MITBESTIMMUNG - DAS DEMOKRATISCHE GESTALTUNGSPRINZIP DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT - Studien zur Wirkung von betrieblicher und ...

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MITBESTIMMUNG - DAS DEMOKRATISCHE GESTALTUNGSPRINZIP DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT - Studien zur Wirkung von betrieblicher und ...
MITBESTIMMUNG – DAS DEMOKRATISCHE
GESTALTUNGSPRINZIP DER SOZIALEN
MARKTWIRTSCHAFT
Studien zur Wirkung von betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung

         Diese und weitere Pressemappen finden Sie unter:
         http://boeckler.de/pressemappe-mitbestimmung.htm
MITBESTIMMUNG - DAS DEMOKRATISCHE GESTALTUNGSPRINZIP DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT - Studien zur Wirkung von betrieblicher und ...
INHALT

          Corporate Governance Mitbestimmung zahlt sich aus                        Böckler Impuls 10/2019

          Mitbestimmung Was Betriebsräte bewirken                    Böckler Impuls 02/2018

          Unternehmen Nachhaltiger durch Mitbestimmung                        Böckler Impuls 09/2020

          Kurzarbeit Höheres Kurzarbeitergeld mit Betriebsrat                      Böckler Impuls 16/2020

          Mitbestimmung Weniger Bilanzkosmetik dank Mitbestimmung                               Böckler Impuls 5/2021

          Digitalisierung Modernisierung mit Mitsprache                 Böckler Impuls 15/2021

          Mitbestimmung Mehr Weiterbildung durch Mitbestimmung                             Böckler Impuls 10/2021

          Mitbestimmung Betriebsräte fördern die Integration                   Böckler Impuls 08/2021

          Mitbestimmung Mitbestimmung hält gesund                     Böckler Impuls 06/2021

          Unternehmen Mehr Erfolg dank Mitbestimmung                        Böckler Impuls 01/2021

          Künstliche Intelligenz Betriebsräte setzen den Algorithmen Grenzen                         Böckler Impuls 18/2020

          Gerechtigkeit „Mitbestimmung verringert die Ungleichheit“                        Böckler Impuls 16/2017

          Betriebsräte Mitbestimmung hilft Frauen und Familien                      Böckler Impuls 12/2019

          Unternehemen Mitbestimmung schützt das Klima                       Böckler Impuls 09/2019

          Mitbestimmung Beschäftigte wollen mehr Einfluss                     Böckler Impuls 06/2016

          Corporate Governance Starke Mitbestimmung, gute Arbeit                         Böckler Impuls 10/16

          Mitbestimmung Beteiligung bildet                Böckler Impuls 16/2016

          Unternehmen Mitbestimmt und wirtschaftlicher                     Böckler Impuls Sonderheft 2015

          Betriebsvereinbarungen Regeln für die Digitalisierung                     Böckler Impuls 08/2016

          Corporate Governance Mehr Mitbestimmung, mehr Ausbildung                               Böckler Impuls Sonderheft 2015

          Arbeitsmarkt Mitbestimmung sichert Beschäftigung                         Böckler Impuls 10/2016

          Mitbestimmung Mit Betriebsrat verfallen weniger Urlaubstage                         Böckler Impuls 09/2016

KONTAKT
          Rainer Jung             Georg-Glock-Straße 18        Telefon +49 211 77 78-150           rainer-jung@boeckler.de
          Hans-Böckler-Stiftung   40474 Düsseldorf             Fax +49 211 77 78-4150              www.boeckler.de
          – Pressesprecher –      Deutschland
CORPORATE GOVERNANCE

Mitbestimmung zahlt sich aus
Unternehmen mit Mitbestimmung im Aufsichtsrat haben in der Finanzkrise
und in den Folgejahren wirtschaftlich besser abgeschnitten.

Unternehmen, bei denen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ähnliche Größe haben, in derselben Branche aktiv und ähn-
sitzen, haben sich seit der großen Finanz- und Wirtschaftskrise lich stark diversifiziert sind – aber keine Mitbestimmung ha-
besser entwickelt als Firmen ohne Mitbestimmung. Das gilt für ben. So werden in der Studie dann beispielsweise Siemens und
die operative Rendite, die Bewertung am Kapitalmarkt, die Be- die Schweizer ABB verglichen oder Continental und Michelin.
schäftigungsentwicklung so-
wie für die Investitionen in An-
lagen und Forschung. So lag
zum Beispiel die kumulierte         Mitbestimmte Unternehmen schneiden besser ab
Aktienrendite mitbestimmter
                                    So hat sich die Aktienrendite
Unternehmen zwischen 2006
                                    von 2006 bis 2011 verändert bei ...                       paritätisch mitbestimmten Unternehmen
und 2011 um 28 Prozentpunk-
te höher als bei vergleichbaren                                                                          +7,2 %
Firmen ohne Arbeitnehmerbe-
                                                        - 21 %
teiligung. Zu diesem Ergebnis
kommt eine neue Studie von                                                     vergleichbaren
Marc Steffen Rapp von der                                        europäischen Unternehmen
Universität Marburg und Mi-                                             ohne Mitbestimmung
chael Wolff von der Universi-
tät Göttingen.
    Die Mitbestimmung habe
in der Krise kurzsichtiges
Verhalten von Unternehmen
verhindert und danach ein
„schnelleres Umschalten in          So hat sich die Beschäftigung im Vergleich zur Zeit vor der Krise verändert bei Unternehmen ...
den Wachstumsmodus er-
                                                                    in der Krise (2008 bis 2009)                      nach der Krise (2010 bis 2013)
möglicht“, schreiben die bei-
den BWL-Professoren in einer        mit Mitbestimmung                  - 2,4 %                                                           +2,1 %
von der Hans-Böckler-Stiftung
geförderten Untersuchung.           ohne Mitbestimmung            -7%                                                     - 1,9 %
Nach Einschätzung der Exper-
ten sind diese Befunde ange-
sichts fortschreitender Digita-
lisierung und Globalisierung
auch für die Zukunft höchst       So haben sich die Investitionen im Vergleich zur Zeit vor der Krise verändert bei Unternehmen ...
bedeutsam: Die Arbeitneh-
mermitbestimmung im Auf-                                               in der Krise (2008 bis 2009)                  nach der Krise (2010 bis 2013)
sichtsrat könne „als Element
einer modernen Corporate Go-      mit Mitbestimmung                                           +2,2 %                                    +3,3 %
vernance verstanden werden,       ohne Mitbestimmung                         - 0,2 %                                     - 1,5 %
welche vor dem Hintergrund
immer volatiler werdender
wirtschaftlicher Rahmenbe-
dingungen geeignet ist, mögli-
che Risiken von strategischen     Quelle: Rapp, Wolf 2019 Grafik zum Download: bit.do/impuls1573

Transformationsprozessen ab-
zufedern“.
    Um die Wirkung der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichts-                       Auf dieser Basis versuchen Rapp und Wolff durch vielfälti-
rat zu überprüfen, haben die Wirtschaftswissenschaftler ins- ge Analysen, ein möglichst umfassendes Bild vom Verhalten
gesamt 560 börsennotierte europäische Unternehmen unter- und der Entwicklung der Unternehmen zu erhalten. Komplexe
sucht, darunter die in Dax, MDax, TecDax und SDax notierten Analysemethoden sollen dabei sicherstellen, dass beobachtete
Firmen. Dabei haben sie Unternehmen aus Deutschland, von Unterschiede tatsächlich darauf beruhen, dass Arbeitnehmer in
denen die meisten mitbestimmt sind, mit passenden Firmen einem Teil der Unternehmen mitbestimmen, in einem anderen
aus anderen europäischen Ländern verglichen, die eine sehr aber nicht, – und nicht auf statistischen „Hintergrundfaktoren“.

                                                                                                       Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Die wesentlichen Ergebnisse                                         Forschung ist bekannt, dass solche Konten in Unternehmen
                                                                    mit Mitbestimmung deutlich häufiger sind als in anderen. Ein
Operativer Geschäftserfolg: Als Maßstäbe nutzen die Wirt-           Grund dafür: Wenn sie einen Betriebsrat und tarifvertragliche
schaftswissenschaftler die einschlägigen betriebswirtschaft-        Vereinbarungen an ihrer Seite haben, lassen sich Beschäftig-
lichen Größen Kapital- und Umsatzrentabilität, berechnet als        te eher darauf ein, Arbeitszeit ohne sofortige Bezahlung auf
das Verhältnis von operativem Gewinn zu Bilanzsumme bezie-          die hohe Kante zu legen.
hungsweise Umsatz. Zunächst zeigt sich, dass die Rentabilität          Anders als Unternehmen, die zahlreiche Mitarbeiter entlas-
während der großen Wirtschaftskrise ab 2008 und unmittelbar         sen hatten, konnten mitbestimmte Unternehmen mit konstan-
danach in den meisten Unternehmen gelitten hat. Das ist wenig       ten Beschäftigtenzahlen nach dem Abklingen der Krise schnell
überraschend. Diese Entwicklung werde aber „mittels der Mit-        wieder ihre Produktion ausweiten.
bestimmung reduziert und teils auch komplett kompensiert“,
schreiben die Wirtschaftsprofessoren, so dass Unternehmen           Höhere und stabilere Investitionen: Als Investitionsgrößen
mit Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat signifikant bes-        haben die Wissenschaftler die Ausgaben für Forschung und
ser abschnitten. Besonders deutlich ist dies bei der Umsatz-        Entwicklung sowie für neue Anlagen betrachtet. Bereits für die
rentabilität: Bei Unternehmen ohne Mitbestimmung sank sie           Zeit vor der Krise liefert die Studie Indizien dafür, dass mitbe-
auf dem Höhepunkt der Krise um 3,1 Prozent, während sie in          stimmte Unternehmen mehr investieren. Während der Finanz-
paritätisch mitbestimmten Firmen um 2,7 Prozent stieg. In den       und Wirtschaftskrise beobachten die Wirtschaftsprofessoren,
Jahren nach der Krise ging die Rentabilität in Firmen ohne Ar-      „dass der negative Kriseneffekt mittels der Mitbestimmung
beitnehmervertreter zunächst weiter zurück. In mitbestimm-          aufgefangen wird“. Mitbestimmte Unternehmen fuhren ihre
ten Firmen legte sie dann um weitere 1,4 Prozent zu.                Investitionen also im Vergleich weniger deutlich zurück und
Um die Bewertung am Kapitalmarkt nachzuvollziehen, schau-           weiteten sie nach der Krise stärker wieder aus. Fazit der For-
en Rapp und Wolff auf die Aktienrendite, die sich aus Kursent-      scher: „Für essentielle Zukunftsinvestitionen ist insgesamt zu
wicklung und Höhe der Dividende ergibt, und das Verhältnis          konstatieren, dass mitbestimmte Unternehmen an diesen stär-
von Kurs- und Substanzwert. Auch für diese beiden Größen er-        ker in der Krise festhalten, was ein weiterer wichtiger Indikator
kennen die Forscher einen signifikant positiven Einfluss: „Bei      sein könnte, warum es mitbestimmten Unternehmen in kürze-
der Kapitalmarktperformance verzeichnen mitbestimmte Un-            rer Zeit gelingt, an die vorherige Performance anzuknüpfen.“
ternehmen über den betrachteten Zeitraum höhere Renditen,
weisen geringere Schwankungen auf und ihre Unternehmens-            Weniger Schulden, weniger Zukäufe: Vor der Krise haben
bewertungen unterliegen einem weniger drastischen Verfall“          die mitbestimmten Unternehmen nach Analyse der Forscher
während der akuten Krise. Konkret betrug die kumulierte Ak-         vorsichtiger gehaushaltet. Sie haben beispielsweise weniger
tienrendite in mitbestimmten Unternehmen von 2006 bis 2011          Geld für Aktienrückkäufe ausgegeben und sich bei Zukäufen
7,2 Prozent. In der europäischen Vergleichsgruppe ohne Ar-          stärker zurückgehalten. Zugleich hatten sie weniger Schulden.
beitnehmer in Aufsichtsrat oder Board lag sie dagegen bei mi-       In der Krise beobachten die Wissenschaftler keine signifikan-
nus 21 Prozent.                                                     ten Unterschiede im Finanzgebaren – wohl, weil auch die üb-
                                                                    rigen Unternehmen zurücksteckten. Nach Ende der Krise san-
Verzicht auf Entlassungen: Die Forscher erklären das deut-          ken die Schuldenstände in mitbestimmten Firmen dann aber
lich bessere Abschneiden der mitbestimmten Firmen auch mit          deutlich schneller.
systematisch anderen Unternehmensentscheidungen wäh-
rend der Krise. Am stärksten sticht dabei heraus, dass mit-         Fazit: Mitbestimmung als Chance
bestimmte Firmen meist auf größere Entlassungen verzichtet          Unter dem Strich zeichnet die Studie im Kontext der zurücklie-
haben und ihre Beschäftigung recht stabil hielten, während Un-      genden Finanz- und Wirtschaftskrise ein sehr positives Bild der
ternehmen ohne Arbeitnehmerbeteiligung kräftig Stellen stri-        Mitbestimmung im Aufsichtsrat entlang vieler der untersuchten
chen. So ging die Mitarbeiterzahl in paritätisch mitbestimm-        Dimensionen. Die Autoren sprechen daher der Arbeitnehmer-
ten Unternehmen in der akuten Krisenphase um 2,4 Prozent            beteiligung an der Unternehmensspitze das Potenzial zu, eine
zurück, legte im Anschluss an die Krise bis 2011 wieder um 4,5      dreifache Win-win-Situation zu schaffen: „In diesem Kontext
Prozent zu, womit sie das Vorkrisenniveau in der Summe um           kann die unternehmerische Mitbestimmung die Möglichkeit
2,1 Prozent übertraf. In Firmen ohne Mitbestimmung wurde            bieten, Risiken in Hinblick auf die Unternehmenssituation als
die Belegschaft dagegen in der Krise um 7 Prozent reduziert         auch auf die individuelle Situation von Arbeitnehmern besser
und lag anschließend 1,9 Prozent unter dem Vorkrisenniveau.         abzufangen und damit auch die Volkswirtschaft als Ganzes zu
    Statt Stellen zu streichen, so die Forscher, hätten Unter-      schützen.“ Die BWL-Professoren ermutigen zu einem positiven
nehmen mit Mitbestimmung schneller „das Arbeitsentgelt              Blick auf die Mitbestimmung: „Letztlich sollte die Partizipati-
nach unten hin angepasst“. Konkret sei zu beobachten, dass          on von Mitarbeitern im Aufsichtsrat im Rahmen von zukünf-
die durchschnittliche Vergütung in mitbestimmten Unterneh-          tigen Transformationsprozessen damit durchschnittlich nicht
men vor der Krise spürbar höher war als in Firmen ohne Mitbe-       als Hindernis, sondern als Chance verstanden werden.“<
stimmung. Während der Krise schwächt sich dieser Vorsprung
ab, danach stellt sich die alte Relation wieder ein. Dabei dürf-
te eine große Rolle gespielt haben, dass große deutsche Fir-        Quelle: Marc Steffen Rapp, Michael Wolff, Iuliia Udoieva, Jan C. Hennig:
men in der Krise oft die Arbeitszeit rasch und deutlich reduziert   Wirkung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat auf die Unternehmensführung.
haben. Beschäftigte konnten Zeitguthaben auf ihren Arbeits-         Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise.
                                                                    Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 424
zeitkonten „abfeiern“ oder bei der Arbeitszeit sogar ins Minus      Download: bit.do/impuls1574
gehen, der zeitliche „Dispo“ wurde mit Anziehen der Konjunk-
tur wieder ausgeglichen. Aus der arbeitswissenschaftlichen

                                                                                                        Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
MITBESTIMMUNG

Was Betriebsräte bewirken
Von betrieblicher Mitbestimmung profitieren in der Regel sowohl Beschäftigte als auch
das gesamte Unternehmen. Das zeigt eine Auswertung der Forschungsliteratur.

Dieses Jahr stehen wieder Betriebsratswahlen an: Von An-                          zu streiten, von denen dann alle Kollegen profitieren. Ein Be-
fang März bis Ende Mai sind Arbeitnehmer in zahlreichen Un-                       triebsrat dagegen kann als kollektives Sprachrohr die Bedürf-
ternehmen aufgerufen, über die Zusammensetzung ihrer be-                          nisse der Belegschaft aufgreifen und kommunizieren und so
trieblichen Interessenvertretung abzustimmen. Wer sich an der                     zu weniger Fluktuation, mehr Motivation und erhöhter Koope-
Wahl beteiligt, nimmt ein demokratisches Grundrecht in An-                        rationsbereitschaft beitragen.
spruch – und stärkt gleichzeitig eine Institution, der wirtschafts-
wissenschaftliche Studien erheblichen Nutzen bescheinigen.                        Betriebsräte schaffen Vertrauen
Den aktuellen Stand der Forschung zur betrieblichen Mitbe-                        Auch mit Blick auf das Problem der „unvollständigen Verträ-
stimmung in Deutschland haben Uwe Jirjahn von der Univer-                         ge“ erscheine betriebliche Mitbestimmung sinnvoll, schrei-
sität Trier und Stephen Smith von der George Washington Uni-                      ben Jirjahn und Smith. Demnach ist es unmöglich, in einem
versity zusammengefasst. In ihrem Literaturüberblick gehen                        Arbeitsverhältnis alle Details vertraglich zu regeln und damit
sie sowohl auf theoretische Argumente als auch auf empiri-                        einklagbar zu machen. Beschäftigte müssen darauf vertrau-
sche Befunde ein. Die positiven Effekte – unter anderem auf                       en, dass ihr Arbeitgeber sich an Zusagen hält und vertragli-
Produktivität, Löhne und Beschäftigungsstabilität – überwie-                      che Leerstellen nicht zu seinen Gunsten ausnutzt. Wenn die-
gen demnach deutlich, wobei die Stärke dieser Effekte zum                         ses Vertrauen fehlt, haben Betriebe ein massives Problem. Eine
Teil von den betrieblichen Umständen abhängt.                                     Beförderung als Belohnung für bestimmte Leistungen in Aus-
                                                                                  sicht zu stellen, funktioniert beispielsweise nur dann als An-
Ein Sprachrohr für Beschäftigte                                                   reiz, wenn die Arbeitnehmer nicht befürchten müssen, übers
Bei der theoretischen Auseinandersetzung mit Arbeitneh-                           Ohr gehauen zu werden. Betriebsräte mit klar definierten In-
mervertretungen spielt den Autoren zufolge der sogenann-                          formations- und Mitbestimmungsrechten, die die Interessen
te Exit-Voice-Ansatz eine wichtige Rolle. Demnach haben Be-                       der Belegschaft wirksam vertreten und die Einhaltung von Ver-
schäftigte, die unzufrieden mit ihrem Job sind, grundsätzlich                     sprechen durchsetzen können, ermöglichen dem Arbeitgeber
zwei Möglichkeiten: Sie können entweder kündigen – also                           glaubwürdige Selbstverpflichtungen.
die Exit-Option wählen – oder sich bei ihren Vorgesetzten be-                         Neben den Eigentümern eines Unternehmens können auch
schweren und für Verbesserungen einsetzen. Effizienter wäre                       Manager oder Vorgesetzte Vertrauen missbrauchen – etwa in-
die zweite Option: Nur wenn Arbeitnehmer ihre Bedürfnisse                         dem sie Schmeichler und Günstlinge fördern statt kompetente
artikulieren, kann das Management darauf eingehen. Zudem                          Beschäftigte oder indem sie Untergebene willkürlich schlecht
ist eine hohe Personalfluktuation kostspielig. Das Problem: Ein-                  behandeln. Betriebsräte können laut der Literaturstudie zur
zelne Beschäftigte haben wenig Anreiz, allein für Änderungen                      Vermeidung solcher Missstände beitragen, indem sie direkte
                                                                                   Kommunikation mit der Unternehmensleitung ermöglichen,
                                                                                   die nicht durch Vorgesetzte gefiltert wird.
                                                                                       Inwieweit die Vorteile von Arbeitnehmervertretungen tat-
Effektive Mitbestimmung                                                            sächlich zum Tragen kommen, dürfte von den Rahmenbedin-
Empirischen Studien zufolge hat betriebliche Mitbestimmung                         gungen in den Betrieben abhängen, so die Ökonomen. Wäh-
positive Effekte unter anderem auf …                                               rend von reibungslos funktionierender Mitbestimmung in der
                                                                                   Regel beide Seiten profitieren, sind auch Situationen denkbar,
                                                                                   in denen die positiven Effekte geringer ausfallen oder durch
                                                                                   Konflikte komplett zunichtegemacht werden. Beispielsweise
                                                                                   dann, wenn Manager eher an kurzfristiger Profitmaximierung
                                                                                   als an dauerhafter Zusammenarbeit interessiert sind oder Mit-
        Produktivität                    Löhne                        Rendite
                                                                                   bestimmung grundsätzlich ablehnen, weil sie um Status und
                                                                                   Macht fürchten.
                                                                                       Da die Vorteile der betrieblichen Mitbestimmung auf der
                                                                                   Hand liegen und auch empirisch nachweisbar sind, könnte
                                                                                   man auf die Frage kommen, warum das Betriebsverfassungs-
 ökologische Investitionen          Weiterbildung                    Ausbildung    gesetz überhaupt nötig ist. Eine wirtschaftlich sinnvolle Insti-
                                                                                   tution, so ein gängiges Argument, würde sich am Markt auch
                                                                                   ohne gesetzlichen Zwang durchsetzen. Um zu erklären, war-
                                                                                   um sich Arbeitgeber und Beschäftigte nicht freiwillig auf die
                                                                                   Einführung einer Arbeitnehmervertretung einigen, wird in
                                                                                   der Literatur zum einen auf die Schwierigkeit entsprechen-
        Jobsicherheit           Familienfreundlichkeit          Lohngleichheit     der Verhandlungen verwiesen. Einer Vereinbarung stünden
Quelle: Jirjahn, Smith 2017 Grafik zum Download: bit.do/impuls1049                 genau die Informationsprobleme im Weg, zu deren Lösung
                                                                                   Betriebsräte beitragen sollen.

                                                                                                           Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Ein anderes Argument läuft darauf hinaus, dass Mitbestim-
mung nur funktioniert, wenn ausreichend viele Unternehmen             Wo Betriebsräte mitreden
mitmachen. Das liegt unter anderem daran, dass die Vorteile in
                                                                      Einen Betriebsrat haben von den Beschäftigten in …
Form von mehr Vertrauen und Kooperation sich eher langfris-
tig einstellen, also eine gewisse Jobsicherheit voraussetzen.         Baden-Württemberg
Auf Kündigungen zu verzichten, kann in einer Rezession kurz-                                                                                     48%
fristig allerdings ziemlich kostspielig sein. Es wird für einzelne
                                                                      Bremen
Betriebe noch teurer, wenn alle anderen Unternehmen mas-
                                                                                                                                              46%
senhaft Beschäftigte entlassen und so die gesamtwirtschaft-
liche Nachfrage noch weiter schwächen. Wenn dagegen ein               Hessen
Großteil der Arbeitgeber von Beschäftigungsabbau absieht,                                                                                  43%
stabilisiert sich die Nachfrage und die Rezession fällt milder
aus. Dass Deutschland in der jüngsten Finanzkrise vergleichs-         Nordrhein-Westfalen
                                                                                                                                        42%
weise glimpflich davon gekommen ist, könnte nach Ansicht
der Autoren auf diesen Zusammenhang zurückzuführen sein.              Bayern
    Als Rechtfertigung für gesetzliche Vorgaben könnten aus                                                                             42%
theoretischer Sicht auch nicht-ökonomische Effekte dienen.
Denkbar erscheint beispielsweise, dass Betriebsräte sich für          Schleswig-Holstein und Hamburg
Umweltschutzmaßnahmen ihres Arbeitgebers einsetzen,                                                                                    41%
wenn Schadstoffe die Gesundheit der Beschäftigten oder ih-            Niedersachsen
rer Familien gefährden. Darüber hinaus spricht einiges dafür,                                                                        40%
dass Partizipation am Arbeitsplatz die Fähigkeit und die Be-
reitschaft fördert, sich auch außerberuflich politisch oder so-       Thüringen
zial zu engagieren.                                                                                                                 39%
                                                                      Rheinland-Pfalz
Vorteile sind empirisch gut belegt
                                                                                                                               36%
Aktuelle empirische Studien, die auf umfangreichen Daten-
sätzen beruhen, können überwiegend positive Effekte auf di-           Saarland
verse Dimensionen des Unternehmenserfolgs nachweisen, so                                                                       36%
Jirjahn und Smith. Betriebsräte tragen demnach zu mehr Pro-           Sachsen-Anhalt
duktivität, höheren Löhnen und steigenden Renditen bei. Zu-                                                                   35%
dem können mitbestimmte Betriebe mit mehr ökologischen
Investitionen und schrittweisen Innovationen, Weiterbildung           Berlin
und dualer Ausbildung aufwarten. Die Personalfluktuation                                                                    34%
nimmt ab, es gibt weniger Arbeitskräftemangel, dafür mehr             Brandenburg
familienfreundliche Praktiken und flexible Arbeitszeitmodelle.
                                                                                                                           33%
    Die Stärke dieser Effekte hängt von verschiedenen Umstän-
den ab. Der Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg scheint          Mecklenburg-Vorpommern
besonders groß bei Unternehmen in Krisen zu sein. Die Be-                                                                  33%
funde zur Betriebsgröße fallen widersprüchlich aus, zum Teil
                                                                      Sachsen
deuten sie darauf hin, dass große Firmen überdurchschnitt-
                                                                                                                        31%
lich profitieren. Einigkeit besteht in der Literatur hinsichtlich
der Rolle von Tarifverträgen: Tarifgebundene Betriebe haben           insgesamt
mehr von Mitbestimmung. Auch die Einstellung der Geschäfts-                                                                            41%
führung wirkt sich aus: Feindselige Manager beeinträchtigen
das erfolgreiche Funktionieren. Besonders schwer scheinen             private Betriebe ab 5 Beschäftigten Quelle: IAB-Betriebspanel 2016
es Betriebsräte in inhabergeführten Unternehmen zu haben,             Grafik zum Download: bit.do/impuls1050 Daten: bit.do/impuls1051
wo der Herr-im-Haus-Standpunkt offenbar weit verbreitet ist.
    Auch wenn ausländische Eigentümer das Zepter führen,             der Einfluss auf Entscheidungen, für die das Gesetz eigent-
fallen die positiven Effekte geringer aus. Laut den Forschern        lich keine Mitbestimmungsrechte vorsieht, nimmt zu, der Pro-
dürfte das daran liegen, dass Betriebsräte keinen Zugang zu          duktivitätseffekt steigt, es kommt zu weniger Kündigungen.
Informationen beim Mutterkonzern haben und dass umge-                Nach etwa 30 Jahren scheint sich diese Entwicklung aller-
kehrt die dortigen Manager vergleichsweise wenig über die            dings zum Teil wieder umzukehren.
lokalen Gegebenheiten wissen. Zudem seien ausländische In-               Generell können Arbeitnehmervertretungen zu mehr
vestoren oft eher an kurzfristigen Profiten interessiert. Ande-      Lohngleichheit beitragen: Empirische Untersuchungen kom-
rerseits scheinen Beschäftigte von Unternehmen mit auslän-           men zu dem Ergebnis, dass die Gehaltsdifferenz zwischen
dischen Eigentümern ein ausgeprägtes Bedürfnis nach einer            Hoch- und Geringqualifizierten in mitbestimmten Betrieben
Interessenvertretung zu haben: Der Anteil der mitbestimm-            geringer ausfällt. Das Gleiche gilt für die Lohnlücke zwischen
ten Betriebe ist höher als unter vergleichbaren Firmen in ein-       Männern und Frauen.<
heimischem Besitz.
    Lernprozesse spielen der Literaturauswertung zufolge eine
                                                                     Quelle: Uwe Jirjahn, Stephen C. Smith: Nonunion Employee Representation: Theory and the
wichtige Rolle: Das Risiko einer feindseligen Beziehung zum          German Experience with Mandated Works Councils, IZA Discussion Paper Nr. 11066, Okto-
Management nimmt mit steigendem Alter des Betriebsrats ab,           ber 2017 Download: bit.do/impuls1052

                                                                                                        Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
UNTERNEHMEN

Nachhaltiger durch Mitbestimmung
Stärker mitbestimmte Unternehmen sind erfolgreicher und sie verfolgen
häufiger eine innovations- und forschungsorientierte Strategie als Firmen
mit schwacher oder ohne Mitbestimmung.

Unternehmen mit mehr Mitbestimmung schneiden bei wichti-            Mischformen der beiden Strategien.
gen wirtschaftlichen Kennziffern meist überdurchschnittlich ab:         Ob die Verankerung der Mitbestimmung in den untersuch-
Ihre Gesamtkapitalrentabilität ist im Durchschnitt um rund 65       ten Unternehmen über- oder unterdurchschnittlich stark ist,
Prozent höher als bei Unternehmen mit schwacher oder ganz           bestimmten die Forscher über den am WZB entwickelten Mit-
ohne Mitbestimmung. Der operative Gewinn liegt bei stärker          bestimmungsindex (MB-ix). Er verzeichnet unter anderem für
mitbestimmten Unternehmen im Mittel um knapp 11 Prozent             jedes Unternehmen, wie viele Arbeitnehmervertreter im Auf-
höher, der Cashflow pro Aktie ist sogar mehr als dreimal so         sichtsrat und dessen Ausschüssen sitzen, wie stark die for-
hoch wie in Firmen mit wenig Mitbestimmung. Außerdem ver-           mellen Einflussmöglichkeiten des Kontrollorgans sind oder ob
folgen stärker mitbestimmte Unternehmen häufiger zukunfts-          es einen europäischen Betriebsrat gibt. Als stark mitbestimmt
orientierte Geschäftsstrategien. Zu diesen Ergebnissen kommt        werden in der Untersuchung Unternehmen bezeichnet, wenn
eine neue Studie von Forschern der Universität Duisburg-Es-         sie im Vergleich zur Gesamtgruppe eine überdurchschnittlich
sen, des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung           stark verankerte Mitbestimmung haben und als schwach mit-
(WZB) und des I.M.U. „Mitbestimmung ist nicht nur ein Garant        bestimmt, wenn sie unterdurchschnittlich ist.
für Standort- und Beschäftigungssicherheit, sondern darüber

Auf Billigproduktion setzen
                                                                                                                        33 %
die wenigsten
                                                    24 %              24 %
Diese Strategien verfolgten                                                                             15 %
die Unternehmen im CDAX 2017 ...
                                                             2006                                                     2017
                       Kostenführer
                                                                         16 %
                       Mischstrategie
                       Differenzierer                                                                        26 %               26 %
                       keine dominante Strategie             36 %

Quelle: Campagna u. a. 2020

hinaus auch ein Faktor für wirtschaftliche Stabilität und Pros-     Häufiger Qualitäts- statt Kostenstrategie
perität“, schreiben die Forscher. Zusammenhänge, die gerade
bei der Bewältigung der aktuellen Corona-Krise eine entschei-       Die Analyse der Forscher zeigt deutliche Zusammenhänge zwi-
dende Rolle spielen dürften. Wie eine bereits 2019 veröffent-       schen der Stärke der Mitbestimmung und der Unternehmens-
lichte Untersuchung zeigt, haben mitbestimmte Unternehmen           strategie. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen auf
schon die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 besser überstan-        Kostenführerschaft setzt, liegt bei Unternehmen ohne Mitbe-
den als Firmen ohne Mitbestimmung.                                  stimmung bei 27 Prozent, während es bei starker Mitsprache
    Das Team aus Ökonomen und Soziologen hat für die neue           der Arbeitnehmer nur 10 Prozent sind. Dagegen wählen stark
Untersuchung Daten von 172 Unternehmen ausgewertet, die             mitbestimmte Unternehmen doppelt so häufig eine dezidierte
zwischen 2006 und 2017 durchgehend im DAX gelistet wa-              Differenzierungsstrategie – 25 Prozent gegenüber 12 Prozent.
ren. Die Wissenschaftler unterscheiden zwei Wege, auf denen         Zudem verfolgen sie etwas häufiger eine Mischstrategie. Dass
Unternehmen versuchen können, sich am Markt zu etablie-             gar keine dominante Strategie vorliegt, kommt bei Unterneh-
ren: erstens über möglichst geringe Kosten ihrer Produkte –         men ohne Mitbestimmung etwas häufiger vor.
so genannte Kostenführerschaft. Zweitens über spezielle Pro-           „Es liegt auf der Hand, dass Arbeitnehmervertreterinnen
duktmerkmale oder Dienstleistungen, die ihren Kunden einen          und -vertreter Diversifizierungsstrategien favorisieren und die-
zusätzlichen Nutzen verschaffen, etwa hohe Qualität oder be-        se durch ihre Einflussmöglichkeiten über die Mitbestimmung
sonders guter Service. Solch eine „Differenzierungsstrategie“       unterstützen“, schreiben die Wissenschaftler. „Denn im Ge-
geht meist mit höheren Investitionen in Forschung und Ent-          gensatz zur Kostenführerstrategie wird bei den Differenzierern
wicklung einher. Ist sie erfolgreich, können die Unternehmen        auf hohe Technologieintensität gesetzt, auf Innovationen, was
höhere Preise für ihre Produkte erzielen. Möglich sind auch         aber nur mit gut ausgebildeten und damit in der Regel höher

                                                                                            Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
entlohnten Beschäftigten erreicht werden kann.“ Insbeson-                       folgern die Wissenschaftler aus ihren Ergebnissen. „Das Ringen
dere in Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wan-                      um adäquate Unternehmensstrategien ist mit Mitbestimmung
del verspreche diese Orientierung tendenziell mehr Zukunft-                     wirtschaftlich erfolgversprechend. Daher gehören Diskussio-
schancen. Darauf weise auch die zahlenmäßige Entwicklung                        nen über strategische Themen, die Antworten auf die großen
der Strategietypen im untersuchten Zeitraum hin: Zwischen                       Herausforderungen der heutigen Zeit geben sollen, in den mit-
2006 und 2017 nahm die Zahl der „Differenzierer“ von 16 auf                     bestimmten Aufsichtsrat.”<
26 Prozent der Unternehmen zu. Dagegen waren 2017 deut-
                                                                                Quelle: Sebastian Campagna, Marc Eulerich, Benjamin Fligge, Robert Scholz, Sigurt Vitols:
lich weniger Unternehmen auf reine Kostenführerschaft aus                       Entwicklung der Wettbewerbsstrategien in deutschen börsennotierten Unternehmen:
als elf Jahre zuvor.                                                            Der Einfluss der Mitbestimmung auf die strategische Ausrichtung und deren Performance.
    Die Mitbestimmung der Beschäftigten kann „eine wesentli-                    Mitbestimmungsreport Nr. 57 der Hans-Böckler-Stiftung, April 2020
                                                                                Download: bit.do/impuls0xyzz
che Bedingung für gute Corporate Governance“ sein, schluss-

Bessere Performance dank starker Mitbestimmung
Anhand von drei wichtigen betriebswirtschaft-         mal so hoch wie in Unternehmen mit schwacher                 kein statistisch signifikanter Unterschied. Auch
lichen Größen messen die Forscher den wirt-           Mitbestimmung, die nur auf 1,39 Euro kommen.                 bei Unternehmen, die eine Mischstrategie verfol-
schaftlichen Unternehmenserfolg: der Gesamt-          Als EBIT-Marge ermitteln die Forscher im Durch-              gen, fällt der Cashflow deutlich stärker aus (5,55
kapitalrentabilität (Return on Assets, ROA), der      schnitt der stark mitbestimmten Firmen 7,77 Pro-             Euro pro Aktie gegenüber 2,04 Euro bei schwa-
Gewinnmarge vor Steuern und Zinszahlungen (Ear-       zent. Bei geringer Mitbestimmung sind es 7,01.               cher Mitbestimmung). Bei der EBIT-Marge ergibt
nings before interest and taxes, EBIT) und dem            Differenziert man zusätzlich nach Strategiety-           sich kein signifikanter Unterschied. Einzig beim
Cashflow pro Aktie. Unternehmen mit mehr Mit-         pen, sind die Abstände bei Unternehmen mit Diffe-            ROA der „Mischstrategen” zeigt sich ein Ausrei-
bestimmung schneiden fast immer besser ab. Im         renzierungsstrategie am größten: Hier schneiden              ßer aus dem allgemeinen Trend der Ergebnisse:
Durchschnitt aller 172 untersuchten Unterneh-         die stärker mitbestimmten Unternehmen in allen               Während er bei den stark mitbestimmten Unter-
men beträgt der ROA in Unternehmen mit star-          drei betriebswirtschaftlichen Größen statistisch             nehmen 5,24 Prozent beträgt, sind es bei schwach
ker Mitbestimmung 4,58 Prozent, während es bei        signifikant besser ab, der Vorsprung beim ROA                mitbestimmten 7,19 Prozent.<
schwach mitbestimmten 2,76 Prozent sind. Die Dif-     beträgt sogar fast neun Prozentpunkte. Bei Fir-
ferenz zwischen beiden Gruppen beträgt also rund      men mit Kostenführer-Strategie und in der Grup-
65 Prozent. Noch größer ist der Vorsprung beim        pe ohne dominante Strategie ist der Cashflow pro
Cashflow: Bei starker Mitbestimmung liegt er im       Aktie mit starker Mitbestimmung signifikant hö-
Schnitt bei 4,95 Euro pro Aktie – das ist gut drei-   her, bei den beiden anderen Größen ergibt sich

Wirtschaftlicher mit Mitbestimmung                                               So schneiden Unternehmen mit starker und schwacher Mitbestimmung ab bei ...

                                                                                                  7,01 %

                                                                                                                                         4,95 Euro
         4,58 %

                                2,76 %

                                                                                                                                                                        1,39

Gesamtkapitalrentabilität (Return on Assets)                                Gewinnmarge (EBIT)                                                   Cash Flow pro Aktie

Quelle: Campagna u. a. 2020

                                                                                                                     Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
KURZARBEIT

Mehr Frauen und Kleinbetriebe betroffen
Die Quote der Kurzarbeitenden ist höher als in früheren Krisen.
Tarifverträge und Mitbestimmung reduzieren Einkommensverluste.

Kurzarbeit hat während der Corona-Pandemie ein deutlich            sein, die vom höheren gesetzlichen Kurzarbeitergeld ab dem
anderes „Profil“ bekommen als in vorherigen Wirtschaftskri-        vierten Monat profitierten. Eine deutlich größere Rolle spiel-
sen. Erstmals haben kleine Betriebe das Instrument häufiger        ten nach Puschs und Seiferts Analyse aber Tarifverträge bezie-
als größere genutzt. Und während 2009 Männer fast dreimal          hungsweise Betriebsräte. So erhielten 58 Prozent der Beschäf-
so häufig wie Frauen in Kurzarbeit waren, war im Juni 2020         tigten mit Tarifvertrag eine Aufstockung. Ohne Tarif waren es
die Quote mit jeweils rund 13 Prozent beinahe gleich hoch.         nur 34 Prozent. In mitbestimmten Betrieben lag der Anteil der
Das hängt damit zusammen, dass nicht nur Industriebetriebe         Kurzarbeitenden mit Aufstockung bei 60 Prozent, ohne betrieb-
stark betroffen sind, sondern auch viele Dienstleistungsbran-      liche Mitbestimmung bei lediglich 32 Prozent. In Betrieben mit
chen. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftseinbrüchen ist die        Tarifver­trag oder Betriebsrat gab es also fast doppelt so häu-
gesamtwirtschaftliche Quote der Kurzarbeitenden sehr hoch,         fig eine Aufstockung wie in anderen Betrieben.
ebenso wie mit rund 50 Prozent auch der Anteil, um den die             Kurzarbeit zur Weiterbildung zu nutzen, ist nach Analyse
Arbeitszeit im Schnitt reduziert wurde. Das zeigt eine Studie      der Forscher vernünftig und wurde in früheren wirtschaftli-
des WSI, für die Toralf Pusch und Hartmut Seifert die Erwerbs-     chen Krisensituationen bereits praktiziert. Zum Befragungs-
tätigenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet ha-         zeitpunkt im Juni war der Anteil der Kurzarbeitenden, die seit
ben. Im April und im Juni 2020 waren jeweils mehr als 6000         Beginn der Pandemie an Weiterbildung teilgenommen hatten,
Menschen befragt worden.                                           mit knapp 10 Prozent allerdings deutlich niedriger als unter Be-
    Im Juni gaben 13 Prozent der befragten Beschäftigten an,       schäftigten ohne Kurzarbeit mit 18 Prozent. Das könne unter
in Kurzarbeit zu sein. Mit Abstand am höchsten war die Quo-        anderem mit zeitweiligen Betriebsschließungen und der be-
te mit gut 45 Prozent im Gastgewerbe. Es folgten das verar-        sonders schwierigen Situation im Hinblick auf Hygienebestim-
beitende Gewerbe mit rund 20 Prozent sowie der Verkehrs-
und Logistikbereich mit gut 17 Prozent. Unterdurchschnittlich
betroffen waren unter anderem das Gesundheits- und Sozial-
wesen mit 5 Prozent, das Baugewerbe mit knapp 4 Prozent             Höheres Kurzarbeitergeld mit Betriebsrat
und der öffentliche Dienst mit knapp 3 Prozent. In Kleinstbe-       Eine Aufstockung erhielten im Juni 2020 von den Kurzarbeitenden ...
trieben mit weniger als fünf Beschäftigten, wie sie typisch für
das Gastgewerbe sind, waren knapp 17 Prozent in Kurzarbeit,
in großen Betrieben ab 2000 Beschäftigten gut 11 Prozent.
    Auch jenseits von Kurzarbeit wurde die Arbeitszeit oft kri-
                                                                    mit Betriebs-
                                                                    oder Personalrat        60 %
senbedingt verkürzt. Insgesamt arbeiteten 21 Prozent aller
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Stichprobe im
Juni weniger als normal. In einigen Branchen kam es aber                                                                           32 %
auch zu Ausweitungen der Arbeitszeit. Das betraf laut Pus-
                                                                                                                                                ohne
ch und Seifert etwa den Handel, wo 19 Prozent der Befrag-
ten mehr arbeiteten als normal, während 19 Prozent weni-
ger arbeiteten. Im öffentlichen Dienst arbeiteten 17 Prozent
der Beschäftigten mehr, 9 Prozent weniger. In beiden Be-
reichen fiel die Ausweitung der Arbeitszeit bei den Betrof-
fenen erheblich aus: Im Handel mussten sie im Schnitt 5,7,          Quelle: Pusch, Seifert 2020
im öffentlichen Dienst 4,7 Wochenstunden länger arbeiten.
    Auch wenn Kurzarbeit zahlreiche Jobs sichern konnte: Für
die Betroffenen bedeutet sie Einkommenseinbußen. „Umso             mungen und Kontaktbeschränkungen zu tun haben, schreiben
wichtiger sind deshalb tarifliche, betriebliche und gesetzli-      die Forscher. Trotzdem bestehe offensichtlich „noch Potenzial
che Regelungen über Aufstockungen des Kurzarbeitergelds“,          für eine Ausweitung der Weiterbildungsaktivitäten“.<
schreiben die Wissenschaftler. Von den Befragten in Kurzar-
beit, die lediglich das normale gesetzliche Kurzarbeitergeld er-   Quelle: Toralf Pusch, Hartmut Seifert: Kurzarbeit in der Corona-Krise mit neuen Schwerpunkten,
hielten, schätzten 49 Prozent, ihr Haushaltseinkommen habe         WSI-Policy Brief Nr. 47, September 2020
sich um 25 bis 50 Prozent reduziert. Weitere 46 Prozent gin-
gen von Verlusten bis zu 25 Prozent aus. Unter den Kurzarbei-
tenden mit Aufstockung kamen Einkommenseinbußen jenseits
von 25 Prozent hingegen deutlich seltener vor: Nur knapp ein
Viertel der Befragten berichtete davon.
    Insgesamt erhielten im Juni 46 Prozent der Befragten in
Kurzarbeit eine Aufstockung. Darunter dürften einige gewesen

                                                                                                        Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
SERIE

Weniger Bilanzkosmetik                                                                                                                               SICHERT
                                                                                                                                                     ZUKUNFT

dank Mitbestimmung
Mitbestimmte Unternehmen betreiben seltener Steuervermeidung und tricksen weniger bei der Bilanz. Das zeigt
eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die wir begleitend zur aktuellen Mitbestimmungskampagne dokumentieren.
Wenn Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mitbestim-                    Ökonomen. Ihre Studie unterstreiche, dass „starke        identifizieren ließ. Die Bilanzierungsstrategie konn-
men, nutzen Firmen seltener legale Spielräume in                Mitbestimmung zu einer verantwortungsbewussten           te bei 405 Unternehmen durchleuchtet werden, das
Bilanzierungsregeln aus, um beispielsweise ihre Ge-             und weitsichtigen Unternehmensführung beiträgt“.         Verhalten in puncto Steuervermeidung bei 317. Ob
winnsituation kurzfristig besser darzustellen, als das               Die Beschäftigten hätten kein Interesse dar-        die Verankerung der Mitbestimmung in den un-
vergleichbare Firmen mit schwacher oder ohne Mit-               an, dass ihr Unternehmen „aggressive“ Berichter-         tersuchten Unternehmen über- oder unterdurch-
bestimmung tun. Auch beim Thema Steuervermei-                   stattung betreibt, konstatieren die Wissenschaft-        schnittlich stark ist, bestimmten sie über den am
dung sind sie im Durchschnitt zurückhaltender. Das              ler. Wer fest bezahlt wird und auf Dauer auf seine       Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
geht aus einer Untersuchung von Forschern der Uni-              Arbeitsstelle angewiesen ist, habe von aufpolierten      entwickelten Mitbestimmungsindex MB-ix. Er ver-
versität Duisburg-Essen hervor. „Mitbestimmung                  Gewinnen wenig bis keinen Vorteil, eine Destabili-       zeichnet unter anderem für jedes Unternehmen, wie
führt zu einer geringeren Ausnutzung von Bilanzie-              sierung des Unternehmens könne aber drastische           viele Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und
rungs- und Steuergestaltungsspielräumen“, resü-                 Folgen haben. Die langfristige Perspektive der Be-       dessen Ausschüssen sitzen, wie stark die formel-
mieren die Wissenschaftler, „was mit einer besse-               schäftigten ist für die Ökonomen auch die zentrale       len Einflussmöglichkeiten des Kontrollorgans sind
ren langfristigen Performanz verbunden ist“. Denn               Erklärung für ihr Ergebnis, dass stärker mitbestimm-     oder ob es einen europäischen Betriebsrat gibt. <
Unternehmen, die Spielräume bei der Bilanz- und                 te Unternehmen deutlich häufiger auf „aggressive“
Steuergestaltung exzessiv ausnutzen, weisen ledig-              Bilanzgestaltung und Steuervermeidung verzichten.
lich kurzfristig eine höhere Profitabilität aus.                „Statt kurzfristig Gewinne durch risikoreiche Bilan-     Quelle: Marc Eulerich, Benjamin Fligge: Aggressive Berichterstat-
     Nach spätestens drei bis vier Jahren sinkt ihre            zierungspraktiken zu erhöhen, berichten Unterneh-        tung in deutschen Unternehmen. Der Einfluss der Mitbestim-
                                                                                                                         mung auf die Ausnutzung von Bilanzierungs- und Steuergestal-
Rentabilität unter das Niveau der Firmen, die we-               men mit starker Mitbestimmung eher konservativ           tungsspielräumen, Mitbestimmungsreport Nr. 62, Juli 2020
niger offensiv vorgehen. Zumal den vermeintlichen               und erzielen deshalb langfristig höhere Gewinne“,
Vorteilen erhebliche Risiken gegenüberstehen: „Je               betonen die Forscher.
aggressiver Steuern vermieden oder Bilanzspiel-                 Für ihre Studie haben die Ökonomen Daten von Un-
räume ausgenutzt werden, desto höher ist die Ge-                ternehmen untersucht, die zwischen 2006 und 2017
fahr von Sanktionen.“ Zudem leide das Vertrauen                 im deutschen Börsenindex Composite Dax (CDax)
von Anlegern und Gläubigern, wenn beispielsweise                gelistet waren und deren Verhalten bei Bilanzie-
Bilanzen korrigiert werden müssen, schreiben die                rung und Steuerzahlung sich über mehrere Jahre

Mit solider Bilanzierung langfristig erfolgreich
So hoch war die Gesamtkapitalrentabilität* bei Unternehmen, die Bilanzierungsspielräume ...

                                                          4,4 %

stark ausnutzen                                                                                                        3,9 %                                      4,4 %
                         4,2 %                                                         3,6 %

                                                                                                                                                                  3,3 %

wenig ausnutzen                                                                        3,2 %                           3,2 %

                         2,8 %                            2,8 %

                 nach einem Jahr                   nach zwei Jahren              nach drei Jahren             nach vier Jahren                   nach fünf Jahren

* Gewinn im Verhältnis zur Bilanzsumme Quelle: Eulerich, Fligge 2020

                                                                                                                               Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
DIGITALISIERUNG

Modernisierung mit Mitsprache
Zwischen Arbeitnehmervertretung und Management geschlossene Rahmenverträge schützen
Beschäftigte vor negativen Folgen der Digitalisierung. Das zeigen Beispiele aus der Praxis.

Schaffe ich es, mit der neuen Technik zurechtzukommen? Wird          Anhörungsprozess durchläuft, ausreichende Ressourcen für
das Arbeitstempo noch höher, wenn alles digital wird? Gibt es        Um- und Höherqualifikation bereitgestellt werden, Fragen der
meine Stelle in fünf Jahren überhaupt noch? Bange Fragen, die        Work-Life-Balance und des Datenschutzes möglichst einver-
sich viele Beschäftigte stellen. Die Arbeitnehmervertretung im       nehmlich geklärt und Prozesse zur Lösung von Konflikten fest-
Unternehmen kann wesentlich dazu beitragen, Umbauprozes-             gelegt werden. Der Weltbetriebsrat sammelt und bewertet
se sozialverträglich zu gestalten und der Belegschaft ihre Ängs-     Informationen über die Digitalisierungsprojekte im Unterneh-
te zu nehmen. Wie das geht, zeigt eine Analyse im Auftrag des        men, was die Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten
I.M.U. am Beispiel von drei global tätigen Konzernen: dem Rei-       in die Lage versetzt, in strategischen Fragen auf Augenhöhe
seunternehmen TUI mit 11 000 Beschäftigten in Deutschland und        mitzureden. Besonders betont die Autorin der I.M.U-Analyse
70 000 weltweit, dem Chemieunternehmen Solvay mit Standor-           einen Aspekt: Mithilfe des unternehmensweit geltenden Rah-
ten in 64 Ländern mit 24 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-        menabkommens findet Mitbestimmung auch an Standorten
mern sowie dem Lebensmittel- und Kosmetikkonzern Unilever            statt, an denen formal keine Mitbestimmungsgesetze gelten.
mit 30 000 Beschäftigten in Europa. Julia Massolle vom Helex-In-         Bei Unilever werden gemäß dem Abkommen Future of Work
stitut in Bochum hat dafür Dokumente ausgewertet und Inter-          in paritätisch besetzten Arbeitsgruppen Pläne für sozial verant-
views mit Akteurinnen und Akteuren aus Betriebsräten und Ge-         wortliche Restrukturierungen ausgehandelt. Eine große Rolle
werkschaften geführt.                                                spielt dabei Weiterbildung mit dem Ziel, dass alle Mitarbeite-
    Gemeinsam ist allen drei Unternehmen, dass Transformati-         rinnen und Mitarbeiter „langfristig beschäftigungsfähig“ blei-
onsprozesse, die die Firmen in die digitale Zukunft führen sollen,   ben. In diesem Zusammenhang sei es vor allem zu „Mitbestim-
nach Vereinbarungen ablaufen, die Arbeitnehmervertretungen           mungszugewinnen bei der Budgetverwaltung“ gekommen.
angestoßen haben. Bei TUI ist das der vom Konzernbetriebs-           Konkret bewährt hat sich der Rahmenvertrag von Unilever un-
rat gestartete Prozess newWork@TUI. Bei Solvay hat der aus           ter anderem bereits in Italien, wo drei Gewerkschaften ihn als
dem Europäischen Betriebsrat (EBR) hervorgegangene Weltbe-           „Schablone“ genutzt haben, um ein erfolgreiches Zukunftskon-
triebsrat einen Rahmenvertrag zum digitalen Wandel mit dem           zept für ein von der Schließung bedrohtes Lebensmittelwerk zu
Management geschlossen. Und bei Unilever wurde auf Initiati-         entwickeln. <
ve des EBR das Rahmenabkommen Future of Work verabschie-
det. Inhaltlich gibt es bei den Projekten große Überschneidun-       Quelle: Julia Massolle: Die Transformation von Arbeit mitgestalten,
                                                                     Mitbestimmungspraxis Nr. 41, August 2021
gen: Stets geht es um die Beteiligung der Beschäftigten und
ihrer Vertreter bei der Einführung neuer Technologie oder Res-
trukturierungen – und um Weiterbildungs- und Beschäftigungs-
perspektiven derjenigen, deren Jobs sich verändern oder sogar
wegfallen könnten.
    Grundlage ist in allen drei Fällen die Verpflichtung zu offe-
ner Kommunikation, damit eine Vertrauenskultur entstehen
kann. Das betrifft bei TUI etwa die frühzeitige Offenlegung von
Outsourcing-Plänen, die es Betriebsräten erleichtern sollen –
wenn sie das Management schon nicht umstimmen können –,
den Beschäftigten mit Qualifizierungs- oder Personalentwick-                                 WEITERLESEN
lungsmaßnahmen oder mithilfe der internen Jobbörse unter die                                 Wie wir in Zukunft arbeiten, wird heute entschieden.
Arme zu greifen. Andere Themen sind zum Beispiel die Einfüh-                                 Arbeitnehmervertreterinnen begegnen Herausforde-
rung mobiler Arbeit oder flexible Arbeitszeitmodelle. Durch die                              rungen wie Globalisierung und Digitalisierung durch
gemeinsame Absichtserklärung mit dem Management haben                                        die Aushandlung von Betriebsvereinbarungen mit dem
die Betriebsräte im TUI-Konzern die Möglichkeit, sich systema-                               Management. Beispiele hat Julia Massolle zusammen-
tisch an der Strategieentwicklung zu beteiligen. Aus der 2018                                gestellt:
geschlossenen, eher allgemein gehaltenen Übereinkunft sind
                                                                                             Die Arbeitswelt der Zukunft gestalten, Betriebsverein-
auf der Ebene der Einzelbetriebe bereits konkrete Betriebsver-
                                                                                             barungen im Portrait, Mitbestimmungspraxis Nr. 43,
einbarungen hervorgegangen sowie auf Konzernebene unter an-
                                                                                             September 2021
derem eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung und ein
Qualifizierungsfonds. Insgesamt, sagen Vertreter der Beschäf-
tigten, habe das Projekt newWork@TUI die Mitbestimmung im
                                                                        Weitere Auswertungen von Vereinbarungen, Praxisbeispiele, Porträts,
Unternehmen deutlich gestärkt.
                                                                        anonymisierte Textauszüge und Stichpunktekataloge mit Hinweisen für
Ähnlich bei Solvay: Hier haben Arbeitnehmervertretung und
                                                                        die Gestaltung von Betriebs- und Dienstvereinbarungen unter:
Geschäftsführung vereinbart, dass jedes Digitalisierungspro-
jekt von wesentlicher Bedeutung einen Unterrichtungs- und               www.imu-boeckler.de/de/analysen-und-textauszuge-23023.htm

                                                                                                          Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
SERIE

Mehr Weiterbildung durch                                                                                                   SICHERT
                                                                                                                           ZUKUNFT

Mitbestimmung
Betriebsräte erhöhen die Arbeitszufriedenheit – etwa indem sie für mehr Weiterbildung sorgen. Das zeigt eine Studie,
die wir im Rahmen der Kampagne „Mitbestimmung sichert Zukunft” der Hans-Böckler-Stiftung vorstellen.

Betriebsräte machen Arbeitnehmer zufriedener, wie    ner macht, schreiben die Ökonomen. Als Sprach-       scher: Sie erhöhe die Produktivität, das Lohnni-
Lutz Bellmann, Olaf Hübler und Ute Leber vom Ins-    rohr seien Arbeitnehmervertreter dafür zuständig,    veau, die Jobsicherheit und die Chancen für einen
titut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)    den Bedürfnissen der Belegschaft gegenüber dem       beruflichen Aufstieg.
nachweisen können. Der Effekt beruht unter an-       Management Gehör zu verschaffen. Es sei zu er-           Um diese Annahmen zu überprüfen, ha-
derem darauf, dass mitbestimmte Betriebe mehr        warten, dass sie sowohl die Produktivität als auch   ben Bellmann, Hübler und Leber umfangreiche
Weiterbildung anbieten.                              die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer erhö-         IAB-Datensätze ausgewertet. Ihren Berechnun-
     Schon aus theoretischer Sicht spreche einiges   hen, was eine bessere Entlohnung erlaubt. Dar-       gen zufolge wirkt sich betriebliche Mitbestim-
dafür, dass Mitbestimmung Beschäftigte zufriede-     über hinaus verweisen die Wissenschaftler auf        mung signifikant positiv auf die durchschnittliche
                                                                                die Mitbestimmungs-       Arbeitszufriedenheit der Belegschaft aus. Verant-
                                                                                rechte in Sachen Wei-     wortlich für diesen Effekt sind Betriebe, die ei-
                                                                                terbildung: Betriebs-     nen Tarifvertrag haben oder sich daran orientie-
So wird weitergebildet                                                          räte können mitreden,     ren. Weiterbildung hat ebenfalls einen positiven
In so vielen Unternehmen gab es 2015 ...                                        wenn es um die Dau-       Einfluss, sowohl auf betrieblicher als auch auf in-
                                                                                er von Schulungen,        dividueller Ebene. Betriebsräte wiederum erhö-
Weiterbildung am Arbeitsplatz                                                   die Inhalte und die       hen die Chance, dass Weiterbildung angeboten
                                                                    64,3 %      Auswahl der Teilneh-      wird. Das gilt auch dann, wenn man persönliche
                                                                                mer geht. Mehr Wei-       Merkmale der Beschäftigten wie das Alter oder
Lehrveranstaltungen
                                                                                terbildung wieder-        das Geschlecht und betriebliche Merkmale wie
                                                                 61,9 %
                                                                                um dürfte mit mehr        die Größe oder die Branche herausrechnet.<
Informationsveranstaltungen                                                     Arbeitszufriedenheit
                                                                                                          Quelle: Lutz Bellmann, Olaf Hübler, Ute Leber: Works Councils,
                                                               59,3 %           einhergehen, argu-        Training and Employee Satisfaction, IZA Discussion Paper Nr.
selbstgesteuertes Lernen                                                        mentieren die For-        11871, Oktober 2018

                              26,4 %
Lern- und Qualitätszirkel
                     18,5 %                                                                        MEHR INFORMATIONEN
Job-Rotation, Austauschprogramme                                                                   Hier geht es zur Mitbestimmungskampagne der
           9,9 %                                                                                   Hans-Böckler-Stiftung:

Quelle: Destatis 2018
                                                                                                   www.mitbestimmung-sichert-zukunft.de

                                                                                                            Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
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                                                                                                                                                   SICHERT
Betriebsräte fördern                                                                                                                               ZUKUNFT

die Integration
Die Integration von Geflüchteten gelingt besser mit Mitbestimmung und Tarifverträgen.
Das zeigt eine Studie, deren Ergebnisse wir im Rahmen der Kampagne „Mitbestimmung
sichert Zukunft” der Hans-Böckler-Stiftung präsentieren.

Auch wenn der Einstieg oft nicht leichtfällt, ha-                   nahme bei Geflüchteten mehr Zeit als bei vie-        verfassungsgesetz sind gerade deshalb wichtige
ben Geflüchtete gute Chancen, in der deutschen                      len Arbeitsmigranten, auch weil ihre Aufent-         Instrumente der Integration, weil sie nicht nach
Arbeitswelt Fuß zu fassen. Das gilt vor allem in                    halts- und Arbeitserlaubnis oft eingeschränkt        der Herkunft von Beschäftigten fragen“, so der
Betrieben, in denen die Beschäftigten von Mit-                      ist. Zum Zeitpunkt der Untersuchung seien nur        Forscher. Universelle Regeln und gemeinsame
bestimmung und Tarifverträgen profitieren. Zu                       wenige der Befragten in einem Normalarbeits-         Interessenvertretungen seien ein Gegengewicht
diesem Ergebnis kommt Werner Schmidt vom                            verhältnis beschäftigt gewesen. Zudem werde          gegen Diskriminierung. Anders ausgedrückt: Ta-
Forschungsinstitut für Arbeit, Technik und Kul-                     die Freude darüber, einen Einstieg in die Arbeits-   rifverträge und Betriebsräte schützen nicht nur
tur (F.A.T.K.). Der Forscher hat untersucht, wie                    welt gefunden zu haben, überschattet durch gro-      die etablierten, sondern auch die neu zugewan-
es um die Integration von Geflüchteten steht,                       ße Unsicherheit: zum einen aufgrund der Angst,       derten Kollegen vor Benachteiligung. Problema-
die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind,                       Deutschland wieder verlassen zu müssen, zum          tisch sei es in Bereichen, in denen die Tarifab-
und wie die Beschäftigten verschiedener Her-                        anderen aus Furcht davor, eine angestrebte Be-       deckung schwach ist und Arbeitnehmerver-
kunft im Betrieb miteinander klarkommen. Die                        rufsausbildung nicht zu erhalten oder – meist        tretungen fehlen, etwa bei manchen privaten
Untersuchung stützt sich auf Interviews mit Be-                     aus sprachlichen Gründen – nicht zu bewälti-         Dienstleistungen.
schäftigten und Experten in 15 Betrieben sowie                      gen. Dennoch sieht der Forscher generell gute             Ein weiteres Problem seien Vorurteile und
mit Vertretern von Gewerkschaften, eines Arbeit-                    Chancen für eine erfolgreiche Integration in den     Rassismus in Teilen der Gesellschaft. „Das größ-
geberverbands und einer Handwerkskammer.                            Arbeitsmarkt: Angesichts der Sprach- und Qua-        te Integrationsproblem liegt nicht im Verhalten
    Zuwanderer, die in den vergangenen Jah-                         lifizierungsangebote sowie der Tatsache, dass        der Geflüchteten selbst, sondern in rechtspopu-
ren nach Deutschland gekommen sind, be-                             unter den Geflüchteten auch Akademiker sind,         listischen Diskursen, die die Politik beeinflus-
mühen sich genauso darum, sich im Arbeits-                          bestehe die Chance, dass sie mit der Zeit auch       sen und stärker als früher auch in die Betriebe
leben zu etablieren, wie frühere Generationen                       in Jobs für höher Qualifizierte arbeiten.            eindringen und die alltägliche Zusammenarbeit
von Migranten, schreibt der Forscher. Die Hoff-                          Einen wichtigen Faktor für den Erfolg stellen   der Beschäftigten unterschiedlicher Herkunft
nung auf dauerhaften Zugang zum Arbeitsmarkt                        der Studie zufolge die „institutionalisierten Ar-    stören“, schreibt der Wissenschaftler. Nur ein
und beruflichen Erfolg habe für alle Befragten                      beitsbeziehungen“ in Deutschland dar. „Gewerk-       „solidarischer Universalismus“ im Betrieb, der
eine zentrale Bedeutung und es gebe keinerlei                       schaftlich durchgesetzte Tarifverträge und eine      an den Errungenschaften der Gleichbehandlung
Hinweis darauf, dass es ihnen an Engagement                         einheitliche, gemeinsame Arbeitnehmervertre-         festhält, aber auch über den Horizont der Ar-
mangelt. Allerdings benötige die Arbeitsauf-                        tung für alle Beschäftigten nach dem Betriebs-       beitswelt hinausblickt, sei in der Lage, Zusam-
                                                                                                                         menhalt in einer vielfältiger gewordenen Gesell-
                                                                                                                         schaft und Arbeitswelt zu stiften. <

Integration geht voran                                                                                                   Quelle: Werner Schmidt: Geflüchtete im Betrieb, Integrati-
                                                                                                                         on und Arbeitsbeziehungen zwischen Ressentiments und
Die Erwerbstätigenquote der Geflüchteten, die seit 2013                                                                  Kollegialität, Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung Band
nach Deutschland gekommen sind, betrug ...                                                                               195, März 2020

nach fünf Jahren                                                                   49 %

nach vier Jahren                                                             42 %

nach drei Jahren                                                        37 %

nach zwei Jahren                                     17 %

im ersten Jahr                          3%

18- bis 64-Jährige; einschließlich Auszubildende, Praktikanten und geringfügig Beschäftigte
Quelle: IAB 2020

                                                                                                                          Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
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