BGR Report - Ton unter der Lupe Wissenschaftler erforschen die Eigenschaften von Tongestein im internationalen Felslabor Mont Terri
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BGR Report Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Juni 2015 Ton unter der Lupe Wissenschaftler erforschen die Eigenschaften von Tongestein im internationalen Felslabor Mont Terri
ISSN 2364-7736 Impressum © Bundesanstalt für Geowissenschaften Fotos der Ansprechpartner und Rohstoffe (2015) Siegfried Pietrzok Kontakt Texte Bundesanstalt für Geowissenschaften Holger Kroker und Rohstoffe Stilleweg 2 Gestaltung 30655 Hannover ff.mediengestaltung GmbH Telefon +49 511 643-0 Telefax +49 511 643-2304 Druck E-Mail info@bgr.de MHD Druck & Service GmbH www.bgr.bund.de Bildquellen Redaktion Die Abbildungen und Fotos, zu denen keine anderen Quellen genannt sind, stammen Janine Seibel von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des GEOZENTRUMs Hannover. Dr. Thomas Schubert (verantw. für den Inhalt) Bildquellen Umschlag Obere Bildleiste: Philipp Dorian Schuler (linkes Foto), Fotolia (mittleres und rechtes Redaktionelle Mitarbeit Foto), Titelbild: BGR Klaus Kruse Bettina Landsmann Die vorliegende Broschüre wird kostenlos abgegeben und kann bei Bedarf angefordert Karsten Piepjohn werden bei: Vertrieb@bgr.de Sandro Schmidt Ingeborg Göbel Erscheinungsmonat Juni 2015 Der vorliegende BGR Report stellt Projekte der BGR aus dem Jahr 2014 vor. Zudem gibt er einen „Ausblick“ auf künftige Vorhaben.
Editorial Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Liebe Leserinnen und Leser, wie und wo hoch radioaktive Abfälle künftig gelagert werden, ist bislang noch nicht geklärt. Die Bundesregierung hat 2013 das sogenannte Standortauswahl- gesetz verabschiedet. Es regelt Schritte für die Suche eines Endlagers, das die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewähr- leistet. Das Verfahren soll transparent und mit Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt werden. Für ein Endlager im tiefen Untergrund kommen als mögliche Wirtsgesteine in Deutschland besonders Steinsalz, Tonstein und Kristallin in Betracht. Jedes die- ser Gesteine zeigt dabei Vor- und Nachteile. Die BGR erforscht seit den 1990er Jahren, ob Tonstein als geologische Barriere sowie Ton als geotechnische Barriere geeignet sind. Im Beitrag „Ton unter der Lupe“ auf Seite 38 lesen Sie, wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei im Felslabor Mont Terri in der Schweiz vorgehen. Die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe soll der Bundesregie- rung bis 2016 Vorschläge für eine Entscheidungsgrundlage im Standortauswahl- verfahren vorlegen. Dazu zählen unter anderem Aspekte der Sicherheit sowie geologische Kriterien. Sie nutzt dafür die geowissenschaftliche Expertise der BGR. Welche Aufgaben die BGR in dieser beratenden Funktion hat, erfahren Sie im Interview „Kriterien für ein Endlager“ auf Seite 70. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!
Projekte Rohstoffversorgung sichern Vor Geogefahren schützen 6 Deutsch-Kasachische Rohstoffpartnerschaft 53 Atmosphärischen Wellen auf der Spur 8 Schlüsselstelle für Bodenschätze 54 Erdrutschgefahren sichtbar machen 10 Südafrikanische Dominanz 55 Unter gegenseitigem Einfluss? 12 Bergbau mit Bakterienhilfe 56 Bewegungsmelder in der Umlaufbahn 14 Rauchschwaden wiesen den Weg 16 Schiefergas in Deutschland 18 Sonne besteht den Test Entwicklungsländer unterstützen 57 Bergbau in Afrika Lebensgrundlagen erhalten 58 Grundwasser rückt in den Fokus 59 Potenzial für eine nachhaltige Entwicklung 20 Edelmetalle im Boden 60 Nachhaltigkeit für mehr Wohlstand 21 Grundwasserschutz in Burundi 22 Von Wind und Wasser davongetragen 24 Die Versalzung des Grundwassers Kernwaffenteststopp überwachen 26 Frischwasser im Inseluntergrund 28 Atmender See steuert wertvolle Ressource 61 Kein Test bleibt unentdeckt 30 Inventar für 16 potenzielle Schadstoffe Geowissen entwickeln und vernetzen 31 Messen für den Feldeinsatz 32 Geodaten weltweit verfügbar 34 Fernerkundung für die Rohstoffexploration 36 Raumplanung auf einen Blick Den tieferen Untergrund nutzen 38 Titelthema: Ton unter der Lupe 40 Blick in die ferne Zukunft 42 Speicherung regenerativer Energien 44 Strom aus der Kaverne 46 Multiriss minimiert Bebenrisiko 48 Im Steinbruch nachgeschaut 50 Auf Stakeholder-Wissen zurückgreifen 52 Suche nach der idealen Barriere
„Der Planet Erde ist unsere Lebensgrundlage – seine Ressourcen sind begrenzt.“ Deshalb setzt sich die BGR für die Sicherung unseres Lebensraumes Erde und für die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen ein. Ausblick 63 Künstliche Nanopartikel 66 Flach lagernde Salzformationen 63 Hubschrauber misst Leitfähigkeiten 66 Neue Aufgaben für Ingenieure 64 Natürliche Methankonzentrationen im 67 Den Untergrund im Blick Grundwasser 67 Unsichtbares sichtbar machen 64 Maßgeschneiderte Lösungen 68 Entscheidungshilfe für Wassermanager 65 Informationen für Unternehmen 68 Expedition CASE 17 65 Kooperation mit Chile 69 Boden-Atlas Deutschland 69 Mithilfe von Gammastrahlen Menschen & Projekte 70 Kriterien für ein Endlager 71 Energie aus Schiefergestein Spektrum 72 Angebotskonzentration kaum verringert 75 Bundeswirtschaftsminister 72 Investitionschancen im chilenischen Bergbau besucht die BGR 72 CASE-Workshop in Hannover 75 Geologischen Sachverstand einbeziehen 72 Faszination Boden 76 Mehr Schutz für Böden 73 25 Jahre gesamtdeutsche Bodenkunde 76 Internationale Endlagerforschung 73 Empfehlungen für neue Endlagersuche 76 Zehn Jahre für eine starke Geoinformations- 73 Hilfe gegen Rohstoffschmuggel wirtschaft 74 Wasser für syrische Flüchtlinge 76 Geowissenschaften auf YouTube 74 Tiefseeschätze zum Anfassen 77 Auswahl BGR Publikationen 74 Grundwassercomic an sambischen Schulen 80 Ansprechpartner
Rohstoffversorgung sichern Neubewertung von Lagerstätten und Vorkommen in Kasachstan Deutsch-Kasachische Rohstoffpartnerschaft BGR-Experten zeigen Investitionschancen für Berg- die regionalen Komitees für Geologie bauprojekte und Lagerstätten auf und Untergrundnutzung in Nord-, Ost-, Süd- und Zentralkasachstan Die BGR hat 40 Bergbauprojekte und Kasachstan und Deutschland sind sowie Explorationsunternehmen mit Lagerstätten in Kasachstan unter- eine Rohstoffpartnerschaft einge- eigenen Projekten. sucht und ihre Wirtschaftlichkeit neu gangen. Zu ihrer Flankierung hat die bewertet. Betrachtet wurden für die BGR Lagerstätten der Buntmetal- Von den rund 300 Projekten, die die deutsche Wirtschaft besonders inter- le Kupfer, Blei, Zink und Zinn, der kasachischen Partner angeboten hat- ten, untersuchten BGR-Experten etwa 40 Lagerstätten und Projekte näher. Ausschlaggebend für die Auswahl war einerseits, ob die Vorhaben für die Rohstoffversorgung der deutschen Industrie von Interesse sein könnten. Andererseits musste eine erste roh- stoffwirtschaftliche Einschätzung eine mögliche Bauwürdigkeit der Projekte ergeben. Am Ende der Untersuchung prä- sentierten die BGR-Experten 15 be- sonders interessante Projekte in einem Workshop. Für die Vorhaben wurden Lage der 15 Lagerstätten (blau) und Projekte in Kasachstan. Zudem zeigt die Karte die Lage der wichtigsten Städte (orange). Steckbriefe erstellt, die neben den geografischen und geologischen Ba- essante Rohstoffe. Die Informationen Stahlveredler Vanadium, Tantal, Wolf- sisinformationen auch Daten über dienen als Entscheidungshilfe für ram, Molybdän und Titan sowie von Erztonnagen und -gehalte sowie eine mögliche Joint-Ventures, eigene Kon- Eisen und Flussspat betrachtet. Part- Einschätzung im internationalen Ver- zessionsnahmen oder die Erschlie- ner auf kasachischer Seite waren das gleich enthalten. Hinzu kommt eine ßung neuer Lieferpotenziale. Ministerium für Industrie und Neue erste Einordnung der Aufbereitbarkeit Technologien, das Zentrale Komitee und technischen Gewinnbarkeit der für Geologie und Untergrundnutzung, Erze. Informationen zur Wirtschaft- 6 BGR Report
Rohstoffkonferenz 2015 Bei der weltweiten Rohstoffver- sorgung spielt die Nachhaltig- keit eine immer wichtigere Rolle. Hierbei geht es um Aspekte einer verantwortungsvollen Rohstoff- gewinnung wie Umweltschutz, soziale Verantwortung, Roh- stoffeffizienz oder transparente Lieferketten. Die Konferenz rich- tet sich insbesondere an Vertreter aus Politik, Industrie und Wis- senschaft. Probennahme durch BGR-Mitarbeiter in der Vanadiumlagerstätte Balasauskandyk. lichkeit finden sich ebenfalls in den formationen schließlich mit Skizzen Um dem Informationsbedarf die- Steckbriefen. In den Fällen der ver- der allgemeinen Voraussetzungen, ser Zielgruppe entgegen zu kom- tragslosen und der sogenannten freien die von grundlegender Bedeutung men, veranstalten die BGR und Lagerstätten sind es erste Beurtei- für Investitionen in den kasachis- das Bundesministerium für Wirt- lungen, die anhand eines einfachen chen Bergbau sind. Dazu gehören schaft und Energie im November wirtschaftlichen Gewinnungsmodells die institutionellen Gegebenheiten 2015 in Berlin eine internationale ermittelt wurden. Bei den Firmenpro- in Kasachstan, zum Beispiel die Ver- Rohstoffkonferenz zum Thema jekten, über die in puncto Wirtschaft- tragsformen für Bergbauprojekte, die „Verantwortung übernehmen – lichkeit Informationen vorlagen, zu entrichtenden Konzessionsabgaben Nachhaltigkeit in der Rohstoff- werden die Angaben des jeweiligen sowie Gepflogenheiten und Prozedere wirtschaft fördern“. Die Reihe Unternehmens aufgeführt. der Ertragsteilung. Erörtert werden BGR-Rohstoffkonferenz liefert aber auch die wirtschaftspolitischen alle zwei Jahre aktuelle Fakten Auf die infrastrukturellen Bedin- Gegebenheiten, wie zum Beispiel das und Informationen zu einem roh- gungen, unter denen ein Projekt en- Steuersystem oder die Kontrolle der stoffbezogenen Thema. twickelt wird, sowie auf Fragen der Devisen bei der Gewinnrepatriierung. Umweltverträglichkeit gehen die Daher enthält jede Studie neben pro- www.bgr.bund.de Steckbriefe projekt- beziehungsweise jektspezifischen Daten auch Informa- lagerstättenspezifisch ein. Hieraus tionen zum Rechtsrahmen. lassen sich die Aufwendungen für die erforderlichen Verbesserungen Kontakt: Dr.-Ing. Jürgen Vasters der Infrastruktur, für den Schutz der Umwelt und für soziale Aufgaben ableiten. Abgerundet werden die In- BGR Report 7
Rohstoffversorgung sichern Der passive und der gescherte Kontinentrand vor Mosambik (PAGE-Four) Schlüsselstelle für Forschungsexpedition eine ausge- sprochen angewandte Orientierung. Wenn der afrikanische Kontinental- Bodenschätze sockel sich so weit in den Indischen Ozean hinein erstreckt, wäre rings um die Komoren durchaus mit Gas- Gondwana-Zerfall legt Grundstein für Erdgasvorkom- vorkommen zu rechnen. „Unser Gast men vor Ostafrika an Bord vom geologischen Dienst der Komoren war begeistert“, so Franke. Hinsichtlich des Zerfalls des Superkontinents Gondwana im Bislang waren Geologen davon ausge- Erdmittelalter ist Vieles noch ungeklärt. Mit einer Expedition in gangen, dass der mit knapp zehn Mil- den Indischen Ozean vor Mosambik wollten BGR-Experten lionen Jahren erdgeschichtlich sehr die Trennung von Afrika, Madagaskar und der Antarktis ge- junge Vulkanarchipel nicht über der- nauer klären. Dabei entdeckten sie, dass auch im Seegebiet artige Bodenschätze verfügen kann. der Komoren Erdgasvorkommen nicht auszuschließen sind. Hoffnungen hatte 2010 die Entde- Der Zerfall Gondwanas im Jura und in ckung des Tiefwasser-Erdgasfeldes der Kreidezeit war die vorläufig letzte Windjammer vor der Nordküste Mo- Aufspaltung eines Superkontinents in sambiks geweckt. Auch hier hatten seine Bestandteile. Afrika trennte sich viele Fachleute kaum Potenzial ge- von Madagaskar, Indien, Australien sehen. Doch inzwischen geht man sowie der Antarktis. So entstand der davon aus, dass in dem Gebiet Vor- Indische Ozean, wie wir ihn heute kommen von insgesamt drei Billionen kennen. Allerdings sind noch viele Kubikmeter liegen. Das wäre etwa Einzelheiten des sich über gut 100 Mil- doppelt so viel wie die Erdgasreserven lionen Jahre hinziehenden Vorgangs Norwegens. „Mosambik, das zu den ungeklärt. Die von der BGR im Früh- ärmsten Ländern der Welt zählt, ist jahr 2014 mit dem Forschungsschiff auf dem Weg, ein global bedeutendes Einsatz der geophysikalischen Messinstrumente Sonne unternommene Forschungs- im Messgebiet vor Mosambik. Exportland für Erdgas zu werden“, fahrt ins Seegebiet zwischen Tansania, Quelle: Dieter Franke/BGR meint Franke. Der nicht minder arme Mosambik und den Komoren sollte ei- len Kruste Afrikas und der jungen Inselstaat der Komoren hofft jetzt auf nige dieser Details näher untersuchen. des Indischen Ozeans eine relativ eine ähnliche Entwicklung. Schon breite Übergangszone gibt, die erst werden erste Erkundungslizenzen „Wir werten die Daten weiterhin aus, weit vor der ostafrikanischen Küste vergeben. die wir auf der Fahrt gewonnen ha- endet. „Die Frage ist jetzt“, so Fran- ben", berichtet Fahrtleiter Dr. Dieter ke, „ob sich der Kontinentalschelf Mit dieser Forschungsfahrt hat die Franke. Es deute sich aber an, dass Afrikas bis in das Seegebiet der Ko- BGR wichtige Grundlageninforma- es zwischen der uralten kontinenta- moren erstreckt.“ Damit bekam die tionen für die Rohstoffsuche vor 8 BGR Report
Offshore-Lizenzblöcke im Indischen Ozean vor Mosambik und Tansania mit den größten Erdgasfunden, Pipelines und Erdgas-Verflüssigungsanlagen (LNG). Ostafrika geliefert. „Die Straße von abgelagert wurden. Diese Biomasse um die Welt in großen Wassertiefen Mosambik scheint eine Schlüsselstel- wurde im Lauf der Jahrmillionen zu unter den Rändern der Kontinente le zu sein“, sagt Dieter Franke. Die Erdgas umgesetzt und sammelte sich noch entdeckt werden können“, be- Meerenge zwischen Nordmadagaskar an etlichen Stellen in der Sediment- tont der Geophysiker. Schließlich ist und dem afrikanischen Kontinent schicht. die Zeit, in der die Menschheit auf scheint während des Gondwana-Zer- fossile Energierohstoffe angewiesen falls die südliche Begrenzung eines „Mit Forschungen wie im Seegebiet ist, noch lange nicht zu Ende. seichten Meeresbeckens gewesen zu vor Ostafrika liefern wir einen Bei- sein, in dem dicke Sedimentschichten trag zu der Frage, welche Mengen an Kontakt: Dr. Dieter Franke mit großen Mengen von Mikroalgen Energierohstoffen zukünftig rund BGR Report 9
Rohstoffversorgung sichern Marktstudie Platinmetalle & Investor's Guide Südafrika Südafrikanische Dominanz Deutsche Rohstoffagentur analysiert die Angebotssituation für Platingruppenmetalle Quelle: DERA (2013) Das Platin-Bergwerk Mogalakwena in Südafrika von Anglo American Platinum ist eines der größten Platinbergwerke der Welt. Die Platingruppenmetalle Platin, Palladium und Rhodium spielen eine wichtige Rolle für un- terschiedliche industrielle Anwendungen. In der Rohstoffliste 2014 hat die Deutsche Roh- stoffagentur (DERA) diese Metalle als potenziell „kritische“ Rohstoffe eingestuft, da sich die Förderung auf wenige Länder konzentriert. Jetzt wurden zwei Detailstudien erarbeitet. Die Platingruppenmetalle (PGM) Pla- Nachfrage kamen aus diesem Bereich. anderem von PGM's, durch. Rund 75 tin, Palladium und Rhodium werden Wegen der industriellen Bedeutung Prozent des weltweit geförderten Pla- vorrangig im Bereich der Katalysato- der drei Platinmetalle hat die DERA tins stammen aus Südafrika. Von den ren im Automobilsektor und in der die Detailstudie „Risikobewertung 33 bekannten PGM-Bergwerken sind chemischen Industrie, einschließlich Platingruppenmetalle“ erarbeitet, die 24 hier angesiedelt, drei weitere im der Petrochemie eingesetzt. Abgas- voraussichtlich im dritten Quartal benachbarten Simbabwe. In Russland katalysatoren allein waren 2013 für 2015 veröffentlicht wird. befinden sich drei aktive Bergwerke, 79 Prozent der Rhodiumnachfrage in den USA zwei und ein weiteres in verantwortlich, bei Palladium betrug Gemeinsam mit dem geologischen Kanada. Wegen der südafrikanischen der kombinierte Anteil des Auto- Dienst Südafrika (CGS) führte die Dominanz ließ der dortige Bergarbei- mobilsektors und der chemischen DERA im zweiten Teil des „Inves- terstreik im ersten Halbjahr 2014 die Industrie 80, bei Platin immerhin 44 tor’s and Procurements Guide South Weltproduktion im selben Zeitraum Prozent. Letzteres ist auch ein begehr- Africa“ eine Neubewertung der Roh- um 40 Prozent schrumpfen. Auf den tes Schmuckmetall. 35 Prozent der stoffpotenziale in Südafrika, unter Preis hatte das dank der großen La- 10 BGR Report
Quelle: DERA (2014) Quelle: DERA (2013) Aufbereitung von Chromit und Platingruppenmetallen aus Haldenmaterial. Bohrkernlager des Two Rivers Platin-Bergwerks in Südafrika. gerbestände und der gleichzeitigen tigen Sulfid-Mineralen vererzt ist. Tonnen angesetzt und die PGM-In- weltweit leicht rückläufigen Nachfra- Derzeit gibt es dort ein produzie- halte darin mit rund 39 Millionen ge bislang keinen Einfluss. rendes Platin-Bergwerk, den Moga- Feinunzen (davon rund 20 Millionen lakwena-Tagebaubetrieb von Anglo Feinunzen Platin). Mit neuen Auf- Der Bushveld-Komplex im Nordosten American Platinum sowie rund zehn bereitungsverfahren könnten etwa Südafrikas mit einer Ausdehnung weitere Explorationsprojekte in ver- 15 Millionen Feinunzen PGM ge- von rund 66 000 Quadratkilometern schiedenen Stadien. Mogalakwena wonnen werden, das Dreifache der ist das Zentrum des PGM-Bergbaus. weist mit rund anderthalb Milliarden südafrikanischen Jahresproduktion. Traditionell werden am westlichen Tonnen Erz, bei PGM-Gehalten von Darüber hinaus gibt es in den boden- und am östlichen Rand zwei Erz- drei bis vier Gramm/Tonne die größ- nahen Schichten insbesondere am horizonte abgebaut, die jeweils im ten nachgewiesenen Reserven aller Nordrand des Bushveld-Komplexes Durchschnitt nur ein bis anderthalb südafrikanischen Platin-Bergbaube- erhebliche Mengen an oxidierten Er- Meter mächtig sind. Gerade in den äl- triebe auf und war 2014 mit 370 000 zen. Die Schätzungen belaufen sich teren Bergwerken des westlichen Ge- Feinunzen Platin (rund 11,5 Tonnen) auf über 300 Millionen Tonnen mit biets wächst jedoch mit zunehmender auch einer der produktionsstärksten. PGM-Gehalten von durchschnittlich Fördertiefe der technische Aufwand. In den kommenden Jahren soll die drei Gramm/Tonne. Sie lassen sich Daher trennen sich die großen Platin- PGM-Produktion hier verdoppelt allerdings bislang noch nicht wirt- produzenten zunehmend von ihren werden. schaftlich aufbereiten. Die BGR un- älteren Minen. tersucht derzeit die mineralogischen Im „Investor’s Guide“ werden auch und chemischen Charakteristika die- Gleichzeitig wird im nördlichen Be- die PGM-Potenziale in den Auf- ser speziellen Erze, um effiziente und reich des Bushveld-Komplexes ein bereitungshalden untersucht. Das kostengünstige Aufbereitungstechno- weiterer Erzhorizont erschlossen, Haldenmaterial aus der Jahrzehn- logien zu entwickeln. eine lokal bis zu einigen hundert te langen Platin- und Chromauf- Metern mächtige Formation, die bereitung im Bushveld-Komplex Kontakt: Michael Schmidt, in weiten Bereichen mit platinhal- wird mit mehr als zwei Milliarden Dr. Herwig Marbler BGR Report 11
Rohstoffversorgung sichern Ecometals: Extracting industry metals using biotechnology / BioMOre: Alternative mining concept Abraumhalde eines ehemaligen Kupferschiefer-Bergbaus im Mansfelder Land/Sachsen-Anhalt. Quelle: Prof. Dr. Gregor Borg, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Bergbau mit Bakterienhilfe Biomining erschließt metallhaltigen Abraum und ungenutzte Vorkommen Europa ist keineswegs ein so rohstoffarmer Kontinent wie oft behauptet wird, allerdings sind die leicht abbaubaren Vorkommen rar geworden. Weitgehend unerschlossen sind derzeit komplexe Erze, Ressourcen mit geringem Metallgehalt oder ungünstigen Beimengungen. Geomikrobiologen der BGR suchen nach Möglichkeiten, solche Vorkommen mithilfe von Bakterien abzubauen. Dieses Biomining könnte sich auch eignen, um Metalle aus Abraum- halden zu gewinnen. Im Mansfelder Land wurde seit dem teressanten Kupferressource werden. ferschieferabraum des Fortschritts- 12. Jahrhundert Kupfer abgebaut. Experten des BGR-Arbeitsbereiches schachts I Wertmetalle für geschätzt Von dem einst blühenden Bergbau Geomikrobiologie haben an Kupfer- zehn Millionen Euro enthalten. zwischen Harz und Saale zeugen schieferproben aus dem Haldenkom- heute noch zahlreiche Abraumhal- plex Fortschrittsschacht I bei Eisleben Angesichts solcher Zahlen versu- den. Während dieser Abraum für gezeigt, dass zumindest im Labor bis chen derzeit zwei europäische For- eine konventionelle Verhüttung zu zu 95 Prozent des Kupfers herausge- schungskonsortien, an denen die erzarm ist, könnte er durch Biomi- löst werden können. Zusammen mit BGR-Forscher beteiligt sind, auf die- ning-Methoden wieder zu einer in- Blei und Zink kann so allein der Kup- sen Versuchen aufzubauen und die 12 BGR Report
Methode weiterzuentwickeln. Das ihre Energie aus der Umsetzung von mit erhöhten, aber für derzeitige Ge- deutsch-französische Projekt Eco- reduzierten Eisen- und Schwefel- winnungsmethoden unattraktiven, Metals hat sich neben den deutschen verbindungen beziehen und dabei Kupfergehalten stellt jetzt die nächste Kupferschieferhalden auch Erze des Metallionen freisetzen. Dass sie am Stufe des Biomining dar. Die Kupfer- polnischen Kupferschiefers vorge- Schwefel interessiert sind, macht sie schiefervorkommen in Polen und die nommen. Ziel ist eine Pilotanlage für zu idealen Kooperationspartnern der Abraumhalden im Mansfelder Land die biohydrometallurgische Aufberei- Menschen, denn die Erzminerale von wären dafür ideale Einsatzgebiete. tung im Tank zu entwickeln. Die BGR Kupfer, Nickel, Kobalt und Zink kom- führt zur Optimierung von Prozess- men in der Natur überwiegend als Die Möglichkeit einer Aufbereitung parametern im Labormaßstab Lau- Metallsulfide vor. Die Bakterien und von Kupferschiefer mittels Biomining gungsversuche in Bioreaktoren durch. Archaeen wandeln die unlöslichen wurde in der BGR Geomikrobio- Metallverbindungen in wasserlösliche logie bereits in den 1970er Jahren Das multinationale EU-Projekt Bio- Stoffe um. im Rahmen von Drittmittelprojek- MOre geht sogar untertage und er- ten untersucht. Damals wurde eine probt in situ Biomining in einer Mine Mittlerweile findet ein bedeutender grundsätzliche Machbarkeit der im polnischen Bergbaurevier Lubin. Teil der Weltkupferproduktion mit- Methode festgestellt und wichtige Dort wird ein 100 Kubikmeter großer hilfe der Biolaugung überwiegend in Grundlagen für eine Verfahrens-Ent- Gesteinsblock so hergerichtet, dass Chile statt. Auch die Gewinnung von wicklung erarbeitet. Bakterien unter kontrollierten Bedin- Gold, Kobalt, Nickel, Zink und Uran gungen eingesetzt werden können. funktioniert bereits mit Mikroorga- Kontakt: apl. Prof. Dr. Axel Die Bakterien, die in einer Lösung nismenhilfe. Der Bakterieneinsatz Schippers schwimmen, laugen Kupfer und an- bei der Erschließung von Gesteinen dere Metalle aus dem Gestein, so dass diese danach in einer konventionellen Anlage extrahiert werden können. In einer zweiten noch zu beantra- genden Projektphase nach 2017 soll das Konzept dann in situ in einer Erzlagerstätte erprobt werden. Für diesen Praxistest wird kein Bergwerk aufgefahren, vielmehr soll die Bak- terienlösung durch eine Bohrung in die Lagerstätte gebracht und die me- tallhaltige Lösung durch eine zweite gefördert werden. Beim Biomining werden spezielle Kupferhaltige „Pregnant leach solution“ bei der Haldenbiolaugung in Chile. Mikroorganismen eingesetzt, die BGR Report 13
Rohstoffversorgung sichern INDEX: Indischer Ozean – Explorationsaktivitäten auf marine polymetallische Sulfide Rauchschwaden jetzt den Namen des 66 Meter langen Fahrzeugs, mit dem die BGR-Expe- dition INDEX 2014 unterwegs war. wiesen den Weg „Das Feld besitzt nach bisherigen Beobachtungen eine Ausdehnung an der Oberfläche von etwa 150 mal INDEX 2014 entdeckt neues Hydrothermalfeld und 100 Metern“, erklärt Fahrtleiter Dr. weitere vielversprechende Hinweise auf neue Erzvor- Ulrich Schwarz-Schampera, „zahlrei- che inaktive Schlote zeugen von einer kommen phasenweise starken Aktivität.“ Das Pelagia-Feld ist das erste dieser Art überhaupt, das an diesem südöstli- chen Zweig des Indischen Rückens entdeckt wurde. Insgesamt sechs Wochen waren zwölf Wissenschaftler der BGR und wissen- schaftlicher Institute aus Wilhelms- haven, Kiel und Seattle im Seegebiet südöstlich von Mauritius unterwegs. Es war die vierte INDEX-Expediti- on und die letzte vor der offiziellen Unterzeichnung des Lizenzvertra- ges zwischen der BGR als deutscher Beauftragten und der Internationa- len Meeresbodenbehörde ISA. 15 Jahre hat die BGR insgesamt Zeit, Einsatz des Seitensichtsonargerätes. um 100 Areale am zentral- und süd- Der Bergbau in der Tiefsee könnte auf mittlere Sicht eine in- ostindischen Rücken mit dem Ziel teressante Rohstoffquelle für die deutsche Industrie erschlie- zu erkunden, diese Ergebnisse für ßen. Die BGR hat daher Explorationslizenzen für Deutschland einen künftigen Tiefseebergbau auf für Gebiete im Pazifischen und Indischen Ozean abgeschlos- bunt- und edelmetallreiche Sulfide sen. Die INDEX 2014-Expedition untersuchte südöstlich von zur Verfügung zu stellen. Mauritius die Vorkommen von Massivsulfiden. Alle vier INDEX-Fahrten dienten Das gecharterte niederländische For- deutschen Lizenzgebiet für Metall- der Prospektion von Metallsulfiden, schungsschiff Pelagia ist Namenspat- sulfide. Ein aktives Hydrothermalfeld jener Schutthügel auf massiven Erz- ron der jüngsten Neuentdeckung im im achten Cluster des Gebiets trägt vorkommen, die übrig bleiben, wenn 14 BGR Report
die bekannten „Schwarzen Raucher“ zu rauchen aufhören. Diese tragen zwar ihren Namen, weil sie düster qualmenden Fabrikschloten so ähn- lich sehen, tatsächlich geben sie aber keinen Qualm von sich. Die dicken schwarzen Wolken sind schwer mit Metallen beladenen, heißen Fluiden, die aus dem Tiefseeboden strömen und bei Kontakt mit kaltem Meerwas- ser ihre Metallfracht als Sulfidpartikel ausfällen. Bei vielen Hydrothermalfel- dern weisen sie beträchtliche Gehalte Video- und Fotoschlitten zur Bildkartierung des Meeresbodens. an Edelmetallen und technologisch wichtigen Spurenmetallen auf. Die lagerstättenkundlichen Arbeiten abgesetzt, die über den Zeitraum von wurden um bathymetrische Vermes- einem Jahr die Sedimentation vor INDEX 2014 hatte den neuen Sen- sungen sowie Gebiets- und Umwelt- Ort protokolliert. Sie wieder einzu- sorschlitten der BGR sowie den untersuchungen ergänzt. Während sammeln wird genauso auf dem Pro- Tiefsee-Tauchroboter HyBIS des der Fahrt wurden in regelmäßigen gramm der nächsten Expedition ins GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Abständen Sedimentkerne gezogen, deutsche Lizenzgebiet im Herbst 2015 Ozeanforschung Kiel mit an Bord. die zusätzliche Umweltrahmendaten stehen, wie die nähere Untersuchung Mit dem Sensorschlitten konnten die lieferten. Von Anfang an gehörten der 2014 entdeckten magnetischen Wissenschaftler die hydrothermal solche Arbeiten zum Pensum der Anomalien. aktiven Areale im ausgedehnten Un- INDEX-Fahrten, denn von einem tersuchungsgebiet orten und erhielten eventuellen Meeresbergbau wird ge- Kontakt: so Anhaltspunkte für die Suche nach fordert, dass er die empfindlichen Dr. Ulrich Schwarz-Schampera erloschenen und daher für den Ab- Habitate rings um aktive Hydrother- bau interessanten Feldern. Auf einer malfelder so wenig wie möglich be- insgesamt 146 Kilometer langen Stre- einträchtigt. Die Geowissenschaftler cke über drei Lizenzcluster hinweg der BGR werden daher stets von Bio- entdeckten sie sieben hydrothermale logen des Senckenberg-Instituts am „Rauchschwaden“, die den Weg zu Meer in Wilhelmshaven begleitet, die aktiven Feldern wiesen. Magnetische eine detaillierte Bestandsaufnahme Messungen zeigten in den vier unter- des Lebens um die „Schwarzen Rau- suchten Lizenzclustern insgesamt 19 cher“ herum und in der Wassersäule interessante Anomalien an, die auf darüber durchführen. Zusätzlich wur- Metallsulfide hindeuteten. de eine Sinkstofffalle von der Uni- Vorbereitung des Kastengreifers zur Beprobung versität Hamburg am Meeresboden des Meeresbodens. BGR Report 15
Rohstoffversorgung sichern NiKo: Erdöl und Erdgas aus Tonsteinen – Potenziale für Deutschland Schiefergas in Deutschland werden 2015 vorliegen, doch eine vorläufige Abschätzung im Jahr 2012 zeigte die Richtung an. Deutschland So liegen die technisch gewinnbaren Schiefergas-Ressourcen zwischen 700 bis 1 300 Milliarden Kubikme- BGR schätzt Potenziale ab tern. Zum Vergleich: Die deutschen Erdgasreserven in aktiven Feldern Schiefergas wird weltweit als bedeutende zusätzliche Erd- betragen rund 110 Milliarden. Damit gasressource angesehen. Die BGR ermittelt im Auftrag der ist Deutschland weit von Mengen Bundesregierung im NiKo-Projekt das Schieferöl- und Schie- entfernt, die für die USA ausgewiesen fergaspotenzial in Deutschland sowie mögliche Umweltaus- werden: Ein Schiefergas-Boom wie wirkungen beim Einsatz des Fracking-Verfahrens. dort ist hierzulande nicht zu erwar- ten. Dennoch kann Schiefergas eine Auslöser für die Nachfrage nach bedeutende Ressource darstellen. Zu- Schiefergas ist die Erschließung zahl- nächst allerdings gilt es, diese näher reicher Schiefergasvorkommen in zu erkunden. Hierbei steht Deutsch- Nordamerika während der letzten land erst am Anfang. zwanzig Jahre. Voraussichtlich wer- den die USA ihren Erdgasbedarf mit- Um sich ein genaues Bild über die telfristig aus eigenen Quellen decken geologischen Formationen zu ver- können. Deutschland hingegen ver- schaffen, die Schiefergas enthalten zeichnet seit Anfang des Jahrtausends könnten, untersuchten die Wissen- einen stetigen Rückgang der heimi- schaftler der BGR rund 1 500 Ge- Kernabschnitte einer Bohrung in Tongesteinen. schen Erdgasförderung und muss steinsproben. Das Bohrkernlager in mittlerweile knapp 90 Prozent seines Berlin sowie die Gesteinsarchive des Erdgasbedarfs importieren. GEOZENTRUMs Hannover dien- ten dabei als Fundgrube. Im Labor Anders als beim konventionellen wurde die Zusammensetzung der Erdgas liegen große Teile der Schie- organischen Bestandteile erfasst und fergasvorkommen in politisch stabi- die thermische Reife der Tongestei- len Weltregionen, ein gutes Drittel ne bestimmt, die das Erdgas- und in den Industriestaaten der OECD, Erdölpotenzial beeinflussen. Auch davon allein ein Fünftel in Nord- hierbei konnten sich die Experten auf amerika. Europa darf immerhin mit die Bestände der BGR stützen und Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme einer Algen- zyste aus einem Meer zurzeit des Unterkarbons rund fünf Prozent rechnen. Die ab- zogen mehrere 1 000 Analysedaten (Probe aus einer Bohrung auf Rügen). Verschiede- schließenden Zahlen der NiKo-Stu- heran. Die aufwendigen Untersu- ne Wellenlängen (458, 496 und 633 Nanometer) helfen dabei, die Struktur der Alge gut zu erkennen. die zum Potenzial von Schiefergas in chungen zeigen, dass in Deutschland 16 BGR Report
zahlreiche Gesteinsformationen ein Potenzial für Schiefergas und –öl auf- weisen. Zu den vielversprechendsten zählen der Posidonienschiefer aus dem Jura, die „Wealden“-Fazies aus der Unterkreide sowie Gesteine des Karbon. Regional ist mit Potenzialen vor allem im Norddeutschen Becken zu rechnen. Wesentlicher Bestandteil des Pro- jekts ist auch die Untersuchung der Umweltauswirkungen, die eine Er- schließung des Schiefergases mit sich bringen würde. Wird Trinkwasser durch die hydraulische Stimulation im Untergrund gefährdet? Dieser und weiterer Fragen zu möglichen Umweltrisiken, die große Besorgnis in der Bevölkerung auslösen, wird mithilfe aufwendiger Modellierungen und Laboruntersuchungen in dem Projekt nachgegangen. Anhand eines lithologischen und hydrogeologischen Querschnittes Gesteinsformationen mit Potenzial für Schiefergas in Deutschland. für das Norddeutsche Becken wird etwa die mögliche Ausbreitung der Modelliert und berechnet werden größte Herausforderung besteht nun eingepressten Fracking-Fluide im auch die zu erwartende Seismizität darin, die wissenschaftlichen Ergeb- Untergrund simuliert. Verschiedene und die Rissgrößen, wenn die Fluide nisse in die öffentliche Diskussion um Szenarien wurden modelliert, um im Untergrund eingepresst werden. das Thema Fracking einzubringen. den Aufstieg der Flüssigkeiten von ihrem Einsatzort in mehr als 1 000 Die bisherigen Ergebnisse stützen die Lesen Sie auch das Interview Metern Tiefe über Jahrzehnte und Erkenntnisse einer vorläufigen Studie auf Seite 71. Jahrhunderte zu ermitteln und so aus dem Jahr 2012. Demnach ist eine zu klären, ob ein ausreichender Ab- kontrollierte und umweltgerechte Er- Kontakt: Stefan Ladage stand zu den trinkwasserführenden schließung von Schiefergas aus geo- Schichten sichergestellt werden kann. wissenschaftlicher Sicht möglich. Die BGR Report 17
Rohstoffversorgung sichern Neues Tiefseeforschungsschiff Sonne: Probefahrt mit 3D-Seismik und CSEM-Messsystem Golden Eye Sonne besteht den Test BGR-Wissenschaftler machen Probefahrt mit dem neuen Tiefseeforschungsschiff Das neue Forschungsschiff der deutschen Meeresforschung, das Tiefseeforschungsschiff Sonne, befindet sich seit November 2014 offiziell im Dienst. Wissenschaftler der BGR haben das Schiff während zweier Erprobungsfahrten in der Nordsee auf Herz und Nieren getestet. Das neue 116 Meter lange und 21 Meter breite Tiefseeforschungsschiff (TFS) Sonne wird künftig als mul- tidisziplinäres Forschungsschiff im Indischen und Pazifischen Ozean unterwegs sein. Zusammen mit weite- ren Institutionen der deutschen Mee- resforschung, darunter GEOMAR und Marum, war die BGR bereits in die Planungsphase des mit Spitzen- technologie ausgestatteten Großfor- schungsschiffs involviert. Die Scherbretter spreizen die einzelnen Komponenten einer 3D-Messung während der Fahrt um 150 Meter hinter dem Schiff auseinander. Die erste Erprobungsfahrt des TFS Sonne mit Wissenschaftlern der BGR möglichen Einfluss seismischer Mes- file vermessen, das präzise Einmessen startete im September 2014 in Em- sungen auf die Meeresumwelt genau und Positionieren der seismischen den. Um den dichten Schiffsverkehr abschätzen zu können“, so Dr. Axel Ausrüstung überprüft sowie mit den in der Deutschen Bucht so gut wie Ehrhardt vom Fachbereich Marine nautischen Offizieren das meterge- möglich zu umgehen, wurden hier- Rohstoffforschung. Ruhige See- und naue Steuern des Schiffes getestet. bei Tests im Bereich der schottischen Windverhältnisse sorgten für gute Nordsee durchgeführt. Testergebnisse während der Fahrt. Auf der zweiten Erprobungsfahrt testeten Wissenschaftler der BGR Im Mittelpunkt standen Funkti- Nach der Erprobung aller für eine und der Universität Bremen das onsprüfungen der neuen 3D-Seis- seismische Messung notwendigen neu entwickelte, elektromagnetische mik. Zusätzlich wurden erstmalig Komponenten, konnten die Wissen- Messsystem Golden Eye. Mit diesem die genauen Schalldruckpegel der schaftler mithilfe der Schiffsbesatzung leuchtend-gelben, aus glasfaserver- seismischen Luftpulser vermessen. das gesamte 3D-Messsystem erfolg- stärktem Kunststoff gefertigten Gerä- „Die umfassende Kenntnis der Sig- reich im Meer aussetzen. Im Zuge der teträger und den darauf installierten nalausbreitung ist wichtig, um einen weiteren Fahrt wurden erste Test-Pro- Sensoren sollen künftig Massivsulfid- 18 BGR Report
netischen Eigenschaften aufspüren. Darüber hinaus ist das System auch zur Charakterisierung von Sediment- porositäten und der mineralischen Zusammensetzung des Meeresbodens bis in etwa zehn Meter Eindringtiefe einsetzbar. Mit den technischen Möglichkei- ten des neuen Schiffes ließ sich das Messsystem problemlos über das Heck am hinteren Arbeitsdeck ins Wasser aussetzen und wieder einho- len. Die Energieversorgung sowie die Das neue Forschungsschiff Sonne auf Testfahrt in der Britischen Nordsee. Befehls- und Datenkommunikation erfolgten über das zwölf Kilometer lange, schiffseitige Tiefseekabel. So- mit konnte Golden Eye vollständig über eine Befehlskonsole gesteuert und mit Monitoren und Lagesensoren überwacht werden. Im Winter 2015 wollen die Wissen- schaftler mit Golden Eye in den deut- schen Lizenzgebieten vor Mauritius auf die Suche nach längst erloschenen „Schwarzen Rauchern“ am Meeresbo- den gehen. „Schwarze Raucher“ sind auch als polymetallische Lagerstätten Das elektromagnetische Messsystem Golden Eye wird für künftige Einsätze in den deutschen Massivsulfid- bekannt und weisen hohe Anteile lizenzgebieten erstmalig getestet. an Bunt- und Edelmetallen sowie vorkommen in den deutschen Lizenz- Die Riesenspule hat einen Durchmes- verschiedenen Spurenelementen wie gebieten im südwestlichen Indischen ser von dreieinhalb Metern und ist Antimon und Kobalt auf. Ozean erkundet werden. Die BGR mit Licht, Kameras und weiterer Sen- hatte den Fachbereich Marine Geo- sorik ausgestattet. Damit kann Gol- Kontakt: Dr. Axel Ehrhardt, physik der Universität Bremen mit den Eye Erzvorkommen unter dem Dr. Katrin Schwalenberg der Entwicklung des Messsystems Meeresboden aufgrund ihrer hohen beauftragt. elektrischen Leitfähigkeit und mag- BGR Report 19
Lebensgrundlagen erhalten Urbane Geochemie Edelmetalle im Boden BGR vergleicht Platinmetallgehalte in Berliner Stadtböden In rund 15 europäischen Städten ermitteln Wissenschaftler maligen Proben wurden daher mit im EU-Projekt Urbane Geochemie den derzeitigen geoche- heutigen Methoden erneut analysiert mischen Zustand der dortigen Böden. Im Untersuchungs- und mit den jüngst von der BGR ent- gebiet Berlin liegt der Schwerpunkt auf den Platinmetallen nommenen Proben verglichen und Platin, Palladium und Rhodium, denn für sie gibt es noch im vergangenen Jahr in geochemi- Vergleichsproben aus dem Jahr 1992. sche Karten umgesetzt. Sie zeigen gegenüber den Proben von 1992 stark Die Edelmetalle der Platingruppe In den BGR-Beständen in Berlin la- gestiegene PGE-Konzentrationen. (PGE) werden für die unterschied- gern noch Proben aus den 1990er lichsten Zwecke eingesetzt. Am wei- Jahren, die mit aktuellen Proben ver- In der Berliner Innenstadt sind nach testen verbreitet ist vermutlich die glichen werden können. Damit haben 20 Jahren die Hintergrundgehalte von Verwendung in den 3-Wege-Kataly- die Berliner Messungen europaweiten Platin auf 170 Prozent, bei Palladium satoren der Autos. Sie haben sich seit Seltenheitswert. „Ein unschätzbarer auf 390 Prozent und bei Rhodium 1989 in Deutschland durchgesetzt Vorteil, denn die Analysentechnik sogar auf 440 Prozent gestiegen. Da- und die Abgase merklich gesäubert. hat sich seitdem stark weiterentwi- bei ist ein Zusammenhang mit dem Allerdings setzt so ein Kat geringe ckelt“, so Dr. Manfred Birke, Arbeits- Straßenverkehr unverkennbar – die Mengen von Platin, Palladium und bereichsleiter im BGR-Fachbereich Werte steigen mit zunehmender Nähe Rhodium frei, und das schlägt sich in „Boden als Ressource – Stoffeigen- zu Straßen und der Verkehrsdichte der Bodenbelastung nieder. schaften und Dynamik“. Die da- an. Nur an einzelnen Stellen, etwa in den Stadtteilen Lichtenberg und Niederschöneweide, ist die Nähe zu bestehenden oder früheren Indust- riestandorten ausschlaggebend für die hohen Werte. Kontakt: Dr. Manfred Birke Verteilung der Platingehalte in den Oberböden der Berliner Innenstadt. 20 BGR Report
Lebensgrundlagen erhalten Richtlinien zum Grundwasserschutz in Burundi / Afrika Grundwasser- schutz in Burundi BGR-Experten untersuchen Wasservorkommen in drei Regionen Das ostafrikanische Burundi ist in Größe und Einwohner- Abtragung des natürlichen Bodenschutzes zur Ziegelherstellung. zahl etwa vergleichbar mit Belgien, doch seine Bevölkerung wächst mit einer der höchsten Raten der Welt. Eine sichere lichen Provinz Kirundo führten die und nachhaltige Wasserversorgung, auch für die zukünftigen BGR-Experten und ihre burundischen Generationen, hat daher hohe Priorität. Kollegen eine Bestandsaufnahme von Grundwasservorkommen durch. In In dem vierjährigen Projekt Ma- Derzeit decken etwa 42 000 Quellen der zentralburundischen Stadt Gitega nagement und Schutz der Grund- den Bedarf, doch haben sie inzwischen und im Bezirk Rumonge am Tangan- wasserressourcen der technischen die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit jika-See stand dagegen der Grundwas- Zusammenarbeithat die BGR die zu- erreicht. Untersuchungen der BGR serschutz im Zentrum der Projekte. ständigen burundischen Behörden belegen, dass etwa die Hälfte der Quel- bei der nachhaltigen Entwicklung und len bakteriell verunreinigt ist. Neue In Gitega, der zweitgrößten Stadt des dem Schutz der Grundwasserressour- Vorkommen zu erschließen und der Landes, untersuchten sie die Keim- cen beraten. Im August 2014 erließ Schutz der bestehenden Quellen tun belastung des Trinkwassers. Zudem das Wasser- und Umweltministerium daher Not. In drei exemplarischen wurden Markierungsversuche zur ein Dekret mit entsprechenden Richt- Regionen zeigte das Projekt im ver- Ermittlung von Grundwasserfließ- linien. gangenen Jahr Wege auf: In der nörd- geschwindigkeiten durchgeführt. Die Experten empfahlen auf der Basis ihrer Untersuchungsergebnisse die Einrichtung von Trinkwasserschutz- gebieten. Im dritten Untersuchungs- gebiet Rumonge schließlich wurden die ersten Trinkwasserschutzgebiete des Landes nach den neuen Grund- wasserschutz-Richtlinien ausgewie- sen. Messungen der Leitfähigkeit des Grundwassers bei Wassernutzung aus einer gefassten Quelle. Kontakt: Dr.-Ing. Sara Ines Vassolo einem Markierungsversuch. BGR Report 21
Lebensgrundlagen erhalten Boden: Ressourcenbewertung und Management Von Wind und Wasser davongetragen Bodenerosion gefährdet über die Hälfte der deutschen Ackerfläche Im Durchschnitt gehen auf einem Hektar Acker jährlich drei bis acht Tonnen Boden verloren. Das wird kaum wahrgenommen, denn es entspricht nur einem Abtrag von etwa 0,3 bis 0,8 Millimetern. Dennoch stellt Erosion eine schleichende Gefahr für die Bodenfruchtbarkeit dar, da der Prozess über Jahrhunderte hinweg andauert und so große Massen an Erde bewegt. Eine neue Karte der BGR gibt einen Überblick über die regionale Verteilung des Risikos. Die neue BGR-Karte zum Thema stoffe und Wasser zu Wassererosion zeigt, dass etwa ein speichern. Erosion Drittel der Ackerfläche von Deutsch- tritt vor allem bei land mittel bis sehr hoch gefährdet Ackerböden auf, da sind. Dabei gibt es vier regionale sie zeitweise nicht Schwerpunkte: Das niedersächsische durch Pflanzen be- Berg- und Hügelland, das sächsische deckt und geschützt Hügelland mit dem Erzgebirgsvor- sind. Das abgetra- land, die Neckar- und Tauber-Gäu- gene Bodenmaterial platten und das Unterbayerische wird an anderer Stel- Hügelland. Die BGR-Karte zur Win- le abgelagert, wo es Rillenerosion durch Oberflächenabfluss auf einem Acker in Niedersachsen. derosionsgefährdung der Ackerböden den Stoffhaushalt der zeigt, dass diese Gefahr vor allem im Flächen beeinflusst. In Gewässern güsse mit mehr als 20 Litern Wasser Norddeutschen Tiefland akut ist. Die verschlechtert es in der Regel den pro Stunde und Quadratmeter sind Jungmoränenlandschaften in Schles- ökologischen und chemischen Zu- die beiden auslösenden Erosions- wig-Holstein, Mecklenburg-Vorpom- stand. Der Schutz vor Erosion dient faktoren. Trifft etwa Starkregen auf mern und Brandenburg weisen eine deshalb nicht nur dem Erhalt des ungeschützten Boden, zerlegen die mittlere bis hohe Gefährdung auf. Bodens und seiner Ertragsfähigkeit Tropfen mit ihrer kinetischen Energie an sich, sondern schützt auch andere Bodenaggregate in kleine Bruchstü- Durch Erosion verliert der Boden Teile des Ökosystems. cke. Durch diese werden zunehmend seinen wertvollsten Teil, die hu- die Poren des Bodens verstopft und musreichen oberen Schichten. Der Starke Winde mit Geschwindigkeiten seine Fähigkeit Regenwasser aufzu- durchwurzelbare Raum verringert von über sechs Metern pro Sekunde nehmen verringert sich. Das Wasser, sich und damit das Potenzial, Nähr- (Windstärke 6) und extreme Regen- das nicht einsickern kann, fließt an 22 BGR Report
Potenzielle Erosionsgefährdung der Ackerböden durch Wasser in Deutschland. Potenzielle Ersosionsgefährdung der Ackerböden durch Wind in Deutschland. der Oberfläche ab und nimmt Boden- insbesondere Mais) führen zu un- lust durch Erosion also bei weitem teilchen mit sich. geschützten Bodenoberflächen, die nicht wettmachen. Die Folgen sind sowohl durch Regen als auch durch geminderte Erträge der betroffenen Winderosion tritt bei abgetrockne- Wind angreifbar sind. Äcker. Die Erosion verändert aber ten Böden auf, denn bei Feuchtigkeit auch nachhaltig den Wasserhaushalt haften die Partikel zusammen. Der Insgesamt werden auf ackerbau- der Landschaft. Dr. Jan Bug von der Mensch beeinflusst sowohl Wasser als lich intensiv genutzten Flächen in BGR stellt dazu fest: „Bodenerosion auch Winderosion durch seine Tätig- Deutschland im Durchschnitt drei muss durch aktive Maßnahmen der keit: Weite, offene Landschaften, die bis acht Tonnen, in Extremlagen auch Landwirtschaft eingedämmt werden. die industrialisierte Landwirtschaft bis zu 20 Tonnen Boden pro Hek- Ansonsten verlieren die Äcker schlei- bevorzugt, fördern den Bodenabtrag. tar und Jahr durch Wassererosion chend ihre Fruchtbarkeit und ihre Die konventionelle Pflugwirtschaft abgetragen. Das entspricht einem Funktion als Wasserspeicher. In der und die verstärkte Aussaat von An- Abtrag von bis zu zwei Millimetern. Folge stiege auch die Wahrscheinlich- baukulturen mit Saatterminen zwi- Die durchschnittliche Bodenbildung keit von Hochwässern an.“ schen März und Mai (zum Beispiel beträgt demgegenüber nur 0,1 Mil- Sommergetreide, Zuckerrübe und limeter im Jahr. Sie kann den Ver- Kontakt: Dr. Jan Bug BGR Report 23
Lebensgrundlagen erhalten D-AERO: Aerogeophysikalische Kartierungen am Jadebusen Die Versalzung des schleppt hat. Als letztes Vermessungs- gebiet wurde 2014 das Umland der Städte Jever, Schortens und Varel am Grundwassers Jadebusen überflogen sowie, mit einer Sondererlaubnis der Nationalpark- verwaltung, das Wattenmeer im süd- BGR schließt Hubschrauberbefliegungen an der lichen Jadebusen. Die Befliegung der niedersächsischen Nordseeküste vorläufig ab Nordseeküste soll exemplarisch die Leistungsfähigkeit der Aerogeophysik zeigen und kann in Kooperation mit den anderen Bundesländern später auf weitere Gebiete der Bundesrepu- blik ausgedehnt werden. Mit der Sonde kartieren die Geowis- senschaftler der BGR den Erdunter- grund. Die Elektromagnetiksonde beherbergt Messinstrumente für Ma- gnetik und Elektromagnetik sowie einen Laser-Höhenmesser in ihrer 10-Meter-Kevlarhülle. Im Hubschrau- BGR-Messhubschrauber beim Start auf dem Jade-Weser-Airport in Wilhelmshaven. ber selbst sind ein Gammastrahlen- spektrometer und die Steuerungs- und Die oberen Bodenschichten spielen für die an der Erdoberflä- Datenerfassungsgeräte installiert. Der che lebenden Menschen eine besondere Rolle. Grundwas- Elektromagnetik-Sensor identifiziert serfluss, Nähr- oder Schadstofftransport, all das findet in den die geologische Struktur des Geländes obersten 100 Metern des Untergrundes statt. Die luftgestütz- und die Grundwasservorkommen auf- te Geophysik bietet effiziente Möglichkeiten, innerhalb kurzer grund ihrer elektrischen Leitfähigkeit Zeit grundlegende Parameter für große Gebiete zu erheben. bis in eine Tiefe von etwa 100 Me- tern, während das Magnetometer die Mit dem Projekt D-AERO hat die BGR das jetzt am Beispiel Geologie auch bis in größere Tiefen der niedersächsischen Nordseeküste demonstriert. erkunden kann. Das Gammastrahlen- Der schnittige weiß-rote Hubschrau- der niedersächsischen Nordseeküs- spektrometer erfasst die Zusammen- ber, der eine etwa zehn Meter lange, te gesichtet worden. Die Zigarre ist setzung der obersten Bodenschichten ebenfalls weiß-rote Zigarre am dün- eine elektromagnetische Messsonde, aufgrund ihrer natürlichen Gam- nen Kabel in nur 30 bis 40 Metern die der BGR-eigene Hubschrauber mastrahlung. Der Laser-Höhenmes- Höhe über den Erdboden schleppt, seit 2007 bei Arbeiten zum Projekt ser nimmt ein sehr genaues Bild vom ist inzwischen in fast jedem Winkel D-AERO über das Küstengebiet ge- Oberflächenprofil auf. 24 BGR Report
Die Nordseeküste ist von großem nen, die der Salzgehalt dem Wasser Luft große Flächen kartiert werden Interesse für die Geoexperten, denn verleiht. Mit ihren Messflügen über können. Dabei ist gerade die flächi- das Gebiet mitsamt den vorgelagerten Friesland konnten die BGR-Exper- ge Verknüpfung der verschiedenen Inseln und dem Wattenmeer wird ten deutlich kartieren, wie weit das Parameter von großer Bedeutung. So vom Klimawandel besonders betrof- Salzwasser bislang im Untergrund können zum Beispiel Änderungen in fen sein. Inseln, Küstenlinie und Watt des unmittelbaren Küstengebiets vor- der Bodennutzung den Wasserhaus- müssen sich gegen steigende Pegel dringen konnte (rot gefärbte Bereiche halt beeinflussen und so die Grund- und zunehmend häufige und heftige in der Karte). Ebenfalls erkennbar wasserpegel verändern. Diese aber Stürme wappnen. Auf Grundlage der war die Verteilung von durchlässi- sind wichtige Informationen für die Messflüge wollen die Wissenschaftler gem Sand (blau) und dichterem Ton Infrastrukturplanung. Die bei den besonders gefährdete Bereiche iden- (gelb). Messflügen gewonnenen Daten stehen tifizieren. nach der Auswertung über das Fach- Mit dem Einsatz von Hubschrauber informationssystem Geophysik des In einem weiteren Fokus der Exper- und Flugsonde können die Wissen- Leibniz-Instituts für Angewandte Geo- ten stehen die Grundwasservorkom- schaftler wesentlich schneller einen physik in Hannover zur Verfügung. men. Ihnen droht an den Küsten die flächendeckenden Einblick in Auf- Gefahr, dass Meerwasser einbrechen bau und Beschaffenheit der oberen www.bgr.bund.de/D-AERO- deutschlandweite-aerogeophysik-befliegung und sie versalzen kann. Wie sich Bodenschichten gewinnen als mit nutzbares Süßwasser und Salz- oder den herkömmlichen Methoden am Brackwasservorkommen verteilen, Boden. Diese bleiben naturgemäß Kontakt: Dr. Bernhard Siemon können die Wissenschaftler anhand bruchstückhaft und auf besondere der elektrischen Leitfähigkeit erken- Areale beschränkt, während aus der Süß-Salzwasserverteilung in Ostfriesland. Aerogeophysik-Messgebiete in Norddeutschland. BGR Report 25
Lebensgrundlagen erhalten FLIN: Freshwater Lens INvestigations Frischwasser im ansonsten salzigen Grundwasser schwimmt. Inseluntergrund Sie soll trotz Klimawandel, Meer- esspiegelanstieg auch zukünftig die Versorgung der Insel gewährleisten. Süßwasserlinse garantiert Trinkwasserversorgung auf Deshalb hat die BGR das Vorkommen der Insel Langeoog der Süßwasserlinse im Projekt FLIN seit Anfang 2012 eingehend unter Wie auf vielen Inseln sind auch die Bewohner des ostfriesi- die Lupe genommen. „Langeoog ist schen Langeoogs für ihr Trinkwasser auf Grundwasservor- für uns so etwas wie ein Naturlabor“, kommen im Untergrund angewiesen. Das BGR-Projekt FLIN meint Projektleiter Dr. Georg Hou- hat in den vergangenen drei Jahren die Süßwasserlinse auf ben. Dort ließen sich exemplarisch der Insel beispielhaft und umfassend untersucht. die grundsätzlichen Herausforde- rungen einer Insellage studieren. Weltweit leben rund 500 Millionen Menschen auf Inseln, Tendenz stei- gend. Die Trinkwasserversorgung gehört daher auf vielen Inseln zu den drängendsten Fragen. Auf Langeoog hat das Wasserver- sorgungsunternehmen OOWV eine nachhaltige Lösung gefunden. „Es wird deutlich weniger entnommen als nachgeliefert wird“, berichtet der Hydrologe. Dadurch kann auch aus- geschlossen werden, dass das darun- ter liegende Salzwasser eindringen Küste von Langeoog bei Ebbe und Wasserturm. Die Trinkwasserversorgung gehört auf der ostfriesischen und den Trinkwasservorrat verderben Insel zu einer der drängendsten Fragen. kann. Lieferant für das Süßwasser Langeoog ist für Erholungsuchende Anbindung an die dortige Trinkwas- ist der Regen, der vor allem in den ein Paradies aus Dünen, Strand und serversorgung. Also sind die knapp Dünentälern reichlich in den Un- Meer, vom Festland getrennt durch 2 000 Langeooger und ihre jährlich tergrund sickert. Daher sollten auf einen vier bis acht Kilometer breiten gut 200 000 Gäste auf die Selbstver- Inseln mit vergleichbaren Bedingun- Streifen Nordsee. Der hält zwar den sorgung angewiesen. Das Wasser wird gen vor allem Dünentäler besonders Autoverkehr und viel Hektik fern, aus einer Süßwasserlinse gefördert, geschützt werden und unbebaut blei- verhindert aber auch zum Beispiel die die im Untergrund der Insel auf dem ben. Langeoog hat in dieser Hinsicht 26 BGR Report
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