STIFTUNGSWELT - BUNDESVERBAND DEUTSCHER STIFTUNGEN
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StiftungsWelt das magazin des bundesverbandes deutscher stiftungen 03-2015 ISSN 1863-138X · 15,90 Euro STUDIE Weniger Erträge, mehr Kooperationen? 38 FÜHRUNGSKRÄFTE Zwischen Ehrenamt und Spitzengehalt 40 Schule neu denken INTERNATIONALES Zivilgesellschaft unter Druck 42 Stiftungen setzen Zeichen FLÜCHTLINGE Hamburg zeigt sein menschliches Gesicht 44 SOFTWARE Open Source für Stiftungen 74
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StiftungsWelt 03-2015 » » » Stiftungen 3 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, kaum eine Institution kann auf eine so lange Tradition zurückblicken wie die Schule. Seit den Anfängen eines öffentlichen Unterrichtswesens in der griechischen Antike bis zu den hoch entwickelten Bildungssystemen moderner Industriegesellschaften hat sie sich ständig gewandelt. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung war die Schulkritik, die ebenfalls bereits in vorchristlichen Jahrhunderten begann und die seither immer wieder Schulreformen mit auslöste, die wiederum zu neuerlicher Kritik führten – mit der Folge neuer Reformvorschläge. Die Reform des Schulsystems und der Pädagogik war eine der Haupt fragen der Aufklärung. In diese Zeit fällt auch die institutionalisierte Er- probung neuer Unterrichtsmethoden. Dass man Reformen zunächst in Experimentalschulen testen sollte, bevor man staatliche „Normalschulen“ entsprechend (um-)gestaltet, forderte schon Immanuel Kant. Mit dem Aufstreben des Bürgertums und der Entwicklung eines bürgerlich geprägten Stiftungswesens nahm auch die Bedeutung der Stiftungen vor allem für die Errichtung und den Betrieb nicht staatlicher Schulen sukzessive zu. Indes gehen heute die Aufgaben, die Stiftungen im Zusammenhang mit Schule fördern, weit darüber hinaus und sind sehr vielfältig. Ein aktueller Trend scheint mir zu sein, dass die »» staatliche Schule von den nicht staatlichen Stiftungen wie- der mehr wertgeschätzt wird. Interessante Beispiele liefert dieses Heft. Und stetig steigt, nicht zuletzt im Zusammen- Wechsel des hang mit dem Wachstum des Stiftungssektors, die Zahl der Generalsekretärs: Stiftungen, die sich in Sachen Schule engagieren. Abschied von Zum Wachstum und zur Stärkung des Stiftungssektors Hans Fleisch sowie zu gutem Stiftungswirken beizutragen sind Kernauf- gaben des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Seit fast elf Jahren führe ich seine Geschäfte. Zum Jahresende 2015 werde ich aus dieser Funktion ausscheiden, um mich im nächsten Jahrzehnt meines Prof. Dr. Hans Fleisch Lebens wieder einer neuen Aufgabe – in der Geschäftsführung einer ist Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftung – zu widmen. Bis zum Jahresende ist es noch eine Weile hin. Stiftungen. 2016 wird er Aber schon heute kann ich sagen: Die letzten elf Jahre haben mir mehr nach elfjähriger Tätigkeit in dieser Funktion in die Lernerlebnisse und deutlich mehr Freude bereitet als meine Schulzeit. Leitung einer Stiftung Foto: David Ausserhofer wechseln (siehe S. 54). Dankbar und herzlich grüßt Sie Ihr
«Eigentlich ist das ein Risiko, das ich alleine gar nicht nehmen möchte. Muss ich aber.» Lassen Sie uns darüber reden
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken 5 inhalt 03-2015 StiftungSwelt digital leSen www.stiftungen.org/digital SchwerPunkt: Schule neu denken In Kürze bei: 10 �����Wagen wir es, Schule neu zu denken! Schule ist der Ort, an dem sich die Zukunft entscheidet. Was ist zu tun, um dieser Bedeutung gerecht zu werden? » » » Sabine Süß 14 �����„Neu aushandeln, welche Art von Wissen Schule vermitteln soll“ Interview mit dem Bildungsexperten Dr. Ekkehard Winter » » » Veronika Renkes 16 �����Stiftungsauftrag „Menschen stärken“ Der Bildungscampus der Hoffbauer-Stiftung » » » Markus Althoff 18 �����Die Saat geht auf Start der freien Quinoa-Schule » » » Klara Sucher und Lennart Scholz 20 �����Stellung halten Schulen in bevölkerungsarmen Regionen » » » Dr. Annerose Fromke 21 �����Freie Fahrt für digitale Medien Unter offener Lizenz » » » Maria Schumm-Tschauder 22 �����Gute Schule ist machbar Gelenkstelle für Reformen » » » Catrin Boldebuck 24 �����Gemeinsam Anstöße entwickeln Schulleitungen stärken » » » Ina Lauterbach 25 �����Schulterschluss für gute Schularbeit » » » Dr. Tobias Ernst und Anna-Lena Winkler 26 �����Technik zum Anfassen Junior-Ingenieur-Akademie » » » Marion Ayasse 28 �����Begabungen finden und fördern Karg Campus Bremen » » » Dr. Ingmar Ahl titelBild Die Bilder im Schwerpunkt 29 �����„Das will ich! Das kann ich! Das gibt es!“ Studien- und Berufsorientierung » » » Meike Ullrich dieser Ausgabe (S. 10–37) stammen von David Ausser- hofer. Entstanden sind sie 30 �����Schaufenster Ausgezeichnete Schulen 32 _____Schaufenster Vorbildhafte Projekte kurz vor den Sommerferien in der Evangelischen Grund- schule Kleinmachnow. 36 �����Service Publikationen, Links und weitere Infos zum Schwerpunkt Mehr Infos: Seite 37.
Gemeinsam Richtung Zukunft. Die Herausforderungen und Fragestellungen für ein nachhaltiges Stiftungsmanagement sind vielfältig. Genauso vielfältig wie die Stiftungslandschaft selbst. Unser ganzheitlicher, prozessorientierter Beratungsansatz bietet Ihnen die jeweils passende Antwort. Gern unterstützen wir Sie mit nachhaltigen und wegweisenden Lösungen. Sprechen Sie uns an. Ihr Ansprechpartner Sascha Voigt de Oliveira T +49 30 2068-4466 svoigtdeoliveira@kpmg.com www.kpmg.de/stiftungen © 2015 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten.
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken 7 inhalt 03-2015 Aktionslogo für Stiftungen zum Down- 44 » » » kooperation von Hamburger Stiftungen: wie Der 48 » » » Wildnis stiften: load: www.stiftungen.org/aktionslogo Fonds „Flüchtlinge & Ehrenamt“ unbürokratisch hilft Ein Wettlauf mit der Zeit stiftungen a 38 �����Weniger Erträge, mehr Kooperationen? » » » Dr. Antje Bischoff und Sandra Hagedorn a 40 �����Zwischen Ehrenamt und Spitzengehalt » » » Prof. Dr. Berit Sandberg a 42 �����Zivilgesellschaft unter Druck » » » Barbara Unmüßig a 44 �����„Hamburg zeigt sein menschliches Gesicht“ » » » Johanna von Hammerstein 46 �����Zeit der Bürgerstiftungen » » » Ulrike Reichart 48 �����Wildnis stiften » » » Anika Niebrügge 50 �����Handicap mit Todesfolge » » » Klaus Merhof 52 �����Nachgefragt: Peter Krämer 54 �����Personalia 57 _____Neuerrichtungen 58 �����Preisverleihungen 60 _____Jubiläen 63 _____Mosaik Interna 64 �����StiftungsWelt: Neuer Chefredakteur » » » Timon Kronenberg 66 �����Neue Mitglieder stellen sich vor 68 �����Die Premiumpartner des Bundesverbandes Service Fotos: Andreas Bock (Flüchtlinge); Wolfgang Kruck / fotolia.com (Feldhase) 70 �����Gute Stiftungsführung: Serie Foundation Governance (Teil 3) » » » Holger Schumacher, Mathias Wendt und Michael Plazek a 74 �����Open Source für Stiftungen » » » Florian Effenberger und Michael Schinagl 76 �����Aktuelle Verfügungen und Urteile » » » Kathrin Wrede 79 �����Neuerscheinungen 3 ������Editorial 8 _____Panorama 81 �����Impressum 81 _____In eigener Sache 82 �����Unterfördert: Entkoppelte Jugendliche » » » Sebastian Gallander a Titelthema
8 StiftungsWelt 03-2015 Panorama Foto: M. Paul Schimweg (Wickert) Lese- und Schreibfähigkeit von Mäd- presseschau chen und Jungen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2011 unter dem Dach des Plan „Trotz des Zinstiefs und Unwägbarkeiten et- Stiftungszentrums setzt sich die Ul- wa wegen der Griechenland-Krise haben Stif- rich Wickert Stiftung für Kinderrech- tungen in Deutschland nicht an Attraktivität te ein und vergibt jährlich einen Jour- verloren. ‚Das aktuelle Zinstief hält die Leu- nalistenpreis, der die besten Berichte te nicht vom Stiften ab‘, sagte der Generalse- und Reportagen kretär des Bundesverbandes Deutscher Stif- zu diesem The- anstifter tungen, Hans Fleisch. Bundesweit würden ma würdigt. Für sein Engagement hat täglich zwei neue Stiftungen geschaffen.“ Wickert am 4. September von der Karl „Täglich zwei neue Stiftungen in Deutschland“, Kübel Stiftung für Kind und Familie Märkische Allgemeine, 07.07.2015 den Karl Kübel Preis erhalten. Die Auszeichnung, die zum 16. Mal ver- „Die Mehrzahl der Stiftungen will ihr Engage- liehen wurde, ist mit 25.000 Euro do- ment trotz der anhaltend niedrigen Zinsen tiert. Sie ehrt in diesem Jahr erstmals nicht zurückfahren. Zwar werde es immer Stiftung ehrt Stifter eine Einzelperson für ihr Engagement schwieriger, genügend Erträge aus dem Stif- Seit dem verheerenden Erdbeben En- für Kinder und Familien. Das Preisgeld tungskapital zu erwirtschaften, an ‚Ausga- de April in Nepal ist der Himalaya-Staat wird vollständig in den Grundstock der ben für den guten Zweck‘ solle aber nicht mehr denn je auf Hilfe angewiesen. Be- Ulrich Wickert Stiftung fließen und so gespart werden, teilte der Bundesverband reits seit mehreren Jahren engagiert weiter dafür wirken, die Rechte von Deutscher Stiftungen […] in Berlin mit. Knapp sich der ehemalige Tagesthemen-Mo- Mädchen und Jungen zu stärken. Sz 60 Prozent der befragten Stiftungen planten, derator Ulrich Wickert mit seiner Stif- www.ulrich-wickert-stiftung.de die Ausgaben auch künftig konstant zu hal- tung für das Land. Im Norden Nepals www.kkstiftung.de ten. Ein weiteres Viertel wolle die Ausga- unterstützt er ein Projekt zur besseren ben sogar steigern. […] Die Rendite aller be- fragten Stiftungen habe 2014 im Mittel bei mehr als 310.000 Euro verdoppelt. Die 3,3 Prozent gelegen (Medianwert).“ Zustiftung ist ein Teil seines Erlöses „Trotz Niedrigzins: Stiftungen wollen Ausgaben aus dem Verkauf der Bergener Stadt- konstant halten“, dpa-Basisdienst, 15.07.2015 passage. „Ich habe in meiner wunder- vollen Heimatstadt viel Geld verdient „Der Bundesverband Deutscher Stiftungen und möchte ihr nun auf diesem Wege rät dazu, das Kapital angesichts der niedri- etwas zurück- gen Zinsen auch in Aktien und Immobilien geben“, sagte zustifter anzulegen. ‚Die großen Stiftungen machen Ernst der Celleschen Zeitung. Am das und fahren überwiegend gut damit‘, sagt 10. September verstarb er im Alter von Hans Fleisch, Generalsekretär des Verbandes. 84 Jahren. Mit den Erträgen aus dem Manche steigern ihren Aktienanteil auf bis zu „Günter Ernst Stiftungsfonds der Bür- 25 Prozent, andere auf 30 oder 45 Prozent. ‚In Verdopplung der gerstiftung Region Bergen“ sollen u.a. den vergangenen Jahren gab es enorme Um- Möglichkeiten neue Projekte in den Bereichen Seni- schichtungen.‘ Demnächst enden Anleihen Aus Liebe zu seiner Heimatstadt Ber- oren, Jugend und Integration angesto- aus besseren Zinszeiten; mit dem Geld dar- gen hat Günther Ernst der Bürgerstif- ßen werden. Die Bürgerstiftung Regi- aus werden die Stiftungen noch mehr auf Ak- tung Region Bergen im Landkreis Cel- on Bergen zeigte sich sehr erfreut über tien und auch auf Immobilien setzen.“ le 150.000 Euro zugestiftet. Damit hat die außergewöhnlich hohe Zustiftung „Stiftungen brauchen mehr Aktien“, sich das Vermögen der 2007 gegrün- – und hofft nun auf Nachahmer.Kro Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.2015 deten Gütesiegel-Bürgerstiftung auf www.buergerstiftung-bergen.de
StiftungsWelt 03-2015 9 Comics: © DISNEY » » » Von der BMX-Crossrennbahn bis zum Sinnesgarten: Schulhöfe müssen keine Be- tonwüste sein! Das beweisen zehn Sieger- schulen, die den Wettbewerb „Schulhof der Zukunft“ gewonnen haben und mit je 2.000 Euro prämiert wurden. Der Wettbewerb ist ei- ne Initiative der Stiftung „Lebendige Stadt“ und der Deutschen Umwelthilfe. Die ticker inspirierenden Lebens- und Lernräume sind eine stiftung fÜr entenHausen zu finden unter www.deinschulhof.de. +++ Der große Erfolg des Micky-Maus-Magazins (Egmont Ehapa Media) in Deutsch- 4 Millionen Euro zu vergeben: Google und land ist zu großen Teilen dem sprachlichen Genie von Dr. Erika Fuchs (1906 betterplace.org haben am 22. September –2005) zu verdanken. 30 Jahre lang übersetzte sie Disneys Geschichten aus En- die „Google Impact Challenge“ gestartet. Bei tenhausen. Ihre Wortschöpfungen, Sprachspielereien und das Einstreuen klas- dieser Mischung aus Förderwettbewerb und sischer Zitate prägten nachhaltig die deutsche Sprache. Fuchs herausragende Trainingsprogramm können sich gemeinnüt- Übersetzungen trugen wesentlich dazu bei, dass sich Comics auch hierzulan- zige Organisationen mit ihren innovativen de zu einer lebendigen Kunstform entwickelten. Dagobert als würdiger alter Herr oder digitalen Projektideen bewerben. Den spricht stets grammatisch korrekt und weiß jeden Genitiv und Konjunktiv zu set- zehn Bundessiegern winken Preisgelder von zen. Donald schwankt zwischen übertrieben poetischen Phrasen und Wutausbrü- je 250.000 Euro. Daneben werden 100 lokale chen, während die Panzerknacker einen Ganovenjargon mit berlinerischem Ein- Gewinner mit je 10.000 Euro prämiert. Frist: schlag haben. Tick, Trick und Track verwenden eine flotte Jugendsprache. Beson- 18. Oktober. Infos: g.co/EureIdee +++ Mittel ders berühmt wurde ihr Stilmittel des Inflektivs – auch „Erikativ“ genannt –, der für Flüchtlingsinitiative „1:0 für ein Willkom- heute zur Alltagssprache gehört: grübel, grübel und men“ der DFB-Stiftung Egidius Braun aufge- ausgefallen studier. Um ihre Leistungen für die Comic-Kultur zu stockt: Dank Zuschüssen der Europäischen würdigen, wurde 2007 die Dr.-Erika-Fuchs-Stiftung gegründet. Sie unterstützt das Fußball-Union (UEFA) und der Bundesregie- am 1. August 2015 eröffnete „Erika-Fuchs-Haus | Museum für Comic und Sprach- rung stehen der Initiative inzwischen 700.000 kunst“ in Schwarzenbach a.d.Saale – das bundesweit erste Comicmuseum. Euro zur Verfügung. In den letzten Monaten dr. aleXandra hentschel haben bereits über 600 Fußballvereine eine www.erika-fuchs.de Unterstützung für ihr Flüchtlingsengagement erhalten. +++ Wissenschaftspreise für Grund- 50 lagenforscher: Die Schering Stiftung hat den Chemiker Prof. Dr. David W.C. MacMillan mit dem Ernst Schering Preis 2015 und die Mole- kularbiologin Dr. Nina Henriette Uhlenhaut Für zivilgesellschaftliche Organisationen ment. Die wichtigsten Themen in den mit dem Friedmund Neumann Preis 2015 aus- in bundesweit 50 Kommunen fiel am 4. Kommunen sind derzeit Flüchtlinge und gezeichnet. +++ Für ihre herausragenden Ar- September der Startschuss für das Netz- der demografische Wandel. Das neue beiten im Bereich Ernährungssicherung hat werkprogramm „Engagierte Stadt“. Eine Programm ist eine gemeinsame Initiati- die Stiftung fiat panis Ramona Molitor, Do- Förderung von mehr als 3 Millionen Euro ve der Bertelsmann Stiftung, der BMW minic Meise und Sarah Fischer am 16. Sep- soll dazu beitragen, bürgerschaftliches Stiftung Herbert Quandt, des Generali tember mit dem Hans H. Ruthenberg-Gradu- Engagement auf lokaler Ebene zu stär- Zukunftsfonds, der Herbert Quandt-Stif- ierten-Förderpreis 2015 geehrt. sz/kro ken. Im Fokus stehen nicht einzelne Pro- tung, der Körber-Stiftung, der Robert jekte, sondern die Kooperation von Zivil- Bosch Stiftung und des Bundesministe- gesellschaft, Kommunalpolitik und Wirt- riums für Familie, Senioren, Frauen und Folgen Sie unseren tagesaktuellen schaft. Das Ziel: eine flächendeckende, Jugend. kro Neuigkeiten rund um das Stiftungswesen dauerhafte Infrastruktur für das Engage- www.engagiertestadt.de unter twitter.com/stiftungstweet!
10 StiftungsWelt 03-2015 Wagen wir es, Schule neu zu denken! Schule ist der Ort, an dem sich die Zukunft des Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen maßgeblich entscheidet. Was ist zu tun, um dieser Bedeutung gerecht zu werden? von sabine süss Bildung viel mehr ist als Schule, so spielt sie doch ei- ne wesentliche Rolle in jeder individuellen Bildungs- biografie. Eine zeitgemäße und zukunftsweisende Schule » » » Es gibt keinen heranwachsenden oder erwach- sollte, wie eigentlich schon immer, verschiedene Rol- senen Menschen, bei dem der Begriff Schule nicht so- len erfüllen. Die Kunst besteht darin, die einzelnen fort ein Kaleidoskop an Assoziationen weckt: Der Ort, Rollen mit ihren Wirkungsfaktoren zu kennen, diese an dem das meiste geregelt ist, ein Begegnungsort, nach dem jeweiligen Bedarf zu gewichten und steu- eine pädagogische Lehranstalt. Zur Schule gehen ist ernd einzusetzen. Dafür ist es erforderlich, die Asso- eine Phase in jeder Lernbiografie, der man nicht ent- ziationen nach Anforderungen zu sortieren, um einer kommen kann. Es ist aber auch ein Lebensabschnitt, sich stark verändernden Gesellschaft auch in puncto der uns unendliche Möglichkeiten, Welten und einen Bildung und der Komplexität von Schulen gerecht zu Wissenskosmos öffnet. Schule prägt uns. Auch wenn werden.
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken 11 Schule als Raum des Wissens, Erkennens, Erlebens tungen, die passgenaue Projektangebote für Schulen Mit dem Recht auf Bildung und der Schulpflicht für je- entwickeln und umsetzen. den geht einher, die Neugierde zu fördern. Dazu ge- hört, dass man Kinder, Jugendliche und junge Erwach- Schule als Lernort sene mit ihren Talenten ernst nimmt und entsprechen- Damit Schule ein Ort ist, an dem sich möglichst viele de Wissens- und Lernangebote entwickelt. Stiftun- Menschen gerne aufhalten, sollte bei gen unterstützen diese Angebotsvielfalt mannigfach: der räumlichen Gestaltung und Umge- durch Qualifizierung des Lehrpersonals, gezielte the- bung die Bandbreite der Bedürfnisse matische Angebote, persönliche Unterstützung und aller potenziellen Nutzer berücksichtigt vieles mehr. Wie diese Angebote in den Regelunter- werden. Dabei geht es auch darum, eine richt gewinnbringend und verbindlich integriert wer- mögliche Nutzungsvielfalt der Räume im den, muss jede Schule individuell erarbeiten. Für die Blick zu haben, wie sie sich durch Integ- Verschränkung der curricularen Lehrinhalte mit zusätz- ration und Inklusion oder durch Öffnung lichen aktuellen oder bedarfsorientierten externen An- in die Nachbarschaft mit einer gemisch- geboten – wie etwa die digitale Bildung und MINT-För- ten Nutzung für alle Altersgruppen und derung – müssen Formen und Wege der Zusammen- Zielrichtungen ergibt. arbeit entwickelt und erprobt werden. Nicht jede Schu- Es gibt spannende Modelle, die die le ist für Stiftungsprojekte geeignet und nicht jede Modellierungsfähigkeit der Lernräume saBine sÜss leitet die Koordinierungsstelle im Schulleitung hat die Kapazität, sich mit den Angebo- als wesentlich für eine adäquate Lernum- neuen Netzwerk Stiftungen und Bildung im ten auseinanderzusetzen. Dennoch gibt es gute Bei- gebung betrachten und wo die Ausge- Bundesverband Deutscher Stiftungen (siehe StiftungsWelt 02-2015, S.64f.). Zuvor war sie spiele für eine beide Seiten zufriedenstellende berei- staltung der Räume auch gemeinsam mit in derselben Funktion für den Stiftungsver- Foto: Tobias Robischon (Süß) chernde Zusammenarbeit, wie etwa das Engagement Schülern und Lehrern entwickelt wurde. bund Lernen vor Ort tätig, nachdem sie fast sechs Jahre Vorstand der Schader-Stiftung in der Stiftung Haus der kleinen Forscher, die in Kinder- So setzen sich die beiden Montag Stif- Darmstadt war. tagesstätten und Grundschulen das pädagogische tungen „Jugend und Gesellschaft“ so- Weitere Informationen Fach- und Lehrpersonal in Naturwissenschaften, Ma- wie „Urbane Räume“ mit ihrer Forderung sabine.suess@stiftungen.org www.stiftungen.org/netzwerk-stiftungen-bildung thematik und Technik qualifiziert. Oder von Bürgerstif- nach einer „Pädagogischen Architektur“
12StiftungsWelt 03-2015 stark für die Etablierung dieses Ansatzes im Schulbau kräftig unterstützt, bis hin zu individueller Talentförde- ein. Sie haben damit zudem für die Lehre der Architek- rung, die mehr Zeit und Raum braucht, als es in vielen tur neue Maßstäbe gesetzt. Die Software AG – Stiftung Familien überhaupt möglich ist. fördert u.a. Schulbauten, die in einer „Prozessarchitek- Bei der Entwicklung von Ganztagsschulen geht es tur“ nach Nikolaus von Kaisenberg die Entwicklung des auch um das Zusammenspiel unterschiedlicher Akteu- Schulgebäudes dialogisch mit den Nutzern, Bauherren re. Dies sind zum Beispiel die für die Lerninhalte zu- und anderen Akteuren erarbeiten. Nicht zuletzt führt ständigen (Landes-)Schulämter, die Verantwortlichen diese gemeinsame Gestaltung von Nutzern (auch Schü- für die Jugendarbeit in den Kommunen, aber auch die lern) und Entwerfern zu einer hohen Identifikation mit vielen Akteure aus der aktiven Zivilgesellschaft. Hier- dem Ort Schule und damit zu einer gemeinschaftlichen für Strukturen und sinnvolle Verfahren zu entwickeln Sorge und Pflege der Schulumgebung. und zu etablieren, ist im Sinne eines konsistenten Bil- dungsangebots im Lebensraum Schule unverzichtbar. Schule als Lebensraum Im stetigen Ausbau der Schulen zu Ganztagsschulen Schule als sozialer Ankerpunkt für und der Öffnung von Schule auch für andere Zielgrup- gesellschaftliche Entwicklung pen als Schüler steckt eine ganz besondere Heraus- Der gesellschaftliche Wandel zeigt sich in Phänome- forderung für den Raum Schule. Erfahrungs- und Le- nen, die für einen ausdifferenzierten Blick auf die benswelten der gesamten Schülerschaft sollten opti- Schule von heute und die der Zukunft bedeutsam sind. mal ausgestaltet werden können. Dabei kann es um Schule kann und sollte eine wichtige Funktion für eine gemeinsam gekochte und eingenommene Mahlzeiten positive gesellschaftliche Entwicklung übernehmen, gehen, wie es die Sara Wiener Stiftung fördert und tat- indem sie das soziale Miteinander fördert und der steigenden sozialen Ungleichheit aufgrund familiärer Umstände bewusst entgegentritt. In einer guten Schul- gemeinschaft mit reichhaltigen Angeboten, adäqua- ter Ausstattung, mit vielfältig qualifiziertem Personal, einem weiten Blick auf die Möglichkeiten und Talen- te der Schülerschaft, unter Einbeziehung der Familien, lassen sich Aufgaben wie Inklusion, Talentförderung und sozial geprägtes Miteinander lösen. Hier ist die „öffentliche Lehranstalt“ umso mehr auf Unterstützung und Mitarbeit weiter Teile der Zivilgesell- schaft angewiesen. Das Miteinander unterschiedlichs- ter Akteure kann als Demonstration und räumlicher Nukleus für gesellschaftlichen Zusammenhalt gesehen und erlebbar werden und die demokratische Gesin- nung in einer fragmentarisierten Gemeinschaft stärken. An diesem Punkt setzt das Netzwerk Lernen durch En- gagement (www.servicelearning.de) mit unterschiedli- chen Partnern auch aus der Zivilgesellschaft an. Die demografische Entwicklung führt auch zu einer Öffnung der Schule für andere Bevölkerungsgruppen. Sie ist geprägt von einer sich ändernden Zusammenset- zung der Bevölkerung, mit schwindenden Schülerzah- len im Kinder- und Jugendalter, einer gleichzeitig zuneh- menden Anzahl Älterer, einer Verlängerung der Lebens- arbeitszeit, einem erhöhten Weiterbildungsbedarf auf- grund sich wandelnder Berufsbilder und sich ändernder physiologischer Möglichkeiten älterer Beschäftigter.
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken 13 Schule als Motor für Entwicklung im Existenz oder der Mangel an Bildungsstätten, dazu ge- städtischen und ländlichen Raum hören Kindertagesstätten genauso wie Schulen, führen In dem Maße, in dem der urbane Raum durch Arbeits- zu Zuzug oder Wegzug von Gemeindemitgliedern. Mit migration aus dem Inland und Ausland besonders at- persönlichem Einsatz und auch durch Unterstützung von traktiv erscheint und sich Ballungsräume verdichten, Stiftungen lassen sich hier Weichen stellen. Mit Fantasie, entleeren sich ganze Landstriche in Deutschland. Dies Kreativität und Zuversicht können sich gerade in ländli- betrifft den Osten, aber auch ländlich geprägte Gebie- chen Gegenden neue Modelle zukunftsori- te in anderen Bundesländern. Oftmals sind Wachstum entierter Bildungsstätten und Lernorte ent- und Schrumpfung gleichzeitig nebeneinander zu be- obachten. Umso dringender gilt es zu erkennen, wel- che Bedeutung eine für die Nachbarschaft geöffnete Schule als Stabilisator und Anziehungspunkt haben wickeln, nach dem Motto: Not macht erfin- derisch, denn jeder Einzelne zählt. Fazit »» Die Schule der Zukunft ist eine in Bewegung. kann. Dabei ist das Zusammenspiel von räumlicher Und nicht zuletzt: Schule könnte die Ein- Situation mit einem für die Nachbarschaft relevanten heit sein, an der sich ein abgestimmtes Angebot wesentlich. Denn durch ein weitsichtiges so- Vorgehen zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesell- zialraumorientiertes Bildungsmanagement, auf der schaft überzeugend demonstrieren ließe. Basis der Sozialdaten einer Kommune, lässt sich die Die Schule der Zukunft ist eine in Bewegung, die Entwicklung eines Quartiers oder einer Nachbarschaft sich an den Notwendigkeiten und den Möglichkeiten und damit der gesamten Kommune besser steuern vor Ort gezielt orientiert. Schule ist ein Raum, an dem und stabilisieren. Eine gute Nachbarschaft zeichnet die Wurzeln einer entwicklungsfähigen und dennoch sich durch ein verständiges Miteinander aus, durch stabilen Gesellschaft gehegt und gepflegt werden kön- wenig Fluktuation und Akzeptanz aller, die dort leben nen. Dies geht nur im Zusammenwirken aller Akteure (wollen). Die Schule im Quartier kann in Zusammenar- und in Kenntnis der gemeinsamen Ziele, wie dies etwa beit mit allen für die Gemeinschaft relevanten Akteu- der Lübecker Bildungsfonds demonstriert. Dabei soll- ren zu einem solchen Erleben beitragen und im besten ten sich alle Beteiligten als Lernende betrachten, bei Falle sogar Kern dieser Entwicklung sein. Der beson- jeder selbstverständlich scheinenden Handlung, bei ders herausgeforderte Stadtstaat Bremen hat mit die- jedem Projekt und jeder Intervention. sem Ansatz – auch im Rahmen des Programms Ler- Stiftungen sind bereits vielfältig in die Entwicklung nen vor Ort (www.lernen-vor-ort.info) – explizit auf die und in den Wandel der Schule eingebunden. Sie setzen Verbindung von Stadtentwicklung und Bildungspolitik mit ihrem Engagement Impulse, unterstützen Kinder, gesetzt. Bremen hat damit ein Instrument entwickelt, Jugendliche, Eltern und Familien, aber auch hoch moti- das aus Quartieren mit besonderem Handlungsbedarf vierte Schulleitungen und Lehrerschaften, um Schulen stabile Nachbarschaften werden lässt. zu einem Ort zu machen, der voller Freude und Chancen Eine ebenso große Herausforderung ist es für den steckt. Stiftungen bereichern die Lerninhalte mit eige- eher ländlich geprägten Raum, sich wohnortnahe Bil- nen Ideen und klugen Projekten, sie sichern aber auch dungsangebote zu sichern. Auch hier zeigen Modelle, Vorhandenes. Dabei bieten sie sich zunehmend an und die z.B. von der Software AG – Stiftung unterstützt wer- werden eingebunden in Prozesse, die den Lebensraum den, dass Initiativen rund um Schulgründungen oder der Schule wieder an den Platz rücken, wo er auch hinge- Ausbau besonderer Schulen zu einem Motor für Zuzug hört: in die Mitte unserer Gesellschaft. « « « und Stabilisierung bestehender Gemeinschaften in Dör- fern oder kleineren Städten werden können. Denn die
14StiftungsWelt 03-2015 „Neu aushandeln, welche Art von Wissen Schule vermitteln soll“ Interview mit dem Bildungsexperten Dr. Ekkehard Winter Interview: Veronika Renkes der großen Herausforderungen des digitalen Zeital- ters müssen wir neu definieren, was wir darunter ver- stehen und gemeinsam neu aushandeln, welche Art von Wissen vermittelt werden soll. Schule sollte aber StiftungsWelt: Herr Dr. Winter, noch vor ein paar Jah- nicht dazu verführt werden, allzu kurzatmig aktuellen ren lag die Quote der Schüler, die das deutsche Schul- Trends hinterherzulaufen. system ohne Abschluss verließen, bei über 14 Prozent. Heute sind es „nur“ noch 6 Prozent. Können wir also Internationalisierung und Digitalisierung definieren zufrieden sein und Entwarnung geben? unsere Lebens- und Arbeitsformen neu. Müssen nicht Dr. Winter: Diese Quote ist immer noch viel zu hoch. Hin- auch Lehrinhalte und -formen neu gestaltet werden? zu kommt, dass viele Schulabgänger, die einen forma- Natürlich müssen sich Schulen auf diese neue Situa- len Abschluss haben, nicht ausbildungsreif sind, weil tion einstellen und die Chancen nutzen, die die Digi- ihnen zum Beispiel mathematische Grundkompetenzen talisierung bietet. Schon heute sitzen in Deutschland fehlen. Aber auch Abiturienten erwerben häufig nicht in einem Klassenraum viele Schüler mit heterogenen die Befähigung für ein Studium. Das können wir uns Bildungsvoraussetzungen und aus unterschiedlichen nicht leisten, denn unsere Volkswirtschaft braucht gut Kulturen. Der Einsatz digitaler Medien kann hier sehr ausgebildete junge Menschen. Wir haben es hier mit ei- helfen, etwa bei der Diagnose der unterschiedlichen nem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun, das man Bildungsvoraussetzungen und der individuellen Lern- nicht alleine den Schulen überlassen kann. fortschritte der Schüler. An den Hochschulen gibt es hierzu kaum Angebote und die Weiterbildungsangebo- Die Deutsche Telekom Stiftung engagiert sich mit te für Lehrer sind dünn gesät. Stiftungen sind auch in Partnern aus Politik, Wirtschaft und Stiftungswesen diesem Bereich aktiv. Aber den Schulen darf keine Ra- u.a. für eine bessere Lehrerausbildung. Warum? dikalkur verordnet werden, das führt nur zu fundamen- Viele Stiftungen engagieren sich hier, um der Lehreraus- talen Verweigerungen. Sinnvoll sind Maßnahmen, die bildung zu einem angemessenen Status zu verhelfen. an das bestehende System andockfähig sind. Denn sie ist nach wie vor das fünfte Rad am Wagen an den Hochschulen. Die Belohnungsstrukturen im Wis- Wäre es nicht besser, Schule auf ihre senschaftssystem stehen einer guten Lehrerausbildung Kernaufgaben zurückzuführen? entgegen. Hier könnte der Staat als größter Arbeitgeber Der Wandel in der Lebens- und Arbeitswelt ist so rasant, eingreifen, etwa durch Zielvereinbarungen. das kann eine Schule nicht vollständig abbilden. Aber die Vermittlung von Orientierungswissen, Reflexionsfä- Was sollte eine Schule leisten und was nicht? higkeit und Urteilskraft ist wichtig. Also: Wie bewertet Allgemein- und Persönlichkeitsbildung sind nach wie man Wissens- und Informationsquellen? Wie kann man vor zentrale Aufgaben der Schule. Aber angesichts die Informationsvielfalt ordnen und reflektieren und wie
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken 15 kann man sich für den permanenten Wandel gut rüsten? nen zwischen Stiftungen wichtig. Und drittens ist die Es müsste neu definiert werden, was Allgemeinbildung Zusammenarbeit zwischen Staat und Stiftungen ele- heute sein soll, damit diese eine Orientierung ermöglicht. mentar und in den letzten Jahren auch besser gewor- den. Kultusministerien, die Kultusministerkonferenz Wer sollte definieren, was heute zum und Stiftungen gehen stärker aufeinander zu, disku- Allgemeinwissen gehört? tieren die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Das erfordert eine gesamtgesellschaftliche Debatte. wie sie gemeinsam agieren können. Dies sind gute Vo- Eine Schule oder Kultusbehörde kann das für sich al- raussetzungen für einen besseren Projekttransfer und leine nicht klären. Hier sollten alle Stakeholder, wie El- eine Verstetigung von Projekten. tern, Wissenschaftler, Schüler, Lehrkräfte und andere, mit eingebunden werden. Inwieweit macht der angesprochene Föderalismus angesichts der komplexen Anforderungen an Schulen Was können Stiftungen erreichen, was der Staat überhaupt noch Sinn? so nicht kann? Der Föderalismus im Bildungswesen ist grundsätzlich Der Staat ist ja zur Gleichbehandlung verpflichtet. Für gut, aber es gibt auch einige Defizite. So übernehmen ihn ist es schwieriger, Modellprojekte zu starten. Stif- die Ländergemeinschaft und die Kultusministerkon- tungen hingegen können so etwas sein wie eine For- ferenz keine gesamtstaatliche Verantwortung. Somit schungs- und Entwicklungsabteilung, wie sie jedes grö- fehlt für die großen Aufgaben, die alle gemeinsam zu ßere Unternehmen hat und auch braucht, um erfolgreich bewältigen haben, eine gemeinsame Klammer. Stif- zu sein. Im Bildungssystem geschieht das kaum. Es gibt tungsinitiativen springen hier zunehmend in die Bre- zwar Forschung an den Hochschulen, doch erreichen die sche, wie das etwa beim Deutschen Zentrum für Leh- Erkenntnisse nur selten die Praxis. Solche F+E-Labore, rerbildung Mathematik der Fall ist, das länderübergrei- die ihre Ergebnisse in der Praxis umsetzen, können Stif- fend die Lehrerfortbildung vorantreibt. tungen sein und sie sind es zum Teil auch schon. Das aber reicht nicht aus. Einige große Stiftungen – darunter die Deutsche Te- Wie kann man sicherstellen, dass Stiftungsaktivitäten lekom Stiftung – haben deshalb vor- kein Reparaturbetrieb für staatliche Fehltritte sind? geschlagen, einen Bildungsrat einzu- Indem die Ziele und Rollen der Akteure klar sind. Wir führen. Ein solcher Bildungsrat könnte hatten bei keinem Projekt das Gefühl, dass wir Lü- ähnlich wie der Wissenschaftsrat als ckenbüßer sind, aber man sollte natürlich wachsam eine Art Expertenrat mit einer Länder- sein. Gerade vor dem Hintergrund der Schuldenbrem- kammer fungieren. Er könnte Orien- Foto: Michael H. Ebner / Deutsche Telekom Stiftung (Winter) se könnte der Staat in Versuchung geraten, Stiftungen tierung bieten bei den großen Themen als Ersatzakteure für staatliches Handeln einzubezie- und Gleichheit unter den Ländern her- hen. Aber Stiftungen haben eine ganz gute Urteilskraft stellen, wie zum Beispiel bei Empfeh- und können sich gegen eventuelle Zumutungen durch- lungen zur Mobilität von Lehrkräften im interview aus zur Wehr setzen. oder Besoldungs- und Statusfragen. Dr. Ekkehard Winter Der Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftungen können allerdings nur Vor- Stiftung leitet u.a. den Arbeitskreis Bildung Es gibt viele schöne Modellprojekte, doch wie schläge unterbreiten, diese aber nicht im Bundesverband Deutscher Stiftungen. können sie nachhaltig verankert werden? durchsetzen, wenn sie nicht auch poli- Weitere Informationen stiftung@telekom.de Wichtig ist, dass die Projektpartner nicht einseitig am tisch gewollt sind. « « « www.telekom-stiftung.de Tropf der Stiftung hängen. Zweitens sind Kooperatio-
16StiftungsWelt 03-2015 Stiftungsauftrag „Menschen stärken“ Mit ihrem Bildungscampus in Kleinmachnow schlägt die Hoffbauer-Stiftung eine Brücke in andere Lebenswirklichkeiten von Markus Althoff dend) und für nahezu alle Lebensaltersstufen (von der Kinderkrippe bis weit über das Abitur hinaus) in Bran- denburg und Berlin. » » » „Wir stärken Kinder, Jugendliche und Erwach- Wertschätzender Umgang mit Verschiedenheit sene, sich in Freiheit zu entfalten, Verantwortung zu Wo zu DDR-Zeiten der volkseigene Betrieb (VEB) „Ge- übernehmen und in Hoffnung zu leben, die aus unse- räte- und Reglerwerk Teltow“ produzierte und nach der rer christlichen Sicht auf Mensch und Welt erwachsen.“ Wende Siemens kurzzeitig ein Werk betrieb, prangt Vor mehr als 100 Jahren hat die Gründerin der Hoff- heute ein Zitat von Martin Buber an der Stirnseite eines bauer-Stiftung einen Stein ins Wasser geworfen, der weiß verkleideten Achtgeschossers: „Alles wirkliche bis heute Kreise zieht. Der umfassenden Bildung von Leben ist Begegnung.“ Das Motto passt zum Hoffbau- Mädchen hatte sie das gemeinsam mit ihrem Mann er Bildungscampus (siehe auch Hinweis zur Fotostre- erworbene Vermögen verschrieben. Gewachsen ist da- cke im Schwerpunkt auf S. 37), der mit vier Bildungsein- raus ein Gefüge von diakonischen Unternehmungen, richtungen das Areal nutzt. Dass 2004 eine Grundschu- deren Herz die gemeinnützige Hoffbauer GmbH ist. Zu le zunächst in einen der Industriebauten und später in ihr gehören mehr als 30 Bildungseinrichtungen unter- einen eigens konzipierten Neubau einzog, war einer schiedlicher Ausprägung (von allgemein bis berufsbil- engagierten und bildungsinteressierten Elternschaft in
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken 17 den umliegenden (Kirchen-)Gemeinden und der Hoff- schlossen mit einem Deckel und versehen mit einem bauer-Stiftung zu verdanken, die als erfahrene Schul- Loch zum Hände Reinstecken werden die als „Fühlkis- trägerin für das Vorhaben ten“ beim nächsten Ki- „Evangelische Grundschu- le Kleinmachnow“ gewon- nen wurde. Rasch ent- wickelte sich die Schule »» Der wertschätzende Umgang mit Verschiedenheit bildet den Kern des ta-Fest gebraucht. Persönliche Themen der Schüler aufgreifen Lebens auf dem Bildungscampus. in freier Trägerschaft zu Unterdessen hat Vincent einem gefragten öffentli- drei Stockwerke über der chen Bildungsangebot in der bei Familien beliebten Re- im Erdgeschoss beheimateten Kita gerade seinen Vor- gion am südwestlichen Stadtrand von Berlin. Heute um- trag zur Geschichte der Stolpersteine beendet. Die hat er fasst der Campus neben der Grundschule eine Kita, ein mit anderen Jugendlichen aus der Jungen Gemeinde Tel- Gymnasium und eine Altenpflegeschule. tow in den vergangenen Wochen an verschiedenen Stel- Den gemeinsamen Kern des Lebens auf dem Bil- len im Boden vor ehemals jüdischen Wohnhäusern ver- dungscampus bildet der wertschätzende Umgang mit ankert. Der Vortrag gehört zum „Individuellen Lernen“, Verschiedenheit. Groß und Klein; Schnell und Lang- das ein fester Bestandteil des Stundenplans am Evange- sam; Laut und Leise – Jede(r) und Jegliches hat sei- lischen Gymnasium auf dem Campus ist. Hier verfolgen nen Raum, seine Stärke und seine Zeit. Zum Beispiel die Jugendlichen Themen, die ihnen ganz bei den Andachten, zu denen sich die Schulgemein- persönlich am Herzen liegen – jenseits von de jeden Montag in der Grundschule versammelt. Hier Lehrplan und Abi-Curriculum, aber meist stimmen sich Kinder und Erwachsene auf die Woche mit sehr lebendigen Wurzeln in ihr „wirkli- ein und bilden eine Gemeinschaft, die Raum für In- ches Leben“ hinein. dividualität und eigene Prägung lässt. Im Wochenab- Ganz praktisch eingebunden in das schluss stellen sie einander etwas von dem vor, was wirkliche Leben sind auch die Schüler für sie im Laufe der Woche bedeutsam geworden ist. innen und Schüler der Altenpflegeschule. Verschiedenheit hat aber auch da ihren Platz, wo im Zu deren Ausbildung gehört die Arbeit in Unterricht die Gedanken der Kinder den Ausgangs- einer Altenpflegeeinrichtung oder bei ei- punkt für ein sich immer weiter vertiefendes und er- nem ambulanten Pflegedienst. Die Schu- weiterndes Verständnis bilden. „Ich mache das so.“ le ist der Rahmen, in dem sie Wissen er- „Wie machst du es?“ „Das machen wir ab!“ So lautet werben, das sie für ein sicheres Handeln Markus Althoff leitet die Abteilung Elementar- und die Trias des „Dialogischen Lernens“, das an der zwei- im Beruf brauchen. Sie bietet aber auch Primarbildung der Hoffbauer GmbH und zügigen Schule kultiviert und weiterentwickelt wird. Raum für den Austausch über die schö- zeichnet verantwortlich für die Arbeit der in ihrer Trägerschaft betriebenen Kitas und Nicht Lernstoff möglichst effektiv „eintrichtern“, son- nen, manchmal aber auch belastenden Grundschulen. Von 2006 bis 2010 leitete er dern „sich mit den Gedanken der Kinder befreunden“ Praxiserfahrungen in der Begegnung mit die Evangelische Grundschule Kleinmachnow. und sie darin unterstützen, ihre Gedanken weiterzu- älteren Menschen, mit Krankheit und Tod. Weitere Informationen markus.althoff@hoffbauer-bildung.de entwickeln, lautet die Herausforderung für die Päda- Die Praxisanteile ihrer Ausbildung leisten www.hoffbauer-stiftung.de goginnen und Pädagogen. sie oft an weit entfernten Einsatzstellen Knappe 100 Meter Luftlinie über den Schulhof ent- – auch im europäischen Ausland, wo sie fernt haben sich in der Kita die Kinder der Sonnen- zum Teil viel weiter entwickelte Ansätze gruppe zu ihrem Morgenkreis versammelt. In der Mitte kennenlernen können. auf einem ausgebreiteten Tuch liegen Fundstücke, die Begegnungen ermöglichen, die untrennbarer Teil sie von ihrem letzten Spaziergang in das nahe gele- des wirklichen Lebens und zugleich Brücken in ande- gene Waldstück mitgebracht haben. Gemeinsam mit re Lebenswirklichkeiten sind – diese Kernidee ist auf Foto: Hoffbauer-Stiftung (Althoff) ihrer Erzieherin unterhalten sie sich über das, was zu- dem Hoffbauer Bildungscampus in Kleinmachnow auf sammenpasst, erinnern sich daran, wo sie es gefun- ganz besondere Weise erlebbar. In dieser Hinsicht er- den haben, befühlen Rindenstücke, Zapfen und Teile weist sich das Hoffbauer Bildungsangebot im besten von Baumpilzen. Dann sortieren sie miteinander, was Sinne als An-Stiftung zu Freiheit, Verantwortung und zusammenpasst jeweils in eine eigene Kiste. Ver- Hoffnung – nicht mehr, aber auch nicht weniger. « « «
18StiftungsWelt 03-2015 Die Saat geht auf Vor über einem Jahr startete in Berlin-Wedding mit Unterstützung der Vodafone Stiftung Deutschland die freie Quinoa-Schule von Klara Sucher und Lennart Scholz Mit Zuversicht einer guten Idee vertraut Jetzt liegt das erste, erfolgreiche Jahr hinter uns, der Umzug in ein eigenes Schulgebäude und die Einschu- lung einer weiteren Klasse sind nur noch wenige Wo- » » » Bildungsaufstieg durch individuelle, wertschät- chen entfernt. Eine Idee ist zur Schule geworden, ein zende Förderung: Im soziostrukturell benachteiligten pädagogisches Konzept zum Alltag. Der Weg hier- Berliner Bezirk Wedding wurde im August 2014 die hin war steil – und ist es noch. Wir waren „zu 90 Pro- Quinoa-Schule eröffnet. Sie will Jugendlichen mehr zent von Leuten umgeben, die gesagt haben, das wird Chancengerechtigkeit bieten durch eine Aussicht auf nie etwas“, erinnert sich Geschäftsführerin Dr. Fiona Ausbildung und Bildungsaufstieg. Wegbereitend für Brunk. Also haben wir uns „auf die 10 Prozent konzen- diese innovative Idee war neben dem persönlichen Einsatz des Quinoa-Teams auch das Engagement der Vodafone Stiftung Deutschland. Auf einen Blick In Berlin-Wedding leben aktuell rund 68 Prozent der Jugendlichen in Hartz-IV-Haushalten. Ihr Bil- Warum „Quinoa“? Quinoa ist ein Korn, das aus Südame- dungserfolg hängt allzu oft von ihrer sozialen Her- rika stammt. Energiereich und widerstandsfähig besitzt diese bei uns verkannte Pflanze das Potenzial, den Hun- kunft ab. Deshalb haben wir in diesem Stadtteil die ger in der Welt zu bekämpfen. Diese Eigenschaften sehen Quinoa-Schule eröffnet. wir auch in unseren Jugendlichen: Widerstandsfähigkeit Wir setzen auf Vielfalt: 18 unserer und ein enormes Potenzial. Was sie brauchen, ist eine 26 Schülerinnen und Schüler sprechen Schule, die das Aufgehen der Saat ermöglicht. zu Hause noch eine andere Sprache als Deutsch. 22 Schüler sind lernmittelbe- Zentrale Merkmale des Quinoa-Schulkonzeptes freit, ihre Eltern erhalten Unterstützung »» Jeder Schüler wird durch Tutoren sowohl während der vom Jobcenter. In vielen Familien ist das Schulzeit als auch durch Mentoren über die Schul- zeit hinaus bis zum erfolgreichen Abschluss der Aus- Geld knapp. Die Schule bildet somit die bildung oder der Hochschulzugangsberechtigung be- Sozialstruktur des Wedding ab. Und ge- gleitet. nau hier sehen wir enormes Potenzial, »» Im Schulfach „Zukunft“ werden Talente entdeckt und das es zu fördern gilt. Wir wollen alle un- zur überzeugten „Berufung“ weiterentwickelt. Dies sere Schülerinnen und Schüler zur mittle- schließt Praktika und Betriebsbesichtigungen ab Klara Sucher ren Reife begleiten – und danach weiter Klasse 7 ein. leitet die Bereiche Kommunikation & »» Im „Interkulturellen Lernen“ haben die Jugendlichen Personal der Quinoa-Schule. bis zum Abitur oder einer abgeschlosse- nen Ausbildung. Raum, in einem multikulturellen Umfeld ihre individu- Weitere Informationen elle kulturelle Identität zu entwickeln und bereichernd klara.sucher@quinoa-bildung.de www.quinoa-bildung.de in die Gesellschaft einzubringen.
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken 19 triert, die das anders sahen.“ Zu diesen gehörte auch kunftsperspektiven und ermöglicht ihnen die Vodafone Stiftung Deutschland. Der Geschäfts- somit ein selbstbestimmtes Leben“, be- führer der Vodafone Stiftung Deutschland, Dr. Mark kräftigt Dr. Mark Speich und motiviert das Speich, hatte den Mut, unserer Idee zu vertrauen. Mit Team von Quinoa, die nächsten Schritte ihrer substanziellen Anschubfinanzierung folgte die anzugehen und mit Energie in das neue Vodafone Stiftung Deutschland ihrem Ziel „Erkennen. Schuljahr zu starten. Fördern. Bewegen“ und hat die Gründung einer chan- Noch ist viel zu tun. Mit dem Umzug in cengerechten Schule mit ermöglicht. ein größeres Schulgebäude und durch die Aufnahme einer weiteren Klasse erwei- Den Beziehungsaufbau zwischen Familien und Lehr- tern sich die Chancen und Möglichkeiten kräften ermöglichen für unsere junge Schule. Allerdings fehlt Es fing an mit persönlichen Erfahrungen und einer Vi- Quinoa noch die Sicherheit einer langfris- Lennart Scholz ist Mitarbeiter an der Quinoa-Schule im sion. Die beiden Gründer Stefan Döring und Dr. Fio- tigen Finanzierung. Das fordert uns he- Bereich Kommunikation & Fundraising. na Brunk unterrichteten gemeinsam als Teach First raus, neue Partner und Unterstützer für Deutschland-Fellows an einer Weddinger Oberschule. unsere chancengerechte Schule zu gewin- Dort haben sie die Jugendlichen von zwei Seiten ken- nen. Denn eines hat unser bisheriger Weg nengelernt: im Vormittagsunterricht unmotiviert und gezeigt: Hervorragende und gerechte Bil- ohne Teamgeist, nachmittags bei den freien Projek- dung gelingt nur gemeinsam. « « « ten voller Enthusiasmus und Gemeinschaftssinn. Aus diesem Widerspruch entwickelten sie das Konzept der Quinoa-Schule mit dem Anspruch, das Potenzial der Jugendlichen bestmöglich zu fördern. Die Quinoa-Schule begleitet Jugendliche mit viel- fältigen Startbedingungen, damit sie zu Akteuren heranwachsen, die ihr privates und berufliches Leben selbstbestimmt gestalten und verantwortungsbewusst am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Im Zentrum des Schulprogramms steht die individuelle Förderung. Alle Schülerinnnen und Schüler werden von einem persönlichen Tutor begleitet. Jede Woche treffen sie sich für eine halbe Stunde, besprechen erreichte Ziele und legen neue Ziele gemeinsam fest. Zudem haben wir uns für einen gebundenen Ganztagsbetrieb ent- schieden, der uns den wichtigen Beziehungsaufbau zwischen Schülerschaft, Familien und dem pädagogi- schen Team ermöglicht. Finanzierung nur vorübergehend gesichert Finanziert wird die Schule durch staatliche Zuschüs- se und durch die Unterstützung von Privatpersonen, Unternehmen und Stiftungen. Die Vodafone Stiftung Fotos: Martin Arning (Sucher und Scholz) nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein und steht Quinoa als Partner zur Seite: „Mit Quinoa unterstützen wir ein innovatives Sozialunternehmen, das sich für Bil- dungsgerechtigkeit in Deutschland starkmacht. Die Quinoa-Schule berücksichtigt individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten von Jugendlichen aus sozial benach- teiligten Milieus. Sie zeigt jungen Talenten neue Zu-
20StiftungsWelt 03-2015 Stellung halten Wider dem demografischen Wandel unterstützt die Evangelische Schulstiftung die Gründung von Schulen in bevölkerungsarmen Regionen von Dr. Annerose Fromke chen und den Schulalltag zu vermenschlichen, hingegen blieben tiefgreifende Strukturveränderungen die Aus- » » » Die Evangelische Schulstiftung in der Evangeli- nahme. Basisdemokratische Gründungsprozesse führen schen Kirche in Deutschland (ESS EKD) wurde vor 21 Jah- nicht selten zu einem gemäßigten Konsens, der hinter ren gegründet, um basisdemokratische Schulgrün- den ursprünglichen Visionen zurückbleibt. Die unter- dungsinitiativen aufzufangen und zu fördern. Eines der schiedlichen Perspektiven von Pädagogen, Trägern, El- Hauptziele war, die regionale Selbstregulation zu stär- tern und Gründungsinitiativen treten nur partiell in eine ken und die Expertise vor Ort gewinnbringend zu nutzen. fruchtbare Übereinstimmung. Ein weiteres wesentliches Die Evangelische Schulstiftung begleitet und fördert Hemmnis ist, dass öffentliche Schulen in privater Träger- seitdem verschiedene Initiativen, die sich aus Akteu- schaft in der Zeit des Aufbaus durch den gegenwärtigen ren der Elternschaft, der Kirchengemeinden und Kom- Rechtsrahmen in arge Finanznöte gedrängt werden, die munen zusammensetzen. Die Vision, Schule nicht nur ein pädagogisches Minimalprogramm zur Folge haben. neu zu schaffen, sondern auch neu zu denken, war der „Schule neu denken“ muss finanziert werden. Wer entscheidende Impuls. So trug die Schulstiftung dazu aufwächst, benötigt Luft. Diese bittere Engführung bei, dass 137 visionsträchtige Konzepte in real existie- wird in vielen Regionen durch den demografischen rende Schule überführt werden konnten. Die Vorgaben Wandel zusätzlich verschärft. Es mangelt nicht an Ge- der Stiftung blieben dabei minimal: regionale Kompe- danken und Visionen, es mangelt an Zeit, Entlastung tenzen, Netzwerke und Ressourcen sollten maximal und Beistand, »» ausgeschöpft werden. Dieser Ansatz erwies sich als um Visionen Dr. Annerose Fromke überaus erfolgreich. Evangelische Schulen sind indivi- auszuprobieren „Schule neu denken“ leitet seit 2013 als Geschäftsführerin die duell profiliert und zeichnen sich durch regionale Spe- und in nachhal- muss finanziert werden. Evangelische Schulstiftung zifika aus, die in vielen Fällen eine feste Verankerung tige Prozesse in der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Die im Gemeinwesen ermöglichen. Einzelne Schulen, wie zu überführen. Evangelische Schulstiftung die Evangelische Schule Berlin Zentrum (www.ev-schu- Trotz dieser Einschränkungen hält die Evangelische stützt und fördert bundes- weit über 1.100 evangelische le-zentrum.de) oder das Futurum Mylau (www.mylau. Schulstiftung auch in der Gegenwart an der Fördersäu- Schulen in Prozessen der de) entwickelten sich zu pädagogischen Pilgerstätten. le Neugründungen fest. In Anlehnung an den großen Schulentwicklung und des Schulaufbaus. Reformpädagogen Johann Amos Comenius gilt für uns Tiefgreifende Strukturveränderungen kaum möglich weiterhin: „Vom Grunde auf wachsen lassen“ – als Foto: privat (Fromke) Weitere Informationen annerose.fromke@ekd.de Bei genauerem Hinsehen blieben jedoch die Körner Quell pädagogischer Innovationen und Denklinien und www.evangelische- schulstiftung.de der großen Ernte relativ klein. Es gelang zwar, tradierte als Ausdruck demokratischer Beteiligungs- und Ge- Schulstrukturen durch Öffnungsprozesse zu durchbre- staltungsprozesse. « « «
StiftungsWelt 03-2015 » » » Schule neu denken 21 Freie Fahrt für digitale Medien Mit ihrem Medienportal eröffnet die Siemens Stiftung weltweit den kostenfreien Zugang zu digitalen Lehr- und Lernmedien von Maria Schumm-Tschauder Resources, kurz OER. Die Siemens Stiftung unterstützt den OER-Gedanken und hat zahlreiche Materialien aus » » » In der Öffentlichkeit wird sie noch lebhaft ge- dem Medienportal bereits unter der offenen Lizenz führt, die Debatte um die Vor- und Nachteile von „digi- von Creative Commons eingestellt. taler Bildung“. Dabei haben digitale Lehr- und Lern- medien schon längst Einzug in den Schulalltag gefun- Offenheit macht Schule den. Stiftungen engagieren sich hier als Partner – sie Der Fortschritt: Im Unterschied zu herkömmlichen Me- verbreiten die Thematik und leisten Aufklärungsarbeit, dienangeboten können Lehrkräfte die OER nicht nur ohne kommerzielle Interessen zu verfolgen. Auf dieser herunterladen, sondern gemeinsam weiterentwickeln, Grundlage ergeben sich neue Herausforderungen, um aktualisieren und untereinander austauschen – nicht den gesellschaftlichen Entwicklungen und ihrer Ab- nur innerhalb ihrer Institution, sondern auch im Netz. bildung im Unterricht gerecht zu werden. So bedeutet Das Lernen wird so zu einem Prozess von Zusammen- „Schule neu denken“ auch das kontinuierliche Befas- arbeit und Austausch. Da sich die Materialien flexi- sen mit der Frage, ob die herkömmlichen Medien und bel und variabel an die schulischen Gegebenheiten insbesondere die Art und Weise ihrer Bereitstellung anpassen lassen, bewähren sie sich auch bei einem noch dem modernen Verständnis vom Lehren und Ler- inklusiven Unterricht: Lehrkräfte können jeden Lernen- nen entsprechen. den individuell gemäß seinen Fähigkeiten fördern. Die Siemens Stiftung will mit ihrem Einsatz für OER Maria Schumm-Tschauder leitet den Bereich Spannende und zukunftsorientierte Lerninhalte nicht nur Impulsgeber für die Schulen der Zukunft sein, Naturwissenschaftlich-tech- Die Siemens Stiftung blickt mit ihrem „Medienportal“, sondern auch Kindern und Jugendlichen in Schwellen- nische Bildung der Siemens Stiftung und verantwortet das Bestandteil ihres internationalen Bildungspro- und Entwicklungsländern dadurch bessere Bildungs- u.a. das Medienportal. gramms Experimento ist, auf eine rund sechsjährige und Berufschancen ermöglichen. Sie möchte so dazu Weitere Informationen Entwicklungsarbeit im Bereich digitaler Medien zurück. beitragen, dass das Ziel Bildung für alle umgesetzt maria.schumm-tschauder@ siemens-stiftung.org Im Vordergrund steht die Vermittlung von Verständnis wird. Voraussetzung hierfür ist eine transparente und https://medienportal. und Begeisterung für Naturwissenschaften und Tech- lückenlose Rechtepolitik, die die Erstellung von Medi- siemens-stiftung.org nik. Derzeit setzen mehr als 30.000 pädagogische en unter offener Lizenz erst ermöglicht. « « « Fachkräfte aus über 100 Ländern auf die rund 5.500 qualitativ hochwertigen Lehr- und Lernmaterialien, die das Medienportal bereitstellt. Sie sind am Lehrplan orientiert und fördern einen handlungs- und kompe- tenzorientierten Unterricht. Die nächste Entwicklungsphase ist schon eingelei- tet: Unterlagen die Medien bisher besonderen Nut- zungsbedingungen, die eine Vervielfältigung und Ver- Foto: Fabian Helmich (Schumm-Tschauder) änderbarkeit durch den Benutzer einschränkten, än- dert sich das mit der Bereitstellung von offen lizenzier- ten Lehr- und Lernmaterialien. Die Lizenzen, mit denen der Rechteinhaber anderen Interessenten Nutzungs- rechte einräumen kann, wurden von Creative Com- mons, einer gemeinnützigen Organisation, entwickelt. Sie sind praktisch der Standard für Open Educational
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