MITBESTIMMUNG - DAS DEMOKRATISCHE GESTALTUNGSPRINZIP DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT - Studien zur Wirkung von betrieblicher und ...
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MITBESTIMMUNG – DAS DEMOKRATISCHE GESTALTUNGSPRINZIP DER SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT Studien zur Wirkung von betrieblicher und Unternehmensmitbestimmung Diese und weitere Pressemappen finden Sie unter: http://boeckler.de/pressemappe-mitbestimmung.htm
INHALT Corporate Governance Mitbestimmung zahlt sich aus Böckler Impuls 10/2019 Mitbestimmung Was Betriebsräte bewirken Böckler Impuls 02/2018 Unternehmen Nachhaltiger durch Mitbestimmung Böckler Impuls 09/2020 Kurzarbeit Höheres Kurzarbeitergeld mit Betriebsrat Böckler Impuls 16/2020 Mitbestimmung Weniger Bilanzkosmetik dank Mitbestimmung Böckler Impuls 5/2021 Digitalisierung Modernisierung mit Mitsprache Böckler Impuls 15/2021 Mitbestimmung Mehr Weiterbildung durch Mitbestimmung Böckler Impuls 10/2021 Mitbestimmung Betriebsräte fördern die Integration Böckler Impuls 08/2021 Mitbestimmung Mitbestimmung hält gesund Böckler Impuls 06/2021 Unternehmen Mehr Erfolg dank Mitbestimmung Böckler Impuls 01/2021 Künstliche Intelligenz Betriebsräte setzen den Algorithmen Grenzen Böckler Impuls 18/2020 Gerechtigkeit „Mitbestimmung verringert die Ungleichheit“ Böckler Impuls 16/2017 Betriebsräte Mitbestimmung hilft Frauen und Familien Böckler Impuls 12/2019 Unternehemen Mitbestimmung schützt das Klima Böckler Impuls 09/2019 Mitbestimmung Beschäftigte wollen mehr Einfluss Böckler Impuls 06/2016 Corporate Governance Starke Mitbestimmung, gute Arbeit Böckler Impuls 10/16 Mitbestimmung Beteiligung bildet Böckler Impuls 16/2016 Unternehmen Mitbestimmt und wirtschaftlicher Böckler Impuls Sonderheft 2015 Betriebsvereinbarungen Regeln für die Digitalisierung Böckler Impuls 08/2016 Corporate Governance Mehr Mitbestimmung, mehr Ausbildung Böckler Impuls Sonderheft 2015 Arbeitsmarkt Mitbestimmung sichert Beschäftigung Böckler Impuls 10/2016 Mitbestimmung Mit Betriebsrat verfallen weniger Urlaubstage Böckler Impuls 09/2016 KONTAKT Rainer Jung Georg-Glock-Straße 18 Telefon +49 211 77 78-150 rainer-jung@boeckler.de Hans-Böckler-Stiftung 40474 Düsseldorf Fax +49 211 77 78-4150 www.boeckler.de – Pressesprecher – Deutschland
CORPORATE GOVERNANCE Mitbestimmung zahlt sich aus Unternehmen mit Mitbestimmung im Aufsichtsrat haben in der Finanzkrise und in den Folgejahren wirtschaftlich besser abgeschnitten. Unternehmen, bei denen Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ähnliche Größe haben, in derselben Branche aktiv und ähn- sitzen, haben sich seit der großen Finanz- und Wirtschaftskrise lich stark diversifiziert sind – aber keine Mitbestimmung ha- besser entwickelt als Firmen ohne Mitbestimmung. Das gilt für ben. So werden in der Studie dann beispielsweise Siemens und die operative Rendite, die Bewertung am Kapitalmarkt, die Be- die Schweizer ABB verglichen oder Continental und Michelin. schäftigungsentwicklung so- wie für die Investitionen in An- lagen und Forschung. So lag zum Beispiel die kumulierte Mitbestimmte Unternehmen schneiden besser ab Aktienrendite mitbestimmter So hat sich die Aktienrendite Unternehmen zwischen 2006 von 2006 bis 2011 verändert bei ... paritätisch mitbestimmten Unternehmen und 2011 um 28 Prozentpunk- te höher als bei vergleichbaren +7,2 % Firmen ohne Arbeitnehmerbe- - 21 % teiligung. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von vergleichbaren Marc Steffen Rapp von der europäischen Unternehmen Universität Marburg und Mi- ohne Mitbestimmung chael Wolff von der Universi- tät Göttingen. Die Mitbestimmung habe in der Krise kurzsichtiges Verhalten von Unternehmen verhindert und danach ein „schnelleres Umschalten in So hat sich die Beschäftigung im Vergleich zur Zeit vor der Krise verändert bei Unternehmen ... den Wachstumsmodus er- in der Krise (2008 bis 2009) nach der Krise (2010 bis 2013) möglicht“, schreiben die bei- den BWL-Professoren in einer mit Mitbestimmung - 2,4 % +2,1 % von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Untersuchung. ohne Mitbestimmung -7% - 1,9 % Nach Einschätzung der Exper- ten sind diese Befunde ange- sichts fortschreitender Digita- lisierung und Globalisierung auch für die Zukunft höchst So haben sich die Investitionen im Vergleich zur Zeit vor der Krise verändert bei Unternehmen ... bedeutsam: Die Arbeitneh- mermitbestimmung im Auf- in der Krise (2008 bis 2009) nach der Krise (2010 bis 2013) sichtsrat könne „als Element einer modernen Corporate Go- mit Mitbestimmung +2,2 % +3,3 % vernance verstanden werden, ohne Mitbestimmung - 0,2 % - 1,5 % welche vor dem Hintergrund immer volatiler werdender wirtschaftlicher Rahmenbe- dingungen geeignet ist, mögli- che Risiken von strategischen Quelle: Rapp, Wolf 2019 Grafik zum Download: bit.do/impuls1573 Transformationsprozessen ab- zufedern“. Um die Wirkung der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichts- Auf dieser Basis versuchen Rapp und Wolff durch vielfälti- rat zu überprüfen, haben die Wirtschaftswissenschaftler ins- ge Analysen, ein möglichst umfassendes Bild vom Verhalten gesamt 560 börsennotierte europäische Unternehmen unter- und der Entwicklung der Unternehmen zu erhalten. Komplexe sucht, darunter die in Dax, MDax, TecDax und SDax notierten Analysemethoden sollen dabei sicherstellen, dass beobachtete Firmen. Dabei haben sie Unternehmen aus Deutschland, von Unterschiede tatsächlich darauf beruhen, dass Arbeitnehmer in denen die meisten mitbestimmt sind, mit passenden Firmen einem Teil der Unternehmen mitbestimmen, in einem anderen aus anderen europäischen Ländern verglichen, die eine sehr aber nicht, – und nicht auf statistischen „Hintergrundfaktoren“. Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Die wesentlichen Ergebnisse Forschung ist bekannt, dass solche Konten in Unternehmen mit Mitbestimmung deutlich häufiger sind als in anderen. Ein Operativer Geschäftserfolg: Als Maßstäbe nutzen die Wirt- Grund dafür: Wenn sie einen Betriebsrat und tarifvertragliche schaftswissenschaftler die einschlägigen betriebswirtschaft- Vereinbarungen an ihrer Seite haben, lassen sich Beschäftig- lichen Größen Kapital- und Umsatzrentabilität, berechnet als te eher darauf ein, Arbeitszeit ohne sofortige Bezahlung auf das Verhältnis von operativem Gewinn zu Bilanzsumme bezie- die hohe Kante zu legen. hungsweise Umsatz. Zunächst zeigt sich, dass die Rentabilität Anders als Unternehmen, die zahlreiche Mitarbeiter entlas- während der großen Wirtschaftskrise ab 2008 und unmittelbar sen hatten, konnten mitbestimmte Unternehmen mit konstan- danach in den meisten Unternehmen gelitten hat. Das ist wenig ten Beschäftigtenzahlen nach dem Abklingen der Krise schnell überraschend. Diese Entwicklung werde aber „mittels der Mit- wieder ihre Produktion ausweiten. bestimmung reduziert und teils auch komplett kompensiert“, schreiben die Wirtschaftsprofessoren, so dass Unternehmen Höhere und stabilere Investitionen: Als Investitionsgrößen mit Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat signifikant bes- haben die Wissenschaftler die Ausgaben für Forschung und ser abschnitten. Besonders deutlich ist dies bei der Umsatz- Entwicklung sowie für neue Anlagen betrachtet. Bereits für die rentabilität: Bei Unternehmen ohne Mitbestimmung sank sie Zeit vor der Krise liefert die Studie Indizien dafür, dass mitbe- auf dem Höhepunkt der Krise um 3,1 Prozent, während sie in stimmte Unternehmen mehr investieren. Während der Finanz- paritätisch mitbestimmten Firmen um 2,7 Prozent stieg. In den und Wirtschaftskrise beobachten die Wirtschaftsprofessoren, Jahren nach der Krise ging die Rentabilität in Firmen ohne Ar- „dass der negative Kriseneffekt mittels der Mitbestimmung beitnehmervertreter zunächst weiter zurück. In mitbestimm- aufgefangen wird“. Mitbestimmte Unternehmen fuhren ihre ten Firmen legte sie dann um weitere 1,4 Prozent zu. Investitionen also im Vergleich weniger deutlich zurück und Um die Bewertung am Kapitalmarkt nachzuvollziehen, schau- weiteten sie nach der Krise stärker wieder aus. Fazit der For- en Rapp und Wolff auf die Aktienrendite, die sich aus Kursent- scher: „Für essentielle Zukunftsinvestitionen ist insgesamt zu wicklung und Höhe der Dividende ergibt, und das Verhältnis konstatieren, dass mitbestimmte Unternehmen an diesen stär- von Kurs- und Substanzwert. Auch für diese beiden Größen er- ker in der Krise festhalten, was ein weiterer wichtiger Indikator kennen die Forscher einen signifikant positiven Einfluss: „Bei sein könnte, warum es mitbestimmten Unternehmen in kürze- der Kapitalmarktperformance verzeichnen mitbestimmte Un- rer Zeit gelingt, an die vorherige Performance anzuknüpfen.“ ternehmen über den betrachteten Zeitraum höhere Renditen, weisen geringere Schwankungen auf und ihre Unternehmens- Weniger Schulden, weniger Zukäufe: Vor der Krise haben bewertungen unterliegen einem weniger drastischen Verfall“ die mitbestimmten Unternehmen nach Analyse der Forscher während der akuten Krise. Konkret betrug die kumulierte Ak- vorsichtiger gehaushaltet. Sie haben beispielsweise weniger tienrendite in mitbestimmten Unternehmen von 2006 bis 2011 Geld für Aktienrückkäufe ausgegeben und sich bei Zukäufen 7,2 Prozent. In der europäischen Vergleichsgruppe ohne Ar- stärker zurückgehalten. Zugleich hatten sie weniger Schulden. beitnehmer in Aufsichtsrat oder Board lag sie dagegen bei mi- In der Krise beobachten die Wissenschaftler keine signifikan- nus 21 Prozent. ten Unterschiede im Finanzgebaren – wohl, weil auch die üb- rigen Unternehmen zurücksteckten. Nach Ende der Krise san- Verzicht auf Entlassungen: Die Forscher erklären das deut- ken die Schuldenstände in mitbestimmten Firmen dann aber lich bessere Abschneiden der mitbestimmten Firmen auch mit deutlich schneller. systematisch anderen Unternehmensentscheidungen wäh- rend der Krise. Am stärksten sticht dabei heraus, dass mit- Fazit: Mitbestimmung als Chance bestimmte Firmen meist auf größere Entlassungen verzichtet Unter dem Strich zeichnet die Studie im Kontext der zurücklie- haben und ihre Beschäftigung recht stabil hielten, während Un- genden Finanz- und Wirtschaftskrise ein sehr positives Bild der ternehmen ohne Arbeitnehmerbeteiligung kräftig Stellen stri- Mitbestimmung im Aufsichtsrat entlang vieler der untersuchten chen. So ging die Mitarbeiterzahl in paritätisch mitbestimm- Dimensionen. Die Autoren sprechen daher der Arbeitnehmer- ten Unternehmen in der akuten Krisenphase um 2,4 Prozent beteiligung an der Unternehmensspitze das Potenzial zu, eine zurück, legte im Anschluss an die Krise bis 2011 wieder um 4,5 dreifache Win-win-Situation zu schaffen: „In diesem Kontext Prozent zu, womit sie das Vorkrisenniveau in der Summe um kann die unternehmerische Mitbestimmung die Möglichkeit 2,1 Prozent übertraf. In Firmen ohne Mitbestimmung wurde bieten, Risiken in Hinblick auf die Unternehmenssituation als die Belegschaft dagegen in der Krise um 7 Prozent reduziert auch auf die individuelle Situation von Arbeitnehmern besser und lag anschließend 1,9 Prozent unter dem Vorkrisenniveau. abzufangen und damit auch die Volkswirtschaft als Ganzes zu Statt Stellen zu streichen, so die Forscher, hätten Unter- schützen.“ Die BWL-Professoren ermutigen zu einem positiven nehmen mit Mitbestimmung schneller „das Arbeitsentgelt Blick auf die Mitbestimmung: „Letztlich sollte die Partizipati- nach unten hin angepasst“. Konkret sei zu beobachten, dass on von Mitarbeitern im Aufsichtsrat im Rahmen von zukünf- die durchschnittliche Vergütung in mitbestimmten Unterneh- tigen Transformationsprozessen damit durchschnittlich nicht men vor der Krise spürbar höher war als in Firmen ohne Mitbe- als Hindernis, sondern als Chance verstanden werden.“< stimmung. Während der Krise schwächt sich dieser Vorsprung ab, danach stellt sich die alte Relation wieder ein. Dabei dürf- te eine große Rolle gespielt haben, dass große deutsche Fir- Quelle: Marc Steffen Rapp, Michael Wolff, Iuliia Udoieva, Jan C. Hennig: men in der Krise oft die Arbeitszeit rasch und deutlich reduziert Wirkung der Mitbestimmung im Aufsichtsrat auf die Unternehmensführung. haben. Beschäftigte konnten Zeitguthaben auf ihren Arbeits- Eine empirische Analyse vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise. Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 424 zeitkonten „abfeiern“ oder bei der Arbeitszeit sogar ins Minus Download: bit.do/impuls1574 gehen, der zeitliche „Dispo“ wurde mit Anziehen der Konjunk- tur wieder ausgeglichen. Aus der arbeitswissenschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
MITBESTIMMUNG Was Betriebsräte bewirken Von betrieblicher Mitbestimmung profitieren in der Regel sowohl Beschäftigte als auch das gesamte Unternehmen. Das zeigt eine Auswertung der Forschungsliteratur. Dieses Jahr stehen wieder Betriebsratswahlen an: Von An- zu streiten, von denen dann alle Kollegen profitieren. Ein Be- fang März bis Ende Mai sind Arbeitnehmer in zahlreichen Un- triebsrat dagegen kann als kollektives Sprachrohr die Bedürf- ternehmen aufgerufen, über die Zusammensetzung ihrer be- nisse der Belegschaft aufgreifen und kommunizieren und so trieblichen Interessenvertretung abzustimmen. Wer sich an der zu weniger Fluktuation, mehr Motivation und erhöhter Koope- Wahl beteiligt, nimmt ein demokratisches Grundrecht in An- rationsbereitschaft beitragen. spruch – und stärkt gleichzeitig eine Institution, der wirtschafts- wissenschaftliche Studien erheblichen Nutzen bescheinigen. Betriebsräte schaffen Vertrauen Den aktuellen Stand der Forschung zur betrieblichen Mitbe- Auch mit Blick auf das Problem der „unvollständigen Verträ- stimmung in Deutschland haben Uwe Jirjahn von der Univer- ge“ erscheine betriebliche Mitbestimmung sinnvoll, schrei- sität Trier und Stephen Smith von der George Washington Uni- ben Jirjahn und Smith. Demnach ist es unmöglich, in einem versity zusammengefasst. In ihrem Literaturüberblick gehen Arbeitsverhältnis alle Details vertraglich zu regeln und damit sie sowohl auf theoretische Argumente als auch auf empiri- einklagbar zu machen. Beschäftigte müssen darauf vertrau- sche Befunde ein. Die positiven Effekte – unter anderem auf en, dass ihr Arbeitgeber sich an Zusagen hält und vertragli- Produktivität, Löhne und Beschäftigungsstabilität – überwie- che Leerstellen nicht zu seinen Gunsten ausnutzt. Wenn die- gen demnach deutlich, wobei die Stärke dieser Effekte zum ses Vertrauen fehlt, haben Betriebe ein massives Problem. Eine Teil von den betrieblichen Umständen abhängt. Beförderung als Belohnung für bestimmte Leistungen in Aus- sicht zu stellen, funktioniert beispielsweise nur dann als An- Ein Sprachrohr für Beschäftigte reiz, wenn die Arbeitnehmer nicht befürchten müssen, übers Bei der theoretischen Auseinandersetzung mit Arbeitneh- Ohr gehauen zu werden. Betriebsräte mit klar definierten In- mervertretungen spielt den Autoren zufolge der sogenann- formations- und Mitbestimmungsrechten, die die Interessen te Exit-Voice-Ansatz eine wichtige Rolle. Demnach haben Be- der Belegschaft wirksam vertreten und die Einhaltung von Ver- schäftigte, die unzufrieden mit ihrem Job sind, grundsätzlich sprechen durchsetzen können, ermöglichen dem Arbeitgeber zwei Möglichkeiten: Sie können entweder kündigen – also glaubwürdige Selbstverpflichtungen. die Exit-Option wählen – oder sich bei ihren Vorgesetzten be- Neben den Eigentümern eines Unternehmens können auch schweren und für Verbesserungen einsetzen. Effizienter wäre Manager oder Vorgesetzte Vertrauen missbrauchen – etwa in- die zweite Option: Nur wenn Arbeitnehmer ihre Bedürfnisse dem sie Schmeichler und Günstlinge fördern statt kompetente artikulieren, kann das Management darauf eingehen. Zudem Beschäftigte oder indem sie Untergebene willkürlich schlecht ist eine hohe Personalfluktuation kostspielig. Das Problem: Ein- behandeln. Betriebsräte können laut der Literaturstudie zur zelne Beschäftigte haben wenig Anreiz, allein für Änderungen Vermeidung solcher Missstände beitragen, indem sie direkte Kommunikation mit der Unternehmensleitung ermöglichen, die nicht durch Vorgesetzte gefiltert wird. Inwieweit die Vorteile von Arbeitnehmervertretungen tat- Effektive Mitbestimmung sächlich zum Tragen kommen, dürfte von den Rahmenbedin- Empirischen Studien zufolge hat betriebliche Mitbestimmung gungen in den Betrieben abhängen, so die Ökonomen. Wäh- positive Effekte unter anderem auf … rend von reibungslos funktionierender Mitbestimmung in der Regel beide Seiten profitieren, sind auch Situationen denkbar, in denen die positiven Effekte geringer ausfallen oder durch Konflikte komplett zunichtegemacht werden. Beispielsweise dann, wenn Manager eher an kurzfristiger Profitmaximierung als an dauerhafter Zusammenarbeit interessiert sind oder Mit- Produktivität Löhne Rendite bestimmung grundsätzlich ablehnen, weil sie um Status und Macht fürchten. Da die Vorteile der betrieblichen Mitbestimmung auf der Hand liegen und auch empirisch nachweisbar sind, könnte man auf die Frage kommen, warum das Betriebsverfassungs- ökologische Investitionen Weiterbildung Ausbildung gesetz überhaupt nötig ist. Eine wirtschaftlich sinnvolle Insti- tution, so ein gängiges Argument, würde sich am Markt auch ohne gesetzlichen Zwang durchsetzen. Um zu erklären, war- um sich Arbeitgeber und Beschäftigte nicht freiwillig auf die Einführung einer Arbeitnehmervertretung einigen, wird in der Literatur zum einen auf die Schwierigkeit entsprechen- Jobsicherheit Familienfreundlichkeit Lohngleichheit der Verhandlungen verwiesen. Einer Vereinbarung stünden Quelle: Jirjahn, Smith 2017 Grafik zum Download: bit.do/impuls1049 genau die Informationsprobleme im Weg, zu deren Lösung Betriebsräte beitragen sollen. Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Ein anderes Argument läuft darauf hinaus, dass Mitbestim- mung nur funktioniert, wenn ausreichend viele Unternehmen Wo Betriebsräte mitreden mitmachen. Das liegt unter anderem daran, dass die Vorteile in Einen Betriebsrat haben von den Beschäftigten in … Form von mehr Vertrauen und Kooperation sich eher langfris- tig einstellen, also eine gewisse Jobsicherheit voraussetzen. Baden-Württemberg Auf Kündigungen zu verzichten, kann in einer Rezession kurz- 48% fristig allerdings ziemlich kostspielig sein. Es wird für einzelne Bremen Betriebe noch teurer, wenn alle anderen Unternehmen mas- 46% senhaft Beschäftigte entlassen und so die gesamtwirtschaft- liche Nachfrage noch weiter schwächen. Wenn dagegen ein Hessen Großteil der Arbeitgeber von Beschäftigungsabbau absieht, 43% stabilisiert sich die Nachfrage und die Rezession fällt milder aus. Dass Deutschland in der jüngsten Finanzkrise vergleichs- Nordrhein-Westfalen 42% weise glimpflich davon gekommen ist, könnte nach Ansicht der Autoren auf diesen Zusammenhang zurückzuführen sein. Bayern Als Rechtfertigung für gesetzliche Vorgaben könnten aus 42% theoretischer Sicht auch nicht-ökonomische Effekte dienen. Denkbar erscheint beispielsweise, dass Betriebsräte sich für Schleswig-Holstein und Hamburg Umweltschutzmaßnahmen ihres Arbeitgebers einsetzen, 41% wenn Schadstoffe die Gesundheit der Beschäftigten oder ih- Niedersachsen rer Familien gefährden. Darüber hinaus spricht einiges dafür, 40% dass Partizipation am Arbeitsplatz die Fähigkeit und die Be- reitschaft fördert, sich auch außerberuflich politisch oder so- Thüringen zial zu engagieren. 39% Rheinland-Pfalz Vorteile sind empirisch gut belegt 36% Aktuelle empirische Studien, die auf umfangreichen Daten- sätzen beruhen, können überwiegend positive Effekte auf di- Saarland verse Dimensionen des Unternehmenserfolgs nachweisen, so 36% Jirjahn und Smith. Betriebsräte tragen demnach zu mehr Pro- Sachsen-Anhalt duktivität, höheren Löhnen und steigenden Renditen bei. Zu- 35% dem können mitbestimmte Betriebe mit mehr ökologischen Investitionen und schrittweisen Innovationen, Weiterbildung Berlin und dualer Ausbildung aufwarten. Die Personalfluktuation 34% nimmt ab, es gibt weniger Arbeitskräftemangel, dafür mehr Brandenburg familienfreundliche Praktiken und flexible Arbeitszeitmodelle. 33% Die Stärke dieser Effekte hängt von verschiedenen Umstän- den ab. Der Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg scheint Mecklenburg-Vorpommern besonders groß bei Unternehmen in Krisen zu sein. Die Be- 33% funde zur Betriebsgröße fallen widersprüchlich aus, zum Teil Sachsen deuten sie darauf hin, dass große Firmen überdurchschnitt- 31% lich profitieren. Einigkeit besteht in der Literatur hinsichtlich der Rolle von Tarifverträgen: Tarifgebundene Betriebe haben insgesamt mehr von Mitbestimmung. Auch die Einstellung der Geschäfts- 41% führung wirkt sich aus: Feindselige Manager beeinträchtigen das erfolgreiche Funktionieren. Besonders schwer scheinen private Betriebe ab 5 Beschäftigten Quelle: IAB-Betriebspanel 2016 es Betriebsräte in inhabergeführten Unternehmen zu haben, Grafik zum Download: bit.do/impuls1050 Daten: bit.do/impuls1051 wo der Herr-im-Haus-Standpunkt offenbar weit verbreitet ist. Auch wenn ausländische Eigentümer das Zepter führen, der Einfluss auf Entscheidungen, für die das Gesetz eigent- fallen die positiven Effekte geringer aus. Laut den Forschern lich keine Mitbestimmungsrechte vorsieht, nimmt zu, der Pro- dürfte das daran liegen, dass Betriebsräte keinen Zugang zu duktivitätseffekt steigt, es kommt zu weniger Kündigungen. Informationen beim Mutterkonzern haben und dass umge- Nach etwa 30 Jahren scheint sich diese Entwicklung aller- kehrt die dortigen Manager vergleichsweise wenig über die dings zum Teil wieder umzukehren. lokalen Gegebenheiten wissen. Zudem seien ausländische In- Generell können Arbeitnehmervertretungen zu mehr vestoren oft eher an kurzfristigen Profiten interessiert. Ande- Lohngleichheit beitragen: Empirische Untersuchungen kom- rerseits scheinen Beschäftigte von Unternehmen mit auslän- men zu dem Ergebnis, dass die Gehaltsdifferenz zwischen dischen Eigentümern ein ausgeprägtes Bedürfnis nach einer Hoch- und Geringqualifizierten in mitbestimmten Betrieben Interessenvertretung zu haben: Der Anteil der mitbestimm- geringer ausfällt. Das Gleiche gilt für die Lohnlücke zwischen ten Betriebe ist höher als unter vergleichbaren Firmen in ein- Männern und Frauen.< heimischem Besitz. Lernprozesse spielen der Literaturauswertung zufolge eine Quelle: Uwe Jirjahn, Stephen C. Smith: Nonunion Employee Representation: Theory and the wichtige Rolle: Das Risiko einer feindseligen Beziehung zum German Experience with Mandated Works Councils, IZA Discussion Paper Nr. 11066, Okto- Management nimmt mit steigendem Alter des Betriebsrats ab, ber 2017 Download: bit.do/impuls1052 Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
UNTERNEHMEN Nachhaltiger durch Mitbestimmung Stärker mitbestimmte Unternehmen sind erfolgreicher und sie verfolgen häufiger eine innovations- und forschungsorientierte Strategie als Firmen mit schwacher oder ohne Mitbestimmung. Unternehmen mit mehr Mitbestimmung schneiden bei wichti- Mischformen der beiden Strategien. gen wirtschaftlichen Kennziffern meist überdurchschnittlich ab: Ob die Verankerung der Mitbestimmung in den untersuch- Ihre Gesamtkapitalrentabilität ist im Durchschnitt um rund 65 ten Unternehmen über- oder unterdurchschnittlich stark ist, Prozent höher als bei Unternehmen mit schwacher oder ganz bestimmten die Forscher über den am WZB entwickelten Mit- ohne Mitbestimmung. Der operative Gewinn liegt bei stärker bestimmungsindex (MB-ix). Er verzeichnet unter anderem für mitbestimmten Unternehmen im Mittel um knapp 11 Prozent jedes Unternehmen, wie viele Arbeitnehmervertreter im Auf- höher, der Cashflow pro Aktie ist sogar mehr als dreimal so sichtsrat und dessen Ausschüssen sitzen, wie stark die for- hoch wie in Firmen mit wenig Mitbestimmung. Außerdem ver- mellen Einflussmöglichkeiten des Kontrollorgans sind oder ob folgen stärker mitbestimmte Unternehmen häufiger zukunfts- es einen europäischen Betriebsrat gibt. Als stark mitbestimmt orientierte Geschäftsstrategien. Zu diesen Ergebnissen kommt werden in der Untersuchung Unternehmen bezeichnet, wenn eine neue Studie von Forschern der Universität Duisburg-Es- sie im Vergleich zur Gesamtgruppe eine überdurchschnittlich sen, des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung stark verankerte Mitbestimmung haben und als schwach mit- (WZB) und des I.M.U. „Mitbestimmung ist nicht nur ein Garant bestimmt, wenn sie unterdurchschnittlich ist. für Standort- und Beschäftigungssicherheit, sondern darüber Auf Billigproduktion setzen 33 % die wenigsten 24 % 24 % Diese Strategien verfolgten 15 % die Unternehmen im CDAX 2017 ... 2006 2017 Kostenführer 16 % Mischstrategie Differenzierer 26 % 26 % keine dominante Strategie 36 % Quelle: Campagna u. a. 2020 hinaus auch ein Faktor für wirtschaftliche Stabilität und Pros- Häufiger Qualitäts- statt Kostenstrategie perität“, schreiben die Forscher. Zusammenhänge, die gerade bei der Bewältigung der aktuellen Corona-Krise eine entschei- Die Analyse der Forscher zeigt deutliche Zusammenhänge zwi- dende Rolle spielen dürften. Wie eine bereits 2019 veröffent- schen der Stärke der Mitbestimmung und der Unternehmens- lichte Untersuchung zeigt, haben mitbestimmte Unternehmen strategie. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen auf schon die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 besser überstan- Kostenführerschaft setzt, liegt bei Unternehmen ohne Mitbe- den als Firmen ohne Mitbestimmung. stimmung bei 27 Prozent, während es bei starker Mitsprache Das Team aus Ökonomen und Soziologen hat für die neue der Arbeitnehmer nur 10 Prozent sind. Dagegen wählen stark Untersuchung Daten von 172 Unternehmen ausgewertet, die mitbestimmte Unternehmen doppelt so häufig eine dezidierte zwischen 2006 und 2017 durchgehend im DAX gelistet wa- Differenzierungsstrategie – 25 Prozent gegenüber 12 Prozent. ren. Die Wissenschaftler unterscheiden zwei Wege, auf denen Zudem verfolgen sie etwas häufiger eine Mischstrategie. Dass Unternehmen versuchen können, sich am Markt zu etablie- gar keine dominante Strategie vorliegt, kommt bei Unterneh- ren: erstens über möglichst geringe Kosten ihrer Produkte – men ohne Mitbestimmung etwas häufiger vor. so genannte Kostenführerschaft. Zweitens über spezielle Pro- „Es liegt auf der Hand, dass Arbeitnehmervertreterinnen duktmerkmale oder Dienstleistungen, die ihren Kunden einen und -vertreter Diversifizierungsstrategien favorisieren und die- zusätzlichen Nutzen verschaffen, etwa hohe Qualität oder be- se durch ihre Einflussmöglichkeiten über die Mitbestimmung sonders guter Service. Solch eine „Differenzierungsstrategie“ unterstützen“, schreiben die Wissenschaftler. „Denn im Ge- geht meist mit höheren Investitionen in Forschung und Ent- gensatz zur Kostenführerstrategie wird bei den Differenzierern wicklung einher. Ist sie erfolgreich, können die Unternehmen auf hohe Technologieintensität gesetzt, auf Innovationen, was höhere Preise für ihre Produkte erzielen. Möglich sind auch aber nur mit gut ausgebildeten und damit in der Regel höher Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
entlohnten Beschäftigten erreicht werden kann.“ Insbeson- folgern die Wissenschaftler aus ihren Ergebnissen. „Das Ringen dere in Zeiten von Digitalisierung und demografischem Wan- um adäquate Unternehmensstrategien ist mit Mitbestimmung del verspreche diese Orientierung tendenziell mehr Zukunft- wirtschaftlich erfolgversprechend. Daher gehören Diskussio- schancen. Darauf weise auch die zahlenmäßige Entwicklung nen über strategische Themen, die Antworten auf die großen der Strategietypen im untersuchten Zeitraum hin: Zwischen Herausforderungen der heutigen Zeit geben sollen, in den mit- 2006 und 2017 nahm die Zahl der „Differenzierer“ von 16 auf bestimmten Aufsichtsrat.”< 26 Prozent der Unternehmen zu. Dagegen waren 2017 deut- Quelle: Sebastian Campagna, Marc Eulerich, Benjamin Fligge, Robert Scholz, Sigurt Vitols: lich weniger Unternehmen auf reine Kostenführerschaft aus Entwicklung der Wettbewerbsstrategien in deutschen börsennotierten Unternehmen: als elf Jahre zuvor. Der Einfluss der Mitbestimmung auf die strategische Ausrichtung und deren Performance. Die Mitbestimmung der Beschäftigten kann „eine wesentli- Mitbestimmungsreport Nr. 57 der Hans-Böckler-Stiftung, April 2020 Download: bit.do/impuls0xyzz che Bedingung für gute Corporate Governance“ sein, schluss- Bessere Performance dank starker Mitbestimmung Anhand von drei wichtigen betriebswirtschaft- mal so hoch wie in Unternehmen mit schwacher kein statistisch signifikanter Unterschied. Auch lichen Größen messen die Forscher den wirt- Mitbestimmung, die nur auf 1,39 Euro kommen. bei Unternehmen, die eine Mischstrategie verfol- schaftlichen Unternehmenserfolg: der Gesamt- Als EBIT-Marge ermitteln die Forscher im Durch- gen, fällt der Cashflow deutlich stärker aus (5,55 kapitalrentabilität (Return on Assets, ROA), der schnitt der stark mitbestimmten Firmen 7,77 Pro- Euro pro Aktie gegenüber 2,04 Euro bei schwa- Gewinnmarge vor Steuern und Zinszahlungen (Ear- zent. Bei geringer Mitbestimmung sind es 7,01. cher Mitbestimmung). Bei der EBIT-Marge ergibt nings before interest and taxes, EBIT) und dem Differenziert man zusätzlich nach Strategiety- sich kein signifikanter Unterschied. Einzig beim Cashflow pro Aktie. Unternehmen mit mehr Mit- pen, sind die Abstände bei Unternehmen mit Diffe- ROA der „Mischstrategen” zeigt sich ein Ausrei- bestimmung schneiden fast immer besser ab. Im renzierungsstrategie am größten: Hier schneiden ßer aus dem allgemeinen Trend der Ergebnisse: Durchschnitt aller 172 untersuchten Unterneh- die stärker mitbestimmten Unternehmen in allen Während er bei den stark mitbestimmten Unter- men beträgt der ROA in Unternehmen mit star- drei betriebswirtschaftlichen Größen statistisch nehmen 5,24 Prozent beträgt, sind es bei schwach ker Mitbestimmung 4,58 Prozent, während es bei signifikant besser ab, der Vorsprung beim ROA mitbestimmten 7,19 Prozent.< schwach mitbestimmten 2,76 Prozent sind. Die Dif- beträgt sogar fast neun Prozentpunkte. Bei Fir- ferenz zwischen beiden Gruppen beträgt also rund men mit Kostenführer-Strategie und in der Grup- 65 Prozent. Noch größer ist der Vorsprung beim pe ohne dominante Strategie ist der Cashflow pro Cashflow: Bei starker Mitbestimmung liegt er im Aktie mit starker Mitbestimmung signifikant hö- Schnitt bei 4,95 Euro pro Aktie – das ist gut drei- her, bei den beiden anderen Größen ergibt sich Wirtschaftlicher mit Mitbestimmung So schneiden Unternehmen mit starker und schwacher Mitbestimmung ab bei ... 7,01 % 4,95 Euro 4,58 % 2,76 % 1,39 Gesamtkapitalrentabilität (Return on Assets) Gewinnmarge (EBIT) Cash Flow pro Aktie Quelle: Campagna u. a. 2020 Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
KURZARBEIT Mehr Frauen und Kleinbetriebe betroffen Die Quote der Kurzarbeitenden ist höher als in früheren Krisen. Tarifverträge und Mitbestimmung reduzieren Einkommensverluste. Kurzarbeit hat während der Corona-Pandemie ein deutlich sein, die vom höheren gesetzlichen Kurzarbeitergeld ab dem anderes „Profil“ bekommen als in vorherigen Wirtschaftskri- vierten Monat profitierten. Eine deutlich größere Rolle spiel- sen. Erstmals haben kleine Betriebe das Instrument häufiger ten nach Puschs und Seiferts Analyse aber Tarifverträge bezie- als größere genutzt. Und während 2009 Männer fast dreimal hungsweise Betriebsräte. So erhielten 58 Prozent der Beschäf- so häufig wie Frauen in Kurzarbeit waren, war im Juni 2020 tigten mit Tarifvertrag eine Aufstockung. Ohne Tarif waren es die Quote mit jeweils rund 13 Prozent beinahe gleich hoch. nur 34 Prozent. In mitbestimmten Betrieben lag der Anteil der Das hängt damit zusammen, dass nicht nur Industriebetriebe Kurzarbeitenden mit Aufstockung bei 60 Prozent, ohne betrieb- stark betroffen sind, sondern auch viele Dienstleistungsbran- liche Mitbestimmung bei lediglich 32 Prozent. In Betrieben mit chen. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftseinbrüchen ist die Tarifvertrag oder Betriebsrat gab es also fast doppelt so häu- gesamtwirtschaftliche Quote der Kurzarbeitenden sehr hoch, fig eine Aufstockung wie in anderen Betrieben. ebenso wie mit rund 50 Prozent auch der Anteil, um den die Kurzarbeit zur Weiterbildung zu nutzen, ist nach Analyse Arbeitszeit im Schnitt reduziert wurde. Das zeigt eine Studie der Forscher vernünftig und wurde in früheren wirtschaftli- des WSI, für die Toralf Pusch und Hartmut Seifert die Erwerbs- chen Krisensituationen bereits praktiziert. Zum Befragungs- tätigenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung ausgewertet ha- zeitpunkt im Juni war der Anteil der Kurzarbeitenden, die seit ben. Im April und im Juni 2020 waren jeweils mehr als 6000 Beginn der Pandemie an Weiterbildung teilgenommen hatten, Menschen befragt worden. mit knapp 10 Prozent allerdings deutlich niedriger als unter Be- Im Juni gaben 13 Prozent der befragten Beschäftigten an, schäftigten ohne Kurzarbeit mit 18 Prozent. Das könne unter in Kurzarbeit zu sein. Mit Abstand am höchsten war die Quo- anderem mit zeitweiligen Betriebsschließungen und der be- te mit gut 45 Prozent im Gastgewerbe. Es folgten das verar- sonders schwierigen Situation im Hinblick auf Hygienebestim- beitende Gewerbe mit rund 20 Prozent sowie der Verkehrs- und Logistikbereich mit gut 17 Prozent. Unterdurchschnittlich betroffen waren unter anderem das Gesundheits- und Sozial- wesen mit 5 Prozent, das Baugewerbe mit knapp 4 Prozent Höheres Kurzarbeitergeld mit Betriebsrat und der öffentliche Dienst mit knapp 3 Prozent. In Kleinstbe- Eine Aufstockung erhielten im Juni 2020 von den Kurzarbeitenden ... trieben mit weniger als fünf Beschäftigten, wie sie typisch für das Gastgewerbe sind, waren knapp 17 Prozent in Kurzarbeit, in großen Betrieben ab 2000 Beschäftigten gut 11 Prozent. Auch jenseits von Kurzarbeit wurde die Arbeitszeit oft kri- mit Betriebs- oder Personalrat 60 % senbedingt verkürzt. Insgesamt arbeiteten 21 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Stichprobe im Juni weniger als normal. In einigen Branchen kam es aber 32 % auch zu Ausweitungen der Arbeitszeit. Das betraf laut Pus- ohne ch und Seifert etwa den Handel, wo 19 Prozent der Befrag- ten mehr arbeiteten als normal, während 19 Prozent weni- ger arbeiteten. Im öffentlichen Dienst arbeiteten 17 Prozent der Beschäftigten mehr, 9 Prozent weniger. In beiden Be- reichen fiel die Ausweitung der Arbeitszeit bei den Betrof- fenen erheblich aus: Im Handel mussten sie im Schnitt 5,7, Quelle: Pusch, Seifert 2020 im öffentlichen Dienst 4,7 Wochenstunden länger arbeiten. Auch wenn Kurzarbeit zahlreiche Jobs sichern konnte: Für die Betroffenen bedeutet sie Einkommenseinbußen. „Umso mungen und Kontaktbeschränkungen zu tun haben, schreiben wichtiger sind deshalb tarifliche, betriebliche und gesetzli- die Forscher. Trotzdem bestehe offensichtlich „noch Potenzial che Regelungen über Aufstockungen des Kurzarbeitergelds“, für eine Ausweitung der Weiterbildungsaktivitäten“.< schreiben die Wissenschaftler. Von den Befragten in Kurzar- beit, die lediglich das normale gesetzliche Kurzarbeitergeld er- Quelle: Toralf Pusch, Hartmut Seifert: Kurzarbeit in der Corona-Krise mit neuen Schwerpunkten, hielten, schätzten 49 Prozent, ihr Haushaltseinkommen habe WSI-Policy Brief Nr. 47, September 2020 sich um 25 bis 50 Prozent reduziert. Weitere 46 Prozent gin- gen von Verlusten bis zu 25 Prozent aus. Unter den Kurzarbei- tenden mit Aufstockung kamen Einkommenseinbußen jenseits von 25 Prozent hingegen deutlich seltener vor: Nur knapp ein Viertel der Befragten berichtete davon. Insgesamt erhielten im Juni 46 Prozent der Befragten in Kurzarbeit eine Aufstockung. Darunter dürften einige gewesen Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
SERIE Weniger Bilanzkosmetik SICHERT ZUKUNFT dank Mitbestimmung Mitbestimmte Unternehmen betreiben seltener Steuervermeidung und tricksen weniger bei der Bilanz. Das zeigt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die wir begleitend zur aktuellen Mitbestimmungskampagne dokumentieren. Wenn Arbeitnehmer im Aufsichtsrat mitbestim- Ökonomen. Ihre Studie unterstreiche, dass „starke identifizieren ließ. Die Bilanzierungsstrategie konn- men, nutzen Firmen seltener legale Spielräume in Mitbestimmung zu einer verantwortungsbewussten te bei 405 Unternehmen durchleuchtet werden, das Bilanzierungsregeln aus, um beispielsweise ihre Ge- und weitsichtigen Unternehmensführung beiträgt“. Verhalten in puncto Steuervermeidung bei 317. Ob winnsituation kurzfristig besser darzustellen, als das Die Beschäftigten hätten kein Interesse dar- die Verankerung der Mitbestimmung in den un- vergleichbare Firmen mit schwacher oder ohne Mit- an, dass ihr Unternehmen „aggressive“ Berichter- tersuchten Unternehmen über- oder unterdurch- bestimmung tun. Auch beim Thema Steuervermei- stattung betreibt, konstatieren die Wissenschaft- schnittlich stark ist, bestimmten sie über den am dung sind sie im Durchschnitt zurückhaltender. Das ler. Wer fest bezahlt wird und auf Dauer auf seine Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung geht aus einer Untersuchung von Forschern der Uni- Arbeitsstelle angewiesen ist, habe von aufpolierten entwickelten Mitbestimmungsindex MB-ix. Er ver- versität Duisburg-Essen hervor. „Mitbestimmung Gewinnen wenig bis keinen Vorteil, eine Destabili- zeichnet unter anderem für jedes Unternehmen, wie führt zu einer geringeren Ausnutzung von Bilanzie- sierung des Unternehmens könne aber drastische viele Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat und rungs- und Steuergestaltungsspielräumen“, resü- Folgen haben. Die langfristige Perspektive der Be- dessen Ausschüssen sitzen, wie stark die formel- mieren die Wissenschaftler, „was mit einer besse- schäftigten ist für die Ökonomen auch die zentrale len Einflussmöglichkeiten des Kontrollorgans sind ren langfristigen Performanz verbunden ist“. Denn Erklärung für ihr Ergebnis, dass stärker mitbestimm- oder ob es einen europäischen Betriebsrat gibt. < Unternehmen, die Spielräume bei der Bilanz- und te Unternehmen deutlich häufiger auf „aggressive“ Steuergestaltung exzessiv ausnutzen, weisen ledig- Bilanzgestaltung und Steuervermeidung verzichten. lich kurzfristig eine höhere Profitabilität aus. „Statt kurzfristig Gewinne durch risikoreiche Bilan- Quelle: Marc Eulerich, Benjamin Fligge: Aggressive Berichterstat- Nach spätestens drei bis vier Jahren sinkt ihre zierungspraktiken zu erhöhen, berichten Unterneh- tung in deutschen Unternehmen. Der Einfluss der Mitbestim- mung auf die Ausnutzung von Bilanzierungs- und Steuergestal- Rentabilität unter das Niveau der Firmen, die we- men mit starker Mitbestimmung eher konservativ tungsspielräumen, Mitbestimmungsreport Nr. 62, Juli 2020 niger offensiv vorgehen. Zumal den vermeintlichen und erzielen deshalb langfristig höhere Gewinne“, Vorteilen erhebliche Risiken gegenüberstehen: „Je betonen die Forscher. aggressiver Steuern vermieden oder Bilanzspiel- Für ihre Studie haben die Ökonomen Daten von Un- räume ausgenutzt werden, desto höher ist die Ge- ternehmen untersucht, die zwischen 2006 und 2017 fahr von Sanktionen.“ Zudem leide das Vertrauen im deutschen Börsenindex Composite Dax (CDax) von Anlegern und Gläubigern, wenn beispielsweise gelistet waren und deren Verhalten bei Bilanzie- Bilanzen korrigiert werden müssen, schreiben die rung und Steuerzahlung sich über mehrere Jahre Mit solider Bilanzierung langfristig erfolgreich So hoch war die Gesamtkapitalrentabilität* bei Unternehmen, die Bilanzierungsspielräume ... 4,4 % stark ausnutzen 3,9 % 4,4 % 4,2 % 3,6 % 3,3 % wenig ausnutzen 3,2 % 3,2 % 2,8 % 2,8 % nach einem Jahr nach zwei Jahren nach drei Jahren nach vier Jahren nach fünf Jahren * Gewinn im Verhältnis zur Bilanzsumme Quelle: Eulerich, Fligge 2020 Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
DIGITALISIERUNG Modernisierung mit Mitsprache Zwischen Arbeitnehmervertretung und Management geschlossene Rahmenverträge schützen Beschäftigte vor negativen Folgen der Digitalisierung. Das zeigen Beispiele aus der Praxis. Schaffe ich es, mit der neuen Technik zurechtzukommen? Wird Anhörungsprozess durchläuft, ausreichende Ressourcen für das Arbeitstempo noch höher, wenn alles digital wird? Gibt es Um- und Höherqualifikation bereitgestellt werden, Fragen der meine Stelle in fünf Jahren überhaupt noch? Bange Fragen, die Work-Life-Balance und des Datenschutzes möglichst einver- sich viele Beschäftigte stellen. Die Arbeitnehmervertretung im nehmlich geklärt und Prozesse zur Lösung von Konflikten fest- Unternehmen kann wesentlich dazu beitragen, Umbauprozes- gelegt werden. Der Weltbetriebsrat sammelt und bewertet se sozialverträglich zu gestalten und der Belegschaft ihre Ängs- Informationen über die Digitalisierungsprojekte im Unterneh- te zu nehmen. Wie das geht, zeigt eine Analyse im Auftrag des men, was die Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten I.M.U. am Beispiel von drei global tätigen Konzernen: dem Rei- in die Lage versetzt, in strategischen Fragen auf Augenhöhe seunternehmen TUI mit 11 000 Beschäftigten in Deutschland und mitzureden. Besonders betont die Autorin der I.M.U-Analyse 70 000 weltweit, dem Chemieunternehmen Solvay mit Standor- einen Aspekt: Mithilfe des unternehmensweit geltenden Rah- ten in 64 Ländern mit 24 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- menabkommens findet Mitbestimmung auch an Standorten mern sowie dem Lebensmittel- und Kosmetikkonzern Unilever statt, an denen formal keine Mitbestimmungsgesetze gelten. mit 30 000 Beschäftigten in Europa. Julia Massolle vom Helex-In- Bei Unilever werden gemäß dem Abkommen Future of Work stitut in Bochum hat dafür Dokumente ausgewertet und Inter- in paritätisch besetzten Arbeitsgruppen Pläne für sozial verant- views mit Akteurinnen und Akteuren aus Betriebsräten und Ge- wortliche Restrukturierungen ausgehandelt. Eine große Rolle werkschaften geführt. spielt dabei Weiterbildung mit dem Ziel, dass alle Mitarbeite- Gemeinsam ist allen drei Unternehmen, dass Transformati- rinnen und Mitarbeiter „langfristig beschäftigungsfähig“ blei- onsprozesse, die die Firmen in die digitale Zukunft führen sollen, ben. In diesem Zusammenhang sei es vor allem zu „Mitbestim- nach Vereinbarungen ablaufen, die Arbeitnehmervertretungen mungszugewinnen bei der Budgetverwaltung“ gekommen. angestoßen haben. Bei TUI ist das der vom Konzernbetriebs- Konkret bewährt hat sich der Rahmenvertrag von Unilever un- rat gestartete Prozess newWork@TUI. Bei Solvay hat der aus ter anderem bereits in Italien, wo drei Gewerkschaften ihn als dem Europäischen Betriebsrat (EBR) hervorgegangene Weltbe- „Schablone“ genutzt haben, um ein erfolgreiches Zukunftskon- triebsrat einen Rahmenvertrag zum digitalen Wandel mit dem zept für ein von der Schließung bedrohtes Lebensmittelwerk zu Management geschlossen. Und bei Unilever wurde auf Initiati- entwickeln. < ve des EBR das Rahmenabkommen Future of Work verabschie- det. Inhaltlich gibt es bei den Projekten große Überschneidun- Quelle: Julia Massolle: Die Transformation von Arbeit mitgestalten, Mitbestimmungspraxis Nr. 41, August 2021 gen: Stets geht es um die Beteiligung der Beschäftigten und ihrer Vertreter bei der Einführung neuer Technologie oder Res- trukturierungen – und um Weiterbildungs- und Beschäftigungs- perspektiven derjenigen, deren Jobs sich verändern oder sogar wegfallen könnten. Grundlage ist in allen drei Fällen die Verpflichtung zu offe- ner Kommunikation, damit eine Vertrauenskultur entstehen kann. Das betrifft bei TUI etwa die frühzeitige Offenlegung von Outsourcing-Plänen, die es Betriebsräten erleichtern sollen – wenn sie das Management schon nicht umstimmen können –, den Beschäftigten mit Qualifizierungs- oder Personalentwick- WEITERLESEN lungsmaßnahmen oder mithilfe der internen Jobbörse unter die Wie wir in Zukunft arbeiten, wird heute entschieden. Arme zu greifen. Andere Themen sind zum Beispiel die Einfüh- Arbeitnehmervertreterinnen begegnen Herausforde- rung mobiler Arbeit oder flexible Arbeitszeitmodelle. Durch die rungen wie Globalisierung und Digitalisierung durch gemeinsame Absichtserklärung mit dem Management haben die Aushandlung von Betriebsvereinbarungen mit dem die Betriebsräte im TUI-Konzern die Möglichkeit, sich systema- Management. Beispiele hat Julia Massolle zusammen- tisch an der Strategieentwicklung zu beteiligen. Aus der 2018 gestellt: geschlossenen, eher allgemein gehaltenen Übereinkunft sind Die Arbeitswelt der Zukunft gestalten, Betriebsverein- auf der Ebene der Einzelbetriebe bereits konkrete Betriebsver- barungen im Portrait, Mitbestimmungspraxis Nr. 43, einbarungen hervorgegangen sowie auf Konzernebene unter an- September 2021 derem eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung und ein Qualifizierungsfonds. Insgesamt, sagen Vertreter der Beschäf- tigten, habe das Projekt newWork@TUI die Mitbestimmung im Weitere Auswertungen von Vereinbarungen, Praxisbeispiele, Porträts, Unternehmen deutlich gestärkt. anonymisierte Textauszüge und Stichpunktekataloge mit Hinweisen für Ähnlich bei Solvay: Hier haben Arbeitnehmervertretung und die Gestaltung von Betriebs- und Dienstvereinbarungen unter: Geschäftsführung vereinbart, dass jedes Digitalisierungspro- jekt von wesentlicher Bedeutung einen Unterrichtungs- und www.imu-boeckler.de/de/analysen-und-textauszuge-23023.htm Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
SERIE Mehr Weiterbildung durch SICHERT ZUKUNFT Mitbestimmung Betriebsräte erhöhen die Arbeitszufriedenheit – etwa indem sie für mehr Weiterbildung sorgen. Das zeigt eine Studie, die wir im Rahmen der Kampagne „Mitbestimmung sichert Zukunft” der Hans-Böckler-Stiftung vorstellen. Betriebsräte machen Arbeitnehmer zufriedener, wie ner macht, schreiben die Ökonomen. Als Sprach- scher: Sie erhöhe die Produktivität, das Lohnni- Lutz Bellmann, Olaf Hübler und Ute Leber vom Ins- rohr seien Arbeitnehmervertreter dafür zuständig, veau, die Jobsicherheit und die Chancen für einen titut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) den Bedürfnissen der Belegschaft gegenüber dem beruflichen Aufstieg. nachweisen können. Der Effekt beruht unter an- Management Gehör zu verschaffen. Es sei zu er- Um diese Annahmen zu überprüfen, ha- derem darauf, dass mitbestimmte Betriebe mehr warten, dass sie sowohl die Produktivität als auch ben Bellmann, Hübler und Leber umfangreiche Weiterbildung anbieten. die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer erhö- IAB-Datensätze ausgewertet. Ihren Berechnun- Schon aus theoretischer Sicht spreche einiges hen, was eine bessere Entlohnung erlaubt. Dar- gen zufolge wirkt sich betriebliche Mitbestim- dafür, dass Mitbestimmung Beschäftigte zufriede- über hinaus verweisen die Wissenschaftler auf mung signifikant positiv auf die durchschnittliche die Mitbestimmungs- Arbeitszufriedenheit der Belegschaft aus. Verant- rechte in Sachen Wei- wortlich für diesen Effekt sind Betriebe, die ei- terbildung: Betriebs- nen Tarifvertrag haben oder sich daran orientie- So wird weitergebildet räte können mitreden, ren. Weiterbildung hat ebenfalls einen positiven In so vielen Unternehmen gab es 2015 ... wenn es um die Dau- Einfluss, sowohl auf betrieblicher als auch auf in- er von Schulungen, dividueller Ebene. Betriebsräte wiederum erhö- Weiterbildung am Arbeitsplatz die Inhalte und die hen die Chance, dass Weiterbildung angeboten 64,3 % Auswahl der Teilneh- wird. Das gilt auch dann, wenn man persönliche mer geht. Mehr Wei- Merkmale der Beschäftigten wie das Alter oder Lehrveranstaltungen terbildung wieder- das Geschlecht und betriebliche Merkmale wie 61,9 % um dürfte mit mehr die Größe oder die Branche herausrechnet.< Informationsveranstaltungen Arbeitszufriedenheit Quelle: Lutz Bellmann, Olaf Hübler, Ute Leber: Works Councils, 59,3 % einhergehen, argu- Training and Employee Satisfaction, IZA Discussion Paper Nr. selbstgesteuertes Lernen mentieren die For- 11871, Oktober 2018 26,4 % Lern- und Qualitätszirkel 18,5 % MEHR INFORMATIONEN Job-Rotation, Austauschprogramme Hier geht es zur Mitbestimmungskampagne der 9,9 % Hans-Böckler-Stiftung: Quelle: Destatis 2018 www.mitbestimmung-sichert-zukunft.de Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
SERIE SICHERT Betriebsräte fördern ZUKUNFT die Integration Die Integration von Geflüchteten gelingt besser mit Mitbestimmung und Tarifverträgen. Das zeigt eine Studie, deren Ergebnisse wir im Rahmen der Kampagne „Mitbestimmung sichert Zukunft” der Hans-Böckler-Stiftung präsentieren. Auch wenn der Einstieg oft nicht leichtfällt, ha- nahme bei Geflüchteten mehr Zeit als bei vie- verfassungsgesetz sind gerade deshalb wichtige ben Geflüchtete gute Chancen, in der deutschen len Arbeitsmigranten, auch weil ihre Aufent- Instrumente der Integration, weil sie nicht nach Arbeitswelt Fuß zu fassen. Das gilt vor allem in halts- und Arbeitserlaubnis oft eingeschränkt der Herkunft von Beschäftigten fragen“, so der Betrieben, in denen die Beschäftigten von Mit- ist. Zum Zeitpunkt der Untersuchung seien nur Forscher. Universelle Regeln und gemeinsame bestimmung und Tarifverträgen profitieren. Zu wenige der Befragten in einem Normalarbeits- Interessenvertretungen seien ein Gegengewicht diesem Ergebnis kommt Werner Schmidt vom verhältnis beschäftigt gewesen. Zudem werde gegen Diskriminierung. Anders ausgedrückt: Ta- Forschungsinstitut für Arbeit, Technik und Kul- die Freude darüber, einen Einstieg in die Arbeits- rifverträge und Betriebsräte schützen nicht nur tur (F.A.T.K.). Der Forscher hat untersucht, wie welt gefunden zu haben, überschattet durch gro- die etablierten, sondern auch die neu zugewan- es um die Integration von Geflüchteten steht, ße Unsicherheit: zum einen aufgrund der Angst, derten Kollegen vor Benachteiligung. Problema- die seit 2015 nach Deutschland gekommen sind, Deutschland wieder verlassen zu müssen, zum tisch sei es in Bereichen, in denen die Tarifab- und wie die Beschäftigten verschiedener Her- anderen aus Furcht davor, eine angestrebte Be- deckung schwach ist und Arbeitnehmerver- kunft im Betrieb miteinander klarkommen. Die rufsausbildung nicht zu erhalten oder – meist tretungen fehlen, etwa bei manchen privaten Untersuchung stützt sich auf Interviews mit Be- aus sprachlichen Gründen – nicht zu bewälti- Dienstleistungen. schäftigten und Experten in 15 Betrieben sowie gen. Dennoch sieht der Forscher generell gute Ein weiteres Problem seien Vorurteile und mit Vertretern von Gewerkschaften, eines Arbeit- Chancen für eine erfolgreiche Integration in den Rassismus in Teilen der Gesellschaft. „Das größ- geberverbands und einer Handwerkskammer. Arbeitsmarkt: Angesichts der Sprach- und Qua- te Integrationsproblem liegt nicht im Verhalten Zuwanderer, die in den vergangenen Jah- lifizierungsangebote sowie der Tatsache, dass der Geflüchteten selbst, sondern in rechtspopu- ren nach Deutschland gekommen sind, be- unter den Geflüchteten auch Akademiker sind, listischen Diskursen, die die Politik beeinflus- mühen sich genauso darum, sich im Arbeits- bestehe die Chance, dass sie mit der Zeit auch sen und stärker als früher auch in die Betriebe leben zu etablieren, wie frühere Generationen in Jobs für höher Qualifizierte arbeiten. eindringen und die alltägliche Zusammenarbeit von Migranten, schreibt der Forscher. Die Hoff- Einen wichtigen Faktor für den Erfolg stellen der Beschäftigten unterschiedlicher Herkunft nung auf dauerhaften Zugang zum Arbeitsmarkt der Studie zufolge die „institutionalisierten Ar- stören“, schreibt der Wissenschaftler. Nur ein und beruflichen Erfolg habe für alle Befragten beitsbeziehungen“ in Deutschland dar. „Gewerk- „solidarischer Universalismus“ im Betrieb, der eine zentrale Bedeutung und es gebe keinerlei schaftlich durchgesetzte Tarifverträge und eine an den Errungenschaften der Gleichbehandlung Hinweis darauf, dass es ihnen an Engagement einheitliche, gemeinsame Arbeitnehmervertre- festhält, aber auch über den Horizont der Ar- mangelt. Allerdings benötige die Arbeitsauf- tung für alle Beschäftigten nach dem Betriebs- beitswelt hinausblickt, sei in der Lage, Zusam- menhalt in einer vielfältiger gewordenen Gesell- schaft und Arbeitswelt zu stiften. < Integration geht voran Quelle: Werner Schmidt: Geflüchtete im Betrieb, Integrati- on und Arbeitsbeziehungen zwischen Ressentiments und Die Erwerbstätigenquote der Geflüchteten, die seit 2013 Kollegialität, Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung Band nach Deutschland gekommen sind, betrug ... 195, März 2020 nach fünf Jahren 49 % nach vier Jahren 42 % nach drei Jahren 37 % nach zwei Jahren 17 % im ersten Jahr 3% 18- bis 64-Jährige; einschließlich Auszubildende, Praktikanten und geringfügig Beschäftigte Quelle: IAB 2020 Hans-Böckler-Stiftung · Zurück zum Inhaltsverzeichnis
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