V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim

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V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
DAS MAGAZIN VON ABSOLVENTUM UND DER UNIVERSITÄT MANNHEIM            AUSGABE 1|2017

      VON
      ZEIT ZU
      ZEIT
      Geschichten
      einer Universität

EIN STÜCK                  DIE ERFOR-                 HOCHBURG DER
S I L I C O N VA L L E Y   SCHUNG ILLE-               M I G R AT I O N S -
Wie die Universität die    GALER MÄRKTE               FORSCHUNG
Gründerkultur fördert      Michelle Sovinsky erhält   Mannheim ist
                           Millionenförderung         Top-Adresse in Europa
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart
                                                                         verstehen und die Zukunft gestalten“ – dieser berühmte Satz
                                                                         von August Bebel hat bis heute an Aktualität nichts verloren.
                                                                         Auch um zu verstehen, wie diese Universität zu dem wurde,
                                                                         was sie heute ist, braucht es den Blick zurück bis in die
                                                                         Zeit der städtischen Handelshochschule, an der von 1907
                                                                         bis 1933 junge Kaufleute ausgebildet wurden. Dort liegen
                                                                         die historischen Wurzeln des wirtschaftswissenschaftlichen
                                                                         Schwerpunkts, aber auch des heutigen Fächerspektrums:
                                                                         Gute Kaufleute beherrschten damals mehrere Fremdspra-
                                                                         chen, waren im Handelsrecht bewandert und hatten techni-
                                                                         sches Know-How. Zu alldem befähigte sie das Studium an
                                                                         der Handelshochschule. Die nicht-wirtschaftswissenschaft-
                                                                         lichen Fächer hatten dabei stets ihren eigenen Stellenwert,
                                                            LIEBE        der mit der Zeit weiter zunahm und die Umbenennung in
                                                                         Universität 1967 zu einer Formalie machte. Der Schwerpunkt

                                                            LESERINNEN   dieser Ausgabe beleuchtet Momente dieser Entwicklung und
                                                                         gibt Einblicke in weniger bekannte Sphären wie den Bunker

                                                            UND LESER    unter dem Schloss.

                                                                         Mit welchen Themen wir heute Geschichte schreiben?
                                                                         Zum Beispiel mit dem Zukunftsthema Big Data. So star-
                                                                         tet zu diesem Semester der neue “Mannheim Master in
                                                                         Data Science“, mit dem die Universität als eine der ersten
                                                                         Deutschlands dazu beiträgt, den Mangel an gut ausgebil-

                                Career
                                                                         deten Datenexperten zu beheben (S. 47). Außerdem erhält
                                                                         die Universität Mannheim vom baden-württembergischen
                                                                         Wissenschaftsministerium mehr als eine halbe Million Euro
                                                                         zur Förderung der Gründungskultur: Ziel des Instituts für

                                  Fair 2017
                                                                         Mittelstandsforschung sowie dem Mannheim Center for
                                                                         Entrepreneurship and Innovation ist es, ein kleines Sili-
                                                                         con Valley mitten in Deutschland zu erschaffen (S. 6, 54).

          r d i s z i plinäre                                            Etwas bewegen will auch die US-Amerikanerin Prof. Michelle
      Inte eihe der
                                04.-06. April
                                                                         Sovinsky, Ph.D. Die Volkswirtin hat für ihr Forschungspro-
          R            ten!
          Fakultä
                                                                         jekt FORENSICS eine Millionenförderung vom Europäischen
                                                                         Forschungsrat (ERC) erhalten, den begehrten ERC Grant, mit
                                                                         dem in der VWL nun insgesamt vier Wissenschaftlerinnen
                                   10.00 - 16.00 Uhr                     und Wissenschaftler ausgezeichnet sind – mehr als an allen
                                                                         anderen Landesuniversitäten zusammen (S. 33).

                                                 Ehrenhof
                                                                         Viel Spaß beim Lesen wünschen Ihnen
                                    Universität Mannheim
                                                                         Ihre

CareerNetwork                                                            Prof. Dr. Ernst-Ludwig von Thadden
                                                                         Rektor

careernet.uni-mannheim.de
                                                                         Dr. Brigitte Fickel
                                                                         Präsidentin von ABSOLVENTUM MANNHEIM
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
FORUM 1|2017
4–5 INHALT

      INHALT                                                                                                                                                                                                                       60

      FORUM
      1|2017                                         10                                                                                                40

                                                                                                                                                       BILDUNG
                                                 SCHWERPUNKT
                                                 VO N ZE IT Z U ZE IT                                                                                  M E DA I L L E N R E G E N FÜ R
                                                                                                                                                       MANNHEIMER                                  CAMPUSLEBEN
                                                                                                                                                       SPORTSTIPENDIATINNEN 40

                                                                                                                                                       MANNHEIM 1794                               E I N K A FFEEBEC HER FÜR
                                                                                                               44                                      Computerspiel über Mannheim                 M A N N HEI M
                                                                                                                                                       im 18. Jahrhundert                    43    Schluss mit umweltverschmutzenden
                                                 E IN E U N T E R WE N IG E N                                                                                                                      Einwegbechern                     52
                                                 Der steinige Weg der ersten Hochschuldozentin                                                         „ I N TE G R ATI O N I S T
                                                 Deutschlands                                             12                                           M I R E I N P E R S ÖN L I C H E S          E I N S TÜCK S I LI CON VA L-
                                                                                                                                                       ANLIEGEN“                                   L E Y I N DEN QUA D RATEN
                                                 WO AL L E S B E G AN N                                                                                Interview mit der Fulbright-Stipendiatin    Die Startup-Lounge im Café L3        54
                                                 Die bauliche Entwicklung der Universität Mannheim                                                     Öznur Bakar                            44
       PROFIL                                    seit 1955                                                14                                                                                       S U RV E YCI RC LE
                                                                                                                                                       I N N OVATI V E                             BWL-Absolvent mit Online-Plattform
                                                 A UF D E M C AMP U S D E R Z U KU N F T                                                               L E H R E R A U S B I L DU N G              erfolgreich                        55
       M I LLI ONE NF Ö RDERU N G                Wie sich die Universität die kommenden Jahre erweitert   16                                           Universität erhält mehrere
       F ÜR MANNHEIMER VOLKS-                                                                                  FORSCHUNG                               Millionen Euro                        46    DATE N WETTBEWERB D ES
       W IRT I N                                 I N D E R U N T E RW E LT DE S E H R E N H O F S                                                                                                  B U N D E S V ERKEHRS MI NI S -
       Michelle Sovinsky erhält ERC-Grant   6    Eine Reise in die Vergangenheit des Schlossbunkers       18                                           N E U E R M A S TE R S TU DI E N -          TE R I U M S
                                                                                                               S C H ATTE N W I R TS C H A F T         G A N G DATA S C I E N C E        47 Mannheimer Studententeam
       W I S S E NS CHAFTSMIN IS-                Q U IZ                                                        Die Erforschung illegaler Märkte   33                                               ausgezeichnet                        56
       T ERI UM F ÖRDERT G RÜN-                  Unnützes Uni-Mannheim-Geschichtswissen                   20
       D UNGS KULT UR                                                                                          H O C H B U R G DE R M I G R ATI -
       Universität erhält über eine halbe        IN O MN IB U S VE R ITAS                                      O N S FO R S CH U N G                   NETZWERK
       Million Euro                         6    Die Geschichte eines Zeichens                            22   Mannheim ist Top-Adresse für
                                                                                                               Forscher aus ganz Europa           34
                                                                                                                                                                                                   MENSCHEN
       A MT S WE CHS EL A N DER                  „ IN M AN N H E IM IST E S                                                                            L E TZ TE R W I L L E A L S
       VE RWALT UNGSSP ITZ E                     ME IST E N S R U H IG “                                       M I T M I G R ATI O N                   N E U E R A N FA N G                  48    PR E I S E UND
       Barbara Windscheid ist neue Kanzlerin 7   Ein Interview über Studentenprotest                      24   WA H L K A M PF M AC H E N                                                          A U S Z E ICHNUNGEN                  58
                                                                                                               Die Bundestagswahl 2017            35   N E U E R HU M B O L D T-
       U LRI KE UND D R . AXEL                   I N D E R F R E MD E Z U H AU SE                         28                                           S TI P E N DI AT                            FO R S C HER-P ORTRÄT
       W E BE R E RHALTEN U N I-                                                                               M E H R E - A U TO S D U R C H          Indischer Wissenschaftler forscht am        Prof. Dr. Julia Angster              60
       V E RS I TÄT S M EDAILLE             7    „ E IN T R U MP F, D E N W IR IM                              I N TE L L I G E N TE N AV I S ?   37   Internet der Dinge                   50
                                                 DE U T SCH E N KO N T E X T B R AU C H E N “                                                                                                      E I N W I ED ERS EHEN MI T
       FAMILIENFREUNDLICHKEIT                    Ein Interview über die Profilbildung                     30   CHIRURGIE AM MENSCH-                    E U RO PE A N FI N A N C E                  Borislav Bjelicic                    62
       G RO S S GE S CHRIEB EN                                                                                 LICHEN GENOM                            A S S O CI ATI O N
       Unterzeichnung der Charta „Familie in                                                                   Interview mit Medizinrechtler           Europas Finanzwissenschaftler treffen       W I L L KOMMEN
       der Hochschule“                       9                                                                 Jochen Taupitz                     38   sich im Schloss                     51      Neue Professorinnen und Professoren 64
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
FORUM 1|2017
6–7 PROFIL

                                                                                   WISSENSCHAFTS-
                                                                                   MINISTERIUM
                                                                                   FÖRDERT GRÜN-
                                                                                   D U N G S K U LT U R A N
                                                                                   D E R U N I V E R S I TÄT
                                                                                   MANNHEIM
      PROFIL
      1|2017                                                                       Die Universität Mannheim erhält vom
                                                                                   Ministerium für Wissenschaft, For-
                                                                                   schung und Kunst Baden-Württemberg
                                                                                   bis 2019 eine Förderung von rund
                                                                                   520.000 Euro, um die Gründungskultur                                                                                                            Ulrike und Dr. Axel Weber werden für ihr Engagement geehrt
                                                                                   in Studium und Lehre weiterzuentwi-                                                                                                             Foto: Elisa Berdica
                                                                                   ckeln. „Studierende der Universität
                                                                                   Mannheim haben vielversprechende
                                                                                   Unternehmensideen und das Potenzial,
                                                                                   diese erfolgreich umzusetzen. Durch                                                                                                             ULRIKE UND
                                        MILLIONEN-                                 die Förderung des Landes kann die                                                                                                               DR. AXEL WEBER
                                        FÖRDERUNG FÜR                              Universität sie dabei besser unterstüt-                                                                                                         E R H A LT E N U N I V E R -
                                        MANNHEIMER                                 zen“, betont Prof. Dr. Michael Woywode,
                                                                                                                                                                                                                                   S I TÄT S M E D A I L L E
                                                                                   Inhaber des Lehrstuhls für Entrepre-      Dr. Susann-Annette Storm ....   ... und ihre Nachfolgerin Barbara Windscheid
                                        VOLKSWIRTIN                                neurship sowie Leiter des Instituts
                                                                                                                             Foto: Thomas Tröster            Foto: Andreas Bayerl

                                                                                   für Mittelstandsforschung (ifm) an der                                                                                                          Die Universität Mannheim hat Ulrike
                                        Die Mannheimer Volkswirtin Prof.           Universität Mannheim.                     AMTSWECHSEL AN DER                                                                                    und Dr. Axel Weber für ihr langjähriges
                                        Michelle Sovinsky, Ph.D., hat einen der    Bereits seit einigen Jahren fördert die                                                                                                         Engagement für die Universität geehrt.
                                        begehrten Consolidator Grants des          Universität gezielt den Gründergeist
                                                                                                                             V E R W A LT U N G S S P I T Z E                                                                      Dr. Axel Weber studierte an der Universi-
                                        European Research Council (ERC) der        ihrer Studierenden: Das ifm sowie das                                                                                                           tät Mannheim Betriebswirtschaftslehre
                                        Europäischen Union erhalten.               Mannheim Center for Entrepreneurship      Die Mathematikerin Barbara Windscheid                    vor. In dieser Zeit war sie unter anderem    und führte ab 1983 seine eigene Lea-
                                        In ihrem Forschungsprojekt, das der        (MCEI) unterstützen Gründerinnen und      ist neue Kanzlerin der Universität                       maßgeblich an der baulichen Entwick-         singfirma in Mannheim. Er blieb der Uni-
                                        ERC mit über 1,2 Millionen Euro fördern    Gründer auf ihrem Weg zum erfolgrei-      Mannheim. Sie hat zum 1. Januar das                      lung der Universität beteiligt. Ohne ihren   versität auch nach seiner Promotion bei
                                        wird, untersucht Sovinsky das ökono-       chen Unternehmen. Erfahrene Gründer       Amt von Dr. Susann-Annette Storm über-                   weitsichtigen Einsatz gäbe es heute          Prof. Dr. Hans Raffée eng verbunden. So
                                        mische Verhalten von Unternehmen           teilen ihre Erfahrungen bei einem         nommen, die sich nach 16 Jahren in den                   nicht das Forschungs- und Lehrgebäude        wirkt er seit vielen Jahren im Kuratorium
                                        und Individuen in Bezug auf Produkt-       regelmäßigen Startup-Stammtisch           Ruhestand verabschiedet. Als zweitem                     in B6 oder das neue Verwaltungsge-           der Freunde der Universität Mannheim
                                        fälschungen, illegale Wettbewerbsprak-     und Vortragsveranstaltungen wie den       hauptberuflichen Mitglied des Rektorats                  bäude in L1. Auch die Renovierung des        mit und engagiert sich ehrenamtlich als
                                        tiken und Drogenkonsum. Jedes Jahr         sogenannten Founder Talks. Kurse über     obliegt der Kanzlerin die Personal- und                  Schlosses ist mit ihr Verdienst. Sie hatte   Rechnungsprüfer des Vereins.
       Prof. Michelle Sovinsky, Ph.D.
                                        wählt der ERC die vielversprechendsten     Entrepreneurship sind außerdem Teil       Wirtschaftsverwaltung der Universität.                   einen entscheidenden Anteil an der
       Foto: Andreas Bayerl             Projekte aus, um sie mit einem Con-        des BWL-Lehrplans.                        Sie ist zugleich Beauftragte für den                     Orientierung der Universität Mannheim        Gemeinsam mit seiner Frau Ulrike
                                        solidator Grant zu fördern. Die Preise     „Mit den Landesmitteln wollen wir die     Haushalt und Leiterin der Verwaltung.                    an ihren Kernkompetenzen in den              gründete er 2007 die Ulrike und Dr. Axel
                                        richten sich an exzellente Wissenschaft-   Gründungskultur noch gezielter und um-    Die Amtszeit beträgt sechs Jahre.                        Wirtschafts- und Sozialwissenschaften        Weber-Stiftung mit dem Ziel, Studierende
                                        lerinnen und Wissenschaftler, deren        fangreicher fördern“, erklärt Woywode.                                                             und der erfolgreichen Profilpolitik des      zu fördern. Sie wurde als Zustiftung in
                                        Promotion zwischen sieben und zwölf        Geplant ist, ein Startup-Ökosystem mit    Barbara Windscheid ist eine ausgewiese-                  Rektorats.                                   die Stiftung Universität Mannheim über-
                                        Jahren zurückliegt.                        Silicon-Valley-Charakter rund um die      ne Haushaltsexpertin mit vielschichtigen                                                              führt und trug so dazu bei, die zentrale
                                        Michelle Sovinsky ist seit 2015 Inha-      Universität Mannheim zu schaffen: In      Erfahrungen an zwei großen baden-würt-                   Als zentrale Ansprechpartnerin in teilwei-   Universitätsstiftung mit aufzubauen. Mit
                                        berin des Lehrstuhls für Wirtschafts-      neuen, fakultätsübergreifenden Kursen     tembergischen Universitäten: Freiburg                    se schwierigen Verhandlungen mit dem         dem Ertrag aus der Zustiftung werden
                                        theorie und Behavioral Economics           sollen Ideen für Unternehmensgrün-        und Karlsruhe. Zuletzt war sie an der                    baden-württembergischen Wissenschafts-       Stipendien für Studierende finanziert.
                                        an der Universität Mannheim. Nach          dungen entstehen und weiterentwickelt     Universität Freiburg als stellvertretende                ministerium war sie maßgeblich an den        Darüber hinaus nimmt das Ehepaar
                                        Forschungsaufenthalten unter anderem       werden. Zur Unterstützung der Grün-       Kanzlerin für Controlling und Finanzen                   Solidarpaktverhandlungen sowie an der        Geburtstage und andere festliche
                                        in Australien, den Niederlanden und        der werden erfolgreiche Mentoren,         zuständig. In dieser Funktion hat sie                    Ausgestaltung des Hochschulfinanzie-         Ereignisse zum Anlass, sich von seinen
                                        Italien, war sie zwischen 2009 und         insbesondere Alumni der Universität       bereits intensiv mit der Universität                     rungsvertrags beteiligt, der die Finanzie-   Gästen statt Geschenken Spenden
                                        2015 als Associate Professor an der        Mannheim, hinzugezogen. Zudem soll        Mannheim zusammengearbeitet: Mit der                     rung der Universitäten im Land bis 2020      für das Deutschlandstipendium an der
                                        Universität Zürich tätig. Sie veröffent-   die Zusammenarbeit und das gegen-         Universität Freiburg besteht seit Ende                   regelt. Als Kanzlerin war Dr. Susann-        Universität Mannheim zu wünschen. Die
                                        lichte zahlreiche Beiträge in renommier-   seitige Vertrauen in der Gründerregion    2013 eine Kooperation bei der Einfüh-                    Annette Storm auch die Verantwortung         so zustande kommenden Stipendien
                                        ten internationalen Fachzeitschriften,     Rhein-Neckar gestärkt werden, sodass      rung der kaufmännischen Buchführung                      gegenüber der Umwelt ein großes Anlie-       werden vom Bund verdoppelt und kom-
                                        darunter American Economic Review,         eine gründerfreundliche Atmosphäre        mit SAP. Auch im Wissenschaftsministeri-                 gen: Strategien zur Energieeinsparung,       men begabten Studierenden zugute.
                                        International Economic Review und          geschaffen wird. (KAB)                    um ist die neue Kanzlerin gut vernetzt.                  Verwendung rein grünen Stroms oder           Darüber hinaus engagieren sich Ulrike
                                        Econometrica. (YK)                                                                                                                            die Förderung des Radverkehrs auf dem        und Dr. Axel Weber auch ehrenamtlich im
                                                                                   Mehr über die Angebote für Gründer        Dr. Susann-Annette Storm stand der Ver-                  Campus und der Bismarckstraße sind           Ausschuss für die Vergabe des Deutsch-
                                        Mehr zum ERC-Projekt auf Seite 33.         erfahren Sie auf Seite 54.                waltung insgesamt zwei Amtsperioden                      Beispiele dafür. (KAB/ND)                    landstipendiums. (LML)
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
FORUM 1|2017
8–9 PROFIL

                                                                                                             D I E U N I V E R S I TÄT
                                                                                                             MANNHEIM
                                                                                                             IN DEN AKTUELLEN
                                                                                                             RANKINGS

                                                                                                             CHE-Masterranking: Psychologie auf         THE World University Ranking: In         U N I V E R S I TÄT
                                                                                                             Spitzenposition                            Forschung und Wissenstransfer unter      MANNHEIM UNTER-
                                                                                                                                                        den besten zehn Prozent weltweit
                                                                                                             Im aktuellen Masterranking des Centrum
                                                                                                                                                                                                 Z E I C H N E T C H A R TA
                                                                                                             für Hochschulentwicklung (CHE) erreicht    Gleich in vier der insgesamt fünf        „ FA M I L I E I N D E R
                                                                                                             die Mannheimer Psychologie den zwei-       bewerteten Kategorien hat die Uni-       HOCHSCHULE“
                                                                                                             ten Platz. In 12 der insgesamt 13 unter-   versität Mannheim mit Spitzenwerten
                                                                                                             suchten Kategorien – wie Berufsbezug,      abgeschnitten und steht nun auf Platz
                                                                                                             Lehrangebot und Ausstattung – liegt die    102 des Times Higher Education           Seit 2006 als familiengerechte Hoch-
                                                                                                             Universität Mannheim in der Spitzen-       (THE) World University Ranking, das      schule von der gemeinnützigen Hertie
                                                                                                             gruppe und ist damit die beste staatli-    seit Jahren zu den international aner-   GmbH zertifiziert, hat die Universität
                                                                                                             che Universität für ein Masterstudium      kanntesten Rankings im Hochschulbe-      Mannheim nun auch die Charta „Fami-
                                                                                                             im Fach Psychologie. Das CHE-Ranking       reich zählt. Damit verbessert sie sich   lie in der Hochschule“ unterzeichnet.
                                                                                                             ist das umfassendste und detaillierteste   im Vergleich zum Vorjahr weltweit um     Damit verpflichtet sie sich zur kontinu-
                                                                                                             Ranking im deutschsprachigen Raum.         vier Plätze. Auch in den Bereichen       ierlichen Weiterentwicklung ihres famili-
                                                                                                             Studierende an mehr als 300 Univer-        Forschung und Forschungseinfluss         enfreundlichen Arbeits- und Studienkli-
       MEHR ALS 240                                                                                          sitäten in Deutschland, Österreich, der    konnte sich die Universität Mannheim     mas. Mit der Unterzeichnung der Charta
       STUDIERENDE                                                                                           Schweiz und den Niederlanden werden        steigern und platziert sich – wie auch   „Familie in der Hochschule“ tritt die Uni-
       MIT STIPENDIUM                                              Foto: Thomas Tröster                      hierfür regelmäßig befragt.                in der Wertung Wissenstransfer – un-     versität auch dem gleichnamigen Best-
                                                                                                                                                        ter den besten zehn Prozent weltweit.    Practice-Club bei, der aus einer 2008
       GEFÖRDERT                                                                                                                                        In den fachbezogenen Einzelrankings      geförderten Initiative des Beauftragten
                        Im aktuellen Studienjahr werden mehr      179 Studierende sind derzeit mit einem                                                kann sich die Universität Mannheim       für die Neuen Bundesländer gemein-
                        als 240 Studierende der Universität       Deutschlandstipendium ausgezeichnet.       Wirtschaftswoche: Personaler bevor-        ebenfalls international behaupten: Im    sam mit der Robert Bosch Stiftung und
                        Mannheim mit einem Stipendium der         Die monatliche Fördersumme von 300         zugen Absolventen der Universität          Bereich Wirtschaftswissenschaften        dem Centrum für Hochschulentwicklung
                        Universität gefördert. Darunter sind      Euro pro Stipendium wird je zur Hälfte     Mannheim                                   landet sie auf einem hervorragenden      (CHE) entstanden ist. Ihm gehören alle
                        Deutschlandstipendiaten, Sportstipendi-   vom Bund und von privaten Förderern                                                   23. Platz, im Bereich Sozialwis-         88 Hochschulen an, die die 2013 ein-
                        aten, Stipendiaten der Stadt Mannheim     bereitgestellt. Neben herausragenden       In der jährlichen Personalerbefragung      senschaften auf Rang 55. Dabei           geführte Charta unterzeichnet haben.
                        sowie internationale Studierende,         Leistungen in Schule und Studium ist       der Zeitschrift Wirtschaftswoche erzielt   konkurriert sie mit Universitäten wie    Durch diese Vereinigung entsteht ein
                        die mit einem DAAD-Matching-Funds-        auch die Bereitschaft, gesellschaftliche   die Universität Mannheim in BWL die        dem Massachusetts Institute of Tech-     kompetentes, speziell auf die Wissen-
                        Stipendium ausgezeichnet sind. Alle       Verantwortung zu übernehmen, eines         beste Bewertung – zum 13. Mal seit         nology, Stanford, Oxford, Harvard und    schaft zugeschnittenes Netzwerk, das
                        Stipendien werden von der Universität     der Auswahlkriterien für das Deutsch-      2002. 40 Prozent der 540 befragten         Cambridge. (KAB)                         vom Erfahrungsaustausch der Mitglie-
                        Mannheim mit Unterstützung von            landstipendium. Zu den 46 Stipendien-      Personalverantwortlichen bescheinigen                                               der lebt und der Qualitätssicherung der
                        Stiftungen, Privatpersonen, Unterneh-     gebern zählen namhafte Unternehmen,        den Mannheimer BWL-Absolventen,                                                     Charta-Standards dient. (KAB)
                        men und Institutionen vergeben. Seit      darunter BASF SE, Deutsche Bank und        dass sie ihre Erwartungen am besten
                        Einführung des Stipendiensystems im       Allianz Deutschland AG. (RED)              erfüllen. Aber auch die Absolventinnen
                        Jahr 2007 kamen Studierenden der                                                     und Absolventen der anderen unter-
                        Universität Mannheim insgesamt über       Mehr Informationen unter                   suchten Fächer sind gefragt: Im Fach
                        1.700 Stipendien zugute.                  www.uni-mannheim.de/stipendium             Wirtschaftsinformatik landet die Uni-
                                                                                                             versität Mannheim bei den Nennungen
                                                                                                             auf Platz 3 – besser sind nur die Tech-
                                                                                                             nischen Universitäten Darmstadt und
                                                                                                             München. Im Fach Volkswirtschaftslehre
                                                                                                             erreichen die Mannheimer Absolventen
                                                                                                             mit 19 Prozent der Nennungen Platz
                                                                                                             4. Nach Angaben der Zeitschrift waren
                                                                                                             die Hauptkriterien für die Befragten
                                   Immer aktuell informiert: Abonnieren Sie kostenlos den Newsletter         neben der Qualität der Ausbildung die
                                   der Universität Mannheim mit allen Neuigkeiten, Veranstaltungen           Persönlichkeit der Bewerber sowie ihre
                                   und Terminen im Überblick. www.uni-mannheim.de/newsletter                                                                                                     Foto: Stefanie Eichler
                                                                                                             Praxiserfahrung.
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
FORUM 1|2017
                                                                                                                                                                                                                                                                     10–11 SCHWERPUNKT

                                                                                                                                                                                            Bereits kurz nach Kriegsende 1946 erfolgte die Wiederer-
                                                                                                                                                                                            öffnung der Handelshochschule als staatliche Wirtschafts-
                                                                                                                                                                                            hochschule, die sich innerhalb von zwanzig Jahren zu einer
                                                                                                                                                                                            Institution entwickelte, die alles hatte, was eine Universität
                                                                                                                                                                                            kennzeichnet, allem voran einen akademischen Betrieb mit
                                                                                                                                                                                            Forschung und Lehre, aber auch das Promotions- und Habili-
                                                                                                                                                                                            tationsrecht. Die Erhebung zur Universität 1967 war deshalb
                                                                                                                                                                                            im Grunde nur eine Umbenennung.

                                                                                                                                                                                            Seitdem sind das Fächerangebot und die Studierenden-
                                                                                                                                                                                            zahl stark gewachsen – von damals 3.000 auf heute rund
                                                                                                                         Arbeitsraum der Bibliothek der Handelshochschule in A 3,6
                                                                                                                                                                                            12.000 Studierende. Mit dem eigenen Wachstum ist auch
                                                                                                                                                                                            die bauliche Entwicklung dieser Universität eng verknüpft:
                                                                                                                                                                                            1952 beschloss das Land Baden-Württemberg den noch
                                                                                                                                                                                            kriegszerstörten Ostflügel für die Wirtschaftshochschule
Bis auf die Grundmauern zerstört:
                                                                                                                                                                                            wieder aufzubauen. Im Mai 1955 zogen Studierende und Pro-
das Schloss nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Stadt wollte es abreißen und dort eine                                                                                                                                                  fessoren ein, woran die Bronzetafel „Wirtschaftshochschule“
Verkehrsachse schaffen. Zum Glück ent-                                                                                   Text: Nadine Diehl                                                 über dem Haupteingang erinnert. Von da an breitete sich die
schieden sich die Verantwortlichen anders.                                                                               Fotos: Universitätsarchiv
                                                                                                                                                                                            Universität aufgrund des ständig zunehmenden Raumbedarfs
                                                                                                                                                                                            kontinuierlich im Schloss und entlang der Bismarckstraße
                                                                                                                                                                                            aus – bis heute.

                                                                                                                         E
                                                                                                                                 s ist das Jahr 1933. In der städtischen Handelshoch-
                                                                                                                                 schule in den Quadraten werden junge Kaufleute             Die bauliche Entwicklung der Universität Mannheim ist
                                             G E S C H I C H T E N E I N E R U N I V E R S I TÄT                                 ausgebildet – vorbildlich in jederlei Hinsicht. 1907 auf   deshalb eines der großen Themen in diesem Schwerpunkt.
                                                                                                                         Initiative des Mannheimer Bürgertums gegründet, hat die            Außerdem nehmen wir Sie mit in den Untergrund des Ehren-

                                                  VON
                                                                                                                         Hochschule sich längst zu einem Zentrum höherer Bildung            hofs, auf die erste Norwegerfete und ins besetzte Rektorat
                                                                                                                         entwickelt: Es gibt ein Institut für Psychologie und Pädago-       während der Studentenproteste in den Sechzigern, von denen
                                                                                                                         gik sowie ein Dolmetscherinstitut, an dem der Kaufmanns-           diese Ausgabe unter anderem erzählt. Für den Schwerpunkt
                                                                                                                         nachwuchs in Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch          bedanken wir uns bei Dr. Sandra Eichfelder, stellvertretende

                                                ZEIT ZU
                                                                                                                         und Russisch unterrichtet wird. Die Studierenden besuchen          Leiterin des Universitätsarchivs, für die enge Zusammenarbeit
                                                                                                                         nicht nur Veranstaltungen in den Wirtschaftswissenschaften,        und die Bereitstellung der historischen Aufnahmen.
                                                                                                                         sondern auch Vorlesungen in Philosophie, Geschichte, Kunst
                                                                                                                         und Naturwissenschaften. Zwar werden diese hauptsächlich

                                                 ZEIT
                                                                                                                         von Männern gehalten, unter den Dozenten sind jedoch auch
                                                                                                                         mehrere Frauen. Als erste deutsche Hochschule beschäftigte
                                                                                                                         die Handelshochschule bereits 1908 eine weibliche Dozentin.

                                                                                                                         1933, im Jahr der Machtergreifung der Nationalsozialisten,
                        2017 jährt sich die Geburtsstunde der Universität Mannheim zum 110.                              wird die Handelshochschule dann aber trotz Protesten in die
                                                                                                                         Universität Heidelberg eingegliedert – aus Kostengründen,
                        Mal. Als ehemalige städtische Handelshochschule überlebte sie den Ers-
                                                                                                                         wie es hieß. Eine Rolle spielte dabei gewiss auch die offene
                        ten Weltkrieg. Und auch das Nazi-Regime konnte ihren Aufstieg letztlich                          Antipathie führender Nationalsozialisten gegen die Handels-
                        nicht stoppen: 1933 geschlossen, erstand sie nach 13 Jahren als staat-                           hochschule, der eine Reihe bedeutender jüdischer Dozenten
                        liche Wirtschaftshochschule wieder auf und wurde 1967 zur Universität                            angehörten. Diese wurden entlassen oder zwangsweise in
                        umbenannt. Die Geschichten in diesem Schwerpunkt erzählen davon, wie                             den Ruhestand versetzt. Nur drei der vierzehn jüdischen
                                                                                                                         Dozenten in Mannheim überlebten den Holocaust. Unter den
                        sich die Universität Mannheim zu dem entwickelt hat, was sie heute ist.                          Ermordeten war auch Otto Selz, Leiter des Psychologischen
                                                                                                                         Instituts und Rektor der Handelshochschule. Heute erinnern
                                                                                                                         die Otto-Selz-Straße, die vom Osten um die Universität führt,
                                                                                                                         und das Otto-Selz-Institut der Universität an den Erforscher       Die Wirtschaftshochschule in den Gebäuden des Lessing-Gymnasiums
Die Geschichte der Universität Mannheim von 1907 bis 2017 und noch mehr Bilder gibt es unter www.uni-mannheim.de/forum   von Denkprozessen.                                                 in der Nähe der Friedrich-Ebert-Brücke. Erst 1955 zog sie ins Schloss.
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
FORUM 1|2017
12–13 SCHWERPUNKT

                                                                                                                                                                                                          1907-1933       1946-1967      1968-1989           1990-2000          2001-2017

                                                                                                                                               Text: Linda Schädler

                                                                                                                                               L
                                                                                                                                                     indenhof, 1910. In der Erdgeschosswohnung von Pro-
                                                                                                                                                     fessor Sally Altmann herrscht Trubel. Einer nach dem
                                                                                                                                                     anderen treten Studierende der Handelshochschule in
                                                                                                                                               die bürgerliche Stube des Dozenten, sie machen es sich auf
                                                                                                                                               den Sofas bequem. Als alle ihren Platz gefunden haben, be-
                                                                                                                                               ginnt die wöchentliche Diskussion – über aktuelle Wirtschafts-
                                                                                                                                               themen, Politik, Soziales. Das Außergewöhnliche an diesem
                                                                                                                                                                                                                  Dr. Rosmarie Günther    Prof. Dr. Suzan      Prof. Dr. Mila
                                                                                                                                               Seminartreffen ist nicht der Ort: Altmann ist engagiert, hat
                                                                                                                                                                                                                  Foto: privat            Denise Hüttemann     Majster-Cederbaum
                                                                                                                                               eine offene Tür für Studierende. Es ist seine Frau. Denn sie                               Foto: privat         Foto: Elisa Berdica
                                                                                                                                               reicht nicht nur Tee, sie diskutiert mit.
                                                                                                                                                                                                                  Frauen auf Mannheimer Lehrstühle berufen werden. Die erste
                                                                                                                                               Auch in anderer Hinsicht entspricht Dr. Elisabeth Altmann-         Lehrstuhlinhaberin in der Informatik ist Prof. Dr. Mila Majster-
                                                                                                                                               Gottheiner nicht der damaligen Norm. Sie engagiert sich im         Cederbaum: Als sie 1984 mit nur 35 Jahren Professorin an
                                                                                                                                               Vorstand mehrerer Vereine der Frauenbewegung, kämpft für           der Universität Mannheim wird, ist die Gleichstellung zwar im
                                                                                                                                               mehr Rechte und Bildung für Frauen. Im Beruf lebt sie das          Grundgesetz verankert. Trotzdem muss sich die Wissenschaft-
                                                                                                                                               eigene Ideal: Seit 1908 unterrichtet und forscht die National-     lerin gegenüber männlichen Kollegen immer wieder beweisen.
                                                                                                                                               ökonomin an der Handelshochschule Mannheim, hält Semi-             Schon während des Studiums der Mathematik und Physik
                                                                                                                                               nare zur Arbeiterinnen- und Frauenfrage, zu internationaler        war Majster-Cederbaum ständig mit Vorurteilen konfrontiert.
                                                                                                                                               Sozialpolitik. Sie ist damit die erste weibliche Lehrbeauftragte   „Ich war eine von nur drei Studentinnen“, erinnert sich die
                                                                                                                                               an einer Hochschule – nicht nur in Mannheim und Baden,             emeritierte Professorin, die heute als Seniorprofessorin an
                                                                                                                                               sondern im ganzen Deutschen Reich.                                 der TU München forscht. „Bei Gruppenarbeiten wurde mir von
                                                                                                                                                                                                                  Dozenten unterstellt, ich schreibe meinen Namen nur mit aufs
                                                                                                                                               Wie die männlichen Dozenten die Pionierin im Kollegium             Papier.“ Auch die ersten Jahre als Lehrstuhlinhaberin seien
                                                                                                                                               aufnehmen, ist nicht überliefert. Der Rektor jedenfalls lobt       schwierig gewesen. Als einzige Frau an der Fakultät fühlte
                                                                                                                                               ihre wissenschaftliche Arbeit. Altmann-Gottheiner sei „eine        sie sich von den Kollegen zunächst nicht ernst genommen:
                                                                                                                                               unentbehrliche Ergänzung des Lehrplans“. 1925 wird sie auf         „Im Fakultätsrat wurden meine Beiträge oft einfach übergan-
                                                                                                                                               seinen Vorschlag zur Ehrenprofessorin ernannt. Ihr selbst ist      gen.“ Ein Kollege bezweifelte zudem nicht nur ihre fachlichen,
                                                                                                                                               diese Ehrung „als Frau doppelt wertvoll“. Der Weg dorthin war      sondern auch ihre Fähigkeiten als Mutter – weil sie berufstä-
                                                                                                                                               immerhin nicht leicht: Erst 1896, als die gebürtige Berlinerin     tig war. „Als ich zur Dekanin ernannt wurde, ist der Respekt
                                                                                                                                               22 ist, dürfen die ersten Schülerinnen in Preußen das Abitur       jedoch deutlich gewachsen“, sagt sie.
                                                                                                                                               ablegen. Die Zulassung zur Universität bleibt ihnen bis 1908

                                                    EINE UNTER
                                                                                                                                               verwehrt. Elisabeth Gottheiner jedoch hat den Willen zur Bil-      Um anderen Frauen den Weg zur Professur zu erleichtern,
                                                                                                                                               dung: Ihr Studium der Nationalökonomie nimmt sie kurzerhand        setzte sich Majster-Cederbaum später als Prorektorin für
                                                                                                                                               in London auf. Sie promoviert 1902 in Zürich – zwei Jahre vor      Forschung für junge Wissenschaftlerinnen ein, rief ein Dok-
                                                                                                                                               ihrem späteren Ehemann.                                            torandinnenkolloquium ins Leben und unterstützte weibliche
                                                                                                                                                                                                                  Promovierende als Mentorin. Eine solche Förderung hat Prof.

                                                    WENIGEN
                                                                                                                                               Eine Stelle als Dozentin erhält Altmann-Gottheiner jedoch erst,    Dr. Suzan Denise Hüttemann, seit September Juniorprofesso-
                                                                                                                                               als Sally Altmann an die Handelshochschule berufen wird.           rin für Strafrecht, nicht bekommen. Sie hat in Italien am Euro-
                                                                                                                                               „Wahrscheinlich hat er ihre Anstellung in seinen Berufungsver-     päischen Hochschulinstitut in Florenz promoviert. Gerade ihre
                                                                                                                                               handlungen durchgesetzt“, sagt die Mannheimer Historikerin         Zeit dort habe sie aber in ihrer Karriere bestärkt: „Im Ausland
                                                                                                                                               Dr. Rosmarie Günther, die das Leben der Ökonomin erforscht         sind Frauen in der Wissenschaft viel üblicher“, sagt sie.
                    Prof. Dr. Elisabeth Altmann-Gottheiner: die erste Hochschul-                                                               hat. Das Mannheimer Kollegium sei zwar recht liberal gewe-
                    dozentin Deutschlands | Foto: Universitätsarchiv                                                                           sen, „ohne die Unterstützung eines Mannes hätte sie es zur         An der Universität Mannheim sind mittlerweile 50 von 195
                                                                                   Frauen in der Wissenschaft haben an der Universität
                                                                                                                                               damaligen Zeit trotzdem nicht geschafft.“ So bleibt Altmann-       Professuren von Frauen besetzt. Dass es in den Rechtswissen-
                                                                                   Mannheim eine lange Tradition: Als erste deutsche           Gottheiner auch lange die einzige weibliche Wissenschaftlerin      schaften noch immer an Professorinnen mangle, liege vermut-
                                                                                   Hochschule beschäftigte die damalige Handelshoch-           an der Handelshochschule. Bis zu ihrer Schließung 1933             lich an der langen Ausbildungszeit und der starken Konkurrenz
                                                                                   schule Mannheim ab 1908 eine Frau als Dozentin. Auch        kommen aber noch drei weitere Frauen hinzu.                        mit der Justiz, so Hüttemann. Durch Juniorprofessorenstellen
                                                                                   wenn der Weg zur Professur für viele Frauen immer noch                                                                         wie ihre werde es für Frauen aber attraktiver, in der Wissen-
                                                                                                                                               1946. Als die Wirtschaftshochschule neu gegründet wird,            schaft zu bleiben. Dass sie eine von nur zwei weiblichen Profes-
                                                                                   kein leichter ist, haben sich die Bedingungen für Wissen-
                                                                                                                                               gerät der Aufwärtstrend zunächst ins Stocken. Zwanzig              sorinnen in der Abteilung ist, empfindet sie nicht als Problem.
                                                                                   schaftlerinnen seitdem enorm verbessert. Das zeigen die     Jahre dauert es, bis mit der Geografin Gudrun Höhl und der         „Das Kollegium ist aufgeschlossen“, sagt Hüttemann. „Man
                                                                                   Karrieren dreier Professorinnen – von damals bis heute.     Erziehungswissenschaftlerin Elfriede Höhn die ersten zwei          setzt sich nachdrücklich dafür ein, Frauen zu fördern.“
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
FORUM 1|2017
14–15 SCHWERPUNKT

                                                                                   WO ALLES                                                             Lessing-Gymnasium, Josef-Braun-Ufer 15-16:
                                                                                                                                                        Bis 1955 war das die bescheidene Adresse der

                                                                                   BEGANN
                                               1983: E7
                                               Universitätsarchiv                                                                                       Wirtschaftshochschule (WH). Doch von Jahr
                                               Gesundheitszentrum                                                                                       zu Jahr kamen immer mehr Studierende, bis
                                                                                                                                                        das Land entschied: Die Hochschule gehört
                                                                                       DIE BAULICHE ENTWICKLUNG DER                                     ins Schloss. Von da an breitete sich die WH und
                                                                                       U N I V E R S I TÄT M A N N H E I M S E I T 1 9 5 5              später die Universität kontinuierlich entlang der
                                                               1998: D7                                                                                 Bismarckstraße aus. Diese Karte zeigt, wann
                                                               GESS
                                                                                                                                                        welche Quadrate und Gebäude erstmals von der
                                                                                                                                                        Universität Mannheim genutzt wurden und was
                                                                                                                                                        sich dort derzeit befindet.
                                                                                                                  2010: D2
                                                    2014: C7
                                                                                                                  Fitness- und Kraftstudio
                                                    Yoga-Zentrum
                                                                                                                                                                     1994: M2
                                                                                                                                                                     IBZII
                                                                                                                                                                                                                                  1988: L15
                                                                                                                                                                                                                                  Rechenzentrum
                                                                          1994: B6                                                                                                                                                Wirtschaftsinformatik
                                                                          Informatik                                                                                                                                              Romanistik
                                                                                                                                                                          1982: L2
                                                                                                        1988: A3                                                                                                                  Sprachwissenschaft
                                                                                                                                                                          Welcome Center
                1972: A5                                                                                Audimax                                                           Internationales Begegnungszentrum (IBZI)
                Sozialwissenschaften                                                                    Universitätsbibliothek                         2010: L1
                Mathematik und Informatik                                                                                                              Verwaltung
                Universitätsbibliothek                                                                                                                                     1971: L4                           1970: L13
                                                                                                                                                                           Wirtschaftspädagogik               Otto-Selz-Institut
                                                                                                                                                                                                              Psychologie
                                                                                                                                                                                                              Sonderforschungsbereich 884

                                                                                                              1973: Westflügel                                                                    1965: L5
                                                                                                              Rechtswissenschaften                                                                BWL
                                                                                                              Universitätsbibliothek                    1955: Ostflügel                           Mannheim Business School
                                                                                                                                                        BWL
 2009: Parkring                                                            2014: Friedrichspark
 Sozialwissenschaften                                                      Alfred-Delp-Sportanlage
 Fachschaften
 Studierendeninitiativen                                                                                                                                                                                                                                  2009: Kaiserring
                                                                                                                                                                                                                        1973: L9                          Philosophische Fakultät
                                                                                                                                                                                                                        BWL
                                                                                                                                                                                                                        GESS
                                                                                               1974: Mensa                                                                                                              Service und Marketing GmbH
                                                                                                                                                                                                                        ABSOLVENTUM
                                                                                                                                                                                1962-65: Schneckenhof
                                                                                                                                                                                BWL
                                                                                                                   1973: Ehrenhof West                                          Universitätsbibliothek
                                                                                                                   Literatur- und Sprachwissenschaft                                                                 1996: L7
                              2009: Haus Oberrhein                                                                                                                                                                   VWL
                              Medien- und Kommunikationswissenschaft                                                                                                1970/71: Ehrenhof Ost                            Geschichte
                                                                                                                                                                    Psychologie

                                                                                                                                                           2006: Aufstockung Schloss Mittelbau
                                                                                                                                                           Rechtswissenschaften
                                                                                                                                                           GESS
 Stand: März 2017
                                                                                                                                                           Hasso-Plattner-Bibliothek
 Die Karte bildet nicht die Belegung aller Gebäude im Detail ab,
 sondern stellt zur Übersichtlichkeit nur eine Auswahl dar.
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
FORUM 1|2017
16–17 SCHWERPUNKT

                                                                                                                                          1907-1933      1946-1967          1968-1989           1990-2000         2001-2017

                                                                             Forschungs- und Lehrgebäude in B6 | Bild: wulf architekten

                                                                             L
                                                                                   aub vom vergangenen Herbst wird vor einer verlassenen          anmieten, die zudem auch noch ungünstig gelegen sind“,
                                                                                   Kasse aufgewirbelt. Wo sich einst Zuschauer durch die          erklärt Architekt Möller. So mussten zum Beispiel die Juristen

                    AUF
                                                                                   Drehkreuze am Eingang drängten, um den Mannheimer              für die Renovierung des Westflügels für zwei Jahre in den
                                                                             Adlern zuzujubeln, herrscht Totenstille. Nur der Wind pfeift         Kaiserring am Hauptbahnhof ziehen. Jetzt sind dort Teile der
                                                                             durch die leeren Tribünen – und ein Hauch vergangener Zeiten,        Philosophischen Fakultät untergebracht, die das Schloss für
                                                                             als hier beim Public Viewing während der Fußball-EM 2016 die         die Sanierung des Bereichs Ehrenhof Ost räumen mussten.
                                                                             Fans noch die Nationalhymne grölten und Deutschlandfahnen

                     DEM
                                                                             schwenkten. Jetzt trainiert hier nur noch der Inline-Sport-Club      Rund 8.500 Quadratmeter hat die Universität derzeit angemie-
                                                                             Mannheim, ansonsten gleicht das „Alte Eisstadion“ einer              tet. Mit 5.000 Quadratmetern wird das Gebäude in B6 den
                                                                             Geisterstadt. Doch das soll sich bald ändern. Nach Abbruch           größten Teil davon stemmen. Dieses wird zum neuen Zuhause
                                                                             des Eisstadions will sich die Universität Mannheim auf dem           für die Graduate School of Economic and Social Sciences
                                                                             Gelände des Friedrichsparks weiterentwickeln.                        (GESS), den Sonderforschungsbereich 884 sowie für die Lehr-

                    CAMPUS
                                                                                                                                                  stühle der Medien- und Kommunikationswissenschaft (MKW),
                                                                                                                                                  die bisher auf drei Stockwerken im weit entfernten „Haus
                                                                                                                                                  Oberrhein“ am Hafen untergebracht waren. „Die MKW könnte
                                                                                                                                                  aufgrund ihres Fokus auf Neuen Medien dann enger mit der
                                                                                                                                                  Informatik zusammenarbeiten, die sich nun direkt nebenan
                                                                                                                                                  befindet“, erklärt Hubert Tomesch, Leiter des Dezernats für

                     DER
                                                                                                                                                  Raumverwaltung und Organisation. „Durch die neuen Gebäude
                                                                                                                                                  haben wir jetzt die Chance, auch räumlich zusammenzubrin-
                                                                                                                                                  gen, was fachlich bereits zusammengehört.“ Das betreffe
                                                                                                                                                  nicht nur die MKW oder die bisher an drei Standorten unterge-
                                                                                                                                                  brachten Teile der GESS. Derzeit sei er mit sämtlichen Fakultä-

                    ZUKUNFT
                                                                                                                                                  ten zwecks einer räumlichen Neueinteilung im Gespräch.

                                                                                                                                                       „Durch die neuen Gebäude haben
                                                                                                                                                       wir jetzt die Chance, auch räumlich
                                                                                                                                                       zusammenzubringen, was fachlich
                        In diesem Sommer werden das neue Forschungs-
                        und Lehrgebäude in B6 sowie das Studien- und                                                                                   bereits zusammengehört.“
                        Konferenzzentrum der Mannheim Business                                                                                         Hubert Tomesch,
                                                                                                                                                       Leiter des Dezernats für Raumverwaltung und Organisation
                                                                             Ob und wie das Gelände genutzt werden kann, wird in weiteren
                        School fertiggestellt. Doch damit ist die bauliche   Schritten gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg und
                        Erweiterung der Universität noch nicht abge-         der Stadt Mannheim untersucht. „Dabei geht es nicht nur um           Auf dem Campus der Zukunft sollen nicht nur die Fächer
                        schlossen: In den dafür zuständigen Dezernaten       die bauliche Entwicklung der Universität, sondern auch um die        weniger verstreut sein, auch die Gebäude: Nur noch zwei
                        arbeitet man bereits an den nächsten Plänen für      Anbindung der Uni an den Rhein und den Hauptbahnhof, die             Zentren soll es geben – den Campus Ost rund ums Schloss,
                                                                             derzeit nicht optimal ausgestaltet ist“, erklärt Stephan Möller,     das weiterhin den Kern der Universität bilden wird, sowie den
                        das Campusgelände.                                   Leiter des Baudezernats der Universität Mannheim. Am liebs-          Campus West in A5, B6 und im Friedrichspark. Eine Anlage für
                                                                             ten wäre der Uni ein Gebäude, in das Lehrstühle bei Bedarf           den Hochschulsport mit Spielfeldern für Fußball, Basketball
                        Text: Nadine Diehl                                   ausgelagert werden können. „Wir müssen an irgendeiner Stel-          und verschiedene Beachsportarten hat die Universität in dem
                        Foto: Stadtarchiv Mannheim                           le im Schloss immer renovieren und dann Ersatzräume teuer            Park bereits.
V O N ZEIT ZU - Universität Mannheim
FORUM 1|2017
                                                                                                                                                                                                                                                           18–19 SCHWERPUNKT

1907-1933            1946-1967         1968-1989           1990-2000           2001-2017

IN DER UNTER-                                                                                                                         D
                                                                                                                                              urch eine Tür im
                                                                                                                                              Kunstturm des
                                                                                                                                              Ehrenhofs geht es
                                                                                                                                                                                                                                            ner den Bunker an den
                                                                                                                                                                                                                                            Hotelier Karl Laurenzi,
                                                                                                                                                                                                                                            der nach diversen Re-

W E LT D E S
                                                                                                                                      vorbei an langen Rohren                                                                               novierungsarbeiten das
                                                                                                                                      und Heizkesseln hinunter                                                                              offizielle Bunkerhotel am
                                                                                                                                      in eine verborgene Welt.                                                                              Schloss eröffnete. Vor
                                                                                                                                      Mit jedem Schritt schwit-                                                                             allem den Arbeitnehmern

EHRENHOFS                                                                                                                             zen die Hände etwas
                                                                                                                                      mehr, klopft das Herz ein
                                                                                                                                      bisschen schneller. Ein
                                                                                                                                      leichtes Schwindelgefühl
                                                                                                                                                                                                                                            der ansässigen Unter-
                                                                                                                                                                                                                                            nehmen, die nicht in dem
                                                                                                                                                                                                                                            zerstörten Stadtgebiet
                                                                                                                                                                                                                                            wohnen konnten, sowie
Im Dezember 1940 wurde Mannheim als erste                                                                                             macht sich breit, in der                                                                              Handelsreisenden diente
deutsche Stadt im Zweiten Weltkrieg bei einem                                                                                         Enge des Schlossbun-                                                                                  das Hotel als Unterkunft.
                                                                                                                                      kers. „Die Luftqualität ist                                                                           Laut Laurenzi soll es
flächenhaften Luftangriff bombardiert. In Folge                                                                                       erstaunlich gut. Genü-                                                                                1947 jede Nacht ausge-
dessen wurden über das Stadtgebiet verteilt in                                                                                        gend Sauerstoff und                                                                                   bucht gewesen sein. Drei
nur zwei Jahren über fünfzig Hoch- und Tiefbunker                                                                                     nicht zu feucht, deshalb                                                                              Jahre später wurde es
gebaut, die schätzungsweise 130.000 Menschen                                                                                          haben wir hier unten                                                                                  jedoch vorerst geschlos-
                                                                                                                                      auch keinen Schimmel.                                                                                 sen: In den Bunker lief
Schutz boten. Einer von ihnen befindet sich unter
                                                                                                                                      An schlechter Luft kann                                                                               Wasser und stand dort
dem Ehrenhof des Schlosses und hat eine beweg-                                                                                        es also nicht liegen“,                                                                                40 Zentimeter hoch. Die
te Geschichte.                                                                                                                        beruhigt Christoph Her-                                                                               Nachfrage ging zurück.
                                                                                                                                      zog vom Hochbauamt in                                                                                 Laurenzi kündigte darauf-
                                                                                                                                      Mannheim, der für den                                                                                 hin den Pachtvertrag.
Text: Nadine Diehl                                                                                                                    Bunker zuständig ist. Mit seiner Taschenlampe leuchtet er in
                                                                                           Das Bunkerhotel empfängt seine Gäste:      einen der vielen Räume, die sich links und rechts der Korrido-    Wie 1950 steht auch heute noch das Wasser im Bunker
                                                                                           1950 kostete eine Übernachtung 3,50 Mark   re befinden. Das Kopfkino beginnt.                                manchmal kniehoch. Über die ehemaligen Eingänge, vier Git-
                                                                                           Foto: Stadtarchiv Mannheim
                                                                                                                                                                                                        terschächte auf dem Ehrenhof, läuft der Regen hinein. „Heute
                                                                                                                                      Die Gedanken projizieren ein Bett und einen kleinen Tisch         sind die Gitter verschlossen, früher konnte man sie hochhe-
                                                                                                                                      mit Stuhl in den Raum, der kaum größer ist als eine Abstell-      ben und hatte so Zugang zum Bunker“, erklärt Herzog. 1996
                                                                                                                                      kammer. Das Bett ist ungemacht, Bücher stapeln sich auf           machten sich Studierende diese Schwachstelle zu Nutze.
                                                                                                                                      dem Tisch, an dem ein Student der Wirtschaftshochschule für       Jemand hatte sich den Schlüssel zu einer der Bunkertüren
                                                                                                                                      seine Seminare büffelt. 1955 wurde der Schlossbunker für ein      und dem Gitter verschafft. Für ein Jahr feierten Studierende
                                                                                                                                      Jahr zum Studentenwohnheim umfunktioniert. Die Monats-            und andere Partygänger hier unten Techno-Partys. Der Bunker
                                                                                                                                      miete für ein Einzelzimmer betrug 24 Mark. Für einen Aufpreis     wurde zur Underground-Disko umfunktioniert. Ein DJ legte auf,
                                                                                                                                      gab es auch Bettwäsche. Die meisten der rund 80 Studieren-        es stank und war dunkel. „Sie hatten die Wände komplett
                                                                                                                                      den, die darin wohnten, hatten bereits Bunkererfahrung. Denn      bunt bemalt, das haben wir überstrichen“, sagt Herzog. Nur
                                                                                                                                      zuvor diente der Bunker unter dem Goetheplatz jahrelang als       die bunten Türrahmen erinnern noch an diese Zeit. Durch das
                                                                                                                                      Wohnheim. Da die Studierenden dort wegen dem Bau des Na-          Weiß an der Wand schimmert hier und da ein bisschen Farbe.
                                                                                                                                      tionaltheaters ausziehen mussten, wurde der Schlossbunker         In der Fantasie vibrieren die Wände zum Beat. Man spürt den
                                                                                                                                      ihr neues Zuhause – auf ihren eigenen Wunsch hin.                 Schweiß, der von der Decke tropft, unter der junge Menschen
                                                                                                                                                                                                        eng gedrängt tanzen – im Rausch aus Alkohol, Ecstasy und
                                                                                                                                      Das Studentenwohnheim war nur eine von vielen Funktionen,         LSD. Nachdem die Bunkerdisko jedoch aufgrund des exzes-
                                                                                                                                      die der Bunker über die Jahrzehnte hinweg übernahm. Unmit-        siven Drogenkonsums in die Schlagzeilen gerät, beendet die
                                                                                                                                      telbar nach dem Krieg diente er aufgrund der angespannten         Polizei das nächtliche Treiben durch eine Räumungsaktion.
                                                                                                                                      Wohnsituation als Übernachtungs- und Durchgangsheim für
                                                                                                                                      Kriegsflüchtlinge, Waisenkinder und Reisende, aber auch als       Mit den aus den Fugen geratenen Partys endet auch die
                                                                                                                                      Altersheim. Die Rhein-Neckar-Zeitung beschrieb ihn damals         bewegte Geschichte des Schlossbunkers. Ein paar Mal wurde
                                                                                                                                      als „Oase im Trümmerfeld“ und lobte seine sanitären Verhält-      er der Öffentlichkeit noch zugänglich gemacht, bei der Langen
                                                                                                                                      nisse. Die Toiletten und Waschräume aus dieser Zeit gibt es       Nacht der Museen 2010 und beim Schlossfest 2011. Herzog
                                                                                                                                      dort heute noch. Herzog leuchtet hinein. Der Film läuft weiter.   schließt aus, dass er in Zukunft wieder eine Funktion haben
                                                                                                                                                                                                        wird. Zu teuer sei die Renovierung. Und so erzählt der Bunker
      Die Baugrube des Schlossbunkers 1941: Nach der Fertigstellung konnten hier im                                                   Vor dem geistigen Auge sieht man Hotelgäste, die sich hier        weiter seine Geschichten – in der Stille, verborgen unter dem
      Notfall bis zu 3.000 Menschen Schutz finden | Foto: Stadtarchiv Ludwigshafen
                                                                                                                                      waschen und die Zähne putzen, bevor sie zu Bett gehen. 1946       Ehrenhof.
                                                                                                                                      verpachtete die Stadtverwaltung auf Anregung der Amerika-
1A Die Eichbaum-Brauerei wollte im ehemaligen Kohle-
                                                                                                                                                                               keller für rund 1,2 Millionen Euro einen Jazzkeller mit
                                                                                                                                                                               oberirdischem Biergarten errichten. Letztendlich kam
                                                                                                                                                                               das Vorhaben jedoch nicht zustande.
                                  C) ein Atomschutzbunker                     Krimiautoren
                                                                                                                                                                               2B Der Zusatz @rummelplatz ist die Kreation einiger
                                  B) ein Hotel                             C) der Vater eines der ersten deutschsprachigen
                                                                                                                                                                               findiger Informatiker im damaligen Rechenzentrum der
                                  A) eine Disko                            B) ein Wirtschaftswissenschaftler
                                                                                                                                                                               Universität, denen „rumms“ schlicht zu langweilig war.
                                                                           A) ein Schweizer
                                                                                                                                                                               3C Sicherlich hätte man in der Aula auch Theater-
über 75-jährigen Geschichte nicht?
Zweiten Weltkriegs unter den Ehrenhof gebaut wurde, in seiner                                                Jahre 1911 nicht?                                                 stücke aufführen oder Tennis spielen können. Im 18.
       Was war der Schlossbunker, der 1941 während des 10.           4. Was war der erste Rektor der Handelshochschule im                                                      Jahrhundert wurde sie unter Kurfürst Carl Theodor
                                                                                                                                                                               jedoch von der Kurfürstlichen Akademie der Wissen-
                                                                                                                                                                               schaften als Bibliothek genutzt.
                                                                                                                                   Die Kurfürstliche Hofbibliothek in der      Im Zuge des Fliegerangriffs Anfang September 1943
                               C) WLAN in allen Hörsälen              C) kurfürstliche Hofbibliothek                               heutigen Aula. 1943 wurde sie zerstört.     wurden das Schloss und seine Bibliothek zerstört,
                                                                                                                                   Foto: Uniarchiv
                               B) über 10.000 Studierende             B) adliges Ballhaus (eine frühe Form der Tennishalle)                                                    wodurch unbezahlbare Kulturgüter verloren gingen.
                               A) eine Mensa                          A) Hoftheater                                                                                            4B Anders als erwartet war der erste Rektor der
                                                                                                                                                                               damaligen Handelshochschule, in der die Universität        Seit Jahrzehnten eine Institution:
                                                                                                                                                                               Mannheim ihre Wurzeln hat, kein Wirtschaftswissen-         Die Norwegerfete im Schneckenhof
                                                                                                                                                                                                                                          Foto: schneckenhof.de
                                                                                                                                                                               schaftler: Dr. phil. Charles Pierre Glauser († 1937) war
          9. Im Jahr 1995 hatte die Universität erstmals …                            3. Die heutige Aula diente einst als …
                                                                                                                                                                               ein Romanist aus der Schweiz. Sein Sohn Friedrich
                                                                                                                                                                               Glauser zählt zu den bedeutendsten Schweizer Schrift-
                                   C) Kaffeeautomaten                                  C) @rumpsteak.uni-mannheim.de                                                           stellern und wichtigsten Wegbereitern des modernen
                                   B) Schneckenhofparties                              B) @rummelplatz.uni-mannheim.de                                                         Kriminalromans.
                                   A) Badewanne                                        A) @rumpelkammer.uni-mannheim.de                                                        5C Mehr über die Geschichte des Siegels auf Seite 22.
                                                                                                                                                                               6A Bis in die 1930er Jahre hielt die Straßenbahn im
                               zu Ende – und zwar die der …      oftmals etwas anderes. Was war das?                                                                           Ehrenhof des Schlosses, machte dort einen Bogen um
                                                                 In den Anfangszeiten des Internets stand an dieser Stelle                                                     eine Reiterstatue, die es heute nicht mehr gibt, weil
                                                                                                                                                                               sie von den Nationalsozialisten abgerissen wurde, und
  8. Eine Ära geht dieses Jahr an der Universität Mannheim
                                                                 steht für „Rechenzentrum Universität Mannheim Mail Server“.
                                                                 enthalten den Zusatz „@rumms.uni-mannheim.de“. RUMMS                                                          fuhr wieder hinaus.                                        Der ehemalige Kohlekeller der Univer-
                                                                                                                                                                               7B Und wer hat’s erfunden? Die Norweger! Bis Ende          sität: Fast wäre daraus ein Jazzkeller
                                                                                                                                   Charles Glauser, der erste Rektor der       der Achtziger bildeten sie die größte Gruppe an inter-     geworden.
                                                                       2. Viele E-Mail-Adressen an der Universität Mannheim
            schaften, kurz SpLit
                                                                                                                                   Handelshochschule                                                                                      Foto: Katja Bauer
                                                                                                                                                                               nationalen Studierenden an der Universität Mannheim.
         C) die Fachschaft für Sprach- und Literaturwissen-                                                                        Foto: Uniarchiv
         B) die Norweger                                                                                                                                                       Ein Relikt aus dieser Zeit ist die Norwegerfete im
         A) die BWL-Fachschaft                                                C) als Studentenwohnheim                                                                         Schneckenhof, die erste Schneckenhoffete überhaupt.
                                                                                                                                                                               Mehr dazu auf Seite 28.
                                                                              B) als Tiefgarage
                                                                                                                                                                               8A In diesem Jahr geht die Ära des Seminarraums EO
                                 statt – wer richtete sie aus?
                                                                                                                                                                               289 zu Ende – über Studentengenerationen hinweg
                                                                              A) als Jazzkeller mit oberirdischem Biergarten
                                                                                                                                                                               besser bekannt als die „Badewanne“. Der Raum hatte
  7. Anfang der Siebziger fand die erste Schneckenhofparty
                                                                                                                                                                               seinen Namen wohl seiner Bauform zu verdanken:
                                                                 im Gespräch. Wie wollte man ihn damals nutzen?
                                                                                                                                                                               Kam man durch die Tür herein, hatte man das Gefühl
                                                                 tät. Der Umbau dieses Kellers war bereits Ende der Neunziger
                                                                                                                                                                               am Rande eines leeren Schwimmbeckens zu stehen
                                                                 School fertiggestellt – im ehemaligen Kohlekeller der Universi-
                           C) auf der heutigen Mensawiese        das Studien- und Konferenzzentrum der Mannheim Business                                                       in das man über ein Treppengeländer hineinsteigen          Die „Badewanne“
                           B) im Schneckenhof                    1. Nach zwei Jahren Bauzeit wird gegenüber der Mensa nun                                                      musste. Waren unten keine Stühle mehr frei, konnte         Foto: Lutz Spitzner
                           A) im Ehrenhof                                                                                                                                      man auch oben am „Beckenrand“ Platz nehmen. Im
                          6. Die Straßenbahn hielt einst ...                                                                                                                   Zuge der Sanierung des Ehrenhofs Ost, die gerade in
                                                                                                                                                                               vollem Gange ist, verschwindet dieses Stück Mannhei-
                                                                                                                                   Vorschlag für das Siegel der Wirtschafts-
                                                                                                                                                                               mer Universitätsbaukunst.
                                                                                                                                   hochschule im Jahr 1955
                                                                                                                                   Bild: Uniarchiv                             9B 1995 waren an der Uni Mannheim erstmals
                                                C) eine Eule                                                                                                                   10.000 Studierende eingeschrieben, heute sind es
                                                B) ein Bär                                                                                                                     rund 12.000. Die erste Mensa gab es bereits 1955
                                                                                                                                                                               als die damalige Wirtschaftshochschule ins Schloss
                                                                                               Geschichtswissen
                                                A) ein Stier
                                                                                               Unnützes Uni-Mannheim-                                                          zog. Damals befand sie sich noch im Schneckenhof,
 chen zur Abstimmung, nämlich …                                                                                                                                                wo heute die BWL ihre Bibliothek hat. WLAN in allen
 stand im Senat noch ein anderes Logo als neues Markenzei-                                                                                                                     Hörsälen gibt es auch heute leider immer noch nicht.
 der Wirtschaftshochschule 1955 eingeführt wurde. Damals                                                                                                                       10C Der Schlossbunker hatte viele Verwendungen
 versität Mannheim ist heute ein Siegel, das schon zu Zeiten                                                                                                                   nach dem Krieg: Anfangs war er ein Übernachtungs-

                                                                                          SIE‘S?
                                                                                                                                                                               und Durchgangsheim für Kriegsflüchtlinge, Waisen-
                                                                                                                                                                               kinder und Reisende. 1946 wurde er zu einem Hotel
5. Das Kernstück des neuen Corporate Designs an der Uni-
                                                                                                                                                                                                                                          Der Schlossbunker von 1946-1950
                                                                                                                                                                               umgebaut, 1955 zu einem Studentenwohnheim und              Foto: Stadtarchiv Mannheim
                                                                                                                                   1895 hielt die Pferdebahn auf dem Eh-

                                                                                          WISSEN
                                                                                                                                   renhof vor dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal
                                                                                                                                                                               1996 feierten Studierende darin Elektro-Partys. Wäh-
                                                                                                                                   Foto: Stadtarchiv Mannheim                  rend des Kalten Krieges erwog der Bund, den Bunker
                                                                                                                                                                               in einen ABC-waffensicheren „Zivilschutzraum“ umzu-
                                                                                                                                                                               funktionieren. Die erforderlichen Baukosten überstie-
                                                                                                                                                                               gen jedoch das Budget.
                                                                                                                                                                                                                                                                      20–21 SCHWERPUNKT
                                                                                                                                                                                                                                                                      FORUM 1|2017
FORUM 1|2017
22–23 SCHWERPUNKT

                                                                                                                                                                          1907-1933      1946-1967      1968-1989       1990-2000       2001-2017

                    „IN OMNIBUS
                    V E R I TA S “
                    – DIE GESCHICHTE
                    EINES ZEICHENS
                          Mit dem feierlichen Einzug der Wirtschaftshoch-                                       Text: Nadine Diehl
                          schule 1955 ins Mannheimer Barockschloss ent-                                         Bilder: Universitätsarchiv

                          wickelte der damalige Rektor gemeinsam mit ei-
                          nem Goldschmied ein Siegel als Markenzeichen
                          für die Hochschule. Mitte der Neunziger galt es
                                                                                                                S
                                                                                                                       chon bei den alten Griechen stand sie als Symbol der       So machte sich der Goldschmied ans Werk. Im Juli 1955
                          als veraltet und wich einer reinen Wortmarke.                                                Göttin Athene für Weisheit: die Eule. Heute kommt sie      wurde das Siegel dem Senat vorgestellt. Das Votum fiel
                                                                                                                       oft mit einem Doktorhut daher, trägt eine Hornbrille und   eindeutig aus: Signet statt Eule. Zum ersten Mal war es
                          Jetzt ist das Siegel wieder da und Kernstück                                          hat ein Buch unter den Flügel geklemmt. Ob Schulen oder           auf dem Vorlesungsverzeichnis des Wintersemesters
                          des neuen Corporate Designs, mit dem sich die                                         Kindergärten – überall sind die gefiederten Oberlehrer als        1955/1956 zu sehen und schmückte von da an viele
                          Universität Mannheim international präsentieren                                       Symbol im Einsatz. Auch 1955, als die Wirtschaftshochschule       Dokumente der Universität – bis etwa Mitte der Neunziger.
                          möchte.                                                                               auf der Suche nach einem geeigneten Logo war, stand die Eule      Da verschwand es fast gänzlich. Dem damaligen Zeitgeist
                                                                                                                im Senat zur Debatte.                                             geschuldet hielt man Siegel und lateinische Aufschriften für
                                                                                                                                                                                  altmodisch und verwendete nur noch die Wortmarke „Univer-
                                                                                                                Der Alternativ-Entwurf eines Goldschmieds aus Schwäbisch-         sität Mannheim“. Im Zuge des zunehmenden internationalen
                                                                                                                Gmünd war da schon origineller. Im März 1955, zwei Monate         Wettbewerbs erfährt das traditionsreiche Siegel jedoch eine
                                                                                                                bevor die Wirtschaftshochschule in den Ostflügel des Schlosses    Wiederbelebung: Siegel sind wieder „in“ und haben einen
                                                                                                                einziehen sollte, schrieb ihm der da-                                                     hohen Wiedererkennungswert – das
                                                                                                                malige Rektor, Prof. Dr. Eduard Willeke,                                                  zeigen namhafte Beispiele wie Har-
                                                                                                                einen Brief. Er wolle ein Siegel, das                                                     vard oder Cambridge.
                                                                                                                die alte Schloss-Stadt Mannheim sym-
                                                                                                                bolisiert, und schickte ihm dazu den                                                      Auch die Universität Mannheim hat
                                                                                                                Grundriss aus dem 18. Jahrhundert.                                                        in einem komplett neu entwickelten
                                                                                                                Die Wirtschaftshochschule sei „aus                                                        Corporate Design das Siegel zurück-
                                                                                                                dem Bürgergeist der Stadtgemeinde“                                                        geholt. Im Zuge dieses Redesigns ar-
                                                                                                                entstanden, weshalb die Quadrate auf dem Siegel nicht fehlen      beitet sie auch an einem neuen Webauftritt, der voraussicht-
                                                                                                                dürften – und so auch das Schloss. Denn hier befand sich da-      lich Ende 2017 online geht. Die Homepage einer Universität
                                                                                                                mals die Kurfürstliche Akademie der Wissenschaften, die Kur-      ist für die meisten zukünftigen Studierenden und Wissen-
                                                                                                                fürst Carl Theodor im Jahr 1763 gründete und zum „geistigen       schaftler die erste Anlaufstelle, um sich über die Institution
                                                                                                                Mittelpunkt der ehemaligen Kurpfalz“ machte. Deren Tradition      zu informieren – national wie international. Noch ein Grund
                                                                                                                wolle die Wirtschaftshochschule wieder aufnehmen. „in omnibus     mehr, warum es besser ist, dass das Markenzeichen der
                          Grundriss der Stadt Mannheim aus dem 18. Jahrhundert. Er diente als Vorlage für das   veritas suprema lex esto“ (In allem Wahrheit sei das höchste      Universität keine Eule geworden ist. In vielen Kulturen gilt sie
                          Siegel. | Bild: Stadtarchiv Mannheim
                                                                                                                Gesetz) war Motto und Auftrag der Kürfürstlichen Akademie zu-     nämlich als Symbol für Finsternis und Tod.
                                                                                                                gleich. Auch dieses Credo sollte deshalb Verwendung finden.
FORUM 1|2017
24–25 SCHWERPUNKT

      1907-1933           1946-1967           1968-1989            1990-2000            2001-2017

                                                                                                    FORUM: Prof. Raffée, Sie sind Ende 1969 an die Universität             Raffée: Das ist sicherlich richtig. In Mannheim wurde bei Pro-
                                                                                                    Mannheim gekommen. Zuvor waren Sie Privatdozent in Frank-              testen auch immer die Form gewahrt. Die Studierenden in der
                                                                                                    furt. Welchen Unterschied gab es zwischen den beiden Unis,             BWL-Fakultät haben nicht provoziert oder mit Tintenfässern
          INTERVIEW                                                                                 was die 68er-Bewegung anbelangte?                                      geworfen, wie das anderswo passierte.

      „IN MANNHEIM                                                                                  Raffée: Das war ein Unterschied wie Tag und Nacht. In Frank-
                                                                                                    furt war die Crème de la Crème des SDS, des linken Studie-

      IST ES
                                                                                                    rendenverbands im AStA, und die Soziologen und Politologen
                                                                                                    spielten dort natürlich eine viel größere Rolle. Da war es
                                                                                                    nichts Ungewöhnliches, dass die linken Studenten regelrecht
                                                                                                    das Podium stürmten, dem Professor das Mikrofon wegrissen

       MEISTENS                                                                                     und sagten: „Du bist jetzt still, jetzt sind wir dran!“ In Frankfurt
                                                                                                    ging es hoch her und insofern waren es ruhige Gewässer, als
                                                                                                    ich dann hierher nach Mannheim kam.

      RUHIG“                                                                                        Gassert: Interessant ist auch, dass in Mannheim im Vergleich
                                                                                                    zu Frankfurt, Berlin oder auch Heidelberg, der Fokus viel mehr
                                                                                                    auf Universitätsfragen lag. Eine nennenswerte Protestbewegung
      1969 stürmen Studierende das Rektorat, 1988 belagern sie                                      gab es erst 1969 und zwar in dem Moment, als es um die
      mit Zelten den Ehrenhof, 2004 demonstrieren sie gegen die                                     innere Struktur der Universität ging. Es gab eine große Diskus-
      Studiengebühren und zwei Jahre später gegen die Profilbildung.                                sion über eine neue Grundordnung, mit der man versuchte, die
      Einer, der sämtliche Studentenproteste in der Geschichte der                                  Beteiligung der wissenschaftlichen Assistenten und Studieren-
      Universität Mannheim miterlebt hat, ist der emeritierte Mar-                                  den in den Universitätsgremien festzuschreiben. Die Studenten          FORUM: Den nächsten größeren Protest gab es erst wieder
      ketingprofessor und ABSOLVENTUM-Ehrenpräsident Prof. Dr.                                      wünschten sich eine größere Beteiligung, die sie mit einer Rek-        Ende der Achtziger. Da ging es um überfüllte Hörsäle und
      Hans Raffée. Im Interview diskutiert der 87-Jährige mit dem                                   toratsbesetzung durchsetzen wollten. Es ging also weniger um           schlechte Studienbedingungen im Allgemeinen. Die Studieren-
      Mannheimer Protestforscher Prof. Dr. Philipp Gassert, Inhaber                                 die allgemeinen Fragen der 68er-Bewegung, wie Vietnamkrieg,            den forderten unter anderem mehr Tutorien, mehr Bücher in
      des Lehrstuhls für Zeitgeschichte, über die Ereignisse.                                       Nazi-Vergangenheit oder sexuelle Befreiung. Es gab auch keine          der Universitätsbibliothek und mehr Lehrpersonal. Sie selbst
                                                                                                    gewalttätige Konfrontation wie in Berlin oder Frankfurt. Zum           sind bei der Demonstration im Dezember 1988 mitgelaufen.
      Interview: Nadine Diehl                                                                       großen Protest fehlten im Grunde die vielen linken Soziologen.         Wie war da die Stimmung in Ihrer Fakultät?
      Foto: Universitätsarchiv

                                                                                                                                                                           Raffée: Die Kollegen, die ein Ohr für die Belange der Studie-
                                                                                                                                                                           renden hatten, waren die absolute Minderheit. Gerade für die
                                                                                                                                                                           älteren war das eine neue Welt. Die sagten: „Wo gibt’s denn
                                                                                                                                                                           sowas? Wir geben hier den Ton an!“ Wir jüngere Professoren
                                                                                                                                                                           hielten das für falsches Anspruchsdenken. Ich wäre nicht
                                                                                                                                                                           mitgelaufen, wenn ich nicht das Grundanliegen der Studie-
                                                                                                                                                                           renden für legitim angesehen hätte. Wir sahen ja selbst die
                                                                                                                                                                           Misere in der Lehre, wenn zu viele Studierende auf einen
                                                                                                                                                                           Professor entfallen.

                                                                                                                                                                           Gassert: Interessant ist, dass das ein Dauerthema ist, das
                                                                                                                                                                           sich über die Jahrzehnte hinweg gehalten hat. Die Studenten-
                                                                                                                                                                           zahlen steigen bis heute. Auch jetzt haben wir wieder mehr
                                                                                                                                                                           Studierende als vor fünf Jahren, aber unsere Stellenausstat-
                                                                                                                                                                           tung wächst nicht in der gleichen Weise mit. An der Univer-
                                                                                                    FORUM: Lag es allein an den Fächern, dass es in Mannheim               sität leiden wir – zumindest gefühlt – immer unter Bedingun-
                                                                                                    nicht so heiß herging?                                                 gen der Überfüllung und trotzdem halten die Leute manchmal
                                                                                                                                                                           über Studentengenerationen hinweg die Füße still. Im Prinzip
                                                                                                    Gassert: Nicht nur. Mannheim war ja erst seit 1967 Univer-             könnte es auch heute noch zum großen Knall kommen.
                                                                                                    sität. Das heißt, es gab nicht die tradierten Strukturen einer
                                                                                                    klassischen Ordinarienuniversität, wie beispielweise in Hei-           Raffée: Ich glaube, ein wichtiger Faktor, warum die Studie-
                                                                                                    delberg oder Tübingen. Die Universität hatte ein egalitäreres          renden das heute hinnehmen, ist die Qualität der Lehre an
                                                                                                    Selbstverständnis. Außerdem war sie relativ klein, wodurch             dieser Uni. Gerade auch die Entlastung durch Übungen und
                                                                                                    es eine größere Nähe zwischen Studierenden und Lehrper-                Tutorien lässt das zahlenmäßige Missverhältnis wohl eher
                                                                                                    sonal gab. Wenn Sie sich allerdings die Geschichte dieses              verkraften. Außerdem bietet die Universität vor allem auch
                                                                                                    Studentenprotestes anschauen, waren die Träger tatsächlich             durch ABSOLVENTUM, unsere Vereinigung der ehemaligen
                                                                                                    die Sozial- und Geisteswissenschaften. In Mannheim waren               und jüngeren Studierenden, Veranstaltungen an, die nicht
           „Die Uni platzt aus allen Nähten“: Studierende protestieren 1988 auf dem Ehrenhof        hingegen die BWL-Studenten in der Überzahl, die – ohne ihnen           unbedingt zum Standardprogramm gehören – zum Beispiel
           gegen schlechte Studienbedingungen und überfüllte Hörsäle.
                                                                                                    nahetreten zu wollen – ja eher konsensorientiert sind und sich         ein gutes Mentoren-Programm, das es in dieser Qualität nur
                                                                                                    als Stütze der Gesellschaft verstehen.                                 an ganz wenigen Universitäten gibt.
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