V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
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DAS MAGAZIN VON ABSOLVENTUM UND DER UNIVERSITÄT MANNHEIM AUSGABE 1|2017 VON ZEIT ZU ZEIT Geschichten einer Universität EIN STÜCK DIE ERFOR- HOCHBURG DER S I L I C O N VA L L E Y SCHUNG ILLE- M I G R AT I O N S - Wie die Universität die GALER MÄRKTE FORSCHUNG Gründerkultur fördert Michelle Sovinsky erhält Mannheim ist Millionenförderung Top-Adresse in Europa
„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten“ – dieser berühmte Satz von August Bebel hat bis heute an Aktualität nichts verloren. Auch um zu verstehen, wie diese Universität zu dem wurde, was sie heute ist, braucht es den Blick zurück bis in die Zeit der städtischen Handelshochschule, an der von 1907 bis 1933 junge Kaufleute ausgebildet wurden. Dort liegen die historischen Wurzeln des wirtschaftswissenschaftlichen Schwerpunkts, aber auch des heutigen Fächerspektrums: Gute Kaufleute beherrschten damals mehrere Fremdspra- chen, waren im Handelsrecht bewandert und hatten techni- sches Know-How. Zu alldem befähigte sie das Studium an der Handelshochschule. Die nicht-wirtschaftswissenschaft- lichen Fächer hatten dabei stets ihren eigenen Stellenwert, LIEBE der mit der Zeit weiter zunahm und die Umbenennung in Universität 1967 zu einer Formalie machte. Der Schwerpunkt LESERINNEN dieser Ausgabe beleuchtet Momente dieser Entwicklung und gibt Einblicke in weniger bekannte Sphären wie den Bunker UND LESER unter dem Schloss. Mit welchen Themen wir heute Geschichte schreiben? Zum Beispiel mit dem Zukunftsthema Big Data. So star- tet zu diesem Semester der neue “Mannheim Master in Data Science“, mit dem die Universität als eine der ersten Deutschlands dazu beiträgt, den Mangel an gut ausgebil- Career deten Datenexperten zu beheben (S. 47). Außerdem erhält die Universität Mannheim vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium mehr als eine halbe Million Euro zur Förderung der Gründungskultur: Ziel des Instituts für Fair 2017 Mittelstandsforschung sowie dem Mannheim Center for Entrepreneurship and Innovation ist es, ein kleines Sili- con Valley mitten in Deutschland zu erschaffen (S. 6, 54). r d i s z i plinäre Etwas bewegen will auch die US-Amerikanerin Prof. Michelle Inte eihe der 04.-06. April Sovinsky, Ph.D. Die Volkswirtin hat für ihr Forschungspro- R ten! Fakultä jekt FORENSICS eine Millionenförderung vom Europäischen Forschungsrat (ERC) erhalten, den begehrten ERC Grant, mit dem in der VWL nun insgesamt vier Wissenschaftlerinnen 10.00 - 16.00 Uhr und Wissenschaftler ausgezeichnet sind – mehr als an allen anderen Landesuniversitäten zusammen (S. 33). Ehrenhof Viel Spaß beim Lesen wünschen Ihnen Universität Mannheim Ihre CareerNetwork Prof. Dr. Ernst-Ludwig von Thadden Rektor careernet.uni-mannheim.de Dr. Brigitte Fickel Präsidentin von ABSOLVENTUM MANNHEIM
FORUM 1|2017 4–5 INHALT INHALT 60 FORUM 1|2017 10 40 BILDUNG SCHWERPUNKT VO N ZE IT Z U ZE IT M E DA I L L E N R E G E N FÜ R MANNHEIMER CAMPUSLEBEN SPORTSTIPENDIATINNEN 40 MANNHEIM 1794 E I N K A FFEEBEC HER FÜR 44 Computerspiel über Mannheim M A N N HEI M im 18. Jahrhundert 43 Schluss mit umweltverschmutzenden E IN E U N T E R WE N IG E N Einwegbechern 52 Der steinige Weg der ersten Hochschuldozentin „ I N TE G R ATI O N I S T Deutschlands 12 M I R E I N P E R S ÖN L I C H E S E I N S TÜCK S I LI CON VA L- ANLIEGEN“ L E Y I N DEN QUA D RATEN WO AL L E S B E G AN N Interview mit der Fulbright-Stipendiatin Die Startup-Lounge im Café L3 54 Die bauliche Entwicklung der Universität Mannheim Öznur Bakar 44 PROFIL seit 1955 14 S U RV E YCI RC LE I N N OVATI V E BWL-Absolvent mit Online-Plattform A UF D E M C AMP U S D E R Z U KU N F T L E H R E R A U S B I L DU N G erfolgreich 55 M I LLI ONE NF Ö RDERU N G Wie sich die Universität die kommenden Jahre erweitert 16 Universität erhält mehrere F ÜR MANNHEIMER VOLKS- FORSCHUNG Millionen Euro 46 DATE N WETTBEWERB D ES W IRT I N I N D E R U N T E RW E LT DE S E H R E N H O F S B U N D E S V ERKEHRS MI NI S - Michelle Sovinsky erhält ERC-Grant 6 Eine Reise in die Vergangenheit des Schlossbunkers 18 N E U E R M A S TE R S TU DI E N - TE R I U M S S C H ATTE N W I R TS C H A F T G A N G DATA S C I E N C E 47 Mannheimer Studententeam W I S S E NS CHAFTSMIN IS- Q U IZ Die Erforschung illegaler Märkte 33 ausgezeichnet 56 T ERI UM F ÖRDERT G RÜN- Unnützes Uni-Mannheim-Geschichtswissen 20 D UNGS KULT UR H O C H B U R G DE R M I G R ATI - Universität erhält über eine halbe IN O MN IB U S VE R ITAS O N S FO R S CH U N G NETZWERK Million Euro 6 Die Geschichte eines Zeichens 22 Mannheim ist Top-Adresse für Forscher aus ganz Europa 34 MENSCHEN A MT S WE CHS EL A N DER „ IN M AN N H E IM IST E S L E TZ TE R W I L L E A L S VE RWALT UNGSSP ITZ E ME IST E N S R U H IG “ M I T M I G R ATI O N N E U E R A N FA N G 48 PR E I S E UND Barbara Windscheid ist neue Kanzlerin 7 Ein Interview über Studentenprotest 24 WA H L K A M PF M AC H E N A U S Z E ICHNUNGEN 58 Die Bundestagswahl 2017 35 N E U E R HU M B O L D T- U LRI KE UND D R . AXEL I N D E R F R E MD E Z U H AU SE 28 S TI P E N DI AT FO R S C HER-P ORTRÄT W E BE R E RHALTEN U N I- M E H R E - A U TO S D U R C H Indischer Wissenschaftler forscht am Prof. Dr. Julia Angster 60 V E RS I TÄT S M EDAILLE 7 „ E IN T R U MP F, D E N W IR IM I N TE L L I G E N TE N AV I S ? 37 Internet der Dinge 50 DE U T SCH E N KO N T E X T B R AU C H E N “ E I N W I ED ERS EHEN MI T FAMILIENFREUNDLICHKEIT Ein Interview über die Profilbildung 30 CHIRURGIE AM MENSCH- E U RO PE A N FI N A N C E Borislav Bjelicic 62 G RO S S GE S CHRIEB EN LICHEN GENOM A S S O CI ATI O N Unterzeichnung der Charta „Familie in Interview mit Medizinrechtler Europas Finanzwissenschaftler treffen W I L L KOMMEN der Hochschule“ 9 Jochen Taupitz 38 sich im Schloss 51 Neue Professorinnen und Professoren 64
FORUM 1|2017 6–7 PROFIL WISSENSCHAFTS- MINISTERIUM FÖRDERT GRÜN- D U N G S K U LT U R A N D E R U N I V E R S I TÄT MANNHEIM PROFIL 1|2017 Die Universität Mannheim erhält vom Ministerium für Wissenschaft, For- schung und Kunst Baden-Württemberg bis 2019 eine Förderung von rund 520.000 Euro, um die Gründungskultur Ulrike und Dr. Axel Weber werden für ihr Engagement geehrt in Studium und Lehre weiterzuentwi- Foto: Elisa Berdica ckeln. „Studierende der Universität Mannheim haben vielversprechende Unternehmensideen und das Potenzial, diese erfolgreich umzusetzen. Durch ULRIKE UND MILLIONEN- die Förderung des Landes kann die DR. AXEL WEBER FÖRDERUNG FÜR Universität sie dabei besser unterstüt- E R H A LT E N U N I V E R - MANNHEIMER zen“, betont Prof. Dr. Michael Woywode, S I TÄT S M E D A I L L E Inhaber des Lehrstuhls für Entrepre- Dr. Susann-Annette Storm .... ... und ihre Nachfolgerin Barbara Windscheid VOLKSWIRTIN neurship sowie Leiter des Instituts Foto: Thomas Tröster Foto: Andreas Bayerl für Mittelstandsforschung (ifm) an der Die Universität Mannheim hat Ulrike Die Mannheimer Volkswirtin Prof. Universität Mannheim. AMTSWECHSEL AN DER und Dr. Axel Weber für ihr langjähriges Michelle Sovinsky, Ph.D., hat einen der Bereits seit einigen Jahren fördert die Engagement für die Universität geehrt. begehrten Consolidator Grants des Universität gezielt den Gründergeist V E R W A LT U N G S S P I T Z E Dr. Axel Weber studierte an der Universi- European Research Council (ERC) der ihrer Studierenden: Das ifm sowie das tät Mannheim Betriebswirtschaftslehre Europäischen Union erhalten. Mannheim Center for Entrepreneurship Die Mathematikerin Barbara Windscheid vor. In dieser Zeit war sie unter anderem und führte ab 1983 seine eigene Lea- In ihrem Forschungsprojekt, das der (MCEI) unterstützen Gründerinnen und ist neue Kanzlerin der Universität maßgeblich an der baulichen Entwick- singfirma in Mannheim. Er blieb der Uni- ERC mit über 1,2 Millionen Euro fördern Gründer auf ihrem Weg zum erfolgrei- Mannheim. Sie hat zum 1. Januar das lung der Universität beteiligt. Ohne ihren versität auch nach seiner Promotion bei wird, untersucht Sovinsky das ökono- chen Unternehmen. Erfahrene Gründer Amt von Dr. Susann-Annette Storm über- weitsichtigen Einsatz gäbe es heute Prof. Dr. Hans Raffée eng verbunden. So mische Verhalten von Unternehmen teilen ihre Erfahrungen bei einem nommen, die sich nach 16 Jahren in den nicht das Forschungs- und Lehrgebäude wirkt er seit vielen Jahren im Kuratorium und Individuen in Bezug auf Produkt- regelmäßigen Startup-Stammtisch Ruhestand verabschiedet. Als zweitem in B6 oder das neue Verwaltungsge- der Freunde der Universität Mannheim fälschungen, illegale Wettbewerbsprak- und Vortragsveranstaltungen wie den hauptberuflichen Mitglied des Rektorats bäude in L1. Auch die Renovierung des mit und engagiert sich ehrenamtlich als tiken und Drogenkonsum. Jedes Jahr sogenannten Founder Talks. Kurse über obliegt der Kanzlerin die Personal- und Schlosses ist mit ihr Verdienst. Sie hatte Rechnungsprüfer des Vereins. Prof. Michelle Sovinsky, Ph.D. wählt der ERC die vielversprechendsten Entrepreneurship sind außerdem Teil Wirtschaftsverwaltung der Universität. einen entscheidenden Anteil an der Foto: Andreas Bayerl Projekte aus, um sie mit einem Con- des BWL-Lehrplans. Sie ist zugleich Beauftragte für den Orientierung der Universität Mannheim Gemeinsam mit seiner Frau Ulrike solidator Grant zu fördern. Die Preise „Mit den Landesmitteln wollen wir die Haushalt und Leiterin der Verwaltung. an ihren Kernkompetenzen in den gründete er 2007 die Ulrike und Dr. Axel richten sich an exzellente Wissenschaft- Gründungskultur noch gezielter und um- Die Amtszeit beträgt sechs Jahre. Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Weber-Stiftung mit dem Ziel, Studierende lerinnen und Wissenschaftler, deren fangreicher fördern“, erklärt Woywode. und der erfolgreichen Profilpolitik des zu fördern. Sie wurde als Zustiftung in Promotion zwischen sieben und zwölf Geplant ist, ein Startup-Ökosystem mit Barbara Windscheid ist eine ausgewiese- Rektorats. die Stiftung Universität Mannheim über- Jahren zurückliegt. Silicon-Valley-Charakter rund um die ne Haushaltsexpertin mit vielschichtigen führt und trug so dazu bei, die zentrale Michelle Sovinsky ist seit 2015 Inha- Universität Mannheim zu schaffen: In Erfahrungen an zwei großen baden-würt- Als zentrale Ansprechpartnerin in teilwei- Universitätsstiftung mit aufzubauen. Mit berin des Lehrstuhls für Wirtschafts- neuen, fakultätsübergreifenden Kursen tembergischen Universitäten: Freiburg se schwierigen Verhandlungen mit dem dem Ertrag aus der Zustiftung werden theorie und Behavioral Economics sollen Ideen für Unternehmensgrün- und Karlsruhe. Zuletzt war sie an der baden-württembergischen Wissenschafts- Stipendien für Studierende finanziert. an der Universität Mannheim. Nach dungen entstehen und weiterentwickelt Universität Freiburg als stellvertretende ministerium war sie maßgeblich an den Darüber hinaus nimmt das Ehepaar Forschungsaufenthalten unter anderem werden. Zur Unterstützung der Grün- Kanzlerin für Controlling und Finanzen Solidarpaktverhandlungen sowie an der Geburtstage und andere festliche in Australien, den Niederlanden und der werden erfolgreiche Mentoren, zuständig. In dieser Funktion hat sie Ausgestaltung des Hochschulfinanzie- Ereignisse zum Anlass, sich von seinen Italien, war sie zwischen 2009 und insbesondere Alumni der Universität bereits intensiv mit der Universität rungsvertrags beteiligt, der die Finanzie- Gästen statt Geschenken Spenden 2015 als Associate Professor an der Mannheim, hinzugezogen. Zudem soll Mannheim zusammengearbeitet: Mit der rung der Universitäten im Land bis 2020 für das Deutschlandstipendium an der Universität Zürich tätig. Sie veröffent- die Zusammenarbeit und das gegen- Universität Freiburg besteht seit Ende regelt. Als Kanzlerin war Dr. Susann- Universität Mannheim zu wünschen. Die lichte zahlreiche Beiträge in renommier- seitige Vertrauen in der Gründerregion 2013 eine Kooperation bei der Einfüh- Annette Storm auch die Verantwortung so zustande kommenden Stipendien ten internationalen Fachzeitschriften, Rhein-Neckar gestärkt werden, sodass rung der kaufmännischen Buchführung gegenüber der Umwelt ein großes Anlie- werden vom Bund verdoppelt und kom- darunter American Economic Review, eine gründerfreundliche Atmosphäre mit SAP. Auch im Wissenschaftsministeri- gen: Strategien zur Energieeinsparung, men begabten Studierenden zugute. International Economic Review und geschaffen wird. (KAB) um ist die neue Kanzlerin gut vernetzt. Verwendung rein grünen Stroms oder Darüber hinaus engagieren sich Ulrike Econometrica. (YK) die Förderung des Radverkehrs auf dem und Dr. Axel Weber auch ehrenamtlich im Mehr über die Angebote für Gründer Dr. Susann-Annette Storm stand der Ver- Campus und der Bismarckstraße sind Ausschuss für die Vergabe des Deutsch- Mehr zum ERC-Projekt auf Seite 33. erfahren Sie auf Seite 54. waltung insgesamt zwei Amtsperioden Beispiele dafür. (KAB/ND) landstipendiums. (LML)
FORUM 1|2017 8–9 PROFIL D I E U N I V E R S I TÄT MANNHEIM IN DEN AKTUELLEN RANKINGS CHE-Masterranking: Psychologie auf THE World University Ranking: In U N I V E R S I TÄT Spitzenposition Forschung und Wissenstransfer unter MANNHEIM UNTER- den besten zehn Prozent weltweit Im aktuellen Masterranking des Centrum Z E I C H N E T C H A R TA für Hochschulentwicklung (CHE) erreicht Gleich in vier der insgesamt fünf „ FA M I L I E I N D E R die Mannheimer Psychologie den zwei- bewerteten Kategorien hat die Uni- HOCHSCHULE“ ten Platz. In 12 der insgesamt 13 unter- versität Mannheim mit Spitzenwerten suchten Kategorien – wie Berufsbezug, abgeschnitten und steht nun auf Platz Lehrangebot und Ausstattung – liegt die 102 des Times Higher Education Seit 2006 als familiengerechte Hoch- Universität Mannheim in der Spitzen- (THE) World University Ranking, das schule von der gemeinnützigen Hertie gruppe und ist damit die beste staatli- seit Jahren zu den international aner- GmbH zertifiziert, hat die Universität che Universität für ein Masterstudium kanntesten Rankings im Hochschulbe- Mannheim nun auch die Charta „Fami- im Fach Psychologie. Das CHE-Ranking reich zählt. Damit verbessert sie sich lie in der Hochschule“ unterzeichnet. ist das umfassendste und detaillierteste im Vergleich zum Vorjahr weltweit um Damit verpflichtet sie sich zur kontinu- Ranking im deutschsprachigen Raum. vier Plätze. Auch in den Bereichen ierlichen Weiterentwicklung ihres famili- Studierende an mehr als 300 Univer- Forschung und Forschungseinfluss enfreundlichen Arbeits- und Studienkli- MEHR ALS 240 sitäten in Deutschland, Österreich, der konnte sich die Universität Mannheim mas. Mit der Unterzeichnung der Charta STUDIERENDE Schweiz und den Niederlanden werden steigern und platziert sich – wie auch „Familie in der Hochschule“ tritt die Uni- MIT STIPENDIUM Foto: Thomas Tröster hierfür regelmäßig befragt. in der Wertung Wissenstransfer – un- versität auch dem gleichnamigen Best- ter den besten zehn Prozent weltweit. Practice-Club bei, der aus einer 2008 GEFÖRDERT In den fachbezogenen Einzelrankings geförderten Initiative des Beauftragten Im aktuellen Studienjahr werden mehr 179 Studierende sind derzeit mit einem kann sich die Universität Mannheim für die Neuen Bundesländer gemein- als 240 Studierende der Universität Deutschlandstipendium ausgezeichnet. Wirtschaftswoche: Personaler bevor- ebenfalls international behaupten: Im sam mit der Robert Bosch Stiftung und Mannheim mit einem Stipendium der Die monatliche Fördersumme von 300 zugen Absolventen der Universität Bereich Wirtschaftswissenschaften dem Centrum für Hochschulentwicklung Universität gefördert. Darunter sind Euro pro Stipendium wird je zur Hälfte Mannheim landet sie auf einem hervorragenden (CHE) entstanden ist. Ihm gehören alle Deutschlandstipendiaten, Sportstipendi- vom Bund und von privaten Förderern 23. Platz, im Bereich Sozialwis- 88 Hochschulen an, die die 2013 ein- aten, Stipendiaten der Stadt Mannheim bereitgestellt. Neben herausragenden In der jährlichen Personalerbefragung senschaften auf Rang 55. Dabei geführte Charta unterzeichnet haben. sowie internationale Studierende, Leistungen in Schule und Studium ist der Zeitschrift Wirtschaftswoche erzielt konkurriert sie mit Universitäten wie Durch diese Vereinigung entsteht ein die mit einem DAAD-Matching-Funds- auch die Bereitschaft, gesellschaftliche die Universität Mannheim in BWL die dem Massachusetts Institute of Tech- kompetentes, speziell auf die Wissen- Stipendium ausgezeichnet sind. Alle Verantwortung zu übernehmen, eines beste Bewertung – zum 13. Mal seit nology, Stanford, Oxford, Harvard und schaft zugeschnittenes Netzwerk, das Stipendien werden von der Universität der Auswahlkriterien für das Deutsch- 2002. 40 Prozent der 540 befragten Cambridge. (KAB) vom Erfahrungsaustausch der Mitglie- Mannheim mit Unterstützung von landstipendium. Zu den 46 Stipendien- Personalverantwortlichen bescheinigen der lebt und der Qualitätssicherung der Stiftungen, Privatpersonen, Unterneh- gebern zählen namhafte Unternehmen, den Mannheimer BWL-Absolventen, Charta-Standards dient. (KAB) men und Institutionen vergeben. Seit darunter BASF SE, Deutsche Bank und dass sie ihre Erwartungen am besten Einführung des Stipendiensystems im Allianz Deutschland AG. (RED) erfüllen. Aber auch die Absolventinnen Jahr 2007 kamen Studierenden der und Absolventen der anderen unter- Universität Mannheim insgesamt über Mehr Informationen unter suchten Fächer sind gefragt: Im Fach 1.700 Stipendien zugute. www.uni-mannheim.de/stipendium Wirtschaftsinformatik landet die Uni- versität Mannheim bei den Nennungen auf Platz 3 – besser sind nur die Tech- nischen Universitäten Darmstadt und München. Im Fach Volkswirtschaftslehre erreichen die Mannheimer Absolventen mit 19 Prozent der Nennungen Platz 4. Nach Angaben der Zeitschrift waren die Hauptkriterien für die Befragten Immer aktuell informiert: Abonnieren Sie kostenlos den Newsletter neben der Qualität der Ausbildung die der Universität Mannheim mit allen Neuigkeiten, Veranstaltungen Persönlichkeit der Bewerber sowie ihre und Terminen im Überblick. www.uni-mannheim.de/newsletter Foto: Stefanie Eichler Praxiserfahrung.
FORUM 1|2017 10–11 SCHWERPUNKT Bereits kurz nach Kriegsende 1946 erfolgte die Wiederer- öffnung der Handelshochschule als staatliche Wirtschafts- hochschule, die sich innerhalb von zwanzig Jahren zu einer Institution entwickelte, die alles hatte, was eine Universität kennzeichnet, allem voran einen akademischen Betrieb mit Forschung und Lehre, aber auch das Promotions- und Habili- tationsrecht. Die Erhebung zur Universität 1967 war deshalb im Grunde nur eine Umbenennung. Seitdem sind das Fächerangebot und die Studierenden- zahl stark gewachsen – von damals 3.000 auf heute rund Arbeitsraum der Bibliothek der Handelshochschule in A 3,6 12.000 Studierende. Mit dem eigenen Wachstum ist auch die bauliche Entwicklung dieser Universität eng verknüpft: 1952 beschloss das Land Baden-Württemberg den noch kriegszerstörten Ostflügel für die Wirtschaftshochschule Bis auf die Grundmauern zerstört: wieder aufzubauen. Im Mai 1955 zogen Studierende und Pro- das Schloss nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Stadt wollte es abreißen und dort eine fessoren ein, woran die Bronzetafel „Wirtschaftshochschule“ Verkehrsachse schaffen. Zum Glück ent- Text: Nadine Diehl über dem Haupteingang erinnert. Von da an breitete sich die schieden sich die Verantwortlichen anders. Fotos: Universitätsarchiv Universität aufgrund des ständig zunehmenden Raumbedarfs kontinuierlich im Schloss und entlang der Bismarckstraße aus – bis heute. E s ist das Jahr 1933. In der städtischen Handelshoch- schule in den Quadraten werden junge Kaufleute Die bauliche Entwicklung der Universität Mannheim ist G E S C H I C H T E N E I N E R U N I V E R S I TÄT ausgebildet – vorbildlich in jederlei Hinsicht. 1907 auf deshalb eines der großen Themen in diesem Schwerpunkt. Initiative des Mannheimer Bürgertums gegründet, hat die Außerdem nehmen wir Sie mit in den Untergrund des Ehren- VON Hochschule sich längst zu einem Zentrum höherer Bildung hofs, auf die erste Norwegerfete und ins besetzte Rektorat entwickelt: Es gibt ein Institut für Psychologie und Pädago- während der Studentenproteste in den Sechzigern, von denen gik sowie ein Dolmetscherinstitut, an dem der Kaufmanns- diese Ausgabe unter anderem erzählt. Für den Schwerpunkt nachwuchs in Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch bedanken wir uns bei Dr. Sandra Eichfelder, stellvertretende ZEIT ZU und Russisch unterrichtet wird. Die Studierenden besuchen Leiterin des Universitätsarchivs, für die enge Zusammenarbeit nicht nur Veranstaltungen in den Wirtschaftswissenschaften, und die Bereitstellung der historischen Aufnahmen. sondern auch Vorlesungen in Philosophie, Geschichte, Kunst und Naturwissenschaften. Zwar werden diese hauptsächlich ZEIT von Männern gehalten, unter den Dozenten sind jedoch auch mehrere Frauen. Als erste deutsche Hochschule beschäftigte die Handelshochschule bereits 1908 eine weibliche Dozentin. 1933, im Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten, 2017 jährt sich die Geburtsstunde der Universität Mannheim zum 110. wird die Handelshochschule dann aber trotz Protesten in die Universität Heidelberg eingegliedert – aus Kostengründen, Mal. Als ehemalige städtische Handelshochschule überlebte sie den Ers- wie es hieß. Eine Rolle spielte dabei gewiss auch die offene ten Weltkrieg. Und auch das Nazi-Regime konnte ihren Aufstieg letztlich Antipathie führender Nationalsozialisten gegen die Handels- nicht stoppen: 1933 geschlossen, erstand sie nach 13 Jahren als staat- hochschule, der eine Reihe bedeutender jüdischer Dozenten liche Wirtschaftshochschule wieder auf und wurde 1967 zur Universität angehörten. Diese wurden entlassen oder zwangsweise in umbenannt. Die Geschichten in diesem Schwerpunkt erzählen davon, wie den Ruhestand versetzt. Nur drei der vierzehn jüdischen Dozenten in Mannheim überlebten den Holocaust. Unter den sich die Universität Mannheim zu dem entwickelt hat, was sie heute ist. Ermordeten war auch Otto Selz, Leiter des Psychologischen Instituts und Rektor der Handelshochschule. Heute erinnern die Otto-Selz-Straße, die vom Osten um die Universität führt, und das Otto-Selz-Institut der Universität an den Erforscher Die Wirtschaftshochschule in den Gebäuden des Lessing-Gymnasiums Die Geschichte der Universität Mannheim von 1907 bis 2017 und noch mehr Bilder gibt es unter www.uni-mannheim.de/forum von Denkprozessen. in der Nähe der Friedrich-Ebert-Brücke. Erst 1955 zog sie ins Schloss.
FORUM 1|2017 12–13 SCHWERPUNKT 1907-1933 1946-1967 1968-1989 1990-2000 2001-2017 Text: Linda Schädler L indenhof, 1910. In der Erdgeschosswohnung von Pro- fessor Sally Altmann herrscht Trubel. Einer nach dem anderen treten Studierende der Handelshochschule in die bürgerliche Stube des Dozenten, sie machen es sich auf den Sofas bequem. Als alle ihren Platz gefunden haben, be- ginnt die wöchentliche Diskussion – über aktuelle Wirtschafts- themen, Politik, Soziales. Das Außergewöhnliche an diesem Dr. Rosmarie Günther Prof. Dr. Suzan Prof. Dr. Mila Seminartreffen ist nicht der Ort: Altmann ist engagiert, hat Foto: privat Denise Hüttemann Majster-Cederbaum eine offene Tür für Studierende. Es ist seine Frau. Denn sie Foto: privat Foto: Elisa Berdica reicht nicht nur Tee, sie diskutiert mit. Frauen auf Mannheimer Lehrstühle berufen werden. Die erste Auch in anderer Hinsicht entspricht Dr. Elisabeth Altmann- Lehrstuhlinhaberin in der Informatik ist Prof. Dr. Mila Majster- Gottheiner nicht der damaligen Norm. Sie engagiert sich im Cederbaum: Als sie 1984 mit nur 35 Jahren Professorin an Vorstand mehrerer Vereine der Frauenbewegung, kämpft für der Universität Mannheim wird, ist die Gleichstellung zwar im mehr Rechte und Bildung für Frauen. Im Beruf lebt sie das Grundgesetz verankert. Trotzdem muss sich die Wissenschaft- eigene Ideal: Seit 1908 unterrichtet und forscht die National- lerin gegenüber männlichen Kollegen immer wieder beweisen. ökonomin an der Handelshochschule Mannheim, hält Semi- Schon während des Studiums der Mathematik und Physik nare zur Arbeiterinnen- und Frauenfrage, zu internationaler war Majster-Cederbaum ständig mit Vorurteilen konfrontiert. Sozialpolitik. Sie ist damit die erste weibliche Lehrbeauftragte „Ich war eine von nur drei Studentinnen“, erinnert sich die an einer Hochschule – nicht nur in Mannheim und Baden, emeritierte Professorin, die heute als Seniorprofessorin an sondern im ganzen Deutschen Reich. der TU München forscht. „Bei Gruppenarbeiten wurde mir von Dozenten unterstellt, ich schreibe meinen Namen nur mit aufs Wie die männlichen Dozenten die Pionierin im Kollegium Papier.“ Auch die ersten Jahre als Lehrstuhlinhaberin seien aufnehmen, ist nicht überliefert. Der Rektor jedenfalls lobt schwierig gewesen. Als einzige Frau an der Fakultät fühlte ihre wissenschaftliche Arbeit. Altmann-Gottheiner sei „eine sie sich von den Kollegen zunächst nicht ernst genommen: unentbehrliche Ergänzung des Lehrplans“. 1925 wird sie auf „Im Fakultätsrat wurden meine Beiträge oft einfach übergan- seinen Vorschlag zur Ehrenprofessorin ernannt. Ihr selbst ist gen.“ Ein Kollege bezweifelte zudem nicht nur ihre fachlichen, diese Ehrung „als Frau doppelt wertvoll“. Der Weg dorthin war sondern auch ihre Fähigkeiten als Mutter – weil sie berufstä- immerhin nicht leicht: Erst 1896, als die gebürtige Berlinerin tig war. „Als ich zur Dekanin ernannt wurde, ist der Respekt 22 ist, dürfen die ersten Schülerinnen in Preußen das Abitur jedoch deutlich gewachsen“, sagt sie. ablegen. Die Zulassung zur Universität bleibt ihnen bis 1908 EINE UNTER verwehrt. Elisabeth Gottheiner jedoch hat den Willen zur Bil- Um anderen Frauen den Weg zur Professur zu erleichtern, dung: Ihr Studium der Nationalökonomie nimmt sie kurzerhand setzte sich Majster-Cederbaum später als Prorektorin für in London auf. Sie promoviert 1902 in Zürich – zwei Jahre vor Forschung für junge Wissenschaftlerinnen ein, rief ein Dok- ihrem späteren Ehemann. torandinnenkolloquium ins Leben und unterstützte weibliche Promovierende als Mentorin. Eine solche Förderung hat Prof. WENIGEN Eine Stelle als Dozentin erhält Altmann-Gottheiner jedoch erst, Dr. Suzan Denise Hüttemann, seit September Juniorprofesso- als Sally Altmann an die Handelshochschule berufen wird. rin für Strafrecht, nicht bekommen. Sie hat in Italien am Euro- „Wahrscheinlich hat er ihre Anstellung in seinen Berufungsver- päischen Hochschulinstitut in Florenz promoviert. Gerade ihre handlungen durchgesetzt“, sagt die Mannheimer Historikerin Zeit dort habe sie aber in ihrer Karriere bestärkt: „Im Ausland Dr. Rosmarie Günther, die das Leben der Ökonomin erforscht sind Frauen in der Wissenschaft viel üblicher“, sagt sie. Prof. Dr. Elisabeth Altmann-Gottheiner: die erste Hochschul- hat. Das Mannheimer Kollegium sei zwar recht liberal gewe- dozentin Deutschlands | Foto: Universitätsarchiv sen, „ohne die Unterstützung eines Mannes hätte sie es zur An der Universität Mannheim sind mittlerweile 50 von 195 Frauen in der Wissenschaft haben an der Universität damaligen Zeit trotzdem nicht geschafft.“ So bleibt Altmann- Professuren von Frauen besetzt. Dass es in den Rechtswissen- Mannheim eine lange Tradition: Als erste deutsche Gottheiner auch lange die einzige weibliche Wissenschaftlerin schaften noch immer an Professorinnen mangle, liege vermut- Hochschule beschäftigte die damalige Handelshoch- an der Handelshochschule. Bis zu ihrer Schließung 1933 lich an der langen Ausbildungszeit und der starken Konkurrenz schule Mannheim ab 1908 eine Frau als Dozentin. Auch kommen aber noch drei weitere Frauen hinzu. mit der Justiz, so Hüttemann. Durch Juniorprofessorenstellen wenn der Weg zur Professur für viele Frauen immer noch wie ihre werde es für Frauen aber attraktiver, in der Wissen- 1946. Als die Wirtschaftshochschule neu gegründet wird, schaft zu bleiben. Dass sie eine von nur zwei weiblichen Profes- kein leichter ist, haben sich die Bedingungen für Wissen- gerät der Aufwärtstrend zunächst ins Stocken. Zwanzig sorinnen in der Abteilung ist, empfindet sie nicht als Problem. schaftlerinnen seitdem enorm verbessert. Das zeigen die Jahre dauert es, bis mit der Geografin Gudrun Höhl und der „Das Kollegium ist aufgeschlossen“, sagt Hüttemann. „Man Karrieren dreier Professorinnen – von damals bis heute. Erziehungswissenschaftlerin Elfriede Höhn die ersten zwei setzt sich nachdrücklich dafür ein, Frauen zu fördern.“
FORUM 1|2017 14–15 SCHWERPUNKT WO ALLES Lessing-Gymnasium, Josef-Braun-Ufer 15-16: Bis 1955 war das die bescheidene Adresse der BEGANN 1983: E7 Universitätsarchiv Wirtschaftshochschule (WH). Doch von Jahr Gesundheitszentrum zu Jahr kamen immer mehr Studierende, bis das Land entschied: Die Hochschule gehört DIE BAULICHE ENTWICKLUNG DER ins Schloss. Von da an breitete sich die WH und U N I V E R S I TÄT M A N N H E I M S E I T 1 9 5 5 später die Universität kontinuierlich entlang der 1998: D7 Bismarckstraße aus. Diese Karte zeigt, wann GESS welche Quadrate und Gebäude erstmals von der Universität Mannheim genutzt wurden und was sich dort derzeit befindet. 2010: D2 2014: C7 Fitness- und Kraftstudio Yoga-Zentrum 1994: M2 IBZII 1988: L15 Rechenzentrum 1994: B6 Wirtschaftsinformatik Informatik Romanistik 1982: L2 1988: A3 Sprachwissenschaft Welcome Center 1972: A5 Audimax Internationales Begegnungszentrum (IBZI) Sozialwissenschaften Universitätsbibliothek 2010: L1 Mathematik und Informatik Verwaltung Universitätsbibliothek 1971: L4 1970: L13 Wirtschaftspädagogik Otto-Selz-Institut Psychologie Sonderforschungsbereich 884 1973: Westflügel 1965: L5 Rechtswissenschaften BWL Universitätsbibliothek 1955: Ostflügel Mannheim Business School BWL 2009: Parkring 2014: Friedrichspark Sozialwissenschaften Alfred-Delp-Sportanlage Fachschaften Studierendeninitiativen 2009: Kaiserring 1973: L9 Philosophische Fakultät BWL GESS 1974: Mensa Service und Marketing GmbH ABSOLVENTUM 1962-65: Schneckenhof BWL 1973: Ehrenhof West Universitätsbibliothek Literatur- und Sprachwissenschaft 1996: L7 2009: Haus Oberrhein VWL Medien- und Kommunikationswissenschaft 1970/71: Ehrenhof Ost Geschichte Psychologie 2006: Aufstockung Schloss Mittelbau Rechtswissenschaften GESS Stand: März 2017 Hasso-Plattner-Bibliothek Die Karte bildet nicht die Belegung aller Gebäude im Detail ab, sondern stellt zur Übersichtlichkeit nur eine Auswahl dar.
FORUM 1|2017 16–17 SCHWERPUNKT 1907-1933 1946-1967 1968-1989 1990-2000 2001-2017 Forschungs- und Lehrgebäude in B6 | Bild: wulf architekten L aub vom vergangenen Herbst wird vor einer verlassenen anmieten, die zudem auch noch ungünstig gelegen sind“, Kasse aufgewirbelt. Wo sich einst Zuschauer durch die erklärt Architekt Möller. So mussten zum Beispiel die Juristen AUF Drehkreuze am Eingang drängten, um den Mannheimer für die Renovierung des Westflügels für zwei Jahre in den Adlern zuzujubeln, herrscht Totenstille. Nur der Wind pfeift Kaiserring am Hauptbahnhof ziehen. Jetzt sind dort Teile der durch die leeren Tribünen – und ein Hauch vergangener Zeiten, Philosophischen Fakultät untergebracht, die das Schloss für als hier beim Public Viewing während der Fußball-EM 2016 die die Sanierung des Bereichs Ehrenhof Ost räumen mussten. Fans noch die Nationalhymne grölten und Deutschlandfahnen DEM schwenkten. Jetzt trainiert hier nur noch der Inline-Sport-Club Rund 8.500 Quadratmeter hat die Universität derzeit angemie- Mannheim, ansonsten gleicht das „Alte Eisstadion“ einer tet. Mit 5.000 Quadratmetern wird das Gebäude in B6 den Geisterstadt. Doch das soll sich bald ändern. Nach Abbruch größten Teil davon stemmen. Dieses wird zum neuen Zuhause des Eisstadions will sich die Universität Mannheim auf dem für die Graduate School of Economic and Social Sciences Gelände des Friedrichsparks weiterentwickeln. (GESS), den Sonderforschungsbereich 884 sowie für die Lehr- CAMPUS stühle der Medien- und Kommunikationswissenschaft (MKW), die bisher auf drei Stockwerken im weit entfernten „Haus Oberrhein“ am Hafen untergebracht waren. „Die MKW könnte aufgrund ihres Fokus auf Neuen Medien dann enger mit der Informatik zusammenarbeiten, die sich nun direkt nebenan befindet“, erklärt Hubert Tomesch, Leiter des Dezernats für DER Raumverwaltung und Organisation. „Durch die neuen Gebäude haben wir jetzt die Chance, auch räumlich zusammenzubrin- gen, was fachlich bereits zusammengehört.“ Das betreffe nicht nur die MKW oder die bisher an drei Standorten unterge- brachten Teile der GESS. Derzeit sei er mit sämtlichen Fakultä- ZUKUNFT ten zwecks einer räumlichen Neueinteilung im Gespräch. „Durch die neuen Gebäude haben wir jetzt die Chance, auch räumlich zusammenzubringen, was fachlich In diesem Sommer werden das neue Forschungs- und Lehrgebäude in B6 sowie das Studien- und bereits zusammengehört.“ Konferenzzentrum der Mannheim Business Hubert Tomesch, Leiter des Dezernats für Raumverwaltung und Organisation Ob und wie das Gelände genutzt werden kann, wird in weiteren School fertiggestellt. Doch damit ist die bauliche Schritten gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg und Erweiterung der Universität noch nicht abge- der Stadt Mannheim untersucht. „Dabei geht es nicht nur um Auf dem Campus der Zukunft sollen nicht nur die Fächer schlossen: In den dafür zuständigen Dezernaten die bauliche Entwicklung der Universität, sondern auch um die weniger verstreut sein, auch die Gebäude: Nur noch zwei arbeitet man bereits an den nächsten Plänen für Anbindung der Uni an den Rhein und den Hauptbahnhof, die Zentren soll es geben – den Campus Ost rund ums Schloss, derzeit nicht optimal ausgestaltet ist“, erklärt Stephan Möller, das weiterhin den Kern der Universität bilden wird, sowie den das Campusgelände. Leiter des Baudezernats der Universität Mannheim. Am liebs- Campus West in A5, B6 und im Friedrichspark. Eine Anlage für ten wäre der Uni ein Gebäude, in das Lehrstühle bei Bedarf den Hochschulsport mit Spielfeldern für Fußball, Basketball Text: Nadine Diehl ausgelagert werden können. „Wir müssen an irgendeiner Stel- und verschiedene Beachsportarten hat die Universität in dem Foto: Stadtarchiv Mannheim le im Schloss immer renovieren und dann Ersatzräume teuer Park bereits.
FORUM 1|2017 18–19 SCHWERPUNKT 1907-1933 1946-1967 1968-1989 1990-2000 2001-2017 IN DER UNTER- D urch eine Tür im Kunstturm des Ehrenhofs geht es ner den Bunker an den Hotelier Karl Laurenzi, der nach diversen Re- W E LT D E S vorbei an langen Rohren novierungsarbeiten das und Heizkesseln hinunter offizielle Bunkerhotel am in eine verborgene Welt. Schloss eröffnete. Vor Mit jedem Schritt schwit- allem den Arbeitnehmern EHRENHOFS zen die Hände etwas mehr, klopft das Herz ein bisschen schneller. Ein leichtes Schwindelgefühl der ansässigen Unter- nehmen, die nicht in dem zerstörten Stadtgebiet wohnen konnten, sowie Im Dezember 1940 wurde Mannheim als erste macht sich breit, in der Handelsreisenden diente deutsche Stadt im Zweiten Weltkrieg bei einem Enge des Schlossbun- das Hotel als Unterkunft. kers. „Die Luftqualität ist Laut Laurenzi soll es flächenhaften Luftangriff bombardiert. In Folge erstaunlich gut. Genü- 1947 jede Nacht ausge- dessen wurden über das Stadtgebiet verteilt in gend Sauerstoff und bucht gewesen sein. Drei nur zwei Jahren über fünfzig Hoch- und Tiefbunker nicht zu feucht, deshalb Jahre später wurde es gebaut, die schätzungsweise 130.000 Menschen haben wir hier unten jedoch vorerst geschlos- auch keinen Schimmel. sen: In den Bunker lief Schutz boten. Einer von ihnen befindet sich unter An schlechter Luft kann Wasser und stand dort dem Ehrenhof des Schlosses und hat eine beweg- es also nicht liegen“, 40 Zentimeter hoch. Die te Geschichte. beruhigt Christoph Her- Nachfrage ging zurück. zog vom Hochbauamt in Laurenzi kündigte darauf- Mannheim, der für den hin den Pachtvertrag. Text: Nadine Diehl Bunker zuständig ist. Mit seiner Taschenlampe leuchtet er in Das Bunkerhotel empfängt seine Gäste: einen der vielen Räume, die sich links und rechts der Korrido- Wie 1950 steht auch heute noch das Wasser im Bunker 1950 kostete eine Übernachtung 3,50 Mark re befinden. Das Kopfkino beginnt. manchmal kniehoch. Über die ehemaligen Eingänge, vier Git- Foto: Stadtarchiv Mannheim terschächte auf dem Ehrenhof, läuft der Regen hinein. „Heute Die Gedanken projizieren ein Bett und einen kleinen Tisch sind die Gitter verschlossen, früher konnte man sie hochhe- mit Stuhl in den Raum, der kaum größer ist als eine Abstell- ben und hatte so Zugang zum Bunker“, erklärt Herzog. 1996 kammer. Das Bett ist ungemacht, Bücher stapeln sich auf machten sich Studierende diese Schwachstelle zu Nutze. dem Tisch, an dem ein Student der Wirtschaftshochschule für Jemand hatte sich den Schlüssel zu einer der Bunkertüren seine Seminare büffelt. 1955 wurde der Schlossbunker für ein und dem Gitter verschafft. Für ein Jahr feierten Studierende Jahr zum Studentenwohnheim umfunktioniert. Die Monats- und andere Partygänger hier unten Techno-Partys. Der Bunker miete für ein Einzelzimmer betrug 24 Mark. Für einen Aufpreis wurde zur Underground-Disko umfunktioniert. Ein DJ legte auf, gab es auch Bettwäsche. Die meisten der rund 80 Studieren- es stank und war dunkel. „Sie hatten die Wände komplett den, die darin wohnten, hatten bereits Bunkererfahrung. Denn bunt bemalt, das haben wir überstrichen“, sagt Herzog. Nur zuvor diente der Bunker unter dem Goetheplatz jahrelang als die bunten Türrahmen erinnern noch an diese Zeit. Durch das Wohnheim. Da die Studierenden dort wegen dem Bau des Na- Weiß an der Wand schimmert hier und da ein bisschen Farbe. tionaltheaters ausziehen mussten, wurde der Schlossbunker In der Fantasie vibrieren die Wände zum Beat. Man spürt den ihr neues Zuhause – auf ihren eigenen Wunsch hin. Schweiß, der von der Decke tropft, unter der junge Menschen eng gedrängt tanzen – im Rausch aus Alkohol, Ecstasy und Das Studentenwohnheim war nur eine von vielen Funktionen, LSD. Nachdem die Bunkerdisko jedoch aufgrund des exzes- die der Bunker über die Jahrzehnte hinweg übernahm. Unmit- siven Drogenkonsums in die Schlagzeilen gerät, beendet die telbar nach dem Krieg diente er aufgrund der angespannten Polizei das nächtliche Treiben durch eine Räumungsaktion. Wohnsituation als Übernachtungs- und Durchgangsheim für Kriegsflüchtlinge, Waisenkinder und Reisende, aber auch als Mit den aus den Fugen geratenen Partys endet auch die Altersheim. Die Rhein-Neckar-Zeitung beschrieb ihn damals bewegte Geschichte des Schlossbunkers. Ein paar Mal wurde als „Oase im Trümmerfeld“ und lobte seine sanitären Verhält- er der Öffentlichkeit noch zugänglich gemacht, bei der Langen nisse. Die Toiletten und Waschräume aus dieser Zeit gibt es Nacht der Museen 2010 und beim Schlossfest 2011. Herzog dort heute noch. Herzog leuchtet hinein. Der Film läuft weiter. schließt aus, dass er in Zukunft wieder eine Funktion haben wird. Zu teuer sei die Renovierung. Und so erzählt der Bunker Die Baugrube des Schlossbunkers 1941: Nach der Fertigstellung konnten hier im Vor dem geistigen Auge sieht man Hotelgäste, die sich hier weiter seine Geschichten – in der Stille, verborgen unter dem Notfall bis zu 3.000 Menschen Schutz finden | Foto: Stadtarchiv Ludwigshafen waschen und die Zähne putzen, bevor sie zu Bett gehen. 1946 Ehrenhof. verpachtete die Stadtverwaltung auf Anregung der Amerika-
1A Die Eichbaum-Brauerei wollte im ehemaligen Kohle- keller für rund 1,2 Millionen Euro einen Jazzkeller mit oberirdischem Biergarten errichten. Letztendlich kam das Vorhaben jedoch nicht zustande. C) ein Atomschutzbunker Krimiautoren 2B Der Zusatz @rummelplatz ist die Kreation einiger B) ein Hotel C) der Vater eines der ersten deutschsprachigen findiger Informatiker im damaligen Rechenzentrum der A) eine Disko B) ein Wirtschaftswissenschaftler Universität, denen „rumms“ schlicht zu langweilig war. A) ein Schweizer 3C Sicherlich hätte man in der Aula auch Theater- über 75-jährigen Geschichte nicht? Zweiten Weltkriegs unter den Ehrenhof gebaut wurde, in seiner Jahre 1911 nicht? stücke aufführen oder Tennis spielen können. Im 18. Was war der Schlossbunker, der 1941 während des 10. 4. Was war der erste Rektor der Handelshochschule im Jahrhundert wurde sie unter Kurfürst Carl Theodor jedoch von der Kurfürstlichen Akademie der Wissen- schaften als Bibliothek genutzt. Die Kurfürstliche Hofbibliothek in der Im Zuge des Fliegerangriffs Anfang September 1943 C) WLAN in allen Hörsälen C) kurfürstliche Hofbibliothek heutigen Aula. 1943 wurde sie zerstört. wurden das Schloss und seine Bibliothek zerstört, Foto: Uniarchiv B) über 10.000 Studierende B) adliges Ballhaus (eine frühe Form der Tennishalle) wodurch unbezahlbare Kulturgüter verloren gingen. A) eine Mensa A) Hoftheater 4B Anders als erwartet war der erste Rektor der damaligen Handelshochschule, in der die Universität Seit Jahrzehnten eine Institution: Mannheim ihre Wurzeln hat, kein Wirtschaftswissen- Die Norwegerfete im Schneckenhof Foto: schneckenhof.de schaftler: Dr. phil. Charles Pierre Glauser († 1937) war 9. Im Jahr 1995 hatte die Universität erstmals … 3. Die heutige Aula diente einst als … ein Romanist aus der Schweiz. Sein Sohn Friedrich Glauser zählt zu den bedeutendsten Schweizer Schrift- C) Kaffeeautomaten C) @rumpsteak.uni-mannheim.de stellern und wichtigsten Wegbereitern des modernen B) Schneckenhofparties B) @rummelplatz.uni-mannheim.de Kriminalromans. A) Badewanne A) @rumpelkammer.uni-mannheim.de 5C Mehr über die Geschichte des Siegels auf Seite 22. 6A Bis in die 1930er Jahre hielt die Straßenbahn im zu Ende – und zwar die der … oftmals etwas anderes. Was war das? Ehrenhof des Schlosses, machte dort einen Bogen um In den Anfangszeiten des Internets stand an dieser Stelle eine Reiterstatue, die es heute nicht mehr gibt, weil sie von den Nationalsozialisten abgerissen wurde, und 8. Eine Ära geht dieses Jahr an der Universität Mannheim steht für „Rechenzentrum Universität Mannheim Mail Server“. enthalten den Zusatz „@rumms.uni-mannheim.de“. RUMMS fuhr wieder hinaus. Der ehemalige Kohlekeller der Univer- 7B Und wer hat’s erfunden? Die Norweger! Bis Ende sität: Fast wäre daraus ein Jazzkeller Charles Glauser, der erste Rektor der der Achtziger bildeten sie die größte Gruppe an inter- geworden. 2. Viele E-Mail-Adressen an der Universität Mannheim schaften, kurz SpLit Handelshochschule Foto: Katja Bauer nationalen Studierenden an der Universität Mannheim. C) die Fachschaft für Sprach- und Literaturwissen- Foto: Uniarchiv B) die Norweger Ein Relikt aus dieser Zeit ist die Norwegerfete im A) die BWL-Fachschaft C) als Studentenwohnheim Schneckenhof, die erste Schneckenhoffete überhaupt. Mehr dazu auf Seite 28. B) als Tiefgarage 8A In diesem Jahr geht die Ära des Seminarraums EO statt – wer richtete sie aus? 289 zu Ende – über Studentengenerationen hinweg A) als Jazzkeller mit oberirdischem Biergarten besser bekannt als die „Badewanne“. Der Raum hatte 7. Anfang der Siebziger fand die erste Schneckenhofparty seinen Namen wohl seiner Bauform zu verdanken: im Gespräch. Wie wollte man ihn damals nutzen? Kam man durch die Tür herein, hatte man das Gefühl tät. Der Umbau dieses Kellers war bereits Ende der Neunziger am Rande eines leeren Schwimmbeckens zu stehen School fertiggestellt – im ehemaligen Kohlekeller der Universi- C) auf der heutigen Mensawiese das Studien- und Konferenzzentrum der Mannheim Business in das man über ein Treppengeländer hineinsteigen Die „Badewanne“ B) im Schneckenhof 1. Nach zwei Jahren Bauzeit wird gegenüber der Mensa nun musste. Waren unten keine Stühle mehr frei, konnte Foto: Lutz Spitzner A) im Ehrenhof man auch oben am „Beckenrand“ Platz nehmen. Im 6. Die Straßenbahn hielt einst ... Zuge der Sanierung des Ehrenhofs Ost, die gerade in vollem Gange ist, verschwindet dieses Stück Mannhei- Vorschlag für das Siegel der Wirtschafts- mer Universitätsbaukunst. hochschule im Jahr 1955 Bild: Uniarchiv 9B 1995 waren an der Uni Mannheim erstmals C) eine Eule 10.000 Studierende eingeschrieben, heute sind es B) ein Bär rund 12.000. Die erste Mensa gab es bereits 1955 als die damalige Wirtschaftshochschule ins Schloss Geschichtswissen A) ein Stier Unnützes Uni-Mannheim- zog. Damals befand sie sich noch im Schneckenhof, chen zur Abstimmung, nämlich … wo heute die BWL ihre Bibliothek hat. WLAN in allen stand im Senat noch ein anderes Logo als neues Markenzei- Hörsälen gibt es auch heute leider immer noch nicht. der Wirtschaftshochschule 1955 eingeführt wurde. Damals 10C Der Schlossbunker hatte viele Verwendungen versität Mannheim ist heute ein Siegel, das schon zu Zeiten nach dem Krieg: Anfangs war er ein Übernachtungs- SIE‘S? und Durchgangsheim für Kriegsflüchtlinge, Waisen- kinder und Reisende. 1946 wurde er zu einem Hotel 5. Das Kernstück des neuen Corporate Designs an der Uni- Der Schlossbunker von 1946-1950 umgebaut, 1955 zu einem Studentenwohnheim und Foto: Stadtarchiv Mannheim 1895 hielt die Pferdebahn auf dem Eh- WISSEN renhof vor dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal 1996 feierten Studierende darin Elektro-Partys. Wäh- Foto: Stadtarchiv Mannheim rend des Kalten Krieges erwog der Bund, den Bunker in einen ABC-waffensicheren „Zivilschutzraum“ umzu- funktionieren. Die erforderlichen Baukosten überstie- gen jedoch das Budget. 20–21 SCHWERPUNKT FORUM 1|2017
FORUM 1|2017 22–23 SCHWERPUNKT 1907-1933 1946-1967 1968-1989 1990-2000 2001-2017 „IN OMNIBUS V E R I TA S “ – DIE GESCHICHTE EINES ZEICHENS Mit dem feierlichen Einzug der Wirtschaftshoch- Text: Nadine Diehl schule 1955 ins Mannheimer Barockschloss ent- Bilder: Universitätsarchiv wickelte der damalige Rektor gemeinsam mit ei- nem Goldschmied ein Siegel als Markenzeichen für die Hochschule. Mitte der Neunziger galt es S chon bei den alten Griechen stand sie als Symbol der So machte sich der Goldschmied ans Werk. Im Juli 1955 als veraltet und wich einer reinen Wortmarke. Göttin Athene für Weisheit: die Eule. Heute kommt sie wurde das Siegel dem Senat vorgestellt. Das Votum fiel oft mit einem Doktorhut daher, trägt eine Hornbrille und eindeutig aus: Signet statt Eule. Zum ersten Mal war es Jetzt ist das Siegel wieder da und Kernstück hat ein Buch unter den Flügel geklemmt. Ob Schulen oder auf dem Vorlesungsverzeichnis des Wintersemesters des neuen Corporate Designs, mit dem sich die Kindergärten – überall sind die gefiederten Oberlehrer als 1955/1956 zu sehen und schmückte von da an viele Universität Mannheim international präsentieren Symbol im Einsatz. Auch 1955, als die Wirtschaftshochschule Dokumente der Universität – bis etwa Mitte der Neunziger. möchte. auf der Suche nach einem geeigneten Logo war, stand die Eule Da verschwand es fast gänzlich. Dem damaligen Zeitgeist im Senat zur Debatte. geschuldet hielt man Siegel und lateinische Aufschriften für altmodisch und verwendete nur noch die Wortmarke „Univer- Der Alternativ-Entwurf eines Goldschmieds aus Schwäbisch- sität Mannheim“. Im Zuge des zunehmenden internationalen Gmünd war da schon origineller. Im März 1955, zwei Monate Wettbewerbs erfährt das traditionsreiche Siegel jedoch eine bevor die Wirtschaftshochschule in den Ostflügel des Schlosses Wiederbelebung: Siegel sind wieder „in“ und haben einen einziehen sollte, schrieb ihm der da- hohen Wiedererkennungswert – das malige Rektor, Prof. Dr. Eduard Willeke, zeigen namhafte Beispiele wie Har- einen Brief. Er wolle ein Siegel, das vard oder Cambridge. die alte Schloss-Stadt Mannheim sym- bolisiert, und schickte ihm dazu den Auch die Universität Mannheim hat Grundriss aus dem 18. Jahrhundert. in einem komplett neu entwickelten Die Wirtschaftshochschule sei „aus Corporate Design das Siegel zurück- dem Bürgergeist der Stadtgemeinde“ geholt. Im Zuge dieses Redesigns ar- entstanden, weshalb die Quadrate auf dem Siegel nicht fehlen beitet sie auch an einem neuen Webauftritt, der voraussicht- dürften – und so auch das Schloss. Denn hier befand sich da- lich Ende 2017 online geht. Die Homepage einer Universität mals die Kurfürstliche Akademie der Wissenschaften, die Kur- ist für die meisten zukünftigen Studierenden und Wissen- fürst Carl Theodor im Jahr 1763 gründete und zum „geistigen schaftler die erste Anlaufstelle, um sich über die Institution Mittelpunkt der ehemaligen Kurpfalz“ machte. Deren Tradition zu informieren – national wie international. Noch ein Grund wolle die Wirtschaftshochschule wieder aufnehmen. „in omnibus mehr, warum es besser ist, dass das Markenzeichen der Grundriss der Stadt Mannheim aus dem 18. Jahrhundert. Er diente als Vorlage für das veritas suprema lex esto“ (In allem Wahrheit sei das höchste Universität keine Eule geworden ist. In vielen Kulturen gilt sie Siegel. | Bild: Stadtarchiv Mannheim Gesetz) war Motto und Auftrag der Kürfürstlichen Akademie zu- nämlich als Symbol für Finsternis und Tod. gleich. Auch dieses Credo sollte deshalb Verwendung finden.
FORUM 1|2017 24–25 SCHWERPUNKT 1907-1933 1946-1967 1968-1989 1990-2000 2001-2017 FORUM: Prof. Raffée, Sie sind Ende 1969 an die Universität Raffée: Das ist sicherlich richtig. In Mannheim wurde bei Pro- Mannheim gekommen. Zuvor waren Sie Privatdozent in Frank- testen auch immer die Form gewahrt. Die Studierenden in der furt. Welchen Unterschied gab es zwischen den beiden Unis, BWL-Fakultät haben nicht provoziert oder mit Tintenfässern INTERVIEW was die 68er-Bewegung anbelangte? geworfen, wie das anderswo passierte. „IN MANNHEIM Raffée: Das war ein Unterschied wie Tag und Nacht. In Frank- furt war die Crème de la Crème des SDS, des linken Studie- IST ES rendenverbands im AStA, und die Soziologen und Politologen spielten dort natürlich eine viel größere Rolle. Da war es nichts Ungewöhnliches, dass die linken Studenten regelrecht das Podium stürmten, dem Professor das Mikrofon wegrissen MEISTENS und sagten: „Du bist jetzt still, jetzt sind wir dran!“ In Frankfurt ging es hoch her und insofern waren es ruhige Gewässer, als ich dann hierher nach Mannheim kam. RUHIG“ Gassert: Interessant ist auch, dass in Mannheim im Vergleich zu Frankfurt, Berlin oder auch Heidelberg, der Fokus viel mehr auf Universitätsfragen lag. Eine nennenswerte Protestbewegung 1969 stürmen Studierende das Rektorat, 1988 belagern sie gab es erst 1969 und zwar in dem Moment, als es um die mit Zelten den Ehrenhof, 2004 demonstrieren sie gegen die innere Struktur der Universität ging. Es gab eine große Diskus- Studiengebühren und zwei Jahre später gegen die Profilbildung. sion über eine neue Grundordnung, mit der man versuchte, die Einer, der sämtliche Studentenproteste in der Geschichte der Beteiligung der wissenschaftlichen Assistenten und Studieren- Universität Mannheim miterlebt hat, ist der emeritierte Mar- den in den Universitätsgremien festzuschreiben. Die Studenten FORUM: Den nächsten größeren Protest gab es erst wieder ketingprofessor und ABSOLVENTUM-Ehrenpräsident Prof. Dr. wünschten sich eine größere Beteiligung, die sie mit einer Rek- Ende der Achtziger. Da ging es um überfüllte Hörsäle und Hans Raffée. Im Interview diskutiert der 87-Jährige mit dem toratsbesetzung durchsetzen wollten. Es ging also weniger um schlechte Studienbedingungen im Allgemeinen. Die Studieren- Mannheimer Protestforscher Prof. Dr. Philipp Gassert, Inhaber die allgemeinen Fragen der 68er-Bewegung, wie Vietnamkrieg, den forderten unter anderem mehr Tutorien, mehr Bücher in des Lehrstuhls für Zeitgeschichte, über die Ereignisse. Nazi-Vergangenheit oder sexuelle Befreiung. Es gab auch keine der Universitätsbibliothek und mehr Lehrpersonal. Sie selbst gewalttätige Konfrontation wie in Berlin oder Frankfurt. Zum sind bei der Demonstration im Dezember 1988 mitgelaufen. Interview: Nadine Diehl großen Protest fehlten im Grunde die vielen linken Soziologen. Wie war da die Stimmung in Ihrer Fakultät? Foto: Universitätsarchiv Raffée: Die Kollegen, die ein Ohr für die Belange der Studie- renden hatten, waren die absolute Minderheit. Gerade für die älteren war das eine neue Welt. Die sagten: „Wo gibt’s denn sowas? Wir geben hier den Ton an!“ Wir jüngere Professoren hielten das für falsches Anspruchsdenken. Ich wäre nicht mitgelaufen, wenn ich nicht das Grundanliegen der Studie- renden für legitim angesehen hätte. Wir sahen ja selbst die Misere in der Lehre, wenn zu viele Studierende auf einen Professor entfallen. Gassert: Interessant ist, dass das ein Dauerthema ist, das sich über die Jahrzehnte hinweg gehalten hat. Die Studenten- zahlen steigen bis heute. Auch jetzt haben wir wieder mehr Studierende als vor fünf Jahren, aber unsere Stellenausstat- tung wächst nicht in der gleichen Weise mit. An der Univer- FORUM: Lag es allein an den Fächern, dass es in Mannheim sität leiden wir – zumindest gefühlt – immer unter Bedingun- nicht so heiß herging? gen der Überfüllung und trotzdem halten die Leute manchmal über Studentengenerationen hinweg die Füße still. Im Prinzip Gassert: Nicht nur. Mannheim war ja erst seit 1967 Univer- könnte es auch heute noch zum großen Knall kommen. sität. Das heißt, es gab nicht die tradierten Strukturen einer klassischen Ordinarienuniversität, wie beispielweise in Hei- Raffée: Ich glaube, ein wichtiger Faktor, warum die Studie- delberg oder Tübingen. Die Universität hatte ein egalitäreres renden das heute hinnehmen, ist die Qualität der Lehre an Selbstverständnis. Außerdem war sie relativ klein, wodurch dieser Uni. Gerade auch die Entlastung durch Übungen und es eine größere Nähe zwischen Studierenden und Lehrper- Tutorien lässt das zahlenmäßige Missverhältnis wohl eher sonal gab. Wenn Sie sich allerdings die Geschichte dieses verkraften. Außerdem bietet die Universität vor allem auch Studentenprotestes anschauen, waren die Träger tatsächlich durch ABSOLVENTUM, unsere Vereinigung der ehemaligen die Sozial- und Geisteswissenschaften. In Mannheim waren und jüngeren Studierenden, Veranstaltungen an, die nicht „Die Uni platzt aus allen Nähten“: Studierende protestieren 1988 auf dem Ehrenhof hingegen die BWL-Studenten in der Überzahl, die – ohne ihnen unbedingt zum Standardprogramm gehören – zum Beispiel gegen schlechte Studienbedingungen und überfüllte Hörsäle. nahetreten zu wollen – ja eher konsensorientiert sind und sich ein gutes Mentoren-Programm, das es in dieser Qualität nur als Stütze der Gesellschaft verstehen. an ganz wenigen Universitäten gibt.
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