders intensiv vor sich hin zimmert, fehlen die mit der Sängerin Birdy) enthielt. Ein halbes Jahrzehnt später erscheint jetzt endlich der Bilder, die Hemsing beim Spielen sicherlich vor Augen hatte. mj Nachfolger! Rhodes auf Tour: 19.02. Hamburg – Knust, kulturnews | 19 20.02. Berlin – Lido, 22.02. Köln – Luxor, 23.02. München - Strom
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 20 Jazz + Klassik Dobrawa Czocher Dreamscapes Modern Recordings NEOKLASSIK Mit „Dreamscapes“ legt Dobrawa Czocher ihr erstes Soloalbum vor, aber wer deshalb Minimalismus erwartet, wird überrascht sein. Zwar bewegen sich die zehn Eigenkompositionen der Cellistin durchaus durch bekannte Neoklassik- Sphären, doch Czocher vermehrfacht ihr Instrument, verdichtet und verfremdet den Klang, bis ihr Solowerk paradoxerweise nach viel mehr Mitwirkenden klingt als etwa ihre Kollaborationen mit Pianistin Hania Rani. Apropos Sphäre: Czocher bevorzugt äthe- rische Flächen, hinterlegt ihr Cello gern mit subtilem elektronischem Hall. Der Titel des Albums ist dabei Programm: „Was ich an Träumen so liebe, ist, dass alles passieren kann“, sagt sie. „Ich wollte mit diesem Album eine Klanglandschaft schaffen, die nicht von dieser Welt ist“. Manchmal, wie im Fall von „Lullaby“ klingt das vor allem melodisch und gemütlich – andere Stücke, wie das unbestimmt bedrohliche „Doppelgänger“ oder „Forgive“ mit seinem grollenden Bass, erinnern uns daran, dass auch Albträume Träume sind. Und trotzdem: Wenn Czocher in „Epilogue“ ausschließlich pizzicato spielt, wünscht man sich noch mehr solcher Experimente. mj Duologisch Zwei Wörter werden wohl für immer untrennbar mit Bill Laurance und Michael League verbun- den sein: Snarky Puppy. Als League die über- aus erfolgreiche Jazzband 2004 gegründet hat, waren er und Laurance schon befreundet, und bis heute leiht Pianist Laurance dem Kollektiv seine Hände. Mit „Where you wish you were“ haben sie nun ihr erstes Album als Duo ver- öffentlicht – würden dies allerdings ungern als bloßen Nebenschauplatz verstanden wissen: „Wir sind so viel mehr als ein Teil dieser Band“, sagt League. Für beide Musiker ist es ein ungewöhnlich minimalistisches Projekt, denn selbst auf ihren Soloalben stapeln sie gern alle möglichen Instrumente übereinander. Hier beschränkt sich Laurance auf den Flügel, während League, bei Snarky Puppy eigentlich E-Bassist, Lauten- instrumente wie die arabische Oud oder die westafrikanische Ngoni auspackt. Seine Ten- Foto: Txus Garcia denzen als Bandleader kommen trotzdem durch: Von den Stücken, die sie nicht gemein- sam geschrieben haben, stammen fünf von League, nur zwei von Laurance. Trotz des beschränkten Instrumentariums deckt das Duo ein breites Spektrum ab. Während „Tricks“, auf dem League im Bassregister spielt, mit seinen Grooves doch wieder stark an Snarky Puppy erinnert, klingt der Closer „Duo“ mit seinen absteigenden Akkorden fast schon nach Chopin. Subtile Effekte polstern den Klangteppich, und auf „Bricks“ wird sogar ein wenig gesungen. Mit World Music hat „Where you wish you were“ trotz Titel und Oud dabei nichts am Hut – immerhin hat League, wie er selbst zugibt, keine Ahnung, wie man die Laute „richtig“ spielt. Gut so: Umso freier können er und Laurance schalten und walten. mj 20 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 21 Jazz + Klassik Eyolf Dale The Wayfarers Edition MODERN JAZZ Eyolf Dale hat einen Vornamen, der übersetzt „Wolf“ bedeutet, doch zum Glück erspart uns der norwegische Pianist weitere Kreationen à la „Wolfmother“ oder „Wolf Alice“. Für die fantastische Band, die Dale seit einigen Jahren leitet, muss sein Taufname reichen – und der hat sich herumgesprochen. Viele Pianisten würden ihre rechte Hand für nur einen Hauch des Einfallsreichtums geben, den Dale auf seinem zweiten Trioalbum zelebriert. Dale schreibt nicht nur folk- loristische Balladen und raffinierte Blues-Nummern, er instrumentiert sie auch innovativ. Für „The Wayfarers“ verwendet der Norweger eine Instrumentenrarität aus Dänemark: das wie eine Kombination aus Spinett und Flügel anmutende Hammerspinett. Der metallisch helle Klang erzeugt auf „The Sky at Sunset“ eine Art Minimal Music in dop- pelter Geschwindigkeit: Steve Reich on Speed. „The Wayfarers“ könnte ein Soundtrack für einen surrealen Coming-of-Age-Film sein, emotio- nal und doch ungreifbar, kraftvoll und doch in andere Sphären ent- schwebend. jp +++ Gipfeltreffen: Posaunist Phil Ranelin und Saxofonist Wendell Harrison haben Anfang der 70er in Detroit das legendäre Label Tribe Records gegründet. Auf „JID016“ (Jazz Is Dead) sind sie nun an der Seite von Adrian Younge und Ali Shaheed Muhammad zu hören. +++ WOHLIG MIT WOLLE Wolfgang Haffner Silent World 5434210/.3-1,+*1 Act )(2'4&-%*$1#&(*"11 )(*!1"32(--4*1 JAZZROCK Wolfgang Haffner -%'1$4-1/(*! &% hätte keinen Corona-Lockdown !4*14'&+13//1 gebraucht, um zu wissen, wie )%'!/%4$1#/+&%(*1 sich aus dem stillen Kämmer- (/41 lein heraus arbeiten lässt. Das &+!+1'&%1 nämlich hatte der Drummer von seinem früheren, selbstgewählten /(22%1+13*$1 Exil Ibiza aus seit Jahr und Tag praktiziert und Hunderten von CD- 4/'%1#+/1-%'1 Produktionen seinen Stempel aufgedrückt. So macht man sich Freunde, auf die man zählen kann. Freunde wie Bill Evans, Till +3/4*'4*1 Brönner, Nils Landgren oder Sting-Gitarrist Dominic Miller, die sich 0&&(*!4-4*'21 nicht lange bitten lassen und für „Silent World“ zur Verfügung stehen. 2(**3*!2,+//1 Wer Haffner aus dem CD-Regal zieht, sehnt sich in einer lärmenden $3&1$%414/'1$4&1 Welt nach intelligent gemixtem Balsam für die Ohren. Da mischen (/'4*1$43'24*1 sich kontemplative, solistische Instrumentalmomente mit dem ver- 3*$14*!/%24*1 lässlichen Groove des Bandleaders und der betörenden Stimme Alma (!4* Naidus. Licht aus, Beine hoch, mit diesem Soundtrack kommen wir alle entspannt durch den Winter! ron 4/4(24 1 -14&'&%4.1,+* kulturnews | 21
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:38 Seite 22 Platten Die beste Musik # 2/2023 Symba Symba Supermann Columbia/Sony Music HIPHOP Symba ist der Archetyp einer neuen Generation, die vor etwa drei Jahren endlich Vibe in den deutschen Beamten-HipHop gebracht hat: Song- struktur egal, Reime egal, Posen … nicht Foto: Rough Trade Records ganz so egal. Auf seinem Debütalbum „Symba Supermann“ kulminiert der naiv wirkende Style des Berliner Rappers in HI GHLI G Lisa O’Neill einer Sammlung von Coming-of-Age- R Fragmenten zwischen Designerklamotten, HÖ HT Köfte-Imbiss und Drogen. Mit einfachen All of this is a Chance Assoziationen fängt Symba unverkrampft #2 Rough Trade Records die Gegenwart urbaner Jungerwachsener /2023 ein: Die Liebe gibt’s auf Instagram, die FOLK Seien wir ehrlich: Irish Folk, Einkäufe kommen per Gorillas, und der das sind Fiddle und Tin Whistle in trunkener Friseur wird mit Paypal gezahlt. Der hedo- Pub-Atmosphäre. Oder auch nicht. Lisa O’Neill nistische Dauerkonsum wird dabei bis zur beweist seit einigen Jahren, dass der traditio- brett und Säge. O’Neills sperrigen Koboldgesang totalen Entfremdung überdreht – oder mit nelle Sound der grünen Insel auch im 21. Jahr- muss man mögen, genauso wie die Arrange- Symbas Worten: „Kapitalismus hat Play- hundert funktioniert – ohne St. Patricks-Rausch, ments, die kompromisslos den Höhen und boys gefickt“. Diese traurige Erkenntnis aber als altertümliche Volksweise, offen für Neu- Tiefen der Singstimme folgen. Aber es gibt auch wird von einer diffusen Melancholie interpretationen. Dabei bedient sich die Musikerin unangestrengte Momente, ein paar Folktronica- gejagt, die sich trotz des Rapstarlebens durchaus der Tradition, zitiert blassgesichtig Sprengsel und vor allem ganz viel Entschleu- auf der Überholspur nicht abschütteln Mythen und Geschichten, greift auf das lyrische nigung. Nicht als Wellnessgefühl, sondern wie lässt: „Wir sind traurig/warum, weiß ich Repertoire des Volksdichters Patrick Kavanagh nach einem windumtosten Spaziergang durch auch nicht“. Dass der 24-Jährige auf dem zurück und scheut sich auch nicht, ihren durch- nasskaltes Landwetter. Übrigens ist O’Neill alles Hit „Late Time“ dann unweigerlich an dringenden Gesang als Erbe des klassischen andere als ein Geheimtipp: Sie tourte mit David Kid Cudi erinnert und auf „Tamagotchi“ Sean-nós-Gesang zu inszenieren. Musikalisch Gray, kooperierte mit James Yorkston, und so- humorig die CDU abblitzen lässt, macht begleiten sie Gitarre, Bass, Klavier und Schlag- wohl die BBC als auch der Guardian prämierten das Album schon jetzt zu einem der span- zeug, aber auch Harmonium, Tenor-Banjo, Hack- sie mehrfach im Folkgenre. vr nendsten Rapprojekte des Jahres. fe King Tuff US-Amerikaner nicht zu sehr auf seinem spirituell- Smalltown Stardust psychedelischen Trip verliert, liegt auch an Co- Sub Pop Autorin und Produzentin Sasami, mit der Thomas in Los Angeles zusammenwohnt. Gemeinsam rücken PSYCHEDELIC POP Wie Räuber Hotzenplotz auf sie vom Psychrock der 70er ab und wenden sich Magic Mushrooms präsentiert sich Kyle Thomas Grunge und Alternative Rock der 90er zu, sodass alias King Tuff. Der Titel seines fünften Albums einige Songs auch mit rockigen Slackermomenten bestätigt diesen Eindruck ebenso wie die psyche- überraschen. Ein Schelm, der hier auf Sub Pop als delischen Arrangements mit Schmusedrums und veröffentlichendes Label schielt. „Smalltown Star- sich räkelnden Gitarrenakkorden – Fleetwood Mac dust“ funktioniert überraschend gut als lässiger und Matthew E. White lassen grüßen. Dazu gibt Stimmungsmacher für Ex-Kiffer, die ihre Dinosaur- es Songtitel wie „Loveletters to Plants“, „Portrait Jr.-Platten noch im Kinderzimmer des elterlichen of God“ und eine einmütige, von einer Kinder- Einfamilienhauses horten. Was durchaus als stimme angeleitete Meditation. Dass sich der Kompliment gemeint ist. vr 22 | kulturnews
03-27_musik_kn_02_2023_vs2.qxp_03-27_musik_kn_02_2023 18.01.23 13:39 Seite 23 Platten H.C. McEntire RELATIV UTOPISCH Every Acre Merge Records Orbital AMERICANA Wer in den vergangenen Optical Delusion Jahren ein Konzert von Angel Olsen London Recordings besucht hat, dem wird sie aufgefallen sein: H.C. McEntire. Die US-Musikerin hat ACID HOUSE Die Endzeitparabeln der sich ihre musikalischen Sporen aber nicht nur in Olsens Band ver- Pandemie dürften allmählich erschöpft dient: Als Frontfrau von Mount Moriah ist sie Schwester-im-Geiste sein – denkst du! Die Gebrüder Paul einer gewissen Adrianne Lenker. Dass McEntire mit ihren ersten beiden und Phil Hartnoll haben da ein dysto- Alben hierzulande trotzdem unter dem Radar gelaufen ist, lässt sich pisches Märchen in petto, das sich kaum nachvollziehen: Wie nun auch auf dem dritten Soloalbum prä- dank Albert Einstein in eine utopische sentiert sie einen so uramerikanischen wie zeitgemäßen Americana- Denkfigur verwandelt: Der weltbekannteste Zungenrausstrecker hat für Sound. Im Mittelpunkt steht stets die Auseinandersetzung mit einem das zehnte Album von Orbital Pate gestanden und dem Acid-House-Duo Alltag zwischen Einsamkeit und Schwermut, zwischen künstlerischer die Idee einer vertonten Relativitätstheorie menschlicher Erfahrung ein- Interaktion und einem Leben mitten in der Natur North Carolinas. Gilt gehaucht. Alles beginnt mit einem zirkulierendem Groove, der Folksong der lonesome Herumtreiber als eines der Hauptmotive der Country- „Ring a Ring o’ Roses“ aus dem 19. Jahrhundert wird zitiert: Die Pest Musik, setzt sich McEntire damit in der inneren Isolation ihres häus- verwandelt sich in Beatmungsgeräte und Aerosole, und Acid-Klatschen lichen Alltags auseinander. „Every Acre“ ist demnach nicht nur die („Day One“), ruhige Housewellen („Are you Alive“) und hypnotischer Vermessung der äußeren Welt, sondern ein Versuch, die innere Land- Jungle („Requiem for the Pre Apocalypse“) ziehen uns tief in die Welt der karte zu erschließen. Lyrisch wechselt McEntire zwischen Zuversicht Gedanken und Gefühle. Doch kurz bevor es zwischen all dem Abnormalen („New View“) und Behaglichkeit („Turpentine“), Verzweiflung („Soft und den Apokalypsen esoterisch zu werden droht, grätscht zum Glück Crook“) und Kontemplation („Gospel of a certain Kind“). Und stets „Dirty Rat“ dazwischen. Dank der Postpunk-Boys Sleaford Mods wird es findet sie einen unaufdringlichen und virtuosen Sound, der vom 70er- ziemlich weltlich: Jason Williamson schießt gegen das Kleinkarierte, Folkrock der Westküste über den Bluestwang der Südstaaten bis hin weist das ewige Besserwissen in seine Schranken und fordert mehr zum Appalachenfolk reicht. Grandios! vr Verantwortung für eine bessere Zukunft. fe MEUTE DOPE LEMON L CÉCILE MCLORIN SALV ALV VAANT MICHAEL WOLLN NY TRIO HANIA RANI · TIN NGVVA ALL TRIO EVE TUR TURRE RRE SEXTET · SARAH MCCOY · LAMBERT & GRUPP IMEK + SPECIAL GUEST D DUYGU AAL ALOGTE OHO & HIS SO OUNDS OF JOY · TOMEKA REID QUARTET NORWEGIAN N WIND ENSEMBLE WITH MA ARIUS NESET AND ERLEND S SKOMSVOLL MARY HAL LV VORSON/ /TOMAS FUJIW WA ARA DUO · JAAKOB MANZ CHERISE · SALOMEA · WEND DY MCNEILL U.V.M.
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