Alexander Wormsbecher: "Wir im Jahr 1941" - September: Gedenkfeier in Friedland
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August/ September 2019 Alexander Wormsbecher: „Wir im Jahr 1941“ 14. September: Gedenkfeier in Friedland Seite 2
Die Landsmannschaft Aus dem Inhalt Friedland, 14. September 2019, 14 Uhr: 2 Friedland: Zentrale Gedenkfeier der LmDR Zentrale Gedenkfeier der LmDR D 3 Auf ein Wort ie zentrale Gedenkfeier der 3 Kaukasusdeutsche: Festakt in Stutt- LmDR findet am 14. Septem- gart-Bad Cannstatt ber 2019 um 14 Uhr traditions- 4 Interview mit der Sächsischen Staatsmi- gemäß auf dem Gelände des Grenzdurch- nisterin für Gleichstellung und Integra- gangslagers Friedland (Heimkehrerstr. tion, Petra Köpping 18, Friedland) statt. 5 Steigende Spätaussiedlerzahlen Die Schirmherrschaft hat der Nieder- 6 Heimatbuch 2020 der LmDR sächsische Minister für Inneres und Sport, 7 Kathis Senf Boris Pistorius, übernommen, der auch 8 Projekt „Neuzugewanderte stärken“ die Festrede spricht. Die Organisation liegt erneut in den Händen der Landesgruppe 9 Projekt „Deutsche Geschichte in Niedersachsen der LmDR mit ihrer Vor- Wolhynien“ sitzenden Lilli Bischoff. Mit einer Anspra- 10 20 Jahre DJR che wird sich der Beauftragte der Bundesre- 11 Projekt „Politische Diskussionskultur gierung für Aussiedlerfragen und nationale stärken“ Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, an 12 Veranstaltungen des BKDR die Teilnehmer wenden. 13 Wanderausstellung der LmDR Das Motto der Veranstaltung lautet 14 Hugo Wormsbechers „Unser Hof “ on- „Zukunft braucht Vergangenheit“ line mit dem Schwerpunkt 16 Baden-Württemberg „95 Jahre Gründung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik 21 Bayern der Wolgadeutschen“. Die Friedlandglocke. 23 Bücherangebot Die Gedenkveranstaltung erinnert an 26 Bremen den rechtswidrigen Erlass des Präsidiums Kulturgruppen und Solisten aus ganz Nie- 27 Hamburg des Obersten Sowjets der Sowjetunion dersachsen. 27 Hessen „Über die Übersiedlung der Deutschen, die Darüber hinaus haben die Gäste die 29 Niedersachsen in den Wolgarayons leben“ vom 28. August Möglichkeit, kostenlos das Museum Fried- 32 Nordrhein-Westfalen 1941, der die massenhafte Deportation der land zu besuchen. Seit März 2016 zeigt das 34 Rheinland-Pfalz Deutschen in der Sowjetunion und gleich Museum die Dauerausstellung „Abschied, darauf die Massenmobilisierung der deut- Ankunft, Neubeginn“, die 70 Jahre der Ge- 35 Sachsen schen Männer, Frauen und Jugendlichen in samtgeschichte des Grenzdurchgangslagers 35 Sachsen-Anhalt die Arbeitslager des GULag einleitete. von 1945 bis in die Gegenwart nachzeich- 35 Schleswig-Holstein Gleichzeitig stellt die Gedenkveranstal- net und Fluchtursachen, Migrationswege 36 Interview mit Wendelin Mangold tung das denkwürdige Datum „95 Jahre und den gesellschaftlichen Umgang mit 38 Interview mit Vladimir Andrienko Gründung der Autonomen Sozialistischen Migration und Kriegsfolgen behandelt. 40 Glückwünsche Sowjetrepublik der Wolgadeutschen“, die Auch russlanddeutsche Schicksale gehören 41 Viktor Herdt zum 70. Geburtstag nach der Deportation der Wolgadeutschen zu dieser Gesamtgeschichte. 42 Waldemar Weber zum 75. Geburtstag rechtswidrig aufgelöst wurde, in den Mit- telpunkt. So kommen Sie zum Veranstaltungsort 43 Friedrich Dortmann zum 100. Geburts- Die Feierstunde beginnt um 14 Uhr (Anreise mit der Deutschen Bahn AG): tag und wird musikalisch von russlanddeut- • Aus Richtung Göttingen kommend: das 44 Erinnerungen an Dominik Hollmann schen Chören aus Niedersachsen umrahmt. Bahnhofsgelände nach rechts verlassen. 46 Zur Geschichte der Wolgadeutschen Re- Grußworte sprechen prominente deutsche • Aus Richtung Kassel kommend: nach publik Politiker und Vertreter von Verbänden. Überqueren der Gleise am Bahnüber- 48 Nachruf auf Ludmilla Oldenburger Nach der Feierstunde folgen Andachten gang rechts in die Bahnhofstraße ein- 49 Zum Gedenken und Kranzniederlegungen vor der Fried- biegen. Nach circa 200 Metern Fußweg 51 Nachruf auf Isolde Schmidt landglocke und dem Mahnmal. Das an- links Richtung Grenzdurchgangslager. 52 Zum Gedenken an Peter Reger schließende Kulturprogramm gestalten VadW 53 Jacob Schmal - der letzte Sprecher des Wolgadeutschen Rundfunks 40 Jahre Patenschaft des Landes Baden-Württemberg 54 Beitrittserklärung Wir weisen schon jetzt auf den Festakt anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Paten- 55 Erna Wormsbecher: Hundert Haiku schaft des Landes Baden-Württemberg über die Landsmannschaft der Deutschen aus 56 Elena Gerghart: Schicksalsjahre in der Russland hin. Sowjetunion Er findet am 27. November 2019 um 15 Uhr im Literaturhaus Stuttgart, Breitscheid- platz 4, statt. Die Festrede übernimmt Thomas Strobl, Minister für Inneres, Digitalisierung Bitte beachten Sie: und Migration des Landes Baden-Württem- Redaktionsschluss für berg. Das Ministerium hat auch die Förde- die Oktober-Ausgabe 2019 rung der Veranstaltung übernommen. ist der 17. September 2019. 2 VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Die Landsmannschaft des Präsidiums des Obersten Sowjets der Auf ein Wort Sowjetunion vom 28. August 1941 „Über die Übersiedlung der Deutschen, die in den Wolgarayons leben“ zusammenhängt. Liebe Landsleute, Es waren schreckliche Ereignisse - Mas- liebe Freunde und Unterstützer sendeportationen, Zwangsarbeit unter un- der Deutschen aus Russland, menschlichen Bedingungen, mörderische Kälte, Hunger und Tod -, von denen so das Aufgabenspektrum der Landsmann- gut wie jede deutsche Familie in der Sow- schaft der Deutschen aus Russland ist in jetunion betroffen war. Ereignisse, die sich den letzten Jahren keineswegs schmaler ge- unauslöschlich in unser kollektives Ge- worden, auch wenn sich die Schwerpunkte dächtnis eingebrannt haben. ein wenig verschoben haben. Als zweites zentrales Thema haben wir Der Einsatz für eine verstärkte Einbezie- uns bei der Gedenkfeier für den 95. Jahres- hung von Deutschen aus Russland in Ange- tag der Gründung der Autonomen Sozia- legenheiten, die sie unmittelbar selbst be- listischen Sowjetrepublik der Wolgadeut- treffen, gehört ebenso dazu wie der Kampf schen entschieden. gegen eminente Benachteiligungen durch Natürlich wissen wir, dass die Wolgare- ungerechte Fremdrentenregelungen und publik den sowjetischen Machthabern in die damit einhergehende verstärkte Alters erster Linie als Vorzeigeobjekt diente, als Johann Thießen armut unserer Landsleute oder etwa das Beweis ihrer „vorbildlichen“ Bevölkerungs- Bemühen um Verbesserungen im Integra- politik, die angeblich jede Volksgruppe in und Verständigung - für Frieden in Europa“ tionsbereich. der UdSSR gleich und gerecht behandelte. in Berlin stattfindet, zur Sprache bringen. Am wichtigsten aber werden noch lange Wir wissen, was Wirklichkeit war und dass Dass wir bei all unseren Bemühungen Jahre unsere deutlichen Hinweise auf das tra- die Wolgarepublik keineswegs zufällig auf- mit dem Beauftragten der Bundesregie- gische Schicksal sein, das Hunderttausende gelöst wurde. rung für Spätaussiedlerfragen und natio- Russlanddeutsche unter der Sowjetdiktatur Wir wissen aber auch, welche wirklich nale Minderheiten, Prof. Dr. Bernd Fab- erleiden mussten. Das umso mehr, als die- vorbildlichen Leistungen die Deutschen in ritius, einen engagierten Fürsprecher auf ses Schicksal im Bewusstsein der Öffentlich- der Wolgarepublik, die ja nicht einmal zwei unserer Seite haben, möchte ich auch an keit kaum präsent ist und von einer Rehabi- Jahrzehnte Bestand hatte, erbracht haben. dieser Stelle ganz ausdrücklich betonen. litation der Volksgruppe durch die Russische Leistungen, auf die wir alle stolz sein dür- Föderation als Rechtsnachfolger der Sowje- fen und auf die wir immer wieder hinwei- Ihnen, liebe Landsleute, wünsche ich tunion nach wie vor keine Rede sein kann. sen werden. einen erholsamen Urlaubsmonat August Wir erinnern daher bei unserer zent- Themen wie die genannten werden wir - bei erträglichen Temperaturen und im ralen Gedenkfeier am 14. September im unter anderem auch beim Festakt des Bun- Kreise ihrer Familien und Freunde. Grenzdurchgangslager Friedland an eben des der Vertriebenen, der am 31. August Johann Thießen, dieses Schicksal, das eng mit dem Erlass 2019 unter dem Motto „Menschenrechte Bundesvorsitzender der LmDR Stuttgart-Bad Cannstatt, 31. August 2019, 10 Uhr: Jubiläumsfeier „200 Jahre schwäbische Kolonien im Südkaukasus“ W ir laden Sie herzlich ein zur Ju- • Vortrag: Rita Laubhan, Genealogin, 15.30 Uhr: Kranzniederlegung am Denk- biläumsfeier „200 Jahre schwä- Autorin des Buches „Alexandersdorf – mal der Heimatvertriebenen. bische Kolonien im Südkauka- ein schwäbisches Dorf im Kaukasus“, sus“, die am 31. August 2019 im Kleinen „Auswanderung 1816-1817 aus Würt- 16 Uhr: Geselliges Beisammensein mit Kursaal in Stuttgart-Bad Cannstatt, Kö- temberg und Gründung der schwäbi- Jakob Fischer. nigsplatz 1, stattfindet. schen Kolonien im Südkaukasus“. Rahmenprogramm: Ausstellung zur Ge- • Vorstellung des Buches von Nestan schichte der Südaukasusdeutschen. Programm: Tatarashvili, „Die deutschen Siedlun- 10 Uhr: Saalöffnung, Einlass, Gesprächs- gen und das deutsche architektonische Aus Platzgründen ist die Teilnehmerzahl runden, Gedanken- und Erinnerungsaus- Erbe in Georgien“, durch Olesya Di- begrenzt. tausch. mitrichenko, Tbilisi, Verein zur Be- wahrung des deutschen Kulturerbes Walli und Paul Schüle 11.30 Uhr: Mittagessen. im Südkaukasus. Holzgasse 11, 71409 Schwaikheim, Tel. 07195/52058 13 Uhr: Offizieller Teil mit musikalischer • Vortrag: Dr. Katharina Dück, Sprach- E-Mail: pw_schuele@web.de Umrahmung. wissenschaftlerin vom Institut für • Eröffnung: Paul Schüle, Vertreter der Deutsche Sprache in Mannheim, „200 Gefördert durch: Kaukasusdeutschen. Jahre, 7 Länder, 1 Dialekt: Das Schwä- bische als Baustein einer kaukasien- • Begrüßung: Lilli Bischoff, stellvertre- deutschen Identität“. KULTURREFERAT FÜR tende Bundesvorsitzende der Lands- mannschaft der Deutschen aus Russland. 15 Uhr: Totenehrung. RUSSLANDDEUTSCHE VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 3
Politik „Ich finde, die Spätaussiedler haben Großartiges geleistet.“ Interview mit der Sächsischen Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping A nlässlich der Ernennung der Lan- ler waren verständlicherweise erst einmal an- desgruppe Sachsen der Lands- dere Themen wichtig, z.B. der Aufbau eines mannschaft der Deutschen aus Lebens in der jetzigen Heimat. Aber die Po- Russland durch die Sächsische Landesre- litik benötigt dringend die starken Stimmen gierung zum „Dachverband der sächsi- der einzelnen Gesellschaftsgruppen. Ich habe schen Spätaussiedler“ veröffentlichen wir in Sachsen die Gründung eines Dachverban- das nachstehende Interview mit der Säch- des der Migrantenorganisationen unterstützt sische Staatsministerin für Gleichstellung und treffe mich regelmäßig mit den Mitglie- und Integration, Petra Köpping (SPD). dern. Wir hegen hier ein kleines Pflänzchen Die Fragen stellte die Landesgruppe Sach- politischer Partizipation, und ich hoffe, dass sen der LmDR. wir bald sehr viel mehr davon haben. Die unterschiedlichen Gruppen müssen LG Sachsen: Im vergangenen Jahr wurde ihre Interessen nicht nur auf breiter gesell- ein Beauftragter für Vertriebene und schaftlicher Ebene vertreten, die politische (Spät-)Aussiedler im Freistaat Sachsen Ebene gehört für mich zwingend auch dazu. eingesetzt. Welche Rolle und Verantwor- Seien Sie politisch und mischen Sie sich ein. tung sehen Sie in Ihrem Geschäftsbereich Als Ministerin freue ich mich auf Partner, für Gleichstellung und Integration für diese die mit mir auf Augenhöhe diskutieren und Personengruppe? unser Zusammenleben verbessern wollen. Petra Köpping: Wir haben hier in unserem kleinen, aber wichtigen Geschäftsbereich Petra Köpping Worauf sollte derzeit das politische eine ganz besonders große Verantwortung. Hauptaugenmerk für die (Spät-)Aussied- Und wir arbeiten sehr gern mit Ihnen zusam- ler offensichtlich erst mal für sich selbst be- ler gelegt werden? men. Bis jetzt zählen wir ca. 150.000 (Spät-) antworten und gewichten wollten. Und das Das sind für mich im Wesentlichen vier Aussiedler in Sachsen, deren überwiegende völlig zu Recht. Denn die Willkommenskul- Punkte: der Abbau von Rentenungerechtig- Zahl aus den Nachfolgestaaten der UdSSR tur, die wir jetzt praktizieren, hat es bisher keit, die Verhinderung von Altersarmut, Maß- gekommen ist. Diese Gruppe stellt damit nicht gegeben. Auch den Spätaussiedlern ge- nahmen zur Beschleunigung der Anerken- etwa die Hälfte der in Sachsen lebenden Be- genüber waren die Menschen und die Ver- nung mitgebrachter Berufsabschlüsse sowie völkerung mit Migrationshintergrund. Und waltung in diesem Land nicht immer aufge- die stärkere Einflussnahme auf ehrenamtli- gleichzeitig sind sie eine besondere Gruppe, schlossen. ches und politisches Engagement in den de- da sie Deutsche sind und sie ein gemeinsa- Gleichzeitig sah ich sehr viele Spätaussied- mokratischen Organisationen und Parteien. mes Kriegs- und Kriegsfolgeschicksal teilt. lerinnen und Spätaussiedler, die sich eben ge- Man muss rückblickend feststellen, dass rade aufgrund ihrer eigenen Erfahrung über- Welche Ziele und Maßnahmen der Arbeit wir in Sachsen einen gewissen Nachhol- aus engagiert gezeigt haben und vielleicht an ihres Geschäftsbereichs sollen die Integra- bedarf in der Integrationspolitik haben, da vielen Stellen die viel besseren „Integrations- tion der (Spät-)Aussiedler vervollkomm- die Integration bis Ende 2014 als Politikfeld helfer“ waren, wenn es um das Ankommen nen? überhaupt keine Rolle gespielt hat. Erst mit und Orientieren in Deutschland und Sach- Es war nicht nur meine Idee, sondern es der Einrichtung meines Geschäftsbereichs sen ging. Dafür bin ich all diesen Engagier- bleibt auch mein Ziel, einen starken Dachver- Ende 2014 begann in Sachsen eine tatsäch- ten überaus dankbar! band der (Spät-)Aussiedler in Sachsen unter liche, aktive Integrationspolitik. Führung der Selbstorganisation der (Spät-) Während sich mein Geschäftsbereich or- Wie empfinden Sie die Integration der Aussiedler sowie der Landsmannschaft der ganisatorisch im Aufbau befand, haben wir (Spät-)Aussiedler in Sachsen? Deutschen aus Russland als Interessenvertre- beispielsweise sofort mit der Erstellung von Ich finde, die Menschen haben Großartiges tung und Hilfsorganisation sowie Ansprech- Förderprogrammen begonnen. Dabei war geleistet. Ich empfinde sie als angekommen partner der Sächsischen Staatsregierung zu mir immer wichtig, dass neben der großen und gut integriert. Und diese Leistung ist etablieren und zu fördern. Wir sind hierzu Zahl von geflüchteten Menschen eben auch umso höher einzuschätzen, als sie ohne grö- in guten Gesprächen, und ich würde mich all diejenigen „Nicht-Asylsuchenden“ davon ßere staatliche Unterstützung und ohne die freuen, wenn uns der erste große Startschuss profitieren, die ebenfalls vor Teilhabebarrie- genannte Willkommenskultur erbracht wor- noch in diesem Jahr gelingt. Denn ehrlich ge- ren stehen. Denn um nichts anderes geht es den ist. sagt: Es wird Zeit dafür – und wenn Sie bis- in der Integrationspolitik: um die Ermögli- Spätaussiedler haben noch einmal einen lang niemand dabei unterstützt hat, so mache chung von möglichst gleicher Teilhabe am ganz besonderen Blick auf Ihre jetzige Hei- ich das jetzt sehr gern! gesamtgesellschaftlichen Leben. mat. In Zukunft sollten wir diese Perspektive noch einmal viel stärker wahrnehmen und Was geben Sie der Landsmannschaft der Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen den annehmen – denn sie hilft uns hier Gebo- Deutschen aus Russland mit auf den Weg? Migrantengruppen (Spät-)Aussiedler und renen manchmal etwas besser, uns selbst in Seien Sie politisch. Mischen Sie sich ein. neue Zuwanderer? einer Zeit des ständigen Wandels zu verorten. Seien Sie gern kritisch – und machen Sie Ich habe hier zunächst eine gewisse abwar- aus Ihrer besonderen Erfahrung heraus die tende Skepsis bei den (Spät-)Aussiedlern er- Wie schätzen Sie die politische Partizi- guten Vorschläge, die wir brauchen, um lebt: Wie werden die geflüchteten Menschen pation der (Spät-)Aussiedler im Freistaat einen neuen gesellschaftlichen Zusammen- hier in Empfang genommen? Welche Zu- Sachsen ein? halt in Sachsen zu schaffen. Wer sich das wendungen und Leistungen erhalten sie? Das Da möchte ich ganz klar sagen: Getrauen zum Ziel setzt, hat mit mir immer eine enge waren die Fragen, die viele (Spät-)Aussied- Sie sich mehr! Für viele der (Spät-)Aussied- Partnerin an seiner Seite! 4 VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Soziales LmDR STELLENAUSSCHREIBUNG: GESCHÄFTSFÜHRER/IN Zusammenhalten – Zukunft gestalten Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V. Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V. (LmDR) ist die älteste und größte Organisation der Volksgruppe in der Bundes- republik Deutschland und offen für alle Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion. Die LmDR verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke, ist überparteilich und überkonfessionell und sucht stets den Dialog mit allen demokratischen Parteien. Familienzusammen- führung sowie die soziale, gesellschaftliche, berufliche und religiöse Eingliederung in die deutsche Gesellschaft, Kultur-, Öffentlichkeits- und Jugendarbeit gehören zu den wichtigsten Aufgaben der LmDR. Im Rahmen des Projektes zur Strukturförderung suchen wir für die Organisation und Stärkung unserer Bundesgeschäftsstelle in Stutt- gart baldmöglichst für die Dauer von zwei Jahren eine/n in Teilzeit engagierte/n und qualifizierte/n Geschäftsführer/innen. Zu den Aufgaben gehören (Anträge, Verwendungsnachweise) sowie Planung und Durch- • Profilentwicklung des Verbandes führung von Veranstaltungen • Neuausrichtung der Öffentlichkeitsarbeit • Kenntnisse in der Beratung von Ehrenamtlichen bzw. in der • Organisation der Lobby-Arbeit Planung von Qualifizierungsangeboten und/oder Organisati- • Ausbau und Stärkung der hauptamtlichen Mitarbeiter onsberatung (u.a. zu vereinsrechtlichen Fragen, Förderbera- • Professionalisierung der Verbandsarbeit tung, Beratung zum Veranstaltungs- und Organisationsma- • Beratung und Begleitung von ehrenamtlichen Gruppen, die nagement) sich für Deutsche aus Russland einsetzen • Organisationstalent • strategische Stärkung von Landes-, Orts- und Jugendgruppen • konzeptionelle Fähigkeiten und Interesse, neue eigene Ideen • Auf- und Ausbau von Kooperationen mit relevanten Partner- zu entwickeln und umzusetzen institutionen aus Verwaltung, von Freien Trägern, der Wirt- • engagierte, teamfähige und einfühlsame Persönlichkeit, die schaft und Politik selbständig und verantwortungsbewusst arbeitet und sich • Kontaktauf- und -ausbau mit relevanten Förderinstitutionen durch Flexibilität auszeichnet • Management der Projektfinanzen und die damit verbundene • Bereitschaft, Termine auch abends und am Wochenende Kommunikation mit den Zuschussgebern (BAMF, BMI und wahrzunehmen weitere Förderinstitutionen, die im Rahmen des Projektes ak- quiriert werden) Wir bieten • Begleitung und Abwicklung der Förderanträge • einen zukunftsorientierten Arbeitsplatz mit Einbindung in ein • Verankerung der Jugend in den Strukturen des Bundesverbandes freundliches, hochmotiviertes und offenes Team • Möglichkeiten zum fachlichen Austausch auf kommunaler, Wir erwarten Landes- und Bundesebene • abgeschlossenes Studium der Sozial- oder Wirtschaftswissen- • Bezahlung in Anlehnung an den Tarifvertrag des Öffentlichen schaften, der sozialen Arbeit oder vergleichbare Ausbildung Dienstes (TvÖD) mit entsprechender Arbeitserfahrung • Erfahrung mit Verbandsstrukturen Bitte schicken Sie Ihre Bewerbungsunterlagen (Lebenslauf + • Fundierte Kenntnisse im Projekt- und Veranstaltungsmanage- Zeugnisse) bis zum 16.8.2019 an die Bundesgeschäftsstelle der ment; dies beinhaltet u.a. Management der Projektfinanzen LmDR e. V., Raitelsbergstr. 49, 70188 Stuttgart, Kontakt@LmDR.de Mehr Spätaussiedlerregistrierungen in Friedland Über 3.000 Zuzüge im ersten Halbjahr 2019 V on Januar bis Juni 2019 haben sich offenen Armen empfangen zu werden.“ Spätaussiedler aus den Staaten 3.153 Personen als Spätaussiedler Die Zahl der im Ausland zu stellen- der ehemaligen UdSSR Januar bis Juni 2019 und deren Familienangehörige im den Anträge auf Aufnahme als Spätaus- Herkunftsstaaten Anzahl Grenzdurchgangslager Friedland regist- siedler, Ehegatte oder Abkömmling ist im rieren lassen. Dies entspricht einem Plus ersten Halbjahr 2019 hingegen leicht zu- Georgien 12 von 437 Personen gegenüber dem ver- rückgegangen: 7.960 Menschen und damit Kasachstan 1.078 gleichbaren Vorjahreszeitraum. 382 weniger als im vergleichbaren Vorjah- Der Beauftragte der Bundesregierung reszeitraum stellten einen Aufnahmean- Kirgisistan 57 für Aussiedlerfragen und nationale Min- trag, um zu einem späteren Zeitpunkt nach Moldau 40 derheiten, Prof. Dr. Bernd Fabritius, wür- Deutschland überzusiedeln. Russische 1.533 digte das Schicksal der in ihre historische Seit einer Gesetzesänderung im Jahr Föderation Heimat Zurückgekehrten in besonderer 2013 besteht für Ehegatten und Nachkom- Weise: men die Möglichkeit, zu einem beliebigen Tadschikistan 1 „Die Bundesregierung steht fest zu ihrer Zeitpunkt in den Aufnahmebescheid des Turkmenistan 8 Verpflichtung, die sie gegenüber den Deut- Spätaussiedlers aufgenommen zu werden. Ukraine 315 schen aus Russland und den Nachfolgestaa- Eine gemeinsame Aussiedlung ist damit ten der Sowjetunion trägt. Spätaussiedler nicht mehr erforderlich. Diese Erleichte- Usbekistan 41 und ihre Familienangehörigen können sich rung hat erwartungsgemäß über die ver- Weißrussland 68 gegenwärtig und auch in Zukunft darauf gangenen Jahre hinweg zu einer Erhöhung verlassen, in Anerkennung ihres schweren der Aufnahme- und Antragszahlen geführt. Gesamt 3.153 Kriegsfolgeschicksals solidarisch und mit Quelle: BMI VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 5
Menschen und Schicksale zu meinem Mann und den Kindern. Es ist Anfang April. Kalt ist es in Sibirien. Eis und Schnee. Kälte im Bus. Kälte in der Seele. Wir fahren los zum Bahnhof. Ein kalter, wüster, verrauchter Bahnhof. Freche Mädchen-Prostituierte, auch ein Zei- chen der Freiheit. Die Toiletten sind leicht zu finden wegen dem ekligen Geruch. Ihre Be- nutzung ist nicht mehr kostenlos, doch sau- berer sind sie nicht geworden. In einer Ecke des großen Raumes hat sich eine Gruppe von Roma bequem gemacht, die ewigen Hei- Heimatbuch 2020 matsuchenden. Auf dem schmutzigen Fußboden liegen Decken, darauf sitzen Frauen und viele Kin- der Landsmannschaft der. Die Männer stehen in der Nähe, quat- schen und rauchen, lachen. Unsere Fami- der Deutschen aus Russland lie steht eng zusammen, wie ein Häufchen Elend. Vier Kinder, drei Koffer. Mein Mann hatte einen Unfall und trägt immer noch eine Halskrause. Ich musste ganz stark sein, wie Felsen im Sturm. Kennen Felsen auch I Angst und Zweifel? m November 2019 wird das Heimat- der Zeit vor, während und nach der Aussied- Unser Zug wird angesagt. Wir verab- buch 2020 der Landsmannschaft der lung schildern. schieden uns von meinem Bruder. Unsere Deutschen aus Russland als 35. (!) älteste Tochter und der Schwiegersohn be- Band einer langen Reihe von Publikatio- Bitte schicken Sie Ihre Beiträge (nach Mög- gleiten uns bis Nowosibirsk. Sie fahren nicht nen, die seit 1953 herausgegeben werden, lichkeit mit Bildmaterial) bis zum 15. Sep- nach Deutschland, ihre Dokumente sind erscheinen. tember 2019 an eine der beiden folgenden noch nicht fertig, wir konnten aber nicht Besonderen Wert legen wir diesmal auf Adressen: warten, es ging ums Überleben. Beiträge aus erster Hand unserer Mitglieder. • Per Post: Landsmannschaft der Deut- Wir stiegen in den Waggon ein. Es war Wir laden Sie daher ganz herzlich zur Mit- schen aus Russland, Raitelsbergstraße heiß im Zug. Wir nahmen zwei Abteilungen wirkung ein und freuen uns schon jetzt auf 49, 70188 Stuttgart. ein und verschlossen die Türen. Die Kinder Ihre Zuschriften. • Per E-Mail: Kontakt@LmDR.de durften nicht raus, auch nicht alleine auf die Neben den gewohnten Beiträgen zur Redaktion der Heimatbücher Toilette. Es gingen Gerüchte um, Erpresser Kultur und Geschichte der russlanddeut- hätten herausgefunden, wo und wann Aus- schen Volksgruppe werden diesmal Schilde- Nachstehend ein Ausschnitt aus dem siedler fahren würden, und nähmen ihnen rungen des Lebens in der Sowjetunion und Beitrag „Wir haben unser Deutschtum in auch noch das Letzte weg. Meine größte ihren Nachfolgestaaten in den Jahrzehn- Russland mit Schmerz und Würde lange Angst war, dass ein Kind entführt würde. ten nach dem Zweiten Weltkrieg im Mittel- getragen, aber das Maß war voll...“ von Lange schlaflose Nacht im Zug. Die Luft punkt stehen. Erna Wormsbecher, in dem sie den Ab- heiß und stickig, obwohl es vom Fenster stark Repressionen oder der Kampf um die schied von ihrem Zuhause bei der Aussied- zog. Die Gedanken kreisten im müden Ge- Ausreise können ebenso behandelt werden lung schildert: hirn, kein einziger ließ sich bis zum Ende den- wie das „normale“ Leben der Russlanddeut- ken. Endlich neigte sich die Nacht zu Ende, schen vor der Aussiedlung – beispielsweise Abschied im dunklen Fenster zeigten sich die Lichter Familien- und Arbeitsleben, Wohnsituation, von Nowosibirsk. Ich weckte die Kinder. Zusammenleben mit den nichtdeutschen Der Abschied ist schwer. Auch heute, nach Nachbarn, Brauchtum, Schule, Ausbildung über 20 Jahren, scheint es mir, als wäre es Nowosibirsk und Studium und vieles mehr. erst gestern passiert. Als weitere Themen kommen u.a, in Die ganze Familie sitzt schon im Klein- Es war früher Morgen, bis zur Abflugzeit Frage: bus und wartet auf mich. Ein letztes Mal am Mittag noch viel Zeit. Im Warteraum • Gründe und Umstände der Aussiedlung. gehe ich durch die leere Wohnung, jetzt ge- gab es freie Plätze, und wir konnten uns • Die ersten Jahre in Deutschland – hört sie nicht mehr mir. Das Zimmer meiner hinsetzen. Die Kinder stritten wie immer, Chancen und Probleme bei der Integ- Tochter. Wie oft saßen wir hier beisammen wer mit Mama sitzt, aber heute war alles ration. und redeten. Diese Ecke gehörte unserem anders. Ich wollte zum letzten Mal mit • Konnten die in der Sowjetunion ge- Kater Wassjka. Wir alle lieben ihn doch so meiner ältesten Tochter sitzen, sie blieb in machten Erfahrungen erfolgreich für sehr. Von dieser Wand bis zum Sofa machte Russland. Wir saßen nebeneinander, Schul- die Integration genutzt werden? mein kleinster Sohn die ersten Schritte. Zu- ter an Schulter und schwiegen. Wir sahen • Kulturschock? War Deutschland so, wie erst ängstlich und unsicher, dann immer uns nicht an, um Tränen zu vermeiden. Ich erwartet, oder doch ganz anders? schneller und mutiger. Und fiel in meine nahm mir vor, stark zu bleiben. Ich hoffte, • Akzeptanz oder Ausgrenzung durch die ausgestreckte Arme mit hellem Lachen. Hier es würde klappen. In einem Jahr sind wir Einheimischen? im Flur konnte ich gestern mein verzweifel- wieder zusammen. Mein Herz war so • Schule, Ausbildung und Beruf in tes Weinen nicht zurückhalten. Beim Ab- schwer, als wenn wir uns für zwanzig Jahre Deutschland? schied von meinem kleinen Enkel. Wann trennen würden. Achtung: Vertraue dei- sehe ich ihn wieder? nen Gefühlen! Es dauerte 22 Jahre lang, bis Die Beiträge müssen keineswegs lang Der Fahrer im Bus hupt wieder. Ich gehe meine Tochter mit ihrer Familie nachkom- sein, sie können auch nur eine Episode aus die Treppe hinunter, steige ein, setze mich men konnte... 6 VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Aber dann muss ich immer wieder in erstaunte Augen blicken, wenn ich sage: „Nein, ich bin keine Russin.“ – „Ach, echt? Hä, warum nicht – du kommst doch aus Deutsche können keine Opfer sein. Russland!“ – Über die Geschichte der Deut- schen aus dem Osten – wenn ich das zusam- A menfassen darf – zu sprechen: Nein, so rich- ls ich noch in Russland lebte, habe ich onalität dieser jungen Dame möchte ich hier tig passt es niemandem in den Kram. Das will als Kind oft Filme über den Zweiten nicht erläutern, kann nur so viel dazu sagen, keiner hören. Weltkrieg angeschaut. Hin und wieder dass sie auch aus dem Gebiet der ehemaligen Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft ich liefen diese Filme im Fernsehen. Bei lediglich Sowjetunion stammt. Als ich ihr von den Stra- in folgender Situation bin: Da erzähle ich vom zwei, drei Sendern, die wir überhaupt auf dem pazen der Deportation in den stickigen Vieh- Leid der deutschen Minderheit in der ehema- Dorf empfangen haben, hatte man nicht viel waggons berichtete, über die Ankunft in der ligen Sowjetunion, berichte von zerschlagenen Auswahl. Eine Szene aus solch einem Film ist nackten Steppe Kasachstans und den ers- menschlichen Leben, von zerstörten Schick- mir bis heute in Erinnerung geblieben: ten harten Winter, meinte sie nur achselzu- salen, und man hält mir sofort entgegen, was Ein deutscher Soldat wird von der Sowjet ckend dazu: „Ist zwar traurig, aber stell dir vor, während des Krieges „die Deutschen alles ge- armee erwischt, verhört, und den Ausgang was diese Deutschen mit uns gemacht hätten, trieben“ haben. dieser Szene kann man sich denken. Welcher wenn man sie nicht weggebracht hätte!“ Das lässt mich jedes Mal innerlich zusam- Film das genau war – daran kann ich mich Dieser Satz fühlte sich wie eine Ohrfeige an. menfahren. In diesen Momenten denke ich: heute nicht mehr erinnern. Aber an diesen Krampfhaft überlegte ich, was meine damals Welche Schuld hatte denn meine deutsche einen Moment, als der deutsche Soldat weg- achtjährige Oma wohl an grausamen Taten Großmutter als Kind daran? Was konnte sie geführt wird und in seiner Sprache um Gnade hätte verüben können, „wenn man sie nicht denn dafür? Sie und viele andere Kinder? Sie bettelt. In diesem Moment habe ich nämlich weggebracht hätte“. Ich bin zwar bis heute nicht und viele andere Deutsche, die im Osten ge- etwas verspürt, was absolut undenkbar und darauf gekommen, aber mit diesem Satz war lebt haben? Damit meine ich jetzt nicht nur unzulässig war: Mitleid. Mitleid mit einem unsere Unterhaltung damals beendet. die Deutschen, die auf dem Gebiet der Sowjet deutschen Soldaten. Mein kindliches Herz hat Wenn ich heute auf dieses Gespräch zu- union lebten, sondern auch in Osteuropa, die sich dabei ganz stark zusammengezogen. rückblicke, würde ich dieser jungen Dame zu gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben wur- Gleichzeitig fuhr mir der Schreck durch antworten wissen. Damals wusste ich es nicht. den und auf der Flucht umgekommen sind. alle Knochen. Ich habe mich plötzlich furcht- Heute kann ich ihre Reaktion nachvollziehen. Die unterwegs grausame Dinge erlebt und bar für dieses Mitleid geschämt. „Wie kann Verstehen nicht, aber nachvollziehen. Denn sie viele Jahre darüber nicht gesprochen haben. ich überhaupt Mitleid mit diesem Menschen lebt – wahrscheinlich bis heute – in der Über- Darüber nicht sprechen konnten. haben? Er ist doch ein Deutscher!“, dachte ich. zeugung: Deutsche können keine Opfer sein. Millionen Deutsche in der Sowjetunion. Da gab es jedoch einen Fehler im System. Das Nach dem Studium habe ich mich inten- Entwurzelt, verhaftet, verurteilt, vernich- war ich nämlich auch: eine Deutsche. siver mit diesem Thema auseinandergesetzt. tet. Millionen vertriebene Deutsche aus Ost- Die nächste Panikwelle überrollte mich: Unter anderem im Rahmen meiner literari- europa. Verletzt, verloren, verzweifelt, ver- Verspüre ich etwa Mitleid mit ihm, weil ich schen Tätigkeit. Vor Kurzem stieß ich wieder schwunden. Zerrissene Familien. Verwaiste auch eine Deutsche bin? Noch schlimmer: auf eine Aussage, die mich innerlich zum Ko- Kinder. Verwaiste Eltern. Unzählige Tote. Das Bin ich vielleicht sogar wie diese bösen Deut- chen brachte. Eine Aussage, die mich wütend Leid der deutschen Frauen am Ende des Krie- schen, die in den sowjetischen Filmen gezeigt machte. Ja, ich war so wütend, traurig und ges. Verantwortlich gemacht für die Untaten werden? In meinem Kopf herrschte ein ziem- verbittert wie schon lange nicht mehr. Nicht anderer. Gejagt, vergewaltigt, ermordet. Ge- liches Durcheinander. auf diesen Menschen, nicht auf seine Aussage, zeichnet, geschädigt und verstoßen. Darüber Erst Jahre später habe ich verstanden, dass sondern eher auf eine Tatsache. Folgende Be- sprechen? Ein Tabu. Noch jahrzehntelang. diese Emotionen nichts mit der eigenen Her- merkung zu meinem aktuellen Buchprojekt Immer wieder mundtot gemacht durch die- kunft oder Nationalität zu tun haben. Das über das Leben und Schicksal der Schwarz ses eine Totschlagargument: Deutsche kön- waren ganz normale menschliche Empfindun- meerdeutschen wühlte mich innerlich auf: nen keine Opfer sein. gen. Mitleid mit einem Menschen, der dem „Es wird schwierig sein, für dieses Projekt Eben aus diesem Grund ist es umso wich- Tod ins Auge blickt. Unterstützer zu finden, da die Deutschen tiger, dieses Thema aufzuarbeiten. Immer und Ob der Regisseur dieses Filmes dies bezwe- keine anerkannte Opfergruppe sind und das immer wieder. Geschichte bleibt Geschichte. cken wollte? Wohl kaum. Doch bei mir hat Projekt nicht politisch opportun ist.“ Man schreibt sie nicht um, beschönigt sie nicht diese Szene genau das ausgelöst. Dass nicht alle Ich bin wütend. Nicht auf den Menschen, und verschließt vor Tatsachen nicht die Augen. Deutsche solche Bestien waren, wie uns da- der das geschrieben hat, überhaupt nicht. Ich Wie unangenehm und unbequem die Wahr- mals erzählt wurde, nicht alle Deutschen den bin wütend darauf, dass er vermutlich Recht heit auch sein mag. Sogar, wenn es in diesen Krieg wollten und es sogar Deutsche gab, die haben könnte. Wenn die Aufarbeitung von Geschichten um Deutsche geht, die tatsäch- selbst unter dem Nazi-Regime gelitten haben – Geschichte jedoch nicht wichtig und „nicht lich Opfer waren. Eigentlich, sollte es nichts das habe ich erst Jahre später erfahren und be- politisch opportun“ ist, dann brauchen wir gar sein, wofür man sich schämen oder rechtferti- griffen. Diesen inneren Konflikt, den ich da- nichts mehr zu machen. gen muss. Denn Deutsche sind auch nur Men- mals verspürt habe, löste die mir in der Schule Ich habe die Nase voll davon, dass ich mich schen. durch die Medien und in der Gesellschaft ein- als Deutsche aus Russland ständig ducken Katharina Martin-Virolainen geprügelte Überzeugung aus: Deutsche kön- muss. Bloß nicht den Mund aufmachen und nen keine Opfer sein. klagen. Bloß nicht vom schweren Schicksal Unsere Leser sind herzlich eingeladen, sich an Als ich schon viele Jahre in Deutschland der Oma erzählen. Bloß nicht immer wieder der Diskussion über die Themen der Kolumne lebte, erzählte ich während meiner Studien- die Geschichte der Deutschen aus der Sowje- zu beteiligen und Vorschläge zu machen. Wer zeit einer Kommilitonin vom Schicksal mei- tunion durchkauen. Das kann und will doch seinen Senf ebenfalls dazugeben möchte, kann ner deutschen Vorfahren, die im Jahr 1936 aus eh keiner mehr hören. Das Thema ist ausge- sich entweder an die Redaktion von VadW oder direkt an die Autorin wenden: Wolhynien in der Ukraine nach Kasachstan laugt. Man kennt es anscheinend inzwischen deportiert wurden. Die Herkunft und Nati- schon gut genug. K.Martin@LmDR.de VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 7
Jugend gen aufbauen, die auch über die Projekt- laufdauer hinaus eine Fortführung der Aktivitäten ermöglichen. Aktive im Rahmen des Projektes „Neuzugewanderte stärken“. Hilfe zur Selbsthilfe Durch monatliche Informationsveranstal- „NEUZUGEWANDERTE STÄRKEN“ tungen konnten interessierte Bürger und Neuzugewanderte das Projekt kennen- lernen und sich einbringen. In die Veran- PROJEKT MIT BREITGEFÄCHERTEM ANGEBOT staltungen wurden Referenten und Pro- N jektpartner einbezogen, die sich über ihr euzugewanderte stärken“ – so • Altersarmut infolge des Fremdrenten- Wissen und ihre Erfahrungen aus der In- lautet der Titel des Projektes, gesetzes tegrationsarbeit mit den Teilnehmenden welches im Zeitraum von Au- • und der Wunsch nach gezielter Un- austauschten. gust 2016 bis Juli 2019 in der KULT- terstützung bei der Teilhabe am poli- Ein wichtiger Baustein des Projektes Schule im Berliner Bezirk Lichten- tischen Leben. waren Multiplikatorenschulungen mit berg durchgeführt wurde. Das Projekt fachkundigen Referenten zu relevanten wurde vom Bundesamt für Migration Gesellschaftliche und soziale Themen. Hier wurde der Grundstein ge- und Flüchtlinge gefördert. Teilhabe der Neuzugewanderten legt, dass Neuzugewanderte in Zukunft „Die zielgerichtete Arbeit an Ort und Durch die erfolgreichen Projektmaßnah- als „Lotsen“ selbständig Orientierungs- Stelle zeichnete das Projekt aus. Wir men, wie dem mittlerweile über die Ber- hilfe leisten können und als „Verstärker konnten Hilfesuchenden konkrete Lö- liner Grenzen hinaus bekannten Fami- von innen“ zusätzlich zur Nutzung der sungen anbieten, Ehrenamtliche gewin- lienfestival „wir gemeinsam!“, konnten Integrationsangebote motivieren. Diese nen, Multiplikatoren stärken und schu- die Neuzugewanderten am gesellschaft- sehr effektiven Angebote auf einer nach- len sowie Strukturen schaffen, in denen lichen Leben aktiv teilhaben und dieses haltigen Schiene weiterzuentwickeln, sich die Neuzugewanderten eingebracht positiv und gemeinschaftlich mitgestal- wird eine wichtige Aufgabe für die Ehren- haben“, so fasst Projektleiter Alexander ten. Ihre Einbeziehung in die örtlichen amtlichen sein. Korneev das auslaufende Projekt zusam- Projekte und Angebote in Zusammen- Ein weiterer wichtiger Aufgabenbe- men. arbeit mit lokalen Akteuren und Einrich- reich innerhalb des Projektes war die Ziele des Projektes waren: tungen ermöglichte es, das Zusammen- Betreuung und Unterstützung junger leben positiv zu gestalten und Vorurteile Initiativen von Neuzugewanderten. Pro- Aufbau einer ständigen, durch gemeinsame Aktivitäten abzu- jektleiter Alexander Korneev fasst diese niederschwelligen Anlaufstelle bauen. Aufgabe wie folgt zusammen: „Viele In der Anlaufstelle, die von der Ju- Insbesondere kulturelle Veranstal- Migranten wollen sich gesellschaftlich gend-LmDR in Kooperation mit dem in tungen erwiesen sich als Brückenbauer einbringen. Es gab zahlreiche Heraus- Berlin-Lichtenberg ansässigen Verein und sensibilisierten für kulturelle Viel- forderungen, wenn es darum ging, An- Lyra e. V. betrieben wurde, bekamen falt. Im Rahmen des Projektes konnten liegen von Neuzugewanderten bei den die Neuzugewanderten einen Überblick die Teilnehmer so persönliche Beziehun- örtlichen Entscheidungsträgern vorzu- über die Regel- und Projektangebote im bringen. Viele Fragen galt es, in den un- Bezirk. terschiedlichen Bereichen des Projektes Die niederschwellige Einrichtung – von den Sprechstunden bis zu den Mul- wurde sehr gut angenommen. Dort wur- tiplikatorenschulungen – zu behandeln: den Anliegen von Neuzugewanderten erfasst und Hilfestellungen angeboten. • Welche Stellen sind zuständig? Dabei unterschieden sich deren Themen • Wie kann ich Projekte beantragen in vielen Bereichen wie Wohnen oder So- und realisieren? ziales kaum von denen anderer Gruppen. • Wie gewinne ich Ehrenamtliche und Insbesondere von Deutschen aus Russ- wie bewerbe ich meine Maßnahmen? land werden immer wieder zwei Punkte • Wie kann man selbst bei Entscheidun- angesprochen: gen mitwirken? 8 VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Jugend Gemeinsam mit den Zugewanderten onsarbeit unter Einbeziehung der Zuge- konnten wir die Fragen nacheinander be- wanderten zu meistern. arbeiten, Unklarheiten entwirren, Initiati- Als besonders wichtig hat sich hier der STARKE ven fördern und die Teilnehmer bei ihren Faktor „Bildung“ erwiesen: Je besser die ersten Schritten begleiten. Zugewanderten ihre neue Lebenswelt LEISTUNG STARKER Ich bin froh, dass es innerhalb des kennen, umso eher ergreifen sie die Ini- Projektes so viele ehrenamtliche Helfer tiative, aktiv am gesellschaftlichen Leben JUNGS! gab, die jede Menge Freizeit und Herz- teilzuhaben. Daher waren Vernetzungs- blut in die Integrationsarbeit investiert treffen, Schulungen und Informations- haben.“ veranstaltungen zentrale Bestandteile Über die geschaffenen „Lotsenstruk- der zielgerichteten Maßnahmen. turen“ – bestehend aus Ehrenamtlichen, Zum Abschluss des Projektes „Neu- Multiplikatoren und Sprachmittlern – gewanderte stärken“ und als Dank der konnte das Projekt eine nachhaltige Brei- Projektleitung wurden die aktiven Zuge- tenwirkung erzeugen. Die durch die er- wanderten, die Projekt- und Koopera- folgreiche Projektarbeit entstandene tionspartner sowie die Ehrenamtlichen Vernetzung von Vereinen und Initiati- und Multiplikatoren zu einem bunten ven von Menschen mit Migrationshin- Sommerfest in der KULTSchule eingela- tergrund bietet zahlreiche Möglichkeiten, den. die Herausforderungen in der Integrati- Alexander Korneev „DEUTSCHE GESCHICHTE IN WOLHYNIEN“ MEDIEN- UND AUTORENWERKSTATT FÜR JUNGE MENSCHEN AUS DER UKRAINE UND DEUTSCHLAND D ie Jugendorganisation der larischen Lebenslauf sowie Kontaktdaten Landsmannschaft der Deut- sind als zusammengesetztes PDF-Doku- schen aus Russland e. V. veran- ment bis spätestens 1. September 2019 Daniel Steinhilber (links) und Thomas Riss. staltet vom 17. Oktober bis 2. Novem- zu richten an: k.martin@lmdr.de T ber 2019 gemeinsam mit dem „Rat der homas Riss und Daniel Stein- Deutschen der Ukraine“ mit Sitz in Die Entscheidung über die Platzvergabe hilber sind begeisterte Sport- Kiew eine einwöchige Medien- und Au- erfolgt bis spätestens 15. September ler, erfolgreiche Kickboxer und torenwerkstatt in Schitomir, Ukraine. 2019. Kosten für Unterkunft und Verpfle- wichtige Stützen der Jugendgruppe Zehn deutsche und zehn ukrainische gung in Schitomir sowie für Fahrten in- „JuRA“ aus Regensburg. Sie sind sym- Teilnehmer*innen erarbeiten in kleinen nerhalb der Region im Rahmen der Pro- pathisch und zuverlässig, umgänglich Projektgruppen verschiedene Formate – jektwoche werden übernommen. Anreise und sehr engagiert. Blogbeiträge, kurze Videos, Social Media und Abreise müssen selbst organisiert Nach der zurückliegenden Phase der Stories, Gedichte, Kurzerzählungen – werden. Reisekosten werden auf Vor- Abschlussprüfungen am Gymnasium zum Thema „Deutsche Geschichte in lage der Tickets rückerstattet (Ukraine können die beiden nun weitere starke Wolhynien“. Dazu besuchen sie ehema- bis max. 170 Euro, Deutschland bis max. Leistungen vorweisen: Thomas und Da- lige deutsche Siedlungen rund um Schi- 400 Euro). niel haben mit 1,0 bzw. 1,08 einen her- tomir, führen Interviews mit Zeitzeugen vorragenden Notendurchschnitt er- und besuchen das Archiv in Schitomir, in reicht. Damit ist die perfekte Grundlage dem ein Teil der deutschen Geschichte für das Abitur als nächstes Ziel geschaf- der Region aufbewahrt wird. fen. Nach einer Einführung in das übergrei- Wir gratulieren von Herzen und wün- fende Thema der Werkstatt – die gemein- schen Thomas und Daniel alles Gute für same deutsch-ukrainische Geschichte den nächsten Lebensabschnitt. in der Region Wolhynien, wo bis in die Das Projekt wird gefördert durch: Wir sind mächtig stolz auf EUCH, 1940er Jahre rund 200.000 Deutsche leb- „Vielstimmige Erinnerung – gemeinsa- macht weiter so! ten – entscheiden sich die Teilnehmen- mes Erbe – europäische Zukunft: Kul- Vanessa Eisenbraun, den, in welchen Formaten sie die Ergeb- tur und Geschichte der Deutschen und Vorsitzende der Jugendgruppe „JuRA“ nisse ihrer Recherchen in der Region ihrer Nachbarn im östlichen Europa“ präsentieren möchten. des Deutschen Kulturforums östliches Europa und die Beauftragte der Bun- Alter der Teilnehmer*innen: 18 bis desregierung für Kultur und Medien. 30 Jahre. Bewerbungen zur Medien- Alle weiteren Informationen zum Projekt werkstatt mit einem Motivationsschrei- finden Sie auf: ben (max. 1 DIN-A4-Seite), einem tabel- www.deutsche-in-wolhynien.de Der Hauptsitz der Jugend-LmDR ist im Haus der Deutschen aus Russland, Raitelsbergstraße 49, 70188 Stuttgart. Für die Kontaktaufnahme wendet ihr euch bitte an die Projektbüros in Berlin unter der Tel.-Nr.: +49(0)30-50178555 oder per Mail an Kontakt@Jugend-LmDR.de Gern treffen wir euch auch persönlich in der KULTSchule, Sewanstr. 43, 10319 Berlin-Lichtenberg. Hier findet ihr uns von Montag bis Freitag, 9 bis 15 Uhr VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 9
Jugend 20 JAHRE DEUTSCHE JUGEND AUS RUSSLAND (DJR) IN HESSEN SOMMERFEST MIT MARGARETE ZIEGLER-RASCHDORF IN FRANKFURT AM MAIN Blick auf die Bühne bei der Jubiläumsfeier der DJR in Frankfurt. Bild: Eugen Gross, stellv. Vorsitzender der DJR-Landesgruppe Hessen. 1999 unter dem Dach der ´Fit für Deutschland` gerne LmDR gegründet, kann die mit beachtlichen finanziellen Deutsche Jugend aus Russ- Mitteln.“ land in Hessen auf 20 Jahre Zum Abschluss betonte erfolgreicher Arbeit zurückbli- Margarete Ziegler-Raschdorf: cken. Mit der Hessischen Lan- „Wir sind uns Ihres Engage- desbeauftragte für Heimatver- ments bewusst und möchten triebene und Spätaussiedler, Sie sehr herzlich bitten, die Margarete Ziegler-Raschdorf, vielfältigen Aktivitäten auch in als Ehrengast feierte die DJR Zukunft fortzuführen. Für ihr ihr Jubiläum am 9. Juli mit einem Som- freiwilliges Engagement spreche ich Ihnen merfest auf dem Lohrberg in Frankfurt. den Dank und die Anerkennung der Hes- sischen Landesregierung aus, die das Eh- Bildungsträger und renamt in besonderer Weise würdigt. Ich Kooperationspartner bin richtig stolz auf diesen aktiven Jugend- In ihrer Festrede würdigte die Landes- verband und werde Sie gerne auch weiter- beauftragte die von der DJR in Hessen ge- hin nach besten Kräften unterstützen.“ leistete Arbeit: „Besonders beeindruckend ist für mich, In Vertretung des verhinderten Bundes- dass die Landesgruppe Hessen der Deut- vorsitzenden der LmDR, Johann Thießen, schen Ju-gend aus Russland … inzwi- fasste Natalie Paschenko, Vorstands- schen von vielen Ortsgruppen getragen mitglied der Landesgruppe Hessen der wird und eine hervorragende Integrati- LmDR, in ihrer Rede zentrale Aspekte der onsarbeit leistet. Doch die Organisation landsmannschaftlichen Jugendarbeit zu- kümmert sich mittlerweile nicht mehr nur sammen. Daraus einige Auszüge: Von links: – Swetlana Wagner, 1. Vorsitzende um sich selbst und ihre eigenen Mitglie- „Die Jugendarbeit der Landsmannschaft der DJR-Landesgruppe Hessen; – Margarete der, sondern ist ihrerseits selbst zum Bil- der Deutschen aus Russland hat eine Ziegler-Raschdorf, Hessische Landesbeauf- dungsträger und Kooperationspartner in ebenso lange Tradition wie die Lands- tragte für Heimatvertriebene und Spätaus- den Bereichen Jugend, Bildung, Integra- mannschaft selbst – im nächsten Jahr feiert siedler; – Albina Nazarenus-Vetter, Geschäfts- tion, Betreuung und Kultur geworden. der Verband seinen 70. Gründungstag. Or- führerin der DJR Hessen. Foto: LBHS Nennenswert sind dabei Angebote zur ganisierte Jugendaktivitäten innerhalb der beruflichen Orientierung, zum Umgang Landsmannschaft gab es von Anfang an. landdeutsche Jugend (RDJ), die ange- mit dem Internet und den neuen Medien In den ersten Jahrzehnten bis zum Be- sichts steigender Aussiedlerzahlen sowie zum Zurechtfinden in Gesellschaft ginn der 1980er Jahre war dafür der Ju- versuchte, die landsmannschaftliche Ju- und Politik. Dieser zuletzt genannte Be- gend- und Studentenring der Deutschen gendarbeit neu zu konzipieren und vo reich soll künftig noch weiter ausgebaut aus Russland (JSDR) zuständig. ranzutreiben. werden, und die Hessische Landesregie- Ein Neubeginn wurde 1986 gewagt. Neue Impulse erhielt die landsmann- rung unterstützt aktuelle Projekte wie Bis in die 1990er Jahre war es die Russ- schaftliche Jugendarbeit ab 1995 durch 10 VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019
Jugend die Berufung von Ernst Strohmaier zum Anders sieht es auf Landesebene aus. Von Anfang an wurde die DJR Hessen Bundeskulturreferenten, der auch den Vor allem Hessen gehört zu den Bundes- auf Wunsch der hessischen Landesre- Auftrag hatte, eine neue Jugendorganisa- ländern, in denen die Zusammenarbeit gierung gezielt in die Integrationsarbeit tion aufzubauen, die später den Namen zwischen LmDR und DJR traditionell eng mit Spätaussiedlern eingebunden. Durch ‚Deutsche Jugend aus Russland‘ erhielt. und konstruktiv ist – mit steigender Ten- aufsuchende Arbeit und die Vielfalt der Mit frischen Ideen konnte eine beacht- denz in den letzten drei Jahren. Angebote hatte vor allem die Kreisgruppe liche Zahl aktiver Jugendlicher in die Ar- In den vergangenen 20 Jahren konnte Frankfurt ein gut funktionierendes Netz beit eingebunden werden – einige von sich die DJR in Hessen, seit über 15 Jah- von ehrenamtlichen Multiplikatoren auf- ihnen engagieren sich immer noch in ren mit der stellvertretenden Bundes- gebaut. In den vergangenen zwei Jahr- der Integrations- und Kulturarbeit mit vorsitzenden der LmDR, Albina Nazare- zehnten wurden hessenweit Hunderte Spätaussiedlern und Vertriebenen. Bei nus-Vetter, als Geschäftsführerin an der aktive Mitglieder zu ehrenamtlichen Ju- Jugendveranstaltungen wurden auch Spitze, in vielen Bereichen der Jugend- gendgruppenleitern ausgebildet. brisante Themen nicht ausgeklammert, arbeit nicht nur überzeugend durch- denn zu der Zeit gerieten gerade junge setzen und einen guten Ruf erlangen, Spätaussiedler immer wieder in die nega- sondern auch in vielerlei Hinsicht mit tiven Schlagzeilen der deutschen Medien. gutem Beispiel auf Bundesebene vo Auf dem Bundesjugendtag Ende 1999 rangehen. wurde die Jugendorganisation dann in Die Angebote der DJR bestehen vor einen eigenständigen Verein unter dem allem aus kulturellen Veranstaltungen, Namen „Deutsche Jugend aus Russland Gruppen- und Freizeitangeboten, Infor- Derzeit ist der Landesverband Hes- e. V.“ umgewandelt. Der Verein ging nun mations- und Integrationsseminaren, sen der DJR Träger des Projektes ‚Fit für eigene Wege, in einigen Bundesländern Sport- und Kulturprojekten, Begegnungs- Deutschland‘, gefördert durch Mittel des entstanden Kreis- und Landesgruppen – abenden sowie Beratung und Hilfe bei Hessischen Ministeriums für Soziales und auch in Hessen. persönlichen, schulischen und berufli- Integration. Die vielfältigen Veranstal- Die DJR steht in der nachhaltigen Tra- chen Fragen und Problemen junger Deut- tungsangebote und die außerschulischen dition der landsmannschaftlichen Ju- scher aus Russland. Die Arbeit sieht stets Bildungsmaßnahmen schaffen den not- gendarbeit, auch wenn die enge Bindung die Kooperation mit Trägern der Integra- wendigen Rahmen für die Identitätsfin- an die LmDR, vor allem auf Bundesebene, tions- und Jugendarbeit und die Einbin- dung sowie die Stärkung des Selbstbe- seit Beginn der 2000er nicht aufrechter- dung der eigenen Angebote in das kom- wusstseins von Kindern und Jugendlichen.“ halten werden konnte. munale Gemeinwesen vor. VadW „POLITISCHE DISKUSSIONSKULTUR STÄRKEN – ANDERE POSITIONEN AKZEPTIEREN“ LMDR ERWIRBT FÖRDERMITTEL FÜR JUGENDPROJEKT D ie LmDR hat mit dem Projekt „Po- – andere Positionen akzeptieren“ an. Die Gefördert durch: litische Diskussionskultur stär- LmDR wird im Laufe des Projektes in der ken – andere Positionen akzep- nordrhein-westfälischen Landeshaupt- tieren“ Fördermittel beim Bundesamt stadt Düsseldorf einen Debattierklub etab für Migration und Flüchtlinge (BAMF) lieren, der sich zwar explizit an jugendli- erworben. Das Bundesamt fördert die che Deutsche aus Russland richtet, jedoch Maßnahme im Rahmen seines The- allen offensteht, egal ob mit oder ohne Aufgrund eines Beschlusses menschwerpunktes zur „gesellschaft- Migrationsbiografie. Die 56 Teilnehmer des Deutschen Bundestages lichen und sozialen Integration von Zu- pro Jahrgang werden in Workshops und wanderinnen und Zuwanderern“ für Schulungen darauf vorbereitet, in einem gendorganisationen der LmDR, Düsseldor- eine Dauer von 36 Monaten. Projektbe- abschließenden Debattierwettbewerb ihre fer Schulen und weiteren Projektpartnern ginn war der 1. Juni 2019. Fertigkeiten anzuwenden und argumenta- zusammenzuarbeiten. Desinteressiert, unpolitisch, träge. Alles tiv die „Fetzen fliegen“ zu lassen. Desinteressiert, unpolitisch, träge? In- Vorwürfe, mit denen sich die Jugend kon- Warum ein Debattierklub? Die Vorteile nerhalb der 36-monatigen Projektlaufzeit frontiert sieht. Die Statistiken scheinen die liegen auf der Hand: Neben der Kompe- werden die LmDR und vor allem die Teil- Kritik zu bestätigen: Die Zahl der Nichtwäh- tenz, sich einem politischen Thema ana- nehmer beweisen, dass die Jugend nicht ler zwischen 18 und 24 Jahren betrug bei der lytisch zu nähern, fördert das Format die so politikverdrossen ist, wie ihr unterstellt jüngsten Bundestagswahl 68 %! Partizipati- rhetorischen Fähigkeiten. Sicheres Auftre- wird. Und, sind wir ehrlich: Statistiken sind onsmöglichkeiten neben der Wahl werden ten und freie Rede gehören zum Rüstzeug doch nur Schall und Rauch. nur von einem Drittel der Jugendlichen ge- für eine politische und zivilgesellschaftli- Die Landsmannschaft der Deutschen nutzt. Selbst wenn die Klimaproteste rund che Teilhabe und Teilnahme der Jugend- aus Russland dankt dem BAMF respektive um Greta Thunberg eine Art Trendwende lichen. Und das Versprechen, mit den Ju- dem Bundesministerium für Familie, Seni- markieren: Es existiert Handlungsbedarf. gendlichen und nicht über ihre Köpfe oren, Frauen und Jugend sehr herzlich für Die einfachste Möglichkeit, das Interesse hinweg zu diskutieren? Die Jugendlichen die Bewilligung der Fördermittel. Die Pro- der Jugendlichen für politische Themen zu geben den inhaltlichen Takt vor. Sie ent- jektleitung übernimmt Christian Sprenger, (re)aktivieren besteht darin, mit ihnen und scheiden, über welches politische Thema der unter der folgenden E-Mail-Adresse nicht über ihre Köpfe hinweg zu diskutieren. debattiert wird. gerne für Rückfragen zur Verfügung steht: Genau an diesem Punkt setzt das Pro- Um die Strahlkraft des Projektes zu c.sprenger@lmdr.de jekt „Politische Diskussionskultur stärken erhöhen, ist angedacht, eng mit den Ju- Christian Sprenger VOLK AUF DEM WEG Nr. 8-9/2019 11
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