AUF NACH BERLIN! Großdemo #FairWandel am 29.6 - IG Metall Dresden und Riesa
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M i t g l i e d e r z e i t u n g d e r I G M e t a l l | J a h r g a n g 7 1 | Juni 2019 | D 4 7 1 3 metallzeitung.de Großdemo #FairWandel am 29.6. AUF NACH BERLIN! Arbeitszeit Ziehen mit dem Westen gleich: Gesundheit Wie der BSH-Betriebsrat Bezirk Textiler im Osten erstreiten 37-Stunden-Woche körperliche Belastungen am Arbeitsplatz senkt. R Seite 10 R Seite 17 R Seite 28
2 metallzeitung Juni 2019 > INHALT 4 Initiative »Respekt!« Der Anfang ist gemacht: Das längste antirassistische Banner ist in Arbeit. Jeder kann mitmachen! 6 IG Metall-Umfrage Die überwältigende Mehrheit der Bürger unterstützt Pläne zur Einführung einer Grundrente. 7 Arbeitszeit in Ostdeutschland Metaller in den neuen Bundesländern machen Druck für die 35-Stunden-Woche. Foto: euthymia/AdobeStock 8 Leiharbeit Vor Beginn der Tarifverhandlungen startet eine große Befragung von Beschäftigten in Leiharbeit. Foto: Peter Himsel 10 Tarifabschluss Textiler im Osten haben die 37-Stunden- Woche durchgesetzt und ziehen bis 2017 mit dem Westen gleich. Fairer Wandel gelingt nur mit uns. Kfz-Tarifrunde Die Geschäfte Wirtschaft Sebastian Dullien, der in den Werkstätten laufen gut. Die neue Chef des Instituts für Makro - Darum: Auf nach Berlin! Beschäftigten dort fordern jetzt ökonomie und Konjunkturforschung Unsere Industrie steht vor grundlegenden Veränderungen. ihren gerechten Anteil. R Seite 11 (IMK), im Interview. R Seite 18 TITEL Titelfoto: Frank Rumpenhorst Den anstehenden Wandel sozial, ökologisch und demokra- 12 tisch zu gestalten – das ist die Herausforderung. Dafür müssen wir Druck machen. Deshalb fahren am 29. Juni Zehntausende Metallerinnen und Metaller zur Großkund- gebung nach Berlin. Einige von ihnen verraten hier warum. > LESERBRIEFE Nicht sozial- und wirtschaft aufgewachsen – mit 17 Arbeitsgestaltung Wie es dem BSH-Betriebsrat in Giengen umweltverträglich ständigem Kontakt zum Tier, mit gelingt, körperliche Belastungen in der Produktion zu mildern. metallzeitung 5/2019 erdfeuchten Händen die Pflanzen »Autonomes und vernetztes Fahren kontrollierend, mit Liebe zum 18 Interview Sebastian Dullien erklärt, wie sich Krisen abmildern auf dem Bauernhof 4.0« Beruf bei Regen, Schnee und Hitze lassen – und was Wirtschaftspolitiker vom Fußball lernen können. Die Probleme der Landwirtschaft so unecht an. 19 Strukturwandel meistern Transformationskurzarbeitergeld – sind gegenwärtig der Hunger der Andreas Zimmermann, Baunatal wie es funktionieren könnte und warum es eine gute Idee ist. Landbevölkerung, die ungerechte 20 Transformation Wie groß die Umbrüche werden, zeigt sich Landverteilung, die Konzentration Bravo, super ausgehandelt von Landflächen, Monokulturen, metallzeitung 5/2019 bei den Automobilzulieferern. Ein Besuch bei ZV und Voit. Bodenzerstörung, massenhafter Ein- »Acht Tage mehr Zeit« 22 Recht so Am 11. Mai 2019 ist das Gesetz für schnellere Arzt- satz von Düngemitteln, Pestiziden, Bravo, das hat die IG Metall wirk- termine und bessere Versorgung in Kraft getreten. Was jetzt gilt. Energie sowie die Abhängigkeit von lich super ausgehandelt! Jeder kann 23 Alles, was Recht ist Aktuelle Rechtsprechung zu Krankenver- Saatgut- und Chemiekonzernen, also für sich selbst entscheiden, ob er sicherung, Hinterbliebenenrente und Arbeitslosengeld. insgesamt eine rein ertrags- oder sie das Zusatzgeld oder die orientierte statt sozial- und um- acht freien Zusatztage nimmt. Seit 24 Ratgeber In den Ferien die Finanzen aufbessern: Was Schüler weltverträgliche Landwirtschaft. Di- 1991 arbeite ich (46 Jahre) im Drei- und Studierende dabei beachten müssen. gitalisierung hilft nur, wenn sie schichtmodell bei ZF. Ich habe 25 Arbeiten mit Behinderung Neue DGB-Broschüre gibt Tipps diese Tendenzen umkehrt, statt mich sofort für die acht freien Tage für behinderte und von Behinderung bedrohte Beschäftigte. unterstützt. entschieden und genieße jeden zu- Uwe Schnabel, Coswig sätzlichen freien Tag. 26 Bildungsteilzeit Gut zu wissen in Zeiten der Transformation: Bernhard Schmid, Hauzenberg allles Wichtige rund um die Weiterbildung für Berufstätige. Ist doch herrlich so ein Leben als 27 Studium An der Global Labour University können Interessierte Landwirt oder? Die Kühe gehen al- Leiharbeiter fest einstellen internationale Gewerkschaftspolitik studieren. lein zum Melkroboter, der Dung- metallzeitung 5/2019 schieber fährt alle 45 Minuten »Mehr Geld für Leiharbeiter« 28 Aus den Bezirken durch die Gänge im Stall und der Immer wieder finde ich es zutiefst 30 Lokales/Karikatur Trecker macht die Arbeit auf dem ungerecht, wenn ich sehe, wie lan- Acker auch noch allein, das natür- ge manche Menschen in der Leih- 31 Rätsel/Impressum lich am besten als E-Traktor voll- arbeit verbringen müssen. Drei bis kommen autonom. Durch diese ge- sechs Monate sollte meines Erach- wonnene Freizeit, da ja auch schon tens die maximale Einsatzzeit im der Roboterstaubsauger im Haus Entleihbetrieb sein. Spätestens ist, haben die Eltern natürlich un- dann müssten die Leute fest einge- > REDAKTIONSSCHLUSS DIESER AUSGABE: endlich Zeit für ihre Kinder. Das stellt werden. 17. Mai 2019 fühlt sich für mich – in der Land- Roland Meier, Sinzing
metallzeitung Junil 2019 3 > EDITORIAL Foto: Agnieszka Olek/Caia Image/F1online Illustration: Stephanie Brittnacher Foto: Frank Rumpenhorst Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall Ratgeber Manche wollen, andere Bildungsteilzeit Was drin steckt, müssen, fast jeder tut’s: Jobben neben wer sie nutzen kann und wie Ihr sie dem Studium. Was dabei zu beachten ist, findet Ihr hier. R Seite 24 richtig für Euch und Eure beruflichen Ziele einsetzt. R Seite 26 Deshalb fahren wir nach Berlin #FairWandel Am 29. Juni zeigen wir in Berlin Flagge für eine faire Transformation. Regierung und Unternehmen müssen endlich handeln, > FRAGE & ANTWORT damit es im Wandel gerecht zugeht. Im Mai berichtete metallzeitung im Ratgeber »Arbeiten im Alter. Die Uhr tickt: Das Industrieland Deutschland steht vor einem histo- Welche Rechte habe ich?«, dass Rentner einen geringeren Kranken- rischen Umbruch. Klimawandel, Globalisierung und Digitalisierung kassenbeitrag zahlen. Viele Leserinnen und Leser hatten daraufhin führen zu gewaltigen Veränderungen. In vielen Betrieben kommt Fragen zum ermäßigten Kassenbeitrag. dieser Druck immer stärker an. Doch während Betriebsräte, Vertrau- ensleute und Gewerkschafterinnen längst anpacken, kommen Un- Antwort: Rentner, die in der gesetz- vate Renten, Lebensversicherungen ternehmen und Regierung nicht ihrer Verantwortung nach. Dabei lichen Krankenkasse pflichtversi- und sonstige beitragspflichtige Ein- müsste allen klar sein: Entweder bauen wir in Deutschland die Pro- chert sind und weiterhin arbeiten nahmen. In der Regel zahlen frei- dukte der Zukunft oder Arbeitsplätze ab. Wir wollen Zukunft für die gehen, zahlen auf das Entgelt aus der willig gesetzlich krankenversicherte Beschäftigten und daher gilt es, gemeinsam ein Zeichen zu setzen, Beschäftigung auch Beiträge. Da ein Rentner ihren Beitrag selbst an die das niemand im Land übersehen kann: Ohne uns geht es nicht. weiter beschäftigter Altersrentner Krankenkasse. keinen Anspruch auf Krankengeld Sei dabei! Wir kämpfen dafür, dass die Veränderungen nicht auf hat, ist nur der ermäßigte Beitrags- dem Rücken der Beschäftigten ablaufen. Wir wollen aus techni- satz zur Krankenversicherung zu schem Fortschritt sozialen Fortschritt machen. Wir wollen, dass Foto: Christian Ohde/imageBROKER/F1online entrichten. Auf die Rente wird wei- die Rationalisierungsrenditen in gute Arbeit investiert werden und terhin der allgemeine Beitragssatz nicht die Reichen noch reicher machen. Und wir wollen den öko- angesetzt. Bei gesetzlich kranken- logischen Wandel so gestalten, dass er die Gesellschaft voranbringt versicherten Rentnern führt der Ar- und nicht spaltet. Es geht um sichere Beschäftigung und um die beitgeber die Beiträge direkt vom Zukunft der nächsten Generationen. Dafür brauchen wir eine Einkommen an die Kasse ab. Energie- und Mobilitätswende mit massiven Investitionen in In- Freiwillig gesetzlich kranken- frastruktur, regenerative Energie und Netzinfrastruktur und den versicherte Rentner zahlen den all- öffentlichen Nahverkehr. Wir wollen auch in Zukunft für alle be- gemeinen Beitragssatz auf gesetzli- zahlbare Energie und Mobilität. Wir müssen die Beschäftigung in che Renten, Versorgungsbezüge Rentnerinnen und Renter, die erwerbs- allen Branchen sichern und die Mitbestimmung stärken. Und wir und Erwerbseinkommen sowie tätig sind, zahlen Kassenbeiträge auf brauchen Sicherheit am Arbeitsmarkt mit einer solidarischen und Zinsen, Dividenden, Mieten, pri- das Einkommen. sozialen Absicherung in jedem Lebensalter. Wir verlangen ein Transformationskurzarbeitergeld, das vor Entlassung schützt und eine Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds. Sicher- heit im Wandel: Dieses grundlegende Versprechen muss der So- > GEWONNEN zialstaat halten – gerade in der Transformation. Dafür ziehen wir am 29. Juni gemeinsam vor das Brandenburger Tor. Sei dabei und Mai-Rätsel zeig Gesicht für einen fairen Wandel. Auf Dich kommt es an! Lösungssumme: »78« 1. Preis: Sylvia Paul, Eberswalde 2. Preis: Sven Waleczek, Schönefeld 3. Preis: Timothy Swan, Ebersburg
4 metallzeitung Juni 2019 Mit Weltrekord gegen Rassismus »Das längste antirassistische Banner mit den meisten Mitwirkenden« soll es wer- den. Die IG Metall-Initiative »Respekt! – Kein Platz für Rassismus« hat das Banner (Foto) bei den »Guinness World Records« angemeldet. 50 Meter aus kleinen Einzel- bannern von über 300 Mitwirkenden wurden bereits zusammengenäht. In den nächsten Monaten können IG Metall- Mitglieder aus der ganzen Republik ihr Einzelbanner gestalten und so zum Welt- rekordversuch beitragen. »Eine gemeinsame antifaschistische Aktion verbindet«, erklärt Agnieszka Wiatrak, die beim IG Metall-Vorstand für die »Respekt!-Initiative« zuständig ist – und als ausgebildete Modeschneiderin auch den Job an der Nähmaschine über- nimmt. »Es geht nicht nur darum, das längste antirassistische Banner zu fertigen, sondern auch dass möglichst viele Men- schen damit deutlich machen: Wir sind viele. Wir leben Solidarität. Wir lieben Vielfalt!« Im Oktober soll das fertige Ban- ner dann ausgerollt werden. Hintergründe zum Weltrekordbanner: respekt.tv Fotos und Videos von Mitwirkenden am Banner findet Ihr unter #zusammenhalten und #banracism auf Facebook und unter Ban.racism auf Tik Tok.
metallzeitung Juni 2019 5 IG Metall-Initiative »Respekt!« näht »längstes antirassistisches Banner« zusammen. Foto: To Kuehne
6 metallzeitung Juni 2019 30% EuGH stoppt Flatrate-Arbeit Arbeitgeber in der Europäischen Union müssen die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch erfassen. Das hat der Europäi- Arm trotz Arbeit sche Gerichtshof (EuGH) entschieden. Nur so lasse sich feststellen, ob zulässige Ar- 30 Prozent der Familien mit Alleinverdienern leben beitszeiten überschritten werden. Die Auf- unterhalb der Armutsrisikoschwelle. Sie verfügen zeichnungspflicht ergibt sich aus der über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkom- Arbeitszeitrichtlinie und der Grundrechte- mens. 1996 lag das Armutsrisiko von Alleinverdie- charta der EU. Die IG Metall begrüßt das ner-Familien nur bei 15 Prozent. Das zeigt eine Urteil als wichtigen Schritt im Kampf Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsfor- gegen ausufernde Arbeitszeiten. schung (DIW). igmetall.de/arbeitszeit Deutliche Mehrheit für die Grundrente Die Grundrente soll Ruhestand in Würde ermöglichen. Eine große Mehrheit unterstützt das Vorhaben. Altersarmut nach einem Leben voller Arbeit: Weiteres Ergebnis der Rentenumfrage: Fast 60 Damit soll Schluss sein. Arbeitsminister Huber- Prozent der Befragten wünschen sich eine hö- tus Heil (SPD) will für Menschen, die 35 oder here gesetzliche Rente, die den Lebensstandard mehr Jahre gearbeitet haben, eine Grundrente im Alter annähernd sichert. Dafür wären sie einführen. Damit würden die Altersbezüge deut- auch mit höheren Rentenbeiträgen von Arbeit- lich über der Grundsicherung liegen. gebern und Arbeitnehmern einverstanden. Die überwältigende Mehrheit der Bürger igmetall.de/rente unterstützt diese Pläne. Das zeigte eine aktuelle und repräsentative Umfrage im Auftrag der IG Metall. 81 Prozent der Befragten befürworten die Einführung einer Grundrente. Nur 17 Pro- zent lehnen sie ab. Foto: Uwe Umstätter/Westend61/F1online »Die Respektrente von Huberts Heil kann für mehr Leistungsgerechtigkeit sorgen«, sagt Hans-Jürgen Urban, der im Vorstand der IG Me- tall für Sozialpolitik zuständig ist. »Wer 35 Jahre in die Rente eingezahlt hat, muss im Alter mehr haben als die Sozialhilfe.« Eine gute Grundrente sei »steuerfinanziert und verzichtet auf bürokra- tische Bedürftigkeitsprüfungen«. 52% Körperlich harte Arbeit ist weit verbreitet Mehr als die Hälfte der Beschäftigten (52 Prozent) Mai 2019 hervor. Laut Studie muss fast ein Drittel der müssen bei ihrer Arbeit sehr häufig oder oft eine Beschäftigten (30 Prozent) sehr häufig oder oft körper- Cartoon: Stephan Rürup ungünstige Körperhaltung einnehmen, also etwa lich schwere Arbeit verrichten. Dieser Wert ist seit in der Hocke, im Knien oder über dem Kopf arbeiten. vielen Jahren weitgehend konstant geblieben. Dabei Das geht aus der Sonderauswertung »Körperlich gibt es nur einen geringfügigen Unterschied zwischen harte Arbeit« zum DGB-Index Gute Arbeit 2018 vom Frauen (27 Prozent) und Männern (33 Prozent).
metallzeitung Juni 2019 7 Fragen an Maximilian Schmid Politisch mit 19 Jahren Maximilian Schmid, Azubi bei Daimler in Gaggenau, ist für die IG Metall und gegen rechts aktiv. Foto: Betriebsrat BMW Group, Werk Leipzig Du engagierst Dich bereits im ersten Ausbildungsjahr politisch in der IG Metall. Was treibt Dich an? Maximilian Schmid: Es gibt einiges zu tun. Das habe ich auf einem IG Metall-Seminar gleich am Anfang meiner Ausbildung ge- merkt. Es ist doch nicht mehr zeitgemäß, dass etwa unsere Tarifverträge für Auszubil- »Roter Mittwoch« bei BMW in Leipzig. Beschäftigte demonstrieren für die 35-Stunden-Woche. dende nicht für die dual Studierenden gel- ten. Die Bedingungen für dual Studierende sind in jedem Betrieb anders. Die wissen gar nicht, woran sie sind. Das müssen wir Ostdeutsche Metaller machen ändern. Zudem stehe ich auch hinter den gesellschaftspolitischen Zielen, etwa hinter Druck für die 35-Stunden-Woche der Initiative »Klare Kante gegen rechts« IG Metall will schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden. der IG Metall Jugend. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ist es höchste Vorschlag der IG Metall sieht die schrittweise Woher kommt Dein Interesse für Zeit, endlich die Arbeitsbedingungen im Osten Verkürzung der Arbeitszeit auf 35 Stunden Politik und Dein Engagement? an den Westen anzugleichen. Derzeit gilt in der vor, mit Spielräumen für einzelne Betriebe. Schmid: Ich beobachte schon länger mit ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie noch Sorge, wie die AfD auch bei uns in Mittel- die 38-Stunde-Woche, drei Stunden mehr als im Aktionswoche Die Beschäftigten wollen baden stärker wird. Wenn ich mit den Leu- Westen. endlich Gerechtigkeit. Bei einer Aktionswoche ten rede, wird klar, dass viele die AfD nur Die Beschäftigten in der ostdeutschen Me- Mitte Mai haben Tausende im ganzen Osten aus Protest wählen – und nicht etwa, weil tall- und Elektroindustrie machen mit Aktionen für die Einführung der 35 Stunden demons- sie die Inhalte der AfD gut finden. Wir in den Betrieben Druck für die Einführung der triert – vom Norden, etwa bei den MV Werf- müssen diese Leute zurückholen. 35-Stunden-Woche. ten in Stralsund und bei der Neptun Werft in Im BMW-Werk Leipzig etwa ist jeden Mitt- Rostock, bis in den Süden, etwa bei Kaeser Und was genau machst Du dafür? woch »Roter Mittwoch« (Foto). Alle Beschäftigten Kompressoren im thüringischen Gotha und Schmid: Ich habe gleich nach Beginn der in der Produktion und in der Verwaltung tragen im VW-Werk Zwickau. »Wir werden nicht Ausbildung als Jugendvertrauensmann der rote T-Shirts der IG Metall, mit dem Schriftzug nachlassen«, macht Jens Köhler, Betriebsrats- IG Metall im Betrieb kandidiert. Ich infor- »35 reicht! Keine Zeit für neue Mauern.« vorsitzender bei BMW in Leipzig, klar. »Die miere die Auszubildenden und Studieren- Arbeitszeitmauer muss endlich fallen.« den, diskutiere mit ihnen und gewinne sie Gespräche mit Arbeitgebern Seit einigen Dirk.Erb@igmetall.de zum Mitmachen in der IG Metall. Ich arbei- Wochen laufen Gespräche mit den Metallarbeit- te im Ortsjugendausschuss der IG Metall gebern im Osten über die Angleichung der Ar- Unterstützt die Metallerinnen und Metaller mit – und bin jetzt auch in den Bezirks- beitszeiten an den Westen. Die Arbeitgeber haben im Osten. Macht mit bei unserer Fotoaktion jugendausschuss Baden-Württemberg zugesagt, dass sie mit der IG Metall eine Lösung »35 – im Osten wie im Westen«: gewählt worden. noch im ersten Halbjahr 2019 finden wollen. Der igmetall-bbs.de/35-Aktion Thyssen-Krupp: Hofmann fordert tragfähiges Konzept Foto: Stephen Petrat Nach dem Aus für die Fusion mit dem indischen Konkurrenten Tata hat die IG Metall eine Grund- lagenvereinbarung bei Thyssen-Krupp abgeschlossen, um weitere Sicherheiten für die Beschäftigten im Stahl zu erreichen. Außerdem wurde ein Ergänzungstarifvertrag für Stahl verhandelt, der die Regelungen zur Standort- und Beschäftigungssicherung aus dem hart erkämpften Tarifvertrag »Zukunft Stahl« übernimmt. Im Stahl werde es keine betriebsbedingten Kündigungen geben, be- Maximilian Schmid, 19, tonte der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann. »Thyssen-Krupp ist in der Pflicht, ein tragfähiges macht eine Ausbildung als Konzept für die Zukunft nicht nur für die Stahlsparte, sondern für alle Konzernteile vorzulegen. Wir Werkzeugmacher bei Daimler. werden nicht zulassen, dass strukturelle Probleme einfach mit Personalabbau beantwortet werden.«
8 metallzeitung Juni 2019 Tarifbewegung in der Leiharbeit startet Die Tarifverträge laufen im Herbst aus. Die IG Metall befragt Leiharbeiter. In der Leiharbeit stehen Ende des Jahres gen für Leiharbeiter. Im Oktober kommt wieder Tarifverhandlungen an. Da Leihar- eine weitere Erhöhung der Entgeltgruppen beit branchenübergreifend anzutreffen ist, 1 und 2: auf 9,66 und 9,90 Euro im Osten sitzen die DGB-Gewerkschaften – darunter sowie 9,96 und 10,60 Euro im Westen. auch die IG Metall – gemeinschaftlich den In den Industriebranchen der Leiharbeit-Arbeitgeberverbänden BAP und IG Metall – in der Metall und Elektro-, 35 Jahre iGZ gegenüber. Sie verhandeln über tarifli- Holz- und Kunststoff- und in der Textil- 35-Stunden- che Grundentgelte, die dann im Bereich der industrie – kommen auf die Leiharbeits- Woche IG Metall noch einmal durch tarifliche tarife dann noch mal bis zu 65 Prozent Branchenzuschläge aufgestockt werden. tarifliche Branchenzuschläge obendrauf. 1984, vor 35 Jahren, streikten Bei den Tarifverhandlungen ab die Beschäftigten in der Was ist Euch wichtig? Vor Beginn der Ver- Herbst geht es um Verbesserungen der westdeutschen Metallindu- handlungen wollen die DGB-Gewerk- Leiharbeitstarife. strie fast sieben Wochen lang schaften von den Leihbeschäftigten wissen, für die Verkürzung der Ar- was ihnen wichtig ist: höhere Stunden- Infos, Hintergründe und Videos zur Leiharbeit: beitszeit von 40 auf 35 Stun- löhne, mehr Urlaubs- und Weihnachtsgeld, gute-arbeit-fuer-alle.de den in der Woche. Für mehr Urlaub, mehr Vorteile für Gewerk- »mehr Zeit zum Leben, Lie- schaftsmitglieder, stärkere Gleichbehand- ben, Lachen«. Zudem will lung mit den Stammbeschäftigten bei den die IG Metall Arbeitsplätze Zuschlägen – etwa für Schichten. für die 2,5 Millionen Ar- Außerdem wollen die Gewerkschaf- beitslosen schaffen. Die ten von den Leiharbeitern wissen, ob sie Im Herbst Arbeitgeber halten dagegen: bereit sind, sich auch an Aktionen und verhandeln die »keine Minute unter 40 Streiks zu beteiligen. Die Befragung in den DGB-Gewerk- Stunden.« Betrieben hat begonnen. Die IG Metall- schaften wieder gemeinsam über Der Streik beginnt am Vertrauensleute kommen mit Fragebögen Tarifverträge 14. Mai 1984 im Tarifgebiet auf Leiharbeiter zu. in der Leiharbeit. Nordwürttemberg/Nordba- den, eine Woche später auch Tariferhöhung im Oktober Bereits im © DGB in Hessen. 57 500 Beschäftigte Januar und im April gab es Tariferhöhun- treten in den Streik. Doch dabei bleibt es nicht. Die Arbeitgeber eska- lieren den Arbeitskampf. Sie sperren 500 000 Beschäftigte ohne Lohn aus ihren Betrie- ben aus. Am 26. Juni 1984 ge- VW baut Batteriezellenfabrik lingt die Einigung. Die Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall: »Wichtige und richtige Entscheidung« 35-Stunden-Woche kommt schrittweise bis 1995. Volkswagen steigt in die Fertigung Die IG Metall fordert seit Jahren wichtige Teile der Wertschöpfung von Batteriezellen ein. Damit be- den Bau einer Batteriezellenfabrik und vermeidet die Abhängigkeit Top aktuell 35 Jahre danach setzt der Wolfsburger Automobil- in Deutschland. Die eigene Pro- von asiatischen Herstellern. »Für ist Arbeitszeit in der digitalen konzern eine Schlüsseltechnologie duktion sichert Know-how über die Innovationskraft der deutschen Transformation wieder top der Elektromobilität. Die Fabrik Automobilindustrie ist das wesent- aktuell. Daher hat die IG Me- soll in Salzgitter entstehen. Knapp lich«, erläutert Hofmann. Die Poli- tall letztes Jahr ein Recht auf eine Milliarde Euro stehen dafür tik müsse solche Entscheidungen Foto: Matthias Leitzke/Volkswagen AG Arbeitsreduzierung und auf bereit. der Unternehmen befördern und zusätzliche acht freie Tage in »Volkswagen hat damit eine erleichtern. »Dazu gehört auch, die der Metallindustrie durchge- wichtige und richtige strategische Energiewende voranzutreiben.« setzt. Und 30 Jahre nach dem Entscheidung getroffen«, sagt Jörg Bislang sind die deutschen Mauerfall will die IG Metall Hofmann, Erster Vorsitzender der Autohersteller bei Batteriezellen auf endlich die 35-Stunden- IG Metall. »Die Batteriezelle ist die Produzenten aus Asien angewiesen. Woche auch in der ostdeut- zentrale Leistungskomponente im Konzerne aus Japan, China und schen Metallindustrie durch- Elektrofahrzeug, hieran entscheidet Produktion von Batteriesystemen Südkorea dominieren den Welt- setzen (Siehe Seite 7). sich der Wettbewerb.« im VW-Werk Braunschweig. markt.
metallzeitung Juni 2019 9 Foto: Dominique Schneider/Studio93 Gründungsphase gut überstanden: Beim Entwicklungsdienstleister Bertrandt gibt es jetzt an einigen Standorten Betriebsräte, wie hier in Ingolstadt. Aufregende Zeiten Endlich mit Betriebsrat Bei Bertrandt in Wolfsburg und Ingolstadt gibt es jetzt Betriebs- ratsgremien. Es läuft von Tag zu Tag besser. Das Management des Entwicklungsdienst- leisters hat seine anfängliche Skepsis abgelegt. Die Beschäftigten finden es richtig gut. Die Gründung von Betriebsräten bei dem Prozess. Dort äußerten sich Betriebsräte regende Zeit zurück. Die Geschäftsfüh- Entwicklungsdienstleister Bertrandt ist von anderen Unternehmen solidarisch rung von Bertrandt sieht die betriebliche »ein Meilenstein in einer stark wachsenden mit dem Vorhaben. Das und weitere So- Mitbestimmung inzwischen weniger kri- Branche«. So sieht es die Geschäftsführerin cial-Media-Aktivitäten machten den Be- tisch, sagt Karl Musiol, der zuständige Ge- der IG Metall Wolfsburg, Ricarda Bier. schäftigten bei Bertrandt viel Mut. Regel- werkschaftssekretär in Ingolstadt. »Es Viele Beschäftigte von Bertrandt sind froh mäßige Treffen der Aktiven und der läuft von Tag zu Tag besser.« Sein Kollege darüber, dass sie jetzt ein Mitbestim- Austausch beider Standorte trugen erheb- Kai-Martin Winter freut sich, dass es in mungsgremium haben. Das war nämlich lich zur Motivation bei. Wolfsburg sogar schon zwei Gremien jahrelang nicht der Fall, wie bei vielen Un- Mit einer hohen Wahlbeteiligung gibt. Der Betriebsrat des Ingenieurbüros ternehmen dieser Branche, die dadurch von 70 Prozent fanden Ende letzten Jahres mit 17 und der der Bertrandt Technologie entstanden ist, dass Automobilhersteller Betriebsratswahlen statt. Danach konsti- GmbH mit 13 Mitgliedern. Beide Gre- Teile ihrer Entwicklungsarbeit immer häu- tuierten sich die Betriebsratsgremien. In mien haben schon Grundlagenschulun- figer an externe Entwickler ausgelagert Wolfsburg ist die Metallerin Anke Janik gen absolviert. Im Ingenieurbüro gibt es haben. Mit etwa 13 000 Beschäftigten in die Vorsitzende, in Ingolstadt führt der sogar schon eine Betriebsvereinbarung. Deutschland ist Bertrandt Marktführer bei Metaller Jan Conrad zusammen mit dem »Im Hinblick auf die kurze Arbeitsdauer der Entwicklungsdienstleistung. Die Bran- Vorsitzenden Alexander Sieber das Be- sind die Gremien mit der Unterstützung che war lange kaum organisiert, und Be- triebsratsbüro. Inzwischen haben erste der IG Metall Wolfsburg extrem gut vor- triebsräte waren fast nicht vorhanden. Betriebsversammlungen stattgefunden. angekommen«, sagt Winter. Das ändert sich jetzt dank intensiver Die Betriebsratsgründung bei Bert- Bemühungen der IG Metall. Ende letzten Es läuft gut »Entscheidend für den Er- randt ist ein ein Vorbild auch für andere Jahres bildeten sich aus einem Kreis von folg der Wahlkampagne war die Synchro- Entwicklungsdienstleister. Starke Be- Aktiven bei Bertrandt Wahlvorstände in nisierung der Prozesse an beiden Stand- triebsräte sorgen für mehr Zufriedenheit Wolfsburg und Ingolstadt. Das Manage- orten und die zeitlich parallele unter den Mitarbeitern und stärken die ment von Bertrandt versuchte zwar noch Vorbereitung der Wahlen«, erklärt das ge- Innovationskraft im Unternehmen. Um gegenzusteuern, doch der Wunsch der schäftsführende Vorstandsmitglied der weitere Unternehmen zu erreichen, sind Beschäftigten nach betrieblicher Mitbe- IG Metall Irene Schulz. Die Beschäftigten, die Betriebsräte im EDL-Arbeitskreis der stimmung setzte sich durch. Ein Blog im die mutig das Projekt Betriebsratsgrün- IG Metall miteinander vernetzt. Internet begleitete von Anfang an den dung verfolgt haben, blicken auf eine auf- Martina.Helmerich@igmetall.de
10 metallzeitung Juni 2019 37-Stunden-Woche für IG Metall ein zentrales Ziel erreicht. Auch die Beschäftigten sind zufrieden. »Der Abschluss ist ein Kompromiss, wir hätten uns gewünscht, dass es schneller Textiler im Osten kommt auf 37 Stunden geht«, erklärt Kai Hölzel, Betriebsratsvorsitzender des Tamponher- stellers Ontex in Großpostwitz bei Bautzen und Mitglied der Tarifkommission. »Klar, der Arbeitgeber muss ja den Wegfall von Tarifabschluss Textil Ost Bis 2027 sinkt die Arbeitszeit in der Arbeitszeit ausgleichen. Und Fachkräfte ostdeutschen Textilindustrie schrittweise von 40 auf 37 Stunden. sind bei uns in der Region knapp gewor- Los geht’s mit 39,5 Stunden ab 2020. Außerdem gibt es 6,2 Prozent den. Viele gehen lieber in Metallbetriebe, wo die Tarife höher sind. Auf der anderen mehr Geld über die nächsten drei Jahre. Seite war das auch unser wichtigstes Argu- ment, um die Arbeitgeber zu überzeugen: Mit dem klaren Zeitplan zur 37-Stunden- In der ostdeutschen Textilindustrie sinkt 675 Euro. Der Tarifabschluss gilt für 16 000 Woche haben wir jetzt einen Vorteil, um die Arbeitszeit bis 2027 in sechs Schritten Beschäftigte in der Textilindustrie Ost. Fachkräfte zu gewinnen und zu halten.« von derzeit 40 auf 37 Stunden in der In einigen Betrieben kommt die 37 tat- Woche – wie im Westen. Das hat die Tarif- Perspektive für Jung und Alt Auszubil- sächlich schneller – beim VW-Zulieferer kommission der IG Metall in Verhandlun- dende erhalten nach erfolgreicher Ausbil- Adient im sächsischen Meerane etwa bereits gen mit den Arbeitgebern erreicht. In der dung eine unbefristete Stelle. Die Arbeitge- 2023. »Das haben wir in einem Ergänzungs- ersten Stufe wird die Arbeitszeit ab Januar ber hatten die unbefristete Übernahme der tarif ausgehandelt«, sagt Heike Meyer, Tarif- 2020 um eine halbe auf 39,5 Stunden in der Azubis gekündigt, trotz Fachkräfte- und kommissionsmitglied und Leiterin der Woche verkürzt. Dann geht es schrittweise Nachwuchsmangel. Der Tarifvertrag wird IG Metall-Vertrauensleute bei Adient. »Wir weiter. Dieser Zeitplan ist erstmalig 2025 nun doch unverändert fortgeführt. Auch liefern just-in-sequence direkt ans VW- kündbar. der Tarifvertrag zur Altersteilzeit, der den Montageband. Dort wird nach Metalltarif früheren Altersausstieg ermöglicht, wird nur 38 Stunden gearbeitet. Das hat mit un- 6,2 Prozent mehr über drei Jahre Beim unverändert fortgeführt. Die Arbeitgeber seren 40 nie gepasst. Und demnächst soll in Geld gibt es 6,2 Prozent mehr in den nächs- wollten ursprünglich an der Quote sparen. der Metallindustrie Ost ja sogar schrittweise ten 36 Monaten, in drei Stufen. Zunächst auch die 35-Stunden-Woche kommen.« gibt es 2,6 Prozent am 1. Juni 2019. Das zu- Angleichung an den Westen Mit der Ein- sätzliche Urlaubsgeld steigt von 600 auf 625 führung der 37-Stunden-Woche auch in Details und Hintergründe zum Tarifabschluss: Euro im Jahr 2019 und bis 2021 weiter auf der ostdeutschen Textilindustrie hat die Textil-Tarifrunde.de Beschäftigte der ostdeutschen Textil- industrie vor dem Verhandlungslokal der entscheidenden Tarifverhandlung am 30. April im sächsi- schen Meerane. Foto: Igor Pastierovic
metallzeitung Juni 2019 11 Kfz-Tarifrunde gestartet – Aktionstage Anfang Juni Die Verhandlungen im Kfz-Handwerk sind gestartet. Die IG Metall fordert 5 Prozent. Anfang Juni sind bundesweite Aktionen geplant. Die Tarifverhandlungen für das Kfz-Hand- schäftigten durchgesetzt. Sie gründeten Be- werk laufen. 5 Prozent mehr Geld fordert triebsräte und machten während der Ver- die IG Metall für die Beschäftigten in den handlungen mit Aktionen Druck. Autohäusern und Kfz-Werkstätten. Aus- Vor wenigen Wochen haben sich zubildende sollen ein Extraplus erhalten. auch die 150 Beschäftigten der Daimler- Zu Redaktionsschluss dieser metallzeitung Tochter CARS im sächsischen Wiedemar haben IG Metall und Arbeitgeber noch ihre Tarifbindung erkämpft. Ihre Löhne keine Annäherung erzielt. steigen dadurch in diesem Jahr um 10 Die IG Metall begründet ihre Forde- Prozent. Dafür haben die Beschäftigten rungen mit einem wachsenden Werkstatt- gemeinsam mit der IG Metall Druck ge- geschäft, robusten Umsätzen und guten macht – unter anderem mit einem ganz- Renditen. Die Umsätze stiegen laut Zentral- tägigen Warnstreik vor der Daimler-Kon- verband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe zernzentrale in Stuttgart. im Jahr 2018 bundesweit um insgesamt 2,6 In vielen weiteren Kfz-Betrieben Prozent, im Pkw-Neuwagengeschäft um 3,6 sind Beschäftigte gerade dabei, mithilfe Foto: Thomas Range und im Service um 5 Prozent. der IG Metall Tarifverträge durchzuset- zen, etwa für die Autohäuser von Neils & Aktionstage Anfang Juni Die sogenannte Kraft in Mittelhessen. Neils & Kraft ist wie Friedenspflicht endet am 31. Mai. Danach viele Kfz-Arbeitgeber in Hessen nicht sind Warnstreiks zulässig. Die Geschäfte in den mehr im Tarif. Die IG Metall-Mitglieder Vom 3. bis 5. Juni machen die Kfz- Werkstätten laufen. Tarifbindung durchgesetzt In vielen Be- bei Neils & Kraft haben nun eine Tarif- Beschäftigten mit bundesweiten Aktions- Die Beschäftigten dort trieben ist es Beschäftigten und IG Metall kommission gewählt. Auch sie fordern 5 tagen Druck für ihre Forderungen. In fordern jetzt ihren bereits gelungen, die Tarifbindung durch- Prozent mehr Lohn, die Verkürzung der allen Regionen sind Demonstrationen gerechten Anteil. zusetzen. Etwa für die rund 1200 Beschäf- Arbeitszeit von 37,5 auf 36 Stunden in der und Autokorsos geplant. tigten in den 40 Niederlassungen des Lkw- Woche und die Anerkennung des hessi- Herstellers Scania. Seit Januar wird dort schen Kfz-Tarifs. Tarifbindung erhöhen Neben mehr Geld schrittweise bis 2021 der Kfz-Flächentarif will die IG Metall erreichen, dass die Tarife der IG Metall eingeführt. Das bedeutet für Aktuelle Nachrichten, Hintergründe und wieder für mehr Kfz-Betriebe gelten. »Viel viele Beschäftigte ein Plus von mehreren Zahlen zur Tarifrunde im Kfz-Handwerk: zu viele Betriebe haben sich dem Flächen- Hundert Euro im Monat. Zudem sinkt die igmetall.de/kfz-handwerk tarifvertrag entzogen«, kritisiert IG Metall- Arbeitszeit bis 2022 schrittweise von vor- Diskutiert mit auf Facebook: Vorstandsmitglied Ralf Kutzner. »Die Ar- her 40 auf 36 Stunden in der Woche. Für facebook.com/offensivehandwerk beitgeber wollen schlicht selbst darüber die Auszubildenden gilt bereits jetzt der Infos zu Aktionen bekommt Ihr bei Eurem bestimmen, ob und was gezahlt wird.« volle Kfz-Tarif. Das alles haben die Be- Betriebsrat und bei Eurer IG Metall vor Ort. Debatte zur Holztarifrunde gestartet Meisterpflicht kommt wieder zurück Ab Ende September laufen Tarifver- Geld. Darüber hinaus gehen sie ge- »Unsere Beschäftigten wollen dafür Der Bundestag debattiert über die handlungen für die Holz und Kunst- stärkt in die Tarifrunde: Die IG Me- eine ordentliche Tariferhöhung. Und Wiedereinführung der Meister- stoff verarbeitende Industrie. Die Be- tall hat Mitglieder in der Holz- und sie sind bereit, dafür zu kämpfen.« pflicht für alle Handwerksbetriebe. schäftigten diskutieren derzeit über Kunststoffindustrie dazugewonnen. Weniger gut laufen Wohnungs- Vor 15 Jahren hatte er die Meister- Tarifforderungen. Mitte Mai trafen Auch die wirtschaftliche Lage möbel – jedoch mit deutlichen Unter- pflicht für 53 Gewerke abgeschafft. sich dazu die regionalen Verhand- ist gut – wenn auch in den einzelnen schieden von Betrieb zu Betrieb. »Wir Die Folgen: weniger Ausbildung, lungskommissionen beim IG Metall- Branchen unterschiedlich. Beson- haben eine super Auftragslage«, be- mehr Ungelernte, Billiglöhne. Die Vorstand in Frankfurt. ders gut laufen Küchen, Büromöbel tont Cornelia Miltenberger von IG Metall begrüßt die Rückkehr Ende Juni beschließen die ge- und Baubedarf. Die Umsätze stiegen Rauch Möbel, Verhandlungskom- zur Meisterpflicht, hält sie aber wählten Tarifkommissionen ihre 2018 um bis zu sechs Prozent. mission Baden-Württemberg. »Un- allein nicht für ausreichend, son- Forderung. Abschließend entschei- »Der Laden brummt. Unsere sere Leute müssen immer mehr leis- dern will weitere Verbesserungen. det dann der IG Metall-Vorstand. Stundenkonten laufen über«, berich- ten. Und sie kriegen ja mit, dass es im Etwa mehr Tarifbindung, alterns- tet Kerstin Kublun vom Fenster- Metalltarif deutlich mehr gibt. Wir gerechte Arbeitsbedingungen, bes- Topthema Geld Klar ist: Die Be- und Türenbauer HBI, Verhand- erwarten spürbar mehr Geld.« sere Aus- und Weiterbildung und schäftigten erwarten vor allem mehr lungskommission Niedersachsen. holz-tarifrunde.de eine Stärkung der Mitbestimmung.
12 metallzeitung Juni 2019 29. JUNI 2019 Darum fahren wir nach Berlin Klimafreundlich fahren, digital produzieren: Unsere Industrie steht vor grundlegenden Veränderungen. Dass sie erfolgreich verlaufen, ist längst nicht ausgemacht. Vieles fehlt: Zukunftsprodukte, Weiterbildung, Investitionen in Stromnetze, Nahverkehr oder Ladestationen für E-Autos. Den Wandel sozial, ökologisch und demokratisch zu gestalten – das ist die Herausforderung. Gelingen wird es nur, wenn wir Druck machen, unsere Stimmen erheben, gemeinsam für eine gute Zukunft kämpfen. Dafür fahren am 29. Juni Zehntausende Metallerinnen und Metaller zur Großkundgebung nach Berlin. Wir haben sie nach ihren Zielen, Sorgen und Wünschen gefragt. Von Simon Che Berberich
metallzeitung Jun 2019 13 » Ob ich nach Berlin fahre? Das ist doch keine Frage! Wir können nicht mehr abwarten, dass andere etwas für uns tun. Wir müssen selbst für unsere Zukunft einstehen. Ich will erreichen, dass der ökologische Umbau der Industrie sozial abläuft. Diese Transformation braucht Zeit. Verbrennungs- motoren spielen dabei als Brückentechnologie eine wichtige Rolle. Sie dürfen nicht blind verteufelt werden. Manche Politiker sollten sich mal sachkundig machen und den Tatsachen ins Auge sehen. Es kann nicht sein, dass meine Generation ein schönes Leben hatte und unsere Kinder schauen in die Röhre. « Waltraud Fuchs, Bosch, Bamberg »Ich fahre nach Berlin, weil: Wenn wir jetzt schlafen und den Trend verpassen, dann kommt bald das böse Erwachen.« Bamir Useini, Opel Group Warehousing Aktuell informiert: GmbH, Bochum Aktuelle Informationen zur Kundgebung gibt es auf unserem Online-Portal. Dort kannst Du Dich auch für einen WhatsApp-Dienst und einen E-Mail-Newsletter »Ich fahre mit nach Berlin, weil wir unsere anmelden: igmetall.de/fairwandel Rechte einfordern wollen. Es gibt so viele Baustellen, in Deutschland und in Europa. Der Schlüssel ist: Solidarität. Wenn wir zusammenhalten und laut sind, können wir als Beschäftigte Fotos: Frank Rumpenhorst, Betriebsrat Bosch Bamberg, Thomas Range, Thomas Schlunck/VW Emden Großes erreichen. Wir müssen ganz viele sein. Ich bin sicher: Das wird eine richtig geile Stimmung in Berlin. « , Melanie Specken, VW, Emden
14 metallzeitung Juni 2019 Jonas Becker, 19, Zerspanungsmechaniker, ThyssenKrupp Rote Erde Lippstadt »Unser Betrieb produziert Sensoren für die Automobil- industrie und hängt stark vom Verbrenner ab. Wir brauchen neue Perspektiven, neue Produkte. Den Strukturwandel Cornelia darf man nicht dem Markt überlassen. Der Markt denkt Hübscher-Gellert, nur an die Kosten und nicht an die Menschen. Deshalb Daimler, Nürnberg müssen wir uns bei der Politik und bei den Arbeitgebern Gehör verschaffen. Es geht um unsere Arbeitsplätze. « Michael Lemm, Bosch, Eisenach Unsere Partner: »gerade Demonstrationen können viel bewirken. Das sieht man wieder an der ›Fridays for Future‹-Bewegung. Diese Schülerproteste sind in aller Munde und haben in den Köpfen der Menschen bereits viel bewegt. Das können wir auch. Die Botschaft muss sein: Wir sind viele, wir sind laut. Ich arbeite im Kfz-Handwerk. Da wird es heftige Der Naturschutzbund Deutschland Umbrüche geben. Elektromobilität wird den e.V. (NABU) ist der älteste und Alltag in den Werkstätten stark beeinflussen. mitgliederstärkste Umweltverband Das klassische Autohaus wird es vielleicht Deutschlands. Er zählt rund bald nicht mehr geben. Viele Kolleginnen 700 000 Mitglieder und Förderer. Der NABU kümmert sich um und Kollegen denken: Was Arten- und Biotopschutz und setzt passiert morgen mit mir? sich für die Energiewende ein. Ich will, dass sie und ihre nabu.de Familien Sicherheit haben. Marcel Thoma, JAV-Vorsitzender, Dafür gehe ich in Berlin auf die Straße. « Automobile Hannover Die Diakonie ist der Wohlfahrts- verband der evangelischen Kir- chen. Sie betreibt Altenheime, Sozial stationen, Frauenhäuser und viele andere soziale Einrichtungen. Sie hat rund 525 000 hauptamt- lich Beschäftigte, dazu kommen 700 000 Ehrenamtliche. diakonie.de »Ich fahre nach Berlin, um Politik und Arbeitgebern deutlich zu machen: Unsere Stimme kann man nicht ignorieren! Wir werden Der VdK ist mit knapp zwei zu viele und zu laut sein, als Millionen Mitgliedern der größte Sozialverband Deutschlands. dass man unsere Botschaften Er engagiert sich unter anderem überhört. Regierung und für gute Renten, faire Löhne, Armutsbekämpfung und eine Arbeitgeber müssen sich Martin Böhmer, starke gesetzliche Kranken- bewegen. Stillstand war noch ThyssenKrupp und Pflegeversicherung. vdk.de nie eine Option. « Rothe Erde GmbH, Dortmund Fotos: Antje Bittorf/le flair de l’art, Privat, Michael Löwa, Thomas Range (2), Christian von Polentz/transitfoto.de, Foto Rechtnitz Leipzig, Jan Will Fotografie
metallzeitung Jun 2019 15 »Arbeitsplätze verändern sich oder gehen verloren. Die Menschen dürfen deshalb aber nicht unter die Räder kommen. Der Wandel muss fair gestaltet werden. Hier dürfen wir auch nicht unsere leistungsgeminderten oder schwerbehinderten Kollegen vergessen, für die Verände- rungen noch schwerer sind. Die Beschäftigten sollen für die anstehenden Veränderungen rechtzeitig qualifiziert « werden. Das fordere ich. Deshalb fahre ich nach Berlin. Anmeldung/Anreise: » Ich fahre nach Berlin, weil Die Kundgebung findet am 29. Juni um 13 Uhr wir nur zusammen etwas vor dem Brandenburger Tor verändern können.« in Berlin statt. Das Vorprogramm startet bereits ab 11 Uhr. Die Anmeldung zur Kundgebung Julia Hoffmeier, läuft über Deine Vertrauensleute Bleistahl GmbH, oder den Betriebsrat. Alternativ Wetter (Ruhr) könnt Ihr Euch auch an Eure IG Metall-Geschäftsstelle wenden. Eine Onlineanmeldung ist hier möglich: igmetall.de/fairwandel » In unserem Betrieb verändert sich unheimlich viel: neue IT, neue Arbeitsabläufe, neue Firmenstruktur. Dieser Wandel muss fair ablaufen. Es dürfen keine Arbeitsplätze vernichtet werden. Ich will, dass meine Tochter auch die Chance auf sichere und gute Arbeit hat. Dafür gehe ich in Berlin auf die Straße. Ich habe 1989 die großen Montagsdemos in Leipzig mitgemacht. Ich weiß, dass solche Demonstrationen viel bewirken können. « Maik Apfelbacher, CWS-boco, Leipzig » Wir in der Autoindustrie sind besonders stark vom Wandel betroffen. Die Transformation findet bereits statt. Es geht um unsere Arbeitsplätze. Aber bei vielen Politikern ist das noch Ker- nicht angekommen. Deshalb stin fahre ich mit meinen Kollegen Mai, per Sonderzug nach Berlin. Wir wollen Druck machen. Die #FairWandel-Demonstra- tion ist zwingend notwendig – am besten Benjamin Maier, mit einer sechsstelligen Teilnehmerzahl. Daimler, Wer nicht auf sich aufmerksam macht, Untertürkheim bringt seine Interessen nicht voran. «
16 metallzeitung Juni 2019 29.06.2019 Wir sind dabei! Diese Künstler treten bei der #FairWandel-Kundgebung auf. #FairWandel »Grundpfeiler Es ist wichtig, dass wir für unsere Werte und Illustration: greens87/iStockphoto Berlin, Brandenburger Tor des Zusammenlebens zusammen- kommen. Auf Festivals kommen Menschen verschiedenster Herkunft, aller Religionen, aller Hautfarben zusammen, um Musik zu erleben und gemeinsam das Leben zu feiern. Diese kleine Welt sollten wir auf die große Welt übertragen. Das ist mein Traum als Musiker. « Joris Nach 300 Konzerten und Foto: eyecandy drei Echos hat Joris sein zweites Album veröffentlicht. »Viele unterschätzen völlig, was für eine Kraft sie haben. Ich habe mich früher gar nicht für Politik interessiert. Aber ich habe gemerkt: Gerade jetzt ist es wichtig, aufzustehen. Auf die Straße zu gehen ist etwas ganz « Foto: Christoph Köstlin Einfaches, kann aber viel bewirken. Clueso Das aktuelle Album des Erfurters kletterte an die Spitze der deutschen Charts. »Veränderung kann Menschen Angst machen. Das ist völlig normal. Veränderung kann aber auch eine große Chance sein – wenn wir sie Foto: Christian Hoppe Videointerviews der mitgestalten. Am besten ist, wenn Künstler findet Ihr auf sich viele zu einer Gemeinschaft metallzeitung.de zusammenfinden, dann kann man mehr erreichen. Nur so kann eine Silly starke Gesellschaft entstehen. « mit Gastsängerinnen Julia Neigel und AnNa R. Culcha Candela Sie spielen einen vielfältigen Mix aus verschiedenen Musikstilen und Sprachen. Foto: Caren Pauli Berlin Boom Orchestra Die neunköpfige Band macht Reggae mit deutschen Texten. Foto: Leon Hahn
metallzeitung Juni 2019 17 »Nötig sind konkrete Maßnahmen, um Belastungen spürbar zu senken«: Gundi Fetzer, Betriebsrätin bei BSH in Giengen und Dirk-Peter Kasat. Foto: Ingo Dumreicher Belastungen wirksam reduzieren Arbeitsgestaltung Die Beschäftigten von BSH in Giengen leisten körperlich harte Arbeit. Der Betriebsrat hat sich zum Ziel gesetzt, die körperlichen Belastungen der Kolleginnen und Kollegen in der Produktion spürbar zu senken. Das gelingt ihnen mit großem Erfolg. Als sie die Liste in den Händen hielten, vor jetzt schäftigten das Heben, Tragen und Auflegen der alle sechs Wochen treffen, um gemeinsam über beinahe zwölf Jahren, da war ihnen bewusst, dass schweren Türen abnehmen. »Als wir uns die Liste, geeignete Maßnahmen zu sprechen. Gerade sind es eine lange Strecke werden würde. Aber Gundi in der alle Belastungen, die auf die Beschäftigten sie dabei, die Lärmbelastung in der Fertigung wei- Fetzer war auch klar, dass sie sich auf den Weg ma- in der Produktion wirken, angesehen haben, war ter zu senken. Manchmal genügt es da, wenn an chen mussten, gemeinsam mit dem Arbeitgeber, uns klar, dass wir uns um die körperlich harte Ar- einer Maschine der Riemen nachgespannt wird, beharrlich und kämpferisch. Nur so konnten sie beit verstärkt kümmern müssen.« manchmal ist es nötig, einen neuen Motor einzu- ihr Ziel erreichen: die körperlichen Belastungen setzen, dann wieder muss eine Anlage umbaut für die Kolleginnen und Kollegen vor allem in der Klare Regelungen Kümmern – das hört sich ein- werden, um Lärm wirksam zu reduzieren. »Es gibt Produktion spürbar zu senken. »Am Ende unseres fach und unkompliziert an, so, als würde es rei- für fast alle Probleme mehrere Lösungen«, sagt Weges sind wir noch lange nicht«, sagt Betriebs- chen, mit dem Finger auf ein Problem zu zeigen, Gundi Fetzer, »wichtig ist, dass man die umgesetz- rätin Fetzer, »aber wir haben viel erreicht.« und im Nu wird es abgestellt. »So einfach ist es ten Maßnahmen zeitnah auf ihre Wirksamkeit Damals, 2007, war es nicht sicher, dass das nicht«, sagt Gundi Fetzer. Zwar gebe es bei der Ge- überprüft.« Das tun sie in Giengen – etwa mit Ge- gelingen würde – sicher war nach der Analyse schäftsführung ein prinzipielles Einverständnis fährdungsbeurteilungen für jeden Arbeitsplatz. der Arbeitsplätze nur eins: dass die körperlichen darüber, dass Belastungen am Arbeitsplatz gesenkt Belastungen, denen die Beschäftigten bei BSH werden müssten, und das sei sehr schön. »Nötig Belastungen vermeiden Wichtig ist aber auch, in Giengen ausgesetzt waren, zu hoch waren. sind aber konkrete Maßnahmen.« schwere körperliche Belastungen möglichst zu »Bei uns in Giengen arbeiten insgesamt 2900 So wie bei BSH in Giengen ist es in vielen Be- vermeiden oder, falls das nicht möglich ist, tech- Kolleginnen und Kollegen, 1300 von ihnen sind trieben quer durch die Republik: Körperlich harte nische Lösungen zur Reduktion voranzutreiben. in der Produktion. Sie stellen dort Kühl- und Arbeit gehört noch immer zum Arbeitsalltag vie- So machen sie es, wenn sie im Werk eine neue Gefriergeräte her. Das ist körperlich anstren- ler Beschäftigter. Um Belastungen spürbar zu sen- Linie konzipieren. »Da schauen wir bereits bei der gende Arbeit.« ken, muss man diese im Betrieb zum Thema ma- Planung auf Ergonomie.« Erst, wenn Belastungen Belastend sind die Taktzeiten von durch- chen, sich einmischen, konkrete Maßnahmen sich nicht vermeiden oder mithilfe technischer schnittlich 43 Sekunden, anstrengend die mono- zum Abbau durchsetzen. Das ist viel Arbeit für Lösungen abbauen lassen, dringt der Betriebsrat tonen Bewegungsabläufe. Dazu kommt, dass die den Betriebsrat – genau hier will die IG Metall mit auf arbeitsorganisatorische- oder persönliche Beschäftigten bei der Fertigung viele Steck- und ihrer Initiative »Runter mit der Last« unterstützen Maßnahmen. »Die Seitenwände der Kühlschränke Einrastvorgänge durchführen müssen: Teile müs- und Orientierung geben. »Es braucht verbindliche etwa, die sind unhandlich, bis zu zwei Meter hoch. sen angehoben, eingesetzt, eingedrückt, gehalten Regelungen und klare Prozesse der Zusammenar- An diesen Arbeitsplätzen haben wir für eine Mit- fest montiert werden – manche Teile sind schwer. beit«, sagt Gundi Fetzer. arbeiter-Rotation gesorgt.« Nein, damit sei nicht »Ein Kühlschrankverdichter wiegt zwischen sie- Das haben sie am Standort. 2007 haben sie alles gut – aber eine spürbare Entlastung erreicht. ben und neun Kilo, eine große Tür bis zu 14 Kilo«, eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, in der »Wie gesagt, wir sind nicht am Ziel, der Weg führt sagt Gundi Fetzer. »Das mussten Kollegen heben.« das Ziel des kontinuierlichen Belastungsabbaus weiter«, sagt Gundi Fetzer. »Man braucht einen Heute müssen sie das nicht mehr. Heute gibt festgeschrieben wurde. Später wurde vereinbart, langen Atem. Den haben wir.« es am Standort passende Hebehilfen, die den Be- dass Betriebsrat und Geschäftsführung sich dazu Jan.Chaberny@igmetall.de
18 metallzeitung Juni 2019 »Ungleichheit führt zur Spaltung« Wirtschaft Der Markt regelt alles? Daran hat der Ökonom Sebastian Dullien noch nie geglaubt. Im Interview erklärt er, wie sich Krisen abmildern lassen – und was Wirtschafts- politiker vom Fußball lernen können. Immer mehr Menschen sind der Meinung, dass es in Deutschland ungerecht zugeht. Gerät das Land in eine soziale Schieflage? Zumindest nimmt die Ungleichheit in Deutschland zu. Die Schere zwischen Top- und Geringverdienern öffnet sich. Das sorgt für Unmut. Dabei geht es nicht nur um die ungleiche Verteilung der Einkommen, sondern auch um die unglei- che Chancenverteilung. Hier in Berlin geht ein wachsender Anteil der Schüler auf Pri- vatschulen. Die haben womöglich bessere Chancen im Wettbewerb um Ausbildungs- und Studienplätze. Das sind natürlich Kin- der aus den oberen Einkommensgruppen. Die Einkommen der reichsten zehn Pro- zent steigen besonders stark. Mit welchen Folgen? Die Ungleichheit führt zur Spaltung. Die Einflussreichen werden noch einflussrei- cher. Das schwächt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Außerdem schadet Un- gleichheit langfristig dem Wachstum. Sie bedeutet, dass Menschen ausgeschlossen werden, ihr Potenzial im Erwerbsleben nicht ausschöpfen. Sie arbeiten dann viel- leicht als Gebäudereiniger, obwohl sie schlau genug wären, Ingenieur zu werden. Das ist schlecht für die Wirtschaft. Wie kann man Ungleichheit Zur Person: eindämmen? Sebastian Dullien leitet seit 1. April das Wir müssen darauf achten, dass überall Institut für Makroökonomie und Konjunktur- gleiche Lebenschancen entstehen. Das be- forschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Foto: Peter Himsel deutet konkret: bezahlbarer Wohnraum, Der 44-Jährige ist außerdem Professor für gute Schulen, vernünftige Verkehrsanbin- Volkswirtschaftslehre an der Hochschule dung, ordentliche medizinische Versor- für Technik und Wirtschaft in Berlin.
metallzeitung Juni 2019 19 gung. Der Staat muss an vielen Stellen scheuen Unternehmen Investitionen. stärker eingreifen und steuern. Sollten die Risiken Realität werden, kann das zu einem wirtschaftlichen Schock Welche Rolle spielen die oder sogar einer Rezession führen. Gewerkschaften? Die Gewerkschaften sind in Deutschland Und dann? eine Kraft, die der Ungleichheit entgegen- Kluge Politik kann Konjunkturschwan- Foto: Armin Weigel/BMW Group wirkt. Aber die Tarifbindung hat abgenom- kungen dämpfen. Das haben wir in der men. Das hat mit gesetzlichen Rahmenbe- Krise 2008/2009 gesehen. Damals hat die dingungen zu tun. Die Hartz-Gesetze Regierung entschlossen gehandelt und haben die Verhandlungsposition der Ar- Konjunkturpakete verabschiedet. Das hat beitnehmer geschwächt, weil sie Angst vor Nachfrage erzeugt und die Zukunftser- dem Abstieg erzeugt haben. Das muss der wartungen von Unternehmen und Kon- Gesetzgeber korrigieren. sumenten stabilisiert. Dadurch hat sich Viele Tätigkeiten werden sich verändern. die Wirtschaft unerwartet schnell erholt. Wie? Kurzarbeitergeld für Die Regierung könnte die Tarifbindung Heute wäre das schwieriger. stärken, indem Tarifverträge leichter für Mit der Schuldenbremse hat sich die Transformation allgemeinverbindlich erklärt werden kön- der Staat Fesseln angelegt … nen, damit es keine Armutslöhne gibt. Öf- Die Schuldenbremse ist ein großer poli- Strukturwandel Wenn Betriebe im fentliche Aufträge könnten nur an Unter- tischer Fehler. Wenn der Staat in Infra- nehmen vergeben werden, die einen struktur oder Bildung investiert, dann Umbruch sind, brauchen Beschäftigte Tarifvertrag haben. profitieren spätere Generationen davon. Sicherheit und Perspektiven. Die Dafür kann man guten Gewissens Kredi- IG Metall hat dazu einen Vorschlag. » Der Staat muss an vielen Stellen stärker eingreifen te aufnehmen. Die Schuldenbremse ver- bietet das. Dadurch wird die Steuerungs- fähigkeit im Abschwung begrenzt. Was es bedeutet, wenn wirtschaftlicher Wandel und steuern. « Wo sollte der Staat investieren? konkret wird, lässt sich zurzeit in der Autoindustrie beobachten: Volkswagen steuert rasant in Richtung Stromnetze, Straßen, Schienen, öffentli- E-Mobilität und will in der Folge Tausende Stellen Sollte der Staat auch in der cher Nahverkehr, öffentlicher Woh- streichen. Bei Dieselzulieferern bangen Beschäftigte Industriepolitik aktiver werden? nungsbau, Schulen. Die Liste ist lang. um ganze Standorte. Diese Umbrüche werden sich Auf jeden Fall. Industriemächte wie China fortsetzen. Digitalisierung, Klimaschutzmaßnah- betreiben eine sehr strategische Industrie- Gerade haben wir eine neues men, Globalisierung und Demografie treiben den politik, fördern gezielt Schlüsseltechnolo- EU-Parlament gewählt. Sie fordern Wandel voran. Das hat Folgen für den Arbeits- gien. Wir dagegen sagen: Das muss der mehr Kompetenzen für Europa, eine markt. Viele Tätigkeiten werden sich stark verän- Markt richten. Wird er aber nicht. Es ist europäische Wirtschaftsregierung. dern. Neue Qualifikationen sind gefragt. Manche wie beim Fußball: Eine reiche Mann- Warum? Arbeitsplätze werden verschwinden, andere neu schaft, die sich Top-Spieler kaufen kann, Weil der Euro auf der Kippe steht. Viele entstehen. spielt gegen eine mittellose Amateur- Populisten wollen ihn abschaffen. Für die Um diese Transformation zu bewältigen, ohne mannschaft. Das ist kein faires Spiel. deutsche Wirtschaft wäre ein Auseinan- dass zahlreiche Menschen arbeitslos werden, hat die derbrechen der Eurozone katastrophal – IG Metall einen Vorschlag: eine neue Form des Wie geht gute Industriepolitik? vor allem für die Metall- und Elektroin- Kurzarbeitergelds (KuG), das Transformationskurz- Wir müssen Zukunftstechnologien iden- dustrie. Eine neu eingeführte D-Mark arbeitergeld. Damit könnten Betriebe und Beschäf- tifizieren und fördern. Die öffentliche würde im Vergleich zum Euro massiv an tigte unterstützt werden, die von technologischem Hand könnte gezielt entsprechende Pro- Wert zulegen. Damit würden unsere Ex- oder sonstigen Strukturwandel betroffen sind. dukte kaufen, die noch dazu aus der EU porte im Ausland unerschwinglich. Der stammen. Das würde eine gesicherte Export würde einbrechen. Brücken bauen Das Transformationskurzarbeiter- Nachfrage schaffen und damit Planungs- geld funktioniert so: Ein Betrieb steht vor einem sicherheit für europäische Unternehmen. Woher kommt die weit verbreitete Eu- Umbauprozess. Der Umbau braucht Zeit und es Das fördert Technologieentwicklung. ropaskepsis? kommt zunächst zu Arbeitsausfall. Auf die Beschäf- Viele Menschen haben das Gefühl, dass tigten kommen neue und veränderte Anforderun- Derzeit häufen sich schlechte Konjunk- Europa seine Versprechen nicht einlöst. In gen und Tätigkeiten zu. turprognosen. Kommt die Rezession? Italien sind die Einkommen heute niedri- In solchen Lagen soll das Transformations-KuG Es gibt Schwächesignale aus der Industrie, ger als vor zehn Jahren. Wir brauchen In- eine Brücke bauen. Es verhindert Entlassungen und Maschinenbau oder Autoindustrie. Aber vestitionen für mehr Wachstum. Länder minimiert die Entgeltverluste der Beschäftigten wäh- die Erwerbstätigkeit ist hoch und die im Abschwung brauchen Unterstützung. rend des Arbeitsausfalls. Außerdem soll die Kurzar- Löhne steigen. Das stärkt die Inlands- Von einer Stabilisierung Europas profitiert beit mit Qualifizierung verbunden werden. Unter- nachfrage und trägt derzeit noch die Kon- kaum ein Land so wie Deutschland. Das ist nehmen und Betriebsräte entscheiden gemeinsam, junktur. Es gibt weiter leichtes Wachstum. unser ureigenes wirtschaftliches Interesse welche Fortbildung am sinnvollsten ist. Nach dem Aber es gibt große Risiken: den Brexit, die – gerade auch aus Sicht der Arbeitnehmer. Transformationsprozess können die Beschäftigten unberechenbare Handelspolitik von Do- Das sollte uns etwas wert sein. mit neuen Fertigkeiten weiterbeschäftigt werden. nald Trump. In dieser Unsicherheit Simon.Berberich@igmetall.de igmetall.de/fairwandel
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