Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

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Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Beispiele Praxis

Lernort Kriegsgräberstätte
Pädagogische Formate und Beispiele
Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Inhalt
1   Editorial                                                                      Karl-Friedrich Boese
                                                                               35 Lernen mit Kopf, Herz und Hand
    Oliver Plessow                                                                Pflegepatenschaften auf Kriegsgräberstätten
2   Die Kriegsgräberstätte und historisches Lernen
    Geschichtsvermittlung an einem außergewöhnlichen Lernort                           Verena Effgen
                                                                                   37 „Tu den Frieden im Kleinen“ – Über das Engagement
    Jakob Böttcher                                                                    einer Grundschule
5   Helden – Täter – Opfer
    Die Kriegsgräberstätte als Erinnerungsort im Wandel                                Torben Herberg
                                                                                   38 Die Pflegepatenschaft für die Kriegsgräberstätte
    Anke Büttgen                                                                      auf dem Friedhof Jesteburg
9   Friedhofserkundung
                                                                                   Dennis Köppl
        Anne-Susann Schanner                                                   40 Schulische Projektfahrten
    11 Interaktive Spurensuche – Erkunden einer Kriegsgräberstätte                Exkursionen zu den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges

        Wiebke Bathe                                                                   Daniel Gollmann
    12 „Mit dem Tablet in die Vergangenheit“                                       42 „In Flanders Fields“ –
                                                                                      Auf den Spuren des Ersten Weltkriegs in Belgien
    Rainer Bendick
14 Die Geschichts- und Erinnerungstafel                                                Dennis Köppl
   „Heimatgeschichte“ im besten Sinn des Wortes                                    43 „Die Knochenmühle an der Maas“ –
                                                                                      Das Schlachtfeld von Verdun als europäischer Mahn-
        Rainer Bendick                                                                und Erinnerungsort
    16 Die Geschichts- und Erinnerungstafel zum Gräberfeld Erster
       Weltkrieg auf dem Hauptfriedhof an der Lindener Straße in                   Kinga Kazmierczak
       Wolfenbüttel                                                            44 Fahrten in die Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten
                                                                                  des Volksbundes
        Maximilian Fügen
    18 Die Geschichts- und Erinnerungstafel zur Kriegsgräberstätte                     Joëlle Winter | Ruth Selzer-Breuninger | Micha-Steffen Stracke
       Schönau am Königssee                                                        46 „Wer die Spuren der Kriege kennt, kann Frieden und Freiheit neu
                                                                                      gewichten“ – Studienfahrten der Joachim-Schumann-Schule aus
   Karl-Friedrich Boese                                                               Babenhausen nach Niederbronn-­les-Bains
20 Das Projekt „Namensziegel für sowjetische Kriegsgefangene“
   Historische Verantwortung im Dienst der Völkerverständigung                        Bettina Harz
                                                                                   47 lautSTARK für RESPEKT – Pädagogische Friedensarbeit durch nied-
        Anne Brodersen                                                                rigschwellige Musikworkshops für Jugendliche mit Förderbedarf
    22 „Wir schreiben eure Namen“ – Erinnerungskultur in der Praxis des
       Schulalltags                                                                Heike Baumgärtner
                                                                               48 Gemeinsam für den Frieden
        Wiebke Bathe                                                              Jugendbegegnungen und Workcamps
    23 „Wir schreiben eure Namen“ – Tonziegelprojekt im Landesverband
       Hessen                                                                          Heike Baumgärtner
   Karl-Friedrich Boese                                                            49 Internationale Jugendbegegnung München
24 Projektarbeit mit biografischen Nachlässen
                                                                                       Anne Schieferdecker
        Karl-Friedrich Boese                                                       50 Workcamp Masuren
    26 Studienfahrt zu Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs in Frankreich –
       Fortbildung für Lehrer:innen des Bezirksverbandes Lüneburg/Stade                Andreea peptine
                                                                                   51 „Gemeinsam Geschichte schreiben“ in Lille und Bonn
        Lilian Heinen-Krusche
    28 Lernort Lebach/Saar – Mit biografischen Nachlässen wird eine                Carsten Riedel
       Kriegsgräberstätte zum Lernort                                          52 Schulische Gedenkfeiern auf Kriegsgräberstätten
   Anke Büttgen                                                                        Louis Schreier | Anne-Susann Schanner
30 Die Bedeutung der biografischen Recherche                                       54 „Gedenken und Erinnerung an Opfer von Krieg und Gewaltherr-
                                                                                      schaft – deutsch-polnische Schulbegegnung zum Volkstrauertag“
        Maximilian Fügen
    32 Gräbersuche Online – Möglichkeiten der familien- und lokalhistori-             Carsten Riedel
       schen Recherche                                                             55 Schulische Gedenkfeier zum Jahrestag der Bombardierung Dres-
                                                                                      dens – Etablierung neuer Gedenkformen
        Anke Büttgen
    33 Der Einsatz von Feldpostbriefen in historisch-politischen               56 Autor:innen
       Projekten                                                               57 Unsere Ansprechpartner:innen

Impressum:                                     Verantwortlich:                                                 Gefördert durch:
Herausgegeben vom                              Dirk Backen, Generalsekretär
Volksbund Deutsche
Kriegsgräberfürsorge e.V.                      Verlag:
Bundesgeschäftsstelle                          Friedrich Verlag GmbH
Sonnenallee 1                                  Luisenstraße 9, 30159 Hannover
34266 Niestetal                                Druck:
Telefon: 0561 – 70 09 0                        Zimmermann Druck + Verlag GmbH , 58802 Balve
Telefax: 0561 – 70 09 22 1
E-Mail: schule@volksbund.de                    Titelbild:
Internet: www.volksbund.de/schule              Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
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Unsere Ansprechpartner:innen
Jugend- und Bildungsarbeit            Brandenburg                            Nordrhein-Westfalen
regional und bundesweit               Kirchstraße 6, 15757 Halbe             Landesgeschäftsstelle
                                      Telefon: 033765 – 21 92 0              Alfredstraße 213, 45131 Essen
Bundesgeschäftsstelle                 E-Mail: brandenburg@volksbund.de       Telefon: 0201 – 84 23 70
Sonnenallee 1, 34266 Niestetal                                               E-Mail: nrw@volksbund.de
                                      Bremen
Hauptstadtbüro Berlin                 Rembertistraße 28, 28203 Bremen        Regionalgeschäftsstelle Rheinland,
Lützowufer 1, 10785 Berlin            Telefon: 0421 – 32 40 05               zuständig für die Regierungsbezirke
                                      E-Mail: bremen@volksbund.de            Düsseldorf und Köln
Abteilung Gedenkkultur und Bildung                                           Neumarkt 12-14, 50667 Köln
Telefon: 030 – 23 09 36-34            Hamburg                                Telefon: 0221 – 25 77 16 9
E-Mail: gbg@volksbund.de              Brauhausstraße 17, 22041 Hamburg       E-Mail: rg-rheinland@volksbund.de
                                      Telefon: 040 – 25 90 91
Fachbereich Friedenspädagogisches     E-Mail: hamburg@volksbund.de           Regionalgeschäftsstelle Westfalen-Lippe,
Arbeiten an Schulen und Hochschulen                                          zuständig für die Regierungsbezirke
Telefon: 030 – 23 09 36-58            Hessen                                 Arnsberg, Münster und Detmold
E-Mail: schule@volksbund.de           Sandweg 7, 60316 Frankfurt/Main        Bült 2, 48143 Münster
                                      Telefon: 069 – 94 49 07 0              Telefon: 0251 – 56 83 4
Fachbereich Jugendbegegnungs-         E-Mail: bildung-hessen@volksbund.de    E-Mail: westfalen-lippe@volksbund.de
und Bildungsstätten
Telefon: 030 – 23 09 36-31            Mecklenburg-Vorpommern                 Rheinland-Pfalz
E-Mail: jbs@volksbund.de              Walther-Rathenau-Straße 2a,            Landesgeschäftsstelle
                                      19055 Schwerin                         117er Ehrenhof 5, 55118 Mainz
Fachbereich Internationale            Telefon: 0385 – 59 18 43 0             Telefon: 06131 – 22 02 29
Jugendbegegnungen                     E-Mail: jugend-m-v@volksbund.de        E-Mail: rheinland-pfalz@volksbund.de
Telefon: 030 – 23 09 36-84
E-Mail: workcamps@volksbund.de        Niedersachsen                          Saarland
                                      Landesgeschäftsstelle                  Wallerfanger Str. 31, 66740 Saarlouis
Fachbereich Jugend-, Fachkräfte-      Wedekindstraße 32, 30161 Hannover      Telefon: 06831 – 48 88 59 8
und Erwachsenenbildung                Telefon: 0511 – 32 12 82               E-Mail: saarland@volksbund.de
Telefon: 0561 – 70 09 21 9            E-Mail: niedersachsen@volksbund.de
E-Mail: jfeb@volksbund.de                                                    Sachsen
                                      Bezirksverband Braunschweig            Loschwitzer Straße 52a, 01309 Dresden
                                      Bankplatz 8, 38100 Braunschweig        Telefon: 0351 – 31 43 70
Landesverbände                        Telefon: 0531 – 49 93 0                E-Mail: jugend-sachsen@volksbund.de
                                      E-Mail: bv-braunschweig@volksbund.de
Baden-Württemberg                                                            Sachsen-Anhalt
Landesgeschäftsstelle                 Bezirksverband Hannover                Jahnring 17, 39104 Magdeburg
Sigismundstraße 16, 78462 Konstanz    Wedekindstraße 32, 30161 Hannover      Telefon: 0391 – 60 74 54 0
Telefon: 07531 – 90 52 0              Telefon: 0511 – 32 73 63               E-Mail: jugend-s-anhalt@volksbund.de
E-Mail: lv-konstanz@volksbund.de      E-Mail: bv-hannover@volksbund.de
                                                                             Schleswig-Holstein
Bayern                                Bezirksverband Lüneburg/Stade          An der Schanze 2, 24226 Heikendorf
Landesgeschäftsstelle                 Auf der Hude 8, 21339 Lüneburg         Telefon: 0431 – 90 66 19 0
Maillingerstraße 24, 80636 München    Telefon: 04131 – 36 69 5               E-Mail: bildung-s-h@volksbund.de
Telefon: 089 – 18 80 77               E-Mail: bv-lueneburg@volksbund.de
E-Mail: bayern@volksbund.de                                                  Thüringen
                                      Bezirksverband Weser-Ems               Bahnhofstraße 4 a, 99084 Erfurt
Berlin                                Donnerschweer Straße 4,                Telefon: 0361 – 64 42 17 5
Kurfürstenstraße 131, 10785 Berlin    26123 Oldenburg                        E-Mail: thueringen@volksbund.de
Telefon: 030 – 25 46 41 34            Telefon: 0441 – 13 68 4
E-Mail: jugend-berlin@volksbund.de    E-Mail: bv-weser-ems@volksbund.de
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Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten

                                                 Der Volksbund unterhält vier Jugend­begegnungs-     Fragen Sie uns, wir beraten Sie gerne!
                                                 und Bildungsstätten im In- und Ausland. Dort        Kontakt und weitere Informationen:
                                                 können Jugendgruppen und Schulklassen in un-        Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.
                                                 mittelbarer Nähe zu Kriegsgräberstätten an his-     Fachbereich Jugendbegegnungs-                                         4
                                                                                                                                                                  3
Fotos: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

                                                 torisch-politischen und friedenspädagogischen       und Bildungsstätten
                                                 Bildungs­ange­boten teilnehmen, um multiper­                                                                  2

                                                 spektivische Zugänge zur europäischen Geschich-     Am Lützowufer 1                                          1
                                                 te kennenzulernen. Länderschwerpunkte und           10785 Berlin
                                                 vielfältige Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung    Telefon: 030 – 23 09 36-31
                                                 ergänzen das Programm.                              E-Mail: jbs@volksbund.de                        1 Niederbronn-les-Bains/Frankreich:
                                                                                                                                                       www.jbs-niederbronn.de
                                                 Für jede Gruppe erstellen wir entsprechend Alter,   www.volksbund.de/jbs                            2 Lommel/Belgien:
                                                 Vorkenntnissen und Wünschen ein geeignetes                                                            www.jbs-lommel.de
                                                 Angebot.                                                                                            3 Ysselsteyn/Niederlande:
                                                                                                                                                       www.jbs-ysselsteyn.de
                                                                                                                                                     4 Insel Usedom/Deutschland:
                                                                                                                                                       www.jbs-golm.de
Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Editorial

                                                Lernort Kriegsgräberstätte
                                                Liebe Leserinnen und Leser!

                                                Kriegsgräberstätten sind trans­       verbänden unterstützen bundes-        bund vier Jugendbegegnungs- und
                                                nationale Orte des Erinnerns und      weit Schulen und andere Bildungs-     Bildungsstätten – in den Niederlan-
                                                Lernorte der Geschichte, die von      träger mit Unterrichtsbeiträgen       den, in Belgien, in Frankreich und
                                                jeder Generation neu befragt und      und Projektfahrten zu friedens-       an der polnischen Grenze auf der
                                                interpretiert werden müssen. An       pädagogischen und erinnerungs-        Insel Usedom. An diesen Bildungs-
                                                kaum einem anderen Ort werden         kulturellen Themen. Sie beglei-       stätten, die alle in unmittelbarer
                                                die Brüche der europäischen Ge-       ten Projekte auf Kriegsgräberstät-    Nähe zu großen Kriegsgräberstät-
                                                schichte und deren Folgen sowie                                                  ten liegen, leistet der Volks-
                                                die Komplexität der Geschichts-                                                  bund einen engagierten und
                                                und Er­innerungskultur so greif-                                                 professionellen Beitrag zur in-
                                                bar wie am Kriegsgrab. Eine                                                      ternationalen Gedenkstätten-
                                                didak­tisch reflektierte Ausein-                                                 arbeit. Zudem führen seine in-
                                                andersetzung mit den Kriegs-                                                     ternationalen Jugendbegeg-
                                                gräbern und den damit verbun-                                                    nungen und Workcamps jedes
                                                denen Einzelschicksalen stehen                                                   Jahr mehrere Tausend jun-
                                                im Mittelpunkt der pädago­                                                       ge Menschen aus ganz Euro-
                                                gischen Angebote des Volks-                                                      pa zusammen, um gemeinsam
                                                bundes Deutsche Kriegsgräber-                                                    ein Zeichen für ein fried­liches
                                                fürsorge e. V.                                                                   und tolerantes Miteinander zu
                                                Diese Handreichung bietet ei-                                                    setzen.
                                                nen Überblick über verschiede-                                                   Zum 20-jährigen Bestehen der
                                                ne pädagogische Formate, mit                                                     Volksbund-Publika­tionsreihe
                                                denen sich Kriegsgräberstätten                                                   für die Bildungs- und Jugend-
                                                als Lernorte erschließen lassen.                                                 arbeit „Beispiele Praxis“ soll
                                                Die Beiträge von Oliver Plessow                                                  mit dieser Ausgabe ein Über-
                                                und Jakob Böttcher reflektieren                                                  blick über die Vielfalt der Pro-
                                                die didaktischen Potenziale und                                                  jektmöglichkeiten auf Kriegs-
                                                historischen Dimensionen der                                                     gräberstätten geboten wer-
                                                Kriegsgräberstätten als Lern-                                                    den. Wir wünschen Ihnen
                                                und Erinnerungsorte, die den                                                     eine informative Lektüre. Bit-
                                                dort ruhenden heterogenen Opfer-      ten in den 16 Bundesländern und       te zögern Sie nicht, unser Team der
                                                und Tätergruppen Rechnung tra-        im Ausland. Dazu zählen sowohl        Bildungsreferent:innen anzuspre-
                                                gen. Es folgen zehn pädagogische      die Spuren­suche zu Einzelschick-     chen!
Foto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

                                                Formate (die Einführungen sind        salen als auch die Anfertigung von
                                                zweispaltig gesetzt), denen jeweils   Geschichts- und Erinnerungsta-
                                                zwei konkrete Projektbeispiele        feln auf lokalen Kriegsgräberstät-
                                                (dreispaltig) zugeordnet sind. Hier   ten. Digitale Anwendungen und di-
                                                finden sich auch Informationen        daktisierte Begleitmaterialien bie-   Dr. Vasco Kretschmann
                                                                                                                            Fachbereichsleiter Friedenspädagogi-
                                                zu Klassen- bzw. Altersstufe und      ten weitere päd­agogische Zugänge
                                                                                                                            sches Arbeiten an Schulen und Hoch-
                                                Gruppengröße der Angebote.            zu Kriegsgräberstätten im In- und     schulen, Bundesgeschäftsstelle,
                                                Die Schul- und Bildungsreferent:in-   Ausland. Als einziger Kriegsgräber-   Volksbund Deutsche Kriegsgräber­
                                                nen in den Landes- und Bezirks-       dienst weltweit betreibt der Volks-   fürsorge e.V.

                                                                                                                                                                            5
Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
OLIVER PLESSOW

                                   Die Kriegsgräberstätte und
                                       historisches Lernen
                                   Geschichtsvermittlung an einem außergewöhnlichen Lernort

                             Lernort Kriegsgrab                                   Beschäftigung mit massiver Gewalt risikobehaftet.
                                                                                  Dass die schlimmen Erfahrungen Lernende überfor-
                          Kriegsgräber und Kriegsgräberstätten sind zuallererst   dern und dass die Schreckensgeschichten als über-
                          Orte der dauerhaften Ruhe für jene, die im Krieg oder   wältigende Vehikel zur Verbreitung einseitiger politi-
                          an den unmittelbaren Folgen der Kriegsgewalt gestor-    scher Botschaften genutzt werden könnten, ist gerade
                          ben sind. Trotzdem haben sie über die Jahre weitere     bei dem Blick auf die massenhafte Gewalt, wie Krie-
                          Funktionen an sich gezogen. Als geschichtspolitisch     ge sie hervorbringen, nicht von der Hand zu weisen.
                          bedeutsame Orte bieten sie staatlichen Symbolhand-      Vor allem, wo sie moralisiert, ist Betroffenheit keine
                          lungen eine Kulisse, zudem haben sie sich zu Ziel-      gute Lehrmeisterin.
                          punkten für Tourismus entwickelt. Vor allem jedoch          Was hier pauschal gegenüber jeder „Kriegs­
                          bieten sie seit Jahrzehnten Jugendlichen und jungen     gewaltpädagogik“ eingewandt werden könnte, be-
                          Erwachsenen (und nicht nur ihnen) die Gelegenheit       sitzt auch für die mahnende Wirkung von Kriegsgrä-
                          zu historischem Lernen. Dabei bilden das Kriegsgrab     bern Relevanz – es ist nicht selbstverständlich, dass
                          und die Kriegsgräberstätte einen höchst ungewöhn­       die Trauer über die Toten zu nachhaltigen ethischen
                          lichen Lernort.                                         und politischen Einsichten für Gegenwart und Zu-
                              Ein allgemeiner Grund dafür vorab: So groß          kunft führt. Indessen wiegen diese Einwände nicht so
                          die Hoffnung, dass wir als Gemeinschaft(en) und         schwer, als dass es keine entsprechenden Überlegun-
                          Gesellschaft(en) gerade aus den schlimmsten Momen-      gen gäbe, wie ihnen zu begegnen sei: Weit über die Be-
                                                                                                                                                   Foto: Marianne Nowicka

                          ten der Geschichte bedeutende Erkenntnisse ziehen,      schäftigung nur mit Kriegsgräbern hinaus ist die ler-
Junge Menschen beim       so wenig ist der Erfolg einschlägiger Vermittlungs-     nende Beschäftigung mit Kriegen und Kriegsgewalt
  Workcamp auf einer      anstrengungen garantiert. Wer sich mit der entspre-     (und darüber hinaus mit Massenverbrechen, Genozi-
  Kriegsgräberstätte in   chenden empirischen Forschung vertraut macht, trifft    den und Diktaturerfahrungen) ein didaktisches Feld,
             Masuren      auf gehörige Skepsis. Ohnedies ist die pädagogische     das international seit Jahrzehnten eine Vielzahl von

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Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Hintergrund

Praxisleitfäden, Konzepten und wissenschaftlichen           Weltkrieg gefallenen Wehrmachtssoldaten, die Koope-
Reflexionen hervorgebracht hat.                             rationen mit Bundeswehr und Reservisten und der
    Eine Vorreiterrolle nimmt hier die Auseinander-         Umstand, dass der überwiegende Teil der im Volks-
setzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus          bund Engagierten und Aktiven andere Schwerpunkte
ein – allen voran mit der Verfolgung und Vernichtung        als die Bildungsarbeit verfolgt, führten zu Konfliktlini-
der jüdischen Bevölkerung Europas. Zudem gibt es dif-       en, die sich z.B. von jenen im Bereich der NS-Gedenk-
ferenzierte pädagogische Überlegungen zu vielen wei-        stätten abheben, wo „Geschichte-von-unten“-Initiati-
teren Geschehenskomplexen, die massenhaften Tod             ven und NS-Opferverbände wie überhaupt Überleben-
und exzessive Gewalt verursachten. Die Frage, inwie-        de des NS-Terrors über Jahrzehnte eine maßgebliche
weit das Kriegsgrab einen Lernort darstellen kann und       Rolle spielten. Augenfällig wird dies etwa dort, wo
welche besonderen Bedingungen das Lernen dort hat,          die Kriegsgrab-Bildungsarbeit mit dem Diktum der
ist mit all diesen Diskursen eng verwoben. Viele der di-    Gleichheit aller Soldaten im Tod, wie sie sich im ewi-
daktischen Chancen und Herausforderungen, die dort          gen Ruherecht ausdrückt, und mit dem Umgang mit
diskutiert werden, finden auch Berücksichtigung, wo         Kriegsverbrechergräbern ringt; dies liegt weit entfernt
über das Lernen am Kriegsgrab nachgedacht wird.             von den großen Diskussionen in der NS-Gedenkstät-
Überschneidungen gibt es speziell mit den Überlegun-        tenpädagogik (wie der Frage nach der Einzigartigkeit
gen der NS-Gedenkstättenpädagogik, gerade weil un-          der Shoah und der ethischen Angemessenheit ihrer
ter all jenen, die ihre letzte Ruhe auf Kriegsgräberstät-   pädagogischen Nutzung) oder auch der DDR-Aufarbei-
ten gefunden haben, zahllose Opfer des Nationalsozia-       tung (z. B. zur Angemessenheit von deren Zentrierung
lismus sind. Dennoch zeigt sich, dass das Nachdenken        auf Staatssicherheit und Unterdrückungsstaat).
über den lernenden Umgang mit dem Kriegstod, wie                Unterdessen kennzeichnet den Volksbund viel-
er anlässlich der Begegnung mit Kriegsgräbern ange-         fach ein großes Interesse, sich auf die an den „be-
regt werden kann, immer wieder eigene Wege nimmt.           nachbarten“ Lernorten geführten Debatten einzulas-
                                                            sen. Seit mehr als einem Jahrzehnt hat er eine größere
                                                            Vernetzung in die erinnerungskulturellen Bildungs-
    Der Volksbund als Einrichtung                           netzwerke hinein angestrengt, aus diesem Feld stam-
    der Geschichtsvermittlung                               mende Hauptamtliche rekrutiert und fachliche Ex-
                                                            pertise eingeworben. Die Innovationen treffen aller-
Das Außergewöhnliche des Lernens an und mithilfe            dings bisweilen auf Vorbehalte, was entsprechende
von Kriegsgräbern begründet sich nicht nur aus ihren        Diskussionen in den unterschiedlichen Unterglie-
Eigentümlichkeiten als Lernort und ihrer Position im        derungen des Volksbunds nach sich zieht. Dennoch:
kollektiven Gedächtnis, sondern insbesondere auch           Immer mehr Bildungsprojekte greifen in Bezug auf
aus der institutionellen Einbindung der Bildungsar-         historisches Lernen aktuell diskutierte Themen und
beit. Hier kommt die besondere Rolle des Volksbunds         Problemkomplexe auf – man denke nur an Projek-
Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. ins Spiel. Er stellt    te zur Verfolgung in der NS-Zeit aufgrund sexueller
nämlich im internationalen Vergleich die große Aus-         Orientierung oder zur Konstruktion nationaler Identi-
nahme dar, dass einer nicht-staatlichen Organisa­tion       täten in Deutschland und Frankreich.
die Sorge um die Gräber übertragen wurde. Eben-                 Gerade das letztgenannte Thema bietet Anlass, he-
so ungewöhnlich ist, dass diese Organisation schon          rauszuheben, dass die Bildungsarbeit des Volksbunds
früh – genauer gesagt, in den 1950er Jahren – begann,       seit ihrer Entstehung länderübergreifend angelegt
Kriegsgräber als wichtige Lernorte für Jugendliche          war. Lange Zeit wurden teilnehmende Jugendliche na-
und junge Erwachsene zu begreifen und die Ausbil-           mentlich bei internationalen Begegnungen dazu moti-
dung entsprechender Angebote und Formate voranzu-           viert, gleichsam stellvertretend für ihre Herkunftsna-
treiben. Somit ist der Volksbund heute Quasimonopo-         tionen zu einer Verständigung, ja Versöhnung zu ge-
list im didaktischen Umgang mit diesem Lernorttyp.          langen. Beim Volksbund wie in der interkulturellen
Zugleich ist er so personalstark und so differenziert       Bildungsarbeit allgemein wird dieses Vorgehen, das
untergliedert, dass geschichtspolitische wie erinne-        auf der Annahme der maßgeblichen Prägekraft (dann
rungsdidaktische Fragen innerhalb seiner Strukturen         eben zu überwindender) nationalkultureller Differen-
kontrovers diskutiert werden.                               zen fußt, angesichts der Diversität der Bevölkerungen
     Schaut man sich diesen institutionellen Zu­            zunehmend problematisiert.
sammenhang im Vergleich zu verwandten Feldern
an, wie etwa der NS-Gedenkstättenpädagogik oder den
Orten der pädagogischen Auseinandersetzung mit der             Lernchancen und Lernhemmnisse –
DDR-Vergangenheit, wird schnell deutlich, dass sich            Leitlinien historischen Lernens am
die spezifischen Diskussionen um den didaktischen              Kriegsgrab
Umgang mit Kriegsgräbern nicht zuletzt auf die Zu-
sammensetzung der im Volksbund vereinigten Inte-            Ob es um Rückgriffe auf die Prinzipien der Biogra-
ressengruppen zurückführen lassen. Die große Ver-           fisierung/Individualisierung oder Handlungsorien-
ankerung der Arbeit in den Familien der im Zweiten          tierung geht, um eine Einschätzung der Bedeutung

Lernort Kriegsgräberstätte                                                                                                       3
Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
von Zeugenschaft, um die Aushandlung des Verhält-          gezogen werden. Blickt man insgesamt auf das Feld
    nisses von Bildung und Gedenken oder um die Fra-           der historischen Bildungsarbeit, die sich mit Krie-
    ge der Universalisierbarkeit der Lehren, die aus be-       gen und Massengewalt befasst, tendiert die Ausprä-
    stimmten kriegerischen Konflikten gezogen werden           gung, wie sie der Volksbund vertritt, zur Einzelfall-
    können – alle großen Fragen zu Lernchancen und             verallgemeinerung und Universalisierung. Das ist im
    Lernhemmnissen, die im Kontext von Kriegsgewalt,           Kern schon durch die Selbsteinordnung der Arbeit des
    Vernichtung und Verfolgung gestellt werden, sind           Volksbunds als Friedensarbeit angelegt. Zwar werden
    auch dort präsent, wo im Volksbund über den päda-          regelmäßig die jeweiligen Kontexte, die ein bestimm-
    gogischen Umgang mit Kriegsgräbern diskutiert wird.        tes Gewaltgeschehen hervorgebracht haben, beleuch-
    Man denke nur an die Frage des Austarierens von Ler-       tet, doch kann das übergreifende Gebot der Friedens-
    nen und Gedenken, wie sie namentlich von der NS-Ge-        wahrung aus ganz unterschiedlichen Beispielen ab-
    denkstättenpädagogik in Bezug auf nationalsozialisti-      geleitet werden. Das Prinzip ist hier exemplarisch:
    sche Tötungsorte intensiv diskutiert wurden. Analog        An einer Kriegsgräberstätte kann das Schicksal von
    ist auch im Volksbund das Spannungsfeld zwischen           Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern im NS-
    der Erinnerung an die Toten, der Wahrung der Wür-          Rüstungssystem problematisiert werden, sie bietet
    de des Ortes und dem historisch-politischen Lernen         aber auch Raum, das Massensterben in den Schüt-
    an Kriegsgräberstätten seit jeher Thema. Allerdings        zengräben des Ersten Weltkriegs in den Mittelpunkt
    stellt sich hier besonders die Frage, wie pädagogisch      zu stellen. Diese im Vergleich zu ähnlichen Bildungs-
    damit umzugehen ist, wenn jene, die brutale Gewalt         anstrengungen überdurchschnittliche Vielfalt der Bei-
    jenseits aller Konventionen ausübten, und jene, die an     spiele setzt zahlreiche Impulse, lässt aber auch erin-
    ihr zugrunde gingen, Seite an Seite liegen. Die Schwer-    nerungskulturelle Konfliktlinien aufscheinen. Ein
    punktsetzung der aktuellen Volksbund-Themenreihe           jüngeres Beispiel dafür bietet die Ausformung der
    „Helden – Täter – Opfer“ lässt dieses Problem deutlich     Bildungsarbeit am Kriegsgrab als Menschenrechts-
    hervortreten. Konkret stellt sich die Frage für die mit    bildung, die manchen zu unspezifisch anmutete.
    der Bildungsarbeit Betrauten immer dann, wenn es                Nicht nur hier zeigt sich, dass die Bildungsarbeit
    darum geht, inwiefern symbolische Gedenkakte Teil          am Kriegsgrab nicht statisch gedacht werden kann.
    der Bildungsmaßnahmen an den Kriegsgräberstätten           Die Generation, die noch direkt durch den massenhaf-
    sein sollen.                                               ten Kriegstod des Zweiten Weltkriegs betroffen war, tritt
        Ähnlich lässt sich der didaktische Umgang mit den      ab. Über unmittelbare Kriegs- und Kriegstoderfahrun-
    persönlichen Erfahrungen von Zeitgenossinnen und           gen verfügen die Rezipient:innen der Bildungsangebo-
    Zeitgenossen perspektivieren. Wie die Bildungsarbeit       te des Volksbunds heute nur selten – und wenn doch,
    von Gedenkstätten und Museen kennzeichnet die des          dann infolge zweier in der kollektiven Erinnerung bis-
    Volksbunds ein individualisierender, personalisieren-      lang eher blasser Komplexe, nämlich der Migration aus
    der beziehungsweise biografischer Ansatz, sei es in        Kriegsgebieten oder der Auslandseinsätze in den asym-
    den Jugendbildungsstätten und Workcamps, sei es in         metrischen Kriegen des 21. Jahrhunderts. Hier bieten
    der Projektarbeit mit Schulen. Die allgemeinen Erwar-      sich neue Lernchancen, aber auch neue Herausforde-
    tungen an dieses Prinzip greifen hier wie da: Der Rück-    rungen. Inwieweit der Bogen vom Kriegsgrab und der
    griff auf die einzelne Lebens- und Leidensgeschichte       Kriegsgräberstätte zu den die Gegenwart dominieren-
    soll abstrakte Vorgänge und das (für die meisten Her-      den gesellschaftlichen und politischen Konflikten ge-
    anwachsenden) lebensweltferne Kriegsgeschehen ver-         spannt werden kann, ist eben in der Praxis der Bil-
    anschaulichen, verstehbar machen und Empathie be-          dungsarbeit immer wieder neu auszuhandeln.
    fördern. Dieses Vorgehen bietet die Chance, vergan-
    gene Zustände als Vorgänge zu erkennen, welche die         Literatur
    Leben von Menschen beeinflusst haben. So werden            Barricelli, M.: Vielfältiges Gedenken: Der Volkstrauertag als Lernort, in:
    Handlungsspielräume deutlich und es eröffnet sich               LAG-Magazin „75 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs“ 07/20 vom
                                                                    23.09.2020, S. 4 – 9 (http://learning-from-history.de/sites/default/
    die Möglichkeit zu reflexiver Identifikation, gerade            files/attach/lag_75_jahre_krriegsende.pdf).
    wenn es in den Bildungsmaßnahmen und -materiali-           Dittrich, K. & Plessow, O: Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsor-
    en um die Schicksale junger Menschen, also hier: jun-           ge als Akteur der außerschulischen, non-formalen historischen Ju-
                                                                    gend- und Bildungsarbeit, in: LAG-Magazin „100 Jahre Volksbund
    ger Kriegstoter, geht. Anders als bei den verwandten            Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ 06/19 vom 26.06.2019, S. 18 – 22
    Lernorten kennzeichnet dieses Vorgehen bei der Ar-              (http://learning-from-history.de/sites/default/files/attach/lag-
    beit an Kriegsgräbern allerdings eine Einschränkung,            mag_juni_2019_100_jahre_volksbund.pdf).
                                                               Heine, H.-D. Facetten der Jugendbildungsarbeit des Volksbundes Deut-
    die die logische Folge der Fokussierung auf den eng             sche Kriegsgräberfürsorge, in: LAG-Magazin „100 Jahre Volksbund
    definierten Lernort Kriegsgrab ist: Weil dieser Bezug           Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ 06/19 vom 26.06.2019, S. 12 – 17
    gesetzt ist, ist der Regelfall die Beschäftigung mit Le-        (http://learning-from-history.de/sites/default/files/attach/lag-
                                                                    mag_juni_2019_100_jahre_volksbund.pdf).
    bensgeschichten, die durch den Krieg jäh unterbro-         Plessow, O. & Dittrich, K: Außerschulische Jugendbildung, in: Hinz, F. &
    chen wurden. Überlebenden- oder Rettungsgeschich-               Körber, A. (Hg.): Geschichtskultur – Public History – Angewandte
    ten treten damit in den Hintergrund.                            Geschichte. Göttingen 2020.
                                                               Ulrich, B., Fuhrmeister, C., Kruse, W. & Hettling, M.: Volksbund Deut-
        Einen Kommentar verdienen schließlich noch                  sche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme. Ber-
    die Logiken, nach denen Lehren aus dem Kriegstod                lin 2019.

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Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
Hintergrund

                                                                                             JAKOB BÖT TCHER

                                                                        Helden – Täter – Opfer
                                                                       Die Kriegsgräberstätte als Erinnerungsort im Wandel

                                                Auf deutschen Kriegsgräberstätten sind mehrere Mil-      rechtlichen Status besitzt, der seine besondere Be-
                                                lionen Gräber von Menschen vereint, die durch die        deutung untermauert: Kriegsgräber werden dauer-
                                                Folgen des Ersten und des Zweiten Weltkriegs ums         haft erhalten.
                                                Leben kamen. Hier finden sich Gräber von getöte-             Der dauerhafte Erhalt von Kriegsgräbern steht
                                                ten Soldaten, die bei Kampfhandlungen starben,           in einer Tradition des Kriegstotengedenkens, das bis
                                                aber auch zahlreiche zivile Kriegsopfer. Unter die-      in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Diese Tradi­tion
                                                sen befinden sich auch Tote, deren Sterben nicht al-     stand lange im Zeichen einer ausschließlich militä-
                                                lein auf kriegerische Handlungen zurückgeführt wer-      rischen Totenehrung, bei der der im Kampf getöte-
                                                den kann, sondern die Opfer der Verbrechen des NS-       ten Soldaten, der „Gefallenen“, öffentlich als Helden
Foro: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

                                                Regimes wurden. Kriegsgräberstätten sind mehr als        gedacht wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat in
                                                gewöhnliche Friedhöfe. Sie sind Orte, wo die Hin-        Deutschland an diese Stelle ein Verständnis, alle To-
                                                terbliebenen persönlich um die Verstorbenen trau-        ten als Opfer des Krieges zu begreifen. Im Verlauf
                                                ern können, sie sind aber immer auch Orte des öf-        der kritischen Auseinandersetzung mit der deut-         Als diese Jugend­lichen
                                                fentlichen Gedenkens. Dies sind sie nicht allein, weil   schen Geschichte in den letzten Jahrzehnten wurde       1957 Gräber in La
                                                der Erinnerung an die Weltkriege als Teil des poli-      dieser oft undifferenzierte Opferbegriff zunehmend      Cambe in der Norman-
                                                tischen Selbstverständnisses in Deutschland ein be-      hinterfragt. Auch deutsche Kriegsgräberstätten rück-    die pflegten, war Frie-
                                                sonders hoher Stellenwert eingeräumt wird, sondern       ten dabei immer wieder in den Mittelpunkt öffent-       denspädagogik über
                                                weil das Kriegsgrab seit Langem einen besonderen         licher Debatten. Vor allem der Umstand, dass auch       Gräbern noch neu

                                                Lernort Kriegsgräberstätte                                                                                                      5
Beispiele Praxis - Lernort Kriegsgräberstätte Pädagogische Formate und Beispiele - Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge
namentlich bekannte Täter von Kriegsverbrechen        untrennbar verbunden. Bereits der Erste Weltkrieg,
    auf deutschen Kriegsgräberstätten bestattet sind,     der eigentliche Katalysator für die Entstehung der
    löste wiederholt Diskussionen über angemessene        modernen Kriegsgräberfürsorge, ließ dies kurz
    Formen des Kriegstotengedenkens in Deutschland        nach Beginn der Kampfhandlungen hervortreten.
    aus. Ein Ergebnis dieser kontroversen Auseinander-    In fast allen am Krieg beteiligten Ländern wurden
    setzung – man kann sie auch als gesellschaftlichen    Forderungen laut, die Toten und ihre Gräber nicht
    Lernprozess begreifen – ist, dass Kriegsgräberstät-   einfach achtlos dem Vergessen zu überlassen. Die
    ten eine gewichtige Bedeutung in der historischen     Forderung nach der „würdevollen Bestattung“ der
    Bildungsarbeit bekommen haben. Gerade das mit-        Toten, wie sie im begleitenden Diskurs in Deutsch-
    unter ambivalente Bild, das die Einzelschicksa-       land häufig hervortritt, kollidierte jedoch mit den
    le der Toten auf manchen Kriegsgräberstätten im       brutalen Verhältnissen an der Front, die das Bergen
    Vergleich ergeben, kann dabei als Ressource in der    und Identifizieren der Toten oft nicht zuließen. Das
    pädagogischen Arbeit eingesetzt werden. Es ist je-    Kriegsende leitete eine Phase ein, in der in vielen
    doch wichtig, sich zuvor mit den historischen Hin-    Ländern in mehrjährigen Bauprogrammen Fried-
    tergründen und der Geschichte des sich verändern-     höfe für mehrere Hunderttausend Gefallene errich-
    den gesellschaftlichen Umgangs mit Kriegsgräbern      tet wurden. Zugleich wurde der dauerhafte Erhalt
    vertraut zu machen. Er soll hier kurz dargestellt     der Grabstätten zu einem allgemeinen völkerrecht­
    werden.                                               lichen Prinzip, das im Versailler Vertrag 1919 fest-
                                                          gelegt wurde und die Vertragsstaaten zur Sorge um
                                                          die Kriegsgräber auf ihrem Staatsgebiet verpflich-
       Der Tod auf dem Schlachtfeld                       tete. Bis heute hat es sich als allgemein anerkannte
                                                          völkerrechtliche Praxis durchgesetzt, dass Staaten
    Die geordnete Bestattung von Kriegstoten und der      auch fremde Kriegsgräber erhalten oder den Hei-
    Erhalt ihrer Gräber ist historisch betrachtet eine    matländern der Toten den Zugang zu den Gräbern
    noch junge Erscheinung. Die Wurzeln reichen zu-       gestattet wird, um die Gräber zu pflegen oder die
    rück ins 19. Jahrhundert. Unter den Bedingungen       Toten nach Hause zu überführen.
    sich herausbildender Nationalstaaten erfuhr der
    Militärdienst im 19. Jahrhundert eine deutliche so-
    ziale Aufwertung. Zeugnisse hierfür sind die zahl-       Umkämpfte Erinnerung
    reichen Kriegerdenkmäler, die zu Ehren der Toten
    errichtet wurden. Eine wichtige Entwicklung dabei     In Deutschland stand nach dem Ersten Weltkrieg der
    ist, dass allen Toten dieselbe Ehrung zuteilwurde,    verständliche Wunsch der Hinterbliebenen nach Er-
    ungeachtet ihrer sozialen Herkunft oder ihres mi-     halt und Pflege der Kriegsgräber von Beginn an un-
    litärischen Ranges. Um die besondere Stellung des     ter besonderen politischen Vorzeichen. Die Kriegs-
    Kriegsgrabes zu verstehen, muss noch eine weite-      niederlage und das fragile Staatsgebilde der jun-
    re Entwicklung nachvollzogen werden: die Entste-      gen Weimarer Republik beeinflussten nachhaltig
    hung des humanitären Völkerrechtes. Der Versuch,      die weitere Entwicklung der Kriegsgräberfürsorge
    Regeln für die moderne Kriegsführung zu verein-       in Deutschland. 1919 gründete sich der Volksbund
    baren, die die Gewaltausübung auf dem Schlacht-       Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der die Pflege deut-
    feld eingrenzen sollte, schlug sich in den Genfer     scher Kriegsgräber, die sich damals überwiegend im
    Konventionen (ab 1864) und den Haager Abkom-          Ausland befanden, unterstützen wollte. Er entwickel-
    men (ab 1899) nieder. Hier fanden auch Formulie-      te sich in den folgenden Jahren zu einer Großorga-
    rungen Einzug, die sicherstellen sollten, dass der    nisation, die bald begann, selbstständig Kriegsgrä-
    Leichnam eines getöteten Feindes oder eines ver-      berstätten in ganz Europa anzulegen. Der Volksbund
    storbenen Kriegsgefangenen ebenso respektvoll be-     hat seitdem das Erscheinungsbild deutscher Kriegs-
    handelt wird wie die sterblichen Überreste der ei-    gräber und Planungskonzepte für Kriegsgräberstät-
    genen Soldaten. Zwischen Deutschland und Frank-       ten maßgeblich geprägt. Auch für einen einheitlichen
    reich wurde die gegenseitige Achtung von Krieger-     Gedenktag zur Ehrung der Toten, den Volkstrauertag,
    denkmälern und -gräbern erstmals im Frieden von       setzte er sich seit den 1920er Jahren ein.
    Frankfurt 1871 vereinbart.                                Das Gefallenengedenken in der Weimarer Repu-
                                                          blik war hochumkämpft, alle politischen Lager re-
                                                          ferierten auf ein „Vermächtnis“ der Gefallenen, aus
       Die besondere Stellung des Kriegsgrabes            dem sie einen politischen Auftrag für die Gegen-
                                                          wart ableiteten. Wenn auch vorgeblich überpartei-
    Die beiden Funktionen, die das Kriegsgrab erfüllt,    lich, fand der Volksbund zu dieser Zeit verstärkt Zu-
    öffentliche Ehrung und Sicherung humanitärer Min-     spruch im nationalkonservativen Lager. Obwohl für
    deststandards bei der Bestattung von Kriegs­toten,    den Volksbund bei seiner Gründung die Interessen
    lassen sich in theoretischen Überlegungen tren-       der Hinterbliebenen im Vordergrund gestanden hat-
    nen, in der Realität waren und sind sie aber meist    ten, verband sich der Bau von Kriegsgräberstätten

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Hintergrund

                                                seit Ende der 1920er Jahre zugleich immer enger mit         Kriegsgräberfürsorge nach 1945
                                                den populären Frontkämpfermythen, die die politi-
                                                sche Rechte erfolgreich für sich vereinnahmte. Mit       Das Ende des Zweiten Weltkriegs und der NS-Dikta-
Foro: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

                                                Beginn der nationalsozialistischen Diktatur 1933 voll-   tur wird als Zäsur in der Geschichte des Kriegstoten­
                                                zog sich in schnellen Schritten eine enge Anbindung      gedenkens in Deutschland gesehen. Auf die Nieder-
                                                des Volksbundes an das NS-Regime. Dies hatte auch        lage im Zweiten Weltkrieg folgte kein Wiederaufle-
                                                Konsequenzen für deutsche Kriegsgräberstätten, die       ben der heroischen Überhöhung des Kriegstodes, das      Versöhnung über
                                                nun in die NS-Propaganda einbezogen wurden. Zum          sich mit Revanche- und Revisionsgelüsten wie nach       Gräbern wurde zum
                                                Ausdruck kam dies in monumentalen Grabanlagen,           1918 verband. Auch ein rein militärisches Kriegs-       Motiv, dem sich der
                                                die die Individualität des einzelnen Toten negierten.    totengedenken war allein angesichts der hohen           Volksbund verschrieb
                                                Stattdessen wurde der Kriegstod zum heroischen Op-       Zahl ziviler Kriegs- und NS-Opfer kaum noch denk-       (Gedenkfeier in
                                                fergang für die Volksgemeinschaft verklärt.              bar. Die tradierten Formen des Gedenkens und der        Verdun, 1963)

                                                Lernort Kriegsgräberstätte                                                                                                     7
Bestattung von Kriegstoten verschwanden jedoch           Umgang mit deutschen Kriegstoten und ihren Grä-
    nicht über Nacht. Es dauerte bis in die 1960er Jah-      bern mit moralischen Widersprüchen. Konnten die-
    re, bis sich das Verständnis gesellschaftlich durch-     jenigen, die Unrecht begangen hatten, gleichzeitig
    setzte, dass die Kriegstoten sich nicht heldenhaft im    auch selbst Opfer sein?
    Krieg geopfert hatten, sondern zuallererst ein Op-
    fer des Krieges geworden waren. Unter dem Ober-
    begriff der „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“           Die Kriegsgräberstätte –
    wurde in der Bundesrepublik eine Formel etabliert,           ein schwieriger Erinnerungsort
    welche die militärischen Toten wie auch verschiede-
    ne zivile Opfergruppen im Totengedenken gleichbe-        Diese Frage drängt sich insbesondere auf jenen
    rechtigt vereinte. Sie fand im Rahmen des offiziel-      deutschen Kriegsgräberstätten auf, wo nachweis-
    len Totengedenkens am Volkstrauertag Anwendung           lich Menschen bestattet sind, die für schwere Ver-
    und prägte als Inschrift öffentliche Gedenkstätten.      brechen verantwortlich sind. Wir finden auch diese
    Damit wurde der seit dem 19. Jahrhundert tradier-        Gräber auf Kriegsgräberstätten vor, weil der Grund-
    te Vorrang der Soldaten im politischen Totengeden-       satz, dass Staaten für eine ordentliche Bestattung
    ken in Deutschland aufgehoben. Auch Gräber von           von Kriegstoten zu sorgen haben, für alle Toten gilt.
    zivilen Kriegs- und Regimeopfern wurden nun un-          Es gibt aber zahlreiche Beispiele für bekannt gewor-
    missverständlich in den Geltungsbereich des Grä-         dene Fälle von Tätern auf deutschen Kriegsgräber-
    bergesetzes einbezogen, das den dauerhaften Erhalt       stätten, die in den letzten Jahrzehnten immer wie-
    von Kriegsgräbern auf dem Gebiet der Bundesrepu-         der öffentliche Auseinandersetzungen um den rich-
    blik regelt.                                             tigen Umgang mit diesen Gräbern befeuert haben.
        In der frühen Nachkriegszeit hatte die Suche         Diese haben gezeigt, dass es für das Aufbrechen des
    nach zurückgelassenen Feldgräbern große Bedeu-           moralischen Dilemmas, in dem sich die Kriegsgrä-
    tung. Dabei fiel dem Volksbund eine Schlüsselrolle       berfürsorge in Deutschland bewegt, keine einfa-
    zu. Er verfügte über die notwendigen Kenntnisse zur      che, befriedigende Lösung gibt. Die Diskussionen
    Identifizierung der Toten und zum Bau von Friedhö-       haben jedoch das Verständnis dafür geschärft, dass
    fen. Nach Gründung der Bundesrepublik übernahm           es vor allem einer historischen Einordnung bedarf,
    der Verein mit Zustimmung der Bundesregierung            wenn Kriegsgräberfürsorge nicht als überkomme-
    die Betreuung deutscher Kriegsgräber im Ausland          ne Praxis erscheinen soll, die an falsch verstande-
    und unterstützte die Landesregierungen bei Maß-          nen Ehrbegriffen festhält. Deshalb ist der Erhalt von
    nahmen im Inland. Auch bei den nach dem Zweiten          Kriegsgräbern heute nicht mehr ohne die begleiten-
    Weltkrieg errichteten deutschen Kriegsgräberstät-        de Bildungsarbeit auf deutschen Kriegsgräberstät-
    ten ist zu beobachten, dass sich Material- und For-      ten denkbar.
    mensprache der Anlagen erst schrittweise von über-
    kommenen Bauweisen der Zwischenkriegszeit lösen          Literatur
    mussten. Unter Einbeziehung zum Teil namhafter           Ulrich, B., Fuhrmeister, C., Kruse, W., Hettling, M.: Volksbund Deut-
                                                                  sche Kriegsgräberfürsorge. Entwicklungslinien und Probleme.
    Architekten versuchte der Volksbund nun, Fried-               Berlin 2019.
    hofsanlagen zu entwickeln, die sich am wesent­           Böttcher, J.: Zwischen staatlichem Auftrag und gesellschaftlicher Trä-
    lichen Prinzip der Kriegsgräberfürsorge orien­tierte,         gerschaft. Eine Geschichte der Kriegsgräberfürsorge in Deutsch-
                                                                  land im 20. Jahrhundert. Göttingen 2018.
    dem dauerhaften Ruherecht. Kriegsgräber wurden           Goltermann, S.: Opfer. Die Wahrnehmung von Krieg und Gewalt in der
    unter dem Gesichtspunkt einer möglichst einfa-                Moderne. Frankfurt a. M. 2017.
    chen Grabpflege angelegt. Die in der Regel einheit-
    liche und schlichte Gestaltung von Kriegsgräber-
    stätten war nicht darauf ausgerichtet, Unterschie-
    de zwischen den Schicksalen der Toten sichtbar zu
    machen. Alle Toten gleichermaßen für die erlittene
    Gewalt in Krieg und Diktatur in Erinnerung zu hal-
    ten, war an die Stelle eines rein militärischen Toten­
    gedenkens getreten. Schlichtheit und Einheitlich-
    keit, die halfen, den monumentalen Heldenkult der
    NS-Zeit auf den Kriegsgräberstätten zu überwinden,
    verdeckten zugleich, dass ein Teil der Toten, derer
    öffentlich gedacht wurde oder die gar nebeneinan-
    der begraben lagen, in einer widersprüch­lichen Be-
    ziehung zueinander standen. Zwischen ihnen stand
    das Verhältnis von Tätern zu Opfern. Vor allem die
    Benennung von Kriegs- und NS-­Verbrechen durch
    die historische Forschung und in der öffentlichen
    Debatte konfrontierte die bestehende Praxis im

8                                                                                                           Lernort Kriegsgräberstätte
Friedhofserkundung

                                                                      Erste erkundende Schritte auf einer Kriegsgräberstätte

                                                                                                                               ANKE BÜT TGEN

                                                                                                   Friedhofserkundung
Foto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Berlin

                                                                      „Kriegsgräberstätten sind Stätten würdigen Gedenkens.           Auf vielen Friedhöfen sind nicht nur Soldaten be-
                                                                      Sie stellen eine eindrucksvolle Mahnung für den Frieden         stattet, sondern auch zivile Opfer, hierzu zählen bei-
                                                                      dar; die eindrucksvollste Mahnung, die ich mir über-            spielsweise Opfer der Bombenangriffe sowie aus
                                                                      haupt vorstellen kann.“                                        Konzentrationslagern oder der Euthana­sieaktion
                                                                         (Prof. Dr. Karl Carstens, Bundespräsident 1979 – 1984)       T 4. Auch Zwangsarbeiter:innen, Widerstands­käm­
                                                                                                                                      pfer:innen, Angehörige des sogenannten „letzten
                                                                                                                                      Aufgebots“, Rot-Kreuz-­Schwestern, politisch Verfolg-
                                                                          Die Kriegsgräberstätte als Lernort                          te und Geflüchtete haben in Deutschland Anspruch
                                                                                                                                      auf ein Kriegsgrab. Dessen Besonderheit ist das ewi-
                                                                      In nahezu jeder Gemeinde, jedem Bezirk, jeder Stadt             ges Ruherecht, das den dort Bestatteten ein dauern-
                                                                      findet man Zeugnisse der Weltkriege, Zeugnisse                  des Grab garantiert.
                                                                      nationalsozialistischer Gewaltherrschaft und Kriegs-                Für die meisten Menschen ist der Besuch eines
                                                                      gräberstätten.                                                  Friedhofs mit persönlicher Trauer verbunden. Dabei

                                                                      Lernort Kriegsgräberstätte                                                                                                           9
beschränkt sich die Wahrnehmung nicht selten auf         und Lebenswege nachzuzeichnen und so den Grab-
     einzelne Gräber von Familienangehörigen. Ein Fried-      zeichen eine Identität geben. Die Schüler:innen er-
     hof kann jedoch nicht nur Ort der individuellen Trau-    halten kein fertiges Geschichtsbild, sondern können
     er sein, sondern auch ein Ort des geschichtlichen        eigenständig erforschen und entdecken. Die indivi-
     Lernens, des Erinnerns und des Gedenkens.                duelle Forschung auf der Kriegsgräberstätte ermög-
         Kriegsgräberstätten, die oft auch auf zivilen        licht eine große Nachhaltigkeit der historischen Er-
     Friedhöfen zu finden sind, sind Zeugen unserer Ge-       kenntnisse und weckt den Wissensdurst der Lernen-
     schichte und Mahnmale für den Frieden. Sie erzäh-        den. Die Schüler:innen können eigene Fragen stellen
     len Geschichten und berichten über Schicksale, sie       und durch weitere Recherchen versuchen, Antwor-
     lassen uns Spuren suchen und verfolgen, sie werfen       ten darauf zu finden. Auch eine anschließende Pro-
     Fragen auf. Eine Kriegsgräberstätte bietet einen gu-     jektpräsentation ist möglich und bietet sich gerade
     ten Zugang zum Prinzip des entdeckenden-forschen-        bei der zusätzlichen Arbeit mit einzelbiografischen
     den Lernens.                                             Materialien an.
         Der Besuch einer Kriegsgräberstätte kann als au-          Zu Beginn einer Führung auf der Kriegsgräber-
     ßerschulischer Lernort einen interaktiven Zugang         stätte stehen zunächst im Regelfall allgemeine Infor-
     bieten und praktische und theoretische Anteile der       mationen zum Gedenkort und der lokalen Orientie-
     historisch-politischen Bildung miteinander verbin-       rung durch die/den Bildungsreferent:in. Wer wurde
     den. Zudem lässt sich an den Besuch eine Vielzahl        hier bestattet? Wie viele Menschen haben hier ihre
     möglicher Projekte anschließen.                          letzte Ruhe gefunden? Woran starben diese Men-
         Es gibt verschiedene Zugänge, die sich je nach Al-   schen? Warum sind sie gerade hier bestattet worden?
     tersgruppe, Gruppengröße und historischer Vorbil-        Was erzählen die Grabsteine über die Geschichte der
     dung anpassen lassen. Im Folgenden werden die In-        Menschen? Sind alle Menschen, die im Krieg ums Le-
     teraktive Spurensuche und das Projekt „Mit dem Han-      ben kamen, Opfer oder finden wir auf der Kriegs-
     dy in die Vergangenheit“ genauer vorgestellt.            gräberstätte in unserer Umgebung auch Täter:innen?
         Die inhaltliche Arbeit auf einer Kriegsgräberstät-   Und wenn ja, wie gehen wir mit ihnen um?
     te lässt sich an alle Jahrgänge ab Klassenstufe 7 an-         Der Zeitaufwand richtet sich ganz nach der Vor-
     passen. Tiefergehende Rechercheprojekte eignen           stellung der Lehrenden, nach der Größe der Kriegs-
     sich besonders für Oberstufenschüler:innen und Stu-      gräberstätte und den Inhalten, die besprochen und
     dierendengruppen.                                        erarbeitet werden sollen. So kann eine Führung auf
         Die Schüler:innen sollten im Vorfeld auf die The-    einer regionalen Gedenkanlage auf einem zivilen
     men Erster und Zweiter Weltkrieg vorbereitet wer-        Friedhof ca. 1,5 bis 2 Stunden dauern, der Besuch
     den. Je nach Kriegsgräberstätte und je nach Opfer-       einer großen Kriegsgräberstätte hingegen mehrere
     gruppen sind intensivere Unterrichtseinheiten zum        Stunden. Die Gruppengröße sollte dabei 30 Personen
     Thema Euthanasie und Verbrechen der Nationalso-          nicht überschreiten.
     zialisten notwendig. Es bietet sich zudem an, im Vor-         Die jeweiligen zuständigen Bildungs­referent:­
     feld über regionale Besonderheiten, beispielsweise       innen des Volksbundes unterstützen gerne bei der
     über große Bombenangriffe oder auch Konzentrati-         Entwicklung und Durchführung der Friedhofs­
     onslager, die sich in der Nähe befanden, aufzuklären.    erkundung, auch können Materialien, wie beispiels-
                                                              weise Informationen zu Einzelschicksalen, übermit-
                                                              telt werden. Auch bei der Vor- und Nachbereitung des
        Forschendes Lernen als Zugang                         Projekts kann unterstützt werden. Die inhaltlichen
                                                              Führungen über die Kriegsgräberstätten werden in
     „Forschendes Lernen zeichnet sich vor anderen Lern-      der Regel vom hauptamtlichen Personal des zustän-
     formen dadurch aus, dass die Lernenden den Pro-          digen Landesverbands übernommen.
     zess eines Forschungsvorhabens, das auf die Gewin-            Die Kosten für die Friedhofserkundung sind bei
     nung von auch für Dritte interessanten Erkenntnis-       den zuständigen Bildungs­refernt:innen zu erfragen.
     sen gerichtet ist, in seinen wesentlichen Phasen von     Je nach Material oder bei Einsatz mobiler Endgerä-
     der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über           te durch den Volksbund können geringe Gebühren
     die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prü-        anfallen.
     fung und Darstellung der Ergebnisse in selbstständi-
     ger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem über-      Literatur
     greifenden Projekt (mit-)gestalten, erfahren und re-     Huber, L. (2009): Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In
                                                                 L. Huber, J. Hellmer & F. Schneider (Hg.): Forschendes Lernen im
     flektieren“ (Huber 2009, S. 11).                            Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen. Bielefeld, S. 9 – 35.
         Ziel der Friedhofserkundung ist zum einen der
     Abbau von Distanz und die Reflexion über den ei-
     genen Umgang mit Erinnerung und Gedenken. Die
     Erkundung kann zum anderen auch dazu anregen,
     sich mit der eigenen wie der lokalen Geschichte aus-
     einanderzusetzen, Einzelschicksale zu recherchieren

10                                                                                                         Lernort Kriegsgräberstätte
Friedhofserkundung

                                                                       Interaktive Spurensuche – Erkunden einer Kriegsgräberstätte

    Schulform/                                                                     alle Schulformen, ab Klassenstufe 9;   Wie kann das Interesse heutiger Gene-       Papier und Klebezetteln – erkunden die
Jahrgangsstufe:                                                                    Vorwissen zu den Themen Zweiter        rationen für diese fast vergessenen Orte    Schüler:innen bei dem von uns geführ-
                                                                                   Weltkrieg und NS-Zeit bzw. Erster      geweckt werden? Wie nähert man sich         ten Friedhofsrundgang im Rahmen ei-
                                                                                   Weltkrieg wünschenswert                diesen fast vergessenen Orten mit heu-      ner interaktiven Spurensuche in Klein-
                                                                        Dauer:     (2 –) 3 Schulstunden; Vertiefung von   tigen Generationen an? Wie verdeut-         gruppen die Kriegsgräberstätten.
                                                                                   Themenschwerpunkten oder Pflege-       licht man Schüler:innen, für die die Fra-       Anhand eines eingangs erteilten Ar-
                                                                                   einsatz auf dem Friedhof möglich
                                                                                                                          ge „Was hat das Ganze mit mir zu tun“       beitsauftrages mit leitenden Fragen ent-
Gruppengröße:                                                                      10 – 30 Teilnehmende                   nicht eine rein rhetorische ist, die Ver-   decken die Schüler:innen die Spuren der
                                                                        Kosten:    ggf. Kosten für die Fahrt zu einer     bindung zwischen heute und der Ver-         Geschichte vor ihrer Haustür, nicht nur
                                                                                   örtlichen Kriegsgräberstätte           gangenheit? Wie kann man Zugänge für        im Geschichtsbuch, und lernen ihre ei-
                                                                                                                          Schüler:innen schaffen, die zum ersten      gentlich vertraute Umgebung neu ken-
                                                                                                                          Mal eine Kriegsgräberstätte, vielleicht     nen. Dabei sind sie mit einem Fried-
                                                                       In Berlin ruhen auf 171 Friedhöfen und             sogar erstmals einen Friedhof besu-         hofsplan, einer Einzelbiografie, einem
                                                                       Begräbnisplätzen rund 150.000 Opfer von            chen und damit auch das erste Mal mit       Steckbriefformular, der Gräberdatei der
                                                                       Krieg und Gewaltherrschaft. Obwohl die-            dem Thema Tod konfrontiert werden?          toten Person sowie weiteren Materia­
                                                                       se Begräbnisstätten für die Öffentlich-                Auf der Kriegsgräberstätte „In den      lien, wie Briefe, Bilder oder Tagebuch-
                                                                       keit zugänglich sind, werden nur wenige            Kisseln“ in Berlin-Spandau hat Ge-          einträgen, ausgestattet.
                                                                       wahrgenommen, rücken oft nur im Rah-               schichte ihre Spuren hinterlassen.              Jeder Grabstein, jeder Name er-
                                                                       men ritueller Gedenkfeiern für einen Mo-           Hier haben fast 6.000 Tote von Krieg        zählt eine Geschichte, unter jedem
                                                                       ment ins Bewusstsein. Die Mehrheit der             und Gewaltherrschaft dauerhaft ih-          Grabstein verbirgt sich eine Geschich-
                                                                       Kriegstoten bleibt unsichtbar, unabhän-            re letzte Ruhestätte. Bereits mit ein-      te. Bei ihrer Spurensuche entdecken
                                                                       gig von Herkunft, Alter und Schicksal.             fachen Mitteln – Stift, Klemmbrett,         die Schüler:innen schnell, dass auf den
 Foto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Berlin

                                                                       Vertieft in Gruppenarbeit

                                                                       Lernort Kriegsgräberstätte                                                                                                          11
Andruschko, geboren am 15. 02. 1891,
                                                                                                   verstorben am 02. 04. 1945. Sie war Fin-
                                                                                                   nin, in Helsinki geboren und zur Zwangs-
                                                                                                   arbeit nach Berlin verschleppt. „In den
                                                                                                   Kisseln“ liegen 514 namentlich bekannte
                                                                                                   Zwangsarbeiter:innen, noch viele ande-
                                                                                                   re bleiben bis auf Weiteres unbekannt.
                                                                                                       Durch das Kennenlernen unter-
                                                                                                   schiedlicher Opfergruppen setzen sich
                                                                                                   die Schüler:innen mit Ursachen und Fol-
                                                                                                   gen von Krieg und Gewaltherrschaft aus-
                                                                                                   einander und erfahren, wie ganz unter-
                                                                                                   schiedliche Menschen im Krieg zu Tode
                                                                                                   kommen. Themenschwerpunkte, wie
                                                                                                   Zwangsarbeit, Luftkrieg, NS-Militärjus-
                                                                                                   tiz und Flucht und Vertreibung, können
                                                                                                   auf dem Friedhof „In den Kisseln“ ver-
                                                                                                   tieft werden.
                                                                                                       Ein Krieg hat viele Gesichter –
                                                                                                   Kriegsgräberstätten sind authentische
                                                                                                   Orte, an denen man sich kritisch mit
                                                                                                   Fragen über Schuld und Aussöhnung,
                                                                                                   Täterschaft und Verantwortung ausein-
                                                                                                   andersetzen kann und die Chance hat,
                                                                                                   sich dem Unbehagen an der Geschich-
                                                                                                   te zu stellen.
                                                                               Die Schülerinnen        Das Besprechen der Erkundungs­
                                                                               finden das Grab     ergebnisse im Plenum wird von der Bil-
                                                                               desjenigen, des-
                                                                               sen Biografie sie   dungsreferentin/dem Bildungsreferent
                                                                               erforschen wollen   geleitet. Dabei werden nicht nur weite-
                                                                                                   re Informationen zu Friedhof, Gräbern
                                                                                                   und Menschen ergänzt, sondern es wird
      Gräberfeldern nicht nur deutsche Sol-          Was die Schüler:innen noch nicht wis-         auch ganz offen zur weiteren Diskussion
      daten aus den Weltkriegen liegen. Sie          sen: Es war ein erweiterter Suizid. Auf 66    angeregt, in der die Schüler:innen ihre
      lesen auf einem Grabstein „In den Kis-         Grabsteinen ist dasselbe Todesdatum zu        Positionen und Perspektiven zu Krieg
      seln“, dass Eberhard Reitz nicht einmal        finden, der 16. 12. 1943. Am Abend die-       und Frieden, zu Erinnerung und Geden-
      vier Monate alt geworden ist und er und        ses Tages wurde Spandau bombardiert.          ken artikulieren können.
      seine junge Mutter nur wenige Tage vor             Die Schüler:innen lesen den nicht
      Kriegsende, am 28. 04. 1945, verstarben.       deutsch klingenden Namen Klawdija                        ANNE-SUSANN SCHANNER

      „Mit dem Tablet in die Vergangenheit“
                                                                                                                                                      Foto: Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, Landesverband Bremen

           Erkundung von Kriegsgräbern               in den beiden Weltkriegen und als Opfer       Bounds – anfertigen. Ausgerüstet mit
           mit der App Actionbound                   der nationalsozialistischen Gewaltherr-       Smartphone oder Tablet, durchlaufen
                                                     schaft verloren haben. Neben den Grä-         die Teilnehmer:innen vielfältige Stati-
      Auf dem Hauptfriedhof in Frankfurt am          berfeldern deutscher Soldaten beider          onen, an denen Bildungsinhalte mit-
      Main befinden sich die Gräber von an-          Weltkriege und ziviler deutscher Kriegs-      tels multimedialer Elemente, wie QR-
      nähernd 6.700 Kriegstoten, die ihr Leben       toter sind dort darüber hinaus solche von     Codes, Karten, Fotos oder Videoaufnah-
                                                     Opfern der nationalsozialistischen Ge-        men, vermittelt werden. Die Nutzung
                                                     waltherrschaft und polnischer KZ-Häft-        digitaler Medien wie der Actionbound-
       Dauer:    ca. 5 Zeitstunden (inkl. Gruppen­   linge zu finden, die während des Zweiten      App in der Bildungsarbeit auf Kriegs-
                 arbeit und Auswertung)­
                                                     Weltkrieges Zwangsarbeit in den Frank-        gräberstätten war ursprünglich ein Pi-
   Zielgruppe:   Jugendliche ab 16 Jahren und        furter Adlerwerken leisten mussten.           lotprojekt des Landesverbandes Hessen,
                 Erwachsene
                                                         Mit der App Actionbound lassen sich       das dieser 2018 für den Kasseler Haupt-
Gruppengröße:    bis 30 Personen                     interaktive Lernparcours – sogenannte         friedhof entwickelt hat und dort seither

      12                                                                                                                 Lernort Kriegsgräberstätte
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