April 2020 - BRANDI Rechtsanwälte
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April 2020 www.brandi.net BIELEFELD | DETMOLD | GÜTERSLOH | PADERBORN | MINDEN | HANNOVER | PARIS | PEKING
Seite 2 April 2020 Liebe Leserinnen, liebe Leser, auch in diesen herausfordernden und schwierigen Zeiten möch- Wir freuen uns, Ihnen unsere neuen Kolleg*innen Frau Jaqueline ten wir Sie gerne über wichtige Neuerungen informiert halten. Maria Bohrßen, Herrn Dr. Björn Schulz, Herrn Dr. Tobias Schmitt und Herrn Hendrik Adam vorstellen zu können. Unsere Kolleg*innen stehen Ihnen für wichtige rechtliche Fragen im Zusammenhang mit den Auswirkungen der Corona-Krise zur Darüber hinaus hat sich unter der Federführung von Herrn Verfügung. Sie erfahren zum Beispiel wie die derzeitige Rechts- Dr. Sebastian Meyer eine eigene Kompetenzgruppe IT & Daten- lage bei drohender Insolvenz ist, welche Möglichkeiten Sie bei schutz gegründet, die zu aktuellen Themen aus dem Bereich Produktionsausfällen haben oder welche konkreten Maßnahmen umfassend berichtet. Lesen Sie weiterhin spannende Informa- Sie als Arbeitgeber ergreifen können. Weitergehende Informatio- tionen aus der Kompetenzgruppe Gewerblicher Rechtsschutz nen finden Sie auch unter www.brandi.net. und Wettbewerbsrecht. Wir wünschen Ihnen eine gesunde Zeit. Herzlichst Ihr BRANDI Team Neues aus dem BRANDI Team Jaqueline Maria Bohrßen unterstützt seit Oktober 2019 das BRANDI Team in Hannover und ist als Rechtsanwältin im Bereich Strafrecht tätig. Sie studierte an der Georg-August-Universität in Göttingen und absolvierte anschlie- ßend ihr Referendariat im Bezirk des OLG Celle. Ab März 2018 bis zum Eintritt in unsere Sozietät war sie bei der Kanzlei Nagel Schlösser bereits als Strafverteidigerin tätig. Seit November 2019 unterstützt Herr Hendrik Adam das BRANDI Team im Bereich Fami- lienrecht an unserem Standort in Minden. Er studierte an der Universität Osnabrück und Peter Pazmany Universität Budapest. Sein Referendariat absolvierte Herr Adam beim OLG Celle. Herr Dr. Tobias Schmitt unterstützt das BRANDI Team in Hannover seit Dezember 2019 im Arbeitsrecht als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Nach Studium an der Universität Bayreuth und University of Birmingham (England), Referendariat am Oberlandesgericht Bamberg und Promotion an der Universität Bay- reuth war er zuletzt von 2013 bis 2019 in einer Sozietät in Würzburg im Arbeitsrecht tätig. Herr Dr. Björn Schulz verstärkt seit Januar 2020 das BRANDI Team in Hannover und ist als Rechtsanwalt in den Bereichen Allgemeines Zivilrecht sowie Handels- und Gesell- schaftsrecht tätig. Er studierte Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen mit Schwerpunkt im Wirtschafts- und Arbeitsrecht sowie an der National University of Ire- land, Galway (Irland). Nach der Promotion an der Universität Bayreuth absolvierte er sein Referendariat im Bezirk des OLG Celle. www.brandi.net
April 2020 Seite 3 Inhalt Seite Aktuelles 4 Dr. Carsten Hoppmann Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für durch die Corona-Epidemie geschädigte Unternehmen 4 Dr. Sandra Vyas, Victoria Wessel, Dr. Christoph Worms Corona-Virus – auch die Wirtschaft steckt sich an 5 Dr. Helmut Dröge Neues zum Transparenzregister 8 IT & Datenschutz 9 Dr. Sebastian Meyer Gründung einer eigenen Kompetenzgruppe IT und Datenschutz 9 Dr. Christoph Rempe Aktuelle Entwicklungen im E-Commerce-Recht 9 Dr. Sebastian Meyer BGH zu Bewertungsportalen: Überprüfbarkeit und Gewichtung von Bewertungen 10 Malte Stakowski Fotos von Mitarbeitern – zwischen Intranet und Internet 10 Dr. Sebastian Meyer Die Angst vor Bußgeldern bei Datenschutzverstößen – Berechtigte Befürchtung und Panikmache? 12 Robert Bommel Datenschutz und Geldwäschegesetz 13 Johanna Schmale Private E-Mail- und Internetnutzung am Arbeitsplatz 13 Hendrik Verst Offenlegung von Mitarbeitererkrankungen aus datenschutzrechtlicher Sicht 14 Christina Prowald Vernichtung von Papierunterlagen im Unternehmen 15 Félix Paul Nutzung von Messenger-Diensten im Unternehmen 15 Dr. Sebastian Meyer Datenschutz-Newsletter von BRANDI 16 Gewerblicher Rechtsschutz & Wettbewerbsrecht 17 Dr. Kevin Kruse Markenverletzung durch Verwendung einer Modellbezeichnung? 17 Dr. Hans-Jürgen Buchmüller Die Handlungspflichten des Unterlassungsschuldners 17 Zur Haftung für Kundenbewertungen bei Amazon 18 Dr. Carsten Hoppmann Wer suchet, der findet?!? - Was es bei Google Ad-Anzeigen zu beachten gilt. 18 Rebecca Vakilzadeh Werbung mit Gütesiegeln 19 Frank Schembecker Anforderungen an die Werbung mit Gütesiegeln und Prüfzeichen 19 Dr. Christoph Rempe Neues zum Influencer-Marketing 20 Dr. Jörg König Sorgfaltsanforderungen bei der Einhaltung eines Unterlassungsgebots 21 Autoren 22 www.brandi.net
Seite 4 April 2020 Aktuelles Dr. Carsten Hoppmann Corona-Krise in die Insolvenz gehen, weil sie nicht rechtzeitig Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für durch die staatliche Hilfe erlangen können oder anderweitige Sanierungs- Corona-Epidemie geschädigte Unternehmen bemühungen nicht schnell genug greifen. Nicht beabsichtigt ist jedoch, dass jedes Unternehmen gerettet werden soll. Eine ähn- Unternehmen sind stark von der Corona-Krise betroffen. Sie ver- liche Regelung gab es schon bei den Hochwasserkatastrophen zeichnen erhebliche Umsatzeinbrüche, da Kunden zurückhal- 2002, 2013 und 2016. In diesen Jahren wurde die Insolvenzan- tender einkaufen und die Innenstädte zunehmend verwaisen. tragspflicht für die von Hochwasserkatastrophen betroffenen Viele Kunden zahlen auch gegenwärtig nicht, da die per Post Unternehmen suspendiert. versandten Rechnungen nicht bei dem im Homeoffice befindli- chen Mitarbeitern eingehen. Es droht die Insolvenz vieler Unter- Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt nach der beab- nehmen, die noch zur Jahreswende kerngesund waren. Auch den sichtigten Neuregelung nicht, wenn Geschäftsführern von Kapitalgesellschaften (GmbH, Unterneh- mergesellschaft) droht die persönliche Haftung, wenn sie trotz 1. der Insolvenzgrund nicht auf der Corona-Epidemie beruht oder Vorliegen eines Insolvenzgrundes das Unternehmen fortführen und noch Zahlungen leisten. Sie sind für alle diese Zahlungen 2. keine Aussicht darauf besteht, eine Zahlungsunfähigkeit zu persönlich haftbar! beseitigen Das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz Für einen dreimonatigen Übergangszeitraum soll auch das Recht (BMJV) bereitet die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht mit der Gläubiger, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantra- dem COVInsAG (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz) vor. Der gen, eingeschränkt werden. Gesetzentwurf soll wahrscheinlich noch in dieser Woche im Bun- destag und im Bundesrat verabschiedet werden. Flankiert werden diese Regelungen mit einer Vermutungsre- gelung, die weit auf die ersten wirtschaftlichen Auswirkungen Nach der gegenwärtigen Rechtslage sind Geschäftsführer von der Corona-Pandemie zurückwirkt: War das Unternehmen am GmbHs und Unternehmergesellschaften verpflichtet, unverzüg- 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, so wird vermutet, lich – spätestens aber innerhalb von drei Wochen – einen Insol- dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Corona-Krise venzantrag zu stellen, wenn die Gesellschaft zahlungsunfähig beruht. Es geht dem Gesetzgeber somit darum, wirtschaftlich oder überschuldet ist. Kommt der Geschäftsführer dieser Ver- gesunde Unternehmen zu schützen. pflichtung nicht nach, so haftet er unbeschränkt persönlich für alle Zahlungen der Gesellschaft, die nach Eintritt des Insolvenz- Mit der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erhalten die grundes noch gezahlt werden, und macht sich darüber hinaus Unternehmen Gelegenheit die Insolvenz, insbesondere unter auch noch strafbar. Inanspruchnahme staatlicher Hilfen oder auch mit Sanierungs- oder Finanzierungsvereinbarungen, abzuwenden. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht soll bis zum 30. September 2020 gelten. Eine Verlängerung ist bis zum 31. Wichtig ist dabei, dass die Beweislast dafür, dass die Insolvenz März 2021 möglich. Mit dieser Änderung der Insolvenzantrags- nicht auf den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie beruht bzw. pflicht soll verhindert werden, dass Unternehmen wegen der keine Aussichten zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit beste- CORONA VIRUS COVID-19 www.brandi.net
April 2020 Seite 5 hen, bei demjenigen liegt, der sich auf das Bestehen der Antrags- Dr. Sandra Vyas, Victoria Wessel, Dr. Christoph Worms pflicht beruft. Das ist im Regelfall somit der Gläubiger und nicht Corona-Virus – auch die Wirtschaft steckt sich an der Geschäftsführer. Kaum ein Lebensbereich ist denkbar, der sich durch das neue Für den Zeitraum, in dem die Insolvenzantragspflicht ausge- Corona-Virus derzeit nicht radikal verändert. Konsequenzen, die setzt ist, darf der Geschäftsbetrieb fortgeführt werden und den noch vor einigen Tagen unvorstellbar erschienen, werden plötz- Geschäftsleitungsorganen drohen keine negativen persönlichen lich Realität. Das öffentliche Leben liegt brach. Betriebe und ihre Haftungsfolgen. Das Gesetz fingiert, dass Zahlungen, die im ord- Mitarbeiter sehen sich Quarantäneanordnungen ausgesetzt. Die nungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, mit der Sorgfalt eines Grenzen sind überwiegend dicht. Jeden Tag müssen sich die Bür- ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar ger, vor allem aber auch die Unternehmen, auf neue Erkenntnisse sind. Dies gilt nach dem Gesetzentwurf auch besonders für Zah- einstellen und ihre Notfallpläne überarbeiten. Das Corona-Virus lungen, die für die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder trifft die Wirtschaft mit voller Wucht. zur Umsetzung eines Sanierungskonzeptes geleistet werden. Fieberhaft wird an Impfstoffen und Behandlungsmöglichkeiten Zur Gewährung neuer Kredite und zur Fortsetzung der für die Patienten gearbeitet. Betroffene Unternehmen müssen Geschäftsbeziehungen schafft der Gesetzentwurf erhebliche sich ebenso schützen und reagieren. Es ergeben sich zahlreiche Anreize. Die Sanierungsbemühungen werden erleichtert, da Fragen im Umgang mit der Pandemie, insbesondere bezüglich neue Kredite anfechtungs- und haftungsrechtlich privilegiert des Umgangs mit den eigenen Beschäftigten. Wir geben Ihnen sind. Auch sollen Vertragsparteien, die bereits in einer Geschäfts- an dieser Stelle erste Antworten – auch wenn diese bei der rasan- beziehung zu dem insolvenzgefährdeten Unternehmen stehen, ten Entwicklung natürlich einer steten Aktualisierung bedürfen. durch eine Einschränkung der Anfechtbarkeit von Vorgängen im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung motiviert werden, die Erste Antworten auf erste Fragen: Geschäftsbeziehung fortzusetzen. 1. Wer haftet, wenn Produktionsausfälle drohen? Leistet ein Vertragspartner nicht und ist ihm bezüglich dieser Da Rechtsstreitigkeiten über die persönliche Haftung von Nichtleistung ein Verschulden vorzuwerfen, so haftet er grund- Geschäftsführern erst in mehreren Jahren geführt werden, soll- sätzlich für die entstandenen Schäden. Das Verschulden kann, ten die Geschäftsführer die vorsorglich folgenden Punkte doku- wenn ein Fall höherer Gewalt vorliegt und diese auch die Ursache mentieren: für den Leistungsausfall darstellt, im Einzelfall ausgeschlossen sein. Diese höhere Gewalt kann bei Eintritt einer weltweiten Pan- 1. Wirtschaftlich gesundes Unternehmen vor der Corona-Krise demie durchaus angenommen werden. (d. h. keine Zahlungsunfähigkeit zum 31. Dezember 2019). Regelmäßig enthalten Verträge außerdem besondere Klau- 2. Insolvenzreife beruht auf der Corona-Krise seln für den Umgang mit höherer Gewalt. Diese können den Leistungspflichtigen im Einzelfall von seiner Leistungspflicht 3. Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit mit befreien, begründen aber in der Regel Informations- und Rück- a) der Beantragung öffentlicher Mittel oder sichtnahmepflichten. b) weiteren Sanierungsbemühungen Ist eine internationale Produktionskette betroffen, stellt sich Gab es den Versuch zur Aufnahme von Fremd- oder Eigenkapi- vorab die Frage nach dem für die Haftungsfragen anwendbaren tal oder anderweitige Sanierungsbemühungen? Recht. Hier muss jeder Einzelfall geprüft werden. Es muss Aussicht darauf bestehen, dass das Unternehmen nach 2. Welche Risiken und Chancen bestehen für Aussteller, Erhalt öffentlicher Mittel oder der Sanierungsbemühungen Messebauer, Veranstalter und Techniker, wenn Veran- zahlungsfähig ist. Hierbei räumt der Gesetzentwurf aber wegen staltungen abgesagt werden oder die behördlichen der unsicheren Tatsachengrundlage einen weiten Prognose- Auflagen unmöglich umsetzbar sind? spielraum ein. Die Veranstaltungsbranche ist von den Corona-Auswirkungen überproportional betroffen. Denn in dieser Branche droht der Alle vorgenannten Punkte setzen eine gute Vorbereitung voraus, Umsatzausfall nicht nur im Fall behördlich verhängter Quarantä- da immer ein aktuelles Zahlenwerk (BWA, Jahresabschluss, Pla- neanordnungen, sondern bereits aufgrund von verdachtsunab- nungsrechnungen) vorliegen muss. Es empfiehlt sich daher, die hängigen Vorsichtsmaßnahmen. verbleibende Zeit möglichst schnell zu nutzen, um alle erforder- lichen Unterlagen vorzubereiten. Maßgeblich ist für die Frage nach der Haftung in erster Linie, ob die Absage oder zeitliche Verschiebung auf eine behördliche Für die Geschäftsführer ist es aber wichtig zu wissen, dass Anordnung, Empfehlung oder auf eine eigene Entscheidung die gesetzliche Änderung kein Freifahrtschein ist. Die Gesetzes- zurückzuführen ist. Auch die Gestaltung des jeweiligen Vertrags begründung stellt klar, dass beim endgültigen Scheitern der spielt natürlich eine Rolle. Sanierungsbemühungen oder beim zeitlichen Auslaufen der befristeten Regelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Kommt es zu behördlichen Auflagen und/oder Zwangsabsa- und des Zahlungsverbots die bisherigen strengen Regelungen gen, ist zusätzlich der Rechtsschutz gegenüber den Gesundheits- wieder gelten. In diesem Fall droht die persönliche Haftung der ämtern in den Blick zu nehmen. Nicht jede Entscheidung des Geschäftsleitungsorgane! Gesundheitsamts entspricht den Anforderungen des Infektions- schutzgesetzes. www.brandi.net
Seite 6 April 2020 Schließlich können im Einzelfall Entschädigungsregelungen Die Entschädigung bemisst sich nach dem tatsächlichen Ver- fruchtbar gemacht werden. Sowohl aus dem Infektionsschutz- dienstausfall, den der Anspruchsteller nachweisen muss. Für die gesetz als auch aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Grund- ersten sechs Wochen wird sie in Höhe dieses Verdienstausfalls sätzen können in solchen Fällen ggf. Ansprüche gegen den Fiskus gewährt, ab der siebten Woche jedoch reduziert. Sie orientiert erwachsen. sich dann am sozialrechtlichen Krankenfeld. Zusätzliche Ansprü- che kommen bei Eintritt einer Existenzgefährdung in Betracht. 3. Welcher Rechtsschutz besteht gegen behördliche Anordnungen, etwa des Gesundheitsamts? 6. Welche Versicherung kann weiterhelfen? Die föderale Ordnung der Bundesrepublik führt auch bei Pande- In Betracht kommt in erster Linie eine ggf. vereinbarte Betriebs- mien dazu, dass es eine geteilte Zuständigkeit zwischen Bund, schließungs- bzw. Betriebsunterbrechungsversicherung. Ob Ländern und Gemeinden gibt. Während der Bund (wie aktu- diese für die Folgen des Corona-Virus einspringt, hängt von den ell bzgl. der Absage von Großveranstaltungen) Empfehlungen Bedingungen im Einzelfall ab. Ist der Inhaber des Unternehmens ausspricht, müssen diese über die Länder und schließlich die selbst betroffen, also er oder sie persönlich erkrankt oder unter Gesundheitsämter und Ordnungsbehörden vor Ort umgesetzt Quarantäne, kommt die Inanspruchnahme der Versicherung in werden. Betracht. Dies geschieht regelmäßig durch Bescheid. Dieser Bescheid Neuanträge in Bezug auf diese Versicherungen sind derzeit ist von dem Adressaten und mglw. auch von direkt Betroffenen kaum noch möglich. Viele Versicherer, die eine Betriebsschlie- angreifbar. Wird er nicht angegriffen, wird er bestandskräftig. Für ßungsversicherung oder eine Betriebsunterbrechungsversiche- spätere Entschädigungsfolgen ist dies nicht relevant, soweit das rung anbieten, haben derzeit einen Annahmestopp verhängt, da Infektionsschutzgesetz eigene Entschädigungen für rechtmäßige die Ausbreitung des Corona-Virus und die resultierenden Folgen Maßnahmen kennt (§ 65 Infektionsschutzgesetz für allgemeine nicht abgeschätzt werden können. Maßnahmen). Wo diese Spezialvorschrift aber nicht greift, ist der Betroffene grds. verpflichtet, sich gegen einen belastenden In Bezug auf ausgefallene Veranstaltungen kommt auch eine Bescheid zu wehren, wenn er später Schadensersatz geltend ggf. bestehende Veranstaltungsausfallversicherung in Betracht machen will. Eine Entschädigung kann ihm ggfls. auch bei recht- – auch hier sind jedoch die Bedingungen im Einzelfall zu prüfen. mäßiger Untersagung einer Veranstaltung auf Grundlage eines In neu abgeschlossenen Versicherungen wird das Corona-Risiko sog. enteignenden Eingriffs zustehen, weil dem Veranstalter ein in den Bedingungen regelmäßig ausgeschlossen. Sonderopfer abverlangt wird. Bei einer Erkrankung am Corona-Virus kann außerdem eine 4. Was haben die zuständigen Ordnungsbehörden zu Reise-Rücktrittsversicherung helfen. Die Stornierung einer Reise beachten? wegen der allgemeinen Angst, sich zu infizieren oder wegen Nach den §§ 2, 3 ZustVO-IfSG sind die örtlichen Ordnungsbe- einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes ist indes kein versi- hörden für Maßnahmen des Infektionsschutzes zuständig. Die chertes Ereignis. Behörden können für Veranstaltungen und Ereignisse Auflagen bestimmen oder sonstige Maßnahmen anordnen. Dies steht im 7. Welche konkreten Maßnahmen sollte ich als Arbeitge- Ermessen der Behörde. Nach dem Erlass der Gesundheitsministe- ber ergreifen? rien der Länder NRW und Niedersachsen etwa sollen Großveran- Auch wenn einige Unternehmen sich aktuell dafür entscheiden: staltungen (mehr als 1.000 Personen) abgesagt werden. Das umgehende Virus ist kein zwingender Grund, einen Betrieb präventiv zu schließen oder die Mitarbeiter vorsorglich nach Erfolgt, was möglich ist, die Absage einer Veranstaltung über Hause zu schicken. Umgekehrt sind die Mitarbeiter verpflichtet, § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG durch die Behörde, stellt sich das Problem bei der Arbeit zu erscheinen. Eine allgemeine und theoretische einer Entschädigung des Betroffenen (s. Frage 4). Denn die Ent- Ansteckungsgefahr befreit sie nicht von ihrer Leistungspflicht. schädigungsregelung des § 65 IfSG bezieht sich dem Wortlaut nach nicht auf Absagen nach § 28 IfSG. Es bliebe eine mögliche Gleichwohl besteht – auch im eigenen Interesse – Anlass zu Entschädigungspflicht nach allgemeinen Rechtsinstituten, die Vorsichtsmaßnahmen. Das sollten Arbeitgeber jetzt tun: sich aber gegen die zuständige Kommune richten würde. Die über § 66 IfSG bestehende Entschädigungslast des Landes wird • Mitarbeiter aufklären, Hygienemaßnahmen einfordern und damit über den ministeriellen Erlass möglicherweise auf die möglich machen, Kommunen verlagert. Es ist daher stets zu prüfen, ob Maßnah- men nach § 16 IfSG in Betracht kommen, um die Entschädigungs- • Dienstreisen absagen oder verschieben, insbesondere Reisen pflicht des Landes zu erhalten. in Risikogebiete, 5. Welche Entschädigungen kommen für Selbstständige in • den Mitarbeitern davon abraten, Privatreisen in solche Gebiete Betracht, die wegen eines Infektionsverdachts von der zu unternehmen, Ausübung ihres Berufs abgehalten werden? Wer als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheits- • die Mitarbeiter auffordern, dem Arbeitgeber Krankheitssymp- verdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern tome und Kontakt zu Verdachtspersonen mitzuteilen. Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienst- 8. Erhalten Mitarbeiter weiter Entgelt, wenn der Betrieb ausfall erleidet, erhält nach § 56 Infektionsschutzgesetz eine Ent- wegen der Verbreitungsgefahr geschlossen wird? schädigung in Geld. Das gilt auch im Zusammenhang mit dem Wenn der Arbeitgeber die Mitarbeiter wegen einer Verbreitungs Corona-Virus. www.brandi.net
April 2020 Seite 7 gefahr von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung • er muss vorübergehend sein, freistellt, behalten die Mitarbeiter ihren Vergütungsanspruch. • er muss unvermeidbar sein, 9. Müssen unter Quarantäne stehende Mitarbeiter bezahlt werden? • im jew. Kalendermonat müssen mind. 1/3 der im Betrieb Unterliegt ein Mitarbeiter einer behördlich angeordneten Qua- Beschäftigten von einem Entgeltausfall von mehr als 10 % des rantäne i. S. d. Infektionsschutzgesetzes, so zahlt der Arbeitgeber Bruttomonatsentgelts betroffen sein. i. d. R. zunächst für max. 6 Wochen das Entgelt fort. Die ausge- zahlten Beträge werden auf Antrag des Arbeitgebers von der Um die Wirtschaft zu unterstützen, hat die Große Koalition zuständigen Behörde erstattet. Ab der siebten Woche wird eine in Berlin mit Blick auf Corona entschieden, die Hürden für den reduzierte Entschädigung direkt von der Behörde an den Mitar- Bezug von Kurzarbeitergeld deutlich zu senken. U. a. soll die beiter gezahlt. Anträge sind binnen 3 Monaten nach Einstellung Schwelle der von der Kurzarbeit betroffenen Mitarbeiter auf 10 % der verbotenen Tätigkeit oder dem Ende der Quarantäne bei der abgesenkt werden. Arbeitgeber sollen – anders als bisher – die zuständigen Behörde zu stellen. Sozialbeiträge für die ausgefallenen Arbeitsstunden voll erstattet bekommen. 10. Dürfen Mitarbeiter zu Hause bleiben, wenn Kitas und Schulen wegen des Corona-Virus geschlossen sind? Nähere Informationen zum Antrag auf Kurzarbeitergeld finden Deutschlandweit sind die Kitas und Schulen mittlerweile Sie unter https://www.arbeitsagentur.de/unternehmen/finanzi- geschlossen. Mitarbeiter mit Kindern können deshalb gezwun- ell/kurzarbeitergeld-arbeitgeber-unternehmen. Es empfiehlt sich gen sein, zu Hause zu bleiben um diese zu betreuen. Der Mit- bei einem Antrag auf Gewährung von Kurzarbeitergeld eng mit arbeiter darf nur im Notfall, d. h. wenn das Kind vom Alter her der zuständigen Agentur für Arbeit zusammen zu arbeiten und nicht allein gelassen werden kann und keine andere Betreuung die vom Gesetzgeber geplanten Änderungen im Blick zu behal- zur Verfügung steht, zu Hause bleiben. Es empfiehlt sich, eine ten. einvernehmliche Lösung z. B. über den Abbau von Überstunden oder die Gewährung von Urlaub zu suchen. Ist die Regelung des 14. Was hat es mit den von der Bundesregierung angekün- § 616 BGB nicht vertraglich ausgeschlossen, kann ein Anspruch digten Krediten auf sich? auf Entgeltfortzahlung bestehen. Es ist allerdings umstritten, Die Bundesregierung hat ein Maßnahmenpaket beschlossen, mit ob die Schließung von Kitas und/oder Schulen ein objektives dem Unternehmen bei der Bewältigung der Corona-Krise unter- persönliches Leistungshindernis ist und damit ein Anspruch auf stützt werden sollen. Die KfW-Bank hat die Aufgabe, die kurzfris- Entgeltfortzahlung für einige Tage (max. etwa 5 Tage) besteht. tige Versorgung der Unternehmen mit Liquidität zu erleichtern. Darüber hinausgehende Zeiten der Schließung von Kitas und Dazu wird sie die bereits bestehenden Möglichkeiten der Kredit- Schulen werden nicht bezahlt. vergabe für Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler nut- zen, die Zugangsbedingungen dafür sollen jedoch erleichtert 11. Haben Mitarbeiter einen Anspruch auf Arbeit im werden. Es handelt sich dabei nicht um Zuschüsse, sondern um Home-Office? Darlehen. Nein, wenn im Arbeitsvertrag eine Arbeit im Home-Office nicht vereinbart ist. Hierzu bedarf es einer expliziten Vereinbarung zwi- Nähere Informationen erhalten Sie auf der Homepage der KfW- schen Unternehmen und Mitarbeiter. Bank (www.kfw.de) oder über Ihre Hausbank. 12. Dürfen Mitarbeiter Dienstreisen wegen einer Ansteckungs- 15. Wann muss ein Insolvenzantrag gestellt werden? gefahr verweigern? Grundsätzlich besteht für Vertreter von juristischen Personen die Die reine Angst vor Ansteckung ist kein Grund, Leistungen zu ver- Pflicht, nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschul- weigern. Besteht eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen dung einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Amtes, so können Mitarbeiter eine Dienstreise in ein Risikogebiet stellen – und zwar ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber jedoch verweigern. Das gilt aktuell indes weltweit. binnen drei Wochen. Das BMJV bereitet zurzeit eine gesetzliche Regelung zur Aussetzung dieser Pflicht vor. Diese Aussetzung 13. Besteht die Möglichkeit, Kurzarbeit zu beantragen? wird voraussichtlich bis zum 30.09.2020 gelten, ggf. aber auch Ein Unternehmen kann Kurzarbeit nicht einseitig anordnen. weiter verlängert werden. Voraussetzung der Aussetzung soll es Voraussetzung ist, dass die Möglichkeit, die Arbeitszeit zu Kurz- sein, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen des Coro- arbeitszwecken zu reduzieren, entweder direkt mit den Mit- na-Virus beruht und dass begründete Aussicht auf eine Sanie- arbeitern vereinbart wurde (z. B. im Arbeitsvertrag oder einer rung besteht. Die Details der gesetzlichen Neuregelung bleiben Ergänzung zum Arbeitsvertrag) oder die Möglichkeit in einer abzuwarten. Betriebsvereinbarung geregelt ist. Darüber hinaus setzt die Gewährung von Kurzarbeitergeld – u. a. – einen erheblichen Arbeitsausfall voraus. Ein solcher liegt derzeit unter folgenden Voraussetzungen vor: • Es muss ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegen, • dieser muss auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unab- wendbaren Ereignis beruhen, www.brandi.net
Seite 8 April 2020 Dr. Helmut Dröge beteiligungen und der Einräumung von Nießbrauchsrechten ist Neues zum Transparenzregister das zum Beispiel nicht der Fall. Das Gleiche gilt für Gesellschafter- listen, wenn sie nicht elektronisch abrufbar sind. Bei Kommandit- Mit den §§ 18 ff. des Geldwäschegesetzes (GwG) ist 2017 ein gesellschaften fehlt es an der Registertransparenz insbesondere Transparenzregister eingerichtet worden, das beim Bundesanzei- auch dann, wenn die im Handelsregister eingetragene Haftein- ger geführt wird. Danach sind u. a. Gesellschaften mit beschränk- lage vom tatsächlichen Kapital abweicht, zum Beispiel deswe- ter Haftung, Kommanditgesellschaften und Stiftungen, auch gen, weil die Gesellschafter Kapitalrücklagen vereinbart haben. Familienstiftungen, verpflichtet, Angaben zu ihren wirtschaftlich Auch insoweit greift die Ausnahmefiktion nicht. Das Gleiche Berechtigten einzuholen, dauerhaft aufzubewahren, auf aktu- gilt, wenn Vorzugsstimmrechte vereinbart worden sind. Diese ellem Stand zu halten und unverzüglich der registerführenden müssen deshalb dem Transparenzregister gemeldet werden. Stelle zur Eintragung in das Transparenzregister mitzuteilen. Ver- Weitere mitteilungspflichtige Fallgruppen: stöße gegen diese Mitteilungspflicht werden als Ordnungswid- rigkeit mit Bußgeldern geahndet. Mit Wirkung vom 01.01.2020 • Testamentsvollstreckung, sind die Bestimmungen zum Transparenzregister in einigen wich- tigen Punkten geändert worden. Einleitend eine kurze Zusam- • Poolverträge. menfassung: Änderungen zum 01.01.2020 Wer ist mitteilungspflichtig? Zu den Bestimmungen die mit Wirkung vom 01.01.2020 geändert Mitteilungspflichtig sind nur die betroffenen Kapitalgesellschaf- worden sind gehören insbesondere: ten, eingetragenen Personengesellschaften, Stiftungen und Ver- eine, nicht aber ihre Gesellschafter oder Destinatäre. • Die Angabe der Staatsangehörigkeit, Wer ist „wirtschaftlich Berechtigter“? • Transparenzpflicht für Vereinigungen mit Sitz im Ausland, wenn Zu den wirtschaftlich Berechtigten zählen ausschließlich natür- sie sich verpflichten, Immobilieneigentum im Inland zu erwer- liche Personen, nicht juristische Personen, wenn sie unmittelbar ben, oder mittelbar • Meldepflicht bei bestimmten gesellschaftsrechtlichen Vorgän- • mehr als 25 % der Kapitalanteile halten oder gen, insbesondere nach dem Umwandlungsgesetz, • mehr als 25 % der Stimmrechte kontrollieren oder • Verpflichtung, die Mitteilung an das Transparenzregister in elektronischer Form zu machen. • auf vergleichbare Weise Kontrolle ausüben. • Schließlich sind die Bußgeldandrohungen drastisch verschärft Kontrolle in diesem Sinne kann u. a. durch Konzernstrukturen worden. Während der Bußgeldrahmen bisher bei 100.000,00 € vermittelt werden, durch Treuhandschaften, durch Unterbeteili- endete, endet er jetzt bei 1.000.000,00 €. gungen oder durch Nießbrauchsrechte. Das bedeutet, dass eine verdeckte Treuhand über das Transparenzregister publik wird. Die wichtigste Änderung aus der Sicht von Familiengesellschaf- ten betrifft jedoch die Berechtigung zur Einsichtnahme in das Bei Familienstiftungen gehören zu den wirtschaftlich Berechtig- Transparenzregister. Während bis zum 31.12.2018 ein öffentliches ten sowohl die Mitglieder des Vorstands als auch die Destina- Einsichtsrecht nur bestand, wenn ein „berechtigtes Interesse an täre, denen die Stiftungserträge zufließen. Auch hier kommt es der Einsichtnahme“ dargelegt wurde, ist die Einsichtnahme nun- also zu einer möglicher Weise nicht gewünschten Publizität. Da mehr „allen Mitgliedern der Öffentlichkeit“ gestattet, beschränkt die wirtschaftlich Berechtigten nicht unmittelbar meldepflichtig auf Monat und Jahr der Geburt des wirtschaftlich Berechtigten, sind, müssen sie der jeweiligen Vereinigung die meldepflichtigen sein Wohnsitzland und seine Staatsangehörigkeit. Außerdem Angaben machen. Das sind: kann die registerführende Stelle die Einsichtnahme auf Antrag des wirtschaftlich Berechtigten vollständig oder teilweise • Vor- und Nachname, beschränken, wenn ihr der wirtschaftlich Berechtigte darlegt, dass „der Einsichtnahme unter Berücksichtigung aller Umstände • Geburtsdatum, des Einzelfalls überwiegende schutzwürdige Interessen des wirt- schaftlich Berechtigten entgegenstehen“. Die im Gesetz genann- • Art und Umfang des wirtschaftlichen Interesses, ten Beispielsfälle zeigen aber, dass die Voraussetzungen dafür nur ausnahmsweise vorliegen, insbesondere, wenn der Verdacht • Staatsangehörigkeit (seit 01.01.2020). besteht, dass die Einsichtnahme kriminellen Zwecken dienen soll. Offen bleibt, ob die Einsichtnahme auch dann verweigert oder Ausnahmen: beschränkt werden kann, wenn sie zum Beispiel durch einen Die Mitteilungspflicht zum Transparenzregister gilt grundsätz- Wettbewerber erfolgt, der Treuhandverhältnisse offenlegen will. lich als erfüllt, wenn die wirtschaftlich Berechtigten aus anderen Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist das nicht der Fall. öffentlichen Registern hervorgehen. Dazu zählt zum Beispiel das Handelsregister und die Liste der Gesellschafter bei GmbHs. Diese Fiktion befreit aber nicht in allen Fällen von der Melde- pflicht, sondern nur dann, wenn sich die wirtschaftliche Berech- tigung tatsächlich vollständig aus öffentlichen, elektronisch abrufbaren Registern ergibt. Bei Treuhandverhältnissen, Unter- www.brandi.net
April 2020 Seite 9 IT & Datenschutz Dr. Sebastian Meyer Dr. Christoph Rempe Gründung einer eigenen Kompetenzgruppe IT und Aktuelle Entwicklungen im E-Commerce-Recht Datenschutz Kaum ein Rechtsgebiet entwickelt sich so stetig weiter wie das Die Bedeutung von Fragestellungen aus dem Bereich der Infor- E-Commerce-Recht. Es liegt zum einen an den sich stetig ändern- mationstechnologie nimmt seit Jahren beständig zu. Durch die den technischen Möglichkeiten und zum anderen an der breiten verstärkte Digitalisierung von weiten Teilen des Wirtschaftsle- Kasuistik der Gerichte, vor allem auch des EuGH. Einige The- bens und der Gesellschaft steigt nicht nur der Bedarf an Experten men haben in den letzten Monaten besonders für Diskussionen aus dem Bereich der Informatik, sondern zugleich auch an Juris- gesorgt. ten, die auf dem Gebiet des IT-Rechts an Know-how und Erfah- rung verfügen. 1. Angabe einer Telefonnummer In Deutschland war bislang umstritten, ob der Betreiber eines Wurde das Gebiet bei BRANDI vor zehn Jahren von mir fast Onlinehops verpflichtet ist, immer eine Telefonnummer etwa alleine betreut, sind mittlerweile insgesamt sechs Rechtsanwälte im Impressum anzugeben. Dazu hat der EuGH mit Urteil vom schwerpunktmäßig im Bereich des IT-Rechts tätig, außerdem 10.7.2019 inzwischen entschieden, dass kein Internetseiten-Be- kommen noch fünf wissenschaftliche Mitarbeiter hinzu, die alle treiber generell verpflichtet ist, eine Telefonnummer zum direk- ein juristisches Studium absolviert haben und vor allem daten- ten Kontakt zwischen ihm und den Nutzern der Internetseite schutzrechtliche Expertise mitbringen. Insgesamt stehen Ihnen bzw. den Kunden des Onlineshops zur Verfügung zu stellen. bei BRANDI damit elf Mitarbeiter für it- und datenschutzrechtli- che Fragen zur Verfügung. Wenn jedoch eine Telefonnummer im Impressum des Online- shops angegeben wird, so darf der Verbraucher davon ausgehen, Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat den Bedarf dass er diese für jegliche telefonische Kommunikation mit dem für Rechtsberatung noch einmal stark steigen lassen. Viele Unter- Unternehmen nutzen darf. In dem Fall muss das Unternehmen nehmen fühlen sich verunsichert hinsichtlich der immer neuen nach inzwischen gefestigter Auffassung in der Rechtsprechung Anforderungen, die von ihnen unter Compliance-Gesichtspunk- (zum Beispiel Urteile des OLG Schleswig vom 10.1.2019 und ten beachtet werden müssen. Selbst wenn Unternehmen die LG Bochum vom 6.8.2014) auch in der Widerrufsbelehrung eine geltenden Anforderungen einhalten möchten, müssen diese Telefonnummer angeben. Andernfalls kann das Unternehmen zunächst identifiziert und interpretiert werden. Im Datenschutz- abgemahnt werden, was sich zahlreiche Abmahnvereine zu recht ergeben sich dabei besonders viele Unsicherheiten, weil es Nutze machen. aufgrund der neuen Rechtslage noch einige Zeit dauern wird, bis sich durch Gerichtsentscheidungen und Vorgaben der Aufsichts- 2. Inhalt der Widerrufsbelehrung behörden klare Auslegungshilfen abzeichnen. Der EuGH (Urteil vom 23.1.2019) musste sich mit der Frage beschäftigen, welche Angaben der Widerrufsbelehrung bei Bei BRANDI haben wir die entsprechenden Tätigkeiten bisher begrenztem Raum für deren Darstellung in jedem Fall genannt unter dem Dach der Kompetenzgruppe „Gewerblicher Rechts- werden müssen. Dies sind lediglich Informationen zu Bedingun- schutz & IT“ zusammengefasst, da sich zahlreiche Schnittmengen gen, Fristen und der Ausübung des Widerrufsrechts. Insbesondere zwischen den Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes und das ohnehin praktisch bedeutungslose Muster-Widerrufsformu- dem IT-Recht ergeben, insbesondere bei Fragen zum Wettbe- lar muss nicht zur Verfügung gestellt werden, wenn der Platz werbs- oder Urheberrecht. Unabhängig von der Gründung der nicht ausreicht. Der Verbraucher kann in dem Fall auf andere Art neuen Kompetenzgruppe bleibt natürlich der intensive Aus- und Weise darüber informiert werden, zum Beispiel bei Versand tausch und die gemeinsame Mandatsbearbeitung mit den Kol- der Ware. legen aus den verwandten Fachbereichen bestehen. Die eigene Kompetenzgruppe ermöglicht es aber den Kollegen aus dem 3. Reichweite des Widerrufsrechts Bereich IT und Datenschutz, sich noch besser abzustimmen Immer wieder müssen sich Gerichte mit der Frage beschäftigen, und die vielfältigen Fragestellungen optimal zu koordinieren. ob für einzelne Produkte noch ein Widerrufsrecht besteht oder Innerhalb der neuen Kompetenzgruppe gibt es eine noch wei- dieses ausgeschlossen ist. Das OLG Hamm hat zum Beispiel mit tergehende Spezialisierung, grundsätzlichen stehen aber alle Urteil vom 20.11.2016 entschieden, dass für Sexspielzeug aus Mitglieder der Kompetenzgruppe als Ansprechpartner zur Ver- hygienischen Gründen kein Widerrufsrecht besteht. Der EuGH fügung und stimmen sich gegebenenfalls intern ab. hat nun mit Urteil vom 23.1.2019 entschieden, dass das Wider- rufsrecht aber sogar bei benutzten Matratzen bestehe, da diese Nachfolgend haben verschiedene Mitglieder der Kompetenz- desinfiziert werden könnten. gruppe jeweils kurze Berichte über aktuelle Entscheidungen der Gerichte oder relevante Fälle aus der Beratungspraxis kurz 4. Gestaltung der Checkout-Seite zusammengefasst. Eine vollständige Darstellung aller Aspekte Unternehmen sind verpflichtet, den Vertragsschluss im Online- des jeweiligen Themas würde den Rahmen des Heftes spren- shop so zu gestalten, dass der Vertrag erst durch Anklicken des gen. Für Nachfragen stehen alle Kollegen gerne zur Verfügung Bestellbuttons „zahlungspflichtig bestellen“ zustande kommt. und freuen sich über ein Feedback. Die Kontaktdaten finden Unmittelbar vor diesem Button müssen noch einmal der Gesamt- sich am Ende des Heftes und sind außerdem auf der Homepage preis der Ware sowie deren wesentliche Eigenschaften aufgeführt brandi.net veröffentlicht. werden. Dazu, wie in dem Zusammenhang über die wesentlichen Eigenschaften des Produkts zu informieren ist, gab es in letzter Zeit in Deutschland einige Gerichtsentscheidungen. Das OLG München hat in seinem viel beachteten Urteil am 31.1.2019 ent- schieden, dass insoweit noch nicht einmal eine Verlinkung auf www.brandi.net
Seite 10 April 2020 die Produktseite ausreichend sei. Jedenfalls ein Link aus dem entstehen würde, die durchschnittliche Bewertung sei nur mit- Warenkorb heraus (so im Sachverhalt, den das OLG München zu telmäßig, obwohl sie bei Einbeziehung aller Bewertungen viel bewerten hatte) reicht nach einhelliger Ansicht nicht. Der BGH höher liegen müsste. Das Oberlandesgericht München als Vorin- hat inzwischen am 28.11.2019 die Nichtzulassungsbeschwerde stanz sah das Verhalten von Yelp, wonach eine Gewichtung nach gegen dieses Urteil des OLG München zurückgewiesen. Aller- automatisierten Verfahren erfolgt, noch als rechtswidrig an (OLG dings hat der BGH ausdrücklich offengelassen, ob zumindest ein München, Urt. v. 13.11.2018, Az. 18 U 1282/16). Zur Begründung Link auf der Checkout-Seite ausreichend ist. Dies nimmt die herr- wurde darauf verwiesen, dass Yelp für die ermittelte Gesamtbe- schende Meinung in der Literatur jedenfalls so an, da ansonsten wertung verantwortlich sein muss, weil nicht nur Bewertungen vor allem bei begrenztem Platz diese Pflichtangaben kaum dar- der Nutzer ungefiltert wiedergegeben werden. Yelp nimmt viel- stellbar sind. mehr eine eigene Gewichtung der Bewertungen vor und hat dann für das selbst ermittelte Ergebnis einzustehen. Der BGH hat 5. Verbraucherstreitbeilegung sich dieser Sichtweise nicht angeschlossen, sondern geht davon, Seit einiger Zeit müssen Unternehmen mit mehr als zehn Mit- dass die Nutzer durchaus verstehen, was es mit der ausschließ- arbeitern im Onlineshop darüber informieren, ob sie bereit sind, lichen Berücksichtigung empfohlener Bewertungen auf sich hat. an einer Verbraucherstreitschlichtung vor einer entsprechenden Für den BGH kam es ersichtlich darauf an, dass das Verhalten Stelle teilzunehmen. Es reicht insoweit der Hinweis, dass man von Yelp für die Nutzer transparent ist. Yelp ändert tatsächlich dazu nicht bereit sei. Allerdings muss dieser Hinweis eindeutig nicht die Bewertungen der Nutzer, sondern entscheidet ledig- sein. Der BGH hat mit Urteil vom 21.8.2019 deshalb entschieden, lich darüber, welche Bewertungen sofort angezeigt werden. Eine dass der ergänzende Hinweis „die Bereitschaft dazu kann jedoch vergleichbare Vorauswahl muss aber jeder Betreiber einer Such- im Einzelfall erklärt werden“ irreführend sei, da für den Verbrau- maschine bei der Auswahl und Sortierung der Suchergebnisse cher nicht erkennbar sei, nach welchen Kriterien die Bereitschaft auch treffen, ohne deswegen schon für die fremden Inhalte ver- ausnahmsweise doch erklärt wird. antwortlich zu sein. Dr. Sebastian Meyer Bedeutung der Entscheidung in der Praxis BGH zu Bewertungsportalen: Überprüfbarkeit und Letztlich stellt sich ohnehin die Frage, wie sinnvoll es für ver- Gewichtung von Bewertungen meintlich zu schlecht bewertete Unternehmen ist, sich gegen einzelne Nutzer oder die Portalbetreiber rechtlich zur Wehr zu Bewertungs- und Vergleichsportale sind von erheblicher wirt- setzen. Erfolgversprechender wird es oftmals sein, zunächst schaftlicher Bedeutung, vor allem für Anbieter, die ihre Leis- außergerichtlich Bedenken gegen unberechtigte Bewertung in tungen ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil online plausibler Form vorzutragen. Portalbetreiber löschen nicht jede anbieten. Die Kunden orientieren sich in solchen Fällen in Erman- schlechte Bewertung auf Zuruf, sehen aber – vor allem zur Ver- gelung eigener Erfahrungen mit dem jeweiligen Anbieter an der meidung der eigenen Haftung – einen Mechanismus zur internen durchschnittlichen Bewertung anderer Nutzer und vertrauen Überprüfung von Bewertungen vor. Eine gerichtliche Auseinan- insoweit auf die „Schwarmintelligenz“. Wegen der großen Bedeu- dersetzung über einzelne Bewertungen oder deren Gewichtung tung von Bewertungen ist es wenig verwunderlich, dass unse- sollte daher immer nur ultima ratio sein. Vielleicht können Anbie- riöse Anbieter versuchen, die eigene Durchschnittsbewertung ter eine schlechte Bewertung auch als Ansporn nehmen, um die zu ihren Gunsten zu manipulieren, beispielsweise mit gekauften Kundenzufriedenheit zu verbessern oder die zufriedenen Kunden oder eigenen Bewertungen – was beides gleichermaßen durch zu positiven Bewertungen zu motivieren. Der Kauf von positiven die Nutzungsbedingungen der Portale untersagt wird. Es ist Bewertungen ist dagegen in der Regel nicht zielführend, weil ein daher nachvollziehbar, dass große Portalanbieter nicht auf die solches Vorgehen von den meisten Portalbetreibern mittlerweile Redlichkeit der Anbieter vertrauen, sondern versuchen, falsche relativ zuverlässig erkannt wird und der Ruf des Unternehmens Bewertungen herauszufiltern bzw. deren Relevanz zu reduzie- erst recht leidet, wenn ein solches Vorgehen publik werden sollte. ren. Durch die Gewichtung soll – ähnlich wie bei den klassischen Suchmaschinen – sichergestellt werden, dass Nutzer möglichst Der Autor vertritt außergerichtlich und gerichtlich Portalbetreiber authentische Bewertungen erhalten. Gelingt dies einem Portal- gegen unberechtigte Löschungsverlangen sowie auch Unterneh- betreiber nicht, muss er das Abwandern der Nutzer zu anderen men, die gegen unberechtigte negative Bewertungen vorgehen Portalen befürchten, die vermeintlich bessere, also treffendere möchten. Für die Wirtschaftswoche hat er zuletzt die Entscheidung Ergebnisse liefern. des BGH in einem Gastbeitrag genauer bewertet („BGH-Urteil: Bewer- tungsportale sollten wählerischer sein“, Wirtschaftswoche vom Ausgangslage der BGH-Entscheidung 27.01.2020, abrufbar unter https://www.wiwo.de/finanzen/steu- In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof hat ein Fitnessstu- ern-recht/rein-rechtlich-bgh-urteil-bewertungsportale-sollten-wa- dio versucht, gegen die Gewichtung von Bewertungen durch das ehlerisch-sein/25466666.html). Bewertungsportal Yelp vorzugehen, was aber letztlich erfolglos war (BGH, Urt. v. 14.01.2020, Az. VI ZR 496/18). Zu dem Fitness- Malte Stakowski studio gab es bei Yelp zahlreiche positive Bewertung, die aber Fotos von Mitarbeitern – zwischen Intranet und Internet zumeist schon länger zurücklagen. Yelp zeigte standardmäßig nur eine mittelmäßige Bewertung von drei Sternen an und bezog Fotos von Mitarbeitern haben eine kaum zu überschätzende sich dabei auf die letzten Bewertungen; die älteren Bewertungen Bedeutung für Unternehmen: Sie werden für die Außendar- als „momentan nicht empfohlen“ ausgeblendet. Bei einem geziel- stellung auf der Unternehmenswebsite genutzt, um wichtige ten Aufruf der weiteren Bewertungen blieben diese aber sichtbar. Ansprechpartner greifbarer zu machen. Sie werden zum Zwecke der Imageförderung des Unternehmens, auch im Rahmen des Aus Sicht des Fitnessstudios ist die Vorauswahl bestimmter „Employer Branding“, in Werbefilmen, Broschüren oder auf Soci- Bewertungen unzulässig, weil hierdurch der falsche Eindruck al-Media-Kanälen verbreitet. Außerdem finden sie im Rahmen www.brandi.net
April 2020 Seite 11 der internen Kommunikation Eingang in Mitarbeiterausweise Fotos auf der Website und in Werbematerialien: Einwilli- und Intranet-Portale. gung Für den Fall der Veröffentlichung im Internet aber auch für Image- Die Verwendung von Mitarbeiterfotos stellt für den Arbeit- broschüren und Videos ist daher in den meisten Fällen eine Ein- geber stets eine Verarbeitung personenbezogener Daten des willigung der abgebildeten Personen unabdingbar. In diesem Arbeitnehmers dar, die einer datenschutzrechtlichen Rechtferti- Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass an die gung bedarf. datenschutzrechtliche Einwilligung zahlreiche Anforderungen zu richten sind und für ihre Gestaltung durchaus juristischer Rat zu Nach wie vor gilt bei der Fotonutzung, dass es keine abschlie- empfehlen ist. ßende Rechtsklarheit gibt: Insbesondere ist noch immer unsicher, ob und inwieweit das Kunsturhebergesetz (KUG) möglicherweise Die Einwilligung erfordert rechtlich insbesondere, dass der weiterhin Anwendung findet. Vor der Nutzung von Mitarbeiter- Betroffene über die jederzeit freie Widerruflichkeit der Einwil- fotos empfiehlt es sich daher, aktuelle Entwicklungen und Stel- ligung aufgeklärt wird. Die Ausgestaltung muss zugleich auch lungnahmen in diesem Bereich zu berücksichtigen. dem Transparenzgrundsatz von Art. 4, 7 DSGVO bzw. im Fall von AGB zusätzlich von § 307 BGB gerecht werden. Schließlich dürfte Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung gerade im Hinblick auf die erheblichen Risiken der Veröffentli- Als datenschutzrechtliche Rechtfertigungsgründe für die Anfer- chung im Internet eine umfassende Darstellung etwaiger Risiken tigung und Veröffentlichung von Mitarbeiterfotos kommen ins- gehören. besondere die Notwendigkeit zur Erfüllung des Arbeitsvertrages (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DSGVO bzw. § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG), die Praxistipps berechtigten Interessen des Arbeitgebers (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f ) Nach Möglichkeit sollten Einwilligungslösungen gerade im Hin- DSGVO) oder eine Einwilligung des Arbeitnehmers in Betracht. blick auf die freie Widerruflichkeit vermieden werden, wenn andere Rechtfertigungsgründe ebenfalls eingreifen. Bei der Ver- Erforderlich für die Erfüllung des Arbeitsvertrages dürfte die wendung von Bildern im Intranet oder bei besonders heraus- Veröffentlichung eines Fotos in aller Regel nicht sein. Insofern gehobenen Funktionsträgern kommen – nach Abwägung im mag bei Mitarbeitern mit Außenkontakt – etwa im Vertrieb oder Einzelfall – berechtigte Interessen zur Rechtfertigung der Bildnut- in der Geschäftsführung – eine Notwendigkeit bestehen, ihre zung in Betracht. Namen und Kontaktmöglichkeiten auf der Website zu veröffent- lichen. Für eine Veröffentlichung von Fotos dürfte dies indes in Sollen Arbeitnehmerfotos in Broschüren oder Werbevideos der Regel nicht gelten. verwendet werden, ist auch unter Kostengesichtspunkten für den Fall einer Neuproduktion abzuwägen, mit ihnen hierfür ggf. Interne Fotonutzung: Berechtigte Interessen des Arbeitge- eigene entgeltliche Darsteller-Verträge abzuschließen, um die bers Datenverarbeitung abzusichern; anderenfalls ist eine Einwilli- Ob die berechtigten Interessen des Unternehmens an der Ver- gung hier im Regelfall unumgänglich. Die Einwilligung ist aber öffentlichung von Mitarbeiterfotos für Zwecke des Vertriebs, gemäß Art. 7 Abs. 3 DSGVO jedoch immer frei widerruflich, ohne der Werbung oder der leichteren Kommunikation der Mitarbei- dass insoweit ein Gestaltungsspielraum in datenschutzrecht- ter untereinander die Nutzung der Fotos bereits rechtfertigen, licher Hinsicht besteht. Wird die Einwilligung widerrufen, so ist hängt von einer Interessensabwägung zwischen den Interessen die weitere Datenverarbeitung unzulässig und die Bilder müssen des Unternehmens und den Interessen der betroffenen Arbeit- entfernt werden. Dies kann gerade bei gedruckten Broschüren, nehmer ab. Auf Seiten der Arbeitnehmer ist insbesondere zu mit viel Aufwand produzierten Gruppenfotos oder bei Werbevi- berücksichtigen, inwieweit sie mit einer entsprechenden Daten- deos zu erheblichen Kosten führen. Idealerweise wird in diesem verarbeitung rechnen mussten und welche Risiken diese mit sich Fall bei der Gestaltung der Bilder darauf geachtet, dass einzelne bringt. Personen ohne größeren Aufwand ausgetauscht werden können. Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass die rein Ist eine Einwilligung erforderlich, ist insbesondere wichtig, interne Verwendung von Mitarbeiterfotos bspw. auf Ausweisen möglichst umfassend zu dokumentieren, dass der Arbeitnehmer oder im Intranet von berechtigten Interessen des Arbeitgebers keinerlei Drucksituation ausgesetzt war und er umfassend und abgedeckt ist: Der Arbeitgeber hat hier ein erhebliches Interesse transparent informiert ist. Insbesondere ist in diesem Zusammen- daran, dass sich die Mitarbeiter durch die angezeigten Fotos hang auch das – wenn auch nunmehr abgeschwächte – Form- direkt erkennen und zuordnen können oder sich über den Aus- erfordernis von § 26 Abs. 2 S. 3 BDSG zu berücksichtigen. weis im Betrieb legitimieren können. In der gleichen Weise sind im rein internen Raum auch ohne jede Einschränkung Namens- Auch bei der Gestaltung der Einwilligung sind verschiedene schilder der Mitarbeiter zulässig. Aspekte zu berücksichtigen: So können beispielsweise Über- gangsfristen oder der Hinweis, dass die Beendigung des Arbeits- Nicht von berechtigten Interessen sind jedoch in aller Regel verhältnisses für sich noch keinen Widerruf der Einwilligung Veröffentlichungen von Fotos im Internet abgedeckt. Insofern darstellt, aufgenommen werden. ist zu berücksichtigen, dass eine solche Veröffentlichung erheb- liche Risiken für den jeweiligen Arbeitnehmer mit sich bringt, Der Autor berät regelmäßig Unternehmen bei der rechtlichen Absi- wodurch seine Interessen in aller Regel überwiegen dürften. Dies cherung der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Inhalten und gilt jedenfalls dann, wenn zu den zentralen Aufgaben eines Mit- der datenschutzrechtlichen Bewertung von Verarbeitungsvorgän- arbeiters nicht gerade der Außenkontakt und die Vertretung des gen; er erstellt insbesondere auch Vereinbarungen zur Festlegung Unternehmens gehören (wie dies etwa bei dem Geschäftsführer von Nutzungsrechten an Inhalte und Einwilligungserklärungen zur oder einem Pressesprecher der Fall ist). Nutzung von Inhalten. www.brandi.net
Seite 12 April 2020 Dr. Sebastian Meyer Umsetzung durch die Aufsichtsbehörden Die Angst vor Bußgeldern bei Datenschutzverstößen – Für Deutschland hat die Datenschutzkonferenz als Zusam- Berechtigte Befürchtung und Panikmache? menschluss der verschiedenen Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im Herbst 2019 ein eigenes Konzept zur Bußgeld- Im Zuge der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung ist zumessung verabschiedet und online veröffentlicht (https:// der Bußgeldrahmen für Datenschutzverstöße massiv erhöht wor- www.datenschutzkonferenz-online.de/media/ah/20191016_ den. Nach dem alten Recht lag die Obergrenze bei 300.000 EUR, bu%C3%9Fgeldkonzept.pdf ). Nach dem Bußgeldkonzept soll für mittlerweile ist der Bußgeldrahmen auf bis 20 Millionen EUR oder jeden Fall der Verhängung eines Bußgeldes zunächst ein „wirt- 4 Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes angehoben worden. schaftlicher Grundwert“ ermittelt werden, der dem Tagessatz Diese deutliche Verschärfung der Sanktionsmöglichkeiten ist nur für eine Geldstrafe im Strafrecht ähnelt. Abhängig von dem kon- vor dem Hintergrund der politischen Rahmenbedingungen bei kreten Datenschutzverstoß soll der Grundwert dann mit einem der DSGVO-Einführung zu verstehen. Durch die DSGVO sollte Faktor multipliziert werden, wobei im Konzept Faktoren zwischen erstmals auch eine effektive Kontrolle großer IT-Unternehmen 1 und 12 aufgeführt sind. Zuletzt kann im Sinne eines Korrektivs wie Facebook oder Google ermöglicht werden, weswegen die noch eine „täterbezogene“ Anpassung vorgenommen werden. neuen Sanktionen bewusst so gewählt wurden, dass sich auch für solche Konzerne hinreichend abschreckend wirken. Aufgrund der Nutzung des Jahresumsatzes eines Unterneh- mens als Ausgangspunkt für die Bußgeldbemessung führen die Aktuelle Bußgeldpraxis in Deutschland Vorgaben der Datenschutzkonferenz zwangsläufig dazu, dass Die Diskussion über die angemessene Sanktionierung von identische Datenschutzverstöße zumindest dann nicht gleich Datenschutzverstößen hat zuletzt an Intensität zugenommen, sanktioniert werden, wenn die betroffenen Unternehmen unter- nachdem in kurzer Folge mehrere deutsche Unternehmen mit schiedlich groß sind, was schon grundsätzlich problematisch ist erheblichen Bußgeldern belegt wurden, die allerdings zumeist (Timmer/Radlanski/Eisenfeld, CR 2019, 782, 786 Rn. 33 ff.). Zur noch nicht bestandskräftig sind. Im September 2019 hat die Auf- Rechtfertigung kann darauf verwiesen werden, dass ein identi- sichtsbehörde in Berlin gegen den Lieferdienst Delivery Hero ein sches Bußgeld für unterschiedlich große Unternehmen tatsäch- Bußgeld in Höhe von knapp 200.000 EUR verhängt, weil Aus- lich nicht gleichermaßen abschreckend sein muss. Der Umsatz kunftsansprüche von Kunden nicht ordnungsgemäß beantwor- eines Unternehmens ist dafür aber auch kein sinnvolles Diffe- tet wurden. Im November 2019 hat die Berliner Behörde dann renzierungskriterium. Aus gutem Grund wird etwa im Strafrecht gegen das Immobilienunternehmen Deutsche Wohnen ein Buß- bei der Berechnung der Geldbuße nicht an den Bruttoverdienst geld in Höhe von 14,5 Mio. EUR festgesetzt, weil trotz vorausge- angeknüpft, sondern das Nettoeinkommensprinzip genutzt, bei hender Beanstandung Altdaten nicht ordnungsgemäß gelöscht dem zusätzlich noch Anpassungen möglich sind. Der Jahres- wurden. Zuletzt wurde vor allem über das Bußgeld des Bundes- umsatz eines Unternehmens sagt nichts über Ertragslage eines datenschutzbeauftragten gegen den Telekommunikationsanbie- Unternehmens aus, die allerdings berücksichtigt werden muss, ter 1&1 in Höhe von 9,5 Mio. EUR diskutiert, dem vorgeworfen wenn gem. Art. 83 Abs. 2 DSGVO auch die Verhältnismäßigkeit wurde, bei Kundenanfragen keine ausreichende Authentifizie- des Bußgeldes zu beachten ist. Erschwerend kommt hinzu, dass rung vorgenommen zu haben. Mindestens auf den ersten Blick für die Bußgeldzumessung nach Art. 83 DSGVO nicht auf den ist kaum nachvollziehbar, was genau die Höhe der konkreten engen Unternehmensbegriff gem. Art. 4 Nr. 18 DSGVO abge- Bußgelder rechtfertigt und ob es sich dabei um typische Buß- stellt werden soll, sondern ein weiter Unternehmensbegriff zur geldhöhen handelt, auf die sich jetzt auch andere Unternehmen Anwendung kommt, der auch an sich selbständig geführte und einstellen müssen. organisierte Einheiten in eine Gesamtbetrachtung einbezieht (Gola, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 4 Rn. 109). Rechtliche Rahmenbedingungen Die zentrale Bußgeldbestimmung in Art. 83 DSGVO ist denk- Selbst bei einem „leichten“ Einzelverstoß nennt das Bußgeld- bar einfach strukturiert und hilft bei der Bewertung eines mög- konzept der Datenschutzkonferenz als Rahmen für den anwend- lichen Bußgeldrisikos nur eingeschränkt weiter. Zunächst wird baren Faktor einen Wert von 1 bis 4. Es steht also zu befürchten, allgemein klargestellt, dass für den Fall eines Datenschutzver- dass ein geringerer Faktor als 1 standardmäßig nicht vorgesehen stoßes eine Sanktion durch die Verhängung eines Bußgeldes ist. Selbst bei einem mittelgroßen Unternehmen nach der Kate- erfolgen soll, das „in jedem Einzelfall wirksam, verhältnismäßig gorie C.V. der Datenschutzkonferenz (Jahresumsatz zwischen 25 und abschreckend ist“. Es folgt dann ein Kriterienkatalog mit und 30 Mio. EUR) liegt der einfache Tagessatz bereits bei 76.389 zehn Aspekten und einer Auffangklausel, die bei der Bußgeld- EUR. Ohne eine Korrektur auf der letzten Stufe des Bußgeldkon- bemessung berücksichtig werden können (Frenzel in Paal/ zeptes müsste demnach alleine aufgrund der Unternehmens- Pauly, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 83 Rn. 13.). Als relevant für die größe ein einmaliger, nicht systematischer Verstoß (etwa eine Bemessung der Bußgelder werden dabei unter anderem die nicht ordnungsgemäße Auskunftserteilung oder eine unvollstän- Schwere des Verstoßes und der Grad des Verschuldens (Vorsatz dige Vereinbarung zur Auftragsverarbeitung) immer schon zu oder Fahrlässigkeit) definiert. Abhängig von der konkret verletz- einem Bußgeld in dieser Größenordnung führen. ten Pflicht der DSGVO gilt dann entweder der „kleine“ Bußgeld- rahmen mit bis 10 Mio. EUR bzw. 2 Prozent des Umsatzes gem. Gegen das von der Datenschutzkonferenz vorgelegte Buß- Art. 83 Abs. 4 DSGVO oder der „große“ Bußgeldrahmen, der geldkonzept lassen sich eine Vielzahl von systematischen, sowohl hinsichtlich des absoluten Wertes als auch bei der datenschutzrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken Umsatzbemessung doppelt so hoch liegt. Eine weitere Differen- vorbringen. Fragwürdig ist schon der grundlegende Ansatz, den zierung sieht die DSGVO selbst nicht vor. breiten Ermessensspielraum, der durch Art. 83 DSGVO gewährt wird, in ein mathematisches Formelwerk zu pressen und so den Anschein einer objektiven Bußgeldbemessung zu erwecken. Bis zu einer gerichtlichen Klärung der zahlreichen Fragen werden www.brandi.net
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