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14 MED Software Schlüsselelement KI 33 Medizintechnik aus den Fokusregionen Drei Jahrzehnte und vier Generationen 46 MED Bildung Perspektiven für Studenten 3 | 2 020 in der Medizintechnik
UHREN- UND SCHMUCKINDUSTRIE MICROTECHNOLOGIEN MEDTECH THE 8. - 11. JUNI 2021 PALEXPO GENF MEHR ALS 800 20’000 AUSSTELLER FACHBESUCHER W W W. E P H J. C H
Editorial EXCEEDING YOUR EXPECTATIONS G roße Herausforderungen, aber auch neue Marktchancen – so resümierte der Verband für Medizintechnologie BVMed die Marktstudie der Medizintechnik 2020 von Luther und Clairfield. Inhalt der Studie waren die großen Techniktrends, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Medizintechnik- branche und die Beobachtung des internationalen Marktes. Grade bei dem letzten Punkt läuft Europa Gefahr, von der asiati- schen Konkurrenz von Platz 2 der wichtigsten MedTech-Märkte verdrängt zu werden. So dürfen sich deutsche Unternehmen laut Studie nicht auf ihren typischen technischen Fähigkeiten ausru- hen, sondern sollten massiv in Software und Methodik wie KI und Big Data investieren um weiterhin vorne mitzuspielen. Denn als Automationslösungen für die Auf keinen Fall Bereiche Bestücken, Dosieren, ausruhen. Fügen, Handhaben und Testen 2D / 3D Kleinstmengendosieren im Bereich von Nanolitern langfristiger Erfolgsgarant wird immer wieder die digitale Ausrich- Flexibel kombinierbare tung der Geschäftsmodelle betont. Beispiele sind hierbei die Be- Maschinenkomponenten reiche des E-Health, der patientenindividuellen Medizintechnik, der Robotik und der vernetzten OP-Säle. Präzise Resultate im Bereich Es bewegt sich also alles in Richtung Digitalisierung. Umso span- von Mikrometern nender, dass ich mich in meiner ersten Ausgabe als Redakteur der MED engineering direkt mit dem allzu wichtigen Themenschwer- Integrierte Bildverarbeitung punkt Software beschäftigen konnte. Unsere Themen reichen die- ses Mal von dem Hüft-OP-Training in der virtuellen Realität (S. 16), Cybersicherheit in der Produktentwicklung (S. 22) bis hin zum Prozessautomation u.a. in der Deep Learning, einem populären Teilgebiet der Künstlichen Intel- Bio-Technologie, Pharmamontage, ligenz in der Bilddatenanalyse (S.12). Dabei wird klar: So sehr ruht Sensorfertigung, Mikro- und sich Deutschland gar nicht auf seinen technischen Errungenschaf- ten aus. Die Branche war schon immer innovationsorientiert und Optoelektronik die vielen kleinen mittelständigen Unternehmen und Start-Ups setzen auf Ideenreichtum, wenn es die Platzierung der eigenen Ge- Vom kompakten Desktopgerät schäftsidee auf dem Markt geht. Überzeugen Sie sich selbst. bis zur vollautomatischen Produktionslinie Marc-Benjamin Aurin, Fachredakteur m.aurin@mgo-fachverlage.de www.infotech.swiss www.med-eng.de 3
Inhalt Hüft-OPs in der Virtual Reality trainieren Durch die Kombination modernster Algorithmen, Robotertechnik und Virtual Reality ist der weltweit erste Trainingssimulator für Hüft-OPs mit haptischen Feedback entstanden. 16 Kontakt zum Verlag: Redaktion: Marc-Benjamin Aurin Tel. +49 (0) 9221 949-411 Fax +49 (0) 9221 949-377 m.aurin@mgo-fachverlage.de Mit Creo und Inneo wieder Anzeigen: alles im Griff Julia Lutz Tel. + 49 (0) 9221 949-407 Das Ulmer Startup-Unternemen j.lutz@mgo-fachverlage.de HKK Bionics hat mittels CAD- Abo/Vertrieb Tools eine bionische Orthese Melissa Kolb Tel. +49 (0) 9221 949-204 entwickelt, die dem Träger die Fax +49 (0) 9221 949-377 Kontrolle über seine Hand kundenservice@mgo -fachverlage.de zurückgibt. Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co.KG E.-C.-Baumann-Str. 5 18 95326 Kulmbach www.med-eng.de Studienmöglichkeiten in Biomedizinischer Technik Die Technische Universität München bietet eine breite Auswahl an Medizintechnik- bezogenen Master-Studiengän- gen. Sie bieten unterschiedli- che Schwerpunkte und sind in- terdisziplinär und forschungs- orientiert konzipiert. 44 MED engineering 3/2020 4 www.med-eng.de
Inhalt MED Szene Medizintechnik aus den Fokusregionen 06 Umsatzminus deutscher Medizintechnikindustrie Österreich 07 Zahlen, Daten, Fakten 29 Elastomer- und Kunststoffver- arbeitung im Premiumsegment Elektronik für MED Software 31 Gatekeeper in der digitalisierten Medizintechnik sterile Einsätze Betriebssysteme 08 Virtualisierte Arbeitsplätze im Schweiz Krankenhaus 33 Drei Jahrzehnte und vier Generationen Engineering Tools 10 CTMS mit Low-Code 35 Piezosensoren und integrierte programmieren Prozessüberwachung Applikations-Software Deutschland 12 mdbrain: Deep Learning in der 37 E2MS-Dienstleister auf den Radiologie Spuren der Piloten Simulation MED Geräte 14 Schlüsselelement KI Antriebe 16 Hüft-OPs in der Virtual Reality 39 Therapie-Revolution durch trainieren Trainingsroboter CAD-Tools Hubsäulen 18 Mit Creo und Inneo wieder alles im 41 Hydraulik für die Medizintechnik Griff 21 MED Fokus MED Bildung Funktionale Sicherheit Studium 22 Cybersicherheit in der 44 Studienmöglichkeiten in Produktentwicklung Biomedizinischer Technik DIREKTUMSPRITZUNG Autoklavierbarer Schutz Ihrer 25 Hilfe für die Prüfung von 46 Perspektiven für Studenten in der Elektronik mit biokompatiblem Akzeptanzkriterien Medizintechnik Polymer MED Elektronik Sensorik 26 Trumpfass – ID-Wertschöpfungsnetzwerke Sprechen Sie uns an! Wir setzen Ihre Idee um. Turck duotec S.A. Rue du Stand 63, CH-2800 Delémont www.med-eng.de 5 www.turck-duotec.com
MED Szene Weiter schwierige Geschäftslage der Medizintechnikunternehmen. Umsatzsteigerungen einiger Unternehmen können die Rückgänge der Branche nicht ansatzweise kompensieren Umsatzminus deutscher Medizintechnikindustrie E inige Wochen nach dem Lockdown und den ersten Lo- tion der Krankenhäuser ansehen, wo viele Operationen ver- ckerungen der Beschränkungen im Zuge der Corona- schoben wurden und etliche Patienten zuletzt nicht Pandemie hat sich die Stimmung in der Medizintech- aufgenommen werden konnten“, meinen Glienke und Stecke- nikindustrie zwar etwas verbessert, angesichts einer besorg- ler. Nicht besser sieht es zum Beispiel im Bereich der Ortho- niserregenden Auftragsentwicklung blickt ein Großteil der pädietechnik aus, wo zuletzt aufgrund der Kontaktbeschrän- Firmen aber weiterhin mit Sorge auf das laufende Jahr. Die kungen unter anderem kaum Rollstühle oder Orthesen ange- zweite Umfrage des Deutschen Industrieverbandes passt werden konnten. SPECTARIS und des Branchenclusters MedicalMountains in- nerhalb von drei Monaten zur wirtschaftlichen Situation der Die beiden Beispiele erklären, warum insgesamt 68 Prozent Medizintechnikunternehmen Deutschlands bestätigt die im der Unternehmen ihre Geschäftslage als verschlechtert dar- April geäußerten Befürchtungen. Auch im Juni erwarteten die stellen: das sind noch einmal zwei Prozentpunkte mehr als Unternehmen im Durchschnitt noch ein Umsatzminus für das im April. Und auch die Zahl der Betriebe und Konzerne, die Jahr 2020 von insgesamt acht Prozent, darunter zwölf Pro- eine deutlich verringerte Nachfrage beklagen, ist in den ver- zent im Auslandsgeschäft – was angesichts einer Exportquote gangenen drei Monaten von 61 auf 64 Prozent noch größer von zuletzt 65 Prozent besonders bedenklich ist. geworden. Obwohl die logistischen Engpässe und gestörten Lieferketten der Umfrage zufolge derzeit nicht mehr so stark Es gibt in der Branche zwar auch Unternehmen, deren Erwar- ins Gewicht fallen wie noch vor einem Vierteljahr, sind die tungen für das laufende Jahr insbesondere wegen der zurück- meisten Unternehmen ohne weitere staatliche Unterstüt- liegenden Wochen und Monate positiv ausfallen: Hersteller zungen und ohne eine gravierende Verbesserung der Rah- von Beatmungsgeräten und Intensivbetten zum Beispiel. menbedingungen offensichtlich kaum in der Lage, ihre Situ- Doch deren Zuversicht repräsentiert nicht das Gesamtbild der ation entscheidend zu verbessern. „In Anbetracht der zu- Branche. „Die Medizintechnik leidet wie andere Branchen nehmenden Bedeutung der Medizintechnik und der weiterhin massiv unter den Folgen der Coronakrise. Die Auf- bewährten Stärken der hiesigen Medizintechnikindustrie, trags- und Umsatzsteigerungen einiger Unternehmen können müssen Wirtschaft und Politik gemeinsam nach vorne bli- die Rückgänge der Mehrheit nicht kompensieren“, erklärt Dr. cken und an einem Strang ziehen. Alle Medtech-Unterneh- Martin Leonhard, Vorsitzender der Medizintechnik bei men, unabhängig ihrer Größe, müssen unterstützt werden, SPECTARIS. 75 Prozent der Unternehmen geben an, mit damit sie möglichst unbeschadet durch die Krise kommen. einem Umsatzrückgang in diesem Jahr kalkulieren zu müs- Nur so kann nachhaltig sichergestellt werden, dass deutsche sen, knapp 60 Prozent erwarten ein zweistelliges Minus Medizintechnikunternehmen auch zukünftig zur Weltspitze gegenüber dem Vorjahr. zählen“, so Leonhard abschließend. Die beiden Geschäftsführerinnen von MedicalMountains, Yvonne Glienke und Julia Steckeler, bekommen derzeit haut- KONTAKT nah mit, wie schwierig es ist, die wirtschaftliche Lage der Me- Industrieverband SPECTARIS dizintechnik zu stabilisieren. 51 Prozent der Unternehmen Werderscher Markt 15 nutzten auch im Juni noch die Möglichkeit der Kurzarbeit und D-10117 Berlin nahezu jedes fünfte (18 %) benötigt Zuschüsse und Soforthil- Tel. +49 (0) 30 41 21 0 fen. „Die Maßnahmen der Bundesregierung sind auch mittel- www.info@spectaris.de fristig noch sehr wichtig. Man muss sich nur einmal die Situa- MED engineering 3/2020 6 www.med-eng.de
ZAHLEN | DATEN | FAKTEN Innovationskraft der Medizintechnik Verarbeitende Industrie 3,8 % Branche Chemieindustrie 5,0 % Medizintechnikbranche 9,0 % 1% 2% 3% 4% 5% 6% 7% 8% 9% 10% F&E-Anteil am Unternehmensumsatz PATENT- ANMELDUNGEN Die Medizintechnik ist führend in der Liste der Patentanträge der Technologiebereiche. 13.795 Deutschland liegt hinter den Patentanträge USA auf Platz 2 der (2018) anmeldeaktivsten Länder. Europäisches Patentamt München Quellen: BVMed, FAZ, www.med-eng.de
MED Software Betriebssysteme Neue Generation an Thin-Client-Soft- und Hardware macht das Konzept der Virtual Desktop Infrastructure noch attraktiver Virtualisierte Arbeits- plätze im Krankenhaus W indows-Rechner sind nichts für medizinisches Per- sonal – diese Aussage stammt wortwörtlich von dem IT-Leiter eines deutschen Krankenhauses. Zu ver- spielt in der Bedienung, zu anfällig in der Wartung und zu komplex in der Verwaltung, so sein kurzes Fazit. Dennoch ist natürlich das Gesundheitswesen wie kaum eine andere Bran- che auf zuverlässige und schnelle Informations- und Daten- Bild: IGEL Technology GmbH verarbeitung angewiesen. Seit mehreren Jahren ist das Kon- zept der zentralen Bereitstellung virtualisierter Anwendungen im Gesundheitswesen bekannt und wird mehr oder weniger umfassend umgesetzt. Neue Hard- und Software für die End- geräte machen das Konzept nun noch attraktiver für den Ein- satz im Krankenhaus. Vor allem Peripheriegeräte, die die In- Computerarbeitsplatz im Krankenhaus. formationsaufnahme und -Verteilung problemlos unterstüt- zen, müssen reibungslos einsetzbar sein: im Krankenhaus Diese beiden Schlagworte, die dem Jargon der US-Computer- sind das meistens Drucker, Diktiergeräte und verschiedene industrie entlehnt sind, beschreiben nichts anderes, als dass Scanner sowie Kartenleser. Drucker sind und bleiben im Kran- die Anwendungen nicht mehr physisch auf dem Endgerät, kenhaus unverzichtbar, denn über Barcode-Aufkleber und ge- dem klassischen Windows-PC liegen, sondern virtuell im Re- gebenenfalls Namensschilder wird die Verbindung zwischen chenzentrum. Der bekannte Windows-Desktop, also die per- der gegenständlichen und der elektronischen Welt geschaf- sönliche Arbeitsoberfläche, wird virtualisiert und bei Bedarf fen. So lassen sich beispielsweise Proben eindeutig den Pa- vom Endgerät aus dem Rechenzentrum abgerufen. Dafür ist tienten und den über sie gespeicherten Informationen zuord- dann nicht mehr ein vollausgestatteter leistungsfähiger Win- nen. dows-PC notwendig, sondern es reicht ein sogenannter Thin- Client: Ein schlankes Endgerät, das die Anwendungen aus Zuverlässigkeit & Verfügbarkeit der Peripherie dem Rechenzentrum abholt und auf dem Endgerät darstellt. Die Herausforderung dabei liegt weniger in der Bereitstellung Diktiergeräte, die oft schon mit Spracherkennungs-Software der Anwendungen, die seit Jahren erprobt ist und von immer verbunden sind, wandeln die Diagnosen und Behandlungsvor- weiter entwickelten Programmen von Citrix oder VMware zu- schläge der Ärzte direkt in speicherbare Informationen für die verlässig erledigt wird. Vielmehr ist es notwendig, in diese vir- Patientenakte um. Der Umweg über die Schreibstube entfällt tualisierte Umgebung auch die Peripherie einzubinden und und beschleunigt die Prozesse. SmartCards gestatten das Ein- schlussendlich müssen auch Thin-Clients verwaltet werden, lesen von Krankenkassenkarten aber auch die Authentifizie- am besten zentral, um den Aufwand zu senken. rung via Arzt- oder Pflegeausweis. Für all diese Anwendungs- und Einsatzfälle gilt, dass höchste Zuverlässigkeit und Verfüg- IGEL OS auf Linux-Basis holt Anwendungen auf barkeit gegeben sein muss. Für diese klar definierten Anforde- Thin-Client rungen ist die klassische Windows-Welt zu kompliziert und zu aufwendig. Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrich- Thin-Client-Endgeräte werden auch von den US-Computergi- tungen gehören deshalb seit jeher zu den Vorreitern in punkto ganten Dell und HP angeboten. Führend bei der Software auf Virtual Desktop Infrastructure und Thin-Client-Computing. den Endgeräten ist jedoch in Deutschland und der Schweiz MED engineering 3/2020 8 www.med-eng.de
MED Software Betriebssysteme der deutsche Anbieter IGEL, der selbst in punkto Hardware Zentrale Verwaltung für Einfachheit und mit Dell und HP im Wettbewerb steht. Das Linux-basierte Be- Sicherheit triebssystem für Thin-Clients, das IGEL OS, erfüllt die Anfor- derungen im Gesundheitswesen nahezu perfekt. Das liegt Die Verwaltung aller Thin-Clients, auch der Linux-Geräte, die unter anderem an den mehr als 80 Technologie-Partnerschaf- nicht von IGEL stammen, aber mit einem IGEL Betriebssys- ten die der Hersteller pflegt, um die Konnektivität der Endge- tem laufen, erfolgt über die Universal Management Suite von räte und des Betriebssystems mit Peripheriegeräten sicherzu- IGEL. Zehn Profile wurden dort eingerichtet, die sich weniger stellen. Dazu zählen unter anderem Anbieter von Drucker- an den Rollen der Mitarbeiter sondern vielmehr an den benö- Software, Diktiergeräten sowie Hersteller von ergänzender tigten Anwendungen ausrichten: zum Beispiel danach, ob Sicherheits-Software. Mikrofoneingaben gemacht, Drucker angeschlossen werden oder auf spezielle Anwendungen zugegriffen wird, wie die Die Bereitstellung von Anwendungen aus dem Rechenzent- Alarmkonsole oder IVANA eHealth, mit der sich Rettungsleit- rum auf ein Thin-Client-Endgerät bietet mehrere Vorteile, die stellen jederzeit in Echtzeit über die aktuellen Behandlungs- nicht nur, aber vor allem für das Gesundheitswesen von Be- und Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser informie- deutung sind: ren können. Auch der Datenschutz ist mit dieser Lösung ein- fach geregelt: Fremde Geräte erhalten keinen Zugang zum Kli- + Hohe Sicherheit, da keine Anwendungen oder Daten lokal nik-Netzwerk. Der Datenstrom des Citrix-Protokolls zwischen gespeichert werden. Servern und Thin-Clients mit IGEL OS ist unleserlich und zu- + Hohe Verfügbarkeit, da die Komplexität der Endgeräte ge- dem verschlüsselt. Auf den Endgeräten liegen weder Daten ring ist und Anwenderfehler auf Betriebssystemebene noch Anwendungen. Damit ist der Zugriff über Passwörter ausgeschlossen sind. ausreichend; Anwendungen, die sensible personenbezogene + Einfache Verwaltung durch zentrales Management, ohne Daten verwalten, sind außerdem noch über ein eigenes Pass- die Notwendigkeit, bei Updates oder Neuinstallationen wort geschützt. das Endgerät aufzusuchen. + Freiwerdende Ressourcen in der IT-Abteilung, durch weni- Flexible IT macht Versorgung besser ger Verwaltungsaufwand. + Geringere Beschaffungskosten durch längere Lebenszyk- Christian Bartsch, der in der sechsköpfigen EDV-Abteilung len der Thin Clients. des Bremer Rotes Kreuz Krankenhaus unter anderem für die IGEL-/Citrix-Infrastruktur zuständig ist, bilanziert: „Ein derart Beispiel Rotes Kreuz Krankenhaus Bremen kleines IT-Team wäre ohne eine so effiziente Infrastruktur, wie wir sie mit IGEL aufgebaut haben, nicht möglich. IGEL erfüllt Im täglichen Einsatz im Rotes Kreuz Krankenhaus Bremen mittlerweile bereits im Standard einen Großteil aller Anforde- überzeugt die Vielzahl an Schnittstellen, die der UD3 mit- rungen, die wir im Krankenhaus an die Endgeräte und die An- bringt. So werden Etiketten vom Thin-Client gedruckt, oh- wendungsbereitstellung haben. Mit jeder neuen Gerätegene- ne dass ein Printserver o.ä. zwischengeschaltet werden ration und jedem Update des IGEL OS, wird die Verwaltung muss; Einzugscanner können direkt via USB angesprochen und der Betrieb der Endgeräte noch einfacher und flexibler. werden; digitale Mikrofone lassen sich anschließen, um Das spart Zeit und Kosten, die wir direkt in die Versorgung der Arztbriefe über die Spracherkennungs-Software von Nuan- Patienten investieren können.“ ce direkt „in die Maschine“ zu diktieren; die Texterkennung des KIS von Agfa Healthcare macht die Erstellung und Be- füllung der digitalen Patientenakte über den IGEL UD3 ein- fach. Autor: Und selbst zur Visite kommt in dem Bremer Krankenhaus ein Johannes Jöster Thin-Client mit: Auf einem Computerwagen ist ein Linux- Director Healthcare Sales Rechner mit IGEL Betriebssystem und WLAN-Ausstattung montiert, der über einen Akku-Pack mit Strom versorgt wird. Durch die WLAN-Antenne ist der mobile Visite-Arbeitsplatz ständig mit dem Server verbunden und stellt von dort die Be- KONTAKT funde aus der Patientenakte bereit, stets aktuell und sicher. IGEL Technology GmbH Der Akku-Pack ist dabei so ausgelegt, dass Rechner, Tastatur, Headquarters Maus und Monitor für bis zu 10 Stunden ohne Aufladen mit Hanna-Kunath-Str. 31 Strom versorgt werden. Die Erkenntnisse der Visite wandern D-28199 Bremen damit ohne Zwischenschritt direkt in die Patientenakte und Tel.: +49 421 54 09 40 sind umgehend wieder für Behandlungen durch nachfolgende www.igel.de Ärzte und Pfleger verfügbar. www.med-eng.de 9 MED engineering 3/2020
MED Software Engineering Tools Low-Code-Entwicklungsplattformen stellen einen Mittelweg zwischen Standardsoftware und eigener Programmierung dar und können bei Clinical Trial Management Systemen (CTMS) Abhilfe schaffen. CTMS mit Low-Code programmieren D ie Durchführung klinischer Studien ist ein komplexer Prozess, der im Zuge der Digitalisierung immer größe- re Datenmengen generiert. Doch nicht nur der Daten- umfang, auch die Bedingungen klinischer Studien ändern sich laufend und müssen in Form neuer regulatorischer Be- stimmungen bei der Planung berücksichtigt werden. Da in diesen Prozess so unterschiedliche Teilnehmer eingebunden Bilder: SSS International Clinical Research GmbH sind wie Clinical Research Organisationen (CRO), Labor- dienstleister und Sponsoren, ist auch ein vielschichtiger Um- gang mit den Daten notwendig, sodass die Betreffenden die für sie relevanten Informationen erhalten. Die altbekannte Speicherung von Daten in Tabellenkalkulationsprogrammen wie Excel wird den Ansprüchen an Schutz und Sicherheit sen- sibler Daten allerdings nicht gerecht. Ebenso wenig ist eine Lagerung in verschiedenen Datensilos bei den beteiligten Dienstleistern geeignet, dem Auftraggeber einen konzisen und aktuellen Überblick über die Abläufe zu vermitteln. Um Informationsfluss in einem Unternehmen mithilfe eines CTMS. die Anforderungen der good clinical practice zu erfüllen, be- darf es vielmehr eines zentralen Datenmanagements. Möglichkeiten zur Einführung eines Clinical Trial Management Systems Während Standardsoftware bei Für die Umstellung eines Unternehmens auf ein CTMS gibt es spezifischen Modifikationswün- mehrere Wege: Die Verwendung eines bestehenden Standard- Softwaresystems (COTS: Commercial-off-the-Shelf-Syste- schen oft an ihre Grenzen stößt, me), eine vollständige Neuentwicklung oder die Entwicklung liegt eine eigenständige Program- mithilfe einer Low-Code-Plattform. mierung eines Clinical Trial Ma- Je breitgefächerter die Art der Projekte und je höher der Be- darf an Individualisierung, desto eher erreichen COTS ihre nagement Systems (CTMS) außer- Grenzen, etwa wenn Anpassungen an neue regulatorische An- halb der Möglichkeiten vieler forderungen oder individuelle Modifikationen erforderlich Unternehmen. Low-Code-Entwick- sind. Eine vollständige Eigenentwicklung hingegen bedarf fir- meninterner IT-Entwicklungskompetenz und Ressourcen. lungsplattformen stellen einen Das stellt vor allem für kleine und mittelständische Akteure in Mittelweg dar, bei dem mit gerin- der Regel eine große Hürde dar. gem Programmieraufwand ein auf Eine vorteilhafte Alternative, die die nötige Flexibilität in der die jeweiligen Bedürfnisse zuge- Ausgestaltung des CTMS sichert und einen geringeren Pro- schnittenes CTMS erstellt wird. grammier- und Kostenaufwand bedeutet, bieten Low-Code- Entwicklungsplattformen. MED engineering 3/2020 10 www.med-eng.de
MED Software Engineering Tools sche Benutzeroberfläche) und der Einführung komplexer Pro- zesse notwendig. Diese Prozesse werden mit serverseitigem Code mit der relationalen Datenbank verknüpft. Somit können SQL Statements mithilfe von GUI Aktionen, zeitlichen Events oder Tabellenveränderungen getriggert werden. Durch diese Prozesse ist es möglich, komplexere Aufgaben wie Berech- nungen in der Datenbank, E-Mail-Aktionen oder auch Alarme für bestimmte Benutzer zu konfigurieren und auszulösen. Falls das System online verfügbar und eine Eingabe von Daten möglich ist, ist es wichtig, dass die in den Prozessen verwen- IT Architektur: Beispiel eines CTMS mithilfe einer Low-Code basier- deten Programmiersprachen moderne Möglichkeiten für das ten Plattform Escapen von SQL Statements bieten, um Sicherheitsrisiken (SQL-Injections) weitestgehend zu minimieren. Flexibler und kostengünstiger durch Low-Code- Programmierung Fazit Low-Code-Entwicklungsplattformen unterstützen über das Gängige CTMS sind in ihren Konfigurationsmöglichkeiten be- Baukastenprinzip die Erstellung eines auf die eigenen Be- schränkt und können nicht jede notwendige Anpassung er- dürfnisse zugeschnittenen CTMS über grafische Symbole möglichen. Die Programmierung eines eigenen CTMS kommt und Steuerelemente. Da eine solche Benutzeroberfläche für vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen sel- Nutzer wesentlich intuitiver zu bedienen ist, wird auf diese ten infrage. Low-Code-Entwicklungsplattformen ermöglichen Weise die Entwicklung eines eigenen CTMS stark erleichtert. die Gestaltung eines individuellen CTMS mit wenig Program- Durch solche Operationen lässt sich zum Beispiel ein web- mieraufwand und überschaubaren Kosten. basiertes Info-Dashboard erstellen, auf dem alle relevanten Kennzahlen der Studie in Form von anschaulichen Diagram- men angezeigt werden. So kann sich der Sponsor jederzeit etwa ein Bild des aktuellen Stands der Patientenrekrutie- rung verschaffen. Auch Daten rund um die Medikationslo- Autor: Sebastian Weis gistik können in speziellen Dashboards angezeigt werden. IT Process Specialist Auf diese Weise können Medikationsengpässe oder Fehler SSS International Clinical Research GmbH bei Bestellungen ermittelt und Gegenmaßnahmen eingelei- tet werden. Ebenso lassen sich aktuelle Bestimmungen von Behörden ins System einbinden, etwa in Form eines Moduls zur Risikodokumentation, -klassifikation und -steuerung. So kann dem Zusatzdokument ICH E6 (R2) Rechnung getragen Autor: Dr. Lars Behrend werden, das ein risikobasiertes Projektmanagement bei der Chief Operating Officer Entwicklung klinischer Studien fordert. SSS International Clinical Research GmbH Low-Code-Entwicklungsplattformen liegt in der Regel eine re- lationale Datenbank wie MS SQL Server oder MySQL zugrun- de, in denen die benötigten Daten sicher und performant ge- speichert und abgerufen werden können. Tiefere Eingriffe in Autor: Dr. Michael Sigmund die Elemente der Plattform selbst können über die gängigen Chief Executive Officer Programmiersprachen wie Java, C# oder JavaScript vorge- SSS International Clinical Research GmbH nommen werden. Die Kombination und Integration verschie- dener Programmiersprachen mit dem daraus resultierenden wachsenden Funktionsumfang ist ein großer Vorteil von Low- KONTAKT Code Entwicklungsplattformen. Oft liefern die Plattformen in SSS International Clinical den jeweiligen Entwicklungsumgebungen bereits weiterfüh- Research GmbH rende Dokumentationen und Codebeispiele, um weniger er- Landsberger Str. 23/25 fahrenen Entwicklern Hilfestellung zu geben. Bei tiefgreifen- D-82110 Germering den Veränderungen muss sich der Entwickler allerdings in die Mail: info@cro-sss.de automatische Codegenerierung der Systeme eindenken, da- Tel.: +49 89 800 65 00 www.cro-sss.de mit die Konsistenz des Systems erhalten bleibt. Dies ist vor al- lem bei Eingriffen in das Verhalten von GUI Elementen (Grafi- www.med-eng.de 11 MED engineering 3/2020
MED Software Applikations-Software Deep Learning eröffnet in der Analyse von medizinischen Bilddaten neue Möglichkeiten. Sie verschafft eine objektive Zweitmeinung und steigert die Effizienz und den Durchsatz mdbrain: Deep Learning in der Radiologie D ie Radiologie gilt als der Bereich in der Medizin, in den vorab erledigt wurde, z.B. das Einzeichnen eines Tumors. Künstliche Intelligenz (KI) am schnellsten Einzug Diese manuelle Annotation ist extrem zeit- und kostenauf- halten wird. Angesichts stetig steigender Menge an wändig. Für das Training eines robusten DL-Algorithmus wür- Bilddaten erscheint die automatisierte Bilddatenanalyse hier- den tausende dieser annotierten Datensätze benötigt. bei besonders interessant zu sein. Deep Learning (DL) ist das mediaire hat nun eine spezielle Technik entwickelt, durch die wohl populärste Teilgebiet der KI. In den letzten Jahren DL-Algorithmen auch mittels nicht-annotierter Bilder trai- konnten auf besonders „tiefen“ künstlichen neuronalen Netz- niert werden können. Dies vereinfacht die Entwicklung werken basierende Algorithmen vor allem im Bereich Bildver- enorm, da nicht-annotierte Aufnahmen deutlich kostengüns- arbeitung Durchbrüche erzielen. So ist aktuelle DL-Software tiger und in großer Zahl zur Verfügung stehen. dem Menschen z.B. bei Aufgaben wie Objekt- oder Gesichts- erkennung weit überlegen. mdML: mediaire’s Deep Learning Framework Deep Learning in der Radiologie Bei der Entwicklung von DL-Algorithmen ist oft eine Vielzahl von Experimenten nötig, um die optimale Netzwerk-Architek- Es erscheint daher naheliegend, DL-Software auch für radio- tur zu finden. Bei jedem dieser Experimente werden tausende logische Fragestellungen einzusetzen. Hier sind Bilddaten in von Datensätzen zum Training durch verschiedene Netzwerk- großer Menge digital vorhanden und radiologische Fragestel- typen “gejagt“, um dann nach Ablauf des Trainings auf einem lungen sind oft klassische Bildverarbeitungsaufgaben, wie Validierungsdatensatz die Güte des jeweiligen Netzwerkes zu z.B. Objekterkennung und -segmentierung oder Anomaliede- bestimmen. Ist so die beste Architektur ermittelt, wird ab- tektion. Die mangelnde Standardisierung der Aufnahmetech- schließend die Performanz auf einem unabhängigen Test- nik und die damit einhergehende extreme Heterogenität der datensatz ermittelt, bevor das finale Netzwerk in die Software Bilddaten begrenzt jedoch den Einsatz der KI in der Praxis. eingebettet wird. Da insbesondere MRT-Bilddatensätze natur- Um diese starken Variationen zu lernen, brauchen DL-Algo- gemäß “groß“ sind (ca.100 MB pro Datensatz), sind die An- rithmen Unmengen an “annotierten Daten“: Bilder, auf denen forderungen an die Trainings-Hardware (Grafikkarte, Arbeits- die zu erlernende Aufgabe bereits von menschlichen Experten speicher, Prozessoren) extrem hoch und auf normalen PCs kaum zu bewerkstelligen. Daher hat mediaire mit “mdML“ ein Framework für Maschinelles Lernen entwickelt, das reibungsloses Training von Netz- werken in der Cloud ermöglicht. Wir ha- ben uns dabei bewusst gegen existie- rende Frameworks von Amazon Sagemaker oder GoogleCloud AI ent- schieden, da das Training auf medizini- Bilder: mediaire GmbH schen Bilddaten sehr spezielle Anfor- derungen an den Trainingsprozess hat, die in Standard-Frameworks typischer- weise nicht oder nur schwer abgebildet Integration von mdbrain in den radiologischen Workflow. werden können. MED engineering 3/2020 12 www.med-eng.de
MED Software Applikations-Software mdbrain - Deep Learning fürs Gehirn denz für die externe Validierung und ein Vergleich mit aka- demischen Goldstandards. Im Fall von mdbrain haben wir Dank dieser Technik konnten wir mit mdbrain die erste DL-ba- unser System mit einer Lösung der Harvard Medical School sierte Softwarelösung zur Erkennung neurodegenerativen Er- namens FreeSurfer verglichen. Dabei konnten wir zeigen, krankungen auf MRTs vorstellen. Das System wertet MRT-Bil- dass mdbrain nicht nur wesentlich schnellere Berechnun- gen ermöglicht (ca. 15h vs. 5 2,5 min), sondern auch eine we- FreeSurfer mdbrain sentlich höhere Reproduzier- 2,0 barkeit aufweist (vgl. Abbil- (% Abweichung vom Mittelwert) dung). Reproduzierbarkeit 1,5 1,0 Zusammenfassung und Ausblick 0,5 Um der KI-gestützten Lösungen 0,0 langfristig in der Radiologie Gesamthirn Frontal Parietal Okzipital Temporal Hippocampus Seitenventrikel 3. Ventrikel zum Durchbruch zu verhelfen, Vergleich von mdbrain mit akademischem Standard FreeSurfer am Beispiel Reproduzierbarkeit bei sollten Sicherheitsbedenken Mehrfachmessung desselben Patienten. ernst genommen werden und die Ergebnisse der KI erklärbar der des Gehirns selbstständig aus und vermisst dabei be- sein. Idealerweise geht dies Hand in Hand mit einem klaren stimmte Zielstrukturen. Der Abgleich mit den Daten von Nutzen für den Radiologen unter Praxisbedingungen. Wir Gesunden gleichen Alters und Geschlechts ermöglicht dann sehen diese vor allem in folgenden Bereichen: die frühzeitige Erkennung pathologischer Veränderung bei neurodegenerativen Erkrankungen wie z.B. Demenz oder MS. + Triage - schnelle Identifikation von Datensätzen, deren mdbrain ist dabei perfekt in den radiologischen Workflow in- Befundung Priorität haben sollte. tegriert. Die MRT-Aufnahmen werden über das lokale Netz- + Objektive Zweitmeinung - automatische Segmentierung, werk vom MR-Scanner direkt zum mdbrain Server geschickt. Quantifizierung und Normvergleich von Zielstrukturen, wo Dadurch verlassen die MRT-Daten nie die Praxis, was auch derzeit noch oft geschätzt wird. den strengsten Datenschutzrichtlinien genügt. Dank DL und + Effizienzsteigerung - Automatisierung von zeitaufwendi- Grafikkarten-Unterstützung kann der mediaire Server inner- gen und/oder fehleranfälligen Arbeitsschritten. halb von weniger als 5 Minuten eine vollständige Hirnanalyse vornehmen. Der fertige Analysereport wird dem Nutzer dann sofort auf den Befundungsrechner geladen. mdbrain - Validierung und Verifizierung Autor: Dr. Jörg Döpfert Um sicherzustellen, dass mdbrain “tut, was es soll„, wird CTO mediaire die Software vor jedem Release einem strengen Verifizie- j.doepfert@mediaire.de rungs- und Validierungsprozess unterzogen, der den hohen Standards des Medizinproduktegesetzes (MPG) genügt. Dazu gehören nicht nur extensive automatisierte und ma- nuelle Verifizierungstests, sondern auch sogenannte Vali- dierungstests, in denen Reproduzierbarkeit, Robustheit Autor: Dr. Jens R. Opalka und Messgenauigkeit auf vordefinierten Testdatensätzen Head of medical affairs & marketing evaluiert werden. Diese Testdatensätze werden zunächst j.opalka@mediaire.de typischerweise von mehreren Radiologen annotiert, die Ab- weichungen untereinander dokumentiert und anschlie- ßend mit der Einschätzung von mdbrain verglichen. Ist die KONTAKT Übereinstimmung von mdbrain mit den Experten besser als mediaire GmbH die Übereinstimmung der Experten untereinander, so wird Möckernstr. 63 die Validierung als erfolgreich betrachtet. Dabei werden D-10965 Berlin Metriken wie DICE-Koeffizient (Segmentierung) oder F1- Tel. +49 30 286 490 67 Score (Läsionserkennung) verwendet. Wichtig für die Ak- www.mediaire.de zeptanz in Fachkreisen ist darüber hinaus publizierte Evi- www.med-eng.de 13 MED engineering 3/2020
MED Software Simulation Schlüsselelement KI Würden Daten als das neue Öl gesehen werden, wäre die rallel dazu gibt es laufend Fortschritte auf den Gebieten der Künstliche Intelligenz (KI) die Raffinerie, die diese Daten ver- Rechenleistung und der Algorithmen: Spezielle Grafikpro- arbeitet. Dessen ungeachtet werden KI-Anwendungen nicht zessoren und Methoden wie Deep Learning reduzieren Auf- nur vorteilhaft wahrgenommen. Um Hintergrundinformatio- wand und Zeit für das Entwickeln neuer Anwendungen. Die nen rund um das Thema Künstliche Intelligenz aus erster Technologien sind jetzt reif für den Einsatz in den Unterneh- Hand zu erhalten, sprach die Redaktion der MED engineering men. Viele Verantwortliche haben aber noch keine genaue mit den beiden KI-Experten Prof. Dr. Volker Gruhn, Aufsichts- Vorstellung davon, was KI-basierte Anwendungen leisten ratsvorsitzender des IT-Dienstleisters adesso SE, und Dr. können. Dies kommt in vielen Gesprächen zum Ausdruck, med. Horst Hagemann, Senior Business Development Mana- die wir mit Unternehmensentscheidern führen. Jetzt gilt es, ger Health, adesso SE. die Möglichkeiten, die KI-Anwendungen eröffnen, in der Praxis wahr werden zu lassen. Dazu braucht es IT- und KI- MED: Herr Prof. Gruhn, die Technologie der KI ist in immer Fachleute ebenso wie Branchenexperten, beispielsweise mehr Lebensbereichen zu finden. Zeitgleich folgt nach einer aus der Medizintechnik, die die Besonderheiten und Anfor- ersten Euphorie oftmals eine Phase der Ernüchterung. Wie derungen der eigenen Industrie kennen. steht es also um den Hype KI? MED: Welche Rolle spielen KI-Programme im Bereich der Prof. Gruhn: Aus dem Blickwinkel des Softwareingenieurs Medizintechnik? sind KI-Technologien keine neue Entwicklung. Die Grundla- gen wurden bereits Mitte des letzten Jahrhunderts gelegt. Es Dr. Hagemann: In der Medizintechnik kommen KI-Anwen- gab bei dem Thema immer wieder Wellen der Begeisterung dungen vor allem dort zum Einsatz, wo heute bereits große und Ernüchterung. Aktuell kommen drei Faktoren zusammen, Datenmengen vorliegen. Dies ist etwa in den Bereichen bild- die der Entwicklung ungeahnten Schwung geben. Das sind gebender Verfahren oder der Forschung der Fall. Ziel ist es, Daten, Speicher und Algorithmen. Ob Menschen, Maschinen, durch eine KI-Applikation medizinischen Nutzen zu erzeu- Sensoren oder Websites: Nahezu alle Daten, die die Mensch- gen, sei es zur Unterstützung bei Diagnosen durch Muster- heit jemals erzeugte, hat sie in den letzten Jahren produziert. erkennung, Prozessoptimierungen oder spezifische Fragen Gleichzeitig wird es immer günstiger, diese Daten zu spei- durch Auswertung großer, teils unstrukturierter Datensätze. chern. Die Kosten für Speicherplatz fallen ins Bodenlose. Pa- Der Einsatz Künstlicher Intelligenz wird also auch in medi- zintechnischen Anwendungen eine immer relevantere Rolle spielen. Bei der Betrachtung zukünftiger Entwicklungen darf man die synergistischen Wechselwirkungen mit ande- ren neuen Technologien, wie beispielsweise der Miniaturi- sierung und dem Internet der Dinge (IoT) nicht außer Acht lassen. „Künstliche Intelligenz verän- MED: Was ist erforderlich, um KI-Technologien aufzubauen dert die Welt und damit natür- und zu installieren, damit diese auf breiter Basis genutzt lich auch die Softwareentwick- werden können? lung. Es wäre auch sehr eigen- Prof. Gruhn: In einer These, die wir zum Thema KI aufstell- artig, wenn die KI gerade hier ten, sagen wir „KI fängt mit D wie Daten an“. Der Satz fasst Halt machen würde“, sagt Prof. die Rolle, die Daten im Umfeld der Entwicklung von KI-An- wendungen spielen, gut zusammen. Vorhandene Daten sind Dr. Volker Gruhn, Aufsichts- das Fundament, auf dem KI-Lösungen aufbauen. Aber aus ratsvorsitzender des IT-Dienst- welchen Töpfen stammen sie? In welcher Qualität liegen sie leisters adesso. vor? In welchen Formaten? Wie ist die rechtliche Situation der Nutzung? Für KI-Projekte sind die entscheidenden Fra- gen. Und das sind die Fragen, die die Beteiligten zu Beginn eines Projektes klären müssen. Erst wenn darüber Klarheit besteht, können sich die Experten an das Entwickeln von Modellen und die Auswahl von KI-Verfahren machen. MED engineering 3/2020 14 www.med-eng.de
MED Software Simulation MED: Das bedingt Maßnahmen zur Daten- und Qualitäts- liegenden Daten die relevanten Informationen auch enthal- sicherung … ten. Die Verantwortlichen müssen im Hinterkopf behalten: Das Entwickeln von KI-Systeme ist ein Entdeckungsprozess, Prof. Gruhn: Der Einstiegspunkt in das Entwickeln einer KI- dessen Ergebnis sich nicht immer vorhersagen lässt. Anwendung ist häufig ein übergeordneter Softwareentwick- lungsprozess. Hier stoßen die Beteiligten auf eine Fragestel- MED: Zukünftig sollen KI-Applikationen eine Vielzahl an lung, von der sie vermuten, dass KI-Verfahren einen Lösungs- Optionen bereitstellen. Welche Innovationen erwarten Sie im ansatz liefern. Insbesondere die Anfangsphase ist für den Bereich der Medizintechnik in naher Zukunft? gesamten Projektverlauf von großer Bedeutung. Denn wie schon erläutert steht und fällt das Entwickeln KI-basierter An- Dr. Hagemann: Momentan lässt sich noch nicht absehen, in wendungen mit der vorhandenen Datengrundlage. Zunächst welchen Einsatzszenarien die KI demnächst bei der medizini- verschafft sich das Projektteam ein Bild von dieser Grundlage. schen Versorgung eine Rolle spielen wird – vielmehr, wo sie es Die eingehende Prüfung zu Beginn stellt sicher, dass die Be- nicht tun sollte. Sicherlich werden KI-Applikationen mehr teiligten das KI-Potenzial ihres Entwicklungsprojektes richtig und mehr Einzug in unser Leben halten, etwa in Form von einschätzen: Falls die Datenlage sich für KI-Ansätze nicht eig- Wearables oder der Begleitung bei Behandlungsprozessen in net, erkennen sie dies direkt zu Beginn – und nicht erst, wenn Form von Gesundheits-Apps. Gleichwohl muss, damit KI-An- bereits im großen Maßstab Ressourcen in das Projekt geflos- wendungen funktionieren können, der Zugang zu individuel- sen sind. len Daten gegeben sein, daher ist es auch eine Frage der („User“-)Akzeptanz. Künstliche Intelligenz wird zunächst in Oft muss das Projektteam die notwendigen Daten erst be- weiteren diagnoseunterstützende Lösungen Einzug halten: schaffen und aufbereiten. Anschließend lernen die Projekt- Ein Wearable, das Vorhofflimmern erkennt, eine Kamera, die mitglieder ein Modell auf der Basis von Trainingsdaten an. Die Veränderungen des Augenhintergrundes detektiert und so Funktionsfähigkeit des Modells prüfen sie mit Testdaten. Hin- den Arzt bei der Diagnostik unterstützen sind heute bereits zu kommt das Integrieren vorgefertigter KI-Services, wie Standard. Gleichermaßen werden Therapien, Therapieleitli- Chatbots oder Services aus dem Bereich des Maschinellen nien und sogar Prognosen auf Basis von KI neu gedacht wer- Lernens. So entstehen Systeme, die klassische Informations- den. Bald wird die KI dem Einzelnen also einen großen Nutzen systeme umfassen, die cyberphysikalische Anteile haben und bieten können und damit Einzug in den medizinischen Alltag die KI-basiert sind. Das sind Systeme, die fit sind für aktuelle gehalten haben. Auch wenn die KI heute noch als neue Tech- und zukünftige Anforderungen. nologie gesehen wird, wird es künftig sicherlich kaum mehr Diskussionen darüber geben, wie sich KI-Applikationen auf MED: Wie unterscheiden sich KI-Applikationen von Standard- unseren Alltag auswirken, da sie schnell selbstverständlich Informationstechnologien? geworden sein werden. Prof. Gruhn: Um KI-Anwendungen von klassischen Informa- Das Interview führte Carola Tesche. tionssystemen abzugrenzen, betrachten wir ihre jeweiligen Grundlagen. Während Experten Informationssysteme auf Ba- sis von regelbasiertem Wissen entwickeln, spielen bei KI-Lö- sungen wie schon erwähnt Daten die entscheidende Rolle. Ob gespeicherte oder Echtzeitdaten, interne oder externe, reale Prof. Dr. Volker Gruhn oder simulierte: Diese Anwendungen sind datengetrieben. Sie Aufsichtsratvorsitzender erkennen Muster und Zusammenhänge, die menschliche Be- adesso SE teiligte aufgrund der Komplexität oder aufgrund der Daten- mengen nicht finden. Diese Fähigkeiten sind die Grundlage für neue Anwendungen, andere Geschäftsmodelle oder ver- besserte Prozesse. Dr. med. Thorsten Hagemann Senior Business Development Manager Health Für das Entwickeln klassischer Informationssysteme gibt es adesso SE eine ganze Reihe bewährter Methoden und Verfahren, auf die sich Entwickler verlassen können. In einzelnen Projekten mag es Abweichungen bei Kosten oder Lieferdatum geben, aber KONTAKT prinzipiell ist das Entwickeln einer Softwareanwendung ein adesso SE prognostizierbarer Prozess. Anders sieht es bei datengetriebe- Adessoplatz 1 nen Anwendungen aus. Hier wissen die Beteiligten im Vorfeld D-44269 Dortmund häufig noch nicht, ob KI-Verfahren überhaupt zum gewünsch- Tel.: +49 231 7000 7000 ten Ergebnis führen – Stichwort Datengrundlage. Denn es ist www.adesso.de nur dann möglich Zusammenhänge abzuleiten, wenn die vor- www.med-eng.de 15 MED engineering 3/2020
MED Software Simulation Durch die Kombination modernster Algorithmen, Robotertechnik und Virtual Reality ist der weltweit erste Trainingssimulator für Hüft-OPs mit haptischen Feedback entstanden Hüft-OPs in der Virtual Reality trainieren Das Fräsen fühlen M it über 250.000 eingesetzten künstlichen Hüftge- lenken im Jahr 2018, ist die Hüft-OP die am häu- figsten durchgeführte Operation Deutschlands. Der Da es haptische VR-OP-Trainingssimulatoren derzeit nur für gute Sitz der Prothese ist dabei entscheidend für die Lebens- OPs gibt, bei denen keine hohen Kräfte aufgewendet werden qualität der Patienten. Dieser wird maßgeblich durch die ope- müssen, existiert derzeit kein vergleichbares Konkurrenzsys- rative Ausführung beeinflusst, wodurch dem Training der ope- tem zu HIPS. Der innovative Kern von HIPS ist die Verwen- rierenden Ärzte eine enorme Bedeutung zukommt. Gegenwär- dung des KUKA iiwa als haptisches Interaktionssystem. Der tig erfolgt das Training von Chirurgen für den Einsatz eines KUKA iiwa erlaubt es Kräfte von mindestens 140 N zu simu- künstlichen Hüftgelenkes anhand von Körperspendern und lieren, während bestehende Haptikgeräte bei 42 N ihre Leis- lebenden Tieren. Neben ethischen Aspekten, stellen die ge- tungsgrenze erreichen. Erst durch diesen Sprung, bei den dar- ringe Verfügbarkeit und der niedrigere Realitätsgrad Ein- stellbaren Kräften, ist es überhaupt möglich, die operativen schränkungen bzgl. des Trainingserfolges dar. Nach diesen Schritte einer Hüft-OP zu simulieren. Dabei wird über die Mo- Trainings erfolgt ein Anlernen der verschiedenen Operations- toren des Roboterarms eine zur Ausführungsrichtung des Nut- schritte im realen Operationsalltag, unter der Anleitung erfah- zers entgegengesetzte Kraft erzeugt, wodurch der Widerstand rener Chirurgen. Trotz großer Sorgfalt und Vorsicht kommt es gespürt werden kann, der bspw. beim Ausfräsen der Hüftge- besonders bei diesen angeleiteten OPs zu Fehlern, die teilwei- lenkpfanne entsteht. Allerdings ist das Problem, dass der KU- se nicht korrigiert werden können. Um das Training der auszu- KA iiwa nicht für die Nutzung als haptisches Interaktionsgerät bildenden Chirurgen zu verbessern und den Erfolg von Hüft- konzipiert ist, sondern für die Erledigung kollaborativer gelenksoperationen zu erhöhen, wurde mit HIPS der weltweit Arbeitsaufgaben in der Produktion. Deswegen wurde eine erste Virtual-Reality-basierte (VR) Trainingssimulator mit Schnittstelle entwickelt, welche die Nutzung des KUKA iiwa haptischen Feedback für Hüftendoprothesen entwickelt. als haptisches Interaktionsgerät überhaupt erst ermöglicht Durch eine VR-Brille können die Trainierenden in einem virtuellen OP-Saal mit Hilfe von haptischem Feedback und virtuellem Patientenmodell eine Hüft-OP trainieren. MED engineering 3/2020 16 www.med-eng.de
MED Software Simulation Vorbereitung können OP-Zeiten verringert werden, wodurch Kosten gespart werden und der Patient weniger lang der Nar- kose ausgesetzt ist. Durch die Reduzierung von Komplikatio- nen können auch Entschädigungszahlungen an die Patien- ten, die von 10.000 € bis zu 6 Mio. € pro Einzelfall reichen, gesenkt werden. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert. Autor: Mario Lorenz, M. Sc. Der KUKA iiwa erlaubt es Kräfte von mindestens 140 N zu simulieren. Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technische Universität Chemnitz und so die Grundlage für HIPS geschaffen. Da es keine ver- mario.lorenz@mb.tu-chemnitz.de gleichbaren Haptikgeräte gibt, welche die benötigten Kräfte darstellen können, haben wir durch unsere selbstentwickelte Falk Möckel Geschäftsführer Ansteuerungssoftware für den KUKA iiwa ein Alleinstellungs- FAKT Software GmbH, Leipzig merkmal. Außerdem wurde das für die Simulation benötigte falk.moeckel@fakt-software.com Materialmodel selbst entwickelt und ist exklusiv in HIPS in- tegriert. Eine Herausforderung bei der Entwicklung war, dass Johannes P.G. Atze Geschäftsführer die Berechnung der zu simulierenden Kräfte und die entspre- CAT PRODUCTION GmbH, München chende Wiedergabe dieser Kräfte mit dem KUKA iiwa Roboter atze@cat-production.com im 1 ms Takt während der Simulation erfolgen muss. Prof. Dr.-Ing. Gabriel Zachmann Professor für Grafische Datenverarbeitung und Multimedia Eintauchen in die virtuelle OP Universität Bremen zach@cs-uni-bremen.de Mit Hilfe einer VR-Brille tauchen die Trainierenden in den vir- tuellen OP-Saal ein, welcher in enger Abstimmung mit erfah- renen orthopädischen Chirurgen erstellt wurde. Neben dem KONTAKT realistischen haptischen Feedback und einem realitätsnahen Technische Universität Chemnitz virtuellen OP ist ein anatomisch korrektes virtuelles Patien- Professur Werkzeugmaschinen- tenmodell entscheidend, um eine Hüft-OP wirklich trainieren konstruktion und Umformtechnik zu können. Ein solches anatomisch korrekte Patientenmodell Abteilung Prozessinformatik und wurde eigens für HIPS im höchsten Detailgrad modelliert. Da Virtuelle Produktentwicklung beim Ausfräsen der Hüftpfanne der Ansatzwinkel der Fräse Reichenhainer Str. 70 das Qualitätskriterium ist, wird dieser Winkel während des D-09126 Chemnitz www.tu-chemnitz-de Trainings live eingeblendet und in Echtzeit überprüft, sodass dem Trainierenden direkt Rückgemeldet wird, wenn eine Ab- weichung stattfindet. Nutzen für Patient, Arzt und Klinik Mit HIPS kann realitätsnah, aber gefahrlos und beliebig oft virtuell trainiert werden. Die angehenden Chirurgen verfügen so vor ihrer ersten realen OP bereits über ein großes Erfah- rungswissen. Auch erfahrene Chirurgen würden von diesem Trainingssimulator profitieren, z.B. durch das Trainieren von komplizierten, selten durchgeführten Eingriffen, bspw. bei anatomischen Besonderheiten des Patienten. Indem sich Chirurgen bereits mit HIPS auf ihre ersten realen OPs vorbe- reiten, werden weniger Komplikationen entstehen und das Ri- siko für den Patienten minimiert. Daneben entstehen aber auch für das Gesundheitssystem Vorteile. Durch die bessere www.med-eng.de 17 MED engineering 3/2020
MED Software CAD-Tools Das Ulmer Startup-Unternehmen HKK Bionics hat mittels CAD-Tools eine bionische Orthese entwickelt, die dem Träger die Kontrolle über seine Hand zurückgibt Mit Creo und Inneo wieder alles im Griff D ie Gründer und Geschäftsführer der HKK Bionics der Halswirbelsäule austreten und die Bewegungen der Hand GmbH, Dominik Hepp und Tobias Knobloch, lernten und des Arms steuern. Je nachdem, wie stark die Nervensträn- sichwährend ds Medizintechnik-Studiums an der ge hierbei geschädigt wird, geht die Beherrschung des Arms Hochschule Ulm kennen. Motiviert durch persönliche Erfah- mehr oder weniger stark verloren. rungen begannen sie im Jahr 2011 in einer Studienarbeit mit der Entwicklung einer künstlichen Hand. Zunächst ging es um Die Funktionsweise der exomotion hand one eine Prothese, die eine amputierte Hand ersetzen soll. Die von HKK Bionics entwickelte Orthese exomotion hand one Im Verlauf der Entwicklung zeigte sich jedoch, dass zwar aus- wird auf der Hand und auf dem Unterarm befestigt. Auf einer gereifte Prothesen, aber keine entsprechende Orthesen auf Schiene auf dem Unterarm angeordnete Motoren bewegen dem Markt sind. Orthesen sind medizinische Hilfsmittel, die über künstliche Sehnen die Finger. Die vorderen Fingerglieder beispielsweise eine gelähmte, aber vorhandene Hand in ihrer stecken in Silikonhüllen, die über die künstlichen Sehnen Bewegung unterstützen. 2015 begannen sie mit der Umset- und die auf den Fingern liegende Fingermechanik mit den Mo- zung der Idee einer Orthese, 2017 gründeten die beiden ihr toren verbunden sind. Die Fingermechanik besteht aus Ein- Unternehmen und sind aktuell mitten im Marktstart. zelgliedern, deren Länge und Zusammensetzung genau an die Hand des Trägers angepasst wird. Die Fingermechanik ist Die Zahl der Betroffenen von einer Handlähmung ist größer als oberhalb der Fingerglieder steif, aber in der Länge veränder- man denkt, es geht dabei um Schlaganfallpatienten, die oft lich und kann an den Gelenken abknicken. eine halbseitige Lähmung erleiden, aber auch um Patienten mit multipler Sklerose und Unfallpatienten. Gerade bei Mo- Da die künstlichen Sehnen in den Verbinder sowohl Zug als torradfahrern ist es ein nicht seltenes Verletzungsbild, dass auch Druck übertragen, können sie die Hand beziehungswei- der Arm bei einem Unfall so stark nach hinten gerissen wird, se die Finger öffnen und schließen. Zu der überraschend dass die Nervenstränge abreißen, welche an der Schulter aus leichten Orthese gehört eine Bedieneinheit, die am Gürtel ge- Bilder: HKK Bionics Orthesen sind Hilfsmittel in der Medizintechnik, die meist zum Ausgleich bei Funktionsausfällen der Extremitäten oder der Wirbelsäule eine Stützfunktion übernehmen. Sie dienen der Entlastung, Ruhigstellung, Korrektur oder Führung der betroffenen Bereiche. MED engineering 3/2020 18 www.med-eng.de
MED Software CAD-Tools tragen wird und damit den Arm nicht belastet. Das Steuersig- einen 3D-Druckdienstleister gesandt, der die Schiene und die nal kommt von einer Elektrode, die die Bewegung eines Mus- meisten anderen Bauteile der exomotion hand one im SLS- kels aufnehmen kann. Dieser Muskel wird bei jedem Patien- Druck realisiert. ten individuell ausgewählt. Für alle mechanischen Bauelemente nutzte Hepp schon Oft ist an einem Finger- oder Handgelenkmuskel noch eine während des Studiums PTC Creo. Als die beiden Gründer im Restbewegung möglich, die zwar nicht zum Bewegen der Hand ausreicht, aber ein Signal auslöst. Ein kurzes Anziehen des Muskels schließt die Hand, ein langes öffnet sie. Über die- se Signale oder über die Gürtelbox kann der Patient entschei- den, ob der Befehl nur auf Daumen und Zeigefinger, auf drei Finger oder die ganze Hand angewendet wird. So erlangen die Patienten eine sehr wichtige Fähigkeit zurück. CEO und Entwickler Dominik Hepp beschreibt die Herausfor- derungen bei der Konstruktion: „Die gesamte Orthese muss möglichst leicht sein, damit sie den ganzen Tag getragen wer- den kann – vor allem ist bei vielen Patienten der betroffene Arm zwar nicht vollständig gelähmt, aber geschwächt. Da ist jedes Gramm weniger wichtig. Zudem sollte die Orthese mög- Zur Orthese exomotion hand one gehört eine Bedieneinheit, die am lichst klein und unauffällig sein, das haben wir erreicht, in- Gürtel getragen wird und so nicht den Arm belastet. dem wir möglichst viele Elemente in die Bedieneinheit verla- gert haben. Schließlich haben wir darauf geachtet, dass bei Jahr 2017 ihr Unternehmen gründeten, war klar, dass sie aller Anpassung an den individuellen Körper möglichst viele weiter mit diesem System arbeiten. Sie kauften ihre Lizenz Teile standardisiert sind.“ bei Inneo, die auch Support und weitere Unterstützung leis- teten. So sind wie erwähnt die Glieder der Fingermechanik aus ein- zelnen Segmenten aufgebaut, die individuell zusammenge- „Wir kämpfen um jedes Gramm und jeden Millimeter“, be- setzt werden können. Durch diese Konstruktion lassen sich richtet Hepp aus dem Konstruktionsalltag. „Es geht darum, die Orthese so klein und so leicht wie möglich zu machen. Da bietet uns der 3D-Druck tolle Möglichkeiten, weil wir jede be- liebige Form umsetzen können und so beispielsweise die Mo- toren nicht mit Haltern befestigen, sondern kraftschlüssig di- rekt in die Schiene einsetzen. Ebenso stützt sich die Finger- mechanik direkt in der Schiene ab, die eingesetzte Schraube fixiert die Fingeranbindung lediglich in der Aufnahme der Schiene.“ Viele Bereiche sind ausgehöhlt oder verrippt, um Gewicht zu sparen und gleichzeitig eine genügende Steifigkeit zu errei- chen. Auch Kühlkanäle sind direkt in die Geometrie integ- riert. „Über diese Kanäle leiten wir möglichst viel Wärme der Orthesen müssen so klein und leicht wie möglich sein, daher sind vie- Motoren nach außen und weg vom Arm. Eine Überhitzung le Bereiche ausgehöhlt oder verript um Gewicht zu sparen. muss vermieden werden, da viele Patienten kein Schmerz- gefühl im Arm haben und gar nicht bemerken würden, wenn mit sehr wenigen verschiedenen Teilen individuelle Anpas- ihre Haut zu heiß wird.“ sungen erstellen. Auch die Motoren und deren in die individu- elle Grundplatte integrierte Aufnahmen sind standardisiert. Bei der Konstruktion nutzte Hepp vor allem die Möglichkeit, direkt in der Baugruppe zu modellieren: „Dabei sehe ich die Realisierung einer komplexen Projektes mittels Umgebung des Bauteils, das ich im Augenblick modelliere. rechnergestützter Fertigung Nur so kann ich den verfügbaren Platz wirklich bis an die Grenzen ausnutzen und die Orthese so klein wie möglich ge- Hepp erläutert: „Wir haben auf Basis einer Open Source- stalten. Die Herausforderung ist es, alles so eng wie möglich Plattform eine Anwendung entwickelt, mit deren Hilfe die zu packen und gleichzeitig genug Platz für die Wärmeabfuhr Geometrie der Armschiene individuell an den Träger ange- zu lassen. In der Baugruppenansicht ist das jederzeit über- passt werden kann.“ Das 3D-Modell der Schiene wird dann an prüfbar.“ » www.med-eng.de 19 MED engineering 3/2020
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