Audit Committee Quarterly - LEGALITÄT UND LEGITIMITÄT - I / 2018 - reckhenrich advisors
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Audit Committee Quarterly I / 2018 DAS MAGAZIN FÜR CORPORATE GOVERNANCE Gefördert durch Audit Committee Institute e.V. LEGALITÄT UND LEGITIMITÄT
EDITORIAL Der Mensch ist frei geboren und seine Freiheit verfas sungsrechtlich gesichert. Doch die Kunst, frei zu sein, muss er lernen. Im Beruf muss er qualifiziert, im Sport trainiert, in der Musik ausgebildet sein. Der Staat erwar tet, dass der Bürger seine Freiheitsmaßstäbe selbst entwickelt. Ihm steht es nicht zu, moralisierend Regeln für die Wahrnehmung individueller Freiheit zu formu lieren. Dieses Freiheitsvertrauen baut darauf, dass der Mensch als »redlicher Bürger« handelt, als »ehrbarer Kaufmann« wirtschaftet, er seine Erklärungen »nach bestem Wis sen und Gewissen« abgibt. Wird dieses Vertrauen ent täuscht, öffnet das Recht ein Fenster zur Ethik. Verträge müssen dem Grundsatz von Treu und Glauben entspre chen. Der Wettbewerb muss lauter sein. Das Verbot einem Fonds zur Finanzierung vorwerfbarer Rechts des Wuchers führt Vertrag und Wettbewerb in eine fehler befristet gebunden werden. Wenn die immer Kultur des Maßes zurück. Wenn Unternehmen struktu anonymer werdenden Kapitalgesellschaften den per rell gesetzliche Regelungen nicht einhalten, müssen sie sönlich haftenden Gesellschafter nicht mehr kennen, Bußgelder, Unternehmensstrafen, Gewinnabschöpfun muss diese Schwäche freiheitsgerechter Organisa gen oder den Verfall des durch den Gesetzesverstoß tionsstruktur behoben werden. erzielten Gewinns befürchten. Suchen international tätige Unternehmen im Spiel mit Diese Kunst der Fairness, des Anstands, der Angemes den verschiedenen Staaten sich den Regeln des Steuer senheit ist manchem Unternehmer heute fremd. Er rechts, des Umweltrechts, des Arbeitsrechts und des definiert seine Freiheit als die Beliebigkeit, alles zu tun, Verbraucherschutzes zu entziehen, darf das anwend was das Gesetz nicht verbietet. Das ist ein Missver bare Recht nicht nach dem Firmensitz oder der Satzung ständnis. Würden die Unternehmen ihre Freiheit ledig bestimmt werden, sondern muss der nicht rechtlich lich in gesetzlich definierter Fremdverantwortung, nicht gestaltbaren Realität des Betriebsorts folgen, an dem aber in Eigenverantwortung wahrnehmen, so müsste produziert und gehandelt wird. Wenn die Digitalwelt der Gesetzgeber diese Unternehmerfreiheit immer gegenwärtig in vielen Staaten keinen Betriebsort, son mehr eingrenzen, letztlich umzingeln und ersticken. dern nur Kunden hat, ist das der OECD und der EU Freiheit lebt von den Maßstäben, die Freiheitsberech Anlass, eine »virtuelle Betriebsstätte« zu entwickeln, tigte sich selbst geben, die wissen, »was sich gehört«. die sich am Absatzmarkt oder dem Ansässigkeitsstaat des Konsumenten orientieren dürfte. Eine bloß ver Wenn Unternehmen Massenprodukte wie Fahrzeuge tragstechnisch formale Sitzverlegung durch einen oder Lebensmittel liefern, die nicht den rechtlichen Rechtsakt, der Großbetriebe in einem Kleinbüro mit Standards und den Vertragsversprechen genügen, Sekretärin und Computer als weltweiten Betriebsort oder ihrem Führungspersonal auch bei Schlechtleis darstellen will, wird vom EuGH als bar jeder Realität tungen Boni zuweisen, ihm also ein unverdientes und wirklichkeitsfremd zurückgewiesen. Einkommen gewähren, muss dieses Verhalten in eine Kultur des Maßes zurückgebunden werden. Jedes Vor Die Grundeinstellung zum Recht scheint am meisten zu standsmitglied und auch die Mittäter und Mitwisser in leiden, wenn es um die Steuerzahlung geht. Mancher Technik und Vertrieb sollten mit ihrem Gehalt oberhalb Unternehmer behauptet, er sei verpflichtet, alle gesetz des Normalgehalts persönlich für Fehlentwicklungen lich gerade noch vertretbaren Steuervermeidungs des Unternehmens haften. Gehaltsspitzen könnten in strategien zu befolgen. Er nimmt wie selbstverständ © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
lich die Strukturleistungen dieser Rechtsgemeinschaft die Rechtfertigung. Weltweit tätige Unternehmen entgegen – das Friedensgebiet, das Vertragsrecht und bestimmen mit ihren allgemeinen Geschäftsbedingun seine Verlässlichkeit, hoch qualifiziert ausgebildete gen und Computertechniken, wie wir fahren, was wir Arbeitnehmer und Konsumenten, die mit Krediten und essen, wie wir uns kleiden, was wir wissen sollen. Computern umzugehen wissen. Er weiß auch, dass Eine persönliche Verantwortlichkeit ist nicht erkenn diese Infrastruktur finanziert werden muss, weigert bar. Das Gesetz, das im Parlament im Für und Wider sich aber, seinen dieser Nutzung der Infrastruktur ent diskutiert worden und revidierbar ist, wird abgelöst von sprechenden Finanzbeitrag durch Steuern zu zahlen. einem Algorithmus, der von sich behauptet, »künst liche Intelligenz« zu haben, deswegen keinen Wider Der Staat sollte gelassen mit einer entsprechenden spruch duldet. Menschen verbreiten in den digitalen Gegenstrategie antworten und, soweit gesetzlich ver Medien, die sich »sozial« nennen, Hass, Häme und tretbar, diesen Unternehmen vorübergehend im Dienst Gewalt, schwärzen Richter, Lehrer oder Konkurrenten eines gemeinsamen Rechtsverständnisses Leistun an, ohne dass sie in diesem Tun erkennbar und verant gen verweigern. Das betrifft Subventionen, Ein- und wortlich wären. So erziehen wir die Jugend zur organi Ausfuhrgenehmigungen, die Beurteilung von Planungs- sierten Unverantwortlichkeit. Dieses wäre technisch und Bauvorhaben, die Erschließung und die Infrastruk leicht vermeidbar. Die Anonymität ist jedoch Geschäfts tur. Eine solche Gegenwehr soll in eine Grundeinstel modell. Sie dient insbesondere auch dem Wissen des lung des Rechtlichen zurückführen. Danach werden Veranstalters, der den Nutzer ungesehen beobachtet, sich beide Seiten wieder in der Normalität des Norma seine täglichen Geschäftsbeziehungen aufzeichnet, tiven, in der Mitte des Rechts, bewegen. seine Planungen und Schwächen, seine Forschungen und Gefährdungen kennt. Er wird dieses Wissen als Diese Entwicklung wird von den obersten Gerichten Anbieter, als Veräußerer und als Konkurrent nutzen. bestärkt. Der Europäische Gerichtshof beginnt, die Bei Freiheit muss ersichtlich sein. hilfevorschriften auch auf das Steuerrecht anzuwen den. Der Bundesgerichtshof verweigert Verträgen die Freies Unternehmertum meint Ehrbarkeit. Diese Grund Anerkennung, die eine Schwarzarbeit vereinbaren oder einstellung kann durch Haftung, durch Ersichtlichkeit, in einer Scheidungsvereinbarung einen der Partner arm durch kollegiale Standards verbessert und erneuert rechnen, um staatliche Sozialleistungen in die Vertei werden. Transparenz und Aufsicht sind hilfreich. Uner lungsmasse einzubeziehen. Das Bundesverfassungs lässlich erscheint, dass in jedem Vorstand zumindest gericht erklärt ein Gesetz schon dann für gleichheits ein rechtskundiger und freiheitsmutiger Jurist sitzt, der widrig, wenn es unvertretbare Gestaltungsoptionen alle sensiblen Rechtsakte gegenzeichnen muss. Jede bietet. freiheitliche Ordnung ist so gut wie die Freien. Die Freiheit des wirtschaftlich handelnden Menschen muss ersichtlich sein. Bei einem Gespräch stellt er sich vor. Bei einem Vertrag unterschreibt er mit seinem Namen. Auch eine elektronische Steuererklärung muss individuell zugerechnet werden können. Doch zuneh Prof. Dr. Dres. h. c. Paul Kirchhof ist Seniorprofessor mend verstecken sich die Marktakteure in der Anony distinctus für Staats- und Steuerrecht der Universität mität. Der Anleger weiß oft nicht, was mit seinem Geld Heidelberg, war von 1987 bis 1999 Bundesverfas geschieht, ob er seinen Gewinn durch Produktion von sungsrichter, ist vier Jahre Präsident des Deutschen Weizen oder Waffen erzielt. Das Recht trennt die Juristentages und sieben Jahre Vorsitzender der Ertragschance von der Verantwortlichkeit für den Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft gewesen. Kapitaleinsatz. Im Finanzmarkt werden Gewinne durch Algorithmen erzielt. Diesem Ertrag fehlt die vertragli che Grundlage – der Konsens unter Menschen –, damit Audit Committee Quarterly I/2018 3 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
I N H A LT 2 EDITORIAL Prof. Dr. Dres. h. c. Paul Kirchhof S C H W E R P U N K T : L E G A L I TÄT U N D L E G I T I M I TÄT 6 Muss sich Ethik lohnen? Prof. Dr. Jochen Vetter 10 Anstand ist immer modern Gunter Mengers 12 Ehrbare Kaufleute: sympathisch, aber viel zu brav! Prof. Dr. Thomas Beschorner 15 Die Sonne dreht sich um die Erde Dr. Stefan Reckhenrich 21 erte: DAS Thema in Politik, Wirtschaft und W Gesellschaft für die nächsten 50 Jahre Ernst Primosch 24 eine gesellschaftliche Verantwortung von Unter- K nehmen in der Marktwirtschaft – Verantwortung zuallererst gegenüber den Eigentümern Prof. Dr. Joachim Ragnitz 25 oziale Verantwortung sollte die Voraussetzung für S wirtschaftliches Handeln sein! Und nicht die Aus- nahme, die den benachteiligt, der sie wahrnimmt Dr. Antje von Dewitz 28 teuervermeidung als Leitungsaufgabe des S Managements? Prof. Dr. Dr. h. c. Uwe H. Schneider 30 esteht eine zwingende Vorstandspflicht zur B Minimierung der Steuerlast? Prof. Dr. Jürgen Wessing 32US-Steuerreform, Brexit & Co: Der internationale teuerwettbewerb ist neu entfacht! S StBin Dr. Janine v. Wolfersdorff 35 S Tax Reform – Chancen und Risiken für U Unternehmen Christian Schmid 37 Grenzen der Steuergestaltung Prof. Dr. Georg Crezelius 38 Tax in the Boardroom Marko Gründig 4 Audit Committee Quarterly I/2018 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
41 ie Aufsichtsratsüberwachung in Steuersachen – D S TA N D P U N K T | •| Hinweise zum Management von Tax Compliance- Risiken aus Sicht des Aufsichtsrats 68 Herausforderungen für die Kreditwirtschaft WP StB Prof. Dr. Gerd Geib und RA StB Sandra Grote Dr. Andreas Dombret 44 Brüsseler Reaktionen infolge der Panama Papers Georg Lanfermann und Prof. Dr. Gerrit Adrian F A M I L I E N U N T E R N E H M E N 46 Sponsoring und Mäzenatentum machten den 70 Wie kann neues Kapital erschlossen werden, useumsneubau der Kunsthalle Mannheim M ohne dass der Einfluss der Familiengesellschafter möglich – für Unternehmen ein Bekenntnis zur verloren geht? gesellschaftlichen Verantwortung und zur Till Karrer und Ralf Nachtigall Attraktivität des Standorts Dr. Manfred Fuchs 73 Lohnt sich für Familienunternehmen und Unter- nehmerfamilien der Gang an die Börse? 48 achhaltigkeit in der Finanzindustrie – N Ein Rundgespräch zwischen Hon.-Prof. Dr. rer. pol. der lange Weg aus der Nische in den Mainstream Hermut Kormann, Prof. Dr. Arist von Schlippe und Kristina Jeromin Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Hommelhoff 50 ustainable Finance – S Aktionsplan der Europäischen Kommission 76 Carve-out-Abschlüsse zur Unterstützung von Georg Lanfermann Börsengängen von Familienunternehmen Michael Pritzer und Martin Pföhler 51 Legalität und Legitimität im Unternehmenskontext Dr. Eckhard Burkatzki A K T U E L L E R E C H T S P R E C H U N G 54 trafbarkeitsrisiken nach deutschem Strafrecht S bei transnationalen Menschenrechtsverletzungen 80 Die VW-Sonderprüfung durch Unternehmen Prof. Dr. Hans-Joachim Priester Prof. Dr. Petra Wittig 56 Die Konzernverantwortungsinitiative in der Schweiz Jürg Birri und Gabriel Meier 81 KURZMELDUNGEN 58I n Frankreich müssen Konzernmütter ihre Tochter- gesellschaften und Zulieferer besser überwachen F I N A N C I A L R E P O R T I N G U P D AT E | TA X Astrid Gundel 84 Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen 60 PA-Verfahren, Auflagen und Compliance Monitor – D (§ 6a EStG) verfassungsmäßig? ein Erfahrungsbericht Dr. Ernst-August Baldamus Olaf Schneider 65 eue Anforderungen zur Wahrung von Menschen- N rechten in der Lieferkette: Die EU-Verordnung zu 86 P U B L I K AT I O N E N Konfliktmaterialien Jens Laue 88 A U S G E W Ä H LT E Z E I T S C H R I F T E N A R T I K E L K O L U M N E Z U K U N F T 67 Mein Chef ist eine KI – Zukunftskompetenz in Zeiten 89 Impressum rasanten Wandels Priv.-Doz. Dr. habil. Heiko von der Gracht 90 Bestellformular Audit Committee Quarterly I/2018 5 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
S C H W E R P U N K T : L E G A L I TÄT U N D L E G I T I M I TÄT Prof. Dr. Jochen Vetter Muss sich Ethik lohnen? 6 Audit Committee Quarterly I/2018 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Prof. Dr. Jochen Vetter, Diplom-Ökonom, ist Rechtsanwalt und Partner bei Hengeler Mueller in München und Honorarprofessor an der Universität zu Köln. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die gesellschaftsrechtliche Beratung börsennotierter Unterneh- men und ihrer Organe. I. Fragestellung und Meinungsstand Durch die Umsetzung der CSR-Richtlinie hat der Gesetz geber klargestellt, dass Unternehmen über ihre ethi schen Bemühungen im CSR-Bereich berichten müssen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob und in wel chem Umfang Vorstände ethisch handeln dürfen, und zwar auch dann, wenn eine positive Auswirkung auf Unternehmenswert und Ertragskraft nicht erkennbar ist. Darf der Vorstand bspw. teurere, über den gesetz lichen Mindeststandard hinausgehende Umwelt- und Arbeitsschutzstandards anwenden oder liquide Mittel in grüne, ethisch zertifizierte, aber renditeschwächere Fonds anlegen? Darf ein Unternehmen einen Teil der erwirtschafteten Mittel für gemeinnützige karitative Zwecke spenden? Unstreitig ist, dass es keine Rechtspflicht zu legitimem Verhalten gibt, das über das gesetzlich geforderte Maß hinausgeht. Höchst umstritten ist dagegen, unter wel chen Voraussetzungen ein Vorstand ethisch handeln darf. Die heute wohl herrschende Meinung im gesell schaftsrechtlichen Schrifttum verlangt, dass sich gemein nützige, wohltätige Maßnahmen ökonomisch rechtfer tigen lassen müssen, indem sie jedenfalls langfristig Gewinnaussichten und Unternehmenswert steigern. Teilweise wird sogar eine Quantifizierbarkeit der ökono mischen Vorteile verlangt. Die Gegenmeinung verzich tet dagegen – wie zu zeigen ist, zu Recht – auf das Erfor dernis einer ökonomischen Rechtfertigung für Ethik. Die praktische Bedeutung des Streits mag überschau bar sein, da sich die meisten Bemühungen des Vor stands für das Gemeinwohl zumindest zur Steigerung der Reputation des Unternehmens instrumentalisieren lassen. Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Bedeutung der Fragestellung für die Bestimmung des Pflichtenprofils des Vorstands. Daran haben Vorstands mitglieder angesichts ihrer strengen Haftung ein be rechtigtes Interesse, zumal bei der rechtswidrigen Ver(sch)wendung von Gesellschaftsvermögen stets der Vorwurf der Untreue droht. Im Übrigen sind auch Fälle denkbar, in denen die Gemeinwohlbemühungen vertraulich bleiben und gerade nicht zu Marketing zwecken ausgenutzt werden können oder sollen. Zu denken ist etwa an die freiwillige Übernahme teurer Behandlungskosten für einen erkrankten Mitarbeiter. » Audit Committee Quarterly I/2018 7 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Schwerpunkt: Legalität und Legitimität II. Hinweise auf die Zulässigkeit edanken der Gemeinwohlbindung zwar nicht aus G ethischen Handelns drücklich übernommen. Allerdings belegen die Ge setzesmaterialien, dass der Gesetzgeber die bis Gegen die Zulässigkeit einer Verfolgung von Gemein herigen Leitlinien als selbstverständlich und eine wohlbelangen, die sich nicht ökonomisch rechnen, Aufnahme einer Gemeinwohlklausel daher als über könnte sprechen, dass das Unternehmensziel einer flüssig ansah. Aktiengesellschaft die Gewinnerzielung ist und der Vorstand sich am Unternehmensinteresse auszurichten • Es wäre widersprüchlich, wenn die Rechtsordnung hat. Allerdings ist damit noch nicht gesagt, wie aggres einerseits durch die CSR-Reporting-Pflichten mit An siv der Vorstand das Ziel der Gewinnerzielung verfolgen reizen die verantwortungsvolle Mitberücksichtigung muss. Der Begriff des Unternehmensinteresses ist von CSR-Belangen bei unternehmerischen Entschei gesetzlich nicht definiert und der Streit zwischen einem dungen, die die Rendite mindern können, fördern will, Shareholder Value- und einem Stakeholder Value-An den für das Unternehmen hierbei Handelnden aber satz kann nicht terminologisch entschieden werden. andererseits durch das Gesellschaftsrecht eine strikte, Maßgeblich muss daher sein, welche Hinweise der durch persönliche Haftungsrisiken sanktionierte Ver Rechtsordnung zur Konkretisierung der Pflichten des pflichtung zur alleinigen Ausrichtung auf eine Unter Vorstands entnommen werden können: nehmenswertsteigerung auferlegte. Klare Erwartun gen an ethisches Verhalten in der Wirtschaft äußert • Eine freiheitliche Rechtsordnung und eine soziale der Gesetzgeber auch unterhalb der Ebene binden Marktwirtschaft setzen Eigenverantwortlichkeit der der Gesetze, insbesondere in der CSR-Strategie der handelnden Individuen voraus. Der Staat hat glück Bundesregierung, dem von der Bundesregierung im licherweise gerade nicht den Anspruch, seinen Dezember 2016 vorgelegten Aktionsplan zur Umset Bürgern alle wünschenswerten Handlungsweisen zung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Men vorzuschreiben und alle unerwünschten zu verbieten. schenrechte und durch die Unterstützung und Aner Legitimes Verhalten ist erwünscht, wird aber nicht kennung von supranationalen Initiativen. erzwungen. Das Verhalten innerhalb des Bereichs der Legitimität bestimmt jeder Bürger und jeder • Die Unternehmen selbst betonen heute in ihren Ver Marktakteur in eigener Verantwortung. Bei Aktien haltensrichtlinien vielfach nicht nur die Verpflichtung gesellschaften obliegt diese Entscheidung dem Vor zur Legalität (Compliance), sondern auch zur Legiti stand (§ 76 Abs. 1 AktG). mität (Integrität, Moral, Verantwortung) ihres Verhal tens. Die Annahme, dass sich durch strikt integres • Für den Bereich des Eigentums kommt der Gedanke Handeln stets der Gewinn steigern lässt, lässt sich der Legitimität und Verantwortung in Art. 14 Abs. 2 nicht belegen und sicherlich nicht verallgemeinern. GG in dem Hinweis auf dessen Sozialpflichtigkeit zum Ausdruck. Es spricht viel dafür, dass diese Grundwer • Das Aktionärsinteresse kann heute nicht mehr ein tung, auch wenn sie primär den Schutz des Bürgers seitig mit einem Interesse an Gewinnmaximierung vor dem Staat im Blick hat, auch von den Leitungs um jeden Preis gleichgesetzt werden. Viele private organen derjenigen Organisationsformen beachtet und institutionelle Investoren orientieren sich bei werden darf, die der Staat den Bürgern zur wirtschaft ihren Investments unter Verzicht auf eine Rendite lichen Betätigung zur Verfügung gestellt hat. maximierung immer häufiger auch an ethischen Be langen und eigenen CSR-Konzepten. • Die Vorgängervorschrift zu § 76 Abs. 1 AktG, der die eigenverantwortliche Leitung der AG durch den Vor • Und schließlich noch ein rechtspolitisches Argument: stand vorsieht, bestimmte, dass der Vorstand die Ge Wenn über das gesetzlich geforderte Maß hinaus sellschaft unter eigener Verantwortung so zu leiten gehende Verhaltenspflichten nur aus letztlich die hat, »wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolg Rendite steigernden Erwägungen begründet werden schaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich dürften, wären Vorstände verpflichtet, die Gewinn- es fordern« (§ 70 AktG i. d. F. des AktG von 1937). Die und Wertsteigerung aggressiv und mit allen Mitteln, Relevanz dieser Vorgeschichte lässt sich nicht unter die nicht verboten sind, zu betreiben. Ökonomisch Hinweis auf ihren Ursprung in der Zeit des national würde ein race to the bottom im Hinblick auf die sozialistischen Unrechtsstaats abtun. Die Regelung Berücksichtigung von Arbeitnehmer-, Sozial- und greift deutlich ältere Gedanken auf und war bis 1965 Umweltbelangen nicht nur toleriert, sondern gefor in Kraft. § 76 Abs. 1 des AktG von 1965 hat den dert und gefördert. 8 Audit Committee Quarterly I/2018 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
III. Grenzen sicht ist bei einem zulässigen Zweck ein De-minimis- Betrag anzuerkennen. Im Übrigen kommt es auf Größe, Selbstverständlich ist die Förderung von Gemeinwohl Ertragskraft und momentane wirtschaftliche Lage der belangen durch den Vorstand mit für ihn fremdem Ge Gesellschaft an. In der Krise sind geringere Beträge als sellschaftsvermögen nicht grenzenlos zulässig. Bei den in Boomzeiten angemessen. Feste absolute oder an Grenzen der Förderung von Gemeinwohlbelangen durch Umsatz- oder Ertragszahlen geknüpfte relative Betrags den Vorstand ist zwischen Maßnahmen im Bereich der grenzen lassen sich nicht bestimmen. unternehmerischen Wertschöpfung (bspw. Umwelt schutz in der Produktion, Behandlung der Arbeitnehmer Gerade im Bereich der Mittelverwendung muss ober oder ethische Investments) und Maßnahmen der Mittel halb von De-minimis-Beträgen und jedenfalls bei Betrof verwendung (Spenden für gemeinnützige Zwecke) zu fenheit persönlicher Interessen oder ansonsten erkenn unterscheiden. In beiden Bereichen ist die Berücksich barem Erörterungsbedarf der Gesamtvorstand über die tigung und Förderung von Gemeinwohlbelangen auch Maßnahme entscheiden. Aus denselben Gründen muss ohne positiven Einfluss auf Rendite und Unternehmens auch der Aufsichtsrat in besonderem Maße seiner wert grundsätzlich zulässig. Die Grenzen ergeben sich Überwachungspflicht im Hinblick auf Spenden, die sich aus dem Verbot einer Gefährdung der dauerhaften Ren nicht aus ökonomischen Vorteilen für das Unterneh dite oder Existenz sowie dem allgemeinen Missbrauchs men rechtfertigen, nachkommen. Mittel dazu sind die verbot. Im Übrigen unterliegt der Vorstand auch bei Unterrichtung durch den Vorstand und ggf. Zustim gemeinnützigen Maßnahmen der allgemeinen Sorg mungsvorbehalte. Viele Geschäftsordnungen des Vor faltspflicht des § 93 Abs. 1 AktG; insbesondere sind die stands verlangen entsprechend für Spenden oberhalb Schutzbedürftigkeit und die Folgen der Maßnahme für eines (regelmäßig nicht sehr hohen) Mindestbetrags das Unternehmen sorgfältig auf Grundlage angemes einen Beschluss des Gesamtvorstands und teilweise sener Informationen und unabhängig von persönlichen sogar die Zustimmung des Aufsichtsrats. Interessen zu ermitteln und abzuwägen. Im Vergleich zu Maßnahmen im Bereich der unter IV. Kontrolle durch Hauptversammlung nehmerischen Wertschöpfung weist die Verwendung und Aufsichtsrat erwirtschafteter Mittel für gemeinnützige Zwecke (Spenden) zwei Unterschiede auf: Zum einen ist der Die hier vertretene Auffassung räumt dem Vorstand Zusammenhang zum Unternehmensgegenstand gerin einen gegenüber der herrschenden Meinung deutlich ger, zum anderen könnte derselbe Zweck auch durch weiter reichenden Handlungsspielraum ein. Die rechtli eine abweichende Gewinnverwendung durch die Aktio chen Grenzen und damit auch die gerichtliche Kontrolle näre (s. § 58 Abs. 3 S. 2 AktG) oder private Spenden der werden zurückgedrängt. Der Einfluss von Hauptver Aktionäre mit den als Dividende erhaltenen Mitteln sammlung und Aufsichtsrat bleibt dagegen unberührt. erreicht werden. Spenden, die sich nicht durch positive Die Hauptversammlung hat die Möglichkeit, durch Sat Auswirkungen auf die Reputation des Unternehmens zungsbestimmungen den Handlungsspielraum des Vor rechtfertigen lassen, sind daher nur im Rahmen des stands zu begrenzen oder zu erweitern. Erst recht hat Angemessenen zulässig. Maßgeblich für die Angemes der Aufsichtsrat weitreichende Möglichkeiten, die CSR- senheit sind qualitative und quantitative Kriterien im Aktivitäten des Vorstands einer besonderen Recht- und Zusammenspiel. Zweckmäßigkeitskontrolle zu unterziehen und proaktiv im Anstellungsvertrag Vorgaben zur Berücksichtigung In qualitativer Hinsicht ist die Nähe zum Unternehmens ethischer Belange zu treffen. Diese innergesellschaftli gegenstand von Bedeutung. Sachspenden für Universi che Zweckmäßigkeitskontrolle erscheint für das Vor täten und sonstige Forschungseinrichtungen in Berei standshandeln im Bereich der Legitimität angemes chen, in denen das Unternehmen tätig ist, liegen dicht sener und effizienter als eine darüber hinausgehende am Unternehmensgegenstand, Geldspenden für ein Rechtskontrolle, ob durch die Gemeinwohlbemühun Sportevent dagegen weniger. Spenden für zweifellos gen auch Rendite und Unternehmenswert gesteigert gemeinnützige Zwecke, bspw. für Erdbeben- oder Flut worden sind. « opfer, wird man in weiter gehendem Umfang anerken nen können als Zuwendungen zugunsten von Individual personen. Bei Zuwendungen an Individualpersonen ist eine besondere Nähe der hilfsbedürftigen Person zum Unternehmen zu berücksichtigen. In quantitativer Hin Audit Committee Quarterly I/2018 9 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Schwerpunkt: Legalität und Legitimität Gunter Mengers Anstand ist immer modern Wie wird heutzutage auf die Begriffe »Ehrbarkeit« und Es scheint sich immer mehr der Bedarf zu entwickeln, noch weiter gehend »Ehrbarer Kaufmann« reagiert? dass Unternehmen und somit die Mitarbeiterinnen und Führt das zu einem nachsichtigen Lächeln, mit dem Hin Mitarbeiter Leitlinien benötigen, an denen sie sich mora weis auf längst vergangene Zeiten? Sind diejenigen, die lisch im täglichen Leben orientieren können. Das sind dafür einstehen aus der »old world«, weil sich vielleicht bekannte Begriffe wie keiner mehr so richtig vorzustellen vermag, dass mit der Einhaltung der Wertebegriffe erfolgreich gearbeitet • Social Corporate Responsibility, werden kann? • Corporate Governance, • Compliance und wieder Compliance. Das Wirtschaftsklima wird durch ständig neu hinzu kommende Marktplayer rauer. Der Wettbewerb und der Die Menschen fühlen sich durch Richtlinien teilweise Margendruck scheinen ständig härter zu werden. So ist so eingeengt, dass sie nicht mehr nach eigenen Moral es auch für den Einzelnen nicht ganz einfach, sich nach vorstellungen agieren, sondern erst einmal die Com bestimmten Maßstäben ordentlich und fair zu verhalten. pliance-Vorgaben konsultieren. Kein Missverständnis, Da können die Grenzen des Anstands und der Bere nichts spricht gegen Compliance oder schlicht ausge chenbarkeit schon einmal verwischen. drückt: gesetzeskonformes Verhalten. Ist der gute Ruf überhaupt noch das Ziel unternehme Der damalige Kommissionsvorsitzende der Corporate rischen Handelns oder setzt der vermeintliche Sieges Governance Dr. Manfred Gentz hat 2015 – vermutlich zug des Kapitalismus Anstand außer Kraft? Kann man nach vielen Sitzungen und intensiven Dokumentatio bei den hohen Renditeansprüchen überhaupt noch ehr nen – eine ziemlich kurze Empfehlung ausgesprochen: bar bleiben? Bei einigen Verhaltensformen, mit denen »Verhalten Sie sich wie ein ehrbarer Kaufmann!« wir täglich konfrontiert werden, hat man den Eindruck, das Zitat aus Goethes »Faust« Ganz schlicht – ganz einfach. Das ist für die Grundge danken, die mit dem Begriff Ehrbarer Kaufmann und »Mich plagen keine Skrupel und Zweifel, Ehrbare Kauffrau in Verbindung gebracht werden, wie fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel« ein Ritterschlag, wie ein Jungbrunnen. werde häufig als Basis für Handeln genommen. 10 Audit Committee Quarterly I/2018 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Gunter Mengers, Sprecher der Geschäftsfüh- rung der Gayen & Berns Homann GmbH sowie Vorsitzender der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e.V., daneben Mitglied verschiedener Beirats- und Aufsichtsgremien Sind Leitlinien wie Anstand, Zuverlässigkeit, das Prinzip schen geben Ethikgrundsätze eines Unternehmens vor. von Treu und Glauben sowie Ausgewogenheit zwischen Wir erleben momentan leider zunehmend, dass sich kaufmännischem Streben und sozialer Verantwortung – Mitglieder der Führungsetagen für offenkundiges Fehl zusammengefasst werteorientiertes Handeln – etwa verhalten nicht zuständig und somit nicht verantwort altbacken und verstaubt? lich fühlen. Dass Tradition nicht das Synonym für »Gedanken von In der Literatur wird ja der Versuch unternommen, zwi gestern« ist, das sehen wir an der Versammlung Eines schen Individualethik und Institutionsethik zu unterschei Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e.V. (VEEK). Die VEEK den. Ist Letzteres etwa ein Freifahrschein für wertefreies ist ein Zusammenschluss von Hamburger Kaufleuten, Handeln? die sich für ein werteorientiertes Verhalten im Wirt schaftsleben einsetzen. Die Wurzeln der VEEK gehen Es sind nun einmal die Führungskräfte, die Orientierun bis ins Jahr 1517 zurück, und die Erhaltung der gemein gen vorgeben müssen, und dazu gehören eben auch samen Werte wie Beständigkeit, Weltoffenheit und moralisch-ethische Ansprüche. Wir sollten und dürfen Verlässlichkeit ist das Bindeglied der Vereinigung, die daher die einzelne Person mit Führungsverantwor- nun seit 501 Jahren besteht. tung nicht aus dieser Verantwortung entlassen. Da sind auch Hinweise auf »andere Länder, andere Sitten« und Anstand ist immer modern und das wird auch immer so unterschiedliches juristisches Beurteilen unwesentlich. bleiben. Es ehrt, wenn Anstand und werteorientiertes Anstand kennt keine Grenzen und ist auch nicht immer Handeln sehr eng an kaufmännische – manchmal auch in Bestimmungen nachlesbar. regional geprägte – Verhaltensformen angelehnt wer den. Das ist auch in Ordnung. Leider existiert vielfach noch die völlig antiquierte Vor stellung vom Kaufmann. Er ist in keiner Hinsicht ein in Aber für gutes Verhalten gibt es keine regionalen Ab der Zeit der Buddenbrooks stehen gebliebenes Relikt grenzungen, wenngleich es auch in anderen Ländern der Vergangenheit. Es wird leicht übersehen, dass der unterschiedliche Auffassungen dazu gibt. Begriff (Kaufmann) für Unternehmertum, Innovations kraft, Internationalität und soziale Verantwortung steht. Was – sicher auch im Zusammenhang mit den negativen Es waren und sind doch die Kaufleute, die weltweit Ereignissen bei weltweit tätigen Unternehmen – ganz Handel betreiben und die Entwicklungen in den jewei klar wahrzunehmen ist, ist die Tatsache, dass das Zu ligen Regionen fördern und unterstützen. Daraus sind sammenwirken zwischen kaufmännischem Streben Werte und Arbeitsplätze entstanden und die unabding und sozialer Verantwortung eindeutig eine Renaissance bare Notwendigkeit, sich immer wieder neuen Entwick erlebt. Bei allem Verständnis für Fortschritt ist der deut lungen zu stellen und sinnvolle Lösungen zu schaffen. liche Wunsch vieler, besonders auch jüngerer Menschen zu spüren, sich wieder auf Werte zu besinnen. Dem Kaufmann modernes Unternehmertun und weit sichtige Managementfähigkeiten abzusprechen, zeugt Nun gibt es Überlegungen – häufig allerdings theore von einer gewissen Ferne zur Realität. tisch geprägt –, die darzulegen versuchen, dass das Individuum in der heutigen Zeit gar keine Möglichkeit Es gehört mit zu unseren Aufgaben, auch den nach hat, die Ethik eines Unternehmens zu prägen oder zu folgenden Generationen klar zu vermitteln, dass zuver beeinflussen. Ein abenteuerlicher Gedanke. Wo kom lässiges Handeln mit sozialer Verantwortung immer men wir hin, wenn sich jeder hinter der Aussage »ver Zukunft haben wird und dass die Verantwortung dafür stecken« kann, dass er nicht in der Lage ist, sich werte nicht bei Institutionen liegt, sondern bei den verant orientiert zu verhalten, weil »das« Unternehmen ihm wortlichen Personen. Das wird umso wichtiger, als andere Leitlinien vorschreibt. Diese werden aber – zu künstliche Intelligenz definitiv vielfältige Aufgaben über mindest noch – von Menschen erstellt und diese Men nehmen wird. « Audit Committee Quarterly I/2018 11 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Schwerpunkt: Legalität und Legitimität Prof. Dr. Thomas Beschorner Ehrbare Kaufleute: sympathisch, aber viel zu brav! »Mein Sohn, sey mit Lust bey den Geschäften am Tage, aber mache nur solche, daß wir bey Nacht ruhig schlafen können!« (Thomas Mann, Buddenbrooks, 1901, IV, 1) 12 Audit Committee Quarterly I/2018 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Prof. Dr. Thomas Beschorner ist Professor für Wirtschaftsethik und Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen. Seine Forschungs- und Lehrgebiete liegen im Span- nungsfeld von Ökonomie, Ethik und Kultur sowie im Bereich »Corporate Social Responsibility«. Twitter: @ThBeschorner Thomas Manns 1901 erschienener Roman »Budden Tugenden sind für ein angemessenes Verständnis von brooks« hat wie keine andere literarische Darstellung Unternehmensethik notwendig, nicht jedoch – wie ich das Bild des »ehrbaren Kaufmanns« geprägt. Die Figur ausführen will – hinreichend. des Kaufmanns Johann Buddenbrook ist standfest, um sichtig, asketisch, ein gut kalkulierender wie auch bere chenbarer Geschäftspartner, gerechter Arbeitgeber und Regeln eine Stütze der Gesellschaft. Manns Meistererzählung um den Aufstieg und Fall einer hanseatischen Kauf Es bedarf, erstens, institutioneller Regeln und Struktu mannsfamilie im 19. Jahrhundert transportiert auch des ren im Unternehmen – ebenso wie in der Gesellschaft sen Melancholie über das Ende einer Epoche. (Wieland 1999). In einer freiheitlichen, weltoffenen Ge sellschaft stößt die Individualethik, auf die der »ehrbare So sehr Manns Roman seinen Lesern auch heute noch Kaufmann« abzielt, an seine Grenzen. Sie ist zu divers, viel zu bieten hat, so sehr erscheint mir das Leitbild des um eine wie auch immer geartete Ehre zu begründen, ehrbaren Kaufmanns heute nicht mehr zeitgemäß. noch können vor ihrem Hintergrund prädefinierte Tugen Denn dieses Leitbild muss sich an anderen normativen den als uneingeschränkt gültig angenommen werden. Leitbildern messen lassen, z. B. dem der Nachhaltigkeit Die Individualethik ist daher unbedingt durch eine Insti oder der Idee der Unternehmensverantwortung, neu tutionenethik zu ergänzen (nicht jedoch vollends zu deutsch: Corporate Social Responsibility (CSR). Nur ein ersetzen). Diesen Institutionen, bspw. in Form eines kurzer Seitenblick auf diese Diskussionen offenbart Verhaltenskodex oder eines weiter gehenden Werte dabei die Schwäche der Idee des ehrbaren Kaufmanns, managementsystems, kommt dabei eine dreifache ja, gar die Gefahren, die damit verbunden sind. Funktion zu: Sie entlastet das Individuum von permanen ten moralischen Entscheidungssituationen, die jedes Individuum überfordern würden; klar definierte und Personale Tugenden: wichtig, aber nicht transparente Regeln schützen vor Willkür eines Patriar hinreichend chen, bei dem man prinzipiell nie weiß, wie es um seine Tugenden bestellt ist; sie signalisieren und kommunizie Hinter dem ehrbaren Kaufmann steht ein tugendethi ren nach innen und nach außen klar verlässliche Werte sches Konzept und die damit verbundenen praktischen (z. B. über eine Unternehmensphilosophie / -politik). Vorschläge sind ebenso sympathisch wie einfach. Wir alle wünschen uns tugendhafte Menschen. Und wenn wir über moralische Probleme und ihre Beseitigung in Dialog der Wirtschaft nachdenken, dann ist selbstredend klar, dass die moralischen Orientierungen von Personen Zweitens, der Pluralismus an individuellen Werten und (Unternehmer, Manager, alle Mitarbeiter) für wirtschafts Haltungen erfordert offene, partizipative und letztlich ethische Fragen wichtig sind. In dieser Hinsicht drückt legitimierte Mittel, um gemeinsame Werte zu bestim die Metapher des »ehrbaren Kaufmanns« also durch men. Das können etwa dialogorientierte Praktiken leis aus etwas Richtiges und Wichtiges aus. Doch sowohl ten, wie wir sie in verschiedenen Formen heute schon die »Ursachenbeschreibung« als auch der daraus resul als Dialoge von Unternehmen mit ihren Anspruchsgrup tierende »Therapievorschlag« sind zu einfach. Personale pen (Stakeholder- oder Multi-Stakeholder-Dialoge) » Audit Committee Quarterly I/2018 13 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Schwerpunkt: Legalität und Legitimität kennen. Unternehmen müssen heute stärker denn je Folklore und Religion ihr wirtschaftliches Handeln in einem gesellschaftlichen Diskurs legitimieren. Der Begriff der »Ver-antwortung« Was dem Leser vielleicht wie spitzfindige wissenschaft weist auf einen solchen Dialog hin. Das setzt sogleich liche Einwände vorkommen mag, entpuppt sich bei eine neue Sprachfähigkeit auf einem noch recht unbe einer näheren Betrachtung jedoch als sehr bedeutend kannten Terrain voraus. für ein – auch praktisches – Verständnis von Unterneh mensverantwortung. Die Fürsprecher des »ehrbaren Kaufmanns« haben nämlich noch eine Pointe parat: Unternehmergeist für Nachhaltigkeit Die Ehre und die Tugend des Kaufmanns reiche für eine Unternehmensethik aus. Er »braucht keinen Kodex Drittens, der »ehrbare Kaufmann« ist tendenziell kein guter Corporate Governance«, so Horst Albach (2003, Unternehmer, sondern eher Typ »braver Amtmann«: S. 40). Und für die Fachdisziplin der Betriebswirt solide, zuverlässig, maßvoll, nüchtern, fast etwas bie schaftslehre wird daraus gar abgeleitet, dass es »Ethik« der. Seine Kaufmannstugenden beschränken sich auf oder »Verantwortung« nicht bedarf, weil sie bereits auf die Vermeidung von »bad practices« (wie Korruption, ethischen Prinzipien beruhe. Ökonomisch kluges Mana Bestechung usw.) und einen gesellschaftlichen Beitrag gement sei gleichbedeutend mit Ethik und daher lautet in Form einer Spendenethik. Das Verständnis moder die Maxime für die Vertreter dieser Position: »Betriebs ner Unternehmensverantwortung geht gleichwohl über wirtschaftslehre ohne Unternehmensethik!« (Albach diesen reaktiven Typus hinaus, indem es darüber auch 2005). Damit freilich sind wir mit dem »ehrbaren Kauf und primär die Geschäftstätigkeiten von Unternehmen mann« nicht mehr nur bei folkloristischen Erzählungen, adressiert. Es geht damit nicht nur um die Vermeidung sondern in der Religion, in der Glaubenssätze postuliert von »bad practices«, sondern um die Möglichkeiten werden. « und Grenzen der Realisierung von »good business practices«; mithin um die Frage: Welchen positiven Bei trag sollen und können Unternehmen für eine gute und gerechte Gesellschaft leisten? Diese Perspektivener weiterung ist deshalb wichtig, weil damit die Unterneh merfigur als »kreativer und innovativer Geist« zurückge holt und Unternehmen als »cultural engines« begriffen werden, die neue nachhaltigkeitsorientierte Märkte L I T E R A T U R V E R Z E I C H N I S erschließen und dadurch eine nachhaltige Gesellschaft aktiv mitgestalten. Sie emanzipiert die Diskussion zur Albach, Horst (2003): Zurück zum ehrbaren Kauf- mann – Zur Ökonomie der Habgier, in: WZB-Mittei- Corporate Social Responsibility zugleich aus ihrer defen lungen, Nr. 100, S. 37–40 siven Grundhaltung (Beschorner 2008). Albach, Horst (2005): Betriebswirtschaftslehre ohne Unternehmensethik!, in: Zeitschrift für Betriebswirt- schaft: ZfB, Jg. 75 / 9, S. 809–831 Internationale Standards Beschorner, Thomas (2008): Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship: theore- Viertens sind Werte notwendig, die nicht nur regionale tische Perspektiven für eine aktive Rolle von Unter- Bedeutung haben, sondern kulturübergreifend Geltung nehmen, in: Backhaus-Maul, Holger; Biedermann, besitzen können, Werte für Weltwirtschaftsbürger. Inter Christiane; Nährlich, Stefan; Polterauer, Judith nationale Leitlinien wie die ISO 26000, der UN Global (Hrsg.): Corporate Citizenship in Deutschland. Wies- Compact oder die UN Sustainable Development Goals baden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 68–86 etc. können mögliche Annäherungen sein (dazu einge Beschorner, Thomas; Hajduk, Thomas; Schank, hender: Beschorner / Hajduk / Schank 2011). Christoph (2011): Ökonomie anders denken: Perspek- tiven Nachhaltiger Entwicklung, in: Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Politik nachhaltig gemacht. Wie man nachhaltige Politik gestaltet, kommuniziert und durchsetzt: Bertelsmann-Verlag, S. 73–99 Mann, Thomas (1901): Buddenbrooks. Verfall einer Familie. Berlin: S. Fischer Wieland, Josef (1999): Die Ethik der Governance. Marburg: Metropolis-Verlag 14 Audit Committee Quarterly I/2018 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Dr. Stefan Reckhenrich Die Sonne dreht sich um die Erde Wirtschaftstheorien schaffen ihre eigene Wirklichkeit und prägen das Verhalten von Managern – Zeit zum Umdenken Spätestens nach zwei Jahren schwelender Abgasaffäre Seit dem Aufkommen angelsächsisch geprägter Kapital ist das Ansehen von Topmanagern und Aufsichtsräten märkte nehmen wir strukturell ein mehrheitlich techno internationaler Konzerne erodiert. Es scheint, als wären kratisch geprägtes Management an der Spitze wahr: langfristiges Denken und vertrauensbasiertes Zusam international, brillant, geschliffen, aber oft mit engem menwirken in Unternehmen vielfach durch kurzfristige Blick auf die Wertschöpfungskette und das Portfolio- Maximierung entlang der Taktung von Quartalsbericht- Management. Für Nachhaltigkeit in der Unternehmens Erstattung abgelöst worden. Sind Manager per se neo entwicklung in Richtung der Stakeholder – Mitarbeiter, liberal denkende Egoisten oder vielmehr Getriebene Gesellschaft, das politische Gemeinwesen etc. – bleibt profitorientierter Denkmuster? zum Teil wenig Raum. » Audit Committee Quarterly I/2018 15 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
Schwerpunkt: Legalität und Legitimität Nicht erst seit dem Abgasskandal stellt sich die Frage, Wirklichkeit und somit Fakt. Diese zu ignorieren und welchen Zwängen und Rahmenbedingungen Unterneh sich nicht damit auseinanderzusetzen, ist gefährlich, da menslenker heutzutage ausgesetzt sind. Es wird Zeit, die Ausgrenzung unliebsamer Akteure in einer antago diese Wirkmechanismen zu hinterfragen. Nur so kann nistischen Haltung1 endet, in der dem Gegner gleich die es gelingen, neue Denkweisen zu etablieren, um sich Existenzberechtigung entzogen wird. Im Extremfall führt von einer reinen Gewinnmaximierung zugunsten der dieses Vorgehen zu nur noch wenigen zugelassenen Shareholder zu befreien. Interpretationen und so wird der übrig bleibende Kon sens zum faulen Kompromiss – in Gesellschaft und Politik ebenso wie in Unternehmen. 1] A World of Difference – Beobachtungen zum Status quo Solche Faktoren führen immer häufiger zu einer unge wollten kollektiven Schlechtleistung, die wie ein Weltweit gibt es große Verschiebungen – in ökonomi »schwarzer Schwan« auftaucht, ohne dass die meisten schen, sozialen, ökologischen, nationalen Aspekten. Akteure damit rechneten: sei es der Bau des Flughafens Sprachen wir vor drei Jahren noch von VUKA – Volatili Berlin-Brandenburg oder das Zustandekommen des tät, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität –, haben wir Abgasskandals bei VW. heute teilweise eine Dynamik, die uns in ihrer Schnellig keit und ihrem globalen Ausmaß noch auf eine weitere In einem modernen, vernetzten und komplexen Wirt Stufe hebt. Hinzu kommt, dass sich immer häufiger schaftssystem ist der Erwartungsdruck auf prominente wichtige Player nicht an gängige Regeln, Normen und Gestalter immens und so hoch wie noch nie. Letztlich Werte halten und damit vermeintlich bzw. kurzfristig stellt sich die Frage, auf welche Weise der gesellschaft erfolgreich scheinen. Diese scheinbare Ablehnung von lichen Verantwortung Rechnung getragen werden kann. Verantwortung jenseits der Eigen- und Gewinnoptimie Denn verbreitete Bewältigungsstrategien greifen zu rung hat Gründe: kurz. Allein mit dem »Blick in den Rückspiegel«, mit Controlling, Compliance und dem Befolgen von Regeln Erstens sind die Konsequenzen der Entscheidungen oft funktioniert die Bearbeitung der Herausforderung nicht, nicht mehr selbst spürbar, weil sie womöglich weit weg vor allem, wenn noch keine geteilten Regeln system oder erst viel später zum Tragen kommen. Früher führte übergreifend gelten oder geltende Regeln so erfolgreich der Kontext stärker mit: Unternehmen waren direkt den missachtet werden (z. B. Trump-Wahl, Panama-Papers Auswirkungen ihrer Entscheidungen ausgesetzt, weil etc.). Unzureichend ist dementsprechend auch das der lokale Radius und damit der Kreis der betroffenen Wegdelegieren an einen Bereich für Corporate Social Stakeholder unmittelbar vor der Haustür situiert waren. Responsibility für die Auseinandersetzung mit allem Das gilt zwar heute noch für mittelständische Betriebe, außerhalb der unmittelbaren Wertschöpfung. Der Ge nicht jedoch für zunehmend global operierende und in brauch von Algorithmen und Big Data vermag diese zig legale Entitäten aufgespaltene Unternehmen. Hier Herausforderungen ebenfalls nicht allein zu meistern, wurden Konsequenzen und Kosten häufig externalisiert denn sie basieren immer auf vorhandenen Bewertungs und an Umwelt, Politik und Gesellschaft weitergereicht. maßstäben und können somit nichts ureigen kreativ Neues in die Welt bringen. Außerdem entkoppeln wir fast immer unser wirtschaft liches Tun von unserer persönlichen Verantwortung. Die juristische Person wurde ursprünglich geschaffen, damit 2] Das Erbe der Berechenbarkeitsillusion Angebote von gesellschaftlicher Relevanz (Wasser-, Stromversorgung, Bergbau, Eisenbahn …) mit über Naturwissenschaftliche Ansichten, nach denen sich die schaubarem Risiko versehen wurden und diese Ange Sonne um die Erde dreht, haben den Lauf der Sonne bote somit zustande kommen konnten. Da inzwischen nicht verändert. Nur mit der Erkenntnis der entspre für fast jede wirtschaftliche Aktivität eine UG, GmbH, chenden Wahrheit hat es bis Kopernikus gedauert. Mit AG oder SE gegründet wird, stellt sich die berechtigte Management-Theorien verhält sich das anders: Sie wer Frage, wie es heute um die tatsächliche Übernahme den in Abhängigkeit von der Anzahl ihrer Anhänger zur von Verantwortung steht. Wirklichkeit. Denn wenn eine solche Theorie genügend Verbreitung findet, ändert sich das Verhalten der Mana Zuletzt sei der zunehmende »unchallenged mainstream« ger, die ihr Verhalten immer stärker an diese Theorie genannt. Dazu trägt auch die Bezeichnung und Ableh anpassen. Eine Management-Theorie, die annimmt, nung unwahrer Argumente als »postfaktisch« bei. Nun ist Wahrheit nicht gleich Wirklichkeit. Unwahre Argu mente existieren und werden verbreitet, daher sind sie 1 Vgl. Mouffe, Chantal (2014): Agonistik – Die Welt politisch denken, Berlin 16 Audit Committee Quarterly I/2018 © 2018 Audit Committee Institute e.V., assoziiert mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, einem Mitglied des KPMG- Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International Cooperative (»KPMG International«), einer juristischen Person schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.
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