ALLES DIGITAL Wie Datenwissenschaft die Welt verändert - ETH Zürich
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
NR. 2 / 2017 FOKUS ALLES DIGITAL Wie Datenwissenschaft die Welt verändert SEITE 14 Start-up: Ein Roboter Wissenschaftsförderung Sabine Döbeli gestaltet sticht ins Auge made in Europe Finanzwirtschaft nachhaltig SEITE 10 SEITE 34 SEITE 46 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 1 06.06.17 08:48
EDITORIAL GLOBE NR. 2 / 2017 RAFFINIERTE DATEN Es ist für uns längst selbstverständlich, mit dem Mobiltelefon überall und jederzeit Daten aus dem Internet abzurufen. Gesundheitsapps sammeln Daten, die schon bald in die ärztliche Diagnose miteinfliessen. Auch in der Industrie werden immer mehr Daten erfasst und zur Steuerung und Optimierung ganzer Wertschöpfungsprozesse eingesetzt. Aber mit Daten alleine ist es nicht getan. So wie Erdöl erst raffiniert werden muss, um zum Treib- oder Brennstoff zu Lino Guzzella, Präsident der ETH Zürich werden, braucht es die Datenwissenschaft, um aus «Big Data» verwertbare Informationen und Erkenntnisse herauszu destillieren. Diese Entwicklung eröffnet vielfältige Chancen, wirft aber auch Fragen auf. Die Datenwissenschaft ist ein Schwerpunkt der ETH Zürich. Sie hat das Swiss Data Science Center mitbegründet. Unsere Forschenden sind auch am Nationalen Forschungs programm Big Data (NFP 75) beteiligt. Das Zurich Information Security & Privacy Center (ZISC), das die ETH gemeinsam mit Partnern aus der Industrie seit 2003 betreibt, kümmert sich um sicherheitsrelevante Aspekte unserer informations- und datengetriebenen Gesellschaft. Opportunities Wir möchten mit dieser Ausgabe von Globe, aber auch in Lesen S ie ab Se ETH-F ite 24, w der direkten Begegnung mit Ihnen, zeigen, wie die Daten der Zuk orschen de d ie wissenschaft unsere Zukunft prägen wird. Die Zürcher unft sich as Internet erer ma chen. Wissenschaftstage Scientifica vom 1. bis 3. September 2017 sind deshalb dem Thema «Was Daten verraten» gewidmet. Besuchen Sie uns an diesem Anlass der Universität und der for you ETH Zürich – zahlreiche attraktive Exponate warten auf Sie. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und freue mich schon darauf, Sie an der Scientifica begrüssen zu dürfen! Lino Guzzella, ETH-Präsident www.georgfischer.com Find out more about GF: Do you want to make things happen? Do you want to use your knowledge and skills to master challenging projects? As a globally active and innovative industrial Globe, das Magazin der ETH Zürich und der ETH Alumni corporation, GF provides many opportunities for you. Now it’s your turn. Titel: Carl De Torres, StoryTK / Editorial: Giulia Marthaler A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd GF_Anz_ETH_Globe_2017.indd 1 2-3 02.05.17 10:58 06.06.17 08:48
GLOBE NR. 2 / 2017 INHALT Was Daten verraten NEW AND NOTED COMMUNITY 7 News aus der ETH Zürich 33 Verbunden mit der ETH 8 Brennen für die Wissenschaft 34 ERC-Grants: Vertrauen in die Grundlagenforschung 10 Dieser Roboter sticht ins Auge Freitag, 1. September 2017, 18 bis 21 Uhr 37 Kolumne Bald übernimmt ein Roboter den Ausstellungsvernissage FOKUS Eingriff ins Auge. – Seite 10 16 Maschinen haben noch REPORTAGE keine Moral 38 Forschen in der Tropenmetropole Samstag, 2. September 2017, 13 bis 19 Uhr Was Digitalisierung für In Singapur arbeiten ETH-For- unser Leben und für die Schweiz schende an nachhaltigen Lösun- Sonntag, 3. September 2017, 11 bis 17 Uhr bedeutet gen für die Stadtentwicklung. Ausstellung, Workshops, Kurzvorlesungen, Shows, Slams, Talks, 20 Medizin im Datenrausch Familienprogramm und mehr. Gesundheitsdaten befeuern CONNECTED Forschung für die Medizin der 42 Begegnungen an der ETH Zukunft. Hauptgebäude der ETH Zürich und Universität Zürich 44 Agenda 24 Neues Fundament fürs Web In Singapur wird erprobt, was auch ETH-Wissenschaftler erfinden anderen Städten nützen könnte. das sichere Internet neu. – Seite 38 PROFIL 46 Nachhaltig wirtschaften 27 Lernen geht vom Menschen aus ETH-Alumna Sabine Döbeli Schnelle intelligente Daten fördert Nachhaltigkeit systeme berücksichtigen am Finanzplatz Schweiz. menschliche Eigenschaften. 28 Vom Computer programmiert 5 FRAGEN Maschinen sind die besseren 50 Frank Schimmelfennig Programmierer. Der Professor für Europäische Politik gewinnt auch aus 30 Big Data für die Umwelt produktivem Scheitern neue Wenn in den Umweltwissen Erkenntnisse. schaften komplexe Daten zusammenkommen, ist Datenwissenschaft gefragt. IMPRESSUM — Herausgeber: ETH Alumni/ETH Zürich, ISSN 2235-7289 Redaktion: Martina Märki (Leitung), Fabio Bergamin, Corinne Johannssen-Hodel, Nicole Kasielke, Florian Meyer, Meryem Riahi, Felix Würsten Mitarbeit: Claudia Hoffmann, Samuel Schlaefli, Andrea Schmits Inserateverwaltung: ETH Alumni Communications, globe@alumni.ethz.ch, +41 44 632 51 24 Inserate management: Zürichsee Werbe AG, Fachmedien, Stäfa, info@fachmedien.ch, +41 44 928 56 53 Gestaltung: Crafft Kommunikation AG, Zürich Druck, Korrektorat: Neidhart + Schön AG, Zürich Übersetzung: Burton, Van Iersel & Whitney GmbH, München; Anna Focà, ETH Zürich Auflage: 34 600 deutsch, 31 400 englisch, viermal jährlich Abonnement: CHF 20.– im Jahr (vier Ausgaben); in der Vollmitgliedschaft bei ETH Alumni enthalten. Bestellungen und Adressänderungen: globe@hk.ethz.ch bzw. für ETH-Alumni www.alumni.ethz.ch/myalumni Kontakt: www.ethz.ch/globe, globe@hk.ethz.ch, +41 44 632 42 52 Kostenlose Tablet-Version. Bild: Jodi Jacobson / iStock; Lina Meisen; Annick Ramp A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 4-5 170509_Inserat_Scientifica17_GLOBE_200x265.indd 1 17.05.17 08:48 06.06.17 17:03
NEW AND NOTED Was Daten verraten Umweltforschung GOOGLE ALS BASIS Forschenden des Future Cities Labo- Big Data, personalisierte Medizin, digitale Gesellschaft, Open Acccess ratory ist es gelungen, mit einer neuen oder Citizen Science: Gesellschaft und Wissenschaft durchlaufen Methode aufzuzeigen, wie wichtig derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Er beruht im Kern auf den neuen Bäume für das städtische Ökosys- tem sind. Die Wissenschaftler extra- Möglichkeiten, Daten zu sammeln, auszuwerten, miteinander zu hierten beinahe 100 000 Bilder von verküpfen und sie global zugänglich zu machen. Google Street View. Mit einem Algo- rithmus errechneten sie bei jedem Bild Wie setzen Forscherinnen und Forscher an der ETH und der UZH diese die Fläche der Baumkronen. In einem Möglichkeiten ein? Welche Auswirkung hat dies auf die Art, wie zweiten Schritt schätzten sie die Son- Forschung betrieben wird? Bricht ein neues, goldenes Zeitalter der nenstrahlung ein, die den Erdboden Erkenntnis an, oder geht uns die Arbeit aus? Um diese Fragen dreht sich durch das Blätterdach noch erreicht. So können sie ableiten, wie stark die die Scientifica 2017. Temperatur regulierende Funktion von Bäumen im Stadtgebiet ist. Gleichzeitig werden Daten zu einer neuen Währung in der Gesellschaft. Strassenbäume verbessern das Stadtklima, zum Beispiel in Singapur. Vermeintlich kostenlose Dienstleistungen werden mit Informationen 7 zum Nutzerverhalten oder anderen personenbezogenen Daten erkauft. Wer soll über solche Daten verfügen, wie können diese geschützt werden? Nanowissenschaften der ETH Zürich konnten diese An nahme nun in einem Experiment mit PLÄTTCHEN STATT Programm Cadmium-Selenid, auch bekannt als PUNKTE Katzengold, widerlegen. In ihrem Versuch bildete sich zu- Freitag, 1. September 2017 erst ein Kristallisationskern aus weni- Sie sind nur wenige Atomschichten gen Atomen, der nach einer gewissen 18.00 bis 21.00 Uhr: Ausstellungsvernissage dick und wurden erst vor wenigen Jah- Grössenüberschreitung zum Plättchen 20.30 bis 22.30 Uhr: Filmabend ren entdeckt: die hauchdünnen recht- heranwuchs. Aus energetischen Grün- eckigen Nanoplättchen. Besser er- den hefteten sich die Atome nur an die Autismusforschung Samstag, 2. September 2017 forscht sind ihre Verwandten, die Seiten des Kerns, so breiteten sie sich 13.00 bis 19.00 Uhr: Ausstellung, Workshops, Kurzvorlesungen, Shows, Quantenpunkte, die bereits Verwen- nur zweidimensional aus. Dies führte EMPATHIE IM HIRN Slams, Talks und mehr dung in der Alltagselektronik, bei- schlussendlich zum flachen Plättchen 20.30 bis 22.30 Uhr: Theaterabend spielsweise im Fernseher, finden. Auch und nicht zum runden Quantenpunkt. Ein internationales Forscherteam um die Plättchen wären interessant für die Katzengold ist allerdings hochgif- ETH-Professorin Nicole Wenderoth Sonntag, 3. September 2017 Elektronikindustrie, da sie gewisse tig und daher nicht für den Alltagsein- konnte zeigen, dass bei Autisten das Farben leuchtender erzeugen können satz geeignet. Ein Ziel der Forscher ist Hirnareal für Empathie wenig aktiv 11.00 bis 17.00 Uhr: Familienprogramm und zudem effiziente Energieträger es daher, Nanoplättchen aus weniger ist. In ihrer Studie mit autistischen Ausstellung, Workshops, Kurzvorlesungen, Shows, Slams, Talks und mehr sind. Dies würde sie auch für den Ein- giftigen oder ungiftigen Substanzen und gesunden Jugendlichen mussten satz in Solarzellen prädestinieren. herzustellen. Die Studie bildet eine die Probanden anhand von Spielsitua- Eintritt frei. Im Gegensatz zu den Punkten war wichtige Basis, um eine breite Palette tionen beurteilen, ob eine Drittper- Wissenschaftlern bisher aber nicht von Nanoplättchen-Materialien unter- son negativ oder positiv überrascht Detailprogramm ab 15. Juli 2017 online bekannt, wie genau sich die Plättchen suchen zu können. wurde. Im MRI konnten die Forscher bilden. Vermutet wurde, dass sie zum sehen, dass bei autistischen Jugendli- Gratistickets für Shows und Workshops ab 18. August online erhältlich. passgenauen Wachsen eine Art von chen die Nervenaktivität im Hirn - Formvorlage benötigen. Forschende areal für Empathie viel schwächer war. www.scientifica.ch Bild: colourbox.com; Joshua Balsters ETH GLOBE 2/2017 170509_Inserat_Scientifica17_GLOBE_200x265.indd A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 6-7 2 17.05.17 17:03 06.06.17 08:48
NEW AND NOTED NEW AND NOTED Holz im Test BRENNEN FÜR DIE WISSENSCHAFT Der nachhaltige Rohstoff Holz kommt in immer mehr Gebäuden in der Schweiz zum Einsatz. Die Brandsi- cherheit dieser Gebäude muss dabei genauso wie bei Gebäuden aus Beton oder Stahl gewährleistet sein. Das In- stitut für Baustatik und Konstruktion (IBK) der ETH Zürich ist weltweit für seine Forschung im Brandschutz und die Durchführung von grossmass- stäblichen Brandversuchen bekannt. 8 9 Durch die Durchführung dieser Brandversuche kann das Trag- und Temperaturverhalten von tragenden chen er brau s u c h e wie dies it a lles wie Wand- und Deckenelementen im r m Brandve r b e re it ung, da Brandfall untersucht und der Feuer- ige Vo abläuft. sorgfält geplant widerstand des Bauteils ermittelt werden. Diese Informationen helfen bei der Entwicklung von Bemes- sungsmodellen oder können direkt für die Klassifizierung des Bauteils verwendet werden. Das Foto entstand während eines Grossbrandversuchs an einer neu entwickelten Holz-Be- ton-Verbunddecke im Brandlabor auf dem Gelände der Empa Dübendorf. Der Versuch zeigte, dass die neuartige Decke den geforderten Feuerwider- stand von 60 Minuten erreicht. Sie wurde bereits erfolgreich im ETH House of Natural Resources (HoNR) eingesetzt. Projektbeschreibung: → www.ethz.ch/brandschutzforschung ETH GLOBE 2/2017 Bild: IBK, ETH Zürich ETH GLOBE 2/2017 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 8-9 06.06.17 09:31
NEW AND NOTED NEW AND NOTED Sicher und punktgenau Dieser Roboter sticht ins Auge Patienten mit einer altersbedingten Erkrankung der Netzhaut benötigen zunächst das Pflegepersonal den Pati- mit welcher Medikamentendosis. So- riert sein. So können Arzt und Patient enten vor. Dessen Auge wird mit ei- gar die exakte Stelle des Einstichs sich während der Behandlung sehen regelmässig Spritzen ins Auge. Diese müssen ihnen bisher spezialisierte nem Lokalanästhetikum unempfind- merkt sich das System bei jeder Be- und miteinander sprechen, ähnlich Ärzte verabreichen. Doch schon bald könnte das ein Roboter übernehmen. lich gemacht und desinfiziert. Dann handlung und berechnet dann für das wie beim Skypen. Der Bildschirm wird das Lid mit einer Klammer vor- nächste Mal eine etwas andere Positi- dient ausserdem dazu, dass der Patient sichtig offen gehalten. Anschliessend on. Das ist deshalb wichtig, weil zu seinen Blick im Moment des Einstichs setzt der Arzt die Spritze mit einer häufiges Spritzen an derselben Stelle auf etwas fixieren und so die Augen sehr feinen Nadel. Der Bereich, in den das Auge schädigen könnte. besser still halten kann. Welche Bilder er injizieren kann, ist ein sehr schmaler man ihm dazu am besten zeigt, testet Streifen zwischen Iris und äusserem Ärzte können Zeit sinnvoller nutzen man derzeit in Zusammenarbeit mit Augenwinkel. Während des Einstichs Den grössten Vorteil des Roboters der Hochschule für Technik und Wirt- In der Schweiz ist die häufigste Ursa- darf der Patient das Auge nicht bewe- sieht Michels jedoch darin, dass er den schaft HTW Chur. che für eine schwere Sehbehinderung gen, weil es sonst verletzt werden Ärztinnen und Ärzten Zeit sparen und bei älteren Menschen die sogenannte könnte. «Das kommt extrem selten grössere Flexibilität ermöglichen wür- Hohe Akzeptanz bei Patienten Makuladegeneration. Bei den über vor», sagt Augenarzt Michels. de. Denn diese müssen bisher im Ope- Dass sich Patienten dem Roboter auch 80-Jährigen ist jeder Fünfte betroffen. Trotzdem würde der Roboter eine rationssaal warten, bis der nächste Pa- tatsächlich anvertrauen würden, dar- Die Krankheit führt zwar selten zur noch grössere Sicherheit bieten. Denn tient vorbereitet ist und sie die Spritze auf deutet eine erste Umfrage hin, die vollständigen Erblindung, beeinträch- er misst mit Hilfe von Sensoren, ob der setzen können – ungenutzte Zeit, die Ophthorobotics mit 15 Personen mit tigt das Sehvermögen aber stark. Be- Patient das Auge unmittelbar vor dem sich über den Tag auf mehrere Stunden Makuladegeneration durchgeführt hat. troffene sehen häufig nur noch ver- Einstich bewegt. In dem Fall bricht das summiert. Eine Injektion an sich dau- «Wir waren überrascht davon, wie schwommen, können nicht mehr lesen Mit Hilfe von Gerät die Injektion sofort ab. «Es kann ert hingegen nur etwa 30 Sekunden. positiv die Befragten reagiert haben», 10 11 oder Auto fahren. In schweren Fällen Sensoren kann der schneller reagieren als wir Ärzte», sagt «Dank dem Roboter muss der Arzt sagt Ullrich. Alle gaben an, dass sie sich nehmen sie nur noch hell und dunkel Augenroboter Michels. Ein weiterer Vorteil wird künftig nicht mehr selbst im Operati- vom Roboter behandeln lassen würden schneller als jeder wahr. sein, dass der Roboter jeden Patienten onssaal anwesend sein», sagt Ullrich. – auch dann, wenn der Arzt oder die Arzt reagieren, Die Krankheit lässt sich nicht hei- falls der Patient mittels Iris-Scan eindeutig identifi- Er kann das Gerät von einem anderen Ärztin nicht im Raum ist, sie aber mit len, aber im fortgeschrittenen Stadium das Auge bewegt. ziert. So gibt es keine Verwechslungen Raum aus steuern, etwa seinem ihm oder ihr kommunizieren können. mit Medikamenten behandeln. Diese von Patienten. Gleichzeitig ist vorge- Sprechzimmer. «Dadurch kann er die Bei Spitälern findet der Injekti- halten den Krankheitsverlauf auf und sehen, dass das System automatisch Zeit zwischen den Injektionen für an- onsroboter ebenfalls Anklang: Bereits können manchmal sogar die Sehkraft die entsprechende Krankenakte auf- dere Aufgaben nutzen», sagt Ullrich. fünf Augenkliniken haben Interesse wieder verbessern. Dazu muss Patien- ruft, in der sämtliche vorherigen Be- Damit die Kommunikation mit geäussert, ein solches Gerät zu kaufen. ten in Abständen von vier bis sechs handlungen gespeichert sind – bei- dem Patienten trotzdem sichergestellt Doch zunächst müssen die Forschen- Wochen ein Medikament gespritzt spielsweise auch, in welches von bei- ist, werden im Gerät ein Bildschirm so- den aus dem bestehenden Prototyp ein werden, und zwar direkt ins Auge. den Augen injiziert werden soll und wie Mikrofon und Lautsprecher integ- klinisch einsetzbares Gerät entwi- «Die Prozedur ist unangenehm, aber ckeln, dieses testen und schliesslich in der Regel nicht schmerzhaft», sagt Forschende des Multiscale Robotic berechnet es die Einstichstelle und po- zertifizieren lassen. Dazu suchen sie Professor Stephan Michels, Stellver- Lab der ETH zusammen mit Ärzten sitioniert selbstständig die Injektions- zurzeit die nötige Finanzierung. Einen tretender Chefarzt der Augenklinik des Triemlispitals gegründet. «Unser nadel. Der Arzt kann alles in Echtzeit ersten Erfolg können sie verzeichnen: des Zürcher Stadtspitals Triemli. Al- Roboter wird der erste sein, der für auf einem Bildschirm überwachen. Er Der Start-Up erhält vom Schweizeri- lein am Triemli werden 7500 Augen Augeninjektionen eingesetzt werden muss nur noch kurz die Einstellungen schen Nationalfonds und von der Kom- injektionen pro Jahr durchgeführt, kann», sagt Franziska Ullrich, Maschi- prüfen und dann die Injektion per mission für Technologie und Innovati- schweizweit sind es etwa 100 000. nenbauingenieurin an der ETH und Knopfdruck starten. «Mit dem Robo- on einen Förderpreis in Höhe von «Manchmal behandle ich bis zu 60 Pa- CEO von Ophthorobotics. Dank dem ter wird der Eingriff präziser und si- 130 000 Franken, der den Transfer von tienten an einem Tag», sagt Michels. Roboter braucht der Arzt die Spritze cherer», sagt ETH-Forscherin Ullrich. Forschungserkenntnissen in die Wirt- nicht mehr selbst zu verabreichen. Sie arbeitet an der Weiterentwicklung schaft beschleunigen soll. — Claudia Injektionen per Knopfdruck Stattdessen wird das mobile Gerät des Geräts, das vorerst nur als Proto- Hoffmann Unterstützen könnte ihn und seine über dem Kopf des liegenden Patien- typ im Labor existiert. Der Augenroboter führt nicht nur den Eingriff aus, Kollegen dabei künftig ein Roboter, ten platziert. Es erstellt mit Hilfe von Bis jetzt führen Ärzte die Augenin- sondern er liefert dem überwachenden Arzt auch Zum ETH-Start-up: den der ETH-Start-up Ophthorobotics zwei Kameras ein 3D-Bild des Auges, jektionen manuell durch. Diese finden relevante Patienteninformationen. → www.ophthorobotics.com derzeit entwickelt. Die Firma haben in das die Injektion erfolgen soll. Dann im Operationssaal statt. Dort bereitet ETH GLOBE 2/2017 Bild: Ophthorobotics (2) ETH GLOBE 2/2017 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 10-11 06.06.17 08:49
NEW AND NOTED NEW AND NOTED Klimaforschung Architektur Einen neuen Lösungsansatz präsentie- ren nun Architekten der ETH Zürich: SENSIBLER LEICHT UND Sie haben Bodenelemente aus Beton REGENGÜRTEL TROTZDEM STABIL entworfen, deren tragende Platte nur zwei Zentimeter dick, aber trotzdem sehr stabil ist. Im Vergleich zu her- Erstmals untersuchten Wissenschaft- In den Städten ist der Platz knapp. kömmlichen Betonböden sind sie rund ler die globalen Wetterdaten der letz- Deshalb suchen Architekten nach We- 70 Prozent leichter. Weil die Platten ten 2000 Jahre. Dabei stellten sie fest, gen, kompakt zu bauen – und das mög- nicht flach, sondern gewölbt sind – dass bereits kleine Temperatur- lichst günstig und umweltfreundlich. ähnlich wie die Deckengewölbe in go- schwankungen den tropischen Re- Ein Ansatz ist dabei die Leichtbauwei- tischen Kathedralen – können sie sehr gengürtel beeinflussen. So verschob se: Je dünner die Decken eines mehr- grossen Belastungen standhalten. Des- er sich von 1450 bis 1850 deutlich stöckigen Gebäudes sind, desto mehr halb benötigen sie keinen schweren nach Süden. Diese Verschiebung hing Platz bleibt für zusätzliche Etagen. Bewehrungsstahl zur Verstärkung. In Moleküle mit einem Dysprosium-Atom (blau) werden auf der Oberfläche mit der Kleinen Eiszeit zusammen, Weil sie weniger Gewicht tragen müs- der Praxis getestet werden die neuarti- eines Nanopartikels (rot und orange) deponiert und verschmolzen. die damals für tiefere Temperaturen sen, lässt sich auch bei Fundamenten gen Bodenplatten im Forschungsge- Flach gedruckt kann das Objekt später auf der Erde sorgte. Jedoch betrug die Baumaterial sparen, was die Kosten bäude NEST in Dübendorf. in weitere Formen gebracht werden. durch die Eiszeit verursachte Diffe- senkt. Doch bei der heute üblichen Für die Produktion der Platten renz der Durchschnittstemperaturen Bauweise mit Beton ist es kaum mög- verwendeten die Forscher bisher teure Fertigungstechnik Datenspeicherung den Wissenschaftlern, magnetisierba- lediglich 0,4 Grad Celsius. Besonders lich, Gewicht zu reduzieren: Damit die Gussformen. Um die Kosten zu sen- re Dysprosium-Atome auf Nanoparti- für die Landwirtschaft in den Tropen Böden der Geschosse tragfähig sind, ken, haben sie nun erste Elemente aus VIERTE DIMENSION 12 13 KLEINSTMAGNETE keln anzuordnen. Die Forschenden und Subtropen kann eine Verschie- müssen sie im Durchschnitt 25 Zenti- Sand mit Hilfe von 3D-Druck gefer- AUF NANOEBENE packten die Atome in ein Molekülge- rüst und fusionierten sie bei 400 Grad bung fatale Folgen haben: zum Bei- spiel grosse Dürren oder Starknieder- meter dick sein und im Innern zusätz- lich mit Stahlstäben oder -gittern ver- tigt. Diese halten Lasten von 1,4 Ton- nen stand und erfüllen damit ebenfalls 3D-Drucker sind zum Standard vieler Labors geworden. Nun kommt der Celsius mit den Partikeln. schläge. stärkt werden. Dadurch sind sie sehr die schweizerischen Baunormen. 4D-Druck. Damit werden bewegliche Die Vorstellung klingt faszinierend: Im Unterschied zu anderen schwer. und veränderbare Objekte herge- Unmengen von Daten könnten auf Kleinstspeichern auf Nanoebene ist stellt, wie etwa flache Bausätze, die kleinstem Raum gespeichert werden, diese neue Methode besonders ein- sich zu einem späteren Zeitpunkt zu wenn man für eine Informationsein- fach: Man benötigt für die Herstellung Mikrobiologie dreidimensionalen Objekten entfal- heit (in der binären Digitaltechnik eine der mit Atomen bestückten Nano ten lassen. ETH-Wissenschaftlern ist Null oder eine Eins) bloss ein ein - partikel weder einen Reinraum noch DURCHFALLERREGER es nun gelungen, ein Konstruktions- ziges Atom oder ein kleines Molekül komplexe Apparaturen. Zudem kön- brauchte. Theoretisch ist dies möglich, nen die Nanopartikel bei Raumtempe- IN KETTEN LEGEN prinzip zu schaffen, dank dem sich die Formänderungen genau kontrollie- indem man bestimmte Atome so mag- ratur aufbewahrt und wiederverwen- ren lassen. Ihre flach hergestellten netisiert, dass die Magnetisierung eine det werden. ETH-Biologen konnten aufklären, Strukturen verändern ihre Konfigura- von zwei möglichen Richtungen an- Die Nachteile: Die Magnetisie- wie Impfungen bakterielle Darm tion nicht irgendwie, sondern genau nimmt: «Spin down» oder «Spin up». rung funktioniert nur bei rund –270 erkrankungen bekämpfen: Die Impf- wie von den Forschenden vorhergese- So liesse sich in der Abfolge der Mag- Grad Celsius und hält auch nur maxi- stoff-induzierten Antikörper legen hen. Ausserdem können die Struk netisierungsrichtungen Information mal eineinhalb Minuten an. Daher die sich im Darm ausbreitenden turen mit Gewicht belastet werden. speichern. suchen die Wissenschaftler nach Me- Krankheitserreger in Ketten. Zwar Solche tragfähigen 4D-Druck-Objek- Jedoch gibt es noch einige Hürden thoden, die Magnetisierung auch bei können sich die Erreger weiterhin te konnte vor dem ETH-Forschungs- zu überwinden auf dem Weg zu Einzel- höheren Temperaturen und über län- vermehren, doch die Nachkommen team noch niemand herstellen. molekülmagnet-Datenspeichern. Eine gere Zeit stabil zu halten. Ausserdem bleiben in einem Klumpen gefangen. davon ist das Anordnen von magneti- möchten sie die magnetisierbaren Ato- Dadurch wird die Ansteckung des sierbaren Molekülen auf einer festen me statt mit Nanopartikeln mit einer Darmgewebes verhindert, das Aus- Unterlage. Diese Herausforderung flachen Unterlage fusionieren. scheiden des Erregers beschleunigt Mehr Informationen zu diesen und konnte nun ein internationales For- und der Genaustausch zwischen Bak- weiteren Forschungsnachrichten scherteam unter ETH-Leitung bewäl- terien verschiedener Familien unter- aus der ETH Zürich finden Sie unter: tigen: In ihrem neuen Ansatz gelang es bunden. ETH-Forscher Philippe Block steht auf einem aus Sand gedruckten Boden-Prototyp. → www.ethz.ch/news ETH GLOBE 2/2017 Grafik: Allouche F. et al., ACS Central Science 2017 Bild: Peter Rüegg; Tian Chen ETH GLOBE 2/2017 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 12-13 06.06.17 08:49
FOKUS Ein winziger Augenblick im Web: In jeder Sekunde verschicken wir weltweit mehr als 2 Millionen E-Mails, starten rund 60 000 Google-Anfragen und verteilen rund 70 000 Facebook-Likes. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Unser Leben wird mehr und mehr davon bestimmt, dass riesige 14 Datenmengen sicher verarbeitet werden. Im Fokus dieser Globe-Ausgabe steht die Datenwissenschaft, die hilft, aus dem Datenmeer sinnvolles Wissen zu fischen. ANGESCHAUTE YOUTUBE-VIDEOS — 68 747 HOCHGELADENE INSTAGRAM-FOTOS — 774 VERSCHICKTE E-MAILS — 2 557 933 ABGESETZTE TWEETS — 7567 GOOGLE-ANFRAGEN — 59 601 GEHACKTE WEBSITES — 0.9 POSTS AUF TUMBLR — 1226 FACEBOOK-LIKES — 66 666 EINE SEKUNDE IM WEB: SKYPE-ANRUFE — 2529 ILLUSTRATIONEN IM FOKUS: Carl De Torres, Story TK Quelle: www.internetlivestats.com A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 14-15 06.06.17 08:49
FOKUS FRIEDEMANN MATTERN ist Professor an der ETH «Maschinen haben noch Zürich. Er leitet die PATRICK BURKHALTER ist Forschungsgruppe für Verwaltungsratspräsident verteilte Systeme im der Firma Ergon Informatik Departement Informatik. AG in Zürich, die er als Forschungsgebiete sind keine Moral.» CEO von 1992 bis 2016 dezentrale Systeme, leitete. Als einer von 50 Ubiquitous Computing, «digital shapers» war er Sensornetze und das beteiligt an der Erarbei- Internet der Dinge. Dabei tung des «Digitalen Mani- geht es ihm und seiner fests für die Schweiz», Gruppe weniger um einzel- Alle reden von der digitalen Revolution. das in Zusammenarbeit mit ne Anwendungen, sondern Digitalswitzerland und um grundlegende Konzepte, Für Patrick Burkhalter, langjähriger Leiter der Bundespräsident Johann die als Basis für mög- Schneider-Ammann im Januar lichst viele Anwendungen Softwarefirma Ergon, und Informatikprofessor 2017 vorgestellt wurde. dienen können. Friedemann Mattern hat diese längst begonnen. INTERVIEW Martina Märki und Nicole Kasielke FOTO Gerber/Loesch dass dieses Verfahren besser funktio- haupt. Schliesslich sind die Vorstellun- niert als regelbasierte Systeme, mit de- gen, was moralisch richtig ist, von nen derzeit noch die meisten Banken Kultur zu Kultur, von Zeitraum zu arbeiten. Zeitraum unterschiedlich. Es gibt je- FRIEDEMANN MATTERN — Tatsächlich doch interessante Experimente. So 16 stellt man in einer ganzem Reihe von versucht man derzeit, Systeme aufzu- Gebieten fest, dass selbstlernende bauen, die nichts anderes machen als Verfahren besser sind als das, was Zeitung zu lesen und so ein Weltwissen Experten den Maschinen vorher in entwickeln. Diese Systeme lernen so mühsamer Arbeit mit Regelwerken beispielsweise, dass jeder Mensch El- zu einem Thema eingebaut haben. In tern hat. Aber sie scheitern an der Fra- Bereichen wie Bilderkennung etwa, ge, ob Schwiegermütter nett oder böse wo früher Menschen als Experten sind, weil beide Varianten in Texten unersetzlich waren, treffen heute vorkommen. Maschinen, sofern genügend Lern material zur Verfügung steht, oft bes- Künstliche Intelligenz war doch schon sere Entscheidungen als der Mensch. in den 1980er-Jahren ein Thema. Aber Maschinen haben ein Manko: Warum ist gerade jetzt so oft die Rede Sie reflektieren ihre Entscheidungen von einer digitalen Revolution? derzeit nicht auf einer Metaebene. Sie BURKHALTER – Für mich als Informa- haben noch kein moralisch-ethisches tiker ist das eher eine Evolution. Es Sensorium. gibt alle paar Jahre neue Entwicklun- Herr Burkhalter, Ihre Firma hat 1997 gen in der Forschung. Dass man nun zusammen mit Credit Suisse das erste Wäre so etwas überhaupt denkbar? plötzlich von einer digitalen Revoluti- Onlinebanking-System der Schweiz BURKHALTER – Unser System erkennt on spricht, könnte daran liegen, dass entwickelt. An welchem Meilenstein Muster, die aus dem Rahmen fallen, den Leuten plötzlich bewusster wird, arbeiten Sie heute? und reagiert auf auffällige Abweichun- dass Software in immer mehr Alltags- PATRICK BURKHALTER — Ein aktuel- gen. Es trifft keine moralischen Ent- gegenständen eine immer grössere les Beispiel ist die Anwendung von scheidungen. Rolle spielt. maschinellem Lernen im Umfeld von MATTERN — Die Frage, wie man Moral MATTERN — Digitalisierung findet Finanztransaktionen. Wir entwickeln so formalisieren könnte, dass sie Ma- schon lange statt. Die ersten Computer ein lernendes System, das Betrugsfälle schinen implementiert werden könn- gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg, in aufdecken kann. Wir konnten zeigen, te, gehört zu den Schwierigsten über- den 1950er-Jahren entstanden be- ETH GLOBE 2/2017 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 16-17 06.06.17 08:49
FOKUS FOKUS reits zahlreiche Bankanwendungen. haben. Das geht nicht von heute auf Wie steht es denn um die Akzeptanz? gesetzlich regulieren. Wenn allerdings einfach zu weit weg für uns. Wir kön- MATTERN — Das ist ein Traum. In der Dann krempelte der PC in den morgen, sondern eher schleichend, Immerhin werden dabei ganz schön viele zu streng reglementiert wird, welche nen von der Schweiz aus gewisse Ni- Praxis zeigt sich immer wieder, dass 1980er-Jahren die Bürowelt um, es gab aber es wird die Welt verändern. Daten über den Einzelnen gesammelt. Daten wie verwendet und weitergege- schen besetzen, wir sind sogar in man- ein Hub wirklich lokal konzentriert die Digitalisierung der Telefonie in den MATTERN — Es kommt immer darauf ben werden dürfen, dann wird der Ser- chen Nischen Marktführer, aber ich sein muss. Nur so entsteht der Aus- 1990ern und schliesslich die Digitali- Können Sie Beispiele nennen für das, an, in welchem Rahmen sich die neue vice entweder nicht angeboten, oder bin mir nicht sicher, ob das tatsächlich tausch unter den Beteiligten, der krea- sierung von Fotografie, Musik und was auf uns zukommt? Technik präsentiert. Wenn eine Sache wir müssen teuer dafür bezahlen. Aber reicht, um global Standards zu setzen. tive Funken schlägt. Fernsehen. Die Digitalisierung kam BURKHALTER – Einer unserer Kunden, unmittelbaren Nutzen oder Spass ver- dass immer mehr Dinge mehr Daten MATTERN — Ich bin nicht ganz so opti- BURKHALTER – Als Firma machen wir schon immer in Wellen und hat ganze der in der Heizungs-, Lüftungs- und spricht, wird über den potenziellen brauchen, diese Entwicklung können mistisch, was die Schweiz betrifft. Es genau die gleiche Erfahrung. Wir ha- Bereiche umgekrempelt, mit Folgen Klimabranche tätig ist, hat kürzlich Schaden kaum nachgedacht. Denken wir nicht aufhalten. gibt etwa vier bis fünf IT-Technolo- ben unsere Mitarbeiter gefragt, wo un- für die Arbeitswelt und einhergehen- sein erstes Produkt mit einer Verbin- Sie an das Smart Home: Als älterer gie-Hubs in der Welt. Das sind Stan- sere Büros liegen sollen: sehr teuer in der Sorge um Arbeitsplätze. dung in die Cloud herausgebracht. Es Mensch mit gesundheitlichen Proble- Gibt es kulturelle Unterschiede in der ford und das Silicon Valley, Berkeley der Stadt Zürich oder günstig und ver- handelt sich um ein Ventil, das bei men bin ich unter Umständen ganz Akzeptanz intelligenter Techniken? und ganz Kalifornien sowie Boston mit kehrstechnisch gut erschlossen an der Ist Digitalisierung also nur ein neues Heiz- und Kühlanlagen die Durch- froh, sanft überwacht zu werden und MATTERN — Natürlich. In China zählt dem MIT und Harvard. Zu nennen ist Peripherie. Wir hätten dabei das Geld, Schlagwort? flussmenge des Wassers sowie die ein- eine Technik zu haben, die Alarm der Einzelne nicht so viel wie die Ge- MATTERN — Nicht nur. Es gibt eine Rei- und ausgehende Temperatur misst. schlägt, wenn ich stürze. Andererseits sellschaft. Dort muss jedes Auto fun- he von Techniken, die reif geworden Dadurch, dass das Ventil an die Cloud kann diese Art Technik – und das geht ken, wo es sich befindet. Das liesse sich sind. Das Mobiltelefon existiert seit angeschlossen ist, kann die Firma den über das Datenschutzproblem hinaus in unserer individualisierten Gesell- «Wer einen Hub Schweiz will, muss Jahrzehnten. Aber erst heute ist es Energieverbrauch ständig überwachen – auch in Paternalismus ausarten. Ma- schaft nicht durchsetzen. In Amerika klein und preiswert genug, so dass je- und auf den optimalen Wirkungsgrad schinen werden uns vermutlich immer sieht man Daten als Ware – bei uns für einen Hub Zürich kämpfen.» der darüber verfügt. Das Cloud Com- einstellen – und zwar weltweit. Das mehr zu unserem Schutz bevormun- sagt man, du kannst doch dein Eigen- Friedemann Mattern puting ist innerhalb kurzer Zeit aufge- MIT spart mit diesem relativ simplen den. Das Auto etwa fährt prinzipiell tum an persönlichen Daten nicht ein- kommen, weil die Vernetzung so ext- Mittel bereits 1,5 Millionen Dollar pro nicht schneller, als auf der Strecke fach verkaufen. Die entscheidende rem billig geworden ist und weil heute Jahr an Energiekosten. durch Geschwindigkeitsbegrenzung Frage ist, wer die Macht hat, seine riesige Datenspeicher vorhanden sind. MATTERN — Intelligente Stromzähler vorgeschrieben. Oder es startet nicht, Standards durchzusetzen. Die grossen auch Israel, wo der Bereich massiv das wir einsparen, unseren Mitarbei- Diese Entwicklungen zusammen erge- können anhand des Stromverbrauchs bevor ich angeschnallt bin. Davon sind Entwicklungen der letzten Jahre, die durch das Militär gefördert wird. Vor- tern als zusätzliches Salär ausbezahlt. ben plötzlich neue Potenziale, es heute unser Leben verändern, kamen aussetzung für einen solchen Hub ist 80 Prozent der Befragten haben den- kommt zu Lawineneffekten aufgrund praktisch alle aus den USA. Google, immer eine herausragende Universität noch klar für Zürich votiert. 18 19 von Synergien. Facebook, Uber – es sind die grossen von einer gewissen Grösse. Und da ha- MATTERN — Auch Google sitzt nicht ir- BURKHALTER – Wir spüren auch auf «Wir brauchen nicht einfach amerikanischen Firmen, die die Nor- ben wir in der Schweiz ein Problem. gendwo auf der grünen Wiese, sondern der Nachfrageseite, dass da etwas men bestimmen. Wer dagegen Server Die ETH Zürich ist in entscheidenden im Zentrum des Zentrums direkt beim kocht. Jeder will plötzlich digitalisie- Datenschutz, in China verkaufen will, muss garantie- Bereichen zu klein. Gewiss, wir konn- Zürcher Hauptbahnhof. Wenn wir ei- ren, die wenigsten wissen genau was, sondern eine Datenethik.» ren, dass die Daten in China bleiben. ten in den letzten Jahren, nicht zuletzt nen Hub in der Schweiz haben wollen, aber die meisten haben Geld. Etwas Wir in Europa lavieren ein bisschen, dank Unterstützung von Industrie- müssen wir für einen Hub Zürich Ähnliches habe ich zum letzten Mal Patrick Burkhalter und Afrika und andere Länder sind partnern, einiges aufbauen: Ich denke kämpfen. Ich weiss, dass das dem hel- 1996 mit dem Aufkommen des Inter- dem völlig ausgeliefert. Ich glaube, zum Beispiel an Disney Research oder vetischen Denken eigentlich wider- nets erlebt. dass die Werte letztendlich von denen an das ZISC *. Aber wir können ein- spricht, aber hier kann man nicht mit gesetzt werden, die die wirtschaftliche fach nicht alle wichtigen Gebiete genü- der Giesskanne alle berücksichtigen Damals folgte auf den Internetboom auch feststellen, um welche Art Haus- wir bereits heute nicht weit entfernt. und industrielle Macht haben. gend breit abdecken. Chancen für wei- wollen. Und man darf den Zugang von die Blase … halt es sich handelt: Familienhaushalt, Alles gut gemeint, aber es schränkt un- tere Hubs bestehen auch in Europa guten Köpfen aus aller Welt nicht be- BURKHALTER – Es gibt einen wichti- Singlehaushalt und so weiter. Man sere Handlungsfreiheit ein. Die Schweiz ist klein, technologisch und Asien. In China ist definitiv der hindern. Wenn wir nicht zu einem In- gen Unterschied: Die aktuellen Digita- könnte also ganz gezielt Stromspar- aber auf einem hohen Stand. Kann sie politische Wille dafür vorhanden. In formatik-Hub in Europa werden, wer- lisierungsprojekte sind heute meistens tipps geben, etwa in dem Stil: Deine Maschinen werden also darüber ent- bei den Grossen mitspielen? Europa hätte Zürich gute Chancen, den die Chancen für Unicorns aus dem gekoppelt an etwas Physisches. Soft- Waschmaschine verbraucht doppelt so scheiden, was gut für mich ist. Können BURKHALTER – Rein vom Wissen her, aber wir müssten die Kapazitäten im Informatikbereich made in Switzer- ware Engineering ist eine immer wich- viel Strom wie eine in einem vergleich- wir uns dem überhaupt entziehen? ja. Aber wir haben in der Schweiz, ver- Bereich Informationstechnik der ETH land sehr klein bleiben. Aber ich bin tigere Komponente, um Produkte bes- baren Haushalt. Vielleicht solltest du BURKHALTER – Bis zu einem gewissen glichen mit dem Silicon Valley etwa, nochmals kräftig aufstocken. Und es überzeugt, dass Europa einen solchen ser zu machen oder um damit verbun- ein sparsameres Modell kaufen. All das Grad werden wir die Vorteile, die sol- einfach nicht so viele intelligente Soft- müssten noch ein paar grosse Firmen Hub braucht – auch damit sich die be- dene Dienstleistungen anzubieten. gleich mit entsprechenden Links, so che Techniken uns bieten, nicht missen wareingenieure zur Verfügung. Wir mehr hierherziehen – all das geschieht währten europäischen Werte in unse- MATTERN — Das heisst aber auch, dass dass der Betroffene mit wenigen Klicks wollen. Aber wir brauchen sicher in müssen gezielt daran arbeiten, ein nicht von heute auf morgen. Ich fürch- rer digitalisierten Zukunft wiederfin- mit dieser Digitalisierungswelle wahr- zu seiner neuen Waschmaschine Zukunft nicht einfach Datenschutz, Hotspot zu werden. Manche Voraus- te, dass der politische Mut für die not- den. // scheinlich ein viel nachhaltigerer und kommt. Ähnlich könnten wir auch in sondern eine Datenethik. setzungen sind nicht schlecht. Wir ha- wendigen Investitionen noch nicht umfassenderer Umbruch der Gesell- der Industrie mit Sensorik und intelli- MATTERN — Gesundheitsarmbänder, ben Google hier, wir sind ein führendes wirklich da ist. schaft einhergeht. Sie wird nicht nur genter Datenauswertung den Energie- Smartphones und so weiter müssen et- IT-Zentrum von Europa. Doch demge- * Das Zurich Information Security and Privacy Center (ZISC) wird durch Donationen an die ETH einige wenige Bereiche betreffen, son- verbrauch weiter optimieren. Im Ener- was über uns erfahren, damit sie sinn- genüber stehen die USA mit einem Müsste man nicht über Zürich hinaus Zürich Foundation unterstützt von Dormakaba, dern auf die Industrie, die Politik und giebereich gibt es enormes Potenzial volle Dinge tun können. Natürlich soll- Riesenmarkt und einer einheitlichen denken? Zürich und Lausanne etwa – Open Systems, Schweizerische Post, SIX Group, unser soziales Leben Auswirkungen für intelligente Technik. te man das bis zu einem gewissen Grad Sprache und Kultur. Asien dagegen ist könnte so ein Hub entstehen? Swisscom, ZKB und Zurich Insurance. ETH GLOBE 2/2017 ETH GLOBE 2/2017 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 18-19 06.06.17 08:49
FOKUS Medizin im Datenrausch Genomik, digitalisierte Patientendossiers und Echtzeit-Gesundheitsüberwachung – noch nie waren so viele Gesundheitsdaten verfügbar. TEXT Samuel Schlaefli Karsten Borgwardt spricht unaufgeregt und be- erzählt Borgwardt. Durch technische Fortschrit- dacht, als wollte er dadurch etwas Ruhe in ein te in der Genomik können heute Milliarden Ba- Forschungsgebiet bringen, in dem es turbulent zu senpaare eines menschliches Genoms in wenigen und her geht. Die Datenwissenschaften in der Tagen sequenziert werden – und das für weniger biomedizinischen Forschung erleben aktuell ei- als 2000 Franken. Das eröffnet komplett neue nen Boom: mehr Professoren, mehr Fördergel- Möglichkeiten: Standen früher Fragen auf der der, mehr Rechenkapazität und mehr For- Molekularebene des Individuums im Vorder- schungskooperationen. Borgwardts «Machine grund, so beschäftigen sich Forschende heute im- Learning & Computational Biology Lab» am De- mer mehr mit Fragen auf Populationsebene; partement für Biosysteme in Basel ist seit der letztendlich also mit dem Erbgut der gesamten Gründung im Juni 2014 auf 15 Mitarbeiter ange- Menschheit. Zugleich verschiebt sich die Über- wachsen – und es werden weitere hinzukommen. wachung des Gesundheitszustands von punktu- Der 36-jährige Professor verkörpert einen ellen Messungen, zum Beispiel beim jährlichen neuen Typus von Data Scientist, wie er in der Arztbesuch, zu kontinuierlichen Echtzeitmes- 20 Medizin der Zukunft einen festen Platz einneh- sungen. Mit «Wearables» und Smartphone-Apps men dürfte. Er hat Informatik mit Biologie im können schon heute jederzeit Puls, Körpertem- Nebenfach studiert, wobei er in letzterem in sei- peratur und Bewegungsmuster aufgezeichnet nem vierten Studienjahr zusätzlich einen Master werden. Zu den neuen Möglichkeiten in Gesund- an der Oxford University absolvierte. Borgwardt heitsüberwachung und Genomik kommt hinzu, ist mit der Entschlüsselung des ersten menschli- dass Patientendossiers in den Spitälern zuneh- chen Genoms aufgewachsen und war schon wäh- mend elektronisch verfügbar sind. rend des Studiums fasziniert von den neuen In all diesen Daten steckt grosses Potenzial. Möglichkeiten in der Genomik. Doch heute Gelingt es, sie gezielt zu nutzen, so könnten The- weiss er, dass die anfänglichen Hoffnungen oft rapien personalisiert und deren Wirkung erhöht überzogen waren: «Wir sind nach wie vor weit werden, so die Hoffnung der Forscher. «Dabei davon entfernt, vom Genom einer Person präzi- wird der Zufall zu einer extrem wichtigen Grös se auf das Vorkommen komplexer Krankheiten se», erklärt Borgwardt. Denn ein Algorithmus schliessen zu können.» Eine mögliche Erklärung muss unterscheiden können zwischen zufälligen dafür: Nicht einzelne Veränderungen im Genom, Zusammenhängen zwischen Patientendaten und sondern vielmehr die Interaktion von Millionen dem Auftreten einer Krankheit und statistisch- von Basenpaaren in der menschlichen DNA sind signifikanten. «Aufgrund der Grösse der multi für komplexe Krankheiten wie Krebs oder Dia- dimensionalen Datenräume stellen sich klassi- betes verantwortlich. Und hier kommt die Infor- sche Fragen der Statistik komplett neu.» Mit matik ins Spiel. Hilfe eines SNF-Starting Grants entwickelt seine Forschungsgruppe deshalb neue Algorithmen, DATENEXPLOSION IN DER GENOMIK die statistisch-signifikante Muster in riesigen Um solche Interaktionen abbilden und simulie- Datenbergen entdecken. Die Algorithmen ren zu können, braucht es Unmengen von Daten. Heute – 16 Jahre nach der Veröffentlichung der Bis in fünf Jahren wird das Genom von Sequenz des menschlichen Genoms – sind diese 15 Prozent der Bevölkerung in den In- verfügbar. «Wir erleben aktuell eine Explosion dustrieländern sequenziert sein. Dann der Datenmengen in mehreren Dimensionen», werden Algorithmen in Milliarden von Basenpaaren nach krankheitsrelevanten Mustern suchen. ETH GLOBE 2/2017 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 20-21 06.06.17 08:49
FOKUS sind schneller, benötigen weniger Rechenkapazi- nen eine wichtige Rolle. So zum Bei- KARSTEN BORGWARDT ist tät und können relevante von irrelevanten Daten spiel bei der Magnetresonanztomogra- ordentlicher Professor viel effizienter als bisher trennen. phie (MRI), die heute, besonders bei für Data-Mining am Weichteilen, zu den wichtigsten medi- Departement für Biosys- FÜR DIE INTENSIVSTATION zinischen Untersuchungsmethoden teme (D-BSSE) der ETH Zürich in Basel. Seine Durch die Fortschritte in der Genomik und die gehört. Klaas Prüssmann, Professor Forschung gilt der Ent- zunehmende Digitalisierung von Patientendaten am Institut für Biomedizinische Tech- wicklung von Algorith- wird Data Science für die Medizin relevant. Das nik, das von der ETH und Universität men zur effizienten «European Bioinformatics Institute» prognosti- Zürich gemeinsam betrieben wird, hat Suche in schnell wach- ziert, dass bis in fünf Jahren das Genom von 15 sich der Weiterentwicklung der MRI senden Datenbeständen. Prozent der Bevölkerung in Industrieländern, verschrieben. In einem kürzlich publi- also 150 Millionen Menschen, sequenziert sein zierten Artikel beschreibt er ein Sys- wird. Gunnar Rätsch, Professor für Biomedizin- tem, das mit 30 Temperatur- und 16 informatik, rechnet vor: Das wären rund 28 Exa- Magnetsensoren eine Selbstdiagnose byte (= 28×10 9 Gigabyte) an Daten. Um aus sol- des MRI-Geräts erstellt. Bei verdäch- chen Datenmengen für Forschung und Patienten tigen Mustern könnten Techniker Wissen zu gewinnen, das zu präziseren und per- künftig frühzeitig gewarnt und so Aus- GUNNAR RÄTSCH ist seit sonalisierten Therapien beiträgt, sind neue, effi- fallzeiten des Geräts im Spital verkürzt Mai 2016 Professor für Biomedizininformatik am ziente Algorithmen nötig. Diese sollen zum Bei- und Kosten gespart werden. Data Science wird die Bildgebung der Zukunft stark verändern. Departement Informatik spiel in Milliarden von Basenpaaren nach krank- Auch Prüssmann spürt in seinem der ETH Zürich. Er heitsrelevanten Interaktionen suchen. Rätschs Forschungsbereich aktuell «den Vor- entwickelt maschinelle Gruppe arbeitet im Rahmen eines Projekts im abend einer Goldgräberzeit». Er geht Lernalgorithmen für Nationalen Forschungsprogramm 75 «Big Data» davon aus, dass Data Science in Zu- die Analyse biologi- nicht für die weitere Analyse.» Er setzt grosse MEDIZIN UND DATENWISSENSCHAFT FÖRDERN daran, die grossen Genomdatenmengen effizient kunft nicht nur MRI-Geräte, sondern scher und medizinischer Hoffnungen in das «Swiss Personalized Health zu speichern und zu analysieren. «Wir befinden auch die Bildgebung an sich verändern Daten. Network» (SPHN), an dem sich Schweizer Hoch- Die ETH Zürich schreibt erstmals eine Professur für Genombiologie aus. Damit baut uns mitten in einem Durchbruch!», sagt der Da- wird. «Wenn es uns gelingt, bei schulen und Kliniken beteiligen, um die Inter die Hochschule ihre internationale Führungs tenwissenschaftler euphorisch. MRI-Aufzeichnungen relevantes Vor- operabilität der Daten zu sichern und den Daten- 22 23 position im Bereich der personalisierten Doch wie können Patienten konkret von sol- abwissen, zum Beispiel, dass wir ein transfer zwischen Spitälern und Forschungsinsti- Medizin weiter aus. Ermöglicht wird die neue chen smarten Algorithmen profitieren? Rätsch Hirn und nicht ein Herz untersuchen, tutionen zu erleichtern. Rätsch sieht weitere Professur durch Donationen der NOMIS Founda präsentiert ein praktisches Beispiel: In enger Zu- in eine für unser System verwertbare Herausforderungen: «Im klinischen Alltag ste- tion und der Lotte und Adolf Hotz-Sprenger sammenarbeit mit dem Inselspital Bern entwi- Form zu bringen, könnten wir die Ge- hen die Patienten und die Datensicherheit an vor- Stiftung an die ETH Zürich Foundation. Die KLAAS PRÜSSMANN ist Professur wird mit anderen Forschenden des ckelt seine Gruppe zusammen mit der Gruppe schwindigkeit, Effizienz und Aussage- derster Stelle und nicht das Aufzeichnen aller Professor für Bioima- Departements Biologie der ETH Zürich in den von Borgwardt ein Frühwarnsystem für Organ- kraft der Messungen stark steigern.» ging am Institut für relevanten Daten für weiterführende Big-Da- Bereichen Proteomik, Genetik, Systembiologie, versagen auf der Intensivstation. Während zehn Zugleich prognostiziert Prüssmann Biomedizinische Technik ta-Forschung.» Datenwissenschaftler müssten Zelldynamik und molekulare Biologie eng zu Jahren hat das Spital von nahezu 54 000 Patien- auch für die Radiologie grössere Um- der Universität und ETH noch klarer aufzeigen, wo sie Mediziner unter- sammenarbeiten. Im Vordergrund steht die Ver ten Daten zu Blutdruck, Puls, Temperatur, Medi- brüche. In Zukunft wird es nämlich Zürich. Seine Forschung stützen können, ohne den klinischen Alltag zu netzung mit den Computerwissenschaften. So kamenteinnahme, Glukose- und Laktosestand möglich, Millionen von bestehenden widmet sich der Ent- stören oder die Datensicherheit zu gefährden. sollen klinische Entscheidungen künftig durch sowie Elektrokardiogramm (EKG) aufgezeich- MRI-Bildern mit einer aktuellen Mes- wicklung medizinischer Deshalb erachtet er den Bachelor Humanmedi- computergestützte Analysen der komplexen Bildgebungsmethoden Patientendaten rational getroffen werden net. Rätsch entwickelt nun Algorithmen, um die- sung zu vergleichen. Daraus können zin, der im Herbst 2017 zum ersten Mal an der auf der Basis von mag- können. se 500 Gigabyte an Daten mit rund 3,5 Milliarden wichtige Hinweise auf bestimmte netischer Kernresonanz. ETH durchgeführt wird und der auch Kurse in Einzelmessungen auf Muster hin zu analysieren, Krankheiten gewonnen werden. Zu- Informatik und maschinellem Lernen beinhaltet, www.ethz-foundation.ch die auf einen baldigen Notfall hindeuten. Ärzte dem können Algorithmen Muster in als wichtigen Schritt im Zusammenrücken von und Pfleger könnten dadurch künftig Massnah- MRI-Bildern erkennen, die von blos- Datenwissenschaften und Medizin. «Der Einzug men einleiten, bevor sich der Gesundheitszu- sem Auge nicht sichtbar sind. von Data Science ins Spital wird auch eine neue stand eines Patienten sichtbar verschlechtert. Generation von Medizinern hervorbringen», ist Für solche Systeme ist maschinelles Lernen nö- RUF NACH HARMONISIERUNG Rätsch überzeugt. // tig, ein wichtiges Teilgebiet der Data Science. Eine der grössten Herausforderungen für Data- Programme sollen aus einem gegebenen Daten- Science-Anwendungen im Gesundheitswesen, MACHINE LEARNING & COMPUTATIONAL BIOLOGY LAB: satz Muster und Gesetzmässigkeiten erkennen da sind sich die Experten einig, ist die fehlende www.bsse.ethz.ch/mlcb und dadurch kontinuierlich hinzulernen. Harmonisierung der Daten. «Anonymisierte Daten aus unterschiedlichen Spitälern zu For- BIOMEDICAL INFORMATICS GROUP: AUTOMATISIERTE RADIOLOGIE schungszwecken sind oft nicht direkt vergleich- bmi.inf.ethz.ch Nicht nur bei der Auswertung von Patientenda- bar», erzählt Borgwardt. Und sein Kollege Rätsch ten, sondern auch bei der Weiterentwicklung von ergänzt: «In Spitälern wurden Daten bislang oft BIOMEDICAL IMAGING: medizinischen Geräten spielt maschinelles Ler- für Krankenkassenabrechnungen gesammelt und www.mrtm.ethz.ch ETH GLOBE 2/2017 Bild: Giulia Marthaler (3) Bild: Scanderbeg Sauer ETH GLOBE 2/2017 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 22-23 06.06.17 08:49
FOKUS Ein neues Fundament Der weltweite Datenverkehr basiert auf veralteten Technologien. Eine neue Internetarchitektur soll Abhilfe schaffen. TEXT Felix Würsten Am Anfang stand ein Gedankenspiel: Angesichts den richtigen Rechnern führen. Das Problem da- der vielen Sicherheitsmängel, die das heutige In- bei: Wer den Hauptserver kontrolliert, kann im ternet aufweist, fragte sich Adrian Perrig: Wie Prinzip ohne viel Federlesens ganze Länder vom sicher kann man ein Internet überhaupt konzi- Netz abhängen, ohne dass sich diese dagegen pieren? Im Laufe der letzten sieben Jahre ist aus wehren könnten. Auch das HTTPS-Protokoll, dieser Frage ein Grossprojekt entstanden, das das heute vertrauensvoll zur sicheren Datenüber- unsere heutige digitale Welt grundlegend verän- tragung verwendet wird, ist längst nicht so sicher, dern könnte. Als Professor für Netzwerksicher- wie sich das die Nutzer vorstellen. Es sei, so er- heit arbeitet Perrig zusammen mit seinem Team klärt Perrig, sogar relativ einfach, dieses System am Zurich Information Security and Privacy so zu manipulieren, dass die Daten umgeleitet Center (ZISC) daran, das Internet auf ein neues, und von Unbefugten mitgelesen und verändert solideres Fundament zu stellen. «Mit unserem werden können. Und noch an einem anderen gra- Ansatz wird das Internet nicht nur sicherer, son- vierenden Problem stört sich Perrig: Immer wie- dern auch zuverlässiger und sogar schneller», er- der kommt es vor, dass Internetdienste für meh- 25 klärt er. rere Minuten nicht verfügbar sind. Was für den Privatanwender zuhause vielleicht bloss ein är- ELEMENTARE FEHLER gerlicher Schönheitsfehler ist, kann im Ge- Das Internet neu starten: auf den ersten Blick schäftsleben, wo Daten in Echtzeit ausgetauscht eine unmögliche Aufgabe, wenn man bedenkt, werden müssen, gravierende Folgen haben. wie weit verzweigt und komplex das Zusammen- spiel der Abertausende von Servern und Compu- KEINE ABSTECHER tern inzwischen ist. Dennoch ist Perrig felsenfest «Es ist unglaublich, wie pannenanfällig das heuti- überzeugt, dass sich mit seinem Ansatz zahlrei- ge Internet ist», sagt Perrig kopfschüttelnd. che grundlegende Probleme gleichzeitig lösen «Dies alles wäre mit Scion nicht mehr der Fall.» lassen, mit denen sich die Netzgemeinschaft Das Akronym steht für «scalability, control, and schon seit Jahren herumschlägt. «Die Grundla- isolation on next-generation networks». Die gen für das heutige Internet wurden in den Grundidee hinter der abstrakten Formel: Das In- 1970er-Jahren entwickelt, zu einer Zeit also, als ternet wird künftig in autonome, voneinander sich noch niemand vorstellen konnte, welches separierte Untereinheiten, sogenannte Isolation Ausmass der weltweite Austausch von Daten ein- Domains, unterteilt, in denen sich die Mitglieder mal annehmen würde.» auf eine gemeinsame vertragliche und rechtliche Die heutigen Probleme fangen bereits bei Basis einigen. Innerhalb einer Isolation Domain ganz elementaren Dingen wie dem Domain Name definieren dann die Internet Service Provider – System (DNS) an: Dieser hierarchische Verzeich- Telekom-Unternehmen, Firmen, Universitäten nisdienst, weltweit verteilt auf Tausenden von oder sonstige Organisationen –, welche Verbin- Servern, macht es überhaupt erst möglich, dass dungen sie als verlässlich erachten. Damit ist ge- die für Menschen lesbaren Internetadressen zu währleistet, dass die Daten auf einem sicheren und von aussen nicht mehr manipulierbaren Pfad Heute wissen wir nicht, welchen ver- vom Sender zum Empfänger geschickt werden. schlungenen Weg unsere Daten im Netz Mit einer solchen Netzarchitektur könnten Tele- nehmen. In Zukunft können wir bestim- komfirmen ihren Kunden beispielsweise garan- men, auf welchem Pfad die Daten vom tieren, dass die Daten nicht mehr über irgend- Sender zum Empfänger geschickt werden, und diesen sicher gestalten. ETH GLOBE 2/2017 A170604_ETH_Globe_0217_DE.indd 24-25 06.06.17 08:49
Sie können auch lesen