Zuwanderung im urbanen Raum - Städte und Gemeinden als Zukunftswerkstätten der Integration - Österreichischer ...
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01_Cover.qxd gB 16.08.2010 12:42 Uhr Seite 1 9/2010 ÖSTERREICHISCHE GEMEINDE-ZEITUNG Das Magazin des Österreichischen Städtebundes Zuwanderung im urbanen Raum Städte und Gemeinden als Zukunftswerkstätten der Integration Gesellschaft & Migration Integration im Spannungsfeld Verlagspostamt 1110 Wien • P. b. b. ZNr. 10Z038542 zwischen Separation, Assimilation und Inklusion Moderne Integrationspolitik Beispielhafte kommunale Strategien und Modelle Mosaik Donauraum Innovationsimpulse aus kultureller Heterogenität
02-03_Inhalt.qxd ggB 18.08.10 12:27 Seite 2 INHALT Thomas Weninger 4 Zukunftswerkstatt Integration Editorial des Generalsekretärs des Österreichischen Städtebundes Bürgermeister Michael Häupl 5 Durch gelungene Integration gewinnen alle Vorwort des Präsidenten des Österreichischen Städtebundes Aktuelle Meldungen 6 Kommunalnews Kurzberichte aus den Bundesländern 8 Tom Schmid 8 Was meinen die Menschen, wenn sie „Integration“ sagen? Integration zwischen Exklusion, Seperation, Assimilation und Inklusion Deutungsversuch des Begriffs „Integration“ Simon Inou 13 Wir wollen eine Rehabilitationskur für die Integration! Was MigrantInnen von der Effektivität des Integrationsprogramms in Österreich halten August Gächter 14 Trotz guter Ausbildung schlechte Chancen am Arbeitsmarkt Zugewanderte haben oft Schwierigkeiten, ihre Bildung am Arbeitsmarkt zu verwerten Murat Düzel 16 Integration braucht Information Pilotprojekt „Interkulturelle MitarbeiterInnen in Volksschulen NÖs“ Michael Huber-Strasser 17 Dienstleister für erfolgreiche Integration Leistungsprofil des Integrationszentrum Wien 18 D. Nusche, C. Shewbridge, C. Rasmussen (gekürzt von Rüdiger Teutsch) OECD-Prüfung stellt Österreich ein gutes Zeugnis aus Die Ergebnisse der Länderprüfung im Bereich Migration und Bildung Ergebnisse der OECD-Länderprüfung 18 Ursula Eltayeb 20 StartWien – Hilfe bei Zuwanderung Orientierung für MigrantInnen Theodora Manolakos 21 Integration messen, Diversität gestalten Monitoring Integration und Diversität Michael Putzenlechner 22 Supervision für Lehrlinge Konflikte vermeiden, Kommunikation forcieren Karl Zauner 23 Fahrradkurse für Migrantinnen Bewegung hat etwas Verbindendes Wiener Neustadt verhilft Migrantinnen durch Fahrradkurse zu mehr Mobilität 23 2 ÖGZ 9/2010
02-03_Inhalt.qxd ggB 16.08.2010 12:00 Uhr Seite 3 INHALT Helga Geyrecker 24 Integration gelingt über die Sprache Ybbs setzt auf Deutschkurse Anja Hagenauer 25 Rucksack voller Lebenschancen Wenn die Förderung schon im Kindergarten beginnt Paul Zehetner 26 Integration ist bei uns Chefsache! Wels setzt auf Vernetzung von Städten und Gemeinden Monika Vukelic-Auer 26 Aktive Migrationspolitik Die Stadt Kapfenberg über ihre Leitlinie Innsbruck will die Lesefreude mit Hilfe von „Menschenbüchern“ neu entfachen 28 Christine Oppitz-Plörer, Notburga Troger 28 „Lebende Menschenbibliothek“ Wie Innsbruck einen neuen Umgang mit Diversität finden will Necla Güngörmüs 29 Integrationsplattform Bregenz Vernetzung von MigrantInnen und Einheimischen fördern Andreas Babler 30 Integrationsarbeit am Stammtisch Was macht die Politik in Richtung Stammtische? Sabine Aydt, Franjo Steiner 30 „Selbstcheck Integration“ Fragebogen der ARGE Integrationsberatung Mosaik Donauraum – Innovations- impulse aus kultureller Heterogenität 43 41 Europa Aus dem Europäischen Parlament • ÖsterreicherInnen in EU-Institutionen • Mosaik Donauraum • „Einheimischenmodell“ • www.eu-guide.at • „Stopp“ dem Subsidiaritätsabbau! 51 Magazin Aus dem Städtebund • Finanzen & Wirtschaft • Netzwerk Gesunde Städte • Umwelt • Verwaltungsreform – KDZ • Termine • Literatur 64 Judikatur VwGH, VfGH, EuGH IMPRESSUM: ÖGZ. Österreichische Gemeinde-Zeitung Ausgabe Nr. 9/2010. Medieninhaber und Herausgeber: Österreichischer Städtebund, 1082 Wien, Rathaus, www.staedtebund.gv.at, oegz@staedtebund.gv.at, Tel. +43(0)1/4000-89993, Leitung: Generalsekretär Dr. Thomas Weninger • Verleger: Bohmann Druck und Verlag Gesellschaft m.b.H.&Co.KG, Leberstraße 122, 1110 Wien, Geschäftsführer: Dr.in Gabriele Ambros, Gerhard Milletich, Chefin vom Dienst: Mag.a Alexandra Khoss, Tel. +43(0)1/740 32-746, Fax: +43(0)1/740 32-768, alexandra.khoss@redaktion-wien.at, Grafik: Martin Hampejs, Mitarbeit: Marizela Hrcan, Tel.: +43(0)1/4000-89993, Fax: +43(0)1/4000-7135 • Reproduktion: Repromedia Druckges.m.b.H. Nfg. KG, Leberstraße 122, 1110 Wien • Druck: Ueberreuter Print GmbH, 2100 Korneuburg, Industriestraße 1 • Auflage: 6.000 • Erscheinungsweise 2010: 10 Ausgaben • Cover: Getty Images, Copyright für nicht (anders) bezeichnete Fotos: Österreichischer Städtebund • Zum Nachdruck von Veröffentlichungen aus der ÖGZ ist ausnahmslos die Genehmigung der Redaktion einzuholen. Namentlich gezeichnete Beiträge geben die Meinung der/des Verfassenden wieder, die sich nicht unbedingt mit jener der Redaktion bzw. der Position des Städtebundes decken muss. Die Redaktion der ÖGZ bekennt sich zum Einsatz einer geschlechtergerechten Sprache in allen Artikeln und Beiträgen. Abonnements laufen ganzjährig und müssen eingeschrieben einen Monat vor Ablauf abbestellt werden, sonst erfolgen nach Usancen im Zeitungswesen Weiterlieferung und Weiterverrechnung. Einzelheft: EUR 4,50; Jahresabonnement: EUR 42,– • Anzeigenleitung: Gunther Pany, g.pany@bohmann.at, Tel. 740 32-735 • Advertorials sind bezahlte Einschaltungen und unterliegen der Verantwortung der Anzeigenabteilung. www.staedtebund.gv.at 3
04-05_Editorial.qxd gB 16.08.2010 12:01 Uhr Seite 4 EDITORIAL GENERALSEKRETÄR www.mediendienst.com, Wilke Zukunftswerkstatt Integration Nur eine gelungene Integration schafft die Grundlagen dafür, dass Österreich wettbewerbsfähig ist und es auch bleibt. Von einem pragmatischen Standpunkt aus betrachtet fallen die Kosten, die Nicht-Integration verursacht, bedeutend höher aus als jene, wenn Integration aktiv betrieben wird. Für die Städte und Gemeinden in Österreich ist eine erfolgreiche Integration lebenswichtig. Die Zukunft vieler Städte wird aufgrund der absehbaren demographischen Entwicklung multiethnisch sein und im Lebensraum vor Ort wird sich als erstes zeigen, inwieweit Strategien und Maßnahmen zur Integration erfolgreich waren. Gerade im Bereich der Integration benötigen die Gemeinden die Unterstützung des Bundes und der Länder. Im örtlichen Kontext entscheidet sich, ob die schulische Integration und die Integration in den Arbeitsmarkt gelingen wird, und wie sich das Zusammenleben gestaltet. Die Kommunen leisten hier bereits vorbildliche Arbeit. Vielfach fehlt es aber an den organisatorischen Voraussetzungen, um die vorhandenen Integrationsan- gebote vor Ort zeitnah und zielgenau an die Menschen zu bringen und sie erfolgreich zu gestalten. Aus diesem Grund entscheidet sich auch in den Städten die Zukunft der Integration in Österreich – die Städte und Gemein- den sind die Zukunftswerkstätten der Integration. Dr. Thomas Weninger Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes 4 ÖGZ 9/2010
04-05_Editorial.qxd gB 16.08.2010 12:01 Uhr Seite 5 VORWORT PRÄSIDENT Stadt Wien, Kurt Keinrath Durch gelungene Integration gewinnen alle Österreichs Städte zeichnen sich durch eine zunehmende soziale und kulturelle Vielfalt aus – Grund dafür ist nicht zuletzt die Zuwanderung der vergangenen Jahrzehnte. Die zugewanderten MitbürgerInnen haben einen wichtigen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg des Landes geleistet und sind hier verwurzelt. Ohne ihren Beitrag würde das österreichische Gemeinwesen in vielen Bereichen (z.B. im Gesundheitswesen) kaum noch funktionieren. Zuwanderung ist eine Bereicherung und Herausforderung für die Kommunen gleichermaßen. Denn das direkte Lebensumfeld – Wohnen, Arbeitsplatz, Kinderbetreuung – spiegelt gelungene Integrationsarbeit wieder. Viele Städte und Gemeinden stellen sich der Herausforderung bereits mit großem Engagement. Dabei steht der Spracherwerb im Mittelpunkt, denn Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Einerseits sind die Herausforderungen im Bereich der Integration gemeinsam lösungsorientiert anzugehen, andererseits müssen Potenziale und Chancen sichtbar gemacht werden, um sie besser nützen zu können. Auf diesem Weg kann Benachteiligungen entgegengewirkt und der soziale und wirtschaftliche Aufstieg für alle genützt werden. Eine gelungene Integration hat das Ziel einer Win-win-Situation für alle Seiten. Damit wird eine wichtige Basis für eine gemeinsame Zukunft geschaffen. Bürgermeister Dr. Michael Häupl Präsident des Österreichischen Städtebundes www.staedtebund.gv.at 5
06-07_KomNews.qxd gB 16.08.2010 12:02 Uhr Seite 6 KOMMUNALNEWS SENIORENFREUNDLICHE LEOBEN FÜR STÄDTEPARTNERSCHAFT AUSGEZEICHNET GEMEINDEN GESUCHT Seit 15 Jahren führt die obersteirische Montanstadt eine aktive und fruchtbare Städte- Gemeinden können sich jetzt bewer- partnerschaft mit der chinesischen Millionenmetropole Xuzhou. Auf der Weltausstellung ben! Bereits zum vierten Mal vergeben EXPO 2010 in Shanghai, auf der Leoben als einzige österreichische Stadt vertreten war, der Pensionistenverband und die Volks- konnte die Partnerschaft weiter intensiviert werden. „Noch mehr chinesische Studenten hilfe die Auszeichnung „Senioren- werden die Chance nutzen können, in Leoben zu studieren. Außerdem stehen die freundliche Gemeinde Österreich“ an Chancen gut, dass Leobener Firmen beim Bau der U-Bahn in Xuzhou – im wahrsten Gemeinden, die sich durch ihr viel- Sinne des Wortes – zum Zug kommen“, freut sich Bürgermeister Matthias Konrad. fältiges Engagement für die ältere Ge- Diese langjährige und intensiv gelebte Partnerschaft wurde nun von der chinesischen neration besonders hervorheben. Die Vereinigung für internationale Städtepartnerschaften ausgezeichnet. Insgesamt werden Gemeinden werden je nach Größe in 20 internationale Partnerschaften chinesischer Städte ausgezeichnet, wobei Leoben vier Kategorien eingeteilt. Neu ist neben dem belgischen Bree die einzige europäische Stadt ist. heuer, dass pro Kategorie nur eine Gemeinde ausgezeichnet wird. Außer- dem gibt es erstmals einen Spezialpreis für besonders innovative Projekte. Alle BürgermeisterInnen und Sozialrefe- rentInnen sind herzlich eingeladen, ihre Aktivitäten darzustellen und sich Freisinger EUROPÄISCHER UMWELTPREIS AN GRAZER FIRMA AEVG Die Abfall-, Entsorgungs- und Verwer- tungsGmbH (AEVG) in Graz wurde bereits 2009 vom Lebensministerium für ihr Um- für diese ehrenvolle Auszeichnung zu weltmanagementsystem mit dem österreichi- bewerben. Anfang Oktober 2010 wer- schen EMAS-Preis ausgezeichnet. Für die den anlässlich des „Internationalen AEVG brachte dieser Erfolg eine Einladung www.ebae.at Tags der älteren Generation“ die von der Europäischen Kommission zur Teilname einer kompetent besetzten Jury aus- am Wettbewerb um den Europäischen Um- gewählten SiegerInnen verkündet. Die weltpreis mit sich. Die „European Business Awards for the Environment“ werden Verleihung der Auszeichnung und die alle zwei Jahre vergeben und zeichnen europäische Unternehmen, die einen besonderen feierliche Übergabe der Ortstafel „Se- Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung geleistet haben, aus. Von insgesamt 141 niorenfreundliche Gemeinde 2010“ Bewerbern aus 24 EU- und Kandidatenländern wurde die AEVG in der Kategorie erfolgt in den jeweiligen siegreichen „Management Award“ neben der britischen Findus Group und dem Unternehmen Gemeinden im Herbst 2010. Einsen- ARÇELIK A.S aus der Türkei als Finalist nominiert. Bei der Preisverleihung am 2. deschluss für die Bewerbung ist der Juni in Brüssel geht letztendlich die Findus Group als Kategoriesieger hervor. 17. September 2010. Weitere Infor- Dennoch sind die Geschäftsführer Walter Sattler und Jürgen Löschnig sehr stolz mationen und den Bewerbungsfolder über einen „Stockerlplatz“ und die sehr hohe Auszeichnung auf europäischer Ebene. finden Sie unter www.volkshilfe.at Mehr zum Europäischen Umweltpreis und zur AEVG auf www.ebae.eu und und www.pvoe.at. www.aevg.at. 6 ÖGZ 9/2010
06-07_KomNews.qxd gB 16.08.2010 12:02 Uhr Seite 7 KOMMUNALNEWS WIENFLUSS-RADWEG Der Wienfluss-Radweg wird ab Ende 2010 eine Verbindung zwi- schen Auhof und Kennedybrücke ermöglichen. Im Jahr 2006 ist von der MA 45 (Wiener Gewässer) im Bereich der Wehranlage Auhof bis zum Hackinger Steg der erste Abschnitt des neuen Radwegs fertiggestellt worden. Bis zum Jahresende ist nun die Errichtung eines Weges im Wienflussbett durch die MA 29 (Brücken- bau und Grundbau) mit Unterstützung der MA Stadt St. Pölten 45 bis zur Kennedy- brücke geplant. Dieser neue Weg wird nicht ARCHÄOLOGISCHE GRABUNGEN nur für RadfahrerInnen, AM DOMPLATZ VON ST. PÖLTEN sondern auch für Als Voraussetzung für die Neugestaltung des Domplatzes in FußgängerInnen benutz- St. Pölten werden derzeit, um den aus dem Bodendenkmalschutz bar sein. Alle wichtigen sich ergebenden gesetzlichen Anforderungen zu genügen, Radrouten und Brücken wer- flächendeckend archäologische Grabungen durchgeführt. Aus den mit dem Wienfluss-Radweg früheren Erkundungsgrabungen ist bekannt, dass sich am Dom- verbunden sein. Eine Vielzahl an Rampen platz ein zumindest ab der Mitte des 11. Jahrhunderts genutzter und Stiegen soll einen möglichst benut- Bilderbox Stadtfriedhof befindet, sowie Bauwerksreste von der römischen zerfreundlichen Zugang ermöglichen. Die Antike bis ins Mittelalter zu erwarten sind. Heuer wird ein Baukosten betragen 5,3 Millionen Euro. Abschnitt im Ausmaß von 1.000 m² (ca. 18 Prozent der Platz- fläche) am Ostrand des Platzes, entlang der Bistumsgebäude und an der Portalseite der Domkirche untersucht werden. 656/ Equal Pay Day am 29. September '(5 )/8* Frauen verdienen im Schnitt 25 Prozent weniger + 1 ( ( 3 * als ihre männlichen Kollegen. Damit liegt Öster- 7 6 & 66, reich im EU-Schnitt nur noch vor Estland an /(,& + )h5 '(1 3$.7 5$7,21(// =89(5/b 7= vorletzter Stelle im EU-Ranking zur Gehaltsgleich- stellung. Im Gender Gap Report 2009 liegt Öster- reich bei der ökonomischen Gleichstellung auf 352),(,16$ dem 103. Platz. Der Equal Pay Day, der Tag der Bilderbox Entgeltgleichheit von Frauen und Männern, wird im Jahr 2010 auf den 29. September fallen. An diesem Tag haben unselbständig beschäftigte Männer das verdient, was Frauen erst am Jahresende auf ihrem Lohnkonto haben werden. Zahlreiche Aktionen geplant Bereits im Vorjahr gab es Gespräche im Frauenausschuss, eine gemeinsame Aktion zum Equal Pay Day zu veranstalten. Beim letzten Frauenausschuss in Villach wurden dann Nägel mit Köpfen gemacht und vereinbart, eine gemeinsa- me Aktion umzusetzen. Ziel der Aktion, die vom Frauenbüro Villach mit den Frauenbeauftragten abgestimmt und gemeinsam mit einer Agentur erarbeitet wurde, ist es einerseits, auf diesen Umstand hinzuweisen, und andererseits .20 konstruktive Vorschläge zu unterbreiten, wie dieser Ungerechtigkeit entgegen- gewirkt werden kann. Dazu wurde eine kurz und prägnant formulierte Resolution ausgearbeitet. In den Kommunen werden Postkarten mit Forderungen an PassantInnen verteilt. Diese können dann an PolitikerInnen, Unternehmen, den )UDQ] +DXHU *PE+ &R.* $ 6WDW]HQGRUI :HUNVVWUDH Werberat, etc. versendet werden. Zudem haben sich einige Gemeinden noch Promotion 7HO )D[': weitere Aktionen einfallen lassen. Frau/man darf gespannt sein. HPDLO LQIR#KIOFRDW ,QWHUQHW ZZZKIOFRDW www.staedtebund.gv.at 7
08-30_Hauptteil.qxd gB 16.08.2010 12:06 Uhr Seite 8 INTEGRATION Getty Images Was meinen die Menschen, wenn sie „Integration“ sagen? Der gesellschaftliche Diskurs hat die Begriffe Integration und Inklusion geprägt. Die hinter dem Diskurs stehende Praxis lebt aber auch von Separation und Assimilation. Ein Deutungsversuch. Tom Schmid, Institutsleiter SFS - Sozialökonomische Forschungsstelle Die gängige Praxis von Sozialarbeit und in eine gemeinsame Lebenswelt, sondern klusionen. Diese verursacht in der Regel Sozialpolitik ist die Arbeit mit Menschen, mit Ausgrenzung in eine spezialisierte schwer bis nicht mehr korrigierbare Schä- die wir gerne als „ausgegrenzt“ bezeichnen. Welt des „Andersseins“ oder mit Anpas- digungen der Betroffenen und ihrer Bio- Der dabei vorherrschende Diskurs hat sung in „Normales“ zu tun. Wir handeln grafien. Ausgrenzung gibt es, so lange es die Begriffe „Integration“ und „Inklusion“ in unserem sozialpolitischen Alltag mit Gesellschaft gibt, aber die Formen ändern geprägt. Die hinter dem Diskurs stehende den vier Begriffen Inklusion, Integration, sich über die Jahrhunderte. Exklusion Praxis lebt aber auch von „Separation“ Separation und Assimilation – und noch kann als Verlust von Interdependenzbe- (z.B. in spezielle Einrichtungen wie Son- stärker mit den Prozessen und Praktiken, ziehungen beschrieben werden; somit derschulen, geschützte Werkstätten, spe- die hinter den Begriffen stehen –, ohne wird sie nicht nur zum Problem für die zielle Wohngemeinschaften, Heime und uns Gedanken über Bedeutung und Un- betroffenen Individuen, sondern auch für Sonderkliniken) und von „Assimilation“, terschiede der vier Begriffe zu machen. die Gesellschaft: diese verliert gewisser- also geschütztes Unterbringen oder öf- Der vorliegende Artikel will hier einen maßen an vergesellschaftender Kraft. Eine fentliches Anpassen an Stelle von Inte- Deutungsversuch anbieten. Gesellschaft, die viele ihrer Mitglieder gration in eine Gesellschaft, die das An- zum „Anderssein“ verurteilt, die zahlreiche derssein als „normale“ Praxis ihrer Existenz Ausgrenzung bzw. Exklusion Menschen ausschließt, verliert an innerem begreifen würde. Oft haben wir es daher Ausgangspunkt ist die Analyse gesell- Zusammenhalt und muss diesen durch in der täglichen Praxis nicht mit Inklusion schaftlicher Ausgrenzungen bzw. von Ex- hohen Aufwand wieder herstellen. 8 ÖGZ 9/2010
08-30_Hauptteil.qxd gB 16.08.2010 12:06 Uhr Seite 9 INTEGRATION Exklusion – die „abweichende im Ausschluss von wesentlichen Teilha- Denn Exklusion ist nicht nur ein Zustand, Mehrheit“ bemöglichkeiten an der Gesellschaft nie- sondern immer auch eine Folge von Stra- Bei den Begriffen „Exklusion“ und „Un- derschlägt.“ (Kronauer 2002:11) 4 . tegie. „Besonders das Beispiel der Ab- derclass“ handelt es sich um Metaphern „Schließlich unterscheidet sich der Ex- weichung zeigt, dass die Ideologie des der gesellschaftlichen Transformation. klusionsbegriff vom herkömmlichen Ar- Andersseins noch immer dazu herhalten „Sie beziehen sich auf gesellschaftliche mutsverständnis, aber in diesem Punkt muss, die einer bestimmten Phase der Veränderungen, die die historischen For- auch vom Underclass-Begriff darin, dass technisch-industriellen Entwicklung am men des Zusammenlebens, wie sie sich er auf den Prozesscharakter von Ausgren- besten entsprechende Form der Kontrolle in der Nachkriegszeit herausgebildet hat- zung abhebt. Dies in einem doppelten zu sanktionieren. (... Denn) die alte be- ten, grundlegend und nachhaltig in Frage Sinn: Exklusion verweist zum einen auf wachend-strafende Ideologie erweist sich stellen. In diesem Sinne einer historischen gesellschaftliche Instanzen (Strategien in der Tat als unzureichend für eine der Zäsur wäre es dann auch möglich, von von Unternehmen, institutionelle Rege- Entwicklung des Kapitals adäquate totale einem Ausgrenzungsproblem zu sprechen, lungen und Verfahrensweisen, soziales Kontrolle.“ (Basaglia/Basaglia-Ongaro, ungeachtet der Vielfalt von Manifesta- Verhalten), die Ausgrenzung bewirken. 1972:31)6. Bei Ausgrenzung geht es um tionen, die es in den verschiedenen Län- Dabei zwingt der Ausgrenzungsbegriff Verteilung (oder Nichtverteilung) und dern annimmt. Dadurch, dass sie die dazu, den Blick auf die Erosion sozialer es geht um Ordnung – um die Schaffung Qualität gesellschaftlicher Beziehungen Sicherheit und die wieder zunehmende oder Absicherung einer gesellschaftlichen und deren Gefährdung ins Zentrum der Prekarität in der Erwerbsarbeit, somit Ordnung, die die Interessen der Mehrheit Aufmerksamkeit rücken, unterscheiden auf die Abstufung sozialer Gefährdung bestmöglich absichert. Mit allen sozialen sich die Begriffe Exklusion und Underclass zu richten. Zum anderen lenkt er das Konsequenzen. Ausgrenzung schafft Ar- grundlegend von herkömmlichen Defi- Augenmerk auf die biografische Kumu- mut und Armut begründet Ausgrenzung nitionen der Armut, die sich am Mehr oder Weniger der Einkommensverteilung orientieren.“ (Kronauer 2002:37)1 Exklusion, ein Begriff, der 1989 unter dem Motto „Kampf dem sozialen Aus- schluss“ von der Europäischen Kommis- sion in den politischen Sprachgebrauch eingeführt wurde, nimmt Personen in den Blickwinkel, die außerhalb der Ge- sellschaft stehen oder gestellt wurden. Exklusion ist am ehesten mit „sozialer Ausgrenzung“ zu übersetzen und umfasst nicht nur Armut, sondern auch langan- dauernde Arbeitslosigkeit, die Zugehö- rigkeit zu einer ausgegrenzten Minderheit oder regionale Ausgrenzung. Ein Bericht der Europäischen Kommission (Com- mission of the European Community, 1993, zitiert bei Kronauer, 2002:9f )2 ver- sucht eine Definition von „Social Exclu- sion“: „ ‚Poverty‘ was no longer the right Mauritius word. The phenomenon was not simply related to material wealth, or lack of it, but involved a complicated interaction lation, das sukzessive Ineinandergreifen und schafft Armutslebenslagen: „There between – wealth, certainly – but also von Ausgrenzungsfolgen und -erfahrun- is a language of the poor, a psychology access to social rights, attachment to the gen. Exklusion bezeichnet somit Zustand of the poor, a world view of the poor. To labour market, the strength of informal und Prozess, Wirkkraft und Wirkung zu- be impoverished is to be an internal networks.“3 In dem Begriff der sozialen gleich.“ (Kronauer 2002:18)5 Die Dis- alien, to grow up in a culture that is ra- Ausgrenzung sind vor allem zwei Aussagen kussion der Exklusionsprobleme ist vor dically different from the one that domi- enthalten: „ … dass anhaltende Arbeits- dem doppelten Hintergrund wachsender nates society.“ (Harrington, Zitiert bei losigkeit, Unterbeschäftigung und Armut Arbeitslosigkeit bzw. anderer Notzustände Kohli, 1999:116)7. Doch darf Ausgren- eine neue gesellschaftliche Spaltung her- und einer Diskussion über die knapper zung nicht auf Armutslebenslagen be- vorbringt, und dass sich diese Spaltung werdenden öffentlichen Mittel zu führen. schränkt werden. Denn von gesellschaft- www.staedtebund.gv.at 9
08-30_Hauptteil.qxd gB 16.08.2010 12:06 Uhr Seite 10 INTEGRATION licher Exklusion betroffen zu sein (zu wer- zu realisieren. Ausgrenzung schafft Armut die Vielfalt von Integrationsangeboten an- den), ist in einer Vielfalt von Ausgangslagen und Armut begründet Ausgrenzung und zunehmen oder nicht. Gemeinsames zu finden und zeigt eine Vielfalt von be- schafft Armutslebenslagen. Ziel des in den Grundprinzip von Sozialarbeit und Son- troffenen Gruppen. Zuzurechnen sind in achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts ent- derpädagogik müsste demnach die Einlö- der Regel langzeitarbeitslose und woh- standenen Inklusions-Diskurses ist die sung des demokratischen Rechts auf An- nungslose Menschen, ArbeitsmigrantInnen Schaffung von Möglichkeiten der gesell- derssein sein, das auch die Gleichberech- und ExilwerberInnen, psychisch kranke schaftlichen Teilhabe aller Menschen. In- tigung bei der Sicherstellung sozial- und und behinderte Menschen, aber auch kin- klusion ist die auf Grund der Analyse ge- bildungspolitischer Qualitätsstandards ga- derreiche Familien oder AlleinerzieherInnen. sellschaftlicher Exklusionen entwickelte rantiert. Diese Standards sollten sich an Auch Menschen, die in Anstalten unter- Strategie der Schaffung gesellschaftlicher der Vielfalt individueller und kultureller gebracht sind (neben Gefängnissen ist hier Zugehörigkeit. Diese stellt sich wesentlich Verschiedenheiten und Kompetenzen ori- vor allem an die geschlossene Psychiatrie über Einbindungen in Sozialbeziehungen entieren und nicht von als unveränderbar zu denken), sind gesellschaftlich ausge- her, die auf Wechselseitigkeit beruhen: in diagnostizierten ‚Defekten‘ im sozial isoliert schlossen. Neben der Geldarmut ist der der Erwerbsarbeit, in informellen sozialen klassifizierten Individuum abhängig gemacht gesellschaftliche Ausschluss, die gesell- Verpflichtungen, in persönlichen Nahe- werden.“ (Hovorka, 2000:304)10. Inklusi- schaftliche Nicht-Teilhabe das eigentliche beziehungen – und zwar nicht auf der onsstrategien11 richten sich an Gleichbe- Problem. Die Barrieren zwischen den Aus- Ebene der vereinzelten Individuen, sondern richtigung (nicht Gleichartigkeit, gemeint geschlossenen und der Gesellschaft sind auf Ebene vorgeformter gesellschaftlicher ist also parité, nicht egalité) in allen Le- vielfältig, sie können materiell sein (denken Beziehungen. Inklusion ist als Begriff von benswelten und konkreten biografischen wir etwa an die Treppen, die einer bewe- Talcott Parsons in Anschluss an Thomas Lebensvollzügen aus. Inklusion kann nicht gungsgehinderten Person den Eintritt/Zu- ohne das Verstehen gesellschaftlicher In- gang verunmöglichen) oder mental (das teressen und Interessenslagen gedacht wer- Gefühl des „Nicht-Dazugehörens“ wird den. Ein „Herausfallen aus der Gesellschaft“ nicht nur in ausgesprochenen Mobbingsi- ist undenkbar. Auch die aus der Gesellschaft tuationen von denen, denen es gilt, über- Ausgeschlossenen leben weiter in der Ge- deutlich erlebt) oder finanziell (der Aus- sellschaft: An ihren Rändern, in Nischen, schluss vom Konsum der Dinge, die Je- in innerer Zurückgezogenheit oder – nicht dermann – und Jedefrau – zu konsumieren zu selten – in Anstalten. Es gilt also die hat, trifft auch hart). Gemeinsam ist diesen Wechselwirkung von Zugehörigkeit und Situationen des Ausschlusses die „Strafe“ Ausschluss in ihrem gesellschaftlichen Zu- des Anders-Seins. Gesellschaftlicher Aus- sammenhang zu denken und damit in schluss von Lebenschancen ist oft mit der ihren gesellschaftlichen Funktionen. So individuellen Erfahrung des Scheiterns, gilt zu fragen, wer gewinnt durch Zuge- des Versagens, verbunden: an gesellschaft- hörigkeit, wer gewinnt durch Ausschluss? Getty Images lichen Erwartungen und Anforderungen zu scheitern. „Der Fluchtpunkt sozialer Exklusion, Separation, Integration, Ausschließungsprozesse ist die Nutzlosigkeit Assimilation und Inklusion – als soziale Zuschreibung und als Le- H. Marshall zur Bezeichnung graduell un- Auf Grund der bisherigen Überlegungen bensgefühl zugleich.“ (Kronauer 2001:51)8. terschiedlich starker Formen der wertge- können die folgenden fünf verschiedenen Unerbittlich wiederholende Erfahrung des stützten Sozialintegration moderner Ge- Formen gesellschaftlicher Stellungen dis- Scheiterns (zuerst in der Schule, dann auf sellschaften (siehe Malowetz, 2002:56)9 kutiert werden: Exklusion, Separation, dem Arbeitsmarkt), die jede vernünftige entwickelt worden. Integration, Assimilation und Inklusion Antizipation der Zukunft verbietet oder Gesellschaftliche Zugehörigkeit und Teil- (diese Darstellung folgt einer Idee von entmutigt: das verhärtet die Exklusionser- habe ist mehrdimensional und schließt Grusch, 200812 ; siehe auch Schmid, fahrungen. Exklusion wird so zur erlebten ökonomische, kulturelle, politisch-institu- 200813). Denn die Gesellschaft hat ver- Exilierung innerhalb der Gesellschaft. tionelle, soziale und zivilgesellschaftliche schiedene Strategien, mit gesellschaftlichem Beziehungen ein. Inklusionsstrategien rich- „Anderssein“ umzugehen, und jede dieser Inklusionsstrategien ten sich immer auf mehr als auf bloße Strategien hat ihre Vorteile und ihre Nach- Inklusionstrategien richten sich immer auf Verminderung von Armut. Aber „gemeint teile. Es geht daher nicht von Vornherein mehr als auf bloße Verminderung von Ar- ist damit keine überpädagogisierende darum, die einzelnen Strategien zu be- mut. Inklusion und Exklusion bilden eine Zwangsbeglückung zu einer gesellschaftlich werten (wiewohl diese Bewertung im je- gegenbegriffliche Einheit; Inklusion ist fragwürdigen Normalität, sondern eine so- weiligen konkreten politischen Diskurs ohne gleichzeitige Exklusion nicht sinnvoll ziale Grundlagen-Ethik, die ihren Ziel- unabdingbar ist), sondern sie vergleichend zu denken, geschweige denn gesellschaftlich gruppen auch die Wahlfreiheit zugesteht, zu analysieren. 10 ÖGZ 9/2010
08-30_Hauptteil.qxd gB 16.08.2010 12:06 Uhr Seite 11 INTEGRATION Diese fünf Strategien können wie folgt grafisch dargestellt werden: Exklusion Separation Integration Assimilation Inklusion Diese fünf gesellschaftlichen Separation Assimilation Strategien sollen nun kurz diskutiert Hier werden Gegengesellschaften geschaffen, Assimilation erfordert, dass die Unter- werden. diese bleiben unter sich, sind aber der schiede, die unterscheiden, (normativ) zu „Hauptgesellschaft“ hierarchisch unterstellt verschwinden haben (in der Regel auf Exklusion (z.B. „schwarze“ Communities in den USA Druck der „Mehrheit“. In verschiedenen Exklusion bedeutet, dass Menschen (dau- der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts). Diskursen, insbesondere im „Ausländer- erhaft oder zeitweise) aus der Gesellschaft Separation kann das Problem des Ausschlusses Innendiskurs“ wird „Integration“ gesagt, ausgeschlossen werden. Die Grenzen verdecken, aber nicht lösen. Hier gilt aber aber „Assimilation“ gemeint). Assimilation dieses Ausschlusses sind (zumindest je das „Etablierte-Außenseiter-Problem“ lässt hierarchische Unterschiede weiter be- Zeitpunkt) starr. Elias und Scottson haben (Elias/Scottson 1990)15 nicht. Auch die Au- stehen, denn Assimilation heißt Einord- das bereits in den vierziger Jahren des ßenseiter sind miteinander vernetzt. Beide nung im Sinne von Unterordnung. Assi- letzten Jahrhunderts dargestellt: die Eta- Gruppen leben aber in getrennten und milation heißt Anpassung. Das kann als blierten (Insider) sind miteinander ver- hierarchisch geordneten Welten mit wenig „Normalisierung“ im alten Sinn (alles bunden, die Außenseiter voneinander Berührungspunkten. Es entstehen separierte wird unter eine Norm gebogen) gelesen isoliert (vgl. Elias/Scottson 1990)14. Sub-Gesellschaften, diese sind aber nicht werden. Aber wenn Normalisierung heißt, Dauerhafte oder lang andauernde Ex- krisenfest, d.h. anfällig gegenüber gesell- „es ist normal, verschieden zu sein“, ist klusion bringt, wie bereits dargestellt, schaftlichen Erschütterungen. Sie können Assimilierung nicht die taugliche Strategie. gesellschaftliche und individuelle Gefahren daher (potentiellen) gesellschaftlichen Spreng- Der Sinn von Assimilation könnte in der mit sich. Gefahren für die Ausgegrenzten stoff bergen (z.B. radikalislamische Gesell- Überwindung von Verschiedenheitsmerk- sind v.a.: Untergraben der Lebensfähig- schaften in reichen Ländern). malen, die dauerhafte Ausgrenzung be- keiten, materielle Not, Unsicherheit und wirken (können), liegen, oder in der Über- Perspektivlosigkeit, Radikalisierung (in Integration windung der historischen Rahmenbedin- der Funktion des „Anderen“). Gefahren Integration schließt das „Recht auf gungen, die die jeweilige Verschiedenheit für die „große Mehrheit“ der Gesellschaft Anderssein“ mit ein (siehe Hovorka begründet haben (siehe z.B. die Assimilation sind v.a.: Beschränkung von (öffentlichen 2000:304)16. Sie schafft keine Gegenge- der nationalen Minderheit der „Wiener und privaten) Ressourcen, befürchtete sellschaft, aber das „bewusste Andere“ in- Tschechen“ in der ersten Hälfte des 20. Beschränkungen, (befürchtete) Gefähr- nerhalb der Gesellschaft. Integration ist Jahrhunderts). dung der gewohnten Ordnung, (befürch- eine Strategie der Ausgegrenzten. Integra- teter) Veränderungsdruck, Radikalisierung tion beinhaltet aber auch die Sehnsucht Inklusion (in der Funktion der „schweigenden nach „umgekehrten Privilegien“, z.B. Inklusion lässt die Unterschiede nicht Mehrheit“) und damit „Einfallstor“ für „nichts für uns ohne uns“ (Independent verschwinden. Aber es sind keine „Un- politischen Populismus. Movement) oder „positive Diskriminie- terschiede, die unterscheiden“ (Spencer- Wenn die Probleme, die durch Exklusion rung“ (Gender Mainstreaming). Integra- Brown 1997)17 mehr. Durch Inklusion entstehen, zu groß werden, sind politische tion, so meine These, führt nicht zu einer längs eines unterscheidenden Merkmales Handlungen erforderlich. Es kann auf nicht-segmentierten Gesellschaft, sondern wird der Blick auf andere exkludierende zwei Ebenen gehandelt werden: auf der zum Weiterleben des „Anderen“ in der Faktoren frei. Inklusion kann die Be- Ebene realer Veränderungen und auf der Gesellschaft („es ist normal, verschieden schränktheit des Armutsbegriffes über- Ebene symbolischer Veränderungen. In zu sein“), allerdings ohne Grenzen zwischen winden, verschiedene ausgrenzende Fak- der gelebten Wirklichkeit gibt es oft dem „Anderen“ und dem „Rest“ der Ge- toren kennzeichnen und bearbeitbar einen Mix. sellschaft. machen. (Erst) wenn die „Unterschiede, www.staedtebund.gv.at 11
08-30_Hauptteil.qxd gB 16.08.2010 12:06 Uhr Seite 12 INTEGRATION die unterscheiden“, verschwunden sind, entierung und Daten liefern. Die zentrale wird der Blick auf andere Unterschiede Frage soll zum Schluss gestellt werden: frei. Inklusion dürfte daher dieselbe Funk- Was stört uns eigentlich an der Ausgren- tion haben wie der Horizont: Man erreicht zung / an den Ausgrenzungen? Und wie ihn nie, aber er gibt Richtung an und er- könnte ein gesellschaftlich verträglicher möglicht, dass man unterwegs das eine Gegenauftrag formuliert werden? Sepa- oder andere Problem löst. „Inklusion“ ration, Integration, Assimilation und In- unterscheidet sich von den anderen hier klusion kann jeweils ein taugliches Ant- besprochenen Begriffen, gesellschaftliche wortkonzept sein. Es kommt tatsächlich Unterschiede begrifflich zu fassen, dadurch, „nur“ auf die Fragestellung an. ■ dass (nur) sie eine multidimensionale Be- trachtungsweise erlaubt: Wenn der be- 1 Kronauer, Martin (2002): Exklusion. Die Gefähr- Picturedesk trachtete „Hauptunterschied“ in der ana- dung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus. lytischen Betrachtung wegblendbar ge- Frankfurt/Main – New York. 2 Kronauer (2002). macht wird, kann der Blick auf andere 3 Kronauer (2002). (ebenso unterscheidende) Dimensionen rungsgrundlage und formuliert egalité 4 Kronauer (2002). geöffnet werden, somit werden auch diese als Ziel. Integration geht vom Differenz- 5 Kronauer (2002). bearbeitbar. Wenn durch Inklusion z.B. ansatz und Inklusion vom Ansatz gesell- 6 Basaglia Franco / Basaglia Ongaro Franca (1972): der Unterschied „Inland – Nichtinland“ schaftlicher Festsetzung von Ungleich- Die abweichende Mehrheit. Die Ideologie der totalen verschwunden ist, das heißt, wenn aus heiten aus; beide formulieren parité als sozialen Kontrolle. Frankfurt/Main. 7 Kohli, Martin (1999): Ausgrenzungen im dem/der „Integrationsbeauftragten“ ein/e Ziel. So kann diese Überlegung auf alle Lebenslauf; in: Herkommer, Sebastian: Soziale „Problembeauftragte/r“ wird, kann der Probleme des „gleich - ungleich“-Problems Ausgrenzungen. Gesichter des neuen Kapitalismus, Blick auf andere unterscheidende Unter- angewandt werden. Je nach Erklärung Hamburg. S. 111 – 129. schiede (z.B. „Frau – Nichtfrau“, „Arm – des Unterschieds, der unterscheidet, also 8 Kronauer (2002). 9 Malowetz, Karsten (2002): Die neuere Systemtheorie Nichtarm“) frei werden. Erst dann können je nach Problem und Forschungsfrage und das Konzept der sozialen Exklusion; in: Berliner (viele) „Ausländerprobleme“ als Probleme gibt es eine Antwort, die tauglicher ist Debatte Initial 1/02, Berlin. S. 55 – 66. sozialer Schichten oder als Probleme ge- als die jeweils anderen. 10 Hovorka, Hans: Gemeindenahe schulübergreifende sellschaftlicher Geschlechter bearbeitet Integration(spädagogik): Eine bildungs- und sozialpo- werden. Inklusionsforschung litische Herausforderung; in: Hovorka, Hans/Sigot, Inklusionsforschung erfordert, immer Marion (Hrg.): Integration(spädagogik) am Prüf- stand. Menschen mit Behinderungen außerhalb von Modelle von Verschiedenheit gleichzeitig auch Exklusionsforschung zu Schule, Innsbruck-Wien-München, 2000. Es gibt verschiedene Modelle von „Ver- sein. Sie ist notwendigerweise immer so- 11 siehe dazu auch Eberwein/Sasse, 1998 schiedenheit“. Dabei muss von (verschie- wohl empirische wie theoretische For- 12 Grusch, Eva (2008): Selbstbestimmtes Leben am denen) Erklärungsmodellen von Unter- schung und muss immer auch die anderen Beispiel der Selbsthilfegruppe „die Aktiven“. St. Pölten schieden ausgegangen werden. Je nach Möglichkeiten (Separation, Integration, (Diplomarbeit). 13 Schmid, Tom (2008): Inklusion – Exklusion. St. dem, wie Unterschiede theoretisch be- Assimilation) mitdenken. Exkludierende Pölten (Referat bei einer internen Tagung des Ilse Arlt griffen werden, wird die Strategie der Faktoren müssen in allen Dimensionen Instituts für Soziale Inklusionsforschung im Oktober Antwort zu formulieren sein. Das kann (Geld, Anerkennung, Stigma, Teilhabe, 2008). am Beispiel der Frauen-Männer-Gleich- Zeit, etc.) erfasst werden. Der Blick ist 14 Elias, Norbert / Scottson, John L. (1990): Etablierte stellung gezeigt werden, wo es verschiedene nicht auf Geldarmut zu beschränken und Außenseiter. Frankfurt/Main. 15 Elias, Norbert / Scottson, John L. (1990). Erklärungsansätze der Unterschiede zwi- (siehe Schmid 2008a)19. Dabei ist die je- 16 Hovorka (2000). schen den sozialen Geschlechtern gibt weilige Wahl der „richtigen“ Perspektive 17 Spencer-Brown, Georg (1997): Laws of Form. Ge- (siehe Bendl/Leitner/Rosenbichler/Walenta zentral. Wenn der Ausgangspunkt Ex- setze der Form. Lübeck. 2007)18: der Gleichheitsansatz (Frauen klusion, also „fremd sein“ ist, dann ist 18 Bendl, Regina / Leitner, Andrea / Rosenbichler, Ur- und Männer sind gleich), der Differenz- zu beachten: „Fremdsein“ ist ein Konzept sula / Walenta, Christa (2007): Geschlechtertheoreti- sche Perspektiven und Gender Mainstreaming. In: ansatz (Frauen und Männer sind ver- ohne Gegenkonzept (denn „Wir“ ist kein Bendl, Regina / Leitner, Andrea / Rosenbichler, Ursula schieden) und der Doing-Gender-Ansatz Konzept im eigentlichen Sinn, sondern / Schmid, Tom / Schörghuber, Karl / Walenta, Christa (die Unterschiede von Frauen und Männer eine abgeleitete Restkategorie). Definiti- (Hrg.): Qualitätsentwickung Gender Mainstreaming. sind gesellschaftlich konstruiert). Aber onshoheit im Handeln über das „Konzept Band 2: Grundlagen. Wien. S. 31 – 61. 19 Schmid, Tom (2008a): Soziale Daseinsvorsorge: Er- es hängt auch davon ab, ob „gleich“ im des Fremdseins“ zu erlangen, bedeutet, bringungsverantwortung oder Gewährleistungsverant- Sinne von egalité verstanden wird oder Ausmaß, Bedrohung und Dauer der Aus- wortung. In: Pantucek, Peter / Schmid, Tom / Vyslou- im Sinne von parité. Assimilation bei- grenzung(en) zu bestimmen und gestalten zil, Monika (Hrg.): Recht.SO. Menschenrechte und spielsweise als Strategie erfordert den zu können. Politikberatung und daher Probleme der Sozialarbeit. Festschrift für Karl Dvorak. Gleichheitsansatz als theoretische Erklä- politiknahe Forschung soll(te) dazu Ori- S. 60 – 78. 12 ÖGZ 9/2010
08-30_Hauptteil.qxd gB 16.08.2010 12:06 Uhr Seite 13 INTEGRATION Wir wollen eine Rehabilitationskur für die Integration! Viele MigrantInnen sind von Österreichs Integrationsprogrammen enttäuscht. Denn sie haben meist nur Assimilation und Anpassung zum Ziel. Simon Inou, Geschäftsführer von M-Media (www.m-media.or.at), Diversity Mediawatch Austria Fragen Sie MigrantInnen, was sie von der Integrationsprozesses dar.“ Wirklich? Der Effektivität des Integrationsprogramms in russische Opernstar Anna Netrebko spricht Österreich halten. Viele werden mit einer kein Deutsch, hat aber problemlos die öster- Gegenfrage antworten: „Was ist Integration? reichische Staatsbürgerschaft erhalten. Womit Ich habe davon gehört, aber Österreich will der Integrationsprozess eigentlich enden uns dirigieren.“ Oder: „Österreichische In- sollte, stellt für Netrebko den Anfang dar. stitutionen, die sich um dieses Thema küm- mern, beschränken sich auf die kulturelle Rassismusbekämpfung als Funda- Ebene, und außerdem beschäftigen diese ment erfolgreicher Integration Institutionen nur klassische ÖsterreicherInnen Politische Parteien, Kirchen und NGOs in Entscheidungspositionen.“ Von den Mi- sind Institutionen mit sehr breitem Spek- grantInnen selbst hört man also nicht viel trum. Sie sind auch wichtige Bestandteile zum Thema Integration. Enttäuscht vom des Integrationsprozesses. Vorwiegend po- politischen Diskurs und von den Politikern litische Parteien können dazu beitragen, selbst, und frustriert, weil ihre Stimme nicht MigrantInnen als weniger bedrohlich zu gehört und schon gar nicht verstanden wird, sehen. Aber: Der politische Druck von sehen viele MigrantInnen bis jetzt nicht, Rechtsextremistischen Parteien beeinflusst wo und wie angeblich existierende Integra- radikal den sogenannten Integrationskurs. tionsprogramme in der Praxis realisiert wer- Burka hier, Kopftuch da: das ist nur die Picturedesk den. Für viele ist dieser Begriff missbraucht Spitze der Angst, die verbreitet wird, um worden und bedarf eine Rehabilitationskur. alle für dumm zu verkaufen. Was oft im Jahrelang hat man den Begriff nur auf einige Bereich Integration vergessen wird, ist die Opernstar Anna Netrebko erhielt die Institutionen, die sich um MigrantInnen Frage: Wie aufnahmefähig und wie offen österreichische Staatsbürgerschaft, ohne kümmern sollen, beschränkt. Viele von uns ist die Gesellschaft, in der wir leben? Ras- der deutschen Sprache mächtig zu sein. sind sich einig: Integration gehört abgeschafft. sismusbekämpfung ist das Fundament einer Dieses Wort ist synonym für Assimilation erfolgreichen Integration. Dieses Thema mit Menschen, die aufgrund ihres Aussehens und Anpassung. Im Nationalen Aktionsplan wird im österreichischen Nationalen Akti- sehr oft nur aus diesem Grund abgelehnt heißt es zum Thema Integration: „ … stellt onsplan Integration nur sehr oberflächlich werden. Würde die österreichische Wirtschaft der Erhalt der österreichischen Staatsbür- thematisiert. einen mutigen Schritt setzen und mehr Di- gerschaft den Endpunkt eines umfassenden versität in der Gesellschaft fordern, könnten Wirtschaft sollte mehr Diversität in wir hoffen, dass die Politik irgendwann der Gesellschaft fordern folgen wird. Österreich braucht nicht nur MigrantInnen sollten Chancen bekommen, Gesetze und Institutionen, die Personen an- sich in allen Bereichen der Gesellschaft wohl derer Herkunft, Sprache, Hautfarbe oder zu fühlen. In vielen österreichischen Firmen Religion vor Diskriminierung bei Einstellung, ist das nicht der Fall. Zum Beispiel in Beförderung und Wohnungsvergabe schützen. Firmen, wo MigrantInnen nicht einmal Be- Gesetze müssen auch vollzogen werden. triebsräte werden können. Warum sehen Was in Österreich im Bereich Antidiskri- wir kaum MigrantInnen an den Schaltern minierung noch nicht wirklich der Fall ist. von Banken oder Postämtern arbeiten? Wenn Ob wir Alle es wollen oder nicht: Migrant- wir MigrantInnen nur im Keller, in der Innen haben mit Österreich vielleicht nicht Küche oder im Lager arbeiten lassen, versäumt dieselbe Vergangenheit, aber auf jeden Fall Picturedesk die österreichische Bevölkerung eine wichtige dieselbe Zukunft. Daran müssen wir ge- Chance: Den alltäglichen, normalen Kontakt meinsam arbeiten. ■ www.staedtebund.gv.at 13
08-30_Hauptteil.qxd gB 16.08.2010 12:06 Uhr Seite 14 INTEGRATION Trotz guter Ausbildung schlechte Chancen am Arbeitsmarkt Es gibt große Bildungsfortschritte im Vergleich eingewanderter Eltern zu ihren Kindern, aber Schwierigkeiten, die Bildung am Arbeitsmarkt adäquat zu verwerten. August Gächter, Projektleiter am Zentrum für Soziale Innovation, Wien Die seinerzeitigen GastarbeiterInnen sind • Die im ehemaligen Jugoslawien ausge- Unterschiedliche heute an der Schwelle zur Pensionierung. bildete Elterngeneration hat zu rund Bildungsbeteiligung Bildung spielte bei ihrer Anwerbung keine 53% höchstens nur die Pflichtschule Wer nach der Pflichtschule die Bildung Rolle. Dem Vernehmen nach soll es sogar absolviert; die dazugehörige, in Österreich fortsetzen kann, hat in Österreich während Fälle gegeben haben, in denen die Kandi- groß gewordene Jugendgeneration aber des ganzen Lebens bessere Chancen und daten nicht ihre ganze Bildung angaben, nur mehr zu 21%. Das ist eine Verrin- auch die Kinder werden bessere Chancen um bessere Chancen auf Anwerbung zu gerung um 32 Prozentpunkte. haben. Wer mit 18 oder 19 wieder fortsetzen haben. Trotz der geringen Bildung der • Die in der Türkei ausgebildete Elternge- kann, hat nochmals bessere Chancen. Das neration hat sogar zu rund 86% höchstens hängt aber, obwohl es nicht sollte, auch nur die Pflichtschule (in österreichischem vom Geschlecht ab. Die Bildungsbeteiligung Sinn) absolviert, ein wichtiger Teil nicht in der Altersgruppe 15 bis 24 ist also ent- einmal das; die dazugehörige Jugendge- scheidend wichtig. neration aber nur mehr zu 43%. Das ist • Einschließlich Lehre betrug sie 2009 eine Verringerung um 43 Prozentpunkte. bei den Frauen, deren Mutter in Öster- Diese Bildungsfortschritte sind enorm. reich geboren wurde, rund 59%, bei Man kann den Jugendlichen und ihren den Männern, deren Vater in Österreich Eltern schwerlich vorwerfen, sie hätten geboren wurde, nur 53%. sich keine ausreichende Mühe gegeben. • Am niedrigsten war die Bildungsbeteiligung Für die Familien bergen Bildungsunter- bei den Töchtern von Einwanderinnen schiede übrigens ein gewisses Risiko, denn aus der Türkei und bei den Söhnen von sie erleichtern nicht immer die Kommu- Einwanderern aus der Türkei und aus nikation und das Verständnis zwischen Serbien, nämlich jeweils um die 35%. den Generationen. Trotz des starken Rück- • Bei den Söhnen in Bosnien geborener gangs der gering Gebildeten gibt es aber Männer betrug sie um 40%. noch immer einen großen Abstand zwischen • Bei den Töchtern von in Serbien gebo- der „zweiten Generation“ und den Gleich- renen Frauen betrug sie dagegen fast altrigen, deren Eltern nicht eingewandert 50%, und war die Mutter aus Bosnien, Corbis sind, denn sie haben zu nur 8% höchstens dann sogar um die 55%. Eine höhere Bildung sichert MigrantInnen Pflichtschule absolviert. Bei der Bildung • Bei allen anderen ist die Bildungsbetei- nicht immer einen besseren Arbeitsplatz. der „zweiten Generation“ handelt es sich ligung gleich hoch oder höher als bei somit um einen typischen Fall von Glas den Jugendlichen mit in Österreich ge- damaligen GastarbeiterInnen sind die halb voll oder Glas halb leer. Da das borenen Eltern. Durchschnittseinkommen in Österreich typische Migrationsalter etwa zwischen 18 Am ehesten erklärungsbedürftig sind hier in den letzten 50 Jahren in ungeahnte und 38 Jahren liegt, gibt es auch einen ju- die großen Unterschiede zwischen den Ge- Höhen gestiegen. Es wird oft nicht aus- gendlichen Neuzuzug. Aus den Nachfol- schlechtern bei Serbien und Bosnien. Die reichend gewürdigt, wie unerwartet reich gestaaten Jugoslawiens hat er zu 27% höch- Bildungsbeteiligung der Jugendlichen mit Österreich parallel zur Einwanderung ge- stens Pflichtschule absolviert, aus der Türkei Eltern aus der Türkei ist zwar ebenfalls worden ist. aber zu 69%. Beim früheren Jugoslawien niedrig, aber trotzdem hoch im Vergleich ist eine Angleichung in Richtung der Bil- zur Bildung der Elterngeneration. Zweitens Große Bildungsfortschritte dung der in Österreich aufgewachsenen zeigt sich, dass es in der „zweiten Generation“ Die Kinder der einstmaligen Gastarbeiter- „zweiten Generation“ zu beobachten, bei zwischen 15 und 24 Jahren mit Eltern aus Innen stehen nun vor der Herausforderung, der Türkei eine halbe-halbe Situation zwi- der Türkei keinen Bildungsnachteil der Mäd- ihre Eltern zu übertreffen. Das gelingt schen dem Bildungsniveau der Eltern- und chen gegenüber den Burschen gibt. Drittens ihnen auch zu einem großem Teil. der Jugendgeneration. muss man noch hinzufügen, dass es bei den 14 ÖGZ 9/2010
08-30_Hauptteil.qxd gB 16.08.2010 12:06 Uhr Seite 15 INTEGRATION Ausbildungstypen (Lehre, BmS, Matura, Uni) keine gravierenden Unterschiede zwi- schen den Geschlechtern gibt. Viele Be- fürchtungen stellen sich somit anhand der Daten als unbegründet heraus. Das verbreitete Gerücht, die „zweite Generation“ sei schlech- ter gebildet als die „erste“, beruht auf einem Missverständnis. In einem Bericht zu PISA 2006 wurden 16-Jährige, die bei Aufent- haltsbeginn schon mindestens vier Jahre alt waren, als „erste Generation“ bezeichnet, solche, die jünger waren oder in Österreich geboren wurden, aber als „zweite Generation“. Die später zugezogenen 16-Jährigen wiesen etwas bessere Leistungen auf. Das klingt paradox: wer später zuzieht, schneidet schu- lisch besser ab? Dafür kann es allerhand Corbis Gründe geben, aber einer ist, dass die Un- terscheidung zwischen jünger als vier Jahre Das Bildungsniveau der „zweiten Generation“ ist im Vergleich zu deren Eltern sehr gestiegen. oder schon darüber, so plausibel sie aus dem Gesichtspunkt des Spracherwerbs sein mag, Risiken am Arbeitsmarkt Auch in der Elterngeneration, besonders zu einfach ist. Mikrozensusdaten kann man Problematischer als die Bildungsrisiken sind beim Zuzug aus Serbien, gibt es kaum einen feiner differenzieren. Sie zeigen, dass Zuzug jene am Arbeitsmarkt. Die wesentlichen Zusammenhang zwischen der mitgebrachten bis ins Volksschulalter sich nicht negativ auf Unterschiede zwischen der in Österreich Bildung und dem Qualifikationsniveau des die nachfolgende Schulkarriere auswirkt. zur Schule gegangenen „zweiten Generation“ in Österreich ausgeübten Berufs. Die ju- Wer aber erst im Alter zwischen 10 und 14 und den Gleichaltrigen, deren Eltern nicht gendliche „zweite Generation“ sieht teils an Jahren zuzieht, macht selten Matura, und eingewandert sind, bestehen nicht in den sich selbst, vor allem aber an den Eltern wer es zwischen 15 und 17 Jahren tut, Bildungsabschlüssen, sondern in deren be- und den Gleichaltrigen, die aus dem Ausland macht meist keine weitere Ausbildung mehr. ruflicher Verwertung. Die zweite Generation zuziehen, dass Bildungsanstrengungen am Es geht offenbar nicht um eine Zäsur im hat bei gleicher Bildung nicht die gleichen österreichischen Arbeitsmarkt und zuvor Spracherwerbsalter, sondern um eine im Beschäftigungschancen wie Jugendliche, de- auch in der Schule oft nicht honoriert Bildungswesen und vielleicht um eine im ren Eltern nicht eingewandert sind. Das ist Verhalten der SchülerInnen zueinander. Je- vor allem bei mittlerer Bildung (Lehrab- denfalls gibt es da zu tun. schluss, mehrjährige BmS) ein Problem, weniger bei geringer oder bei höherer. Von der „zweiten Generation“ auf dieser Bil- dungsstufe waren 2008-2009 10% aktiv auf Arbeitsuche, aber nur 5% der Jugendli- chen, deren Eltern nicht eingewandert sind. Jugendliche, die nicht „zweite Generation“ sind, sondern ihre Bildung im Ausland ab- solviert haben, sind am Arbeitsmarkt noch deutlich stärker benachteiligt. Sie sind häufig Zuzug zur „zweiten Generation“, teils aber auch AsylwerberInnen. Von ihnen sind auf Corbis jeder Bildungsstufe nur etwa die Hälfte be- schäftigt sowie rund 9% aktiv und rund MigrantInnen, die beim Zuzug älter als 15 Jah- 20% passiv arbeitsuchend. Welche Bildung re sind, machen meist keine Ausbildung mehr. sie mitgebracht haben, spielt für ihre Chancen am Arbeitsmarkt überhaupt keine Rolle. werden. Dass sie sich trotzdem Mühe gibt, Wenn sie beschäftigt sind, dann vorwiegend ist eine starke Leistung. Das öffentlich zu Corbis in Hilfs- und Anlerntätigkeiten: mit höheren würdigen, wäre ein wichtiger Beitrag der Wer im Alter zwischen 10 und 14 Jahren Bildungsabschlüssen zur Hälfte, mit mittleren kommunalen Politik und Verwaltung zu ei- zuzieht, macht nur ganz selten Matura. zu 60% und mit niedrigen zu 84%. nem friktionsfreien Zusammenleben. ■ www.staedtebund.gv.at 15
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