STIFTUNGSWELT - BUNDESVERBAND DEUTSCHER STIFTUNGEN

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STIFTUNGSWELT - BUNDESVERBAND DEUTSCHER STIFTUNGEN
StiftungsWelt
das magazin des bundesverbandes   deutscher stiftungen
                                                               03-2015
                                                           ISSN 1863-138X · 15,90 Euro

                                                                  STUDIE
                                                             Weniger Erträge,
                                                            mehr Kooperationen?
                                                                    38
                                                             FÜHRUNGSKRÄFTE
                                                             Zwischen Ehrenamt
                                                              und Spitzengehalt
                                                                     40

                    Schule neu denken                          INTERNATIONALES
                                                         Zivilgesellschaft unter Druck
                                                                      42
                         Stiftungen setzen Zeichen
                                                               FLÜCHTLINGE
                                                             Hamburg zeigt sein
                                                            menschliches Gesicht
                                                                    44
                                                                SOFTWARE
                                                         Open Source für Stiftungen
                                                                    74
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                                                                                       Ausfallrisiko?
                                                                                       Stabile Erträge?
                                                                                       Wir bieten Ihnen maß­
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StiftungsWelt 03-2015 » » » Stiftungen                                                                                               3

                                                            Editorial
                          Liebe Leserinnen und Leser,

                                                               kaum eine Institution kann auf eine so lange Tradition zurückblicken wie
                                                                die Schule. Seit den Anfängen eines öffentlichen Unterrichtswesens in
                                                                der griechischen Antike bis zu den hoch entwickelten Bildungssystemen
                                                                moderner Industriegesellschaften hat sie sich ständig gewandelt. Ein
                                                                ­wesentlicher Treiber dieser Entwicklung war die Schulkritik, die ebenfalls
                                                               bereits in vorchristlichen Jahrhunderten begann und die seither immer
                                                                 wieder Schulreformen mit auslöste, die wiederum zu neuerlicher Kritik
                                                                führten – mit der Folge neuer Reformvorschläge.
                                                                    Die Reform des Schulsystems und der Pädagogik war eine der Haupt­
                                                                fragen der Aufklärung. In diese Zeit fällt auch die institutionalisierte Er-
                                                                probung neuer Unterrichtsmethoden. Dass man Reformen zunächst in
                                                               Experimentalschulen testen sollte, bevor man staatliche „Normalschulen“
                                                                entsprechend (um-)gestaltet, forderte schon Immanuel Kant.
                                                                    Mit dem Aufstreben des Bürgertums und der Entwicklung eines
                                                               ­bürgerlich geprägten Stiftungswesens nahm auch die Bedeutung der
                                                              Stiftungen vor allem für die Errichtung und den Betrieb nicht staatlicher
                                                              Schulen sukzessive zu. Indes gehen heute die Aufgaben, die Stiftungen
                                                                im Zusammenhang mit Schule fördern, weit darüber hinaus und sind sehr
                                                              vielfältig. Ein aktueller Trend scheint mir zu sein, dass die

                                                                                                                              »»
                                                              staatliche Schule von den nicht staatlichen Stiftungen wie-
                                                                der mehr wertgeschätzt wird. Interessante Beispiele liefert
                                                                dieses Heft. Und stetig steigt, nicht zuletzt im Zusammen-
                                                                                                                                            Wechsel des
                                                               hang mit dem Wachstum des Stiftungssektors, die Zahl der                     Generalsekretärs:
                                                             Stiftungen, die sich in Sachen Schule engagieren.                              Abschied  von
                                                                    Zum Wachstum und zur Stärkung des Stiftungssektors                      Hans Fleisch
                                                              sowie zu gutem Stiftungswirken beizutragen sind Kernauf-
                                                                gaben des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Seit fast
                                                                elf Jahren führe ich seine Geschäfte. Zum Jahresende 2015 werde ich aus
                                                                dieser Funktion ausscheiden, um mich im nächsten Jahrzehnt ­meines
                          Prof. Dr. Hans Fleisch              ­Lebens wieder einer neuen Aufgabe – in der Geschäftsführung ­einer
                          ist Generalsekretär des
                          Bundesverbandes Deutscher
                                                             ­Stiftung – zu widmen. Bis zum Jahresende ist es noch eine Weile hin.
                          Stiftungen. 2016 wird er           Aber schon heute kann ich sagen: Die letzten elf Jahre haben mir mehr
                          nach elfjähriger Tätigkeit
                          in dieser Funktion in die           Lernerlebnisse und deutlich mehr Freude bereitet als meine Schulzeit.
                          Leitung einer Stiftung
Foto: David Ausserhofer

                          wechseln (siehe S. 54).
                                                             Dankbar und herzlich grüßt Sie

                                                             Ihr
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«Eigentlich ist das ein Risiko, das ich alleine
 gar nicht nehmen möchte. Muss ich aber.»
 Lassen Sie uns darüber reden
STIFTUNGSWELT - BUNDESVERBAND DEUTSCHER STIFTUNGEN
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken                                                                                        5

                                                      inhalt 03-2015

StiftungSwelt digital leSen
www.stiftungen.org/digital

                              SchwerPunkt: Schule neu denken

In Kürze bei:
                              10 �����Wagen wir es, Schule neu zu denken! Schule ist der Ort, an dem sich die Zukunft entscheidet.
                                      Was ist zu tun, um dieser Bedeutung gerecht zu werden? » » » Sabine Süß

                              14 �����„Neu aushandeln, welche Art von Wissen Schule vermitteln soll“
                                      Interview mit dem Bildungsexperten Dr. Ekkehard Winter » » » Veronika Renkes

                              16 �����Stiftungsauftrag „Menschen stärken“ Der Bildungscampus der Hoffbauer-Stiftung
                                      » » » Markus Althoff

                              18 �����Die Saat geht auf Start der freien Quinoa-Schule » » » Klara Sucher und Lennart Scholz

                              20 �����Stellung halten Schulen in bevölkerungsarmen Regionen » » » Dr. Annerose Fromke

                              21 �����Freie Fahrt für digitale Medien Unter offener Lizenz » » » Maria Schumm-Tschauder

                              22 �����Gute Schule ist machbar Gelenkstelle für Reformen » » » Catrin Boldebuck

                              24 �����Gemeinsam Anstöße entwickeln Schulleitungen stärken » » » Ina Lauterbach

                              25 �����Schulterschluss für gute Schularbeit » » » Dr. Tobias Ernst und Anna-Lena Winkler

                              26 �����Technik zum Anfassen Junior-Ingenieur-Akademie » » » Marion Ayasse

                              28 �����Begabungen finden und fördern Karg Campus Bremen » » » Dr. Ingmar Ahl

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Die Bilder im Schwerpunkt
                              29 �����„Das will ich! Das kann ich! Das gibt es!“ Studien- und Berufsorientierung » » » Meike Ullrich
dieser Ausgabe (S. 10–37)
stammen von David Ausser-
hofer. Entstanden sind sie
                              30 �����Schaufenster Ausgezeichnete Schulen 32 _____Schaufenster Vorbildhafte Projekte
kurz vor den Sommerferien
in der Evangelischen Grund-
schule Kleinmachnow.
                              36 �����Service Publikationen, Links und weitere Infos zum Schwerpunkt
Mehr Infos: Seite 37.
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Gemeinsam
                                                                                         Richtung
                                                                                         Zukunft.
                                                                           Die Herausforderungen und Fragestellungen für ein
                                                                           nachhaltiges Stiftungsmanagement sind vielfältig.
                                                                               Genauso vielfältig wie die Stiftungslandschaft
                                                                            selbst. Unser ganzheitlicher, prozessorientierter
                                                                                 Beratungsansatz bietet Ihnen die jeweils
                                                                           passende Antwort. Gern unterstützen wir Sie
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                                                                                       Lösungen. Sprechen Sie uns an.

                                                                                            Ihr Ansprechpartner
                                                                                         Sascha Voigt de Oliveira
                                                                                           T +49 30 2068-4466
                                                                                    svoigtdeoliveira@kpmg.com

                                                                                 www.kpmg.de/stiftungen
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STIFTUNGSWELT - BUNDESVERBAND DEUTSCHER STIFTUNGEN
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken                                                                                  7

                                                                                                                                   inhalt 03-2015

                                                                             Aktionslogo für Stiftungen zum Down-    44 » » » kooperation von Hamburger Stiftungen: wie Der      48 » » » Wildnis stiften:
                                                                             load: www.stiftungen.org/aktionslogo    Fonds „Flüchtlinge & Ehrenamt“ unbürokratisch hilft         Ein Wettlauf mit der Zeit

                                                                                                           stiftungen
                                                                                                         a 38   �����Weniger Erträge, mehr Kooperationen? » » » Dr. Antje Bischoff und Sandra Hagedorn
                                                                                                         a 40   �����Zwischen Ehrenamt und Spitzengehalt » » » Prof. Dr. Berit Sandberg
                                                                                                         a 42   �����Zivilgesellschaft unter Druck » » » Barbara Unmüßig
                                                                                                         a 44   �����„Hamburg zeigt sein menschliches Gesicht“ » » » Johanna von Hammerstein
                                                                                                           46   �����Zeit der Bürgerstiftungen » » » Ulrike Reichart
                                                                                                           48   �����Wildnis stiften » » » Anika Niebrügge
                                                                                                           50   �����Handicap mit Todesfolge » » » Klaus Merhof
                                                                                                           52   �����Nachgefragt: Peter Krämer
                                                                                                           54   �����Personalia 57 _____Neuerrichtungen
                                                                                                           58   �����Preisverleihungen 60 _____Jubiläen 63 _____Mosaik

                                                                                                           Interna
                                                                                                          64 �����StiftungsWelt: Neuer Chefredakteur » » » Timon Kronenberg
                                                                                                          66 �����Neue Mitglieder stellen sich vor
                                                                                                          68 �����Die Premiumpartner des Bundesverbandes

                                                                                                           Service
Fotos: Andreas Bock (Flüchtlinge); Wolfgang Kruck / fotolia.com (Feldhase)

                                                                                                           70 �����Gute Stiftungsführung: Serie Foundation Governance (Teil 3)
                                                                                                                   » » » Holger Schumacher, Mathias Wendt und Michael Plazek
                                                                                                         a 74 �����Open Source für Stiftungen » » » Florian Effenberger und Michael Schinagl
                                                                                                           76 �����Aktuelle Verfügungen und Urteile » » » Kathrin Wrede
                                                                                                           79 �����Neuerscheinungen

                                                                                                          3 ������Editorial 8 _____Panorama
                                                                                                          81 �����Impressum 81 _____In eigener Sache
                                                                                                          82 �����Unterfördert: Entkoppelte Jugendliche » » » Sebastian Gallander

                                                                                                         a Titelthema
STIFTUNGSWELT - BUNDESVERBAND DEUTSCHER STIFTUNGEN
8                                                                                                                    StiftungsWelt 03-2015

Panorama

                                                                                                                                             Foto: M. Paul Schimweg (Wickert)
                                                                                                 Lese- und Schreibfähigkeit von Mäd-
    presseschau                                                                                  chen und Jungen. Seit ihrer Gründung
                                                                                                 im Jahr 2011 unter dem Dach des Plan
    „Trotz des Zinstiefs und Unwägbarkeiten et-                                                  Stiftungszentrums setzt sich die Ul-
     wa wegen der Griechenland-Krise haben Stif-                                                 rich Wickert Stiftung für Kinderrech-
     tungen in Deutschland nicht an Attraktivität                                                te ein und vergibt jährlich einen Jour-
     verloren. ‚Das aktuelle Zinstief hält die Leu-                                              nalistenpreis, der die besten Berichte
     te nicht vom Stiften ab‘, sagte der Generalse-                                              und Reportagen
     kretär des Bundesverbandes Deutscher Stif-                                                  zu diesem The-
                                                                                                                         anstifter
     tungen, Hans Fleisch. Bundesweit würden                                                     ma würdigt. Für sein Engagement hat
     täglich zwei neue Stiftungen geschaffen.“                                                   Wickert am 4. September von der Karl
    „Täglich zwei neue Stiftungen in Deutschland“,                                               Kübel Stiftung für Kind und F­amilie
     Märkische Allgemeine, 07.07.2015                                                            den Karl Kübel Preis erhalten. Die
                                                                                                 Auszeichnung, die zum 16. Mal ver-
    „Die Mehrzahl der Stiftungen will ihr Engage-                                                liehen wurde, ist mit 25.000 Euro do-
     ment trotz der anhaltend niedrigen Zinsen                                                   tiert. Sie ehrt in diesem Jahr erstmals
     nicht zurückfahren. Zwar werde es immer          Stiftung ehrt Stifter                      eine Einzelperson für ihr Engagement
     schwieriger, genügend Erträge aus dem Stif-      Seit dem verheerenden Erdbeben En-         für ­Kinder und Familien. Das Preisgeld
     tungskapital zu erwirtschaften, an ‚Ausga-       de April in Nepal ist der Himalaya-Staat   wird vollständig in den Grundstock der
     ben für den guten Zweck‘ solle aber nicht        mehr denn je auf Hilfe angewiesen. Be-     Ulrich Wickert Stiftung fließen und so
     gespart werden, teilte der Bundesverband         reits seit mehreren Jahren engagiert       weiter dafür wirken, die Rechte von
     Deutscher Stiftungen […] in Berlin mit. Knapp    sich der ehemalige Tagesthemen-Mo-         Mädchen und Jungen zu stärken.  Sz
     60 Prozent der befragten Stiftungen planten,     derator Ulrich Wickert mit seiner Stif-    www.ulrich-wickert-stiftung.de
     die Ausgaben auch künftig konstant zu hal-       tung für das Land. Im Norden Nepals        www.kkstiftung.de
     ten. Ein weiteres Viertel wolle die Ausga-       unterstützt er ein Projekt zur besseren
     ben sogar steigern. […] Die Rendite aller be-
     fragten Stiftungen habe 2014 im Mittel bei                                                   mehr als 310.000 Euro verdoppelt. Die
    3,3 Prozent gelegen (Medianwert).“                                                           Zustiftung ist ein Teil seines Erlöses
    „Trotz Niedrigzins: Stiftungen wollen Ausgaben                                                aus dem Verkauf der Bergener Stadt-
     konstant halten“, dpa-Basisdienst, 15.07.2015                                                passage. „Ich habe in meiner wunder-
                                                                                                  vollen Heimatstadt viel Geld verdient
    „Der Bundesverband Deutscher Stiftungen                                                       und möchte ihr nun auf diesem Wege
     rät dazu, das Kapital angesichts der niedri-                                                 etwas zurück-
     gen Zinsen auch in Aktien und Immobilien                                                     geben“, ­sagte         zustifter
     anzulegen. ‚Die großen Stiftungen machen                                                     Ernst der Celleschen Zeitung. Am
     das und fahren überwiegend gut damit‘, sagt                                                 10. September verstarb er im Alter von
     Hans Fleisch, Generalsekretär des Verbandes.                                                 84 Jahren. Mit den Erträgen aus dem
     Manche steigern ihren Aktienanteil auf bis zu                                               „Günter Ernst Stiftungsfonds der Bür-
    25 Prozent, andere auf 30 oder 45 Prozent. ‚In    Verdopplung der                             gerstiftung Region Bergen“ sollen u.a.
     den vergangenen Jahren gab es enorme Um-         Möglichkeiten                               neue Projekte in den Bereichen Seni-
     schichtungen.‘ Demnächst enden Anleihen          Aus Liebe zu seiner Heimatstadt Ber-        oren, Jugend und Integration angesto-
     aus besseren Zinszeiten; mit dem Geld dar-       gen hat Günther Ernst der Bürgerstif-       ßen werden. Die Bürgerstiftung Regi-
     aus werden die Stiftungen noch mehr auf Ak-      tung Region Bergen im Landkreis Cel-        on Bergen zeigte sich sehr erfreut über
     tien und auch auf Immobilien setzen.“            le 150.000 Euro zugestiftet. Damit hat      die außergewöhnlich hohe Zustiftung
    „Stiftungen brauchen mehr Aktien“,                sich das Vermögen der 2007 gegrün-         – und hofft nun auf Nachahmer.Kro
     Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.2015       deten Gütesiegel-Bürgerstiftung auf         www.buergerstiftung-bergen.de
STIFTUNGSWELT - BUNDESVERBAND DEUTSCHER STIFTUNGEN
StiftungsWelt 03-2015                                                                                                                        9
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                                                                                                              » » » Von der BMX-Crossrennbahn bis zum
                                                                                                              Sinnesgarten: Schulhöfe müssen keine Be-
                                                                                                              tonwüste sein! Das beweisen zehn Sieger-
                                                                                                              schulen, die den Wettbewerb „Schulhof der
                                                                                                              Zukunft“ gewonnen haben und mit je 2.000
                                                                                                              Euro prämiert wurden. Der Wettbewerb ist ei-
                                                                                                              ne Initiative der Stiftung „Lebendige Stadt“
                                                                                                              und der Deutschen
                                                                                                              Umwelthilfe. Die
                                                                                                                                          ticker
                                                                                                              inspirierenden Lebens- und Lernräume sind
                      eine stiftung fÜr entenHausen                                                           zu finden unter www.deinschulhof.de. +++
                     Der große Erfolg des Micky-Maus-Magazins (Egmont Ehapa Media) in Deutsch-                4 Millionen Euro zu vergeben: Google und
                     land ist zu großen Teilen dem sprachlichen Genie von Dr. Erika Fuchs (1906               betterplace.org haben am 22. September
                     –2005) zu verdanken. 30 Jahre lang übersetzte sie Disneys Geschichten aus En-            die „Google Impact Challenge“ gestartet. Bei
                     tenhausen. Ihre Wortschöpfungen, Sprachspielereien und das Einstreuen klas-              dieser Mischung aus Förderwettbewerb und
                     sischer Zitate prägten nachhaltig die deutsche Sprache. Fuchs herausragende              Trainingsprogramm können sich gemeinnüt-
                     Übersetzungen trugen wesentlich dazu bei, dass sich Comics auch hierzulan-               zige Organisationen mit ihren innovativen
                     de zu einer lebendigen Kunstform entwickelten. Dagobert als würdiger alter Herr          oder digitalen Projektideen bewerben. Den
                     spricht stets grammatisch korrekt und weiß jeden Genitiv und Konjunktiv zu set-          zehn Bundessiegern winken Preisgelder von
                     zen. Donald schwankt zwischen übertrieben poetischen Phrasen und Wutausbrü-              je 250.000 Euro. Daneben werden 100 lokale
                     chen, während die Panzerknacker einen Ganovenjargon mit berlinerischem Ein-              Gewinner mit je 10.000 Euro prämiert. Frist:
                     schlag haben. Tick, Trick und Track verwenden eine flotte Jugendsprache. Beson-          18. Oktober. Infos: g.co/EureIdee +++ Mittel
                     ders berühmt wurde ihr Stilmittel des Inflektivs – auch „Erikativ“ genannt –, der        für Flüchtlingsinitiative „1:0 für ein Willkom-
                                                  heute zur Alltagssprache gehört: grübel, grübel und         men“ der DFB-Stiftung Egidius Braun aufge-
                     ausgefallen                  studier. Um ihre Leistungen für die Comic-Kultur zu         stockt: Dank Zuschüssen der Europäischen
                     würdigen, wurde 2007 die Dr.-Erika-Fuchs-Stiftung gegründet. Sie unterstützt das         Fußball-Union (UEFA) und der Bundesregie-
                     am 1. August 2015 eröffnete „Erika-Fuchs-Haus | Museum für Comic und Sprach-             rung stehen der Initiative inzwischen 700.000
                     kunst“ in Schwarzenbach a.d.Saale – das bundesweit erste Comicmuseum.                    Euro zur Verfügung. In den letzten Monaten
                                                                                    dr. aleXandra hentschel   haben bereits über 600 Fußballvereine eine
                      www.erika-fuchs.de                                                                      Unterstützung für ihr Flüchtlingsengagement
                                                                                                              erhalten. +++ Wissenschaftspreise für Grund-

                      50
                                                                                                              lagenforscher: Die Schering Stiftung hat den
                                                                                                              Chemiker Prof. Dr. David W.C. MacMillan mit
                                                                                                              dem Ernst Schering Preis 2015 und die Mole-
                                                                                                              kularbiologin Dr. Nina Henriette Uhlenhaut
                      Für zivilgesellschaftliche Organisationen   ment. Die wichtigsten Themen in den         mit dem Friedmund Neumann Preis 2015 aus-
                      in bundesweit 50 Kommunen fiel am 4.        Kommunen sind derzeit Flüchtlinge und       gezeichnet. +++ Für ihre herausragenden Ar-
                      September der Startschuss für das Netz-     der demografische Wandel. Das neue          beiten im Bereich Ernährungssicherung hat
                      werkprogramm „Engagierte Stadt“. Eine       Programm ist eine gemeinsame Initiati-      die Stiftung fiat panis Ramona Molitor, Do-
                      Förderung von mehr als 3 Millionen Euro     ve der Bertelsmann Stiftung, der BMW        minic Meise und Sarah Fischer am 16. Sep-
                      soll dazu beitragen, bürgerschaftliches     Stiftung Herbert Quandt, des Generali       tember mit dem Hans H. Ruthenberg-Gradu-
                      Engagement auf lokaler Ebene zu stär-       Zukunftsfonds, der Herbert Quandt-Stif-     ierten-Förderpreis 2015 geehrt.          sz/kro
                      ken. Im Fokus stehen nicht einzelne Pro-    tung, der Körber-Stiftung, der Robert
                      jekte, sondern die Kooperation von Zivil-   Bosch Stiftung und des Bundesministe-
                      gesellschaft, Kommunalpolitik und Wirt-     riums für Familie, Senioren, Frauen und             Folgen Sie unseren tagesaktuellen
                      schaft. Das Ziel: eine flächendeckende,     Jugend.                              kro    Neuigkeiten rund um das Stiftungswesen
                      dauerhafte Infrastruktur für das Engage-    www.engagiertestadt.de                      unter twitter.com/stiftungstweet!
STIFTUNGSWELT - BUNDESVERBAND DEUTSCHER STIFTUNGEN
10                                                                                                               StiftungsWelt 03-2015

                   Wagen wir es, Schule neu zu denken!
                       Schule ist der Ort, an dem sich die Zukunft des Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen
                       maßgeblich entscheidet. Was ist zu tun, um dieser Bedeutung gerecht zu werden?

     von sabine süss                                                           Bildung viel mehr ist als Schule, so spielt sie doch ei-
                                                                               ne wesentliche Rolle in jeder individuellen Bildungs-
                                                                               biografie.
                                                                                   Eine zeitgemäße und zukunftsweisende Schule
                       » » » Es gibt keinen heranwachsenden oder erwach-       sollte, wie eigentlich schon immer, verschiedene Rol-
                       senen Menschen, bei dem der Begriff Schule nicht so-    len erfüllen. Die Kunst besteht darin, die einzelnen
                       fort ein Kaleidoskop an Assoziationen weckt: Der Ort,   Rollen mit ihren Wirkungsfaktoren zu kennen, diese
                       an dem das meiste geregelt ist, ein Begegnungsort,      nach dem jeweiligen Bedarf zu gewichten und steu-
                       eine pädagogische Lehranstalt. Zur Schule gehen ist     ernd einzusetzen. Dafür ist es erforderlich, die Asso-
                       eine Phase in jeder Lernbiografie, der man nicht ent-   ziationen nach Anforderungen zu sortieren, um einer
                       kommen kann. Es ist aber auch ein Lebensabschnitt,      sich stark verändernden Gesellschaft auch in puncto
                       der uns unendliche Möglichkeiten, Welten und einen      Bildung und der Komplexität von Schulen gerecht zu
                       Wissenskosmos öffnet. Schule prägt uns. Auch wenn       werden.
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken                                                                                                      11

                               Schule als Raum des Wissens, Erkennens, Erlebens          tungen, die passgenaue Projektangebote für Schulen
                               Mit dem Recht auf Bildung und der Schulpflicht für je-    entwickeln und umsetzen.
                               den geht einher, die Neugierde zu fördern. Dazu ge-
                               hört, dass man Kinder, Jugendliche und junge Erwach-      Schule als Lernort
                               sene mit ihren Talenten ernst nimmt und entsprechen-      Damit Schule ein Ort ist, an dem sich möglichst viele
                               de Wissens- und Lernangebote entwickelt. Stiftun-         Menschen gerne aufhalten, sollte bei
                               gen unterstützen diese Angebotsvielfalt mannigfach:       der räumlichen Gestaltung und Umge-
                               durch Qualifizierung des Lehrpersonals, gezielte the-     bung die Bandbreite der Bedürfnisse
                               matische Angebote, persönliche Unterstützung und          aller potenziellen Nutzer berücksichtigt
                               vieles mehr. Wie diese Angebote in den Regelunter-        werden. Dabei geht es auch darum, eine
                               richt gewinnbringend und verbindlich integriert wer-      mögliche Nutzungsvielfalt der Räume im
                               den, muss jede Schule individuell erarbeiten. Für die     Blick zu haben, wie sie sich durch Integ-
                               Verschränkung der curricularen Lehrinhalte mit zusätz-    ration und Inklusion oder durch Öffnung
                               lichen aktuellen oder bedarfsorientierten externen An-    in die Nachbarschaft mit einer gemisch-
                               geboten – wie etwa die digitale Bildung und MINT-För-     ten Nutzung für alle Altersgruppen und
                               derung – müssen Formen und Wege der Zusammen-             Zielrichtungen ergibt.
                               arbeit entwickelt und erprobt werden. Nicht jede Schu-        Es gibt spannende Modelle, die die
                               le ist für Stiftungsprojekte geeignet und nicht jede      Modellierungsfähigkeit der Lernräume         saBine sÜss
                                                                                                                                      leitet die Koordinierungsstelle im
                               Schulleitung hat die Kapazität, sich mit den Angebo-      als wesentlich für eine adäquate Lernum-     neuen Netzwerk Stiftungen und Bildung im
                               ten auseinanderzusetzen. Dennoch gibt es gute Bei-        gebung betrachten und wo die Ausge-          Bundesverband Deutscher Stiftungen (siehe
                                                                                                                                      StiftungsWelt 02-2015, S.64f.). Zuvor war sie
                               spiele für eine beide Seiten zufriedenstellende berei-    staltung der Räume auch gemeinsam mit        in derselben Funktion für den Stiftungsver-
Foto: Tobias Robischon (Süß)

                               chernde Zusammenarbeit, wie etwa das Engagement           Schülern und Lehrern entwickelt wurde.       bund Lernen vor Ort tätig, nachdem sie fast
                                                                                                                                      sechs Jahre Vorstand der Schader-Stiftung in
                               der Stiftung Haus der kleinen Forscher, die in Kinder-    So setzen sich die beiden Montag Stif-       Darmstadt war.
                               tagesstätten und Grundschulen das pädagogische            tungen „Jugend und Gesellschaft“ so-         Weitere Informationen
                               Fach- und Lehrpersonal in Naturwissenschaften, Ma-        wie „Urbane Räume“ mit ihrer Forderung       sabine.suess@stiftungen.org
                                                                                                                                      www.stiftungen.org/netzwerk-stiftungen-bildung
                               thematik und Technik qualifiziert. Oder von Bürgerstif-   nach einer „Pädagogischen Architektur“
12StiftungsWelt 03-2015

    stark für die Etablierung dieses Ansatzes im Schulbau      kräftig unterstützt, bis hin zu individueller Talentförde-
    ein. Sie haben damit zudem für die Lehre der Architek-     rung, die mehr Zeit und Raum braucht, als es in vielen
    tur neue Maßstäbe gesetzt. Die Software AG – Stiftung      Familien überhaupt möglich ist.
    fördert u.a. Schulbauten, die in einer „Prozessarchitek-       Bei der Entwicklung von Ganztagsschulen geht es
    tur“ nach Nikolaus von Kaisenberg die Entwicklung des      auch um das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteu-
    Schulgebäudes dialogisch mit den Nutzern, Bauherren        re. Dies sind zum Beispiel die für die Lerninhalte zu-
    und anderen Akteuren erarbeiten. Nicht zuletzt führt       ständigen (Landes-)Schulämter, die Verantwortlichen
    diese gemeinsame Gestaltung von Nutzern (auch Schü-        für die Jugendarbeit in den Kommunen, aber auch die
    lern) und Entwerfern zu einer hohen Identifikation mit     vielen Akteure aus der aktiven Zivilgesellschaft. Hier-
    dem Ort Schule und damit zu einer gemeinschaftlichen       für Strukturen und sinnvolle Verfahren zu entwickeln
    Sorge und Pflege der Schulumgebung.                        und zu etablieren, ist im Sinne eines konsistenten Bil-
                                                               dungsangebots im Lebensraum Schule unverzichtbar.
    Schule als Lebensraum
    Im stetigen Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen          Schule als sozialer Ankerpunkt für
    und der Öffnung von Schule auch für andere Zielgrup-       gesellschaftliche Entwicklung
    pen als Schüler steckt eine ganz besondere Heraus-         Der gesellschaftliche Wandel zeigt sich in Phänome-
    forderung für den Raum Schule. Erfahrungs- und Le-         nen, die für einen ausdifferenzierten Blick auf die
    benswelten der gesamten Schülerschaft sollten opti-        Schule von heute und die der Zukunft bedeutsam sind.
    mal ausgestaltet werden können. Dabei kann es um           Schule kann und sollte eine wichtige Funktion für eine
    gemeinsam gekochte und eingenommene Mahlzeiten             positive gesellschaftliche Entwicklung übernehmen,
    gehen, wie es die Sara Wiener Stiftung fördert und tat-    indem sie das soziale Miteinander fördert und der
                                                               steigenden sozialen Ungleichheit aufgrund familiärer
                                                               Umstände bewusst entgegentritt. In einer guten Schul-
                                                               gemeinschaft mit reichhaltigen Angeboten, adäqua-
                                                               ter Ausstattung, mit vielfältig qualifiziertem Personal,
                                                               einem weiten Blick auf die Möglichkeiten und Talen-
                                                               te der Schülerschaft, unter Einbeziehung der Familien,
                                                               lassen sich Aufgaben wie Inklusion, Talentförderung
                                                               und sozial geprägtes Miteinander lösen.
                                                                   Hier ist die „öffentliche Lehranstalt“ umso mehr auf
                                                               Unterstützung und Mitarbeit weiter Teile der Zivilgesell-
                                                               schaft angewiesen. Das Miteinander unterschiedlichs-
                                                               ter Akteure kann als Demonstration und räumlicher
                                                               Nukleus für gesellschaftlichen Zusammenhalt gesehen
                                                               und erlebbar werden und die demokratische Gesin-
                                                               nung in einer fragmentarisierten Gemeinschaft stärken.
                                                               An diesem Punkt setzt das Netzwerk Lernen durch En-
                                                               gagement (www.servicelearning.de) mit unterschiedli-
                                                               chen Partnern auch aus der Zivilgesellschaft an.
                                                                   Die demografische Entwicklung führt auch zu einer
                                                               Öffnung der Schule für andere Bevölkerungsgruppen.
                                                               Sie ist geprägt von einer sich ändernden Zusammenset-
                                                               zung der Bevölkerung, mit schwindenden Schülerzah-
                                                               len im Kinder- und Jugendalter, einer gleichzeitig zuneh-
                                                               menden Anzahl Älterer, einer Verlängerung der Lebens-
                                                               arbeitszeit, einem erhöhten Weiterbildungsbedarf auf-
                                                               grund sich wandelnder Berufsbilder und sich ändernder
                                                               physiologischer Möglichkeiten älterer Beschäftigter.
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken                                                                                       13

Schule als Motor für Entwicklung im                        Existenz oder der Mangel an Bildungsstätten, dazu ge-
städtischen und ländlichen Raum                            hören Kindertagesstätten genauso wie Schulen, führen
In dem Maße, in dem der urbane Raum durch Arbeits-         zu Zuzug oder Wegzug von Gemeindemitgliedern. Mit
migration aus dem Inland und Ausland besonders at-         persönlichem Einsatz und auch durch Unterstützung von
traktiv erscheint und sich Ballungsräume verdichten,       Stiftungen lassen sich hier Weichen stellen. Mit Fantasie,
entleeren sich ganze Landstriche in Deutschland. Dies      Kreativität und Zuversicht können sich gerade in ländli-
betrifft den Osten, aber auch ländlich geprägte Gebie-     chen Gegenden neue Modelle zukunftsori-
te in anderen Bundesländern. Oftmals sind Wachstum         entierter Bildungsstätten und Lernorte ent-
und Schrumpfung gleichzeitig nebeneinander zu be-
obachten. Umso dringender gilt es zu erkennen, wel-
che Bedeutung eine für die Nachbarschaft geöffnete
Schule als Stabilisator und Anziehungspunkt haben
                                                           wickeln, nach dem Motto: Not macht erfin-
                                                           derisch, denn jeder Einzelne zählt.

                                                           Fazit
                                                                                                        »»       Die Schule der Zukunft
                                                                                                                ist eine in Bewegung.

kann. Dabei ist das Zusammenspiel von räumlicher           Und nicht zuletzt: Schule könnte die Ein-
Situation mit einem für die Nachbarschaft relevanten       heit sein, an der sich ein abgestimmtes
Angebot wesentlich. Denn durch ein weitsichtiges so-       Vorgehen zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesell-
zialraumorientiertes Bildungsmanagement, auf der           schaft überzeugend demonstrieren ließe.
Basis der Sozialdaten einer Kommune, lässt sich die            Die Schule der Zukunft ist eine in Bewegung, die
Entwicklung eines Quartiers oder einer Nachbarschaft       sich an den Notwendigkeiten und den Möglichkeiten
und damit der gesamten Kommune besser steuern              vor Ort gezielt orientiert. Schule ist ein Raum, an dem
und stabilisieren. Eine gute Nachbarschaft zeichnet        die Wurzeln einer entwicklungsfähigen und dennoch
sich durch ein verständiges Miteinander aus, durch         stabilen Gesellschaft gehegt und gepflegt werden kön-
wenig Fluktuation und Akzeptanz aller, die dort leben      nen. Dies geht nur im Zusammenwirken aller Akteure
(wollen). Die Schule im Quartier kann in Zusammenar-       und in Kenntnis der gemeinsamen Ziele, wie dies etwa
beit mit allen für die Gemeinschaft relevanten Akteu-      der Lübecker Bildungsfonds demonstriert. Dabei soll-
ren zu einem solchen Erleben beitragen und im besten       ten sich alle Beteiligten als Lernende betrachten, bei
Falle sogar Kern dieser Entwicklung sein. Der beson-       jeder selbstverständlich scheinenden Handlung, bei
ders herausgeforderte Stadtstaat Bremen hat mit die-       jedem Projekt und jeder Intervention.
sem Ansatz – auch im Rahmen des Programms Ler-                Stiftungen sind bereits vielfältig in die Entwicklung
nen vor Ort (www.lernen-vor-ort.info) – explizit auf die   und in den Wandel der Schule eingebunden. Sie setzen
Verbindung von Stadtentwicklung und Bildungspolitik        mit ihrem Engagement Impulse, unterstützen Kinder,
gesetzt. Bremen hat damit ein Instrument entwickelt,       Jugendliche, Eltern und Familien, aber auch hoch moti-
das aus Quartieren mit besonderem Handlungsbedarf          vierte Schulleitungen und Lehrerschaften, um Schulen
stabile Nachbarschaften werden lässt.                      zu einem Ort zu machen, der voller Freude und Chancen
    Eine ebenso große Herausforderung ist es für den       steckt. Stiftungen bereichern die Lern­inhalte mit eige-
eher ländlich geprägten Raum, sich wohnortnahe Bil-        nen Ideen und klugen Projekten, sie sichern aber auch
dungsangebote zu sichern. Auch hier zeigen Modelle,        Vorhandenes. Dabei bieten sie sich zunehmend an und
die z.B. von der Software AG – Stiftung unterstützt wer-   werden eingebunden in Prozesse, die den Lebensraum
den, dass Initiativen rund um Schulgründungen oder der     Schule wieder an den Platz rücken, wo er auch hinge-
Ausbau besonderer Schulen zu einem Motor für Zuzug         hört: in die Mitte unserer Gesellschaft. « « «
und Stabilisierung bestehender Gemeinschaften in Dör-
fern oder kleineren Städten werden können. Denn die
14StiftungsWelt 03-2015

               „Neu aus­handeln, welche Art
               von ­Wissen Schule vermitteln soll“
                Interview mit dem Bildungsexperten Dr. Ekkehard Winter

 Interview: Veronika Renkes                                                 der großen Herausforderungen des digitalen Zeital-
                                                                            ters müssen wir neu definieren, was wir darunter ver-
                                                                            stehen und gemeinsam neu aushandeln, welche Art
                                                                            von Wissen vermittelt werden soll. Schule sollte aber
                StiftungsWelt: Herr Dr. Winter, noch vor ein paar Jah-      nicht dazu verführt werden, allzu kurzatmig aktuellen
                ren lag die Quote der Schüler, die das deutsche Schul-      Trends hinterherzulaufen.
                system ohne Abschluss verließen, bei über 14 Prozent.
                Heute sind es „nur“ noch 6 Prozent. Können wir also         Internationalisierung und Digitalisierung definieren
                zufrieden sein und Entwarnung geben?                        unsere Lebens- und Arbeitsformen neu. Müssen nicht
                Dr. Winter: Diese Quote ist immer noch viel zu hoch. Hin-   auch Lehrinhalte und -formen neu gestaltet werden?
                zu kommt, dass viele Schulabgänger, die einen forma-        Natürlich müssen sich Schulen auf diese neue Situa-
                len Abschluss haben, nicht ausbildungsreif sind, weil       tion einstellen und die Chancen nutzen, die die Digi-
                ihnen zum Beispiel mathematische Grundkompetenzen           talisierung bietet. Schon heute sitzen in Deutschland
                fehlen. Aber auch Abiturienten erwerben häufig nicht        in einem Klassenraum viele Schüler mit heterogenen
                die Befähigung für ein Studium. Das können wir uns          Bildungsvoraussetzungen und aus unterschiedlichen
                nicht leisten, denn unsere Volkswirtschaft braucht gut      Kulturen. Der Einsatz digitaler Medien kann hier sehr
                ausgebildete junge Menschen. Wir haben es hier mit ei-      helfen, etwa bei der Diagnose der unterschiedlichen
                nem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun, das man        Bildungsvoraussetzungen und der individuellen Lern-
                nicht alleine den Schulen überlassen kann.                  fortschritte der Schüler. An den Hochschulen gibt es
                                                                            hierzu kaum Angebote und die Weiterbildungsangebo-
                Die Deutsche Telekom Stiftung engagiert sich mit            te für Lehrer sind dünn gesät. Stiftungen sind auch in
                Partnern aus Politik, Wirtschaft und Stiftungswesen         diesem Bereich aktiv. Aber den Schulen darf keine Ra-
                u.a. für eine bessere Lehrerausbildung. Warum?              dikalkur verordnet werden, das führt nur zu fundamen-
                Viele Stiftungen engagieren sich hier, um der Lehreraus-    talen Verweigerungen. Sinnvoll sind Maßnahmen, die
                bildung zu einem angemessenen Status zu verhelfen.          an das bestehende System andockfähig sind.
                Denn sie ist nach wie vor das fünfte Rad am Wagen an
                den Hochschulen. Die Belohnungsstrukturen im Wis-           Wäre es nicht besser, Schule auf ihre
                senschaftssystem stehen einer guten Lehrerausbildung        Kernaufgaben zurückzuführen?
                entgegen. Hier könnte der Staat als größter Arbeitgeber     Der Wandel in der Lebens- und Arbeitswelt ist so rasant,
                eingreifen, etwa durch Zielvereinbarungen.                  das kann eine Schule nicht vollständig abbilden. Aber
                                                                            die Vermittlung von Orientierungswissen, Reflexionsfä-
                Was sollte eine Schule leisten und was nicht?               higkeit und Urteilskraft ist wichtig. Also: Wie bewertet
                Allgemein- und Persönlichkeitsbildung sind nach wie         man Wissens- und Informationsquellen? Wie kann man
                vor zentrale Aufgaben der Schule. Aber angesichts           die Informationsvielfalt ordnen und reflektieren und wie
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken                                                                                                           15

                                                              kann man sich für den permanenten Wandel gut rüsten?         nen zwischen Stiftungen wichtig. Und drittens ist die
                                                              Es müsste neu definiert werden, was Allgemeinbildung         Zusammenarbeit zwischen Staat und Stiftungen ele-
                                                              heute sein soll, damit diese eine Orientierung ermöglicht.   mentar und in den letzten Jahren auch besser gewor-
                                                                                                                           den. Kultusministerien, die Kultusministerkonferenz
                                                              Wer sollte definieren, was heute zum                         und Stiftungen gehen stärker aufeinander zu, disku-
                                                              Allgemein­wissen gehört?                                     tieren die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und
                                                              Das erfordert eine gesamtgesellschaftliche Debatte.          wie sie gemeinsam agieren können. Dies sind gute Vo-
                                                              Eine Schule oder Kultusbehörde kann das für sich al-         raussetzungen für einen besseren Projekttransfer und
                                                              leine nicht klären. Hier sollten alle Stakeholder, wie El-   eine Verstetigung von Projekten.
                                                              tern, Wissenschaftler, Schüler, Lehrkräfte und andere,
                                                              mit eingebunden werden.                                      Inwieweit macht der angesprochene Föderalismus
                                                                                                                           angesichts der komplexen Anforderungen an Schulen
                                                              Was können Stiftungen erreichen, was der Staat               überhaupt noch Sinn?
                                                              so nicht kann?                                               Der Föderalismus im Bildungswesen ist grundsätzlich
                                                              Der Staat ist ja zur Gleichbehandlung verpflichtet. Für      gut, aber es gibt auch einige Defizite. So übernehmen
                                                              ihn ist es schwieriger, Modellprojekte zu starten. Stif-     die Ländergemeinschaft und die Kultusministerkon-
                                                              tungen hingegen können so etwas sein wie eine For-           ferenz keine gesamtstaatliche Verantwortung. Somit
                                                              schungs- und Entwicklungsabteilung, wie sie jedes grö-       fehlt für die großen Aufgaben, die alle gemeinsam zu
                                                              ßere Unternehmen hat und auch braucht, um erfolgreich        bewältigen haben, eine gemeinsame Klammer. Stif-
                                                              zu sein. Im Bildungssystem geschieht das kaum. Es gibt       tungsinitiativen springen hier zunehmend in die Bre-
                                                              zwar Forschung an den Hochschulen, doch erreichen die        sche, wie das etwa beim Deutschen Zentrum für Leh-
                                                              Erkenntnisse nur selten die Praxis. Solche F+E-Labore,       rerbildung Mathematik der Fall ist, das länderübergrei-
                                                              die ihre Ergebnisse in der Praxis umsetzen, können Stif-     fend die Lehrerfortbildung vorantreibt.
                                                              tungen sein und sie sind es zum Teil auch schon.             Das aber reicht nicht aus. Einige große
                                                                                                                           Stiftungen – darunter die Deutsche Te-
                                                              Wie kann man sicherstellen, dass Stiftungsaktivitäten        lekom Stiftung – haben deshalb vor-
                                                              kein Reparaturbetrieb für staatliche Fehltritte sind?        geschlagen, einen Bildungsrat einzu-
                                                              Indem die Ziele und Rollen der Akteure klar sind. Wir        führen. Ein solcher Bildungsrat könnte
                                                              hatten bei keinem Projekt das Gefühl, dass wir Lü-           ähnlich wie der Wissenschaftsrat als
                                                              ckenbüßer sind, aber man sollte natürlich wachsam            eine Art Expertenrat mit einer Länder-
                                                              sein. Gerade vor dem Hintergrund der Schuldenbrem-           kammer fungieren. Er könnte Orien-
Foto: Michael H. Ebner / Deutsche Telekom Stiftung (Winter)

                                                              se könnte der Staat in Versuchung geraten, Stiftungen        tierung bieten bei den großen Themen
                                                              als Ersatzakteure für staatliches Handeln einzubezie-        und Gleichheit unter den Ländern her-
                                                              hen. Aber Stiftungen haben eine ganz gute Urteilskraft       stellen, wie zum Beispiel bei Empfeh-
                                                              und können sich gegen eventuelle Zumutungen durch-           lungen zur Mobilität von Lehrkräften         im interview
                                                              aus zur Wehr setzen.                                         oder Besoldungs- und Statusfragen.          Dr. Ekkehard Winter
                                                                                                                                                                       Der Geschäftsführer der Deutsche Telekom
                                                                                                                           Stiftungen können allerdings nur Vor-       Stiftung leitet u.a. den Arbeitskreis Bildung
                                                              Es gibt viele schöne Modellprojekte, doch wie                schläge unterbreiten, diese aber nicht      im Bundesverband Deutscher Stiftungen.
                                                              können sie nachhaltig verankert werden?                      durchsetzen, wenn sie nicht auch poli- Weitere Informationen
                                                                                                                                                                       stiftung@telekom.de
                                                              Wichtig ist, dass die Projektpartner nicht einseitig am      tisch gewollt sind. « « «                   www.telekom-stiftung.de
                                                              Tropf der Stiftung hängen. Zweitens sind Kooperatio-
16StiftungsWelt 03-2015

               Stiftungsauftrag „Menschen stärken“
               Mit ihrem Bildungscampus in Kleinmachnow schlägt die Hoffbauer-Stiftung
               eine Brücke in andere Lebenswirklichkeiten

 von Markus Althoff                                                     dend) und für nahezu alle Lebensaltersstufen (von der
                                                                        Kinderkrippe bis weit über das Abitur hinaus) in Bran-
                                                                        denburg und Berlin.

               » » » „Wir stärken Kinder, Jugendliche und Erwach-       Wertschätzender Umgang mit Verschiedenheit
               sene, sich in Freiheit zu entfalten, Verantwortung zu    Wo zu DDR-Zeiten der volkseigene Betrieb (VEB) „Ge-
               übernehmen und in Hoffnung zu leben, die aus unse-       räte- und Reglerwerk Teltow“ produzierte und nach der
               rer christlichen Sicht auf Mensch und Welt erwachsen.“   Wende Siemens kurzzeitig ein Werk betrieb, prangt
               Vor mehr als 100 Jahren hat die Gründerin der Hoff-      heute ein Zitat von Martin Buber an der Stirnseite eines
               bauer-Stiftung einen Stein ins Wasser geworfen, der      weiß verkleideten Achtgeschossers: „Alles wirkliche
               bis heute Kreise zieht. Der umfassenden Bildung von      Leben ist Begegnung.“ Das Motto passt zum Hoffbau-
               Mädchen hatte sie das gemeinsam mit ihrem Mann           er Bildungscampus (siehe auch Hinweis zur Fotostre-
               erworbene Vermögen verschrieben. Gewachsen ist da-       cke im Schwerpunkt auf S. 37), der mit vier Bildungsein-
               raus ein Gefüge von diakonischen Unternehmungen,         richtungen das Areal nutzt. Dass 2004 eine Grundschu-
               deren Herz die gemeinnützige Hoffbauer GmbH ist. Zu      le zunächst in einen der Industriebauten und später in
               ihr gehören mehr als 30 Bildungseinrichtungen unter-     einen eigens konzipierten Neubau einzog, war einer
               schiedlicher Ausprägung (von allgemein bis berufsbil-    engagierten und bildungsinteressierten Elternschaft in
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken                                                                                                 17

                                     den umliegenden (Kirchen-)Gemeinden und der Hoff-       schlossen mit einem Deckel und versehen mit einem
                                     bauer-Stiftung zu verdanken, die als erfahrene Schul-   Loch zum Hände Reinstecken werden die als „Fühlkis-
                                     trägerin für das Vorhaben                                                             ten“ beim nächsten Ki-
                                     „Evangelische Grundschu-
                                     le Kleinmachnow“ gewon-
                                     nen wurde. Rasch ent-
                                     wickelte sich die Schule
                                                                   »»     Der wertschätzende Umgang mit
                                                                          Verschiedenheit bildet den Kern des
                                                                                                                           ta-Fest gebraucht.

                                                                                                                            Persönliche Themen der
                                                                                                                           Schüler aufgreifen
                                                                          Lebens auf dem Bildungscampus.
                                     in freier Trägerschaft zu                                                             Unterdessen hat Vincent
                                     einem gefragten öffentli-                                                             drei Stockwerke über der
                                     chen Bildungsangebot in der bei Familien beliebten Re-  im Erdgeschoss beheimateten Kita gerade seinen Vor-
                                     gion am südwestlichen Stadtrand von Berlin. Heute um- trag zur Geschichte der Stolpersteine beendet. Die hat er
                                     fasst der Campus neben der Grundschule eine Kita, ein   mit anderen Jugendlichen aus der Jungen Gemeinde Tel-
                                     Gymnasium und eine Altenpflegeschule.                   tow in den vergangenen Wochen an verschiedenen Stel-
                                         Den gemeinsamen Kern des Lebens auf dem Bil-        len im Boden vor ehemals jüdischen Wohnhäusern ver-
                                     dungscampus bildet der wertschätzende Umgang mit        ankert. Der Vortrag gehört zum „Individuellen Lernen“,
                                     Verschiedenheit. Groß und Klein; Schnell und Lang-      das ein fester Bestandteil des Stundenplans am Evange-
                                     sam; Laut und Leise – Jede(r) und Jegliches hat sei-    lischen Gymnasium auf dem Campus ist. Hier verfolgen
                                     nen Raum, seine Stärke und seine Zeit. Zum Beispiel     die Jugendlichen Themen, die ihnen ganz
                                     bei den Andachten, zu denen sich die Schulgemein-       persönlich am Herzen liegen – jenseits von
                                     de jeden Montag in der Grundschule versammelt. Hier     Lehrplan und Abi-Curriculum, aber meist
                                     stimmen sich Kinder und Erwachsene auf die Woche        mit sehr lebendigen Wurzeln in ihr „wirkli-
                                     ein und bilden eine Gemeinschaft, die Raum für In-      ches Leben“ hinein.
                                     dividualität und eigene Prägung lässt. Im Wochenab-         Ganz praktisch eingebunden in das
                                     schluss stellen sie einander etwas von dem vor, was     wirkliche Leben sind auch die Schüler­
                                     für sie im Laufe der Woche bedeutsam geworden ist.      innen und Schüler der Altenpflegeschule.
                                     Verschiedenheit hat aber auch da ihren Platz, wo im     Zu deren Ausbildung gehört die Arbeit in
                                     Unterricht die Gedanken der Kinder den Ausgangs-        einer Altenpflegeeinrichtung oder bei ei-
                                     punkt für ein sich immer weiter vertiefendes und er-    nem ambulanten Pflegedienst. Die Schu-
                                     weiterndes Verständnis bilden. „Ich mache das so.“      le ist der Rahmen, in dem sie Wissen er-
                                     „Wie machst du es?“ „Das machen wir ab!“ So lautet      werben, das sie für ein sicheres Handeln       Markus Althoff
                                                                                                                                            leitet die Abteilung Elementar- und
                                     die Trias des „Dialogischen Lernens“, das an der zwei-  im Beruf brauchen. Sie bietet aber auch        Primarbildung der Hoffbauer GmbH und
                                     zügigen Schule kultiviert und weiterentwickelt wird.    Raum für den Austausch über die schö-          zeichnet verantwortlich für die Arbeit der
                                                                                                                                            in ihrer Trägerschaft betriebenen Kitas und
                                     Nicht Lernstoff möglichst effektiv „eintrichtern“, son- nen, manchmal aber auch belastenden            Grundschulen. Von 2006 bis 2010 leitete er
                                     dern „sich mit den Gedanken der Kinder befreunden“      Praxiserfahrungen in der Begegnung mit         die Evangelische Grundschule Kleinmachnow.

                                     und sie darin unterstützen, ihre Gedanken weiterzu-     älteren Menschen, mit Krankheit und Tod. Weitere Informationen
                                                                                                                                            markus.althoff@hoffbauer-bildung.de
                                     entwickeln, lautet die Herausforderung für die Päda-    Die Praxisanteile ihrer Ausbildung leisten     www.hoffbauer-stiftung.de
                                     goginnen und Pädagogen.                                 sie oft an weit entfernten Einsatzstellen
                                         Knappe 100 Meter Luftlinie über den Schulhof ent-   – auch im europäischen Ausland, wo sie
                                     fernt haben sich in der Kita die Kinder der Sonnen-     zum Teil viel weiter entwickelte Ansätze
                                     gruppe zu ihrem Morgenkreis versammelt. In der Mitte    kennenlernen können.
                                     auf einem ausgebreiteten Tuch liegen Fundstücke, die        Begegnungen ermöglichen, die untrennbarer Teil
                                     sie von ihrem letzten Spaziergang in das nahe gele-     des wirklichen Lebens und zugleich Brücken in ande-
                                     gene Waldstück mitgebracht haben. Gemeinsam mit         re Lebenswirklichkeiten sind – diese Kernidee ist auf
Foto: Hoffbauer-Stiftung (Althoff)

                                     ihrer Erzieherin unterhalten sie sich über das, was zu- dem Hoffbauer Bildungscampus in Kleinmachnow auf
                                     sammenpasst, erinnern sich daran, wo sie es gefun-      ganz besondere Weise erlebbar. In dieser Hinsicht er-
                                     den haben, befühlen Rindenstücke, Zapfen und Teile      weist sich das Hoffbauer Bildungsangebot im besten
                                     von Baumpilzen. Dann sortieren sie miteinander, was     Sinne als An-Stiftung zu Freiheit, Verantwortung und
                                     zusammenpasst jeweils in eine eigene Kiste. Ver-        Hoffnung – nicht mehr, aber auch nicht weniger. « « «
18StiftungsWelt 03-2015

                             Die Saat geht auf
                             Vor über einem Jahr startete in Berlin-Wedding mit Unterstützung
                             der Vodafone Stiftung Deutschland die freie Quinoa-Schule

       von Klara Sucher und Lennart Scholz                                                  Mit Zuversicht einer guten Idee vertraut
                                                                                            Jetzt liegt das erste, erfolgreiche Jahr hinter uns, der
                                                                                            Umzug in ein eigenes Schulgebäude und die Einschu-
                                                                                            lung einer weiteren Klasse sind nur noch wenige Wo-
                                » » » Bildungsaufstieg durch individuelle, wertschät-       chen entfernt. Eine Idee ist zur Schule geworden, ein
                                zende Förderung: Im soziostrukturell benachteiligten        pädagogisches Konzept zum Alltag. Der Weg hier-
                                Berliner Bezirk Wedding wurde im August 2014 die            hin war steil – und ist es noch. Wir waren „zu 90 Pro-
                                Quinoa-Schule eröffnet. Sie will Jugendlichen mehr          zent von Leuten umgeben, die gesagt haben, das wird
                                Chancengerechtigkeit bieten durch eine Aussicht auf         nie etwas“, erinnert sich Geschäftsführerin Dr. Fiona
                                Ausbildung und Bildungsaufstieg. Wegbereitend für           Brunk. Also haben wir uns „auf die 10 Prozent konzen-
                                diese innovative Idee war neben dem persönlichen
                                Einsatz des Quinoa-Teams auch das Engagement der
                                Vodafone Stiftung Deutschland.
                                                                                             Auf einen Blick
                                    In Berlin-Wedding leben aktuell rund 68 Prozent
                                der Jugendlichen in Hartz-IV-Haushalten. Ihr Bil-            Warum „Quinoa“? Quinoa ist ein Korn, das aus Südame-
                                dungserfolg hängt allzu oft von ihrer sozialen Her-          rika stammt. Energiereich und widerstandsfähig besitzt
                                                                                             diese bei uns verkannte Pflanze das Potenzial, den Hun-
                                kunft ab. Deshalb haben wir in diesem Stadtteil die
                                                                                             ger in der Welt zu bekämpfen. Diese Eigenschaften sehen
                                              Quinoa-Schule eröffnet.
                                                                                             wir auch in unseren Jugendlichen: Widerstandsfähigkeit
                                                  Wir setzen auf Vielfalt: 18 unserer        und ein enormes Potenzial. Was sie brauchen, ist eine
                                              26 Schülerinnen und Schüler sprechen           Schule, die das Aufgehen der Saat ermöglicht.
                                              zu Hause noch eine andere Sprache als
                                              Deutsch. 22 Schüler sind lernmittelbe-         Zentrale Merkmale des Quinoa-Schulkonzeptes
                                              freit, ihre Eltern erhalten Unterstützung      »» Jeder Schüler wird durch Tutoren sowohl während der
                                              vom Jobcenter. In vielen Familien ist das         Schulzeit als auch durch Mentoren über die Schul-
                                                                                                zeit hinaus bis zum erfolgreichen Abschluss der Aus-
                                              Geld knapp. Die Schule bildet somit die
                                                                                                bildung oder der Hochschulzugangsberechtigung be-
                                              Sozialstruktur des Wedding ab. Und ge-
                                                                                                gleitet.
                                              nau hier sehen wir enormes Potenzial,          »» Im Schulfach „Zukunft“ werden Talente entdeckt und
                                              das es zu fördern gilt. Wir wollen alle un-       zur überzeugten „Berufung“ weiterentwickelt. Dies
                                              sere Schülerinnen und Schüler zur mittle-         schließt Praktika und Betriebsbesichtigungen ab
Klara Sucher                                  ren Reife begleiten – und danach weiter           ­Klasse 7 ein.
leitet die Bereiche Kommunikation &                                                          »» Im „Interkulturellen Lernen“ haben die Jugendlichen
Personal der Quinoa-Schule.
                                              bis zum Abitur oder einer abgeschlosse-
                                              nen Ausbildung.                                    Raum, in einem multikulturellen Umfeld ihre individu-
Weitere Informationen                                                                            elle kulturelle Identität zu entwickeln und bereichernd
klara.sucher@quinoa-bildung.de
www.quinoa-bildung.de                                                                            in die Gesellschaft einzubringen.
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken                                                                                                  19

                                           triert, die das anders sahen.“ Zu diesen gehörte auch    kunftsperspektiven und ermöglicht ihnen
                                           die Vodafone Stiftung Deutschland. Der Geschäfts-        somit ein selbstbestimmtes Leben“, be-
                                           führer der Vodafone Stiftung Deutschland, Dr. Mark       kräftigt Dr. Mark Speich und motiviert das
                                           Speich, hatte den Mut, unserer Idee zu vertrauen. Mit    Team von Quinoa, die nächsten Schritte
                                           ihrer substanziellen Anschubfinanzierung folgte die      anzugehen und mit Energie in das neue
                                           Vodafone Stiftung Deutschland ihrem Ziel „Erkennen.      Schuljahr zu starten.
                                           Fördern. Bewegen“ und hat die Gründung einer chan-           Noch ist viel zu tun. Mit dem Umzug in
                                           cengerechten Schule mit ermöglicht.                      ein größeres Schulgebäude und durch die
                                                                                                    Aufnahme einer weiteren Klasse erwei-
                                           Den Beziehungsaufbau zwischen Familien und Lehr-         tern sich die Chancen und Möglichkeiten
                                           kräften ermöglichen                                      für unsere junge Schule. Allerdings fehlt
                                           Es fing an mit persönlichen Erfahrungen und einer Vi-    Quinoa noch die Sicherheit einer langfris-   Lennart Scholz
                                                                                                                                                 ist Mitarbeiter an der Quinoa-Schule im
                                           sion. Die beiden Gründer Stefan Döring und Dr. Fio-      tigen Finanzierung. Das fordert uns he-      Bereich Kommunikation & Fundraising.
                                           na Brunk unterrichteten gemeinsam als Teach First        raus, neue Partner und Unterstützer für
                                           Deutschland-Fellows an einer Weddinger Oberschule.       unsere chancengerechte Schule zu gewin-
                                           Dort haben sie die Jugendlichen von zwei Seiten ken-     nen. Denn eines hat unser bisheriger Weg
                                           nengelernt: im Vormittagsunterricht unmotiviert und      gezeigt: Hervorragende und gerechte Bil-
                                           ohne Teamgeist, nachmittags bei den freien Projek-       dung gelingt nur gemeinsam. « « «
                                           ten voller Enthusiasmus und Gemeinschaftssinn. Aus
                                           diesem Widerspruch entwickelten sie das Konzept der
                                           Quinoa-Schule mit dem Anspruch, das Potenzial der
                                           Jugendlichen bestmöglich zu fördern.
                                               Die Quinoa-Schule begleitet Jugendliche mit viel-
                                           fältigen Startbedingungen, damit sie zu Akteuren
                                           heran­wachsen, die ihr privates und berufliches Leben
                                           selbstbestimmt gestalten und verantwortungsbewusst
                                           am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Im Zentrum
                                           des Schulprogramms steht die individuelle Förderung.
                                           Alle Schülerinnnen und Schüler werden von einem
                                           persönlichen Tutor begleitet. Jede Woche treffen sie
                                           sich für eine halbe Stunde, besprechen erreichte Ziele
                                           und legen neue Ziele gemeinsam fest. Zudem haben
                                           wir uns für einen gebundenen Ganztagsbetrieb ent-
                                           schieden, der uns den wichtigen Beziehungsaufbau
                                           zwischen Schülerschaft, Familien und dem pädagogi-
                                           schen Team ermöglicht.

                                           Finanzierung nur vorübergehend gesichert
                                           Finanziert wird die Schule durch staatliche Zuschüs-
                                           se und durch die Unterstützung von Privatpersonen,
                                           Unternehmen und Stiftungen. Die Vodafone Stiftung
Fotos: Martin Arning (Sucher und Scholz)

                                           nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein und steht Quinoa
                                           als Partner zur Seite: „Mit Quinoa unterstützen wir
                                           ein innovatives Sozialunternehmen, das sich für Bil-
                                           dungsgerechtigkeit in Deutschland starkmacht. Die
                                           Quinoa-Schule berücksichtigt individuelle Bedürfnisse
                                           und Fähigkeiten von Jugendlichen aus sozial benach-
                                           teiligten Milieus. Sie zeigt jungen Talenten neue Zu-
20StiftungsWelt 03-2015

                               Stellung halten
                               Wider dem demografischen Wandel unterstützt die Evangelische Schulstiftung
                               die Gründung von Schulen in bevölkerungsarmen Regionen

                               von Dr. Annerose Fromke                                     chen und den Schulalltag zu vermenschlichen, hingegen
                                                                                           blieben tiefgreifende Strukturveränderungen die Aus-
                               » » » Die Evangelische Schulstiftung in der Evangeli-       nahme. Basisdemokratische Gründungsprozesse führen
                               schen Kirche in Deutschland (ESS EKD) wurde vor 21 Jah-     nicht selten zu einem gemäßigten Konsens, der hinter
                               ren gegründet, um basisdemokratische Schulgrün-             den ursprünglichen Visionen zurückbleibt. Die unter-
                               dungsinitiativen aufzufangen und zu fördern. Eines der      schiedlichen Perspektiven von Pädagogen, Trägern, El-
                               Hauptziele war, die regionale Selbstregulation zu stär-     tern und Gründungsinitiativen treten nur partiell in eine
                               ken und die Expertise vor Ort gewinnbringend zu nutzen.     fruchtbare Übereinstimmung. Ein weiteres wesentliches
                                   Die Evangelische Schulstiftung begleitet und fördert    Hemmnis ist, dass öffentliche Schulen in privater Träger-
                               seitdem verschiedene Initiativen, die sich aus Akteu-       schaft in der Zeit des Aufbaus durch den gegenwärtigen
                               ren der Elternschaft, der Kirchengemeinden und Kom-         Rechtsrahmen in arge Finanznöte gedrängt werden, die
                               munen zusammensetzen. Die Vision, Schule nicht nur          ein pädagogisches Minimalprogramm zur Folge haben.
                               neu zu schaffen, sondern auch neu zu denken, war der           „Schule neu denken“ muss finanziert werden. Wer
                               entscheidende Impuls. So trug die Schulstiftung dazu        aufwächst, benötigt Luft. Diese bittere Engführung
                               bei, dass 137 visionsträchtige Konzepte in real existie-    wird in vielen Regionen durch den demografischen
                               rende Schule überführt werden konnten. Die Vorgaben         Wandel zusätzlich verschärft. Es mangelt nicht an Ge-
                               der Stiftung blieben dabei minimal: regionale Kompe-        danken und Visionen, es mangelt an Zeit, Entlastung
                               tenzen, Netzwerke und Ressourcen sollten maximal            und Beistand,

                                                                                                              »»
                               ausgeschöpft werden. Dieser Ansatz erwies sich als          um Visionen
Dr. Annerose Fromke            überaus erfolgreich. Evangelische Schulen sind indivi-      auszuprobieren             „Schule neu denken“
leitet seit 2013 als
Geschäftsführerin die
                               duell profiliert und zeichnen sich durch regionale Spe-     und in nachhal-             muss finanziert werden.
Evangelische Schulstiftung     zifika aus, die in vielen Fällen eine feste Verankerung     tige Prozesse
in der Evangelischen Kirche
Deutschland (EKD). Die         im Gemeinwesen ermöglichen. Einzelne Schulen, wie           zu überführen.
Evangelische Schulstiftung     die Evangelische Schule Berlin Zentrum (www.ev-schu-        Trotz dieser Einschränkungen hält die Evangelische
stützt und fördert bundes-
weit über 1.100 evangelische   le-zentrum.de) oder das Futurum Mylau (www.mylau.           Schulstiftung auch in der Gegenwart an der Fördersäu-
Schulen in Prozessen der       de) entwickelten sich zu pädagogischen Pilgerstätten.       le Neugründungen fest. In Anlehnung an den großen
Schulentwicklung und des
Schulaufbaus.                                                                              Reformpädagogen Johann Amos Comenius gilt für uns
                               Tiefgreifende Strukturveränderungen kaum möglich            weiterhin: „Vom Grunde auf wachsen lassen“ – als
                                                                                                                                                       Foto: privat (Fromke)

Weitere Informationen
annerose.fromke@ekd.de         Bei genauerem Hinsehen blieben jedoch die Körner            Quell pädagogischer Innovationen und Denklinien und
www.evangelische-
schulstiftung.de               der großen Ernte relativ klein. Es gelang zwar, tradierte   als Ausdruck demokratischer Beteiligungs- und Ge-
                               Schulstrukturen durch Öffnungsprozesse zu durchbre-         staltungsprozesse. « « «
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken                                                                                                 21

                                          Freie Fahrt für digitale Medien
                                          Mit ihrem Medienportal eröffnet die Siemens Stiftung weltweit den kostenfreien Zugang
                                          zu digitalen Lehr- und Lernmedien

                                          von Maria Schumm-Tschauder                                  Resources, kurz OER. Die Siemens Stiftung unterstützt
                                                                                                      den OER-Gedanken und hat zahlreiche Materialien aus
                                          » » » In der Öffentlichkeit wird sie noch lebhaft ge-       dem Medienportal bereits unter der offenen Lizenz
                                          führt, die Debatte um die Vor- und Nachteile von „digi-     von Creative Commons eingestellt.
                                          taler Bildung“. Dabei haben digitale Lehr- und Lern-
                                          medien schon längst Einzug in den Schulalltag gefun-        Offenheit macht Schule
                                          den. Stiftungen engagieren sich hier als Partner – sie      Der Fortschritt: Im Unterschied zu herkömmlichen Me-
                                          verbreiten die Thematik und leisten Aufklärungsarbeit,      dienangeboten können Lehrkräfte die OER nicht nur
                                          ohne kommerzielle Interessen zu verfolgen. Auf dieser       herunterladen, sondern gemeinsam weiterentwickeln,
                                          Grundlage ergeben sich neue Herausforderungen, um           aktualisieren und untereinander austauschen – nicht
                                          den gesellschaftlichen Entwicklungen und ihrer Ab-          nur innerhalb ihrer Institution, sondern auch im Netz.
                                          bildung im Unterricht gerecht zu werden. So bedeutet        Das Lernen wird so zu einem Prozess von Zusammen-
                                          „Schule neu denken“ auch das kontinuierliche Befas-         arbeit und Austausch. Da sich die Materialien flexi-
                                          sen mit der Frage, ob die herkömmlichen Medien und          bel und variabel an die schulischen Gegebenheiten
                                          insbesondere die Art und Weise ihrer Bereitstellung         anpassen lassen, bewähren sie sich auch bei einem
                                          noch dem modernen Verständnis vom Lehren und Ler-           inklusiven Unterricht: Lehrkräfte können jeden Lernen-
                                          nen entsprechen.                                            den individuell gemäß seinen Fähigkeiten fördern.
                                                                                                         Die Siemens Stiftung will mit ihrem Einsatz für OER    Maria Schumm-Tschauder
                                                                                                                                                                leitet den Bereich
                                          Spannende und zukunftsorientierte Lerninhalte               nicht nur Impulsgeber für die Schulen der Zukunft sein,   Naturwissenschaftlich-tech-
                                          Die Siemens Stiftung blickt mit ihrem „Medienportal“,       sondern auch Kindern und Jugendlichen in Schwellen-       nische Bildung der Siemens
                                                                                                                                                                Stiftung und verantwortet
                                          das Bestandteil ihres internationalen Bildungspro-          und Entwicklungsländern dadurch bessere Bildungs-         u.a. das Medienportal.
                                          gramms Experimento ist, auf eine rund sechsjährige          und Berufschancen ermöglichen. Sie möchte so dazu         Weitere Informationen
                                          Entwicklungsarbeit im Bereich digitaler Medien zurück.      beitragen, dass das Ziel Bildung für alle umgesetzt       maria.schumm-tschauder@
                                                                                                                                                                siemens-stiftung.org
                                          Im Vordergrund steht die Vermittlung von Verständnis        wird. Voraussetzung hierfür ist eine transparente und     https://medienportal.
                                          und Begeisterung für Naturwissenschaften und Tech-          lückenlose Rechtepolitik, die die Erstellung von Medi-    siemens-stiftung.org
                                          nik. Derzeit setzen mehr als 30.000 pädagogische            en unter offener Lizenz erst ermöglicht. « « «
                                          Fachkräfte aus über 100 Ländern auf die rund 5.500
                                          qualitativ hochwertigen Lehr- und Lernmaterialien, die
                                          das Medienportal bereitstellt. Sie sind am Lehrplan
                                          orientiert und fördern einen handlungs- und kompe-
                                          tenzorientierten Unterricht.
                                              Die nächste Entwicklungsphase ist schon eingelei-
                                          tet: Unterlagen die Medien bisher besonderen Nut-
                                          zungsbedingungen, die eine Vervielfältigung und Ver-
Foto: Fabian Helmich (Schumm-Tschauder)

                                          änderbarkeit durch den Benutzer einschränkten, än-
                                          dert sich das mit der Bereitstellung von offen lizenzier-
                                          ten Lehr- und Lernmaterialien. Die Lizenzen, mit denen
                                          der Rechteinhaber anderen Interessenten Nutzungs-
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                                          mons, einer gemeinnützigen Organisation, entwickelt.
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