Bauwirtschaft in Belgien - Neubauten, Raumerweiterungen, Ausbauten auf Basis vorgefertigter Bauelemente - iXPOS

Die Seite wird erstellt Leonard Krämer
 
WEITER LESEN
Bauwirtschaft in Belgien - Neubauten, Raumerweiterungen, Ausbauten auf Basis vorgefertigter Bauelemente - iXPOS
Bauwirtschaft in Belgien
     Neubauten, Raumerweiterungen,
     Ausbauten auf Basis vorgefertigter
     Bauelemente
11
     Zielmarktanalyse 2016

                                   Durchführer
Bauwirtschaft in Belgien - Neubauten, Raumerweiterungen, Ausbauten auf Basis vorgefertigter Bauelemente - iXPOS
Impressum                                                  Das Bundesministerium für Wirtschaft und
                                                           Energie ist mit dem audit berufundfamilie®
Herausgeber                                                für seine familienfreundliche Personalpolitik
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)        ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von
Öffentlichkeitsarbeit                                      der berufundfamilie gGmbH, einer Initiative
11019 Berlin                                               der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen.
www.bmwi.de

Text und Redaktion
AHK debelux
Avenue du Boulevard 21
1210 Brüssel
T: (+32) 2 203 50 40
F: (+32) 2 203 22 71
E: ahk@debelux.org
I: http://debelux.ahk.de

Stefanie Heuer

Stand
August 2016

Bildnachweis
Fotolia LLC

Die Studie wurde im Rahmen des BMWi-
Markterschließungsprogramms für das Projekt
Geschäftsanbahnungsreise für handwerkliche und
industrielle Hersteller von Neubauten, Raumer-
weiterungen und Ausbauten auf Basis vorgefertigter
Bauelemente in Belgien erstellt und aufgrund eines
Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
gefördert.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist
urheberrechtlich geschützt. Die Zielmarktanalyse steht
der Germany Trade & Invest GmbH sowie geeigneten
Dritten zur unentgeltlichen Verwertung zur Verfügung.
Sämtliche Inhalte wurden mit größtmöglicher Sorgfalt
und nach bestem Wissen erstellt. Der Herausgeber
übernimmt keine Gewähr für die Aktualität, Richtigkeit,
Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten
Informationen. Für Schäden materieller oder
immaterieller Art, die durch die Nutzung oder
Nichtnutzung der dargebotenen Informationen
unmittelbar oder mittelbar verursacht werden, haftet der
Herausgeber nicht, sofern ihm nicht nachweislich
vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verschulden zur
Last gelegt werden kann.
Inhalt
1. Zusammenfassung ......................................................................................................................................................... 4
2. Länderprofil Belgien ..................................................................................................................................................... 5
        2.1 Politischer Hintergrund......................................................................................................................................... 5
        2.2 Wirtschaft, Struktur und Entwicklung .................................................................................................................. 7
        2.3 Regionale Besonderheiten .................................................................................................................................... 9
        2.4 Wirtschaftsbeziehungen Belgiens zu Deutschland ............................................................................................. 12
        2.5 Investitionsklima und -förderung in Belgien ...................................................................................................... 14
        2.6 SWOT-Analyse der belgischen Wirtschaft ......................................................................................................... 18
3. Bauwirtschaft in Belgien ............................................................................................................................................. 19
        3.1 Marktentwicklung und -bedarf ........................................................................................................................... 19
        3.2 Wichtigste Baufirmen und -vorhaben ................................................................................................................. 24
4. Holzbau ........................................................................................................................................................................ 27
        4.1 Die Holzbauunternehmen ................................................................................................................................... 27
        4.2 Holz im Neubau .................................................................................................................................................. 30
        4.3 Holz in Renovation, Ausbau und Aufstockung .................................................................................................. 31
        4.4 Die Errichtung von Holzhäusern ........................................................................................................................ 31
        4.5 Holz im Systembau ............................................................................................................................................. 32
        4.6 Herkunft des Holzes ........................................................................................................................................... 33
5. Einstiegs- und Vertriebsinformationen ..................................................................................................................... 34
        5.1 Geschäftspraktische Hinweise ............................................................................................................................ 34
        5.2 Öffentliche Aufträge ........................................................................................................................................... 37
        5.3 Interkulturelle Aspekte im deutsch-belgischen Geschäftsumfeld ....................................................................... 38
6. Rechtliche Rahmenbedingungen ................................................................................................................................ 39
6.1 Allgemeine rechtliche Rahmenbedingungen ............................................................................................................... 39
6.2 Rechtliche Regelungen für die Tätigkeit im Baubereich ............................................................................................. 41
6.2.2 Umsatzsteuerliche Registrierung .............................................................................................................................. 42
6.2.3 Vertragsmeldungen zur Sozialversicherung ............................................................................................................. 42
6.2.4 Berufsspezifischer Qualifikationsnachweis .............................................................................................................. 42
6.2.5 Anwesenheitsregistrierung ....................................................................................................................................... 42
6.2.6 ConstruBadge ........................................................................................................................................................... 42
6.2.7 Treuemarkensystem .................................................................................................................................................. 42
7. Branchenrelevante Adressen ......................................................................................................................................... 44
7.1 Verwaltung .................................................................................................................................................................. 44
7.2 Wald & Holz ............................................................................................................................................................... 44
7.3 Ausbildung ................................................................................................................................................................. 47
7.4 Promotion .................................................................................................................................................................... 48
7.5 Forschung und Kontrolle ............................................................................................................................................ 49
7.6 Zertifizierung ............................................................................................................................................................... 50
BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016                                    3

6. Rechtliche Rahmenbedingungen ................................................................................................................................ 39
        6.1 Allgemeine steuerliche und rechtliche Rahmenbedingungen ............................................................................. 39
        6.2 Rechtliche Regelungen für die Tätigkeit im Baubereich .................................................................................... 41
        6.2.2 Umsatzsteuerliche Registrierung ..................................................................................................................... 42
        6.2.3 Vertragsmeldungen zur Sozialversicherung .................................................................................................... 42
        6.2.4 Berufsspezifischer Qualifikationsnachweis ..................................................................................................... 42
        6.2.5 Anwesenheitsregistrierung .............................................................................................................................. 42
        6.2.6 ConstruBadge .................................................................................................................................................. 42
7. Branchenrelevante Adressen ...................................................................................................................................... 44
        7.1 Verwaltung ......................................................................................................................................................... 44
        7.2 Wald & Holz ...................................................................................................................................................... 44
        7.3 Ausbildung ........................................................................................................................................................ 47
        7.4 Promotion ........................................................................................................................................................... 48
        7.5 Forschung und Kontrolle .................................................................................................................................... 49
        7.6 Zertifizierung ...................................................................................................................................................... 50
        7.8 Messen................................................................................................................................................................ 50
        7.9 Fachzeitschriften ................................................................................................................................................ 53
        7.10 Zusätzliche Links.............................................................................................................................................. 54
Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................................................................... 55
Abbildungsverzeichnis .................................................................................................................................................... 57
Tabellenverzeichnis ......................................................................................................................................................... 58
Quellenverzeichnis .......................................................................................................................................................... 59
4        BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016

1. Zusammenfassung
Die Baubranche ist nach wie vor ein Stabilitätsanker der belgischen Wirtschaft, die für deutsche Unternehmen nach-
haltig attraktiv bleibt. Hierauf baut die aktuelle Geschäftsanbahnungsreise im Rahmen des BMWi Markterschließungs-
programms für KMU „Bauwirtschaft in Belgien – Neubauten, Raumerweiterungen, Ausbauten auf Basis vorgefertigter
Bauelemente“ auf. Die Geschäftsanbahnungsreise vom 26. bis 28. September 2016 nach Brüssel wird von der Deutsch-
Belgisch-Luxemburgische Handelskammer (AHK debelux) organisiert und durchgeführt. Durch gezielte Einzel-
gespräche sollen deutsche und belgische Baufirmen und Handwerker zusammengeführt werden und sich über mögliche
oder bereits bestehende Kooperationen oder Zusammenarbeit austauschen. Die vorliegende Zielmarktanalyse ist Teil
dieser Maßnahme und stellt die wichtigsten Fakten dar.

Trotz der Nähe zu Belgien ist vielen deutschen Unternehmern das Land mit seinen Eigenheiten oftmals unbekannt.
Wer in Belgien erfolgreich Geschäfte abschließen möchte, sollte sich aber auf die Kultur und Mentalität der Flamen,
Wallonen und deutschsprachigen Belgiern einstellen und sich mit der Vielschichtigkeit des Landes vertraut machen.
Nur wenige wissen, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner für das Königreich darstellt. Neben den wichtigen
Wirtschaftszweigen Eisen- und Stahlindustrie, Maschinen- und Fahrzeugbau, die chemische und petrochemische sowie
pharmazeutische Industrie, Transport und Logistik, trägt auch die Baubranche ihren Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt
des Landes bei.

Auch wenn der Neubau in den vergangenen Jahren aufgrund verschärfter energetischer Bauanforderungen stagniert,
nehmen die Anträge und Genehmigungen für Renovation, Um- und Ausbau zu. Gerade die strenger werdenden bau-
technischen Anforderungen an energieeffizientes Wohnen bereiten den Weg für den ökologischen Baustoff Holz.
Immer mehr öffentliche Gebäude, Wohn- und Bürohäuser entstehen in Holzbauweise. Dazu kommt der Werkstoff oft
bei Modernisierungen zum Einsatz, da Belgien einen hohen Altbaubestand hat. Dies bietet gerade deutschen Anbietern
gute Auftragschancen, denn Belgien hat 2014 aus Deutschland jeweils doppelt so viel Bautischler- und Zimmermanns-
arbeiten importiert wie aus den Niederlanden und Frankreich. 1

Zwar ist die Holzbaubranche bisher noch unzureichend mit Zahlen belegt, Studien des föderalen Holzbauverbandes
‚Hout Info Bois‘ in den Jahren 2011 bis 2014 zeigen eindeutig, dass trotz sinkender Neubaugenehmigungen der Holzbau
Jahr für Jahr zunimmt – Tendenz steigend. Branchenkenner schätzen, dass in Belgien inzwischen bis zu 8% aller neuen
Wohngebäude in Holzbauweise errichtet werden. Bei Erweiterungen beziehungsweise Renovierungen beträgt dieser
Anteil sogar um die 15%.2 Dabei findet Holz nicht zuletzt bei Nullenergie- oder Passivhäusern zunehmend Verwendung.
Für Renovierungen, Aus- und Umbau sowie Aufstockungen ist der Holzrahmenbau die mit Abstand bevorzugte Bau-
weise.

Für deutsche Unternehmen, die bereits jahrelange Tradition und Expertise im Holz(rahmen)bau entwickelt haben, bietet
der belgische Markt interessante Geschäfts- und Entwicklungschancen.

1 Germany Trade und Invest, „Holzbau gewinnt in Belgien an Bedeutung“, Februar 2016.
2 ebd.
BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016                                5

2. Länderprofil Belgien
2.1 Politischer Hintergrund

Belgien ist ein politisches und wirtschaftliches Kernland Europas. Es ist ein Land mittlerer Größe (30.528 km²) mit einer
relativ geringen Einwohnerzahl (11,258 Mio. Menschen in 2015). Sein politisches Gewicht ist indessen weitaus höher,
vor allem wegen seiner führenden Rolle in Europas Einigungsprozess, die der Landeshauptstadt Brüssel den Hauptsitz
der europäischen Institutionen eingebracht hat. Belgien zählt zu den wichtigsten Bestandsmärkten Europas, auch für die
deutsche Wirtschaft: Belgien belegt aktuell den zehnten Rang3 unter den deutschen Exportmärkten. Überdies ist das
Land politisch und wirtschaftlich überaus stabil (AA-Rating).

Tabelle 1: Kennzahlen Belgien 2015
  Fläche                    30.528 qkm
    Einwohner                                   11,3 Mio.
    Bevölkerungsdichte                          366,9 Einwohner/qkm
    Haushalte                                   4,77 Mio. Haushalte
    BIP nominal                                 409,4 Mrd. Euro
    BIP pro Kopf                                36.500 Euro
Quelle: Germany Trade and Invest: Wirtschaftstrends Jahresmitte 2016 – Belgien.

Belgien ist als parlamentarische Monarchie 1830 gegründet worden Das Land ist gekennzeichnet durch ein jahrhunderte-
altes Nebeneinander dreier unterschiedlicher Sprach- und Kulturgemeinschaften, die danach trachten, durch ein Dickicht
von Vorschriften und Abgrenzungen ihre Eigenständigkeit zu bewahren. Dies hat naturgemäß auch Implikationen für
jeden, der im Land Geschäfte machen will. Im Norden leben circa 6,5 Mio. Niederländisch sprechende Flamen in ihrer
weitgehend autonomen Region Flandern, mit eigenem Parlament und Regierung. Im Süden leben etwa 4 Mio.
Französisch sprechende Wallonen in ihrer autonomen Region Wallonien. In Wallonien befindet sich auch das Gebiet der
kleinen deutschsprachigen Gemeinschaft (DG) mit etwa 80.000 Einwohnern, die ebenfalls über eine eigene Regierung
verfügt, gelegen um Eupen und Malmedy an der Grenze zu Deutschland. Die DG ist neben der Französischen Gemein-
schaft und der Flämischen Gemeinschaft eine der drei Gemeinschaften des Königreichs Belgien und somit ein Gliedstaat
des belgischen Bundesstaates. Sie umfasst neun Gemeinden an der belgisch-deutschen Grenze.4 Dritte autonome Region
ist Brüssel-Hauptstadt mit mehr als 1 Mio. Einwohnern, die zwar offiziell zweisprachig ist, wo aber Französisch stark
dominiert.5

Die Deutschsprachige Gemeinschaft strebt im Zuge der künftigen Staatsreform die Ausgliederung des deutschen
Sprachgebietes aus der Wallonischen Region und die Erhebung zum gleichberechtigten vierten belgischen Gliedstaat,
neben Flandern, Wallonien und Brüssel, an.6

3 Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/Aussenhandel/Handelspartner/Tabellen/RangfolgeHandelspartner.pdf
23.05.2016.
4 Wikipedia: Https://de.wikipedia.org/wiki/Deutschsprachige_Gemeinschaft, 23.05.2016.
5 Germany Trade & Invest „Wirtschaftsdaten kompakt: Belgien“, Mai 2016.
6 Vgl. hierzu Karl-Heinz Lambertz: Belgien, ein Land mit Zukunft? (PDF), 2012, S. 3: „Ein Bundesstaatsmodell mit den vier Gliedstaaten Flandern, Wallonien, Brüssel und
Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens liegt in der logischen Kontinuität der bisherigen Entwicklung und entspricht ohne Zweifel den vier institutionellen Realitäten, die
sich seit dem Ende des Einheitsstaates in Belgien gefestigt haben und mit denen sich eine sehr große Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung eng verbunden fühlt.“
6         BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016

Tabelle 2: Das föderale Belgien - Ein System der politischen Selbstverwaltung
                          Bevölkerung     Bruttoinlandsprodukt      Hauptstadt                                                    Sprache
  Belgien                  11,3 Mio.         390,7 Mrd. Euro     Brüssel (nur Sitz)                                          Niederländisch (NL),
                                                                                                                               Französisch (F),
                                                                                                                                 Deutsch (D)
      Region Brüssel-                       1,3 Mio.                    70 Mrd. Euro                              Brüssel    Zweisprachig NL, F
      Hauptstadt
      Region Flandern                       6,4 Mio.                   211 Mrd. Euro                    Brüssel (nur Sitz)           NL
      Region Wallonien                      3,6 Mio.                   88 Mrd. Euro                          Namur                    F
      Deutschsprachige                       80.000                        k.A.                              Eupen                   D
      Gemeinschaft (DG)1)

1) Die DG ist Teil der Region Wallonien
Quelle: Föderales Statistikamt Belgostat.

Die gegenseitige Abgrenzung ist als „Sprachenstreit“ bekannt und hat maßgeblich dazu beigetragen dass sich der ur-
sprüngliche Zentralstaat zu einem Föderalstaat weiterentwickelt hat. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Der
Sprachenstreit prägt das Königreich Belgien seit Jahrzehnten. Die Rivalität zwischen den Regionen hat schon des
Öfteren die Regierungsbildung blockiert oder jedenfalls stark erschwert.7

Zu den wichtigsten, der Föderalregierung verbliebenen Kompetenzen zählen:
     Erhebung der „großen“ Steuern (Einkommensteuer, Mehrwertsteuer);
     Verteilung der Steuereinnahmen auf die Regionen (Finanzausgleich);
     Erlass von (steuerlichen) Fördermaßnahmen;
     Durchführung von „nationalen“ Projekten der Infrastruktur;
     Maßnahmen auf den Gebieten der Verteidigung, der Justiz, sowie nationale Aspekte der Sozial- und Kulturpolitik

Die seit Oktober 2014 amtierende Mitte-Rechts-Regierung unter dem wallonischen Liberalen Charles Michel polarisiert
schon wegen ihrer Zusammensetzung. Dafür ist das komplexe belgische Proporzsystem zwischen Wallonen und Flamen
verantwortlich. Die Wallonen fühlen sich in der Regierung zu wenig vertreten, denn Michels Liberale sind dort eine
Minderheitspartei. Überdies haben die Wallonen Vorbehalte gegen den stärksten Koalitionspartner, die flämische N-VA
(Neue Flämische Allianz unter Bart De Wever), da diese als Separatisten-Partei die Auflösung des belgischen Föderal-
staates im Parteiprogramm hat. Die vielgerühmte „belgische Kompromissfähigkeit“ wird hierbei auf eine äußerst harte
Probe gestellt.

Auch das soziale Klima wird rauer. Die neue Regierung hat längst überfällige Reformen angestoßen und sich die
Sanierung des Wohlfahrtsstaates, den Defizitabbau (Staatsverschuldung von mehr als 100% des BIP) sowie die Ver-
besserung der leidenden Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zum Ziel gesetzt. Hierbei kommen auch altherge-
brachte Besitzstände wie die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation (Lohnindexierung) auf den Prüfstand.
Die Kürzung von Sozialleistungen sowie die stärkere Belastung privater Einkommen geraten ebenfalls in den Blick. Das
hat den Widerstand der Gewerkschaften hervorgerufen, die im Dezember 2015 landesweit den Generalstreik ausriefen
und 2016 das Land bereits mit einer ersten Streikwelle überzogen haben. Die sozialistischen Parteien unterstützen die
Proteste und Vorhaben und zeigen ihr Missfallen gegenüber der Regierung; wegen der Regierungsbeteiligung der N-VA
hatten sie den Eintritt in die Regierung verweigert.

Aktuell ist die siebte Staatsreform in der Umsetzung, die weitere wesentliche Kompetenzen der Föderalregierung aus
den Bereichen der Steuer-, Sozial- und Außenpolitik sowie der Justiz auf die Regionen verlagert. Diesen Prozess
begleitet ein starker Zulauf, den die rechtsnationale N-VA (Nieuw-Vlaamse Alliantie) in Flandern verzeichnet. Die
Partei fordert die Auflösung des belgischen Föderalstaates. Die Mitte 2014 abgehaltenen Parlamentswahlen haben zu
keinem eindeutigen Ergebnis geführt. Belgien scheint sich zunehmend zu einer Art Konföderation weitgehend
selbstständiger Teilstaaten zu entwickeln.8

7 Der Standard: http://derstandard.at/1378248185790/Bizarre-Auswuechse-im-belgischen-Sprachenstreit,05.09.2013.
8 Germany Trade & Invest; „Wirtschaftsdaten kompakt – Belgien“; Mai 2016.
BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016                             7

2.2 Wirtschaft, Struktur und Entwicklung

Das wirtschaftliche Gewicht Belgiens ist weitaus höher als sein in der Größe überschaubarer Binnenmarkt vermuten
ließe. Das Land gehörte zu den ersten Industriestaaten Europas und verfügt heute über einen stabilen Mix aus „Old“ und
„New Economy“. Schon immer waren Außenhandel und Logistik die Motoren der Wirtschaftsentwicklung, spielten
Export und Warenumschlag für die wirtschaftliche Entwicklung eine tragende Rolle: Neben den Niederlanden (Hafen
Rotterdam) ist Belgien mit seinen Überseemärkten die zweitwichtigste Handelsdrehscheibe Europas (Hafen Antwerpen).
Hieraus erklären sich das verglichen mit dem „kleinen“ Binnenmarkt hohe BIP des Landes und der hohe Wohlstand.

Bruttoinlandsprodukt (BIP)

In Belgien begann der Aufschwung 2014/2015 mit einem realen Wachstum von 1,4%. Für 2016 und 2017 wird ein
stabiles, sich weiter positiv entwickelndes Wachstum mit 1,2% sowie 1,6% von der Europäischen Kommission
prognostiziert. Dank seiner stabilen und hohen wirtschaftlichen Substanz ist Belgien noch immer ein Stabilitätsanker für
die Eurozone. Für den deutschen Außenhandel liegt Belgien unter den weltweiten Top Ten der Partnerländer auf dem
zehnten Rang bei den deutschen Exporten und auf dem elften Rang bei den deutschen Importen (jeweils 2015).

Tabelle 3: Belgien BIP 2015-2018 (in %): Durch Stabilität zu Wachstum
            2015                    2016*                     2017*                                                                          2018*
             1,4                     1,3                        1,5                                                                           1,6
*) Prognose
Quelle: Belgische Nationalbank; Stand: Mai 20169.

2013 war Belgien mit einem realen BIP-Rückgang von 0,2% als einer der wenigen EU-Staaten nicht so tief in die
Rezession gerutscht wie der Durchschnitt der Eurozone mit -0,6%. Jedoch kann die Rezession der Euroländer gemäß
EU-Frühjahrsprognose 2016 praktisch als überwunden angesehen werden – was die Zahlen für Belgien bereits
2014/2015 eindrucksvoll mit 1,4% verdeutlichten. Die Eurozone soll in den kommenden Jahren ein positives Wachstum
ausweisen.10

Tabelle 4: Eurozone BIP 2015-2017 (Wachstum real in%): Widererstarken der europäischen Wirtschaft
                  2015                                 2016*                                2017*
                   1,7                                   1,6                                  1,8
*) Schätzung
Quelle: European Economic Forecast: Spring 2016, European Commission, May 2016, 23.05.2016.

Daneben hat die belgische Wirtschaft aber auch mit einigen „hausgemachten“ Schwierigkeiten zu kämpfen. In manchen
Industriebranchen vollzieht sich weiterhin ein starker Strukturwandel. Dieser wurde mit ausgelöst durch mangelnde
Wettbewerbsfähigkeit, vor allem durch im EU-Vergleich zu hohe Produktions- und Arbeitskosten. So lag Belgien 2015
im EU-Vergleich auf Platz zwei der höchsten Arbeitskosten mit 39,10 Euro pro Arbeitsstunde. Deutschland belegte mit
32,20 Euro pro Arbeitsstunde Platz neun im EU-Vergleich.11 Entsprechend schwieriger werden sich die Geschäfte für
deutsche KMU mit dem betroffenen Kundenkreis gestalten. Betroffen sind vor allem die Industriebranchen Kfz sowie
Eisen/Stahl.12 Sehr viel besser sieht die Lage bei den Dienstleistungen aus, vor allem bei der Logistik und den IT-
Diensten. Hier herrscht überwiegend moderates Wachstum. Allerdings sind auch hier die Kosten (Produktion und
Löhne) belgischer Anbieter sehr hoch – verglichen mit Deutschland und den Niederlanden. Deutsche Dienstleister und
KMU genießen somit im Vergleich zu belgischen Konkurrenten einen signifikanten Wettbewerbsvorteil.

9 Vgl. https://www.nbb.be/fr/publications-et-recherche/economie-et-finances/projections-economiques-pour-la-belgique
10 European Economic Forecast: Spring 2016, European Commission, May 2016.
11 Europäische Kommission: Http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Labour_costs_per_hour_in_EUR,_2004-
2015_whole_economy_excluding_agriculture_and_public_administration.png, 24.05.2016.
12 So schlossen etwa Ford seine Montage 2014 in Flandern und der weltgrößte Stahlkocher Arcelor Mittal mehrere seiner Hochöfen und Walzanlagen in Lüttich, worunter
auch eine steigende Zahl von Zulieferern zu leiden hat.
8         BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016

Konsum, Preise und Löhne

Der private Konsum ist und bleibt wichtige Stütze der belgischen Konjunktur, aber die Zeiten des relativ sorglosen
Konsums scheinen vorerst zu Ende zu gehen. Die Konsumausgaben legten zwar 2015 real um 1,3% zu, für 2016 wird
aber seitens der EU-Kommission nur noch ein Plus von 1,0% und 2017 von 1,3% erwartet; 2017 wird erneut mit 1,3%
gerechnet.

Tabelle 5: Privater Verbrauch (Steigerung in %) 2015-2017: Konsumausgaben steigen langsamer
               2015                              2016 *                             2017 *
                 1,3                               1,0                                1,3
*) Schätzung
Quelle: European Economic Forecast: Spring 2016, European Commission, May 2016.

Es hat ein schleichender Kaufkraftschwund eingesetzt, der wegen des hohen Wohlstands (Pro-Kopf-Einkommen) und
des hohen Lohnniveaus vom lokalen Einzelhandel unterschätzt wurde. So schloss die Lebensmittelkette Delhaize 2014
14 Filialen13 und entließ rund 2.500 Mitarbeiter. Der Verbraucher stellt jetzt den Preis an die erste Stelle. Dies wiederum
begünstigt gerade deutsche Konkurrenten, die regelmäßig über Kostenvorteile verfügen.

Tabelle 6: Inflation (Wachstum in %) 2015-2017: Das Preisniveau ist hoch
                 2015                               2016*                             2017*
                  0,6                                 1,7                                1,6
*) Schätzung
Quelle: European Economic Forecast: Spring 2016, European Commission, May 2016.

Die Kehrseite des bisher robusten Konsumklimas in Belgien sind die europaweit höchsten Lohn- und Lohnnebenkosten
für Arbeitgeber. Lohnindexierung, im internationalen Vergleich hohe Sozialabgaben und starre Branchentarife haben die
Wettbewerbsfähigkeit Belgiens erodiert. Die regierungsseitig vorgesehenen Maßnahmen (s. u.) dürften die Kaufkraft
und -laune deutlich dämpfen. Jedenfalls zeigen sich Konsumenten verunsichert und Gewerkschaften geben sich streik-
und kampfbereit. Die Kostenentlastung der Unternehmen setzt zwar Beschäftigungsimpulse, doch der Strukturwandel in
der Industrie sowie Kürzungen im öffentlichen Dienst führen dazu, dass sich die Arbeitslosenrate bis 2017 nur
geringfügig von 8,5% auf 7,7% bewegen wird.14

Tabelle 7: Arbeitslosigkeit (Quote in %) 2015-2017: Nur ein langsamer Rückgang
                 2015                               2016*                             2017*
                  8,5                                8,2                               7,7
*) Prognose
Quelle: EU-Prognose, Germany Trade and Invest; Lohn- und Lohnnebenkosten – Belgien; Stand: 10.06.2016.

Allerdings sollten laut Frühjahrsprognose der Belgischen Nationalbank von 2015 bis 2017 94.000 neue Jobs geschaffen
werden.15

Investitionen

Laut Berechnungen der EU erreichten die Bruttoanlageinvestitionen in Belgien 2015 mit einem realen Zuwachs von
2,0% einen Spitzenwert. Hierfür waren vor allem einige große Transaktionen verantwortlich. Nach einem voraus-
sichtlichen Rückgang 2016 auf 0,0%, prognostizieren die Statistiker für 2017 wieder ein Anziehen der Investitions-
tätigkeit auf 3,1%. Im Vergleich dazu bleibt die Entwicklung in der EU 2016 und 2017 mit 3,0% bzw. 3,8% auf einem
höheren Wachstumskurs.16

Tabelle 8: Bruttoanlageinvestitionen (Wachstum real in %) 2015-2017: Wiederbelebung im Jahr 2017
                 2015                                 2016*                                 2017*
                  2,0                                   0,0                                    3,1
*) Schätzung
Quelle: Europäische Kommission, European Economic Forecast: Spring 2016; Mai 2016.

13 Belgischer Rundfunk: Http://brf.be/national/764080/.
14 Germany Trade & Invest: „Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/2016 Belgien“, November 2015.
15 Grenzecho: Http://www.grenzecho.net/ArtikelLoad.aspx?aid=26bc4d6b-c30e-470a-a28e-68015770a5e1
16 Europäische Kommission, European Economic Forecast: Spring 2016; Mai 2016.
BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016                             9

Belgien gehört nach wie vor weltweit zu den Ländern mit den höchsten ausländischen Direktinvestitionen (nach
UNCTAD-Definition), wozu auch vorteilhafte Regelungen zur Steueroptimierung beitragen. Belgiens Kreditwürdig-
keitsrating von AA (drittbeste Kategorie) wurde im Januar 2015 von Standard and Poor‘s bestätigt sowie, damit ver-
bunden, finanzielle Stabilität prognostiziert.17 18 Belgiens Realwirtschaft ist hochgradig von exportorientierten aus-
ländischen Investitionen abhängig. Umso härter traf das Land der europaweite Strukturwandel in der Industrie, der zur
Schließung von Produktionen und dem Rückzug einiger Investoren führte, etwa bei Kfz, Eisen/Stahl und manchen
Chemiefirmen. Allerdings haben hierzu auch hausgemachte Probleme beigetragen, wie hohe Produktionskosten sowie
in einigen Branchen Überkapazitäten und eine geringe Produktivität.19

2.3 Regionale Besonderheiten

Die autonomen Regionen

Die strikte Regionalisierung Belgiens ist eine charakteristische Besonderheit – politisch wie auch wirtschaftlich. Sie
zeigt sich besonders in der weitgehenden Selbständigkeit der drei autonomen Regionen in Wirtschaftsfragen. Die
wirtschaftspolitischen Kompetenzen des Zentralstaates stellen demgegenüber mittlerweile eher die Ausnahme dar.

Die Regionen verfügen über die wesentlichen Kompetenzen für das Wirtschaften:
    Budgetrecht, Erhebung von „kleinen“ und regionalen Steuern
    Wirtschaftspolitiken – Gesundheit, Raumplanung, Umweltfragen
    Wohnungsbau, Infrastruktur
    Arbeitsmarktpolitik
    Sicherheit/Polizeiwesen
    Kulturpolitik
    Außenhandel

Die Regionen Flandern und Wallonien mit ihren jeweils fünf Provinzen stellten in den vergangenen Zeiten stärkerer
Zentralmacht die eigentlichen Gegengewichte zur Zentralregierung dar. Auch heute noch haben die Regierungen der
Regionen sich in vielen Fragen, so etwa im Baurecht, oder bei Bau- bzw. Umweltprojekten, mit den Organen der
Provinzen ins Benehmen zu setzen, sprich deren Zustimmung oder Genehmigung einzuholen.

Tabelle 9: Regionen und Provinzen 2014
                                                            BIP (Mio. Euro)                BIP pro Kopf (in Euro)                 Beschäftigte (Anzahl)
    Belgien insgesamt                                             400.642                              35.836                              4.549.328
                                                                                                                                           Anteil in %
    Region Wallonien                                               93.550                              26.109                                  26,7
    - Brabant wallon                                               15.483                              39.465                                  3,4
    - Hainaut (Charleroi)                                          30.797                              23.092                                  9,3
    - Liège (Lüttich)                                              28.637                              26.195                                  8,3
    - Luxembourg                                                    6.425                              23.129                                  2,0
    - Namur (Namur)                                                12.207                              25.120                                  3,6
    Region Flandern                                               233.432                              36.318                                  58,0
    - Antwerpen (Antwerpen)                                        75.417                              41.713                                  17,2
    - Limburg (Hasselt)                                            25.507                              29.720                                  7,3
    - Oost-Vlaanderen (Gent)                                       48.210                              32.726                                  12,6
    - Vlaams-Brabant (Leuven)                                      43.229                              38.918                                  9,7
    - West-Vlaanderen (Brügge)                                     41.067                              34.884                                  11,3
    Region Brüssel-Hauptstadt                                      73.381                              62.755                                  15,2
Quelle: Statistik der Belgischen Nationalbank; Comptes régionaux 2014.

17 Trading Economics: Http://www.tradingeconomics.com/belgium/rating.
18 Statistikamt Belgien: Http://premier.fgov.be/de/standard-poor%E2%80%99s-best%C3%A4tigt-aa-rating-von-belgien-und-die-prognose-der-finanziellen-stabilit%C3%A4t.
19 Germany Trade & Invest „Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/2016 Belgien“, November 2015.
10        BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016

Region Flandern: Aufstieg in höhere Regionen

Die Regionen unterscheiden sich stark in ihrem politischen und wirtschaftlichen Gewicht, auch ist der Wohlstand
deutlich ungleich verteilt. Die dominierende Region ist eindeutig Flandern (vgl. Tabelle 9) mit 58% Anteil am BIP
und an den Beschäftigten. Das BIP pro Kopf ist beträchtlich. Dabei sticht die Provinz Antwerpen als Wohlstandszone
heraus. Zweifellos bietet Flandern sowohl potenziell als auch real die meisten Geschäftschancen.

Region Brüssel-Hauptstadt: wo das Kapital sitzt

Die Anziehungskraft der Region Brüssel-Hauptstadt ist sehr hoch, denn dort ist das BIP pro Kopf mit 62.755 Euro fast
doppelt so hoch wie in Flandern. Dort lebt eine sehr wohlhabende Klientel aus Kaufleuten, Angestellten internationaler
Konzernzentralen und EU-Beschäftigten.

Region Wallonien: Strukturwandel schafft neue Chancen

Die Wallonen schmerzt ihr Verlust der wirtschaftlichen Führerschaft, die sich in der Nachkriegszeit auf die Schwer-
industrie (vergleichbar dem deutschen Ruhrgebiet) stützte. Mit der Schließung der letzten Hochöfen in Lüttich 2012/13
ist die Ära endgültig vorbei. Allerdings schafft der schon begonnene umfassende Wandel neue Chancen. Wenn auch von
niedrigem Niveau ausgehend, werden zurzeit höhere Wachstumsraten als in Flandern erzielt.

Die Sprachgemeinschaften

Zugleich mit den Regionen, Provinzen und Kommunen sind die drei autonomen Sprachgemeinschaften die eigentlichen
Hüter der kulturellen Identitäten: die französischsprachige, die niederländischsprachige und die deutschsprachige
Gemeinschaft. Sie verfügen über eigene Rechtspersönlichkeiten mit Regierungen und Parlamenten – zusätzlich zu denen
der Regionen, die sich lediglich territorial definieren. Um die sich so ergebende komplexe Lage zu vereinfachen, haben
die Flamen ihre Institutionen in Sprach- und Territorialgemeinschaften zusammengelegt. Die französische Sprachen-
gemeinschaft ist indessen selbstständig geblieben, erstreckt sich auch auf die französisch-sprachigen Bürger von Brüssel
und bildet mit diesen eine Föderation. Die Region Wallonien hat in ihrem Gebiet auch die sich selbst verwaltende
deutschsprachige Gemeinschaft.

Abbildung 1: Die Provinzen Belgiens

Quelle: Internetportal der DG; http://dg.be/
BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016   11

Abbildung 2: Die Sprachgemeinschaften Belgiens

Quelle: AHK debelux; http://debelux.ahk.de/maerkte/belgien/politisches-system/

„Wessen Auftrag ich habe, dessen Sprache ich spreche“

Die Sprachregelung hat also in Belgien eine hochsensible Bedeutung, die ein deutsches Unternehmen streng beachten
sollte. Ist man der Sprache der Region nicht mächtig, dann führt zunächst einmal kaum etwas an Dolmetschern vorbei.
Auch bieten sich Kooperationen mit belgischen Partnern in der Region an, die einem helfen können, etwaige Klippen zu
umschiffen. Kritik an dem „Sprachenstreit“ verbietet sich von deutscher Seite, selbst wenn der belgische Partner diese
ausspricht, ist Zurückhaltung angezeigt. Auf einer Baustelle kommt der Sprachregelung erhöhte Bedeutung zu - wenn
zur Arbeiter-schaft Angehörige verschiedener Sprachgemeinschaften zählen. Der deutsche Geschäftspartner trachtet des
Öfteren danach, auf Englisch als „neutrale Sprache“ auszuweichen. Englisch wird aber nicht überall verstanden, die
größten Chancen hat man hierbei noch in Flandern und bei der internationalen Klientel in Brüssel.

Deutsch ist Trumpf in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (DG)

Zwar ist Deutsch die amtliche dritte Sprache in Belgien, wird aber außerhalb der DG kaum verstanden oder praktiziert.
Entspannung vom „Sprachenstress“ bietet daher die DG, hier wird deutsch geredet. Alle amtlichen Dokumente sind in
Deutsch auch die in Wallonien sonst ausgegebenen Dokumente, so dass quasi eine „amtliche“ Übersetzung gleich
mitgeliefert wird. Die deutschsprachigen Papiere gelten nur auf dem Gebiet der DG, ansonsten ist in Wallonien
Französisch Pflicht. Zum Standort siehe das Portal der DG: www.dglive.be bzw. www.dg.be.

Die Gemeinden

Über 500 Gemeinden stellen die ältesten volkstümlichen Wurzeln der Selbstverwaltung dar. An ihrer Spitze stehen die
gewählten „bourgmestre“. Noch immer verfügen die Gemeinden in kommunalen Angelegenheiten über eine hohe
Autonomie. Bei Baufragen führt an ihnen daher kaum ein Weg vorbei, selbst bei nationalen Vorhaben der Infrastruktur
haben sie ein Mitspracherecht.
12         BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016

2.4 Wirtschaftsbeziehungen Belgiens zu Deutschland

Die Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands und Belgiens sind sehr eng, was sich auch im bilateralen Außenhandels-
volumen 2015 von knapp 79 Mrd. Euro niederschlägt.20 Belgien gehört zu den führenden Außenhandelsnationen
Europas. Die Exporte sind der Motor der Wirtschaftsentwicklung. Das Königreich weist – wie auch Deutschland –
traditionell einen Außenhandelsüberschuss aus. 2015 zeichnete sich ab, dass in Belgien mit um lediglich 1,0% sinkenden
Importen aber um 1,1% moderat wachsenden Exporten die schwachen Trends der beiden Vorjahre umgekehrt werden
konnten.21 Deutschland als zweitwichtigstes Lieferland (2015: 13,1% Anteil an den Importen) und wichtigstes
Abnehmerland (16,8%) ist von dieser Entwicklung unmittelbar betroffen. Deutsche Geschäftsleute bekamen die Flaute
mit Rückgängen ihrer Exporte nach Belgien 2014 um 1,0% und 2015 um 1,5% zu spüren. Dennoch verzeichnet der
deutsche Gesamtexport auch 2015 mit einem Ergebnis von über 41 Mrd. ein gutes Ergebnis.

Tabelle 10: Außenhandel Belgiens (in Mio. Euro) 2014/2015
                                          2014                              2015                    Veränderung in %
   Importe                              342.755                          338.780                              -1,0
   Exporte                              355.377                          359.460                              1,1
   Überschuss                            12.622                           20.680                             k.A.
Quelle: Germany Trade and Invest „Wirtschaftsdaten kompakt: Belgien“, Mai 2016.

Tabelle 11: Deutschland ist führender Handelspartner Belgiens 2015
       Rang                   Lieferland | Anteil in %                            Rang                   Abnehmerland | Anteil in %
         1                        Niederlande 19,9%                                 1                        Deutschland 16,8%
         2                       Deutschland 13,1%                                  2                         Frankreich 15,7%
         3                         Frankreich 10,2%                                 3                        Niederlande 11,8%
Quelle: Statistisches Bundesamt; Germany Trade and Invest „Wirtschaftstrends: Belgien“, November 2015.

Sehr positiv entwickelten sich (nach dem internationalen Warenverzeichnis für den Außenhandel SITC, siehe Tabelle
12) insbesondere die Lieferungen der Chemie- (SITC 5, +7,6%) und Elektroindustrie (SITC 77, 1,7%). Maschinen
(SITC 71-74) hatten wieder zulegen können. Auch die Kfz/Teile (SITC 78) konnten ihren stabilen Beitrag mit einem
Wachstum der deutschen Lieferungen um 9,8% erneut bewiesen. Wachstum hatten auch die Mess-, Prüf- und Kontroll-
instrumente (SITC 87, 18,7%) aufweisen können. Auch 2015 weisen die deutschen Lieferungen im Wesentlichen ein
hohes Niveau aus, das sich für 2016 weiter steigern soll. Deutschland befindet sich unter den Lieferanten und Ab-
nehmern Belgiens in führender Position (siehe Tabelle 11). Umgekehrt gehört Belgien zu den wichtigsten Bestands-
märkten Deutschlands; nach Angaben von Destatis22 wurden 2015 Waren im Wert von etwa 42 Mrd. Euro exportiert
und für knapp 37 Mrd. Euro importiert.23

20 Statistisches Bundesamt: Außenhandel: Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik Deutschland 2015; Stand: 18.08.2016.
21 Statistisches Bundesamt: Destatis; Germany Trade & Invest „Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/2016 Belgien“.
22 Statistisches Bundesamt: Https://www.destatis.de/DE/Startseite.html .
23 Germany Trade & Invest; Wirtschaftstrends Belgien – Jahreswechsel 2015/2016; Stand: November 2015.
BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016            13

Tabelle 12: Einfuhren Belgiens nach Warengruppen
(in Mio. Euro; Veränderung im Vergleich zum Vorjahr in %)24

    SITC Warengruppe                                                        2014                          2015                       Veränderung
                                                                                                      1. Halbjahr                    1. Halbjahre
                                                                                                                                        2015/14
    0 Nahrungsmittel/ lebende Tiere                                       24.128                          11.768                         -1,9
    5 Chemische Erzeugnisse                                               82.087                          43.224                         7,6
    .51 Organische Chemikalien                                            24.591                          13.519                         12,7
    .54 Arzneimittel                                                      32.285                          16.963                         10,4
    .57 Kunststoffe in Primärformen                                        8.885                           4.288                         -4,8
    6 Vorerzeugnisse                                                      48.839                          25.287                         1,6
    .67 Eisen/Stahl                                                        7.981                           4.163                         2,0
    7 Maschinen und Fahrzeuge                                             76.422                          40.170                         4,1
    .71 Kraftmaschinen                                                     4.864                           2.321                         -1,7
    .72 Arbeitsmaschinen                                                   6.028                           2.932                         -6,6
    .74 Maschinen für verschiedene                                        10.130                           5.074
                                                                                                                                         -1,6
    Zwecke
    .77 Elektrische Maschinen                                              9.200                           4.651                         1,7
    .78 Kraftfahrzeuge                                                    33.277                          17.590                         9,8
    8 Fertigerzeugnisse                                                   32.597                          15.573                         6,5
    .87 Mess-, Prüf- und Kontroll-                                         6.565                           3.754                         18,7
    instrumente, -apparate und -geräte
Quelle: Statistisches Bundesamt; Germany Trade and Invest: „Wirtschaftstrends Belgien – Jahreswechsel 2015/2016“.

Tabelle 13: Deutsche Aus- und Einfuhren von und nach Belgien (in Mrd. Euro)25
                                 2013           Veränderung %                    2014           Veränderung %                  2015      Veränderung %
    Dt. Ausfuhr                  42,4                     -3,1                    42,0                   -1,0                  41,4              -1,5
    Dt. Einfuhr                  39,0                     3,5                     39,5                    1,4                  36,9              -6,7
    Saldo                         3,4                     2,9                      3,5                                         4,5
Quelle: Statistisches Bundesamt; Germany Trade and Invest: „Wirtschaftstrends Belgien – Jahreswechsel 2015/2016“.

Tabelle 14: Deutsche Direktinvestitionen in Belgien26
                                                                              2012                            2013                       2014
  Bestand (kumuliert in Mio. Euro)                                           35.220                          37.204                     38.256
  Nettotransfers (Saldo in Mio. Euro)                                        +5.590                          +3.179                      +999
Quelle: Statistisches Bundesamt; Statistisches Jahrbuch 2015.

Belgien ist, wie der gesamte BeNeLux-Raum, ein bevorzugter Standort für deutsche Niederlassungen und Investitionen.
Knapp die Hälfte der deutschen Investitionen in Belgien entfällt auf den Finanzsektor. Deutsche Projekte im Realsektor
finden sich in den Branchen Chemie, Elektro/Elektronik, Kfz und Kfz-Teile, Pharma/LifeSciences und im Bereich einer
weiten Palette unternehmensorientierter Dienstleistungen, angeführt von Handel und Logistik. Großinvestoren sind etwa
BASF Antwerpen, Siemens Belux, Audi Brüssel, Bayer Belgien, Bayer BioScience Antwerpen und Robert Bosch Belux.

24 Germany Trade and Invest „Wirtschaftsdaten kompakt: Belgien“, Mai 2016.
25 Germany Trade and Invest „Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/2016 Belgien“, November 2015.
26 Deutsche Bundesbank: „Direktinvestitionen lt. Zahlungsbilanzstatistik für den Berichtszeitraum 2012 bis 2015“, Juli 2016.
14       BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016

 Abbildung 3: Deutsche Ausfuhrgüter 2015 (in Prozent)

                                                                                             Chemische
                                                  22,90%                                     Erzeugnisse
                  36,80%
                                                                                             Kfz und –Teile
                                                            16,10%
                                                                                             Maschinen
                                  6,40% 9,70%
                                                                                             Nahrungsmittel
         4,00%
                     4,10%

Quelle: Destatis; Germany Trade and Invest „Wirtschaftsdaten kompakt Mai 2016: Belgien“.

Bevorzugte Partner für deutsche KMU

Für deutsche KMU ist Belgien eine gute Adresse, wenn es um Niederlassungen, Kooperationen und Liefergeschäfte
geht. Ein enger bilateraler Wirtschaftsaustausch besteht bei Dienstleistungen. Darunter sind die Baudienstleistungen ein
lang und erfolgreich etablierter Geschäftszweig. Die erprobten Geschäftsbeziehungen werden nicht zuletzt durch die
räumliche Nähe angeregt. Gerade für die angrenzenden deutschen Bundesländer NRW und Rheinlad-Pfalz ist Belgien
ein wichtiger Handelspartner. Unterstützt wird die gegenseitige Verflechtung durch die von der EU geförderten grenz-
überschreitenden Europaregionen („Euregios“).

Hier ist ein allmähliches grenzübergreifendes Zusammenwachsen der wirtschaftlichen Strukturen zu beobachten. Die
Basis für die gegenseitigen Geschäfte mit Belgien ist damit sehr solide und verlässlich und wird auf deutscher Seite von
den Industrie und Handelskammern (IHKs), den Handwerkskammern (HWKs), den deutschen Bundesländern und
anderen deutschen Institutionen laufend weiter gestärkt. 27

2.5 Investitionsklima und -förderung in Belgien

Ohne Auslandsinvestoren ist Belgiens offene, exportorientierte Wirtschaft nicht denkbar. Daher kommt einem guten
Investitionsklima und starker Investitionsförderung eine entscheidende Bedeutung zu. 2013 hatte sich das Klima für
Investoren wegen der rückläufigen Exportgeschäfte deutlich eingetrübt. 2014 zeigte sich bei den Unternehmen ein
vorsichtig abwartendes Stimmungsbild, das 2015 zu einem moderaten Aufschwung der Konjunktur und der
Investitionen in Europa führte. Hierdurch hat sich auch das Investitionsklima in Belgien und zugleich die Attraktivität
Belgiens für ausländische Direktinvestitionen verbessert (Tabelle 15).28

Tabelle 15: Indizes und Rankings, Belgien, 2015
                 Index                                      Jahr           Rang und Wert                           Webseite
   TI Corruption Perceptions Index                          2015             15 von 168            www.transparency.org/cpi2015/results
   Heritage Foundation’s Economic                           2015             40 von 178            www.heritage.org/index/ranking
   Freedom index
   World Bank’s Doing Business                              2015              41 von 189           www.doingbusiness.org/rankings
   Report „Ease of Doing Business“
   Global Innovation Index                                  2015              25 von 141           www.globalinnovationindex.org/analysis-
                                                                                                   indicator
   World Bank GDP per capita                                2015          40.538 US-Dollar         http://data.worldbank.org/indicator/NY.GDP.
                                                                                                   PCAP.PP.CD

27 Germany Trade and Invest „Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/2016 Belgien“, November 2015.
28 Doing Business in Belgium: 2015 Country Commercial Guide for U.S. Companies.
BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016                      15

Gewerbliche Strategien

Die regionalen Wirtschaftsfördergesellschaften haben sich auf Schlüsselsektoren wie Chemikalien, Plastik und
Verbundwerkstoffe, Fahrzeuge und Transportmittel, Umwelttechnologien, Lebensmittelverarbeitung und -verpackung,
Medizintechnik, Kommunikations- und Informationssysteme sowie Service spezialisiert.29

Leistungsanforderungen und Fördergelder

Nach der belgischen Verfassung liegt die Anwerbung ausländischer Direktinvestoren in der Verantwortung der
belgischen Regionen (Brüssel, Flandern, Wallonien) durch regionale Investmentagenturen (Brussels Invest and Export,
FIT, AWEX). In ihrer Standort- und Investitionswerbung betonen die Regionen die Förderung von Innovationen,
Forschung und Entwicklung, Energiesparen, Umweltbewusstsein, Exporten und vor allem Arbeitsplätzen. Die
Agenturen sind auf bestimmte Regionen der Welt spezialisiert und mit ihren Büros in verschiedenen Ländern vertreten.
Zusätzlich hat das Finanzministerium im Jahr 2000 eine Steuerabteilung für Auslandsinvestitionen eingerichtet, um die
Steuerverwaltung für ausländische Investoren benutzerfreundlicher zu gestalten. 30

Stresstests von World Economic Forum (WEF) und Weltbank

Im Vergleich zu den Einschätzungen des World Economic Forum in den Jahren 2012/2013 vermittelt der „Global
Competitiveness Report 2014/15“ (WEF; Ranking unter 144 Ländern) tendenziell ein positiveres Bild des Investitions-
klimas. Trotz der Herabstufung um eine Stelle auf Rang 18 (im Vergleich zu 2013/2014) konnte Belgien seine Wettbe-
werbsfähigkeit leicht stärken, dank einer besseren gesamtwirtschaftlichen Leistung und eines niedrigeren Budgetdefizits,
das sich auf unter 3% des BIP beschränkt.31 Dennoch bleibt der Abstand zu Deutschland (Rang fünf) und dem Nachbarn
Niederlande (acht) deutlich. Sehr gute Noten erhalten das Gesundheitswesen (zwei) sowie Erziehung/Bildung/
Ausbildung (fünf). Infrastruktur, Innovationskraft und Wirtschaftsklima werden ebenfalls gut bewertet.

Somit bleibt Belgien für Auslandsinvestoren interessant: Insgesamt nahmen die durchgeführten Auslandsprojekte um
13% auf 198 Projekte im Vergleich zum Vorjahr zu.32 Belgien hatte damit einen ausgezeichneten Rang fünf in Europa
inne; Deutschland belegte Rang zwei. In Wallonien waren zwar nur bescheidene 54 Projekte realisiert worden, dennoch
bedeutete dies eine Steigerung um 50% im Vergleich zu 2013. Brüssel-Hauptstadt (22 Projekte) musste geringe
Einbußen hinnehmen, wohingegen Flandern (121 Projekte) eine Steigerung in der Anzahl der Projekte verzeichnen
konnte.33

Die steuerliche Investitionsförderung obliegt dem Föderalstaat

Zu den genannten Erfolgen trägt die Investitionsförderung durch Föderalstaat und Regionen wesentlich bei. Die Maß-
nahmen für ausländische Investoren sind umfangreich und durch die aktuelle Sparpolitik des Staates kaum gefährdet.
Kernstück der Förderung durch den Föderalstaat sind steuerliche Anreize, die über die „großen“ Steuern (Mehrwert-,
Unternehmen-, Einkommensteuer) gegeben werden. Sie wirken tendenziell stimulierend auf ausländische Direkt-
investitionen neben den unverzichtbaren sonstigen günstigen Rahmenbedingungen wie ausgezeichneter Infrastruktur,
zentraler Lage und bestens ausgebildeten Arbeitskräften.34 Damit rückt Belgien, allerdings wie auch etwa Luxemburg,
in eine Grauzone der Förderpolitik, die von der OECD als „Fiscal Engineering“ bzw. als „Steuervermeidung“ kritisiert
wird. Im Februar 2015 eröffnete die EU-Kommission daher ein eingehendes Prüfverfahren zur belgischen Steuer-
vorschrift zu Gewinnüberschüssen.35

29 Germany Trade and Invest „Wirtschaftstrends kompakt Jahreswechsel 2015/2016 Belgien“, November 2015.
30 Doing Business in Belgium: 2015 Country Commercial Guide for U.S. Companies.
31 World Economic Forum: Http://www3.weforum.org/docs/WEF_GlobalCompetitivenessReport_2014-15.pdf .
32 Ernst & Young „European Attractiveness Survey 2015”, http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/EY-european-attractiveness-survey-2015/$FILE/EY-european-
attractiveness-survey-2015.pdf .
33 Ernst & Young: Http://www.ey.com/Publication/vwLUAssets/Barometre_de_lAttractivite_belge_2015/$FILE/attractiveness2015_FR_lowres.pdf .
34 Webseite der Föderalregierung: Http://www.business.belgium.be .
35 Pressestelle der EU-Kommission: Http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-4080_de.htm.
16        BAUWIRTSCHAFT IN BELGIEN – ZIELMARKTANALYSE 2016

Folgende Maßnahmen kommen zum Einsatz, die ansonsten in der EU nicht üblich sind:36

 Steuerlicher Sonderstatus für Unternehmenshauptquartiere und „Koordinierungszentren“;
 Advance Ruling: Im Vorfeld eines Projekts kann das Finanzministerium innerhalb von drei Monaten nach
  Antragsstellung eines Investors bereits einen Steuersatz festlegen, der bis zu fünf Jahre bindend sein kann. Dies kann
  auch bei Niederlassungen von KMU interessant sein;
 Notional Interest Deduction (NID): Eine Alleinstellung in der EU stellt das Verfahren der NID dar. Hierunter
  versteht man einen Steuerabzug für Risikokapital, der die Unterschiede in der steuerlichen Behandlung zwischen
  Fremdkapital- und Eigenkapitalfinanzierung aufhebt. Dieses System ermöglicht es Unternehmen, von ihrer
  Besteuerungsgrundlage einen „fiktiven Zinssatz“ entsprechend eines spezifischen Prozentsatzes ihres „angepassten“
  Eigenkapitals abzuziehen (2013 auf 3,0% festgelegt, für KMU 3,5%).37

Hinzu kommt eine Palette von Maßnahmen, die auch andere EU-Staaten anwenden:

 Körperschaftsteuernachlässe für bestimmte Investitionsarten, etwa für Forschung und Entwicklung von Patenten
  (entspricht Minderung von 80% der ansonsten bestehenden Steuerschuld);
 Nachlässe bei der Einkommensteuer können bei nach Belgien entsandten Mitarbeitern, Managern und
  Führungskräften (Expatriates) bis hin zur vollständigen Steuerfreiheit gewährt werden.

Die Förderungen durch die Regionen

Die drei Regionen und die Deutschsprachige Gemeinschaft vergeben alle nicht-steuerliche Begünstigungen, etwa direkte
Subventionen wie Zuschüsse und Beteiligungen an Kosten von Krediten. Hierbei handelt es sich um Maßnahmen, die
mehr oder weniger in allen EU-Ländern durchgeführt werden. Die Begünstigungen bei den Lohn- und Lohnneben-
kosten gehen zwar von den Regionen aus, werden aber (noch) von der Föderalebene durchgeführt. Bei den Regionen zu
beantragen sind etwa Minderungen bei den hohen Nachtschicht- oder Überstundenzuschlägen von 15,6%, wenn gewisse
Bedingungen vorliegen. Auch Minderungen von Lohnkosten für den Arbeitgeber sind unter bestimmen Umständen
möglich (etwa Beschäftigung von Behinderten).38

Die regionalen Maßnahmen betreffen ein weites Spektrum an Förderzielen, zum Beispiel Forschung und Entwicklung,
Schaffung von Arbeitsplätzen, Erschließung von Gebieten (Provinzen) und energetische Entwicklungsziele (Energie-
einsparungen, erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Materialeffizienz). Das Zusammenfügen von Clustern, die nach
Hightech-Branchen oder Querschnittsaktivitäten (etwa Life Sciences) organisiert sind, ist ein relativ neues Instrument.
Oftmals sind auch Hochschulen eingeschlossen.39

Flandern

Flandern ist der größte Investitionsstandort mit einer umfassenden Förderpolitik. Hierbei ist vergleichsweise wenig starr
geregelt vielmehr wird eine flexible „pragmatische“ Förderungspolitik verfolgt, die ich an den Besonderheiten des
Einzelfalls orientiert. Die Investitionsschwerpunkte in Flandern sind: Chemie – um Antwerpen befindet sich der
weltweit zweitgrößte Petrochemiehub (nach Huston/USA), Logistik, Kfz, Informationstechnologie, Life Sciences. Zu
den Sektoren und den Fördermaßnahmen in Flandern siehe bei „Flanders Investment & Trade (FIT)“ unter
www.investinflanders.com.

Förderung von Niedrigenergiehäusern; Prämien und Zuschüsse für verschiedenste Baumaßnahmen, die mit den
zuständigen Stellen verhandelt werden müssen; Renovations-Prämie, wenn die Immobilie älter als 25 Jahre ist. Energie-
Prämie für Neubauten und für Bestandsbauten; Wichtig: mit der Renovierungsprämie dürfen andere Prämien kumuliert
werden, die hierzu geeignet sind. Informationen: www.premiezoeker.be

36 Deutsch-Belgisch-Luxemburgische Auslandshandelskammer: Http://debelux.ahk.de.
37 Statistikamt Belgien: Http://www.minfin.fgov.be/portail2/belinvest/downloads/en/publications/bro_notional_interest.pdf
38 Webseite der Föderalregierung: Http://www.business.belgium.be.
39 Germany Trade and Invest: Nationale Investitionsförderung - Belgien, 2015; Februar 2015.
Sie können auch lesen