Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland

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Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
August/
                                                September
                                                  2019

                           Alexander Wormsbecher:
                                „Wir im Jahr 1941“

14. September:
Gedenkfeier in Friedland
Seite 2
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Die Landsmannschaft

Aus dem Inhalt                                Friedland, 14. September 2019, 14 Uhr:
2 Friedland: Zentrale Gedenkfeier der
   LmDR
                                              Zentrale Gedenkfeier der LmDR

                                              D
3 Auf ein Wort                                          ie zentrale Gedenkfeier der
3 Kaukasusdeutsche: Festakt in Stutt-                   LmDR findet am 14. Septem-
   gart-Bad Cannstatt                                   ber 2019 um 14 Uhr traditions-
4 Interview mit der Sächsischen Staatsmi-     gemäß auf dem Gelände des Grenzdurch-
   nisterin für Gleichstellung und Integra-   gangslagers Friedland (Heimkehrerstr.
   tion, Petra Köpping                        18, Friedland) statt.
5 Steigende Spätaussiedlerzahlen                  Die Schirmherrschaft hat der Nieder-
6 Heimatbuch 2020 der LmDR                    sächsische Minister für Inneres und Sport,
7 Kathis Senf                                 Boris Pistorius, übernommen, der auch
8 Projekt „Neuzugewanderte stärken“
                                              die Festrede spricht. Die Organisation liegt
                                              erneut in den Händen der Landesgruppe
9 Projekt „Deutsche Geschichte in             Niedersachsen der LmDR mit ihrer Vor-
   Wolhynien“                                 sitzenden Lilli Bischoff. Mit einer Anspra-
10 20 Jahre DJR                               che wird sich der Beauftragte der Bundesre-
11 Projekt „Politische Diskussionskultur      gierung für Aussiedlerfragen und nationale
   stärken“                                   Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, an
12 Veranstaltungen des BKDR                   die Teilnehmer wenden.
13 Wanderausstellung der LmDR                     Das Motto der Veranstaltung lautet
14 Hugo Wormsbechers „Unser Hof “ on-             „Zukunft braucht Vergangenheit“
   line                                           mit dem Schwerpunkt
16 Baden-Württemberg                             „95 Jahre Gründung der Autonomen
                                                    Sozialistischen Sowjetrepublik
21 Bayern
                                                         der Wolgadeutschen“.                Die Friedlandglocke.
23 Bücherangebot                                  Die Gedenkveranstaltung erinnert an
26 Bremen                                     den rechtswidrigen Erlass des Präsidiums       Kulturgruppen und Solisten aus ganz Nie-
27 Hamburg                                    des Obersten Sowjets der Sowjetunion           dersachsen.
27 Hessen                                     „Über die Übersiedlung der Deutschen, die         Darüber hinaus haben die Gäste die
29 Niedersachsen                              in den Wolgarayons leben“ vom 28. August       Möglichkeit, kostenlos das Museum Fried-
32 Nordrhein-Westfalen                        1941, der die massenhafte Deportation der      land zu besuchen. Seit März 2016 zeigt das
34 Rheinland-Pfalz                            Deutschen in der Sowjetunion und gleich        Museum die Dauerausstellung „Abschied,
                                              darauf die Massenmobilisierung der deut-       Ankunft, Neubeginn“, die 70 Jahre der Ge-
35 Sachsen
                                              schen Männer, Frauen und Jugendlichen in       samtgeschichte des Grenzdurchgangslagers
35 Sachsen-Anhalt                             die Arbeitslager des GULag einleitete.         von 1945 bis in die Gegenwart nachzeich-
35 Schleswig-Holstein                             Gleichzeitig stellt die Gedenkveranstal-   net und Fluchtursachen, Migrationswege
36 Interview mit Wendelin Mangold             tung das denkwürdige Datum „95 Jahre           und den gesellschaftlichen Umgang mit
38 Interview mit Vladimir Andrienko           Gründung der Autonomen Sozialistischen         Migration und Kriegsfolgen behandelt.
40 Glückwünsche                               Sowjetrepublik der Wolgadeutschen“, die        Auch russlanddeutsche Schicksale gehören
41 Viktor Herdt zum 70. Geburtstag            nach der Deportation der Wolgadeutschen        zu dieser Gesamtgeschichte.
42 Waldemar Weber zum 75. Geburtstag          rechtswidrig aufgelöst wurde, in den Mit-
                                              telpunkt.                                      So kommen Sie zum Veranstaltungsort
43 Friedrich Dortmann zum 100. Geburts-
                                                  Die Feierstunde beginnt um 14 Uhr          (Anreise mit der Deutschen Bahn AG):
   tag
                                              und wird musikalisch von russlanddeut-         • Aus Richtung Göttingen kommend: das
44 Erinnerungen an Dominik Hollmann           schen Chören aus Niedersachsen umrahmt.           Bahnhofsgelände nach rechts verlassen.
46 Zur Geschichte der Wolgadeutschen Re-      Grußworte sprechen prominente deutsche         • Aus Richtung Kassel kommend: nach
   publik                                     Politiker und Vertreter von Verbänden.            Überqueren der Gleise am Bahnüber-
48 Nachruf auf Ludmilla Oldenburger               Nach der Feierstunde folgen Andachten         gang rechts in die Bahnhofstraße ein-
49 Zum Gedenken                               und Kranzniederlegungen vor der Fried-            biegen. Nach circa 200 Metern Fußweg
51 Nachruf auf Isolde Schmidt                 landglocke und dem Mahnmal. Das an-               links Richtung Grenzdurchgangslager.
52 Zum Gedenken an Peter Reger                schließende Kulturprogramm gestalten              VadW
53 Jacob Schmal - der letzte Sprecher des
   Wolgadeutschen Rundfunks                    40 Jahre Patenschaft des Landes Baden-Württemberg
54 Beitrittserklärung                          Wir weisen schon jetzt auf den Festakt anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Paten-
55 Erna Wormsbecher: Hundert Haiku             schaft des Landes Baden-Württemberg über die Landsmannschaft der Deutschen aus
56 Elena Gerghart: Schicksalsjahre in der      Russland hin.
   Sowjetunion                                 Er findet am 27. November 2019 um 15 Uhr im Literaturhaus Stuttgart, Breitscheid-
                                               platz 4, statt. Die Festrede übernimmt Thomas
                                               Strobl, Minister für Inneres, Digitalisierung
             Bitte beachten Sie:
                                               und Migration des Landes Baden-Württem-
            Redaktionsschluss für
                                               berg. Das Ministerium hat auch die Förde-
         die Oktober-Ausgabe 2019
                                               rung der Veranstaltung übernommen.
        ist der 17. September 2019.

2     VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Die Landsmannschaft

                                                des Präsidiums des Obersten Sowjets der

Auf ein Wort                                    Sowjetunion vom 28. August 1941 „Über
                                                die Übersiedlung der Deutschen, die in den
                                                Wolgarayons leben“ zusammenhängt.
Liebe Landsleute,                                   Es waren schreckliche Ereignisse - Mas-
liebe Freunde und Unterstützer                  sendeportationen, Zwangsarbeit unter un-
der Deutschen aus Russland,                     menschlichen Bedingungen, mörderische
                                                Kälte, Hunger und Tod -, von denen so
    das Aufgabenspektrum der Landsmann-         gut wie jede deutsche Familie in der Sow-
schaft der Deutschen aus Russland ist in        jetunion betroffen war. Ereignisse, die sich
den letzten Jahren keineswegs schmaler ge-      unauslöschlich in unser kollektives Ge-
worden, auch wenn sich die Schwerpunkte         dächtnis eingebrannt haben.
ein wenig verschoben haben.                        Als zweites zentrales Thema haben wir
    Der Einsatz für eine verstärkte Einbezie-   uns bei der Gedenkfeier für den 95. Jahres-
hung von Deutschen aus Russland in Ange-        tag der Gründung der Autonomen Sozia-
legenheiten, die sie unmittelbar selbst be-     listischen Sowjetrepublik der Wolgadeut-
treffen, gehört ebenso dazu wie der Kampf       schen entschieden.
gegen eminente Benachteiligungen durch              Natürlich wissen wir, dass die Wolgare-
ungerechte Fremdrentenregelungen und            publik den sowjetischen Machthabern in
die damit einhergehende verstärkte Alters­      erster Linie als Vorzeigeobjekt diente, als    Johann Thießen
armut unserer Landsleute oder etwa das          Beweis ihrer „vorbildlichen“ Bevölkerungs-
Bemühen um Verbesserungen im Integra-           politik, die angeblich jede Volksgruppe in     und Verständigung - für Frieden in Europa“
tionsbereich.                                   der UdSSR gleich und gerecht behandelte.       in Berlin stattfindet, zur Sprache bringen.
    Am wichtigsten aber werden noch lange       Wir wissen, was Wirklichkeit war und dass          Dass wir bei all unseren Bemühungen
Jahre unsere deutlichen Hinweise auf das tra-   die Wolgarepublik keineswegs zufällig auf-     mit dem Beauftragten der Bundesregie-
gische Schicksal sein, das Hunderttausende      gelöst wurde.                                  rung für Spätaussiedlerfragen und natio-
Russlanddeutsche unter der Sowjetdiktatur           Wir wissen aber auch, welche wirklich      nale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fab-
erleiden mussten. Das umso mehr, als die-       vorbildlichen Leistungen die Deutschen in      ritius, einen engagierten Fürsprecher auf
ses Schicksal im Bewusstsein der Öffentlich-    der Wolgarepublik, die ja nicht einmal zwei    unserer Seite haben, möchte ich auch an
keit kaum präsent ist und von einer Rehabi-     Jahrzehnte Bestand hatte, erbracht haben.      dieser Stelle ganz ausdrücklich betonen.
litation der Volksgruppe durch die Russische    Leistungen, auf die wir alle stolz sein dür-
Föderation als Rechtsnachfolger der Sowje-      fen und auf die wir immer wieder hinwei-           Ihnen, liebe Landsleute, wünsche ich
tunion nach wie vor keine Rede sein kann.       sen werden.                                     einen erholsamen Urlaubsmonat August
    Wir erinnern daher bei unserer zent-           Themen wie die genannten werden wir         - bei erträglichen Temperaturen und im
ralen Gedenkfeier am 14. September im           unter anderem auch beim Festakt des Bun-        Kreise ihrer Familien und Freunde.
Grenzdurchgangslager Friedland an eben          des der Vertriebenen, der am 31. August                                   Johann Thießen,
dieses Schicksal, das eng mit dem Erlass        2019 unter dem Motto „Menschenrechte                        Bundesvorsitzender der LmDR

Stuttgart-Bad Cannstatt, 31. August 2019, 10 Uhr:
Jubiläumsfeier „200 Jahre schwäbische Kolonien im Südkaukasus“

W
           ir laden Sie herzlich ein zur Ju-    • Vortrag: Rita Laubhan, Genealogin,           15.30 Uhr: Kranzniederlegung am Denk-
           biläumsfeier „200 Jahre schwä-         Autorin des Buches „Alexandersdorf –         mal der Heimatvertriebenen.
           bische Kolonien im Südkauka-           ein schwäbisches Dorf im Kaukasus“,
sus“, die am 31. August 2019 im Kleinen           „Auswanderung 1816-1817 aus Würt-            16 Uhr: Geselliges Beisammensein mit
Kursaal in Stuttgart-Bad Cannstatt, Kö-           temberg und Gründung der schwäbi-            Jakob Fischer.
nigsplatz 1, stattfindet.                         schen Kolonien im Südkaukasus“.
                                                                                               Rahmenprogramm: Ausstellung zur Ge-
                                                • Vorstellung des Buches von Nestan            schichte der Südaukasusdeutschen.
Programm:                                         Tatarashvili, „Die deutschen Siedlun-
10 Uhr: Saalöffnung, Einlass, Gesprächs-          gen und das deutsche architektonische        Aus Platzgründen ist die Teilnehmerzahl
runden, Gedanken- und Erinnerungsaus-             Erbe in Georgien“, durch Olesya Di-          begrenzt.
tausch.                                           mitrichenko, Tbilisi, Verein zur Be-
                                                  wahrung des deutschen Kulturerbes            Walli und Paul Schüle
11.30 Uhr: Mittagessen.                           im Südkaukasus.                              Holzgasse 11, 71409 Schwaikheim,
                                                                                               Tel. 07195/52058
13 Uhr: Offizieller Teil mit musikalischer      • Vortrag: Dr. Katharina Dück, Sprach-         E-Mail: pw_schuele@web.de
Umrahmung.                                        wissenschaftlerin vom Institut für
• Eröffnung: Paul Schüle, Vertreter der           Deutsche Sprache in Mannheim, „200           Gefördert durch:
  Kaukasusdeutschen.                              Jahre, 7 Länder, 1 Dialekt: Das Schwä-
                                                  bische als Baustein einer kaukasien-
• Begrüßung: Lilli Bischoff, stellvertre-         deutschen Identität“.                                      KULTURREFERAT FÜR
  tende Bundesvorsitzende der Lands-
  mannschaft der Deutschen aus Russland.        15 Uhr: Totenehrung.                                         RUSSLANDDEUTSCHE

                                                                                                   VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 3
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Politik

„Ich finde, die Spätaussiedler haben Großartiges geleistet.“
 Interview mit der Sächsischen Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping

A
        nlässlich der Ernennung der Lan-                                                            ler waren verständlicherweise erst einmal an-
        desgruppe Sachsen der Lands-                                                                dere Themen wichtig, z.B. der Aufbau eines
        mannschaft der Deutschen aus                                                                Lebens in der jetzigen Heimat. Aber die Po-
Russland durch die Sächsische Landesre-                                                             litik benötigt dringend die starken Stimmen
gierung zum „Dachverband der sächsi-                                                                der einzelnen Gesellschaftsgruppen. Ich habe
schen Spätaussiedler“ veröffentlichen wir                                                           in Sachsen die Gründung eines Dachverban-
das nachstehende Interview mit der Säch-                                                            des der Migrantenorganisationen unterstützt
sische Staatsministerin für Gleichstellung                                                          und treffe mich regelmäßig mit den Mitglie-
und Integration, Petra Köpping (SPD).                                                               dern. Wir hegen hier ein kleines Pflänzchen
Die Fragen stellte die Landesgruppe Sach-                                                           politischer Partizipation, und ich hoffe, dass
sen der LmDR.                                                                                       wir bald sehr viel mehr davon haben.
                                                                                                        Die unterschiedlichen Gruppen müssen
LG Sachsen: Im vergangenen Jahr wurde                                                               ihre Interessen nicht nur auf breiter gesell-
ein Beauftragter für Vertriebene und                                                                schaftlicher Ebene vertreten, die politische
(Spät-)Aussiedler im Freistaat Sachsen                                                              Ebene gehört für mich zwingend auch dazu.
eingesetzt. Welche Rolle und Verantwor-                                                             Seien Sie politisch und mischen Sie sich ein.
tung sehen Sie in Ihrem Geschäftsbereich                                                            Als Ministerin freue ich mich auf Partner,
für Gleichstellung und Integration für diese                                                        die mit mir auf Augenhöhe diskutieren und
Personengruppe?                                                                                     unser Zusammenleben verbessern wollen.
Petra Köpping: Wir haben hier in unserem
kleinen, aber wichtigen Geschäftsbereich         Petra Köpping                                      Worauf sollte derzeit das politische
eine ganz besonders große Verantwortung.                                                            Hauptaugenmerk für die (Spät-)Aussied-
Und wir arbeiten sehr gern mit Ihnen zusam-      ler offensichtlich erst mal für sich selbst be-    ler gelegt werden?
men. Bis jetzt zählen wir ca. 150.000 (Spät-)    antworten und gewichten wollten. Und das           Das sind für mich im Wesentlichen vier
Aussiedler in Sachsen, deren überwiegende        völlig zu Recht. Denn die Willkommenskul-          Punkte: der Abbau von Rentenungerechtig-
Zahl aus den Nachfolgestaaten der UdSSR          tur, die wir jetzt praktizieren, hat es bisher     keit, die Verhinderung von Altersarmut, Maß-
gekommen ist. Diese Gruppe stellt damit          nicht gegeben. Auch den Spätaussiedlern ge-        nahmen zur Beschleunigung der Anerken-
etwa die Hälfte der in Sachsen lebenden Be-      genüber waren die Menschen und die Ver-            nung mitgebrachter Berufsabschlüsse sowie
völkerung mit Migrationshintergrund. Und         waltung in diesem Land nicht immer aufge-          die stärkere Einflussnahme auf ehrenamtli-
gleichzeitig sind sie eine besondere Gruppe,     schlossen.                                         ches und politisches Engagement in den de-
da sie Deutsche sind und sie ein gemeinsa-           Gleichzeitig sah ich sehr viele Spätaussied-   mokratischen Organisationen und Parteien.
mes Kriegs- und Kriegsfolgeschicksal teilt.      lerinnen und Spätaussiedler, die sich eben ge-
    Man muss rückblickend feststellen, dass      rade aufgrund ihrer eigenen Erfahrung über-        Welche Ziele und Maßnahmen der Arbeit
wir in Sachsen einen gewissen Nachhol-           aus engagiert gezeigt haben und vielleicht an      ihres Geschäftsbereichs sollen die Integra-
bedarf in der Integrationspolitik haben, da      vielen Stellen die viel besseren „Integrations-    tion der (Spät-)Aussiedler vervollkomm-
die Integration bis Ende 2014 als Politikfeld    helfer“ waren, wenn es um das Ankommen             nen?
überhaupt keine Rolle gespielt hat. Erst mit     und Orientieren in Deutschland und Sach-           Es war nicht nur meine Idee, sondern es
der Einrichtung meines Geschäftsbereichs         sen ging. Dafür bin ich all diesen Engagier-       bleibt auch mein Ziel, einen starken Dachver-
Ende 2014 begann in Sachsen eine tatsäch-        ten überaus dankbar!                               band der (Spät-)Aussiedler in Sachsen unter
liche, aktive Integrationspolitik.                                                                  Führung der Selbstorganisation der (Spät-)
    Während sich mein Geschäftsbereich or-       Wie empfinden Sie die Integration der              Aussiedler sowie der Landsmannschaft der
ganisatorisch im Aufbau befand, haben wir        (Spät-)­Aussiedler in Sachsen?                     Deutschen aus Russland als Interessenvertre-
beispielsweise sofort mit der Erstellung von     Ich finde, die Menschen haben Großartiges          tung und Hilfsorganisation sowie Ansprech-
Förderprogrammen begonnen. Dabei war             geleistet. Ich empfinde sie als angekommen         partner der Sächsischen Staatsregierung zu
mir immer wichtig, dass neben der großen         und gut integriert. Und diese Leistung ist         etablieren und zu fördern. Wir sind hierzu
Zahl von geflüchteten Menschen eben auch         umso höher einzuschätzen, als sie ohne grö-        in guten Gesprächen, und ich würde mich
all diejenigen „Nicht-Asylsuchenden“ davon       ßere staatliche Unterstützung und ohne die         freuen, wenn uns der erste große Startschuss
profitieren, die ebenfalls vor Teilhabebarrie-   genannte Willkommenskultur erbracht wor-           noch in diesem Jahr gelingt. Denn ehrlich ge-
ren stehen. Denn um nichts anderes geht es       den ist.                                           sagt: Es wird Zeit dafür – und wenn Sie bis-
in der Integrationspolitik: um die Ermögli-         Spätaussiedler haben noch einmal einen          lang niemand dabei unterstützt hat, so mache
chung von möglichst gleicher Teilhabe am         ganz besonderen Blick auf Ihre jetzige Hei-        ich das jetzt sehr gern!
gesamtgesellschaftlichen Leben.                  mat. In Zukunft sollten wir diese Perspektive
                                                 noch einmal viel stärker wahrnehmen und            Was geben Sie der Landsmannschaft der
Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen den        annehmen – denn sie hilft uns hier Gebo-           Deutschen aus Russland mit auf den Weg?
Migrantengruppen (Spät-)Aussiedler und           renen manchmal etwas besser, uns selbst in         Seien Sie politisch. Mischen Sie sich ein.
neue Zuwanderer?                                 einer Zeit des ständigen Wandels zu verorten.      Seien Sie gern kritisch – und machen Sie
Ich habe hier zunächst eine gewisse abwar-                                                          aus Ihrer besonderen Erfahrung heraus die
tende Skepsis bei den (Spät-)Aussiedlern er-     Wie schätzen Sie die politische Partizi-           guten Vorschläge, die wir brauchen, um
lebt: Wie werden die geflüchteten Menschen       pation der (Spät-)Aussiedler im Freistaat          einen neuen gesellschaftlichen Zusammen-
hier in Empfang genommen? Welche Zu-             Sachsen ein?                                       halt in Sachsen zu schaffen. Wer sich das
wendungen und Leistungen erhalten sie? Das       Da möchte ich ganz klar sagen: Getrauen            zum Ziel setzt, hat mit mir immer eine enge
waren die Fragen, die viele (Spät-)Aussied-      Sie sich mehr! Für viele der (Spät-)Aussied-       Partnerin an seiner Seite!

4     VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Soziales

                                                                                                                              LmDR
STELLENAUSSCHREIBUNG: GESCHÄFTSFÜHRER/IN                                                                                      Zusammenhalten –
                                                                                                                                   Zukunft gestalten
                                                                                                                 Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V.

Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V. (LmDR) ist die älteste und größte Organisation der Volksgruppe in der Bundes-
republik Deutschland und offen für alle Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion. Die LmDR verfolgt ausschließlich gemeinnützige
Zwecke, ist überparteilich und überkonfessionell und sucht stets den Dialog mit allen demokratischen Parteien. Familienzusammen-
führung sowie die soziale, gesellschaftliche, berufliche und religiöse Eingliederung in die deutsche Gesellschaft, Kultur-, Öffentlichkeits-
und Jugendarbeit gehören zu den wichtigsten Aufgaben der LmDR.

Im Rahmen des Projektes zur Strukturförderung suchen wir für die Organisation und Stärkung unserer Bundesgeschäftsstelle in Stutt-
gart baldmöglichst für die Dauer von zwei Jahren eine/n in Teilzeit engagierte/n und qualifizierte/n Geschäftsführer/innen.

Zu den Aufgaben gehören                                                   (Anträge, Verwendungsnachweise) sowie Planung und Durch-
• Profilentwicklung des Verbandes                                         führung von Veranstaltungen
• Neuausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit                            •   Kenntnisse in der Beratung von Ehrenamtlichen bzw. in der
• Organisation der Lobby-Arbeit                                           Planung von Qualifizierungsangeboten und/oder Organisati-
• Ausbau und Stärkung der hauptamtlichen Mitarbeiter                      onsberatung (u.a. zu vereinsrechtlichen Fragen, Förderbera-
• Professionalisierung der Verbandsarbeit                                 tung, Beratung zum Veranstaltungs- und Organisationsma-
• Beratung und Begleitung von ehrenamtlichen Gruppen, die                 nagement)
  sich für Deutsche aus Russland einsetzen                            •   Organisationstalent
• strategische Stärkung von Landes-, Orts- und Jugendgruppen          •   konzeptionelle Fähigkeiten und Interesse, neue eigene Ideen
• Auf- und Ausbau von Kooperationen mit relevanten Partner-               zu entwickeln und umzusetzen
  institutionen aus Verwaltung, von Freien Trägern, der Wirt-         •   engagierte, teamfähige und einfühlsame Persönlichkeit, die
  schaft und Politik                                                      selbständig und verantwortungsbewusst arbeitet und sich
• Kontaktauf- und -ausbau mit relevanten Förderinstitutionen              durch Flexibilität auszeichnet
• Management der Projektfinanzen und die damit verbundene             •   Bereitschaft, Termine auch abends und am Wochenende
  Kommunikation mit den Zuschussgebern (BAMF, BMI und                     wahrzunehmen
  weitere Förderinstitutionen, die im Rahmen des Projektes ak-
  quiriert werden)                                                    Wir bieten
• Begleitung und Abwicklung der Förderanträge                         • einen zukunftsorientierten Arbeitsplatz mit Einbindung in ein
• Verankerung der Jugend in den Strukturen des Bundesverbandes          freundliches, hochmotiviertes und offenes Team
                                                                      • Möglichkeiten zum fachlichen Austausch auf kommunaler,
Wir erwarten                                                            Landes- und Bundesebene
• abgeschlossenes Studium der Sozial- oder Wirtschaftswissen-         • Bezahlung in Anlehnung an den Tarifvertrag des Öffentlichen
  schaften, der sozialen Arbeit oder vergleichbare Ausbildung           Dienstes (TvÖD)
  mit entsprechender Arbeitserfahrung
• Erfahrung mit Verbandsstrukturen                                     Bitte schicken Sie Ihre Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf +
• Fundierte Kenntnisse im Projekt- und Veranstaltungsmanage-           Zeugnisse) bis zum 16.8.2019 an die Bundesgeschäftsstelle der
  ment; dies beinhaltet u.a. Management der Projektfinanzen            LmDR e. V., Raitelsbergstr. 49, 70188 Stuttgart, Kontakt@LmDR.de

Mehr Spätaussiedlerregistrierungen in Friedland
Über 3.000 Zuzüge im ersten Halbjahr 2019

V
        on Januar bis Juni 2019 haben sich     offenen Armen empfangen zu werden.“       Spätaussiedler aus den Staaten
        3.153 Personen als Spätaussiedler         Die Zahl der im Ausland zu stellen- der ehemaligen UdSSR Januar bis Juni 2019
        und deren Familienangehörige im        den Anträge auf Aufnahme als Spätaus- Herkunftsstaaten Anzahl
Grenzdurchgangslager Friedland regist-         siedler, Ehegatte oder Abkömmling ist im
rieren lassen. Dies entspricht einem Plus      ersten Halbjahr 2019 hingegen leicht zu- Georgien               12
von 437 Personen gegenüber dem ver-            rückgegangen: 7.960 Menschen und damit     Kasachstan           1.078
gleichbaren Vorjahreszeitraum.                 382 weniger als im vergleichbaren Vorjah-
   Der Beauftragte der Bundesregierung         reszeitraum stellten einen Aufnahmean-     Kirgisistan          57
für Aussiedlerfragen und nationale Min-        trag, um zu einem späteren Zeitpunkt nach  Moldau               40
derheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, wür-     Deutschland überzusiedeln.                 Russische            1.533
digte das Schicksal der in ihre historische       Seit einer Gesetzesänderung im Jahr     Föderation
Heimat Zurückgekehrten in besonderer           2013 besteht für Ehegatten und Nachkom-
Weise:                                         men die Möglichkeit, zu einem beliebigen   Tadschikistan        1
  „Die Bundesregierung steht fest zu ihrer     Zeitpunkt in den Aufnahmebescheid des      Turkmenistan         8
Verpflichtung, die sie gegenüber den Deut-     Spätaussiedlers aufgenommen zu werden.
                                                                                          Ukraine              315
schen aus Russland und den Nachfolgestaa-      Eine gemeinsame Aussiedlung ist damit
ten der Sowjetunion trägt. Spätaussiedler      nicht mehr erforderlich. Diese Erleichte- Usbekistan            41
und ihre Familienangehörigen können sich       rung hat erwartungsgemäß über die ver- Weißrussland             68
gegenwärtig und auch in Zukunft da­rauf        gangenen Jahre hinweg zu einer Erhöhung
verlassen, in Anerkennung ihres schweren       der Aufnahme- und Antragszahlen geführt. Gesamt                 3.153
Kriegsfolgeschicksals solidarisch und mit                                       Quelle: BMI

                                                                                                  VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 5
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Menschen und Schicksale

                                                                                              zu meinem Mann und den Kindern. Es ist
                                                                                              Anfang April. Kalt ist es in Sibirien. Eis und
                                                                                              Schnee. Kälte im Bus. Kälte in der Seele. Wir
                                                                                              fahren los zum Bahnhof.
                                                                                                  Ein kalter, wüster, verrauchter Bahnhof.
                                                                                              Freche Mädchen-Prostituierte, auch ein Zei-
                                                                                              chen der Freiheit. Die Toiletten sind leicht zu
                                                                                              finden wegen dem ekligen Geruch. Ihre Be-
                                                                                              nutzung ist nicht mehr kostenlos, doch sau-
                                                                                              berer sind sie nicht geworden. In einer Ecke
                                                                                              des großen Raumes hat sich eine Gruppe
                                                                                              von Roma bequem gemacht, die ewigen Hei-

       Heimatbuch 2020
                                                                                              matsuchenden.
                                                                                                 Auf dem schmutzigen Fußboden liegen
                                                                                              Decken, darauf sitzen Frauen und viele Kin-
       der Landsmannschaft                                                                    der. Die Männer stehen in der Nähe, quat-
                                                                                              schen und rauchen, lachen. Unsere Fami-

       der Deutschen aus Russland                                                             lie steht eng zusammen, wie ein Häufchen
                                                                                              Elend. Vier Kinder, drei Koffer. Mein Mann
                                                                                              hatte einen Unfall und trägt immer noch
                                                                                              eine Halskrause. Ich musste ganz stark sein,
                                                                                              wie Felsen im Sturm. Kennen Felsen auch

I
                                                                                              Angst und Zweifel?
    m November 2019 wird das Heimat-           der Zeit vor, während und nach der Aussied-        Unser Zug wird angesagt. Wir verab-
    buch 2020 der Landsmannschaft der          lung schildern.                                schieden uns von meinem Bruder. Unsere
    Deutschen aus Russland als 35. (!)                                                        älteste Tochter und der Schwiegersohn be-
Band einer langen Reihe von Publikatio-        Bitte schicken Sie Ihre Beiträge (nach Mög-    gleiten uns bis Nowosibirsk. Sie fahren nicht
nen, die seit 1953 herausgegeben werden,       lichkeit mit Bildmaterial) bis zum 15. Sep-    nach Deutschland, ihre Dokumente sind
erscheinen.                                    tember 2019 an eine der beiden folgenden       noch nicht fertig, wir konnten aber nicht
   Besonderen Wert legen wir diesmal auf       Adressen:                                      warten, es ging ums Überleben.
Beiträge aus erster Hand unserer Mitglieder.   • Per Post: Landsmannschaft der Deut-             Wir stiegen in den Waggon ein. Es war
Wir laden Sie daher ganz herzlich zur Mit-        schen aus Russland, Raitelsbergstraße       heiß im Zug. Wir nahmen zwei Abteilungen
wirkung ein und freuen uns schon jetzt auf        49, 70188 Stuttgart.                        ein und verschlossen die Türen. Die Kinder
Ihre Zuschriften.                              • Per E-Mail: Kontakt@LmDR.de                  durften nicht raus, auch nicht alleine auf die
   Neben den gewohnten Beiträgen zur                            Redaktion der Heimatbücher    Toilette. Es gingen Gerüchte um, Erpresser
Kultur und Geschichte der russlanddeut-                                                       hätten herausgefunden, wo und wann Aus-
schen Volksgruppe werden diesmal Schilde-         Nachstehend ein Ausschnitt aus dem          siedler fahren würden, und nähmen ihnen
rungen des Lebens in der Sowjetunion und       Beitrag „Wir haben unser Deutschtum in         auch noch das Letzte weg. Meine größte
ihren Nachfolgestaaten in den Jahrzehn-        Russland mit Schmerz und Würde lange           Angst war, dass ein Kind entführt würde.
ten nach dem Zweiten Weltkrieg im Mittel-      getragen, aber das Maß war voll...“ von            Lange schlaflose Nacht im Zug. Die Luft
punkt stehen.                                  Erna Wormsbecher, in dem sie den Ab-           heiß und stickig, obwohl es vom Fenster stark
   Repressionen oder der Kampf um die          schied von ihrem Zuhause bei der Aussied-      zog. Die Gedanken kreisten im müden Ge-
Ausreise können ebenso behandelt werden        lung schildert:                                hirn, kein einziger ließ sich bis zum Ende den-
wie das „normale“ Leben der Russlanddeut-                                                     ken. Endlich neigte sich die Nacht zu Ende,
schen vor der Aussiedlung – beispielsweise     Abschied                                       im dunklen Fenster zeigten sich die Lichter
Familien- und Arbeitsleben, Wohnsituation,                                                    von Nowosibirsk. Ich weckte die Kinder.
Zusammenleben mit den nichtdeutschen           Der Abschied ist schwer. Auch heute, nach
Nachbarn, Brauchtum, Schule, Ausbildung        über 20 Jahren, scheint es mir, als wäre es    Nowosibirsk
und Studium und vieles mehr.                   erst gestern passiert.
   Als weitere Themen kommen u.a, in              Die ganze Familie sitzt schon im Klein-     Es war früher Morgen, bis zur Abflugzeit
Frage:                                         bus und wartet auf mich. Ein letztes Mal       am Mittag noch viel Zeit. Im Warteraum
• Gründe und Umstände der Aussiedlung.         gehe ich durch die leere Wohnung, jetzt ge-    gab es freie Plätze, und wir konnten uns
• Die ersten Jahre in Deutschland –            hört sie nicht mehr mir. Das Zimmer meiner     hinsetzen. Die Kinder stritten wie immer,
   Chancen und Probleme bei der Integ-         Tochter. Wie oft saßen wir hier beisammen      wer mit Mama sitzt, aber heute war alles
   ration.                                     und redeten. Diese Ecke gehörte unserem        anders. Ich wollte zum letzten Mal mit
• Konnten die in der Sowjetunion ge-           Kater Wassjka. Wir alle lieben ihn doch so     meiner ältesten Tochter sitzen, sie blieb in
   machten Erfahrungen erfolgreich für         sehr. Von dieser Wand bis zum Sofa machte      Russland. Wir saßen nebeneinander, Schul-
   die Integration genutzt werden?             mein kleinster Sohn die ersten Schritte. Zu-   ter an Schulter und schwiegen. Wir sahen
• Kulturschock? War Deutschland so, wie        erst ängstlich und unsicher, dann immer        uns nicht an, um Tränen zu vermeiden. Ich
   erwartet, oder doch ganz anders?            schneller und mutiger. Und fiel in meine       nahm mir vor, stark zu bleiben. Ich hoffte,
• Akzeptanz oder Ausgrenzung durch die         ausgestreckte Arme mit hellem Lachen. Hier     es würde klappen. In einem Jahr sind wir
   Einheimischen?                              im Flur konnte ich gestern mein verzweifel-    wieder zusammen. Mein Herz war so
• Schule, Ausbildung und Beruf in              tes Weinen nicht zurückhalten. Beim Ab-        schwer, als wenn wir uns für zwanzig Jahre
   Deutschland?                                schied von meinem kleinen Enkel. Wann          trennen würden. Achtung: Vertraue dei-
                                               sehe ich ihn wieder?                           nen Gefühlen! Es dauerte 22 Jahre lang, bis
   Die Beiträge müssen keineswegs lang            Der Fahrer im Bus hupt wieder. Ich gehe     meine Tochter mit ihrer Familie nachkom-
sein, sie können auch nur eine Episode aus     die Treppe hinunter, steige ein, setze mich    men konnte...

6     VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Aber dann muss ich immer wieder in
                                                                                                               erstaunte Augen blicken, wenn ich sage:
                                                                                                              „Nein, ich bin keine Russin.“ – „Ach,
                                                                                                        echt? Hä, warum nicht – du kommst doch aus

 Deutsche können keine Opfer sein.
                                                                                                        Russland!“ – Über die Geschichte der Deut-
                                                                                                        schen aus dem Osten – wenn ich das zusam-

A
                                                                                                        menfassen darf – zu sprechen: Nein, so rich-
       ls ich noch in Russland lebte, habe ich     onalität dieser jungen Dame möchte ich hier          tig passt es niemandem in den Kram. Das will
       als Kind oft Filme über den Zweiten         nicht erläutern, kann nur so viel dazu sagen,        keiner hören.
       Weltkrieg angeschaut. Hin und wieder        dass sie auch aus dem Gebiet der ehemaligen              Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft ich
liefen diese Filme im Fernsehen. Bei lediglich     Sowjetunion stammt. Als ich ihr von den Stra-        in folgender Situation bin: Da erzähle ich vom
zwei, drei Sendern, die wir überhaupt auf dem      pazen der Deportation in den stickigen Vieh-         Leid der deutschen Minderheit in der ehema-
Dorf empfangen haben, hatte man nicht viel         waggons berichtete, über die Ankunft in der          ligen Sowjetunion, berichte von zerschlagenen
Auswahl. Eine Szene aus solch einem Film ist       nackten Steppe Kasachstans und den ers-              menschlichen Leben, von zerstörten Schick-
mir bis heute in Erinnerung geblieben:             ten harten Winter, meinte sie nur achselzu-          salen, und man hält mir sofort entgegen, was
    Ein deutscher Soldat wird von der Sowjet­      ckend dazu: „Ist zwar traurig, aber stell dir vor,   während des Krieges „die Deutschen alles ge-
armee erwischt, verhört, und den Ausgang           was diese Deutschen mit uns gemacht hätten,          trieben“ haben.
dieser Szene kann man sich denken. Welcher         wenn man sie nicht weggebracht hätte!“                   Das lässt mich jedes Mal innerlich zusam-
Film das genau war – daran kann ich mich               Dieser Satz fühlte sich wie eine Ohrfeige an.    menfahren. In diesen Momenten denke ich:
heute nicht mehr erinnern. Aber an diesen          Krampfhaft überlegte ich, was meine damals           Welche Schuld hatte denn meine deutsche
einen Moment, als der deutsche Soldat weg-         achtjährige Oma wohl an grausamen Taten              Großmutter als Kind daran? Was konnte sie
geführt wird und in seiner Sprache um Gnade        hätte verüben können, „wenn man sie nicht            denn dafür? Sie und viele andere Kinder? Sie
bettelt. In diesem Moment habe ich nämlich         weggebracht hätte“. Ich bin zwar bis heute nicht     und viele andere Deutsche, die im Osten ge-
etwas verspürt, was absolut undenkbar und          darauf gekommen, aber mit diesem Satz war            lebt haben? Damit meine ich jetzt nicht nur
unzulässig war: Mitleid. Mitleid mit einem         unsere Unterhaltung damals beendet.                  die Deutschen, die auf dem Gebiet der Sowjet­
deutschen Soldaten. Mein kindliches Herz hat           Wenn ich heute auf dieses Gespräch zu-           union lebten, sondern auch in Osteuropa, die
sich dabei ganz stark zusammengezogen.             rückblicke, würde ich dieser jungen Dame zu          gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben wur-
    Gleichzeitig fuhr mir der Schreck durch        antworten wissen. Damals wusste ich es nicht.        den und auf der Flucht umgekommen sind.
alle Knochen. Ich habe mich plötzlich furcht-      Heute kann ich ihre Reaktion nachvollziehen.         Die unterwegs grausame Dinge erlebt und
bar für dieses Mitleid geschämt. „Wie kann         Verstehen nicht, aber nachvollziehen. Denn sie       viele Jahre darüber nicht gesprochen haben.
ich überhaupt Mitleid mit diesem Menschen          lebt – wahrscheinlich bis heute – in der Über-       Darüber nicht sprechen konnten.
haben? Er ist doch ein Deutscher!“, dachte ich.    zeugung: Deutsche können keine Opfer sein.               Millionen Deutsche in der Sowjetunion.
Da gab es jedoch einen Fehler im System. Das           Nach dem Studium habe ich mich inten-            Entwurzelt, verhaftet, verurteilt, vernich-
war ich nämlich auch: eine Deutsche.               siver mit diesem Thema auseinandergesetzt.           tet. Millionen vertriebene Deutsche aus Ost-
    Die nächste Panikwelle überrollte mich:        Unter anderem im Rahmen meiner literari-             europa. Verletzt, verloren, verzweifelt, ver-
Verspüre ich etwa Mitleid mit ihm, weil ich        schen Tätigkeit. Vor Kurzem stieß ich wieder         schwunden. Zerrissene Familien. Verwaiste
auch eine Deutsche bin? Noch schlimmer:            auf eine Aussage, die mich innerlich zum Ko-         Kinder. Verwaiste Eltern. Unzählige Tote. Das
Bin ich vielleicht sogar wie diese bösen Deut-     chen brachte. Eine Aussage, die mich wütend          Leid der deutschen Frauen am Ende des Krie-
schen, die in den sowjetischen Filmen gezeigt      machte. Ja, ich war so wütend, traurig und           ges. Verantwortlich gemacht für die Untaten
werden? In meinem Kopf herrschte ein ziem-         verbittert wie schon lange nicht mehr. Nicht         anderer. Gejagt, vergewaltigt, ermordet. Ge-
liches Durcheinander.                              auf diesen Menschen, nicht auf seine Aussage,        zeichnet, geschädigt und verstoßen. Da­rüber
    Erst Jahre später habe ich verstanden, dass    sondern eher auf eine Tatsache. Folgende Be-         sprechen? Ein Tabu. Noch jahrzehntelang.
diese Emotionen nichts mit der eigenen Her-        merkung zu meinem aktuellen Buchprojekt              Immer wieder mundtot gemacht durch die-
kunft oder Nationalität zu tun haben. Das          über das Leben und Schicksal der Schwarz­            ses eine Totschlagargument: Deutsche kön-
waren ganz normale menschliche Empfindun-          meerdeutschen wühlte mich innerlich auf:             nen keine Opfer sein.
gen. Mitleid mit einem Menschen, der dem              „Es wird schwierig sein, für dieses Projekt           Eben aus diesem Grund ist es umso wich-
Tod ins Auge blickt.                               Unterstützer zu finden, da die Deutschen             tiger, dieses Thema aufzuarbeiten. Immer und
    Ob der Regisseur dieses Filmes dies bezwe-     keine anerkannte Opfergruppe sind und das            immer wieder. Geschichte bleibt Geschichte.
cken wollte? Wohl kaum. Doch bei mir hat           Projekt nicht politisch opportun ist.“               Man schreibt sie nicht um, beschönigt sie nicht
diese Szene genau das ausgelöst. Dass nicht alle       Ich bin wütend. Nicht auf den Menschen,          und verschließt vor Tatsachen nicht die Augen.
Deutsche solche Bestien waren, wie uns da-         der das geschrieben hat, überhaupt nicht. Ich        Wie unangenehm und unbequem die Wahr-
mals erzählt wurde, nicht alle Deutschen den       bin wütend darauf, dass er vermutlich Recht          heit auch sein mag. Sogar, wenn es in diesen
Krieg wollten und es sogar Deutsche gab, die       haben könnte. Wenn die Aufarbeitung von              Geschichten um Deutsche geht, die tatsäch-
selbst unter dem Nazi-Regime gelitten haben –      Geschichte jedoch nicht wichtig und „nicht           lich Opfer waren. Eigentlich, sollte es nichts
das habe ich erst Jahre später erfahren und be-    politisch opportun“ ist, dann brauchen wir gar       sein, wofür man sich schämen oder rechtferti-
griffen. Diesen inneren Konflikt, den ich da-      nichts mehr zu machen.                               gen muss. Denn Deutsche sind auch nur Men-
mals verspürt habe, löste die mir in der Schule        Ich habe die Nase voll davon, dass ich mich      schen.
durch die Medien und in der Gesellschaft ein-      als Deutsche aus Russland ständig ducken                              Katharina Martin-Virolainen
geprügelte Überzeugung aus: Deutsche kön-          muss. Bloß nicht den Mund aufmachen und
nen keine Opfer sein.                              klagen. Bloß nicht vom schweren Schicksal             Unsere Leser sind herzlich eingeladen, sich an
   Als ich schon viele Jahre in Deutschland        der Oma erzählen. Bloß nicht immer wieder             der Diskussion über die Themen der Kolumne
lebte, erzählte ich während meiner Studien-        die Geschichte der Deutschen aus der Sowje-           zu beteiligen und Vorschläge zu machen. Wer
zeit einer Kommilitonin vom Schicksal mei-         tunion durchkauen. Das kann und will doch             seinen Senf ebenfalls dazugeben möchte, kann
ner deutschen Vorfahren, die im Jahr 1936 aus      eh keiner mehr hören. Das Thema ist ausge-            sich entweder an die Redaktion von VadW
                                                                                                         oder direkt an die Autorin wenden:
Wolhynien in der Ukraine nach Ka­sachstan          laugt. Man kennt es anscheinend inzwischen
deportiert wurden. Die Herkunft und Nati-          schon gut genug.                                                           K.Martin@LmDR.de

                                                                                                            VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 7
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Jugend

                                                                                     gen aufbauen, die auch über die Projekt-
                                                                                     laufdauer hinaus eine Fortführung der
                                                                                     Aktivitäten ermöglichen.
Aktive im Rahmen des Projektes „Neuzugewanderte stärken“.
                                                                                     Hilfe zur Selbsthilfe
                                                                                      Durch monatliche Informationsveranstal-
„NEUZUGEWANDERTE STÄRKEN“                                                             tungen konnten interessierte Bürger und
                                                                                      Neuzugewanderte das Projekt kennen-
                                                                                      lernen und sich einbringen. In die Veran-
 PROJEKT MIT BREITGEFÄCHERTEM ANGEBOT                                                 staltungen wurden Referenten und Pro-

N
                                                                                      jektpartner einbezogen, die sich über ihr
        euzugewanderte stärken“ – so • Altersarmut infolge des Fremdrenten-           Wissen und ihre Erfahrungen aus der In-
        lautet der Titel des Projektes,      gesetzes                                 tegrationsarbeit mit den Teilnehmenden
        welches im Zeitraum von Au- • und der Wunsch nach gezielter Un-               austauschten.
gust 2016 bis Juli 2019 in der KULT-         terstützung bei der Teilhabe am poli-       Ein wichtiger Baustein des Projektes
Schule im Berliner Bezirk Lichten-           tischen Leben.                           waren Multiplikatorenschulungen mit
berg durchgeführt wurde. Das Projekt                                                  fachkundigen Referenten zu relevanten
wurde vom Bundesamt für Migration Gesellschaftliche und soziale                       Themen. Hier wurde der Grundstein ge-
und Flüchtlinge gefördert.               Teilhabe der Neuzugewanderten                legt, dass Neuzugewanderte in Zukunft
  „Die zielgerichtete Arbeit an Ort und Durch die erfolgreichen Projektmaßnah-        als „Lotsen“ selbständig Orientierungs-
Stelle zeichnete das Projekt aus. Wir men, wie dem mittlerweile über die Ber-         hilfe leisten können und als „Verstärker
konnten Hilfesuchenden konkrete Lö- liner Grenzen hinaus bekannten Fami-              von innen“ zusätzlich zur Nutzung der
sungen anbieten, Ehrenamtliche gewin- lienfestival „wir gemeinsam!“, konnten          Integrationsangebote motivieren. Diese
nen, Multiplikatoren stärken und schu- die Neuzugewanderten am gesellschaft-          sehr effektiven Angebote auf einer nach-
len sowie Strukturen schaffen, in denen lichen Leben aktiv teilhaben und dieses       haltigen Schiene weiterzuentwickeln,
sich die Neuzugewanderten eingebracht positiv und gemeinschaftlich mitgestal-         wird eine wichtige Aufgabe für die Ehren-
haben“, so fasst Projektleiter Alexander ten. Ihre Einbeziehung in die örtlichen      amtlichen sein.
Korneev das auslaufende Projekt zusam- Projekte und Angebote in Zusammen-                Ein weiterer wichtiger Aufgabenbe-
men.                                     arbeit mit lokalen Akteuren und Einrich-     reich innerhalb des Projektes war die
Ziele des Projektes waren:               tungen ermöglichte es, das Zusammen-         Betreuung und Unterstützung junger
                                         leben positiv zu gestalten und Vorurteile    Initiativen von Neuzugewanderten. Pro-
Aufbau einer ständigen,                  durch gemeinsame Aktivitäten abzu-           jektleiter Alexander Korneev fasst diese
niederschwelligen Anlaufstelle           bauen.                                       Aufgabe wie folgt zusammen: „Viele
In der Anlaufstelle, die von der Ju-        Insbesondere kulturelle Veranstal-        Migranten wollen sich gesellschaftlich
gend-LmDR in Kooperation mit dem in tungen erwiesen sich als Brückenbauer             einbringen. Es gab zahlreiche Heraus-
Berlin-Lichtenberg ansässigen Verein und sensibilisierten für kulturelle Viel-        forderungen, wenn es darum ging, An-
Lyra e. V. betrieben wurde, bekamen falt. Im Rahmen des Projektes konnten             liegen von Neuzugewanderten bei den
die Neuzugewanderten einen Überblick die Teilnehmer so persönliche Beziehun-          örtlichen Entscheidungsträgern vorzu-
über die Regel- und Projektangebote im                                                bringen. Viele Fragen galt es, in den un-
Bezirk.                                                                               terschiedlichen Bereichen des Projektes
   Die niederschwellige Einrichtung                                                  – von den Sprechstunden bis zu den Mul-
wurde sehr gut angenommen. Dort wur-                                                  tiplikatorenschulungen – zu behandeln:
den Anliegen von Neuzugewanderten
erfasst und Hilfestellungen angeboten.                                               •   Welche Stellen sind zuständig?
Dabei unterschieden sich deren Themen                                                •   Wie kann ich Projekte beantragen
in vielen Bereichen wie Wohnen oder So-                                                  und realisieren?
ziales kaum von denen anderer Gruppen.                                               •   Wie gewinne ich Ehrenamtliche und
Insbesondere von Deutschen aus Russ-                                                     wie bewerbe ich meine Maßnahmen?
land werden immer wieder zwei Punkte                                                 •   Wie kann man selbst bei Entscheidun-
angesprochen:                                                                            gen mitwirken?

8     VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Jugend
   Gemeinsam mit den Zugewanderten onsarbeit unter Einbeziehung der Zuge-
konnten wir die Fragen nacheinander be- wanderten zu meistern.
arbeiten, Unklarheiten entwirren, Initiati-   Als besonders wichtig hat sich hier der                                                                   STARKE
ven fördern und die Teilnehmer bei ihren Faktor „Bildung“ erwiesen: Je besser die
ersten Schritten begleiten.                 Zugewanderten ihre neue Lebenswelt                                                                          LEISTUNG
                                                                                                                                                        STARKER
   Ich bin froh, dass es innerhalb des kennen, umso eher ergreifen sie die Ini-
Projektes so viele ehrenamtliche Helfer tiative, aktiv am gesellschaftlichen Leben

                                                                                                                                                        JUNGS!
gab, die jede Menge Freizeit und Herz- teilzuhaben. Daher waren Vernetzungs-
blut in die Integrationsarbeit investiert treffen, Schulungen und Informations-
haben.“                                     veranstaltungen zentrale Bestandteile
   Über die geschaffenen „Lotsenstruk- der zielgerichteten Maßnahmen.
turen“ – bestehend aus Ehrenamtlichen,        Zum Abschluss des Projektes „Neu-
Multiplikatoren und Sprachmittlern – gewanderte stärken“ und als Dank der
konnte das Projekt eine nachhaltige Brei- Projektleitung wurden die aktiven Zuge-
tenwirkung erzeugen. Die durch die er- wanderten, die Projekt- und Koopera-
folgreiche Projektarbeit entstandene tionspartner sowie die Ehrenamtlichen
Vernetzung von Vereinen und Initiati- und Multiplikatoren zu einem bunten
ven von Menschen mit Migrationshin- Sommerfest in der KULTSchule eingela-
tergrund bietet zahlreiche Möglichkeiten, den.
die Herausforderungen in der Integrati-                           Alexander Korneev

„DEUTSCHE GESCHICHTE
 IN WOLHYNIEN“
MEDIEN- UND AUTORENWERKSTATT FÜR JUNGE
MENSCHEN AUS DER UKRAINE UND DEUTSCHLAND

D
        ie  Jugendorganisation       der larischen Lebenslauf sowie Kontaktdaten
       Landsmannschaft der Deut- sind als zusammengesetztes PDF-Doku-
       schen aus Russland e. V. veran- ment bis spätestens 1. September 2019                                                                            Daniel Steinhilber (links) und Thomas Riss.
staltet vom 17. Oktober bis 2. Novem- zu richten an: k.martin@lmdr.de

                                                                                                                                                       T
ber 2019 gemeinsam mit dem „Rat der                                                                                                                           homas Riss und Daniel Stein-
Deutschen der Ukraine“ mit Sitz in Die Entscheidung über die Platzvergabe                                                                                     hilber sind begeisterte Sport-
Kiew eine einwöchige Medien- und Au- erfolgt bis spätestens 15. September                                                                                     ler, erfolgreiche Kickboxer und
torenwerkstatt in Schitomir, Ukraine. 2019. Kosten für Unterkunft und Verpfle-                                                                         wichtige Stützen der Jugendgruppe
   Zehn deutsche und zehn ukrainische gung in Schitomir sowie für Fahrten in-                                                                         „JuRA“ aus Regensburg. Sie sind sym-
Teilnehmer*innen erarbeiten in kleinen nerhalb der Region im Rahmen der Pro-                                                                           pathisch und zuverlässig, umgänglich
Projektgruppen verschiedene Formate – jektwoche werden übernommen. Anreise                                                                             und sehr engagiert.
Blogbeiträge, kurze Videos, Social Media und Abreise müssen selbst organisiert                                                                            Nach der zurückliegenden Phase der
Stories, Gedichte, Kurzerzählungen – werden. Reisekosten werden auf Vor-                                                                               Abschlussprüfungen am Gymnasium
zum Thema „Deutsche Geschichte in lage der Tickets rückerstattet (Ukraine                                                                              können die beiden nun weitere starke
Wolhynien“. Dazu besuchen sie ehema- bis max. 170 Euro, Deutschland bis max.                                                                           Leistungen vorweisen: Thomas und Da-
lige deutsche Siedlungen rund um Schi- 400 Euro).                                                                                                      niel haben mit 1,0 bzw. 1,08 einen her-
tomir, führen Interviews mit Zeitzeugen                                                                                                                vorragenden Notendurchschnitt er-
und besuchen das Archiv in Schitomir, in                                                                                                               reicht. Damit ist die perfekte Grundlage
dem ein Teil der deutschen Geschichte                                                                                                                  für das Abitur als nächstes Ziel geschaf-
der Region aufbewahrt wird.                                                                                                                            fen.
   Nach einer Einführung in das übergrei-                                                                                                                 Wir gratulieren von Herzen und wün-
fende Thema der Werkstatt – die gemein-                                                                                                                schen Thomas und Daniel alles Gute für
same deutsch-ukrainische Geschichte                                                                                                                    den nächsten Lebensabschnitt.
in der Region Wolhynien, wo bis in die Das Projekt wird gefördert durch:                                                                                  Wir sind mächtig stolz auf EUCH,
1940er Jahre rund 200.000 Deutsche leb- „Vielstimmige Erinnerung – gemeinsa-                                                                           macht weiter so!
ten – entscheiden sich die Teilnehmen- mes Erbe – europäische Zukunft: Kul-                                                                                                   Vanessa Eisenbraun,
den, in welchen Formaten sie die Ergeb- tur und Geschichte der Deutschen und                                                                                Vorsitzende der Jugendgruppe „JuRA“
nisse ihrer Recherchen in der Region ihrer Nachbarn im östlichen Europa“
präsentieren möchten.                     des Deutschen Kulturforums östliches
                                          Europa und die Beauftragte der Bun-
Alter der Teilnehmer*innen: 18 bis desregierung für Kultur und Medien.
30 Jahre. Bewerbungen zur Medien- Alle weiteren Informationen zum Projekt
werkstatt mit einem Motivationsschrei- finden Sie auf:
ben (max. 1 DIN-A4-Seite), einem tabel- www.deutsche-in-wolhynien.de

Der Hauptsitz der Jugend-LmDR ist im Haus der Deutschen aus Russland, Raitelsbergstraße 49, 70188 Stuttgart. Für die Kontaktaufnahme wendet ihr euch bitte an die Projektbüros in Berlin unter der Tel.-Nr.: +49(0)30-50178555
oder per Mail an Kontakt@Jugend-LmDR.de Gern treffen wir euch auch persönlich in der KULTSchule, Sewanstr. 43, 10319 Berlin-Lichtenberg. Hier findet ihr uns von Montag bis Freitag, 9 bis 15 Uhr

                                                                                                                                                            VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 9
Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
Jugend

   20 JAHRE
   DEUTSCHE JUGEND AUS RUSSLAND (DJR) IN HESSEN
        SOMMERFEST MIT MARGARETE ZIEGLER-RASCHDORF IN FRANKFURT AM MAIN
Blick auf die Bühne bei der Jubiläumsfeier der DJR in Frankfurt.   Bild: Eugen Gross, stellv. Vorsitzender der DJR-Landesgruppe Hessen.

1999 unter dem Dach der                                     ´Fit für Deutschland` gerne
LmDR gegründet, kann die                                      mit beachtlichen finanziellen
Deutsche Jugend aus Russ-                                     Mitteln.“
land in Hessen auf 20 Jahre                                      Zum Abschluss betonte
erfolgreicher Arbeit zurückbli-                               Margarete Ziegler-Raschdorf:
cken. Mit der Hessischen Lan-                                „Wir sind uns Ihres Engage-
desbeauftragte für Heimatver-                                 ments bewusst und möchten
triebene und Spätaussiedler,                                  Sie sehr herzlich bitten, die
Margarete Ziegler-Rasch­dorf,                                 vielfältigen Aktivitäten auch in
als Ehrengast feierte die DJR                                 Zukunft fortzuführen. Für ihr
ihr Jubiläum am 9. Juli mit einem Som-           freiwilliges Engagement spreche ich Ihnen
merfest auf dem Lohrberg in Frankfurt.           den Dank und die Anerkennung der Hes-
                                                 sischen Landesregierung aus, die das Eh-
Bildungsträger und                               renamt in besonderer Weise würdigt. Ich
Kooperationspartner                              bin richtig stolz auf diesen aktiven Jugend-
    In ihrer Festrede würdigte die Landes-       verband und werde Sie gerne auch weiter-
beauftragte die von der DJR in Hessen ge-        hin nach besten Kräften unterstützen.“
leistete Arbeit:
   „Besonders beeindruckend ist für mich,        In Vertretung des verhinderten Bundes-
dass die Landesgruppe Hessen der Deut-           vorsitzenden der LmDR, Johann Thießen,
schen Ju-gend aus Russland … inzwi-              fasste Natalie Paschenko, Vorstands-
schen von vielen Ortsgruppen getragen            mitglied der Landesgruppe Hessen der
wird und eine hervorragende Integrati-           LmDR, in ihrer Rede zentrale Aspekte der
onsarbeit leistet. Doch die Organisation         landsmannschaftlichen Jugendarbeit zu-
kümmert sich mittlerweile nicht mehr nur         sammen. Daraus einige Auszüge:                  Von links: – Swetlana Wagner, 1. Vorsitzende
um sich selbst und ihre eigenen Mitglie-           „Die Jugendarbeit der Landsmannschaft         der DJR-Landesgruppe Hessen; – Margarete
der, sondern ist ihrerseits selbst zum Bil-      der Deutschen aus Russland hat eine             Ziegler-Raschdorf, Hessische Landesbeauf-
dungsträger und Kooperationspartner in           ebenso lange Tradition wie die Lands-           tragte für Heimatvertriebene und Spätaus-
den Bereichen Jugend, Bildung, Integra-          mannschaft selbst – im nächsten Jahr feiert     siedler; – Albina Nazarenus-Vetter, Geschäfts-
tion, Betreuung und Kultur geworden.             der Verband seinen 70. Gründungstag. Or-        führerin der DJR Hessen.    Foto: LBHS
    Nennenswert sind dabei Angebote zur          ganisierte Jugendaktivitäten innerhalb der
beruflichen Orientierung, zum Umgang             Landsmannschaft gab es von Anfang an.           landdeutsche Jugend (RDJ), die ange-
mit dem Internet und den neuen Medien               In den ersten Jahrzehnten bis zum Be-        sichts steigender Aussiedlerzahlen
sowie zum Zurechtfinden in Gesellschaft          ginn der 1980er Jahre war dafür der Ju-         versuchte, die landsmannschaftliche Ju-
und Politik. Dieser zuletzt genannte Be-         gend- und Studentenring der Deutschen           gendarbeit neu zu konzipieren und vo­
reich soll künftig noch weiter ausgebaut         aus Russland (JSDR) zuständig.                  ranzutreiben.
werden, und die Hessische Landesregie-              Ein Neubeginn wurde 1986 gewagt.                Neue Impulse erhielt die landsmann-
rung unterstützt aktuelle Projekte wie           Bis in die 1990er Jahre war es die Russ-        schaftliche Jugendarbeit ab 1995 durch

10      VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Jugend

 die Berufung von Ernst Strohmaier zum           Anders sieht es auf Landesebene aus.           Von Anfang an wurde die DJR Hessen
 Bundeskulturreferenten, der auch den         Vor allem Hessen gehört zu den Bundes-         auf Wunsch der hessischen Landesre-
 Auftrag hatte, eine neue Jugendorganisa-     ländern, in denen die Zusammenarbeit           gierung gezielt in die Integrationsarbeit
 tion aufzubauen, die später den Namen        zwischen LmDR und DJR traditionell eng         mit Spätaussiedlern eingebunden. Durch
‚Deutsche Jugend aus Russland‘ erhielt.       und konstruktiv ist – mit steigender Ten-      aufsuchende Arbeit und die Vielfalt der
    Mit frischen Ideen konnte eine beacht-    denz in den letzten drei Jahren.               Angebote hatte vor allem die Kreisgruppe
 liche Zahl aktiver Jugendlicher in die Ar-      In den vergangenen 20 Jahren konnte         Frankfurt ein gut funktionierendes Netz
 beit eingebunden werden – einige von         sich die DJR in Hessen, seit über 15 Jah-      von ehrenamtlichen Multiplikatoren auf-
 ihnen engagieren sich immer noch in          ren mit der stellvertretenden Bundes-          gebaut. In den vergangenen zwei Jahr-
 der Integrations- und Kulturarbeit mit       vorsitzenden der LmDR, Albina Nazare-          zehnten wurden hessenweit Hunderte
 Spätaussiedlern und Vertriebenen. Bei        nus-Vetter, als Geschäftsführerin an der       aktive Mitglieder zu ehrenamtlichen Ju-
 Jugendveranstaltungen wurden auch            Spitze, in vielen Bereichen der Jugend-        gendgruppenleitern ausgebildet.
 brisante Themen nicht ausgeklammert,         arbeit nicht nur überzeugend durch-
 denn zu der Zeit gerieten gerade junge       setzen und einen guten Ruf erlangen,
 Spätaussiedler immer wieder in die nega-     sondern auch in vielerlei Hinsicht mit
 tiven Schlagzeilen der deutschen Medien.     gutem Beispiel auf Bundesebene vo­
    Auf dem Bundesjugendtag Ende 1999         rangehen.
 wurde die Jugendorganisation dann in            Die Angebote der DJR bestehen vor
 einen eigenständigen Verein unter dem        allem aus kulturellen Veranstaltungen,
 Namen „Deutsche Jugend aus Russland          Gruppen- und Freizeitangeboten, Infor-            Derzeit ist der Landesverband Hes-
 e. V.“ umgewandelt. Der Verein ging nun      mations- und Integrationsseminaren,            sen der DJR Träger des Projektes ‚Fit für
 eigene Wege, in einigen Bundesländern        Sport- und Kulturprojekten, Begegnungs-        Deutschland‘, gefördert durch Mittel des
 entstanden Kreis- und Landesgruppen –        abenden sowie Beratung und Hilfe bei           Hessischen Ministeriums für Soziales und
 auch in Hessen.                              persönlichen, schulischen und berufli-         Integration. Die vielfältigen Veranstal-
    Die DJR steht in der nachhaltigen Tra-    chen Fragen und Problemen junger Deut-         tungsangebote und die außerschulischen
 dition der landsmannschaftlichen Ju-         scher aus Russland. Die Arbeit sieht stets     Bildungsmaßnahmen schaffen den not-
 gendarbeit, auch wenn die enge Bindung       die Kooperation mit Trägern der Integra-       wendigen Rahmen für die Identitätsfin-
 an die LmDR, vor allem auf Bundesebene,      tions- und Jugendarbeit und die Einbin-        dung sowie die Stärkung des Selbstbe-
 seit Beginn der 2000er nicht aufrechter-     dung der eigenen Angebote in das kom-          wusstseins von Kindern und Jugendlichen.“
 halten werden konnte.                        munale Gemeinwesen vor.                                                           VadW

„POLITISCHE DISKUSSIONSKULTUR STÄRKEN –
 ANDERE POSITIONEN AKZEPTIEREN“
 LMDR ERWIRBT FÖRDERMITTEL FÜR JUGENDPROJEKT

D
        ie LmDR hat mit dem Projekt „Po- – andere Positionen akzeptieren“ an. Die            Gefördert durch:
        litische Diskussionskultur stär- LmDR wird im Laufe des Projektes in der
        ken – andere Positionen akzep- nordrhein-westfälischen                Landeshaupt-
tieren“ Fördermittel beim Bundesamt stadt Düsseldorf einen Debattierklub etab­
für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lieren, der sich zwar explizit an jugendli-
erworben. Das Bundesamt fördert die che Deutsche aus Russland richtet, jedoch
Maßnahme im Rahmen seines The- allen offensteht, egal ob mit oder ohne
                                                                                             Aufgrund eines Beschlusses
menschwerpunktes zur „gesellschaft- Migrationsbiografie. Die 56 Teilnehmer                   des Deutschen Bundestages
lichen und sozialen Integration von Zu- pro Jahrgang werden in Workshops und
wanderinnen und Zuwanderern“ für Schulungen darauf vorbereitet, in einem                     gendorganisationen der LmDR, Düsseldor-
eine Dauer von 36 Monaten. Projektbe- abschließenden Debattierwettbewerb ihre                fer Schulen und weiteren Projektpartnern
ginn war der 1. Juni 2019.                     Fertigkeiten anzuwenden und argumenta-        zusammenzuarbeiten.
    Desinteressiert, unpolitisch, träge. Alles tiv die „Fetzen fliegen“ zu lassen.              Desinteressiert, unpolitisch, träge? In-
Vorwürfe, mit denen sich die Jugend kon-           Warum ein Debattierklub? Die Vorteile     nerhalb der 36-monatigen Projektlaufzeit
frontiert sieht. Die Statistiken scheinen die liegen auf der Hand: Neben der Kompe-          werden die LmDR und vor allem die Teil-
Kritik zu bestätigen: Die Zahl der Nichtwäh- tenz, sich einem politischen Thema ana-         nehmer beweisen, dass die Jugend nicht
ler zwischen 18 und 24 Jahren betrug bei der lytisch zu nähern, fördert das Format die       so politikverdrossen ist, wie ihr unterstellt
jüngsten Bundestagswahl 68 %! Partizipati- rhetorischen Fähigkeiten. Sicheres Auftre-        wird. Und, sind wir ehrlich: Statistiken sind
onsmöglichkeiten neben der Wahl werden ten und freie Rede gehören zum Rüstzeug               doch nur Schall und Rauch.
nur von einem Drittel der Jugendlichen ge- für eine politische und zivilgesellschaftli-         Die Landsmannschaft der Deutschen
nutzt. Selbst wenn die Klimaproteste rund che Teilhabe und Teilnahme der Jugend-             aus Russland dankt dem BAMF respektive
um Greta Thunberg eine Art Trendwende lichen. Und das Versprechen, mit den Ju-               dem Bundesministerium für Familie, Seni-
markieren: Es existiert Handlungsbedarf. gendlichen und nicht über ihre Köpfe                oren, Frauen und Jugend sehr herzlich für
Die einfachste Möglichkeit, das Interesse hinweg zu diskutieren? Die Jugendlichen            die Bewilligung der Fördermittel. Die Pro-
der Jugendlichen für politische Themen zu geben den inhaltlichen Takt vor. Sie ent-          jektleitung übernimmt Christian Sprenger,
(re)aktivieren besteht darin, mit ihnen und scheiden, über welches politische Thema          der unter der folgenden E-Mail-Adresse
nicht über ihre Köpfe hinweg zu diskutieren. debattiert wird.                                gerne für Rückfragen zur Verfügung steht:
   Genau an diesem Punkt setzt das Pro-            Um die Strahlkraft des Projektes zu       c.sprenger@lmdr.de
jekt „Politische Diskussionskultur stärken erhöhen, ist angedacht, eng mit den Ju-                                     Christian Sprenger

                                                                                               VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 11
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