Die Grundlage unseres Wohlstandes - IHK Thurgau
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01 2018 In dieser Ausgabe mit Beilage > Jahresbericht 2017 der IHK Die Grundlage unseres Wohlstandes Interview mit Daniel Frutig zum Unternehmens- und Arbeitsstandort Schweiz > Seite 6 Führungskräfte als moderne Helden Anregende Kaminfeuergespräche mit Leadership-Expertin Nicole Brandes > Seite 13 EU-Datenschutz tangiert die Schweiz Die neue Grundverordnung hat Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen> Seite 26
Inhalt /3 Gedankensplitter «Die Industrie wird in den nächsten «Das Wirtschaftsumfeld ist ein sehr Inhalt Jahren sehr gute Wachstumsraten solides, geprägt durch synchrones 5 > Editorial Die Schweiz haben.» Wachstum in verschiedenen Regionen.» und ihre Hausaufgaben Prof. Dr. Jan-Egbert Sturm, Direktor Norbert Rücker, Head of Macro & Com- 6 > Interview Daniel Frutig KOF Konjunkturforschungsstelle ETH modities Research, Bank Julius Bär & zum Standort Schweiz Zürich, am Konjunkturforum «Zukunft Co. AG, am 16. Januar 2018 beim Market 11 > Anlässe Der digitale Tornado Ostschweiz» vom 20. November 2017 in Outlook in Ermatingen. greift überall durch St. Gallen. 13 > A nlässe Nicole Brandes an «Weiche Faktoren sind meines Erach- den Kaminfeuergesprächen «Ich habe aus jedem Land, in dem ich tens die harte Währung der Zukunft.» gearbeitet habe, etwas mitgenommen. Leadership-Expertin Nicole Brandes 15 > Porträt Sabine Köhler setzt auf authentische Botschaften Kulinarisch, aber auch menschlich.» am Kaminfeuergespräch der IHK Thur Starkoch Anton Mosimann am Rande gau vom 17. Januar 2018 in Aadorf. 18 > Aktuell Für eine faire des Neujahrsapéros der Thurgauer Erhöhung des Rentenalters Kantonalbank vom 8. Januar 2018 in «Es muss gelingen, die bestehenden 20 > Aktuell Technologietag Frauenfeld. Rahmenbedingungen zu bewahren und zur künstlichen Intelligenz neuen, ausufernden Regulierungen 21 > Politik Eine weitere «Nicht der Ausbau konsumptiver Aus- entgegenzutreten.» wirtschaftsfeindliche Initiative gaben, sondern die Investitionen – in Thomas De Martin, Präsident des Ar- 22 > Aktuell Was steckt hinter die Strassen- und Schieneninfrastruk- beitgeberverbandes Südthurgau, am Thurgau Wissenschaft? tur, in die digitale Infrastruktur, in die Behördenapéro vom 23. Januar 2018 in 25 > Aktuell Franco Knie ist Gast Bildungsinfrastruktur – sind das Gebot Sirnach. an der IHK-Generalversammlung der Stunde.» 26 > Recht EU-Datenschutz tangiert Thomas Conrady, Präsident der IHK «Wichtig ist in der Schweiz das Be- auch Schweizer Firmen Hochrhein-Bodensee, am Neujahrs- wusstsein, dass die höheren Kosten 28 > Netzwerk Ausgleichskasse mit empfang der Wirtschaftskammern vom durch eine deutlich bessere Leistung modernen Dienstleistungen 11. Januar 2018 in Singen. kompensiert werden müssen.» 29 > Netzwerk Der neue Lehrplan Oliver Dürr, Managing Director GDELS- bringt auch neue Zeugnisse «Wer Erfolg haben will, muss mutig sein Mowag, am Behördenapéro des Arbeit- 31 > Mitglieder Motivationspreis und bekannte Wege verlassen.» geberverbandes Südthurgau vom 23. geht an die Ifolor AG Reto Ammann, Unternehmer und Kan- Januar 2018 in Sirnach. tonsrat, am Behördenapéro des AGV Kreuzlingen und Umgebung vom 11. Ja- «Die Booking.com-Generation hat kein Titelbild: nuar 2018 in Ermatingen. Reisebüro mehr betreten.» Unsere Kaminfeuergespräche mit Prof. Dr. Oliver Gassmann, Universität Nicole Brandes, hier im Wasserschloss «Die Zukunft ist liberal.» St. Gallen, am EcoOst-Symposium 2018 Hagenwil, eigneten sich hervorragend Walter Oberhänsli, CEO der Zur Rose zu «Geschäftsmodelle im Wandel» vom fürs Networking. Bild: Mario Gaccioli Group, am EcoOst-Symposium 2018 zu 12. Februar 2018 in St. Gallen. «Geschäftsmodelle im Wandel» vom 12. Februar 2018 in St. Gallen. «Wer sich heute nicht aktiv mit der Di- gitalisierung auseinandersetzt, sieht «Die Bereitschaft, länger zu arbeiten, den Tsunami nicht kommen.» wird weiter steigen.» Dr. Oliver Vietze, Präsident des Indus Valentin Vogt, Präsident des Schweize- trie- und Handelsvereins der Region rischen Arbeitgeberverbandes, an der Frauenfeld, an der Generalversamm- Medienkonferenz zur Rentenreform lung vom 19. Februar 2018 in Frauen- vom 15. Februar 2018 in Zürich. feld.
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Editorial /5 Die Probleme nicht nur wälzen, sondern lösen Viele Politikerinnen und Politiker ziehen tenalter von Mann und Frau einheitlich Man sollte die Initiative nicht unter- es vor, Probleme zu wälzen, anstatt sie 66 Jahre betragen. Leider ist unser Vor- schätzen. Gründe stellen der missiona- zu lösen. In der Schweiz gibt es zurzeit schlag bisher noch nicht in die politi- rische Eifer der Initianten und die Kom- drei vordringliche Dossiers: die Steuer- sche Diskussion in Bern eingeflossen. plexität der Materie dar. Dann wird das reform, die Altersreform und das Ver- Wenn man den Output des Parlamentes Anliegen auch von einzelnen Ökonomen hältnis zur EU. Im vergangenen Jahr ist betrachtet, dürften sich die Politikerin- unterstützt, die man kennt. Schliess- man in diesen Dossiers keinen Schritt nen und Politiker, die Probleme lieber lich will die Vollgeld-Initiative, dass die weitergekommen. Es handelt sich poli- wälzen, anstatt sie zu lösen, klar in der Nationalbank jährlich neu geschöpftes tisch um ein verlorenes Jahr. Mehrheit befinden. Leider bestätigen Geld in Milliardenhöhe «schuldfrei» an Am 12. Februar 2017 wurde die Unter- die schweizerischen Wählerinnen und die Bevölkerung und den Staat verteilt nehmenssteuerreform III an der Urne Wähler in aller Regel relativ blind beziehungsweise verschenkt. Das ver- abgelehnt. Für den Wirtschaftsstand- sprochene Manna vom Himmel könnte ort Schweiz ist es enorm wichtig, dass falsche Erwartungen wecken. Die Voll- die Steuervorlage 17 nun zeitnah umge- geldreform ist eine deutsche Idee. Man setzt werden kann. Es gilt, das Klima hat sich die Schweiz mit ihrer direkten der Unsicherheit endlich zu beenden. Demokratie als Versuchskaninchen für Die steuerlichen Sonderregeln zu den das waghalsige Experiment ausge- Statusgesellschaften müssen be- sucht. kanntlich abgeschafft werden. Ohne Weitreichend und schädlich wären auch Massnahmen droht ein massiver Ver- die Auswirkungen der Unternehmens- lust beim Steuersubstrat. Wir haben in verantwortungsinitiative. Spontan ge- unserer Stellungnahme eine breite Pa- niesst das Anliegen viel Sympathie. Wer lette von neuen Steuerinstrumenten in- ist nicht gegen Kinderarbeit auf Kakao- klusive eines Abzugs für die sichere Fi- plantagen, unmenschliche Arbeitsbe- nanzierung befürwortet. Gleichzeitig dingungen in Textilfabriken oder un- vertreten wir die Ansicht, es sollte den ethische Geschäftspraktiken? Das Pro- Kantonen überlassen werden, welche die bisherigen Amtsinhaberinnen und blem besteht darin, dass die Annahme Instrumente sie in ihrer Gesetzgebung Amtsinhaber. Wichtiger als das Prädi- der Initiative nichts bewirken würde, je- implementieren wollen und welche kat «bisher» müsste die Lösungsorien- doch mit viel bürokratischem Ballast nicht. tierung sein. Deshalb der Appell: Wäh- für Schweizer Unternehmen verbunden Mit einem konkreten Vorschlag «für len Sie künftig nur noch lösungsorien- wäre. Hilfswerke, Frauen-, Menschen- eine faire Rentenaltererhöhung step by tierte Politikerinnen und Politiker in die rechts- und Umweltorganisationen so- step jetzt» haben wir uns in die Diskus- Parlamente. wie kirchliche Kreise pflegen erneut sion um die Rentenreform nach Ableh- Leider bleiben wir auch im Jahr 2018 den Mythos, die kleine, gute Schweiz nung der Vorlage «Altersvorsorge 2020» von Abstimmungen über wirtschafts- könne die grosse, böse Welt retten. eingebracht. Wir schlagen vor, das Ren- feindliche Volksinitiativen nicht ver- Die Wirtschaft ist gut ins Jahr 2018 ge- tenalter ab 2021 für beide Geschlechter schont. Wir haben in der letzten Ausga- startet. Hoffen wir, dass die Politik von zu erhöhen: bei den Frauen um zwei be des vergangenen Jahres die Voll- diesem Elan angesteckt wird und sich Monate pro Jahr, und bei den Männern geld-Initiative ausführlich vorgestellt. in zentralen Dossiers endlich zu akzep- um einen Monat pro Jahr. Auf diese Diese gelangt am 10. Juni 2018 zur Ab- tierten und nachhaltigen Lösungen Weise würde das Rentenalter 65 bei den stimmung – zusammen mit dem Geld- durchringen kann. Frauen im Jahr 2026 erreicht. Die Män- spielgesetz. Der geforderte Umbau un- ner wären gleichzeitig bei 65 Jahren seres Geldsystems wäre ein Hochrisi- und sechs Monaten. Danach ginge es ko-Experiment, das so noch nirgends Peter Maag, Direktor weiter bis 2032. Dann würde das Ren- durchgeführt wurde.
Interview /6 Das Unternehmertum ist die Grundlage unseres Wohlstandes Daniel Frutig äussert sich zur Schweiz als Unternehmens- und Arbeitsstandort Ein tieferes Verständnis für das unternehmerische Wirken in der Gesellschaft ist dringend nötig. Dies sagt Daniel Frutig, früheres Vorstandsmitglied unserer Kammer, im Interview mit «Fokus IHK». Frutig hat bedeutende Mandate in der Ostschweiz inne, so unter anderem als Verwaltungs- ratspräsident der Starrag Group in Rorschacherberg. Daniel Frutig hat Verwaltungsratsmandate bei bedeutenden Ostschweizer Unternehmen inne.
Interview /7 Interview: Peter Maag Was ist zu tun? Digitalisierung stellen. Generell muss In sämtlichen Bereichen sollten wir «in- die ständige Weiterbildung gefördert «Fokus IHK»: Sie haben lange Zeit im formed decisions» anstreben. Man werden. Es geht um «Lebenslanges Ausland gewirkt. Wie beurteilen Sie nennt dies in den Unternehmen so, Lernen». Wirtschaftliches Grundlagen- den Unternehmens- und Arbeits- wenn man sich zusammensetzt, die wissen und Unternehmertum sollte frü- standort Schweiz? Fakten auf den Tisch legt und basie- her und verstärkt in die schulische Bil- rend auf allen Fakten entscheidet. Die- dung eingebunden werden. People Daniel Frutig: Unsere Stärken in der ses Vorgehen empfiehlt sich nicht nur Skills, komplexes, vernetztes Denken, Schweiz sind die enorme Innovations- für Unternehmen, sondern auch für die Kollaboration, Kreativität, Umgang mit kraft. Trotz den Wilden aus Silicon Val- Politik. Sicherlich eine löbliche Hand- Unvorhergesehenem usw. – dies sind ley gehören wir diesbezüglich immer lungsweise im Lichte der Diskussionen wichtige Skills, die früh in die Ausbil- noch an die Spitze. Aber wir laufen Ge- um «Fake News»! dung gehören! Ein gutes Beispiel sind fahr, dass wir aus Selbstgefälligkeit den meiner Meinung nach die Wirtschafts- Anschluss verpassen. Zudem wird in Auf welchen Stärken kann die Schweiz wochen an den Gymnasien. Neben dem der Schweiz meines Erachtens das Un- aufbauen? Arbeitsmarkt und dem Bildungssystem ternehmertum im Gegensatz zu ande- Neben der eingangs erwähnten Innova- betrachte ich die soziale Sicherheit als ren Ländern noch zu wenig gewürdigt tionskraft scheint mir wesentlich die Stärke der Schweiz. Hier gilt es, die Fi- und verstanden. Entsprechend gilt es Erhaltung und Sicherung eines offenen nanzierung sicherzustellen. dieses Verständnis zu fördern. Ein Un- und liberalen Arbeitsmarktes. Wir müs- ternehmer, der scheitert ist bei uns sen gemeinsam die Vorteile des schwei- Welche Herausforderungen stellen stigmatisiert, in den USA jedoch gilt das zerischen Arbeitsmarktes ins Zentrum sich dem einzelnen Unternehmen? als Erfahrung. Die Diskussion in der unseres Handelns stellen. Ein Blick auf Als Unternehmer und unternehmerisch Schweiz im Spannungsfeld von Arbeit- die demografische Entwicklung zeigt, mitdenkende Manager müssen wir die geber und Arbeitnehmenden, moderiert dass die Schweiz auf eine qualifizierte Trends und den Wandel rascher und durch die Gewerkschaften, nehme ich Zuwanderung und die berufliche Inte wirkungsvoller in die Konzeption unse- jedoch zunehmend als polarisierend gration von Flüchtlingen angewiesen rer Produkte integrieren. Die Sicherung wahr. Viele Spannungen werden da- ist. In den nächsten zehn Jahren wer- der Wettbewerbsfähigkeit des Unter- durch verursacht, dass die Polarisie- den rund eine Million Arbeitnehmende nehmens betrachte ich als die zentrale rung gepflegt wird, insbesondere auch in Pension gehen. Es werden uns dann Aufgabe einer Führungskraft. Dazu ge- in den Medien und in der Politik. In der rund 400’000 Personen auf dem Ar- hören das Verstehen globaler Trends, Gesellschaft fehlt meines Erachtens die Fokussierung auf einzigartige Wett- ein tieferes Verständnis für das unter- bewerbspositionen, die Dynamisierung «In der Gesellschaft fehlt nehmerische Wirken. Auch mangelt es der Unternehmung und der proaktive an Wertschätzung. ein tieferes Verständnis Umgang mit dem Wandel. für das unternehmerische Was läuft schief? Wirken.» Wie steht es mit der sozialen Dimen Das Unternehmertum bildet den sion? Schlüssel zu unserem Wohlstand. Un- Ein Unternehmen muss sozialverant- ternehmerinnen und Unternehmer wortlich handeln. Mitarbeitende sind schaffen Arbeitsplätze und sichern un- beitsmarkt fehlen. Neben der Zuwan- die Quelle des Erfolges. Bei einem in- seren hohen Lebensstandard und ge- derung wird die Wirtschaft verstärkt ternational tätigen Konzern drückt man hen hohe Risiken ein. Diese Tatsachen ältere Arbeitnehmende über das Pensi- dies beispielsweise so aus: «Great peo- werden in der öffentlichen Diskussion onierungsalter hinaus beschäftigen. ple, great services, great results.» Es leider gerne vergessen oder in den Hin- Zusätzliche Anstrengungen sind nötig beginnt also auch bei einem multinatio- tergrund gedrängt. Es liegt weiter auf bei der Förderung der Frauen und der nalen Unternehmen mit den Menschen. der Hand, dass ein Unternehmen Geld Diversity. Ein weiteres Augenmerk müs- Sozialverantwortlich handeln zeigt sich verdienen muss. Um das Unternehmen sen wir auf die Vereinbarkeit von Beruf ausgeprägt in Situationen, in denen ein weiterentwickeln zu können und die und Familie legen. Die Unternehmen Unternehmen kein Geld mehr verdient Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu si- sind gefordert, international wettbe- und ein Problem erkennt. Echte Unter- chern, braucht es eine gesunde finan- werbsfähige Arbeitsplätze anzubieten. nehmer betrachten die Mitarbeitenden zielle Basis. Voraussetzung ist natür- stets als Umsetzer und Befähiger ihrer lich stets, dass die Produkte oder Gibt es weitere Assets? Ideen. Es besteht oft auch eine tiefe Dienstleistungen des Unternehmens Ja, absolut! Ein weiterer wesentlicher Verbundenheit. Ich denke jedoch, dass einem Marktbedürfnis entsprechen. Standortfaktor ist das Bildungssystem. niemand so richtig weiss, wie man Ohne innovative und weltoffene Unter- Die duale Berufsbildung betrachte ich «Great people» motiviert und ins Unter- nehmen kann der Wohlstand in der Zu- als eine der Stärken des Standortes nehmen holt! In Anbetracht der Auto- kunft für die Schweiz nicht gesichert Schweiz. Aber auch die Berufsbildung matisierung und Roboterisierung fallen werden. muss sich den Herausforderungen der viele Jobs weg und neue entstehen.
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Interview /9 Aber wir werden nicht aus allen Kassie- rerinnen und Lastwagenfahrern Pro- grammierer machen können. Hier müs- sen Unternehmer aktiver an der sozialpolitischen Diskussion teilneh- men und mitdenken, wie diese Lücken gelöst werden können zum Beispiel durch Anreizsysteme und Weiterbil- dungsprogramme für andere Jobs. Da müssten wir auch aktiver werden. Welchen Stellenwert hat die Sozial- partnerschaft? Die Sozialpartnerschaft hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Pflege einer intakten Sozialpartner- schaft wird auch künftig eminent wich- tig sein. In den vergangenen Jahrzehn- ten hat sich vieles zum Wohlergehen der Mitarbeitenden verbessert. Als Bei- spiele kann man die besseren Arbeits- bedingungen, den verstärkten Gesund- heitsschutz oder die Vorschriften über die Massenentlassung nennen. Die So- zialpartnerschaft steht heute und in absehbarer Zukunft jedoch vor grossen Herausforderungen. An welche Herausforderungen denken Sie? Stichworte dazu sind die Internationali- sierung und die Digitalisierung. Wir stellen weiter einen Trend zur Individu- «Unternehmer müssen aktiver an einer gesellschaftlichen Debatte teilnehmen.» alisierung und zu neuen Arbeitsmodel- len fest. Dies dürfte die Gründung von Einzelunternehmen und neue Entloh- nungsmodelle begünstigen. Der be- ständige und beschleunigte Wandel un- terstreicht die Wichtigkeit der Aus- und Weiterbildung. Der Erhalt von industri- ellen Arbeitsplätzen, verbunden mit der Möglichkeit, ungelernte Arbeitskräfte zu beschäftigen, wird dagegen immer schwieriger. Die Babyboomer-Jahrgän- ge gehen in den Ruhestand, was den «War for Talents» verschärft. Im Weite- ren nehmen mit dem Grad der Verschul- dung der Länder die Suche nach zu- sätzlichem Steuersubstrat und ebenso Daniel Frutig: «Die Aufgaben und Einstellungen der Gewerkschaften müssen sich rasch der neuen der Protektionismus zu. Zeit anpassen.»
Interview /10 Was kommt mit den neuen Arbeits Mitarbeitende zudem selbst aktiv. Da- modellen auf uns zu? mit unterscheidet sich die Situation Daniel Frutig Die grossen fünf Treiber von «New vom Ausland. Daniel Frutig begann seine berufliche Work» sind Globalisierung, neue Ver- Karriere vor mehr als dreissig Jahren haltensweisen (wir lesen News auf Gibt es auch positive Erlebnisse? als Ingenieur. Er entwickelte sich von Facebook oder Twitter), Millennials Durchaus, ich blicke auf viele schöne der Fachkraft zunächst zum interna- werden 2025 27 Prozent der Workforce Erlebnisse mit Gewerkschaften zurück. tional tätigen Manager. Mehr als die ausmachen, aber wir haben Unterneh- So haben wir beispielsweise gemein- Hälfte der Zeit wirkte er beruflich im men noch wie 1975, Mobilität (Arbeit ist sam nach Lösungen gesucht, um der Ausland. In der Zwischenzeit hat sich kein Ort mehr, wo man hingeht, sondern Frankenstärke zu begegnen. Ich stam- Frutig von internationalen Konzernen me aus einer Arbeiterfamilie. Meine weg – und zu eigentümerorientierten Eltern und Grosseltern führten einen Unternehmen zubewegt. Er ist unter «Ein gutes Beispiel sind handwerklichen Beruf aus. Familien- anderem als Verwaltungsratspräsi- meiner Meinung nach die mitglieder waren und sind gewerk- dent des Werkzeugmaschinenher- schaftlich aktiv. Früher habe ich selber stellers Starrag, Rorschacherberg, Wirtschaftswochen an den ganz selbstverständlich an den 1.-Mai- und als Verwaltungsratsvizepräsi- Gymnasien.» Umzügen teilgenommen. Noch heute dent der Eugster/Frismag AG, Amris- kommt es an Familientreffen zu inten- wil, tätig. siven Auseinandersetzungen zum den man mit sich trägt) und Technologie Spannungsfeld von Arbeitnehmenden sind das Betriebssystem von allem. Un- und Arbeitgebern. Ich denke, dass ich ternehmen müssen sich transformie- «die Büezer» gut verstehe. Ich hoffe, ten Rahmen. Unternehmer müssen viel ren. Aber Menschen auch. Es werden dass sich die Gewerkschaften wieder mehr an einer gesellschaftlichen De- komplett neue Berufsbilder entstehen. vermehrt auf die Sache besinnen und batte teilnehmen. Zum Beispiel im Be- Einem 20-Jährigen gelingt das eventu- das direkte Gespräch suchen. zug auf den Service Public (Fake News, ell leichter. Was ist mit den 40-,50-, 60- Private-News-Anbieter), in ethischen Jährigen? Wie gehen wir damit um? Was kann die Arbeitgeberseite tun? Fragen (Fusion Mensch und Maschine, Als Schweizer und als unternehmerisch Zweiklassengesellschaft im Health-Ca- Und wie erleben Sie in diesem Kontext denkender Manager trage ich eine klare re-Bereich, Design-Menschen), Bildung die Gewerkschaften? gesellschaftliche Verantwortung. Heu- usw. Also nicht nur mit der Frage ausei- In der jüngsten Zeit erlebe ich die Zu- te vertrete ich, gestützt auf meine Her- nandersetzen: wie werden wir leben?, sammenarbeit mit den Gewerkschaf- kunft, meinen Werdegang und meine sondern: wie wollen wir leben? Arbeit- ten eher als negativ. Ich erlebe sie als Werte, ganz klar die Interessen der Un- geber müssen klar vermitteln, dass die Wächter des Status Quo. Dabei müss- ternehmen, und zwar in einem sozial- Unternehmen die Grundlage unseres ten sie sich aktiv für den Umgang mit verantwortlichen und werteorientier- Wohlstandes bilden. der Transformation einsetzen und Ge- spräche mit allen Anspruchsgruppen suchen, wie nicht Arbeitsplätze, son- dern Menschen geschützt werden kön- nen. Die Aufgaben und Einstellungen der Gewerkschaften müssen sich rasch der neuen Zeit anpassen. Die Arbeit der Gewerkschaften ist immer noch ge- prägt von der Pflege und Aufrechterhal- tung von Feindbildern. Man sucht die mediale Aufmerksamkeit und eine ver- stärkte Mobilisierung der Basis. Damit einher geht das Unvermögen, sich an einen Tisch zu setzen und eine Diskus- sion zu führen mit dem Ziel, ein gemein- sames Ergebnis zu erreichen. Die eige- ne Profilierung geniesst leider eine höhere Priorität als das Erreichen eines Win-Win-Ergebnisses. Die heutigen Ar- beitnehmenden haben sich weit ent- fernt vom Verständnis während der In- dustrialisierung oder der Situation vor hundert Jahren. In der Schweiz werden Daniel Frutig verfügt über eine grosse Führungserfahrung im Ausland.
Anlässe /11 Oliver Gassmann: «Der digitale Tornado greift überall durch» Fünftes EcoOst-Symposium in St. Gallen nimmt die Geschäftsmodelle unter die Lupe «What’s new? Geschäftsmodelle im Wandel» stand im Zentrum des fünften EcoOst-Symposiums. Während HSG-Professor Oliver Gassmann die wissenschaftliche Basis lieferte, vertieften drei Persönlichkeiten das Thema aus ihrer Sicht: Roland Ledergerber (St. Galler Kantonalbank), Walter Oberhänsli (Zur Rose Group) und Zeno Böhm (Burkhalter Gruppe). schäftsmodell Antworten auf vier grundlegende Fragen liefern muss: «Wer ist unser Zielkunde? Was bieten wir ihm? Wie erbringen wir die Leistung und wie stellen wir diese her? Und wie wird Wert erzielt?» Einfluss auf den Wettbewerbsvorteil Von einer Geschäftsmodellinnovation spricht man gemäss Gassmann dann, wenn sich mindestens zwei dieser vier Antworten deutlich verändern. 90 Pro- zent der Geschäftsmodellinnovationen seien allerdings Rekombinationen des Bisherigen. Das Neu- oder Weiterentwi- ckeln von Geschäftsmodellen sei denn auch keine Kunst, sondern ein Hand- werk, aber für den langfristigen Unter- nehmenserfolg entscheidend. Manager seien zwar grundsätzlich überzeugt, dass Geschäftsmodellinnovationen ei- nen grösseren Einfluss auf den Wettbe- Referent Walter Oberhänsli stellt einen generellen Trend zu E-Commerce fest. werbsvorteil haben als Produkt- oder Bilder: Augustin Saleem Prozessinnovationen. Trotzdem werde in den Unternehmen oft zu wenig auf die Weiterentwicklung von Geschäfts- Von Robert Stadler und Peter Maag lich. HSG-Professor Oliver Gassmann, modellen geachtet. Um diesen Wandel seit 2008 Direktor des Instituts für zuzulassen, brauche es die entspre- Der Begriff Digitalisierung ist omniprä- Technologiemanagement, lieferte im chende Unternehmenskultur. «Der digi- sent. Die Digitalisierung verändert Ge- ersten Referat die wissenschaftlichen tale Tornado greift überall durch», sellschaft und Wirtschaft fundamental Grundlagen zum Tagungsthema. «Wenn zeigte sich Gassmann überzeugt. Er und hat die Kraft, lange Zeit bestens Sie die Digitalisierung wollen, dann verdeutlichte dies am Beispiel der Digi- funktionierende Geschäftsmodelle zu müssen Sie sich selber damit beschäf- talkameras. Diese seien anfänglich zertrümmern. Auch beim diesjährigen tigen», sagte er zu den Führungskräf- «richtig schlecht» gewesen. Mittlerwei- EcoOst-Symposium wurde dies deut- ten. Er erklärte weiter, dass ein Ge- le seien sie «überragend gut».
Anlässe /12 schweizweiter Kompetenz» auf den Punkt. Durch die Eigenständigkeit der lokalen Gesellschaften können sich diese optimal an die geografisch und kulturell unterschiedlichen Strukturen anpassen und auf eine starke Kunden- bindung zählen. Gleichzeitig ist es den einzelnen Gesellschaften möglich, Fachwissen aus den regionalen Kom petenzzentren zu beziehen, das lokal nicht vorhanden wäre. Podiumsgespräche und S timmakrobatik Unter der Leitung von Moderatorin Sabine Bianchi vertieften die vier Refe- renten in zwei Podiumsgesprächen die Tagungsthemen. Martin O. sorgte wäh- Das Publikum lachte viel am diesjährigen EcoOst-Symposium; vorne in der Mitte Dr. Kurt Weigelt, rend des ganzen Nachmittags immer Landammann Paul Signer, Prof. Dr. Oliver Gassmann und Peter Spenger. wieder für musikalische Highlights. Mit seinem Symphonium sorgte er nicht nur für grossartige Stimmung, sondern lie- Balance zwischen Anpassung und fest, dass der generelle Trend zu ferte dazu noch eine humorvolle Zu- Kontinuität E-Commerce auch vor dem Gesund- sammenfassung der Inhalte der Refe- Die im Einstiegsreferat gelegte wissen- heitswesen nicht haltmacht. Bloss: rate. Mit einem EcoOst-Buffet mit Ost- schaftliche Basis wurde durch drei Re- «Das Gesundheitswesen wehrt sich ge- schweizer Spezialitäten und vielen ferate aus der unternehmerischen Pra- gen die Veränderung.» Moderne Ge- Netzwerkmöglichkeiten wurde der An- xis vertieft. Roland Ledergerber, CEO schäftsmodelle werden regulatorisch lass beendet. Begrüsst wurden die Teil- der St. Galler Kantonalbank, machte erschwert. Die heutige Apothekenord- nehmenden von Peter Spenger, Präsi- eine Auslegeordnung zur Bankenbran- nung mit Festpreissystem geht laut dent der IHK St. Gallen-Appenzell, und che in der Schweiz. Durch Regulierung, Oberhänsli auf Kaiser Friedrich II. und verabschiedet von Christian Neuweiler, Negativzinsen und Digitalisierung seien das Jahr 1240 zurück. Er glaubt, dass Präsident der IHK Thurgau. Das Gruss- die Margen gesunken, Kosten und Risi- die Zukunft liberal ist und sich moderne wort aus der Politik überbrachte Land- ken seien dagegen gestiegen. Die Kon- Ansätze nicht aufhalten lassen. ammann Paul Signer, Kanton Appenzell solidierung am Schweizer Bankenmarkt Heute reiche es nicht mehr, ein Produkt Ausserrhoden. sei in vollem Gang. Doch wie reagiert von A nach B zu senden oder es im sta- man als Bank auf diese veränderten tionären Geschäft anzubieten, ist Ober- Bedingungen? Für Roland Ledergerber hänsli überzeugt. Die Zukunft liege im ist eine «disruptive» Bank – eine Bank Omni-Channel. Gemeint ist damit das ohne Niederlassungen, ohne Gebühren, kanalübergreifende Einkaufen: Online Treffpunkt für Ostschweizer ohne Backoffice oder ohne Berater – bestellen und in der Apotheke abholen Wirtschaft keine Lösung. Die zentralen Differen- – oder umgekehrt. Um diesem Kunden- Das EcoOst-Symposium ist Treff- zierungsfaktoren einer Bank bleiben bedürfnis zu begegnen, baut die Zur punkt für Entscheidungsträgerin- Vertrauen, Sicherheit und Verlässlich- Rose Group ihre stationäre Präsenz in nen und -träger aus kleinen, mittle- keit. Es brauche deshalb eine Balance der Schweiz zusammen mit der Migros ren und grossen Unternehmen, aus zwischen Anpassung und Kontinuität. weiter aus. der Wissenschaft und der Praxis, Die schrittweise Transformation erlau- aus allen Branchen und aus allen be es, die Vertrauensbasis zu erhalten Schweizweite Kompetenz Regionen der Ostschweiz. Mit der und gleichzeitig die Herausforderungen Eine ganz andere Geschäftsmodellin- Veranstaltung wollen die Organisa- der Digitalisierung zu meistern. novation hat die Burkhalter Gruppe um- toren (die Industrie- und Handels- gesetzt. Sie besteht aus 45 operativen kammern St. Gallen-Appenzell und Spielregeln verändern Gesellschaften, die weitgehend auto- Thurgau, die Universität St. Gallen Die Zur Rose Group aus Frauenfeld ist nom geführt sind und an knapp hundert und die St. Galler Tagblatt AG) einen ein gutes Beispiel für Geschäftsmodell Standorten in der ganzen Schweiz Elek- Beitrag zum Wissenstransfer in der innovation: Sie ist Europas grösste Ver- trotechnikleistungen am Bauwerk er- Wirtschaft leisten und die Ost- sandapotheke und eine der führenden bringen. CFO Zeno Böhm brachte das schweiz als einheitlichen und star- Ärztegrossistinnen der Schweiz. Grün- Geschäftsmodell mit «lokaler Auftrags- ken Wirtschaftsraum positionieren. der und CEO Walter Oberhänsli stellt abwicklung, regionalem Know-how und
Anlässe /13 Den Spagat zwischen High Tech und High Touch bewältigen Leadership-Expertin Nicole Brandes sprach an den Kaminfeuergesprächen unserer Kammer Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt in rasantem Tempo. Nicole Brandes, Leadership-Ex- pertin und internationaler Managementcoach, sprach an unseren beiden Kaminfeuergesprächen zum Jahreswechsel am 12. Dezember 2017 im Wasserschloss Hagenwil und am 17. Januar 2018 im Restaurant & Hotel Heidelberg in Aadorf. Von Peter Maag Nachstehend findet sich eine Zusam- menfassung ihres Referates zum The- ma «Leadership 4.0 – Helden zwischen Digitalität und Menschlichkeit». «Die technologische Revolution bringt uns fantastische Möglichkeiten. Gleich- zeitig sorgt sie mit ihrer Dynamik und Vielschichtigkeit für massiven Stress. Sie verlangt Führungskräften Qualitä- ten von Superhelden ab – High Perfor- mer, Lebensretter von Organisationen, Innovator der Gegenwart und Gestalter von Zukunft in nur einer Person zu sein. Zusätzlich dürfen Sie das Wichtigste nicht vergessen: den Menschen. Denn je mehr High Tech durch die Digitalisie- rung in unser Leben einzieht, desto mehr menschliches Können – also des- to mehr High Touch – ist gefragt. Orientierung stiften Das bedeutet: Führungskräfte müssen IHK-Präsident Christian Neuweiler mit Referentin Nicole Brandes im Wasserschloss Hagenwil. in diesem Chaos mehr denn je Orientie- Bilder: Mario Gaccioli rung, Zugehörigkeit und Sinn stiften. Dazu bedarf es innerer Stärke und Re- silienz, denn: Je mehr Volatilität im Au- gelingt: Indem wir uns erst einmal 3. Was treibt Menschen? Bedürfnisse, ssen desto mehr Stabilität braucht es selbst orientieren und dabei vier Berei- Werte, Lebensmotive. im Innen. Nicole Brandes zeigt einen che prüfen: 4. Was treibt mich? möglichen Ansatz, mit dem sie mit Füh- 1. Die grossen treibenden Kräfte – wel- rungskräften arbeitet, um an diese in- che Megatrends den Change treiben. Innerer Kompass nere Kraft zu gelangen: den Leadership 2. Die treibenden Kräften in einer Orga- Wir alle kennen unsere Ziele. Wir wis- 4.0 Kompass. Er zeigt auf, wie der Spa- nisation – Disruption, neue Geschäfts- sen, wohin wir wollen, aber woraus wir gat zwischen High Tech und High Touch modelle und neue Strukturen. agieren, das wissen die wenigsten. Un-
Anlässe /14 sieht die Chancen. Der Kämpfer: Er macht sich für den neuen Change stark. Der Lover, der die tiefen Bedürfnisse der Menschen kennnt. Und der Träu- mer, der um seine eigenen Lebensmo tive weiss, welchen Traum er verfolgt und wofür er brennt. Dem Menschen nützen Führungskräfte der Zukunft sind in den Augen von Nicole Brandes vor allem Hu- managenten. Sie wissen, wie man eine echte Verbindung herstellt, und schaf- Nicole Brandes referiert in der historischen Umgebung des Wasserschlosses Hagenwil fen den Shift, neben Krieger auch Lover über Zukunftsthemen. und neben Denker auch Dreamer zu sein: Profit ist das Blut in den Venen ei- ner Organisation, Purpose: ihr Herz. tersuchungen zeigen, dass wir laufend dann können wir uns viel kraftvoller Wer seinen Purpose kennt, tritt als Füh- in einem inneren Dialog sind, vor allem selber steuern. Diese Stimmen kann rungskraft nicht nur professioneller bei Herausforderungen. Gelingt es uns, man als inneres Executive Team benen- auf, sondern auch kraftvoller, denn er zu identifizieren, wer spricht, wer laut nen, auch genannt die Big Four: Der fühlt sich eins mit sich selbst. Purpose ist, wer leise und wer keinen Raum hat, Denker: Er spürt den Atem der Zeit und gibt uns Sinn, Orientierung und Zugehö- rigkeit. Wir leben in atemberaubenden Zeiten, in denen das Unmögliche möglich zu werden scheint. Und in den nächsten zwanzig Jahren werden wir uns mehr verändern als in vergangenen 300 Jah- ren. Daher brauchen wir Führungskräf- te, die Technologie nutzen und dem Menschen nützen. Die nicht nur in Tech investieren, sondern auch in menschli- che Kompetenzen. Der innere Kompass ist eine Möglichkeit in diesen rasanten Zeiten, in der eigenen Kraft zu bleiben. Damit gelingt es, Menschen besser zu erreichen, sie zu bewegen und zu inspi- rieren. Menschen folgen dann, weil sie wollen und nicht weil sie müssen. Denn innere Klarheit und Stärke sind ma- gisch anziehend.» Nicole Brandes Nicole Brandes ist internationaler Management Coach, Autorin und Partnerin des Zukunftsinstituts. Die ehemalige Managerin hat über 15 Jahre Erfahrung an der Spitze von namhaften Grosskonzernen. Heute hält sie international Vorträ- ge für Unternehmen aller Branchen und arbeitet mit Führungskräften an ihrer inneren Kraft und für eine neue Führungskultur. Apéro im Wasserschloss Hagenwil vor dem Kaminfeuergespräch vom 12. Dezember 2017.
Porträt /15 «Ich wünsche mir, dass du möchtest, was ich habe» Ist Werbung Verführung und Marketing der Motor dahinter? «Von wegen!», sagt Sabine Köhler, Mitinhaberin der Werbe- und Webagentur WEMAKO, Ermatingen. Gutes Marketing ist für sie viel mehr. Ein Kunstwerk: klar, zurückhaltend, einmalig und echt. In das Unternehmen eingetreten ist sie im Jahr 1993. Von Kathrin Zellweger Auf allen Kanälen und zu jeder Minute am Tag werden wir von Werbetexten und -slogans umschmeichelt. Wie müssen Marketing und Werbung sein, dass sie in der undefinierbaren Sauce von News- lettern, Prospekten, Werbeartikeln und Gratisangeboten beachtet werden? Sa- bine Köhler lächelt. «Nicht laut, schrill und hipp wollen wir sein. Im Gegenteil. Um herauszustechen, sind wir klein, fein und qualitätsvoll. Was auch mit un- serer Teamgrösse zu tun hat.» Wir, das sind Sabine Köhler, Stephan Trauffer und Lukas Menges. Köhler, von der Be- triebswirtschaft her kommend, und Trauffer, der Grafikdesigner, sind seit 2010 Inhaber der Firma WEMAKO in Er- matingen, die 1974 gegründet wurde. Ergänzt wird das Duo durch den Wirt- schaftsinformatiker Menges. Authentische Botschaften Sich selbst preist die Werbe- und Webagentur als Partner für Print und Sabine Köhler ist Mitinhaberin der Werbe- und Webagentur WEMAKO in Ermatingen. Digital an. Auf ihrer Webseite steht bei- Bilder: Kirsten Oertle / Foto Prisma spielsweise der Satz «Wir schaffen Identität». Klingt selbstbewusst. Daher tätig, wüsste sie jetzt vielleicht keine stimmen. Dann wirkt die Botschaft au- ist die Frage erlaubt, ob nicht jeder Un- Antwort. Stattdessen zupft sie ihr Ja- thentisch und kommt an.» Wenn es ei- ternehmer, jede Firma und jedes Pro- ckett zurecht, streicht sich die Haare nem Unternehmer samt seinem Betrieb dukt an sich eine Identität hat, die sich aus dem Gesicht und sagt: «Es geht um in der Rolle der «grauen Maus» wohler nicht schaffen, sondern bestenfalls po- Authentizität. Jeder visuelle Auftritt ist als in jener des Paradiesvogels, dann lieren lässt? Die Frage überrascht Sabi- enthält eine Botschaft. Diese Botschaft darf das so bleiben. «Wir ermutigen die ne Köhler. Wäre sie nicht schon ein Vier- muss mit dem Unternehmen und seinen ‹graue Maus› zwar zur Farbe, aber wir teljahrhundert im PR- und Marketing Werten sowie dem Produkt überein- verknurren sie nicht dazu.»
Porträt /16 Im Übrigen, ergänzt die Unternehmerin, nem IKEA-Baukasten bieten will, basteln, und im Netz problemlos ein gebe es auch Auftraggeber mit einem braucht ein Gespür für Menschen, be- süffiger Werbespot abgekupfert werden ausgesprochen üppig blühenden Ego, gegnet sowohl dem Kunden wie dem kann, ist das zwingend. In unmittelbarer denen man wiederum zu etwas Zurück- Zielpublikum mit Respekt. Die spezifi- Zukunft mit der zunehmenden Digitali- haltung rate. In beiden Fällen gilt: «Wir sche Leistung des Unternehmens soll sierung werden nur jene Agenturen haben gute Argumente und eine Menge im Vordergrund stehen. Alles andere er- überleben, die mit Fachkompetenz Erfahrung. Der Kunde aber hat das letz- zeugt bloss Lärm, aber kein Echo. überzeugen und Menschenkenntnisse te Wort. Wir wissen einiges über den In der Tat zeigt ein Blick in die über haben. Ja, Menschenkenntnis und Fin- Markt, seine Regeln und dessen Teil- bordende Werbungsmaschinerie, wie gerspitzengefühl. Denn in der Werbung nehmer. Hier sehen wir uns als Mitspie- dümmlich und geringschätzig vieles reicht es nicht aus, etwas sagen zu wol- ler – aber nicht als Draufgänger mit daherkommt. «Unser Business ist ein len; man muss auch etwas zu sagen ha- Feindbildern.» Dann bündelt das kreati- ausgesprochenes People-Business. ben. Daher sind auch nicht alle Kunden- ve Team seine Energie und sein Fach- Fruchtbare Kundenbeziehungen sind wünsche umsetzbar und nicht alle wissen, um Kundenwünsche wahr wer- ein Prozess, der mit Intuition zu tun hat. sinnvoll. den zu lassen. Sabine Köhler ist ausser Wir können und wollen nicht die Massen Die meisten Neukunden melden sich Mitinhaberin vor allem für die Beratun- erreichen, sondern ein fassbares Ziel- dank mündlicher Empfehlung. Aber gen und die Texte zuständig. Trauffer publikum. Das schafft man nur mit indi- ohne aktive Akquisition gehe es doch dagegen ist der Designer mit dem viduellen Lösungen.» Da kommen Sabi- nicht. Wichtig und erfolgsversprechend untrüglichen grafischen Blick, der so- ne Köhler ihre früheren Erfahrungen erscheint Sabine Köhler, dass alle drei fort sieht, ob eine visuelle Umsetzung in zugute, als sie auf der Seite ihres heuti- des WEMAKO-Teams sich aktiv und in- sich stimmt, ob Materialität, Schrift, gen Zielpublikums tätig war. Bevor sie in teressiert am Gesellschaftsleben betei- Farben, Bildgrösse etc. einander ergän- die Kommunikation wechselte, arbeite- ligen, indem sie in unterschiedlichen zen oder erdrücken. te sie nämlich in der Hotellerie, in einem Gremien mitarbeiten, sich sozial enga- Produktionsbetrieb und in der Luft- gieren, um in der Öffentlichkeit wahrge- Intuition ist wichtig fahrt. nommen zu werden. Manchmal trage Der Firmenname WEMAKO ist ein Akro- sie an einem Anlass zwei Hüte, jenen nym aus WErbung, MArketing, KOmmu- Klein und fein der Privatperson und jenen der Ge- nikation. Kommunikation heisst in Damit der Auftraggeber am Schluss das schäftsfrau. Nicht dass sie jeden Apéro diesem Fall nicht ausschliesslich Kom- Passende und Notwendige hat, muss als Bühne für ein berufliches Schautur- munikation gegen aussen, also zum ihm von Anfang an aufgezeigt werden, nen betrachten würden. Aber das Ras- Markt hin. Zuerst ist es Kommunikation wie viele Arbeitsschritte es braucht und seln mit dem Werkzeug gehört nun mal mit dem Kunden. Denn wer kein Marke- was das kostet. Nachdem schon heute zum Handwerk. Vornehme Zurückhal- ting von der Stange und keine zusam- rudimentäre Computerkenntnisse aus- tung ist hier jedenfalls fehl am Platz. Da mengeschusterte Werbung wie aus ei- reichen, um zu Hause einen Flyer zu – zum Glück für WEMAKO, möchte man sagen – Kommunikation weder ein für alle Mal erfolgreich noch je abgeschlos- sen ist, werden bestehende Kunden- kontakte mit Bedacht gepflegt. Statt mit teuren Firmenanlässen lieber mit einem netten Anruf beim Kunden, dass etwas noch nicht ganz erledigt sei oder dass es eine zusätzliche Werbemöglich- keit gebe. Klein und fein auch hier. Eingespieltes Team Die Werbe- und Webagentur vom Unter- see arbeitet für alle, die ihre Dienste in Anspruch nehmen wollen: vom Gross- verteiler über Städte bis zur Schweizeri- schen Post, für die sie Sonderbrief marken entwerfen konnten. Zwei Ausnahmen gibt es: politische Mandate und Krisenkommunikation. Gibt es wirk- lich keinen Auftrag und keine Ansicht, bei denen das Trio «Stopp, kommt nicht in Frage» ruft? Nein, eine solche Situati- on habe es noch nie gegeben. Aus Sabi- Sabine Köhler im Gespräch mit Stephan Trauffer, Mitinhaber des Unternehmens. ne Köhlers Antwort ist herauszuhören,
Porträt /17 dass sie froh ist, dass sie sich darüber noch nie den Kopf zerbrechen mussten. Vieles in diesem lichtdurchfluteten Ge- meinschaftsbüro scheint vor allem zwi- schen Köhler und Trauffer, aber auch mit Menges, ohne viele Worte gut zu funktionieren. Trotz ihrer Verschieden- heit – Frau/Mann, älter/jünger, Deut- sche/Schweizer – fühlt sich das Inha- berduo demselben Stil verpflichtet: reduziert, zurückhaltend im Ausdruck, klar und authentisch in der Aussage. «Das schafft Vielfalt, führt zu besseren Lösungen; und dank gegenseitiger Kor- rektur verrennen wir uns selten.» Ganz ohne Grundsatzdiskussionen geht es Zur Person trotz allem nicht. Doch offenbar schafft Sabine Köhler, 1962, wuchs in der Region Bodensee-Oberschwaben (D) auf. Nach es das Trio, dass das Problem im Zen dem Studienabschluss als Diplom-Betriebswirtin BA und berufsbegleitender trum bleibt und keine persönliche Ausbildung zur Hotelkauffrau erweiterte sie ihr Wissen in den Bereichen Kommu- Animosität aufkommt und die Zusam- nikation, Text und Web. 1989 nahm sie ihre erste Stelle als PR- und Marketing- menarbeit belastet. Bei Meinungsver- Assistentin an. Auch nach dem anderthalbjährigen Erziehungsurlaub – Köhler schiedenheiten lieber einen Schritt zu- hat eine 27-jährige Tochter – blieb sie der Kommunikation treu und trat 1993 in rück machen, statt sich ineinander zu die WEMAKO ein. Seit 2010 führen sie und Stephan Trauffer paritätisch die Wer- verbeissen. Stephan Trauffer schaut be- und Webagentur, deren Inhaber sie auch sind. Sabine Köhler lebt in Konstanz. kurz hinter seinem Computer hervor: Als ausgesprochener Sinnes- und Naturmensch liebt sie feines Essen, guten «Seit gut sieben Jahren funktioniert das Wein und die Berge. In diesem Umfeld kann sie sich entspannen. bestens.» Code shazamen und den BMW X2 erleben. DER ERSTE BMW X2. JETZT BEI IHRER BICKEL AUTO AG. Bickel Auto AG Bickel Auto AG 8501 Frauenfeld 8570 Weinfelden www.BickelAutoAG.ch www.BickelAutoAG.ch
Aktuell /18 Die Erhöhung des Rentenalters rasch und fair in Angriff nehmen Unsere Kammer präsentiert einen Vorschlag für ein einheitliches Rentenalter 66 Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Thurgau fordert eine faire und schrittweise Erhöhung des Rentenalters. Mit der Umsetzung ihres Step-by-step-Vorschlages würde im Jahr 2032 für Frauen und Männer Gleichstand erreicht, und zwar mit einem einheitlichen Rentenalter von 66 Jahren. An einer Medienkonferenz in Weinfelden wurde der Vorschlag vorgestellt. Sie informierten über den Step-by-step-Vorschlag der IHK: Christian Neuweiler, Delio Schütz, Dr. med. Annemarie Fleisch Marx und Dominik Hasler. Bild: Mario Gaccioli Von Peter Maag Babyboomer-Generation verschärft. Politik tue sich allerdings schwer damit. Die Zahl der aktiven Erwerbstätigen Die politische Akzeptanz für eine «Mehr Menschen leben länger und be- gegenüber den Pensionierten sinkt. schrittweise und faire Rentenalterer- ziehen länger Rente. Länger leben be- Wegen dieser demografischen Entwick- höhung sei gegeben. Die Massnahme deutet auch länger arbeiten», sagte Do- lung wird die Finanzierung der sei sachlogisch begründet. Das be- minik Hasler, Vorstandsmitglied der IHK Vorsorgewerke immer prekärer. nachbarte Ausland hat uns diesbezüg- Thurgau, am 12. Dezember 2017 vor den «Die Diskussion um das höhere Renten- lich überholt. Fast überall in Europa er- Medien in Weinfelden. Die Situation alter ist unvermeidlich und muss jetzt höht sich das Rentenalter auf über 65 wird durch die Pensionierungswelle der geführt werden», betonte Hasler. Die Jahre. Im eigenen Unternehmen stellt
Aktuell /19 Hasler eine grosse Bereitschaft fest, nach Erreichen des Rentenalters wei- terzuarbeiten. Er kenne den Puls der Mitarbeitenden», pflichtete IHK-Präsi- dent Christian Neuweiler bei. «Die Be- legschaft begreift, dass das Rentenal- ter nicht bei 65 Jahren bleiben kann», fuhr er fort. Ohne AHV-Ausbau Neuweiler wies darauf hin, dass die IHK Thurgau die Vorlage «Altersvorsorge 2020» bekämpft habe. In der Volksab- stimmung vom 24. September 2017 wurden beide Vorlagen zur Reform der «Altersvorsorge 2020» abgelehnt. Den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern lie- ge eine gute Altersvorsorge jedoch am Herzen. Eine neue Vorlage ohne Dominik Hasler will die Diskussion ums Annemarie Fleisch Marx erwartet, dass die AHV-Ausbau und ohne Vermischung Rentenalter jetzt führen. Lebenserwartung weiter steigt. von erster und zweiter Säule würde man deshalb unterstützen, so Neuwei- ler. lange arbeiten, beurteilt sie als Gebot ist, zeigt auch die VOTO-Analyse zur Ab- Die IHK Thurgau schlägt vor, das Ren- der Fairness. stimmung über die Reform Altersvor- tenalter ab 2021 für beide Geschlechter «Aus Sicht der jungen Generation ist sorge 2020: Die Hälfte aller Befragten schrittweise zu erhöhen: bei den Frau- Erhöhung des Rentenalters ganz klar zu war der Auffassung, dass das Renten- en um zwei Monate pro Jahr, und bei unterstützen», erklärte Delio Schütz, alter 67 unausweichlich ist. Die IHK-Ver- den Männern um einen Monat pro Jahr. Projektleiter bei der Letrona AG in Frilt- treter stuften die gesellschaftliche Ak- Auf diese Weise würde das Rentenalter schen. Bisher sei bei Reformen der Be- zeptanz ihres Vorschlages daher als 65 bei den Frauen im Jahr 2026 erreicht. sitzstandesschutz der Rentner und der hoch ein. Sie forderten die Politikerin- 2032 würde das Rentenalter von Mann rentennahen Jahrgänge sehr hoch ge- nen und Politiker auf, das Unvermeidli- und Frau einheitlich 66 Jahre betragen. wichtet worden. Man habe damit eine che nicht in die Zukunft zu verschieben, Zugunsten der Erwerbstätigen, die früh Schlechterstellung der zukünftigen sondern rechtzeitig in der Gegenwart ins Erwerbsleben eingestiegen sind und Generationen in Kauf genommen. Für anzupacken. «Rentenalter 66 sollte in ununterbrochen Beiträge geleistet ha- die Zukunft forderte er nachhaltige und die nächste Reform der Altersvorsorge ben, könnte die Zahl der Beitragsjahre generationenfaire Lösungen. einfliessen», formulierte Neuweiler sei- auf ein faires Mass beschränkt werden. ne Erwartungen an die Politik. Trotz der vorgeschlagenen massvollen Arbeitsmarkt als Hürde? Rentenaltererhöhung wird eine Zusatz- Es trifft gemäss Hasler und Neuweiler finanzierung nötig sein, um die Alters- zu, dass es für Menschen über 50 Jah- Entwicklung des Rentenalters vorsorge zu sichern. Die Umsetzung des ren nach einer Entlassung schwieriger gemäss IHK-Vorschlag IHK-Vorschlages würde aber den Be- ist als für junge Arbeitssuchende, eine darf an Mehrwertsteuer für die AHV auf neue Stelle zu finden. Arbeitnehmende Jahr Mann Frau ein für Bürger und Wirtschaft verkraft- über 50 Jahre seien jedoch grundsätz- Jahre/Mte. Jahre/Mte. bares Mass beschränken. lich gut in den Schweizer Arbeitsmarkt 2020 65 64 integriert. Ihre Arbeitslosenquote ist 2021 65/1 64/2 Länger leistungsfähig tiefer als jene anderer Alterskategorien. 2022 65/2 64/4 Dr. med. Annemarie Fleisch Marx, In Zukunft werde sich die Situation wei- 2023 65/3 64/6 IHK-Vorstandsmitglied, erwartet, dass ter verbessern. «Denn die Unternehmen 2024 65/4 64/8 die Lebenserwartung aufgrund des me- sehen sich wegen der alternden Gesell- 2025 65/5 64/10 dizinischen Fortschrittes noch weiter schaft mit einem sinkenden Arbeits- 2026 65/6 65/0 ansteigt. Im täglichen Kontakt mit Pati- kräftepotenzial konfrontiert», konsta- 2027 65/7 65/2 enten stellt sie fest, dass die Menschen tierte Neuweiler. Die Beschäftigung 2028 65/8 65/4 beim Eintritt ins Rentenalter biologisch über das heutige Rentenalter hinaus 2029 65/9 65/6 deutlich jünger sind als früher. Sie seien werde deshalb immer stärker zum The- 2030 65/10 65/8 in der Regel auch nicht erschöpft, son- ma. 2031 65/11 65/10 dern voller Energie und Pläne. Dass Dass sich die Bevölkerung der demo- 2032 66 66 Frauen und Männer in Zukunft gleich grafischen Herausforderung bewusst
Aktuell /20 Einblick in die Robotik, Sensorik und die künstliche Intelligenz 18. Thurgauer Technologietag am 23. März 2018 bei der Unima AG in Matzingen Computer, die Aufgaben selbstständig lösen, Sensoren, die ihre Umgebung erfassen, und Roboter, die Arbeiten autonom ausführen – die Entwicklung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, Sensorik und Robotik verläuft rasant. Der 18. Thurgauer Technologietag vom 23. März 2018 gibt Einblicke in diese neuen Technologien. Hochschulen vor Ort Der Thurgauer Technologietag stellt neue Entwicklungen aus der Forschung in den Gebieten Künstliche Intelligenz, Senso- rik und Robotik vor und zeigt Beispiele, wie Unternehmen davon profitieren kön- nen. In zehn Referaten werden Vertreter aus der Wissenschaft und der Wirtschaft über Innovationen berichten. Die The- menpalette reicht von Robotik und Sensorik in der Landwirtschaft über die Vermeidung von Störungen durch vor- ausschauende Wartung, bis zum Einsatz von Robotern in der Pflege von Personen mit Demenz. Fester Bestandteil des Technologietages ist die Ausstellungsmesse, in der zahlrei- che Hochschulen, Institute, Forschungs- einrichtungen, Netzwerke und Unter- nehmen mit einem Stand vertreten sind. Am Technologietag sind verschiedene Hochschulen, Institute und Unternehmen mit einem Stand Zwischen den Referatsblöcken können vertreten. Bild: Martin Sinzig sich die Teilnehmenden mit den Wissen- schaftlern und Unternehmern in der Messehalle austauschen. «Roboter verlassen die Produktionshal- zen. Grundlage dafür sind Programmie- len» lautet der Titel eines der Referate, rungen, die Computer selbstständig Betriebsbesichtigung die am nächsten Thurgauer Technologie- Herausforderungen lösen lassen und Der Technologietag 2018 findet bei der tag zu hören sind. Tatsächlich drängen Sensoren, die die Roboter auf die Umwelt Unima AG in Matzingen statt. Im Rahmen Roboter vermehrt in den Alltag. Zu den- reagieren lassen. der Tagung besteht die Möglichkeit, die- ken ist dabei nicht nur an autonome «Künstliche Intelligenz, Sensorik, Robo- ses Unternehmen zu besichtigen, das Fahrzeuge, sondern auch an den längst tik», lautet darum das Schwerpunktthe- auf die Blechverarbeitung spezialisiert bekannten Haushaltsstaubsauger oder ma des 18. Thurgauer Technologietages, ist und unter anderem Einrichtungssys- den Melkroboter. Inzwischen wird auch der am 23. März 2018 in den Räumen der teme entwickelt und herstellt. Weitere geforscht an Robotern in der Pflege oder Firma Unima AG in Matzingen durchge- Informationen und Anmeldung unter an Robotern, die Ackerkulturen anpflan- führt wird. www.technologietag.ch
Politik /21 Initiative will viel Bürokratie und weltweit strengste Haftung Die Konzernverantwortungsinitiative würde den Wirtschaftsstandort nachhaltig beschädigen Die Schweizer Wirtschaft steckt in einem ständigen Abwehrkampf. Mit der Konzernverantwor- tungsinitiative kündigt sich eine weitere Auseinandersetzung an. Schweizer Firmen sollen künftig global für Umweltschäden und die Verletzung von Menschenrechten haften, die durch sie selber verursacht werden oder durch Unternehmen, die mit ihnen verbunden sind. Von Peter Maag Firmen kontrollierten Unternehmen setzen, unabhängig von der Rechtslage weltweit, inklusive abhängiger Liefe- vor Ort. Die Initiative führt zu einem In der Bundesverfassung genügen 500 ranten, und für sämtliche Geschäftsbe- problematischen Vorrang von Schwei- Zeichen, um den Zweck der Schweizeri- ziehungen. Die Pflicht würde sich auf zer Recht und stellt unerfüllbare schen Eidgenossenschaft zu umschrei- die gesamte Lieferkette erstrecken. Erwartungen an die internationale ben. Die Volksinitiative «Für verantwor- Über diese Prüfungen müssten die Un- Rechtshilfe. tungsvolle Unternehmen – zum Schutz ternehmen ausführlich Bericht erstat- Die drohende Rechtsun sicherheit, die von Mensch und Umwelt» will in einem ten. Man stelle sich die Papierberge vor, Beweisumkehr, die Rundumhaftung, rund fünfmal so langen Text die globale die aus einer solchen Vorschrift entste- der Bürokratieschub und die Mehrkos- Verantwortung der Schweizer Unter- hen würden. Gleichzeitig will die Initiati- ten dürften einige Firmen zum Wegzug nehmen im nationalen Grundgesetz ve das weltweit strengste Haftungsre- bewegen – die USA bieten sich nach der verankern. Die Initiative wird von einem gime. Steuerreform g eradezu als neue Hei- Verein getragen, der aus Hilfswerken, mat an. Frauen-, Menschenrechts- und Um- Automatische Haftung weltorganisationen sowie kirchlichen Demnach haften die Unternehmen au- Kommt ein Gegenvorschlag? und gewerkschaftlichen Vereinigungen tomatisch und ohne Verschulden für Der Bundesrat lehnt die Initiative zur besteht. Die sogenannte Konzernver- Schäden wegen der Verletzung von Um- Unternehmensverantwortung ohne Ge- antwortungsinitiative gilt dabei nicht welt- und Menschenrechtsstandards. genvorschlag ab. Die Rechtskommissi- nur für Konzerne, sondern für sämtli- Die Haftung würde sich auch auf Liefe- on des Ständerates hat sich für die che Unternehmen. Das Wort «Konzern» ranten erstrecken, die wirtschaftlich Ausarbeitung eines indirekten Gegen- kommt im Initiativtext nicht vor. abhängig sind. Dabei gilt eine Umkehr vorschlages auf Gesetzesstufe ausge- Das Strickmuster ist stets das Gleiche. der Beweislast: Verletzt ein Unterneh- sprochen. Dabei wollte sie die neuen Das Grundanliegen tönt auf den ersten men oder ein abhängiger Lieferant die Regeln auf grössere Firmen beschrän- Blick sympathisch. Kann man dagegen Menschenrechte oder Umweltstan- ken, die Lieferanten ausklammern und sein, dass sich Schweizer Firmen, ihre dards, soll das Unternehmen für den auf neue Haftungsregeln weitgehend Ableger und Lieferanten weltweit in Schaden aufkommen, sofern es nicht verzichten. Die Rechtskommission des Sachen Umwelt und Menschenrechte beweisen kann, dass es alle gebotenen Nationalrates hat den ständerätlichen vorbildlich verhalten? Wer sich näher Sorgfaltsmassnahmen getroffen hat. Vorschlag mit 14 zu 11 Stimmen ver- mit der Initiative auseinandersetzt, Da viele Länder nur über schlecht funk- worfen. Das Dossier geht nun zurück an wird rasch erkennen, dass sie realitäts- tionierende Rechtssysteme verfügen, die Rechtskommission des Ständera- fremd, unsinnig und letztlich auch un- müssten Schweizer Richter über Vor- tes. Falls es zu keinem Gegenvorschlag durchführbar ist. gänge im Ausland entscheiden. Sie und zu keinem Rückzug der Initiative Die Initiative fordert einerseits Sorg- müssten bei ausländischen Tochterge- kommt, zeichnet sich schon jetzt ein faltsprüfungen in Sachen Umwelt und sellschaften oder abhängigen Lieferan- sehr emotionaler Abstimmungskampf Menschenrechte für alle von Schweizer ten weltweit Schweizer Recht durch- ab.
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