Was vom Corona-Semester bleibt - hlb Hochschullehrerbund
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Ausgabe 06-2020 FÜR ANWENDUNGSBEZOGENE WISSENSCHAFT UND KUNST Was vom Corona- Semester bleibt Campusnotizen hlb aktuell Aus Wissenschaft Wissenswertes Fotowettbewerb Praxistipps zu & Politik Of Counsel in der „Pandemie in Pixeln“ Softwarenutzung im Einklang Länder knausern bei Nebentätigkeit mit dem Datenschutz Studierendenwerken 4 28 50 54
2 Inhalt Campusnotizen Titelthema: hlb aktuell 4 Technische Hochschule Nürnberg: Was vom Corona- 28 Datenschutz: EuGH-Urteil zum Fotowettbewerb „Pandemie in Pixeln“ Semester bleibt Beschluss „Privacy Shield“ Software insbesondere aus 5 Hochschule München: Drittländern mit Hochschule Digitalisierung mit Branchen- 10 Pokale, Prominenz und Projekt- abstimmen | Von Michelle Jordan, schwerpunkt studieren arbeit | Von Prof. Dr. Jana Wiske Karla Neschke 6 Technische Hochschule Köln: 12 Beobachtungen in bewegter Zeit 29 Lehrverpflichtung: hlb plant TH Köln, Universität zu Köln und die | Von Prof. Dr. Jochen Struwe weitere gerichtliche Schritte | PM Telekom eröffnen 5G Co:Creation Lab der hlb-Bundesvereinigung EAH Jena: 16 Das digitale Sommersemester als Entscheidungsgelegenheit hlb -Kolumne: Nicht so viel Ehrung für Mut und Engagement | Von Dr. Jennifer Blank, Dr. Sonja gefallen lassen! | Von Olga Rösch 7 Hochschule Harz: Sälzle, Prof. Dr. André Bleicher und Vernetztes Lehrangebot mit Partner- Prof. Dr. Jens Winter Hochschulen OTH Regensburg/Hochschule 20 Study@CoronaTimes: Wie Wissenswertes Studierende das Corona- München: Semester bewerten | Von Prof. Dr. 53 Leserbrief Ausmaß an Diskriminierung überrascht Katharina Klug und Prof. Dr. Sandra 8 Jade Hochschule/Hochschule Meister 54 Alles, was Recht ist Emden/Leer: Energieeffizienter Bau: 55 Neue Bücher von Kolleginnen 24 Online-Lehre – ein Zwischen- Inselkita Spiekeroog und Kollegen Einwurf | Von Prof. Dr. Achim Weiand 9 HAW Hamburg: 56 Neuberufene 30 Online-Lehre als neue Der Lockdown ist kein Knock-down! Erfahrung – Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen | Von Prof. Dr. Paul Melcher Standards Aus Wissenschaft 34 Online-Lehre neu gedacht. Wie man komplexe Inhalte in Form & Politik bringt | Von Prof. Dr. Sven Seibold, 3 Editorial Prof. Dr. Ruth Linssen, Steffen Flügel 53 Autorinnen und Autoren gesucht 50 Bund-Länder-Programm „FH- und Jonathan Noor Personal“: Expertengremium trifft 53 Impressum Auswahl 38 Laborpraktika in Chemie und 58 Stellenanzeigen Pharma im Corona-Semester Studentenwerke: Staatliche | Von Prof. Dr. Dirk Burdinski und Prof. 60 hlb -Seminartermine 2020 Finanzierung nur noch zu 8,7 Prozent Dr. Heiko Alexander Schiffter-Weinle 51 DAAD: Internationale 42 Alternative Prüfungsformen im Wettbewerbsfähigkeit von HAW Sommersemester 2020 | Von Dr. 52 Centrum für Hochschulent- Thomas Grethe und Prof. Dr. Boris wicklung CHE: Neues Modell Mahltig beschreibt Entstehung sozialer 46 Rechtliche Zulässigkeit von Innovationen Online-Prüfungen in Corona- Zeiten | Von Prof. Dr. Susanne Meyer 06 | 2020 DNH
Editorial 3 „Die Guten ins Töpfchen …“ Spontaneität und Improvisation waren im Sommersemester 2020 die Gebote der Stunde. Jetzt ist Zeit, das Ausprobierte zu sichten und die aussichtsreichen Ideen in eine neue Praxis zu überführen. Überwältigend – das ist das einzige erprobt? Wie stellt sich der Lernerfolg passende Wort für die Reaktion auf die im Vergleich zur vorherigen Praxis dar? Ausschreibung des Titelthemas dieser Dazu nehmen gleich drei Beiträge Stel- Ausgabe der DNH. Dank zusätzlicher lung, nämlich die von Paul Melcher Foto: Fotoladen Wedel Gelder des hlb-Bundespräsidiums und (Seite 30), Sven Seibold, Ruth Linssen, mit Verzicht auf Aufsätze zu anderen Steffen Flügel und Jonathan Noor (Seite Themen können wir Ihnen hier gleich 34) sowie Dirk Burdinski und Alexander zehn Beiträge präsentieren, die uns beim Schiffter-Weinle (Seite 38). Christoph Maas Nachdenken über die Konsequenzen aus Chefredakteur dem Sommersemester begleiten und Auch das Prüfen muss sich natürlich anregen. auf die gewandelte Situation einstel- len: Thomas Grethe und Boris Mahltig Sowohl Jana Wiske (Seite 10) als auch berichten, wie sie neue Prüfungsformen Jochen Struwe (Seite 12) lassen uns noch erproben und dabei eine hohe Teilnah- einmal die Atmosphäre jener Tage erle- mequote erreichen konnten (Seite 42). ben. Die damals aus der Situation heraus Susanne Meyer erläutert uns, warum wir getroffenen Entscheidungen zeigen im für rechtssichere Online-Prüfungen nicht Rückblick, wie aus der Krise Chancen unbedingt zusätzliche Vorgaben von für Weiterentwicklungen unserer Lehre „oben“ brauchen, ja diese nicht einmal erwuchsen. herbeisehnen sollten. (Seite 46). Jennifer Blank, Sonja Sälzle, André Blei- Außerdem zieht sich unser Titelthe- cher und Jens Winter arbeiten heraus, ma natürlich ebenfalls durch die Rubrik worauf zu achten ist, damit neue Lehr- „Campusnotizen“ hindurch. formen Fortschritte bringen, statt nur Überkommenes in die neuen Rahmen- Es liegt in der Natur der Sache, dass bedingungen herüberzuretten (Seite 16). auch nach Lektüre dieser Beiträge viele Fragen offenbleiben – etwa, was aus dem Katharina Klug und Sandra Meister Teamgeist im Studiengang wird, wenn es haben Studierende nach den wichtigsten keine spontanen Begegnungen auf dem „Baustellen“ im Lehrbetrieb unter Corona- Flur mehr gibt, sondern jedes kollegiale Bedingungen befragt (Seite 20). Gespräch förmlich verabredet und per Videokonferenz abgehalten werden muss. Achim Weiand legt den Finger auf die Wenn Sie an Ihrer Hochschule dazu gute Schwachstellen einer allzu unbefangen Ideen praktizieren, würde ich gerne hier verstandenen Online-Lehre (Seite 24). in der DNH darüber berichten. Geben Sie einfach Bescheid! Welche neuen Formen von Lehrver- anstaltungen wurden denn nun konkret Ihr Christoph Maas DNH 06 | 2020
4 Campusnotizen Technische Hochschule Nürnberg Fotowettbewerb „Pandemie in Pixeln“ Die Corona-Pandemie hat unser tägliches Leben grundlegend verändert und auf den Kopf gestellt. Das Klinikum Nürn- berg, die Paracelsus Medizinische Privat- universität, die Technische Hochschule Nürnberg und LEONARDO – Zentrum für Kreativität und Innovation nahmen das zum Anlass, den Fotowettbewerb „Pande- mie in Pixeln“ auszurufen. Ihr Ziel war es, dem Leben im Ausnahmezustand Kontu- ren und ein Gesicht zu verleihen und so ein fotografisches Panorama der Pande- mie zu schaffen. Alle Bürgerinnen und Bürger konnten ihre Bilder dieser außer- gewöhnlichen Phase über die Website pandemiepixel.de hochladen und so am Fotowettbewerb teilnehmen. „Die Foto- grafien zeigen ganz persönliche Perspek- tiven auf Corona und auf die alltäglichen Spuren dieser gesundheitlichen Bedro- hung“, bilanziert Dr. Stephan Kolb, Leiter des Bereichs Bildung und Wissenschaft am Klinikum Nürnberg, den Fotowettbe- werb. „Auf ebenso vielseitige wie kreati- ve Weise fand eine fotografische Ausei- nandersetzung mit der Pandemie statt. Die Motive reichen von der Hektik des Klinikalltags bis hin zur Einsamkeit im eigenen Zuhause“, so Kolb weiter. Auch Prof. Dr. Niels Oberbeck, Präsident der Technischen Hochschule Nürnberg, zeigt Foto: Anni Chen sich beeindruckt von der Resonanz zu „Pandemie in Pixeln“: „Viele Studierende und viele Professorinnen und Professoren untersuchen derzeit die technologischen, 2. Platz: „Marktregulierung“ sozialen und wirtschaftlichen Auswirkun- gen der Corona-Pandemie. Der Fotowett- bewerb hat die wissenschaftliche Pers- Fotografen aus anderen Teilen Deutsch- und Vorsitzender der Wettbewerbsjury. pektive um eine ästhetisch-künstlerische lands und sogar aus europäischen Nach- „Die eingereichten Bilder sind eindrucks- ergänzt und sie in einzelnen Einreichun- barländern am Wettbewerb teil. volle Zeitdokumente und bieten faszinie- gen sogar direkt beleuchtet. Auch Themen rende Einblicke in verschiedene Lebens- wie digitale Lehre und das Arbeiten im Die prämierten Bilder sind ab sofort auf welten. Sie zeichnen sich durch ganz Homeoffice wurden aus ganz neuen und der Website pandemiepixel.de in einer vielfältige Bildsprachen und Motive aus“, originellen Blickwinkeln betrachtet.“ Bildergalerie zu sehen. Aufgrund der so Jostmeier weiter. Nicht nur die Masken- derzeitigen Abstandsregeln und Hygiene- pflicht und Abstandsregeln wurden häufig Eine zehnköpfige Jury, die aus Professo- bestimmungen haben die Veranstalter des fotografisch festgehalten und interpretiert, rinnen und Professoren sowie Mitarbeite- Wettbewerbs auf eine klassische Preisver- auch leere Straßen, geschlossene Läden rinnen und Mitarbeitern des Klinikums leihung verzichtet. Stattdessen wurde ein und der Schutz von Risikogruppen waren Nürnberg, des Nürnberger Campus der Preisverleihungsvideo erstellt, in dem die wiederkehrende Themen. Stilistisch reich- Paracelsus Medizinischen Privatuniversi- Preisträgerinnen und Preisträger, die Jury te das Spektrum der Einreichungen von tät, der TH Nürnberg, der Akademie der und die Institutionen zu Wort kommen. Schwarz-Weiß-Porträts über einprägsame Bildenden Künste Nürnberg und LEONAR- Schnappschüsse bis hin zur Fotokunst. DO – Zentrum für Kreativität und Innova- „Wir freuen uns sehr über die große Ausgewählte Fotografien dieses Wettbe- tion besteht, wählte aus mehreren Hundert Aufmerksamkeit, die der Fotowettbewerb werbs sollen nun in einem Bildband fest- Bildern die zehn interessantesten Werke erfahren hat“, erklärt Prof. Michael Jost- gehalten werden, außerdem werden sie aus. Die meisten Einreichungen kamen aus meier, emeritierter Professor für Computer in einer digitalen Ausstellung präsentiert. der Metropolregion Nürnberg, es nahmen Generated Imaging (CGI) und Fotografie aber auch einige Fotografinnen und an der Fakultät Design der TH Nürnberg TH Nürnberg 06 | 2020 DNH
5 Hochschule München Digitalisierung mit Branchenschwerpunkt studieren Foto: Julia Bergmeister Die digitale Transformation durch- einem Dach an. Ihre Fakultät für Mathe- dringt inzwischen alle Branchen. Fach- matik und Informatik umfasst fast fünfzig kräftemangel herrscht nicht nur bei den Professorinnen und Professoren. Entwi- reinen IT-Spezialisten. Gesucht werden ckelt werden in MUC.DAI interdiszipli- auch immer öfter Mitarbeiterinnen und näre Studiengänge, die von der Fakul- Mitarbeiter, die an der Schnittstelle von tät für Mathematik und Informatik und Digitalisierung mit Branchenwissen verbinden – IT und einzelnen Branchen arbeiten und den Nicht-IT-Fakultäten gleichberechtigt dafür steht das neue Institut MUC.DAI die mit ihren Branchenkenntnissen die betreut werden. Dafür wurde eine Studi- Digitalisierung in Unternehmen, öffent- enfakultät gegründet, die quer zu den 14 interdisziplinäre Angebote gestalten und lichen Institutionen und im Mittelstand Fakultäten der HM diese Studiengänge damit die unterschiedlichen Initiativen im vorantreiben. Die Hochschule München aufbaut, weiterentwickelt und betreut. Bereich Digitalisierung an der Hochschule trägt diesen Arbeitsmarktanforderungen München noch besser vernetzen können.“ Rechnung und gründet mit MUC.DAI, MUC.DAI startet mit seiner Gründung Im Wintersemester 2020/21 starten an der dem Munich Center for Digital Scien- in die Aufbauphase mit der Entwicklung Hochschule München der Bachelor „Data ces and Artificial Intelligence, ein Zen- vielfältiger Studienangebote, die das Ange- Science & Scientific Computing“ sowie trum für interdisziplinäre Studiengänge bot der Hochschule München für Studie- der Master-Studiengang „IT-Sicherheit“, ab mit vertieften Digitalisierungskenntnis- rende innovativ und zukunftssicher gestal- Wintersemester 2021 ist der Bachelor „Digi- sen. Als Voll-Hochschule für angewandte ten. Gründungsstudiendekanin ist Prof. tal Engineering“ geplant. Weitere Studien- Wissenschaften (HAW) bietet die Hoch- Dr. Gudrun Socher, Professorin an der gänge, die Fachwissen mit Digitalisierungs- schule München zahlreiche anschluss- Fakultät für Mathematik und Informatik: kenntnissen zusammenbringen, folgen. fähige Fächer wie Sozial- und Ingeni- „Wir freuen uns darauf, dass wir mit der eurswissenschaften sowie Design unter Entwicklung zusätzlicher Studienangebote Hochschule München Anzeige „Ich kann mir die Module in jedem Semester passend zur aktuellen beruflichen und familiären Situation zusammenstellen, HOCHSCHUL- UND das ermöglicht mir ein sehr hohes Maß an WISSENSCHAFTSMANAGEMENT (MBA) Flexibilität.“ Master of Business Administration Sarah S. Berufsbegleitender Masterstudiengang im Umfang von 90 ECTS Individuell & flexibel – Studium Hochschul- und Wissenschaftsmanagement an der Hochschule Osnabrück • Betriebswirtschaftliche Managementkenntnisse • Institutionelles Wissen über das Wissenschaftssystem • Trainings zur Führung und Kommunikation • Starke Praxisorientierung und professionelles Netzwerk Wir bieten ein flexibles Studienkonzept ausgerichtet auf Berufstätige, Präsenzphasen in Blöcken freitags und samstags bei individueller Betreuung und Beratung. Neugierig geworden? Informieren Sie sich auf www.wissenschaftsmanagement-osnabrueck.de
6 Campusnotizen Technische Hochschule Köln EAH Jena TH Köln, Universität zu Köln und die Ehrung für Mut Telekom eröffnen 5G Co:Creation Lab und Engagement Sie begleiteten die Eröffnung des 5G-Lab: (v. l.): Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Wirtschafts- und Digitalminister NRW, Prof. Dr. Rainer Minz, Universität zu Köln, Claudia Nemat, Foto: Thilo Schmülgen/TH Köln Telekom-Vorstand für Technologie und Innovation, Prof. Dr. Matthias Böhme, TH Köln, Alexander Wehrle, Foto: Sigrid Neef Geschäftsführer 1. FC Köln, Prof. Dr. Kai Thürbach, TH Köln. An der Technischen Hochschule Köln schaffen mit „Gateway“ eine gemeinsame Konrad Erben, Student im Fachbereich haben Wirtschafts- und Digitalminister Marke und bauen ein starkes Netzwerk von Sozialwesen der Ernst-Abbe-Hochschule Prof. Dr. Andreas Pinkwart und Telekom- Unterstützern aus der Praxis auf. Jena, erhielt kürzlich den 19. „Jenaer Preis Vorstand Claudia Nemat zusammen mit für Zivilcourage“. Mit dem Preis werden Lehrenden der Kölner Hochschulen das Zusätzlich wird ein breites Lehr- und seit 2001 jährlich Menschen für ihr muti- neue 5G Co:Creation Lab eingeweiht. Es Veranstaltungsangebot aufgebaut. „Wir ges und zivilcouragiertes Handeln geehrt. ist ein Beispiel für die enge Zusammen- möchten, dass in Köln eine neue Gründer- Vorgeschlagen werden sie von Jenaer arbeit der Kölner Hochschulen im Bereich zeit anbricht. Ziel der engen Zusammen- Bürgerinnen und Bürgern. Entrepreneurship. arbeit von Universität, TH Köln und den anderen Kölner Hochschulen im Bereich Der diesjährige Preisträger erhielt die Das Lab steht den Studierenden der Entrepreneurship ist es, Köln und das Auszeichnung für sein Engagement bei Kölner Hochschulen als Entrepreneur- ‚Rheinland Valley‘ zur einer der Top-Regi- der Organisation des Gedenkens an die ship-Hub offen, um ihre Gründungside- onen für Start-ups und Gründungen zu Opfer des Nationalsozialistischen Unter- en umzusetzen, ebenso Praxispartnern machen. Das gemeinsame Co:Creation Lab grunds (NSU). Zu jedem Jahrestag der in der Region Köln und im Land NRW. in den Räumen der TH Köln ist ein weiterer Ermordung eines Menschen oder eines Neben den Kölner Hochschulen und der Schritt auf diesem Weg, den wir zusammen Attentates durch die NSU führt Konrad Telekom ist der 1. FC Köln ein weite- mit Partnern aus der Praxis gehen“, fasst Erben gemeinsam mit anderen Engagier- rer Projektpartner. Der Fußballclub wird Prof. Dr. Kai Thürbach, Professor für Entre- ten Gedenkveranstaltungen vor der Holz- das Lab mit strategischen Fragestellun- preneurship und im Team »Fit for Invest« skulptur in der Johannisstraße durch. Er gen unterstützen und erste Lösungen als Vertreter der Kölner Hochschulen die möchte so die Erinnerung an die Ermor- in seinem Umfeld testen. Denkbar sind Eröffnung des Labs, zusammen. deten aufrechterhalten, ein Signal für dabei viele Projekte: Zum Beispiel ein die Hinterbliebenen und Überlebenden virtuelles Torwandschießen gegen einen Zusätzlich zu dem Standort Mülheim der setzen und die Auseinandersetzung inner- prominenten Fußballer. Oder Lenkung TH Köln mit seinem Studiengang Code halb der Stadt Jena mit der eigenen Rolle von Zuschauerströmen im Stadion. & Context und dem Cologne Game im NSU-Komplex einfordern. Lab wird die 5G-Technologie auch am Ökosystem der Kölner Gründerszene Campus Deutz im neuen StartUpLab@TH Konrad Erben ist Mitgründer und Akti- stärken Köln verfügbar sein. Das StartUpLab@TH ver der Thüringer Gruppe der „Initiati- Köln fördert Gründungsaktivitäten an der ve Schwarze Menschen in Deutschland“ Die Kölner Hochschulen waren in diesem TH Köln über alle Fakultäten hinweg und sowie der Careleaver-Hochschulgruppe Jahr sehr erfolgreich, das Thema Entre- bietet Räume und technische Infrastruk- Thüringen, einer Initiative von jungen preneurship und Gründung gemein- tur für Gründungsteams. Neben Gründe- Menschen, die ihr Leben in der stationä- sam voranzutreiben. Zusammen mit der rinnen und Gründern sollen auch Studie- ren Kinder- und Jugendhilfe verbrachten Universität zu Köln, der Deutschen Sport- rende in Lehrprojekten 5G nutzen und und sich auf ihrem weiteren Lebensweg hochschule und der Rheinischen Fach- interdisziplinär und in innovativen Lehr- gegenseitig unterstützen. hochschule sowie dem hochschulgrün- formaten im Bereich Entrepreneurship dernetz cologne e. V. koordiniert die TH Education zusammenarbeiten. EAH Jena Köln das vom BMWi geförderte Exist-Pro- jekt „Fit for Invest“. Hier treiben die Hoch- https://www.th-koeln.de/ schulen gemeinsam das Thema Entrepre- hochschule/th-koeln-universitaet- neurship und Gründungsförderung in zu-koeln-und-die-telekom-eroeff- Köln voran und stimmen ihre Aktivitä- nen-5g-cocreation-lab_76969.php ten miteinander ab. So führen sie z. B. ihre Gründungsservices enger zusammen, TH Köln 06 | 2020 DNH
7 Hochschule Harz Vernetztes Lehrangebot mit Partner-Hochschulen Foto: Hochschule Harz Studierende der Hochschule Harz können „Mehr digitale Angebote sind uns grund- sich ab diesem Wintersemester in mehre- sätzlich wichtig, denn nicht jeder hat die ren Kursen virtuell mit Kommilitonen an Möglichkeit, ins Ausland zu gehen“, erklärt amerikanischen Hochschulen vernetzen. die Professorin. Von der „Internationalisie- Was zwischen Professorin Louisa Klemmer (links) Dabei stehen aktuelle politische Diskurse rung@Home“ könnten viele Studierende und Hochschulmitarbeiterin Suntje Ehmann und die Stärkung interkultureller Kompe- fachlich und im Hinblick auf ihre Persön- bestens funktioniert, klappt auch international: Die tenzen im Mittelpunkt. Der Deutsche lichkeitsbildung profitieren. Hochschule geht nun digitale Wege im weltweiten Akademische Austauschdienst (DAAD) Studierendenaustausch. fördert das digitale internationale Lehr- Wer sich in die Kurse des Projekts „Virtual angebot für 13 Monate. Prof. Dr. Loui- Exchange+“ einloggt, tritt in Austausch mit sowohl fachlich als auch technisch sehr sa Klemmer, Prorektorin für Studium, Kommilitonen der Wayne State University, gut“, erklärt Suntje Ehmann. Die Mitarbei- Lehre und Internationalisierung, leitet der Iowa State University und der Michigan terin im Forschungsbereich der Hochschu- das Projekt „Virtual Exchange+“ im Harz State University. Die Hochschule Ruhr West le Harz gehört zu den Initiatorinnen des und berichtet: „Die Idee der Hochschule ist der zweite deutsche Hochschulpartner. Projekts. Mithilfe der eingeworbenen Mittel Harz und ihrer nationalen und internati- Jedes Thema wird jeweils von einer deut- – insgesamt 221.974 Euro für alle beteilig- onalen Partner ist eines von 50 geförder- schen und einer amerikanischen Dozen- ten Hochschulen – werden die Dozentin- ten Projekten. Wir freuen uns, neue Wege tin verantwortet. Vorträge, Diskussionen nen durch Studierende aller Fachbereiche beim Studierenden-Austausch zu testen.“ oder auch gemeinsame Projektarbeiten personell unterstützt. Seit der Corona-Pandemie sind Reisen im sind zunächst per Videokonferenz-Soft- akademischen Bereich stark eingeschränkt. ware geplant. „Die Abstimmungen laufen Hochschule Harz OTH Regensburg/Hochschule München Ausmaß an Diskriminierung überrascht Forschungsteam von OTH Regensburg Diese und weitere zentrale Ergebnis- und HS München präsentiert Ergebnisse se einer bundesweiten Erhebung stellte Foto: Heike Geismar zu Frauenförderung das Forschungsteam der OTH Regensburg gemeinsam mit Kolleginnen von der HS Der bundesweite Girls‘ Day, der Nationale München am 29. und 30. September 2020 Pakt für Frauen in MINT-Berufen „Komm, bei der Abschluss-Fachtagung des Projekts mach MINT“ oder die regionale Koopera- „MINT-Strategien 4.0 – Strategien zur Gewin- Das Projektteam (v. l.): Anne Reber, M. A., Sophia tion MINT-Girls Regensburg: Projekte zur nung von Frauen für MINT-Studiengänge Dollsack, M. A., Prof. Dr. Clarissa Rudolph (alle OTH Regensburg) und Stefanie Brenning, M. A., Prof. Dr. Erhöhung des Frauenanteils in MINT-Stu- an Hochschulen für angewandte Wissen- Elke Wolf und Beatrix Ehrensperger, Dipl.-Soz. (alle diengängen haben einen festen Platz im schaften“ vor. In dem vom Bundesministe- HS München) Hochschulgefüge. Warum sind trotzdem rium für Bildung und Forschung geförder- nur rund 30 Prozent Frauen unter den ten Projekt gingen die Forscherinnen der Studierenden von MINT-Fächern aus beiden Hochschulen unter anderem der Auch das von der Hochschule München den Bereichen Mathematik, Informatik, These nach, dass sich MINT-Projekte stär- (Projektleitung Prof. Dr. Elke Wolf) entwi- Naturwissenschaft und Technik vertreten? ker auf die heterogenen Lebenssituationen ckelte Evaluationskonzept soll seinen „Es zeigt sich bei den meisten Lehren- von MINT-Studentinnen einstellen müss- Beitrag dazu leisten, die MINT-Projekte den eine Abwehr gegenüber aktiver Frau- ten. „Es hat sich gezeigt, dass der überwie- zielorientiert weiterzuentwickeln. Noch enförderung; tatsächlich setzen sie sich gende Teil der Projekte immer noch in klas- mehr wünschten sich die Studentinnen mit solchen Fragen oft gar nicht ausei- sischer Weise Studentinnen adressiert. Viele aber, dass solche Projekte gar nicht nötig nander“, sagt Prof. Dr. Clarissa Rudolph der von uns befragten Studentinnen sind wären und dass sie weniger mit sexisti- von der OTH Regensburg. „Das Ausmaß aber mit dieser Perspektive unzufrieden, weil schen Äußerungen oder Verhaltensweisen an Diskriminierungen, die Studentinnen diese Form der Ansprache vermittelt, dass konfrontiert würden, sagt Prof. Rudolph. in MINT immer noch erleben, hat uns Frauen besonders gefördert werden müss- Wissenschaftlerinnen überrascht“, fügt ten“, sagt Projektleiterin Prof. Dr. Claris- Tagungsergebnisse unter: Anne Reber, wissenschaftliche Mitarbei- sa Rudolph. „Die Studentinnen wünschen https://www.oth-regensburg.de/ terin, hinzu. sich tatsächlich Angebote, die mehr auf ihre index.php?id=5443 spezifischen Lebensumstände eingehen, z. B. auf Elternschaft oder Sprachbarrieren.“ OTH Regensburg DNH 06| 2020
8 Campusnotizen Jade Hochschule/Hochschule Emden/Leer Energieeffizienter Bau: Inselkita Spiekeroog In dem kollaborativ-interdisziplinären Im sicheren Erprobungsraum Hoch- online stattfand – mit wöchentlichen Lehrprojekt „Inselkita Spiekeroog“ von schule sollte das Projekt die Kommuni- Aufgabenpaketen und Präsentationen der Jade Hochschule Wilhelmshaven kationsfähigkeiten, Kooperationsfähig- der Teilergebnisse. Die Abschlussveran- Oldenburg Elsfleth und der Hochschu- keiten und Koordinationsfähigkeiten der staltung wurde von der lokalen Presse le Emden/Leer beschäftigten sich Studie- Lernenden erweitern und die Entwicklung begleitet und dokumentiert. Daraus resul- rende aus vier Bachelor-Studiengängen eines forschen-reflektiven Habitus sowie tierende Veröffentlichungen und Presse- (Architektur, Bauingenieurwesen, Wirt- von Flexibilität und Offenheit gegenüber mitteilungen sind auf der Webseite der schaftsingenieurwissenschaften Geoin- Unbekanntem und Fremdem fördern. Die Jade Hochschule, der Hochschule Emden formation und Kindheitspädagogik) mit Lernenden sollen sich über die Projekt- Leer und dem ScienceBlog erschienen. einem realitätsnahen Problem als Aufga- laufzeit zu unabhängigen, kreativen und benstellung, das sie nur gemeinsam als verantwortungsbewussten Teammitglie- interdisziplinäres Team lösen konnten: dern entwickeln und darüber Freude Fazit Für eine Kita sollte sowohl das pädago- und intrinsische Motivation am Lernen gische Konzept gewählt, anschließend hervorbringen. Die digitale Durchführung des Moduls in räumlich gebaute Umwelt umgesetzt erwies sich als barrierearm hinsichtlich und standortgerecht nachhaltig kon- Die größte Herausforderung bestand der interdisziplinären Arbeit. Die Studie- struiert werden. Eine besondere Heraus- in der interdisziplinären Zusammenar- renden haben in ihren Arbeitsgruppen forderung bestand dabei in der freien beit. Die Studierenden haben sich nie sehr gut zusammengearbeitet und blie- Standortwahl auf der Insel Spiekeroog zuvor gesehen und in ihrem bisherigen ben über den Verlauf des Projektes kon- als Fallbeispiel. Hierfür wurden verfüg- Ausbildungshergang kaum mit anderen stant motiviert. Allerdings gab es an den bare Geodaten zur Bodenbeschaffenheit, Fachdisziplinen zusammengearbeitet. Die Schnittstellen fachspezifische Reibun- Topografie und Siedlungsstruktur in ein Fachdisziplinen arbeiteten in der Regel gen, Mehrarbeit und Informationsver- Geoinformationssystem integriert und mit ihren eigenen Arbeitsmethoden und luste, welche mit einem digitalen Soft- der Standortwahl zugrunde gelegt. einer eigenen Fachkultur. Somit galt es ware-Workflow für die Datenübergabe zunächst, die Hemmschwelle der Kommu- optimiert werden könnten. nikation zu überwinden und eine vertrau- ensvolle Atmosphäre herzustellen, wobei Eine Weiterführung des Lehrmoduls eine fachinterne Gruppenbildung vermie- ist vorgesehen und soll dabei auf ande- den wurde. Das ursprünglich geplante re Räume (z. B. alternative Insellage) Blockseminar auf Spiekeroog sollte es den übertragen werden. Zur Erweiterung des Studierenden durch den neuen Arbeits- Lehrmoduls um Schnittstellen zwischen rahmen in Form einer Exkursion erleich- Simulationsmodellen aus der Architek- tern, die bisherigen jeweiligen fachspezi- tur, Gebäudedatenmodellierung (Buil- fischen Arbeitskulturen zu verlassen und ding Information Modeling – BIM) aus sich auf neue Rahmenbedingungen und dem Bauingenieurswesen sowie Geoda- Arbeitsweisen einzulassen. Die fachliche tenmodellierung aus den Geoinforma- Wissensgrundlage sollte durch Kurzre- tionswissenschaften wurde kürzlich ein ferate während der Anreise geschaffen Antrag „Innovative Lehr- und Lernkon- werden, sodass gleichzeitig die jeweili- zepte: Innovation plus“ beim Niedersäch- gen Expertenrollen für die verschiedenen sischen Ministerium für Wissenschaft und Disziplinen für späteren Konsultations- Kultur (MWK) eingereicht. bedarf festgelegt wurden. Die eigentliche Aufgabenbearbeitung der Inselkita erfolg- Prof. Dr. Sebastian Hollermann te in Gruppen, bei der jeweils mindestens Prof. Anja Willmann eine Studentin oder ein Student der vier Prof. Dr. habil. Roland Pesch Fachdisziplinen vertreten war. Jade Hochschule Aufgrund von Corona musste das Prof. Dr. Lena Kaiser gesamte Modul kurzfristig in einen digi- Hochschule Emden/Leer talen, auf Internet-Tools basierenden Modus überführt werden, in dem statt des geplanten Blockseminars vor Ort nun Titelbild: Orkan Christian, Svenja Wiemers eine achtwöchige intensive Projektphase 06 | 2020 DNH
9 HAW Hamburg Der Lockdown ist kein Knock-down! – auch bundesweite – Radiosendungen und Printmedien. Die Studierenden durf- ten stolz darauf sein, denn sie haben die bis zu 60-minütigen qualitativen Inter- views geführt und gemeinsam im Semi- nar mit der Lehrenden ausgearbeitet. Für die Offene Kinder- und Jugendarbeit, die sonst in den Medien wenig Gehör findet, war das ebenso ein tolles Ergebnis! Dass weitergehend sogar eine Förderung durch die Wissenschaftsbehörde für ein brei- ter aufgestelltes Forschungsprojekt zur Kinder- und Jugendarbeit in Corona-Zei- Screenshot: G. Voigts ten genehmigt wurde, ist ein weiterer, kleiner Erfolg dieser Studie. Und die gute Nachricht am Ende ist, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit nicht nur in Hamburg zumindest wieder teilgeöffnet Online-Projekt statt Praxissemester arbeiten kann – und in der Zwischenzeit alle beteiligten Studierenden ihr Vollzeit- Ein Theorie-Praxis-Seminar mit Studieren- Innerhalb einer Woche wurden mehr als praktikum anfangen konnten. Aufregen- den aus dem Bachelor-Studiengang Sozi- 40 Hauptberufliche aus der Kinder- und de Zeiten! ale Arbeit schafft es in zahlreiche Radio- Jugendarbeit dazu befragt, wie sie in Coro- sendungen und Printmedien – wie kann na-Zeiten weiter junge Menschen errei- Mehr Infos unter: das sein? Eigentlich ganz einfach: Für die chen, welche Herausforderungen es in h t t p s : / / w w w. h a w - h a m b u r g . d e / Studierenden des dritten Semesters stand der Arbeit unter den neuen Bedingun- detail/news/news/detail/perspek- im Frühjahr 2020 das erste Praxissemes- gen gibt und welche Zukunftsszenarien tiven-der-jugendlichen-an-den-ka- ter an, welches dringend notwendig für sie unter Pandemierahmungen sehen. binettstisch/ sowie der Einblick in die Erlangung der staatlichen Anerken- Am Ende steht ein Forschungsbericht, eine Radiosendung des Deutsch- nung als Sozialarbeitende ist. Doch die der deutlich aufzeigt, wie engagiert, krea- landradio zum Thema unter Offenen Kinder- und Jugendeinrichtun- tiv und vielseitig die Hauptberuflichen im https://srv.deutschlandradio.de/ gen in Hamburg, in denen die Praktika Handlungsfeld die Situation bewältigen. dlf-audiothek-audio-teilen.3265. vereinbart waren, wurden von einem Die Studie bescheinigt den Einrichtun- de.html?mdm:audio_id=852918 Tag auf den anderen geschlossen. Eine gen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit Katastrophe für Kinder und Jugendli- gelungenes Arbeiten: Telefonsprechstun- Prof. Dr. Gunda Voigts che, das Handlungsfeld und die Studie- den für junge Menschen, „Walk to Talk“, renden. Der Frust und die Unsicherheit digitale Kochkurse, Pizza-Abhol-Angebo- bei den Studierenden waren verständli- te, Unterstützung beim Homeschooling cherweise groß, aber auch das Interes- mit Abstand oder Online-Spiel-Sessions se daran zu erfahren, was gerade in der sind nur einige Beispiele dafür, was die Kinder- und Jugendarbeit geschieht und Studie an Beschreibungen der Arbeit unter wie sie auf die Schließung der Jugend- Pandemie-Bedingungen liefern konnte. zentren reagiert. Aus den Praxiskontak- Aber auch Probleme wie die vollkommen ten der Lehrenden entstand so die Idee, unzureichende dienstliche technische Telefoninterviews mit den Beschäftigten Ausstattung der Mitarbeitenden konn- in den Praxiseinrichtungen zu führen. ten erhoben werden. Zusammenfassend Die Studierenden waren begeistert dabei. zeigt sich, dass der Lockdown für die Offe- Gemeinsam wurden über Online-Tools nen Kinder- und Jugendeinrichtungen ein Leitfaden erstellt, Kontakte zu den kein Knock-down war – und trotzdem Einrichtungen per Mail gesucht, Inter- gerade für die Zielgruppe der Kinder und viewtermine vereinbart. In Rekord- Jugendlichen eine enorme Herausforde- Die Meldungen in dieser Rubrik, soweit zeit war ein Praxis-Lehr-Forschungspro- rung ist. Diese Nachrichten schafften es sie nicht namentlich gekennzeichnet jekt geschaffen – und eine gemeinsame, dank einer tollen Öffentlichkeitsarbeit der sind, basieren auf Pressemitteilungen praxisnahe Studienaufgabe gefunden. Pressestelle der Hochschule in sehr viele der jeweils genannten Institutionen. DNH 06| 2020
10 Was vom Corona-Semester bleibt Pokale, Prominenz und Projektarbeit Leben, lehren und lernen in Zeiten von COVID-19 – Erfahrungswerte für zukünftige Semester. | Von Prof. Dr. Jana Wiske Ich sehe jeden Morgen fünf Pokale. Es jungen Menschen das übliche Maß um ist die bescheidene Sammlung meines ein Vielfaches. Häufig geht es bei den Mannes, der in früheren Zeiten ganz Anfragen über das Fachliche hinaus. passabel Eishockey spielte. Im Arbeits- Zusätzlich fungiere ich als Ansprech- zimmer war noch Platz für die silbrigen partnerin für Lebensfragen. Die Dank- Staubfänger. Ich dachte mir beim Einzug barkeit ist spürbar. damals nur: Hier stören sie nicht. Seit Foto: privat März 2020 prägen sie mein tägliches Ich habe mich bei der digitalen Lehre Blickfeld, diese Dinger sind meine stän- gegen virtuelle Bildschirm-Hintergrün- digen Begleiter. Unser Arbeitszimmer ist de entschieden. Ich wollte den Studie- Prof. Dr. Jana Wiske seit Pandemie-Beginn in Deutschland renden keine eingedellten Frisuren Professorin für Ressortjournalismus mein Lebensmittelpunkt – und das wird oder Kopfformen von mir zumuten. und PR/Unternehmenskommunikation es leider noch eine Weile bleiben. Und ich wollte keine Strand-, Stadion- Hochschule Ansbach oder City-Stimmung verbreiten. Einer- Residenzstraße 8 Seit 2017 lehre ich Ressortjournalis- seits war es mir wichtig, den Fokus auf 91522 Ansbach mus im Bachelor und PR/Unterneh- die Lehre und nicht das Drumherum zu menskommunikation im Master an der legen. Andererseits ging es mir um Nähe, j.wiske@hs-ansbach.de Hochschule Ansbach. Am 10. März 2020 die in diesen Zeiten so fern scheint. Im stoppte mein normales Campus-Leben. Zweifelsfall stehen eben ein Familien- Mitten in der praxisbegleitenden Lehr- bild oder ein persönlicher Gegenstand veranstaltung ereilte mich die Nachricht: der Professorin im Hintergrund. NICHTS GEHT MEHR. Ein Student hatte die so unwirklich klingende Botschaft in Echtzeit im Kurs übermittelt. Was Neue Denkmuster folgte, war ein komisches Semester mit völlig neuen Herausforderungen. Ich bin in der Lehre mit herkömmli- Die Pandemie ließ nur noch virtuelle chen Rollenspielen, die ich regelmäßig Präsenz zu. Hochschule findet derzeit in die Lehre integriere, gescheitert. Diese auf dem heimischen Schreibtisch statt. sind digital zu vielen Reibungsverlusten Leben, lehren und lernen in Zeiten von ausgesetzt. Eine aufwendig erarbeitete, COVID-19 – mitnehmen kann ich aus simulierte Pressekonferenz – elementar dieser Zeit sehr viel. beim Themenschwerpunkt Pressearbeit – lässt sich seriös derzeit nicht umsetzen. Seit Mitte März lehre ich nun aus Neue Denkmuster sind gefragt. Ich arbeite meinem Arbeitszimmer. Die Verunsi- daher vermehrt mit Videos aus der Praxis, cherung war mit Ausbruch der Pande- Live-Übertragungen (zum Beispiel Presse- mie und den Auswirkungen auf das konferenzen zur aktuellen Lage) oder setze Hochschulleben auf allen Seiten greif- auf Digitale Camps von Unternehmen. bar. Unsere Hochschulleitung reagierte Für mich hat sich dabei eine Mischung schnell, digitale Plattformen wie Adobe- aus synchroner und asynchroner Lehre Connect oder Zoom waren zeitnah bewährt: Live-Vorlesung einerseits und verfügbar. Fortbildungskurse wurden das ständige Einbinden der Lernplatt- ad hoc angeboten. Eine schnelle und form Moodle anderseits. Eine Erkenntnis: transparente Information sorgte bei den Interaktion funktioniert immer noch am Studierenden für Klarheit und damit besten im digitalen Seminarraum. Dabei mehr Sicherheit im Umgang mit der gilt es, alle technischen Tools wie Grup- schwierigen Situation. Bis heute über- pen, Whiteboards, Umfragen etc. regel- steigt meine Kommunikation mit den mäßig auszuschöpfen. 06 | 2020 DNH
11 Foto: arrow/123rf.com Selbst die Prominenz kennt jetzt mein schnödes Arbeitszimmer: Pressesprecherinnen und -spre- cher aus der Fußball-Bundesliga oder der Auto- mobilindustrie, die Geschäftsführerin eines welt- „Hochkarätige Gastrednerinnen und -redner weit agierenden Tabak-Unternehmens oder ein Doppel-Olympiasieger aus dem Hockey blickten lassen sich in Pandemie-Zeiten relativ auf meine heimische weiße Hintergrundwand mit problemlos verpflichten. Die zeitraubende dem gemalten Bild oben rechts. Denn das ist eine weitere Erkenntnis: Hochkarätige Gastrednerinnen Anreise fällt ja weg.“ und -redner lassen sich in Pandemie-Zeiten rela- tiv problemlos verpflichten. Die nervige und zeit- raubende Anreise fällt ja weg. Demnächst erwar- ten wir eine Stimmtrainerin. Ein schönes Gefühl In der vorlesungsfreien Zeit im Sommer durfte ich Mutigere Ansätze fast 200 Studienarbeiten korrigieren. Es waren wie immer Höhen und Tiefen dabei. Was aber vor allem Mit einer virtuellen Lesung schafften wir es im für mich zählte: Alle Studierenden hatten bestanden. Sommersemester, ein geeignetes Event in Pande- Wenn du ein Semester lang nur einen Bildschirm mie-Zeiten zu kreieren. Eigentlich ist jedes Jahr eine anstarrst, in eine Blackbox sprichst und nicht weißt, Preisverleihung von A bis Z vor Ort in Ansbach ob deine Vorlesung geschweige denn deine Gags geplant. Diesmal bastelten wir aus ganz vielen klei- ankommen, ist das ein schönes Gefühl. nen Filmchen ein großes Ganzes. Die Bereitschaft, uns zu unterstützen, war überwältigend: So schick- Fast acht Monate nach Beginn der Pandemie ten uns TV-Koch Alexander Herrmann, Sängerin in Deutschland sitze ich die Woche über immer Lena Meyer-Landrut oder Schwimm-Olympiasiege- noch täglich mehrere Stunden auf meinem schwar- rin Britta Steffen Videobeiträge zu. Über den Event- zen Bürostuhl in den zehn Quadratmetern mit Tag verteilt boten wir drei Themenschwerpunkte Fenster zur Nordseite. Es hat mich viel Zeit und (Nachhaltigkeit, Gesundheit und Humor), hochkarä- Nerven gekostet, die Netz-Infrastruktur in meinem tige Autoren, prominente Lesetipps sowie viele eige- Arbeitszimmer auf Normalniveau zu bringen. ne, abwechslungsreiche Beiträge auf den verschie- Nach intensiver Krisenkommunikation waren der denen Hochschul-Kanälen. Das Projekt hat gezeigt, Service-Techniker des Telefonanbieters und ich dass die Studierenden mit entsprechender Motiva- beste Freunde. tion eigenständig und handlungsstark agieren und dass trotz Distanz ein Gemeinschaftsgefühl entste- Ich bemühe mich vom heimischen Schreibtisch hen konnte. Wir bewiesen in schwierigen Zeiten aus weiterhin, Lehrinhalte nicht einzutrichtern, Problemlösungskompetenz und stellten mit innova- sondern Kompetenzen zu vermitteln, die eigene tiven Ideen für alle Beteiligten ein spannendes Event Schlüsse und Einordnungen der Rezipientinnen auf die Beine – das sogar bundesweit medial aufge- und Rezipienten zulassen. Bei aller Motivation griffen wurde. Das Projekt trug auch dazu bei, dass und positiven Grundeinstellung lässt sich aber sich Professorinnen und Professoren aus der eige- festhalten: Dass ich viele der neuen Studierenden nen Komfortzone wagten und in Videos mitwirk- nur durch einen schwarzen Kasten kennenlernen ten. Das Interesse, Teile dieses Projekts zu adaptie- darf, stimmt mich traurig. Es bleibt aber aktuell ren, ist groß. Auch für die Hochschule Ansbach war alternativlos. die virtuelle Lesung ein gelungener Probelauf für zukünftige digitale Event-Formate. DNH 06 | 2020
12 Was vom Corona-Semester bleibt Beobachtungen in bewegter Zeit Sich im April 2020 bei der Konzeption der November-Ausgabe aufdrängend, erscheint der Schwerpunkt der heutigen DNH „Was vom Corona-Semester bleibt“ im Rückblick doch eher optimistisch. Denn eines kann im Wintersemester 2020/2021 festgestellt werden: Das Corona-Semester selbst bleibt! | Von Prof. Dr. Jochen Struwe Offensichtlich ist das im laufenden Kurz vor dem Start in das Sommerse- Wintersemester 2020/2021. Folgt man mester 2020 überfiel Corona auch die der Mehrheitsmeinung seriöser Virolo- Hochschulen. Und genau wie sich die gen/Infektiologen/Epidemiologen/Phar- Handelnden in Gesellschaft, Politik und makologen, dann ist vor 2021 kein zuge- Wirtschaft in unterschiedlichem Ausmaß lassener, massentauglicher Impfstoff und wechselnder Geschwindigkeit durch Foto: privat verfügbar. Bis anschließend mindes- diverse Stadien der Ignoranz und lehr- tens 60 Prozent der Bevölkerung (so die buchmäßiges Durchlaufen allfälliger meisten Annahmen zur Corona-Herden- Time-Lags quälten, genauso absolvier- Prof. Dr. Jochen Struwe immunität) durchgeimpft sind (noch ten es die Akteure in den Hochschulen. Professor für Unternehmensführung, ist offen, ob eine Impfung überhaupt Im Spätwinter 2020 versuchten sich alle Rechnungswesen und Controlling ausreicht), werden viele Monate ins Verantwortlichen an einer Einordnung Land gehen. So dürfte es nicht über- dessen, was da auf die Welt zurollte: Was Hochschule Trier mäßig pessimistisch sein, wenn man kommt da, wie schnell ist es, wie gefähr- Umwelt-Campus Birkenfeld davon ausgeht, dass mindestens das lich ist es, muss ich was tun, kann ich was Campusallee 9916-148/149 Sommersemester 2021 und wohl auch tun, was kann ich tun? Dass sich gerade 55768 Hoppstädten-Weiersbach noch das Wintersemester 2021/2022 als zu Beginn der Pandemie vielfach Versuch dann dritte und vierte Corona-Semes- und Irrtum abwechselten, ist niemandem j.struwe@umwelt-campus.de ter im kollektiven Hochschulgedächt- vorzuwerfen, sondern eben auch Kenn- www.umwelt-campus.de/~j.struwe nis ihren Platz einnehmen werden. Und zeichen der Wissenschaft auf der Suche sollte sich gar die Prognose bewahrhei- nach dem richtigen Weg. ten, dass eine Durchimpfung von 60 Millionen Menschen etwa vier Jahre Am Beispiel der Hochschule Trier dauert,1 dann wird eine ganze Studie- kann nachgezeichnet werden, wie sich rendengeneration nichts anderes als in diesen Wochen so oder so ähnlich das Corona-Semester erlebt haben. Corona-Thema (nicht das Virus selbst!) an den Hochschulen „breitmachte“ und Blicken wir auf wesentliche Maßnah- immer mehr die Abläufe zu bestimmen men der deutschen Politik im Spätwin- begann:2 ter/Frühjahr 2020 zurück: Am 1. Febru- Adressiert an alle Hochschulange- ar wurde erstmals eine Meldepflicht bei hörigen verschickte am 27. Januar begründetem Corona-Verdacht einge- das Akademische Auslandsamt auf führt. Ab 10. März erfolgte die Absage Bitte des Gesundheitsamtes einen von Veranstaltungen mit über 1.000 Teil- Link mit Informationen zum Virus nehmenden. Ab 18. März wurden Schu- mit dem Aufruf, sich bei Verdachts- len, Kitas und Spielplätze geschlossen. Ab fällen an das zuständige Gesund- 10. April galt eine 14-tägige Quarantäne heitsamt zu wenden; am 11. Februar bei der Einreise aus dem Ausland. Am wurden Hinweise und Verhaltensre- 15. April wurden die Kontaktbeschrän- geln des Wissenschaftsministeriums kungen zum zweiten Mal verlängert und zum Umgang mit dem Corona-Vi- ab dem 29. April galt in allen Bundeslän- rus weitergeleitet und am 28. Februar dern die Maskenpflicht im ÖPNV und in wandte sich erstmals die Hochschul- Geschäften. kanzlerin mit „Einfachen Regeln zur Prävention“ an die Beschäftigten. 06 | 2020 DNH
13 Foto: melpomen/123rf.com Mit E-Mail vom 9. März wurde der für den Folgetag Der Teil der Lehrenden, der in Sachen Digitalisie- geplante hochschulweite Info-Tag durch den für rung up to date war und seine Veranstaltungen Lehre zuständigen Vizepräsidenten abgesagt und auf die übliche Vorlesungszeit von 14 Wochen am selben Tag sandte erstmals die Hochschulprä- getaktet hatte, hob ab auf den zweiten Teil der sidentin an die Beschäftigten einen Hinweis, dass zuletzt zitierten E-Mail und konnte bzw. woll- „nach aktueller Lage“ Veranstaltungen mit über te daher zum ursprünglichen angesetzten Vorle- 1.000 Teilnehmenden nicht stattfinden könnten. sungsbeginn starten. Studierende, die mit dem Am 11. März veröffentlichte die Kanzlerin 30. März gerechnet hatten, waren verunsichert eine erste Dienstanweisung zum Umgang mit und warteten auf die in der E-Mail angekündig- der Corona-Situation und wies auf eine in der ten Informationen. Abstimmung zwischen Ministerium und Hoch- schulen befindliche, mögliche Verschiebung des Damit war ein für die meisten Beteiligten mehr Beginns der Präsenzveranstaltungen hin (geplant oder minder ungeordneter Start ins Sommersemester war dieser für den 30. März). vorgezeichnet: Unter dem Betreff „EILT Information in die Hoch- Diejenigen Lehrenden, die wie ursprünglich schule: Semesterstart am 20.4.2020“ verschickte geplant starten wollten (und konnten), such- die Präsidentin am 13. März an alle Hochschul- ten rechtzeitig ihre Studierenden zu erreichen, angehörigen die Botschaft, „dass der Vorlesungs- sei es via E-Mails an Multiplikatoren, sei es über beginn für das Sommersemester 2020 auf den Ankündigungen auf ihren Fachgebiets-Websi- 20.4.2020 verschoben wird“. In der E-Mail hieß tes, sei es über diverse Lehr-/Lernplattformen wie es weiter: „Eine Verschiebung des Vorlesungsbe- Stud.IP, Moodle, Ilias oder OpenOlat (wobei diese ginns bedeutet derzeit nicht, dass die Hochschule i. d. R. die vorherige Anmeldung der Studieren- oder der Lehrbetrieb geschlossen sind. Die Fach- den voraussetzen). Gleichzeitig wurde, mit mehr bereiche werden gebeten zu prüfen, welche Inhal- oder minder großer Unterstützung des Landes, te der Vorlesungen über Distant Learning oder der Hochschulleitung und der -rechenzentren, E-Learning erbracht werden können. Sollte dies fieberhaft nach einer auch bei hohen Teilnehmer- der Fall sein, werden Sie als Studierende weitere zahlen funktionierenden Videokonferenz- bzw. Informationen zur Vorbereitung erhalten.“ Cloud-Meeting-Plattform gesucht. Hierbei zeich- nete sich ebenfalls ein ziemliches Durcheinander Damit trat das ein, was gewiss nicht beabsichtigt ab: Land und Hochschule präferierten Systeme, war, was aber aufgrund ungenauer Formulierung die zumindest in den ersten Wochen hinsicht- eintreten musste: Jeder las das, was er (oder sie) lesen lich Nutzerzahl, Qualität, Benutzerfreundlich- wollte: keit oder lehrbezogener Anwendungsmöglich- Lehrende, die ihre Vorlesungsvorbereitungen zu keiten kaum brauchbar, aber eben vorhanden diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen oder waren (wie DFNconf, Panopto, BigBlueButton, ihre Veranstaltungen bisher nicht hinreichend MS Teams, Skype), während erfahrene Videokon- digitalisiert hatten (dies betrifft sowohl die ferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer wieder Veranstaltungsadministration wie die Veranstal- andere Anbieter bevorzugten, die teils auf Daten- tungsunterlagen wie Skripte, Übungen, Material- schutzbedenken stießen (dann aber „auf eige- sammlungen etc.), nahmen hauptsächlich den nes Risiko“ doch eingesetzt werden durften, wie Betreff und damit die Verschiebung des Vorle- WebCT, Adobe Connect, GoToMeeting, Jitsi, sungsbeginns zur Kenntnis. Gleiches gilt für die WebEx, insbesondere aber Zoom); diese mussten Studierenden, die froh über drei Wochen zusätz- häufig aus Eigenmitteln des Fachgebiets finanziert liche vorlesungsfreie Zeit waren, oder diejenigen, werden (was andernorts durch die Hochschule die diese Zeit zur Verdiensterzielung nutzten. selbst erledigt wurde). DNH 06 | 2020
14 Was vom Corona-Semester bleibt Frühjahr und Frühsommer waren dadurch gekenn- zeichnet, dass Prüfungsformen – oft in Hauruck-Ver- fahren – geändert wurden, dass nach und nach „In der Rückschau waren Bibliotheken, Computerräume, schließlich die gesamte Hochschule schlossen oder dass zahlrei- diejenigen Lehrenden am che E-Mails hin und her gingen, um ab Juli dann doch zumindest kleine Seminarveranstaltungen besten beraten, die einfach mit Prüfungscharakter wieder in Präsenz stattfin- den zu lassen. Die Hochschule veränderte sich auch machten und nicht warteten, optisch: Einbahnregelungen auf manchen Gängen und in Hörsälen, Plexiglaswände vor Dozentenplät- bis irgendwelche zen, Desinfektionsspender allerorten, Abstandsrege- lungen, Pflicht zur Mund-Nase-Bedeckung usw. Die abgestimmten, juristisch Prüfungsphase zog sich in die Länge, weil Termine und Abgabefristen nach hinten verlagert wurden. abgesicherten Vorgaben Ohne dass es Rechtsgrundlagen gegeben hätte3, wurden im „freihändigen Verfahren“ in Abstim- vorlagen.“ mung zwischen Prüfungsausschuss, Prüfungs- amt und einzelnem Prüfer zumeist pragmatische Möglichkeiten gefunden, um Studierende zu prüfen, die über Monate nicht aus ihrer Heimat aus- oder Andere – Lehrende wie Studierende – begannen nach Deutschland einreisen durften. erst drei Wochen später mit ihren Veranstaltun- gen. Aufgrund der Tatsache, dass insbesondere Während des Sommers lief „das Corona-Semes- Studierende, die weit entfernt von der Hochschu- ter“ langsam aus und der Blick richtete sich auf das le die vorlesungsfreie Zeit verbracht hatten, oder Wintersemester. Die Wissenschaftsministerien der ausländische Studierende, die auf Heimatbesuch Länder begannen gemeinsam mit den Hochschul- in andere Kontinente gereist waren, dass diese rektorenkonferenzen und gefolgt von den Hoch- Studierenden faktisch nicht erreichbar waren, schulleitungen, „Hybrid-Semester“ zu propagieren. verzögerte sich deren Anmeldung zu Semina- Klang toll, stellte aber insbesondere die Lehrenden ren und Praktika teilweise bis weit in den Mai. vor die Entscheidung, was damit gemeint war: Nahe- Selbstkritisch im Hinblick auf den hier vertre- liegend war die Interpretation, „große“ Vorlesun- tenen Berufsstand soll auch nicht verschwie- gen in virtueller Form, „kleine“ Seminare, Praktika gen werden, dass es in Einzelfällen vorkam, dass oder Laboruntersuchungen in analoger Präsenzform Professorinnen oder Professoren „abtauchten“ zu planen und durchzuführen. Hindernisse bspw. und sich ihre Lehrtätigkeit in der digitalen Zurver- hinsichtlich der Einführung von Erstsemestern in fügungstellung von Lehrmaterialien erschöpfte. den Hochschulbetrieb blieben aber auch bei diesem Ansatz zu überwinden. Rückfragen bei Hochschul- Die explosionsartig wachsende Zahl der Veranstal- leitungen führten zu Antworten wie „so ähnlich tungen, die in Web-Meetings durchgeführt wurde, haben wir uns das auch vorgestellt“. Verbindliches führte zu weiteren Fragen: war selten zu erfahren, was aber letztlich den Vorteil Wie ist es bei den verschiedenen Plattformen um hatte, dass der einzelne Lehrende in eigener Verant- den in Deutschland sehr hoch gehaltenen Daten- wortung seine Entscheidung zwischen Präsenz- und schutz bestellt? Welche Sicherheitsmechanismen virtueller Lehre treffen konnte. sollen genutzt werden (Teilnehmeridentifizierung, Zugangscodes, Warteräume etc.)? In diesem Zusammenhang kann auf eine durch Dürfen Videokonferenzen aufgezeichnet werden? die Corona-Maßnahmen einmal mehr besonders Wer entscheidet? Bei wem liegen die Rechte an offensichtlich gewordene Erscheinung aufmerksam einer digitalen Vorlesung? gemacht werden: die Verantwortungsweitergabe Darf man darauf drängen, dass die Kameras aller nach unten. Vage, unbestimmte, bewusst offen gehal- Konferenzteilnehmenden angeschaltet werden tene Aussagen „höherer“ Stellen führten „unten“ bzw. bleiben, um die ohnehin eingeschränkte zu entsprechender Verwirrung: Was ist bspw. von nonverbale Kommunikation nicht gänzlich zu einer ministeriellen Verlautbarung zu halten, wonach vereiteln? der Präsenzbetrieb an den Hochschulen „behutsam erweitert werden“ soll? Es verfestigt sich manchmal In der Rückschau waren diejenigen Lehrenden am der Eindruck, dass so lange durchdelegiert wird, bis besten beraten, die einfach machten und nicht warte- am Ende der einzelne Lehrende haftet. So treibt zu ten, bis irgendwelche abgestimmten, juristisch abge- Beginn des Wintersemesters viele Lehrende immer sicherten Vorgaben vorlagen. Diese gibt es teilweise bis noch die Frage um, wie es eigentlich um ihre Verant- heute nicht oder sie unterscheiden sich von Bundes- wortung bestellt ist, sollte es in einer ihrer – grund- land zu Bundesland, teilweise von Hochschule zu sätzlich ja gewollten – Präsenzveranstaltungen zu Hochschule oder gar von Fachbereich zu Fachbereich. einem „Superspreader-Event“ kommen. 06 | 2020 DNH
15 Eine der erfreulichsten Erkenntnisse der letzten Allerdings soll abschließend vor manch Träumerei Monate war sicher die Bestätigung, dass schnell und gewarnt werden: meistens erfolgreich gehandelt sowie aus Fehlern Der jetzt vielfach aufkommende Wunsch nach gelernt wurde. Zumindest wurden (bis Redaktions- künftigen Präsenzveranstaltungen, die gleichzei- schluss) Hochschulen nicht als Corona-Hotspots tig gestreamt werden, verstärkt die Anspruchshal- identifiziert und zum „verlorenen Semester“ wurde tung von Studierenden. In der Regel dürfte nur das Sommersemester 2020 auch nicht. Inzwischen eines gut gelingen: entweder die analoge oder berichten zahlreiche Studierendenbefragungen eine die digitale Form, aber kaum beides gleichzeitig. überraschend hohe Zufriedenheit: Diese Parallelität dürfte die meisten Lehrenden Zwar wurden erwartbar Dinge kritisiert wie überfordern, da letztlich doch niemand multitas- fehlender Kontakt insbesondere zu Kommilito- kingfähig ist. nen und studentischem Leben allgemein, tech- Das vielfach artikulierte Verlangen nach asynchro- nische Verbindungsschwierigkeiten, mangelnde nem Anschauen von Videokonserven entkoppelt Fähigkeit zur Selbstmotivation, Selbstorganisati- die Studierenden sicher von Zeit und Ort einer on und eigenverantwortlichen Zeitplanung. Vorlesung, dürfte aber zu einer kommunikati- Andererseits wurde die im Online-Semester höhe- ven Einbahnstraße und mittelfristig zu langsam, re Zeitsouveränität verbunden mit Zeitgewinn aber sicher veraltenden Vorlesungen führen – der durch gesunkenen Fahraufwand hervorgehoben. Aufwand für die Erstellung digitaler Lehrmateri- Bezeichnend ist, dass die Beteiligungsquote an alien wird im Übrigen immer noch häufig unter- den Online-Veranstaltungen vielfach signifikant schätzt (und zumeist nicht auf die Lehrdeputate höher war als bei denselben Präsenzveranstaltun- angerechnet). gen in früheren Semestern. Angesichts der Überlast der Lehrenden schon in normalen Zeiten, erkennbar an zwei- oder gar Wenn jetzt noch gelingt, den Studierenden deut- dreistelligen Deputatsüberhängen, darf das in lich zu machen, dass der höhere Zwangsanteil am Corona-Zeiten eindeutige Voranstellen der Lehre Selbststudium aus hochschuldidaktischer Sicht als nicht dauerhaft dazu führen, dass andere Dienst- Gewinn und nicht als Beschwernis zu verstehen ist, aufgaben wie Forschung oder Third Mission – wie dann kann Online-Lehre in etlichen Veranstaltungs- im vergangenen Semester – vernachlässigt werden formen durchaus als Bereicherung gesehen werden, (müssen). Hier bedarf es dringend einer Umsteue- und das umso eher, je schneller sich Lehrende und rung im Sinn der 12plusEins-Forderung des hlb5, Lernende mit diesen Formaten anfreunden. Und dass wenn unsere Hochschulen auch unter Corona-Be- sich die kommunikationstechnischen Möglichkeiten dingungen nachhaltig arbeits- und zukunftsfähig rasch weiter verbessern dürften, sollte angesichts der bleiben sollen. erkannten Notwendigkeiten und der Investitions- bereitschaft auf allen Seiten nur eine Frage der Zeit sein. Der erzwungene Digitalisierungsschub4 hat die Hochschulen vorangebracht, und dieses Momentum zeigt die andere Seite von Corona: Jede Krise birgt auch Chancen. Literatur 1 So bspw. der ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Sachverständigenrats Gesundheit der Bundesregierung, Matthias Schrappe, laut ZDF-Meldung vom 20. Oktober 2020, 14:44., https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-impfkam- pagne-vier-jahre-100.html, abgerufen am 26. Oktober 2020, 14:44. Mit Verweis auf ähnliche Impfprogramme der Vergan- genheit bezeichnet Schrappe diese Rechnung als „wahrscheinlich noch zu optimistisch“. 2 Zahlreiche Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen auch aus anderen Bundesländern erlauben eine Verallgemeinerung, ohne Anspruch auf Repräsentativität zu erheben. 3 S. dazu der Beitrag von Susanne Meyer in diesem Heft (S. 46 ff.) [Anm. d. Red.] 4 „Der Corona-Lockdown des Sommersemesters 2020 hat sie [die Hochschulen] innerhalb weniger Wochen aus dem analo- gen in das digitale Zeitalter der Lehre geschleudert. Eine aktuelle Befragung des Stifterverbandes und McKinseys zeigt, dass im vergangenen Wintersemester [2019/2020] gerade einmal zwölf Prozent der Lehrangebote digital stattfanden. Die Pandemie habe diesen Anteil auf mehr als neunzig Prozent erhöht – eine Entwicklung, die von sechzig Prozent der befrag- ten Dozenten und Studenten positiv bewertet wurde“, so Gerald Wagner in der FAZ Nr. 251 vom 28. Oktober 2020, S. N4 (Einfügungen in [ ] vom Verfasser). 5 Informationen dazu unter www.erfolg-braucht.de. DNH 06 | 2020
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