BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium

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BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium
BMF-Monatsbericht
März 2022

             „MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET
            HABEN WIR SCHNELL REAGIERT.“
                 Prof. Dr. Luise Hölscher, Staatssekretärin im BMF
BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium
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Monatsbericht des BMF
März 2022
BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium
BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium
Editorial
          Editorial                                                                   Monatsbericht des BMF
                                                                                                  März 2022

                                                          des Krieges müssen wir in der EU auch die fiska-
                                                          lische Resilienz im Blick behalten, denn fiskalische
                                                          und wirtschaftliche Stabilität sichern unsere Hand-
                                                          lungsfähigkeit in Deutschland und Europa.

                                                          Wie im Schlaglichtartikel ausgeführt wird, werden
                                                          Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger auch
                                                          in diesen Krisenzeiten dank mehrerer steuerlicher
                                                          Maßnahmen entlastet. Mit dem Steuerentlastungs-
                                                          gesetz 2022 und dem Vierten Corona-Steuerhilfe-
                                                          gesetz trägt der Staat zu Stabilität und Fairness in
                                                          Zeiten der globalen Krise bei. Dieses Ziel verfolgt
                                                          auch der Zweite Regierungsentwurf für den Bun-
                                                          deshaushalt 2022, der am 16. März vom Bundes-
Liebe Leserinnen, liebe Leser,                            kabinett beschlossen wurde. Dieser soll dazu bei-
                                                          tragen, unsere Handlungsfähigkeit zu bewahren
das Frühjahr 2022 wird überschattet vom völker-           und Wachstumskräfte zu stärken. Besonders re-
rechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die            levant mit Blick auf die steigenden Preise, z. B. im
Ukra­ine. Den mutigen Ukrainerinnen und Ukrai-            Energiebereich, sind die zehn Entlastungsschritte,
nern gilt unsere aufrichtige Solidarität. Sie kämp-       die der Koalitionsausschuss im Februar 2022 vor-
fen für ihre Freiheit und damit auch für unsere ge-       gestellt hat. Bei den Stromkosten stellt die vorzei-
meinsamen Werte.                                          tige Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022,
                                                          die Mitte März vom Bundeskabinett beschlossen
Von zentraler Bedeutung bei der Konflikteindäm-           wurde, Menschen und Unternehmen eine erste Er-
mung ist die Entschlossenheit der internationalen         leichterung von insgesamt circa 6,6 Mrd. Euro in
Gemeinschaft. Diese wurde von den G7-Finanzmi-            Aussicht.
nisterinnen und -ministern sowie den -Notenbank-
gouverneurinnen und -Notenbankgouverneuren                All diese Maßnahmen sollen die breite Mitte der
anlässlich ihres ersten Treffens unter deutscher          Gesellschaft erreichen: beispielsweise durch einen
G7-Präsidentschaft am 1. März 2022 unterstrichen.         einmaligen Heizkostenzuschuss sowie eine größere
Auf Einladung des Bundesministers der Finanzen            Entfernungspauschale für Fernpendler. Die Er-
Christian Lindner nahm daran auch der ukraini-            höhung des Grundfreibetrags und des Arbeitneh-
sche Finanzminister Sergii Marchenko teil. Ge-            mer-Pauschbetrags entlasten zudem praktisch alle
meinsam mit seinen internationalen Partnern und           Einkommensteuerzahlerinnen und -steuerzahler.
der Europäischen Union unterstützt Deutschland            Darüber hinaus erarbeitet die Bundesregierung
die Ukraine auch finanziell. Zudem schneidet ein          derzeit ein zweites Paket zur schnellen und spürba-
umfassendes Sanktionspaket Russland weitestge-            ren Entlastung.
hend vom internationalen Finanzsystem ab. Wei-
tere Maßnahmen werden in enger internationaler            Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz, das am 16. Fe-
Abstimmung beschlossen und durchgesetzt.                  bruar 2022 vom Bundeskabinett beschlossen
                                                          wurde, soll zudem die wirtschaftlichen und sozia-
Es zeigt sich schon jetzt, dass dieser Krieg auch         len Einschränkungen durch die Corona-Pandemie
unsere Volkswirtschaften in Mitleidenschaft zie-          für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen
hen wird. Welche internationalen wirtschaftlichen         so gering wie möglich halten. Es schafft beispiels-
Auswirkungen der Konflikt haben wird, muss auch           weise mit einer Homeoffice-Pauschale steuerli-
mit Blick auf die Fiskalregeln in der EU genau be-        che Entlastungen für Beschäftigte. Aber auch Un-
obachtet werden. Gerade vor dem Hintergrund               ternehmen werden u. a. mit der Verbesserung der

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BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium
Editorial                                                                 Monatsbericht des BMF
                                                                                                März 2022

Möglichkeiten der Verlustverrechnung und der             Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre –
Verlängerung der degressiven Abschreibung für            auch in den weiteren vielfältigen Fachartikeln die-
bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermö-             ser Ausgabe des Monatsberichts.
gens sowie der steuerlichen Investitionsfristen
unterstützt. Unserer Anerkennung für die beson-
dere Leistung der Pflegekräfte während der Pande-
mie verleihen wir mit einer Steuerfreiheit für Bo-
nuszahlungen von bis zu 3.000 Euro Ausdruck.             Steffen Saebisch
                                                         Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen

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BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium
Inhaltsverzeichnis

      Inhaltsverzeichnis
      Entlastungen für Stabilität und Fairness__________________________7
      Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum ______________________________________________________ 8
      Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher___________________________________________________ 11

      Analysen und Berichte___________________________________________15
      Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich –
      Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen____________________________________________________________ 16
      Briefmarken – Deutschlands kleinste Kulturbotschafter__________________________________________________ 29
      Das Münz-Jahresprogramm 2022________________________________________________________________________ 36

      Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________41
      Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 42
      Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 44
      Steuereinnahmen im Februar 2022______________________________________________________________________ 51
      Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich Februar 2022_______________________________________ 56
      Kreditaufnahme des Bundes und seiner Sondervermögen________________________________________________ 61
      Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 67

      Aktuelles aus dem BMF__________________________________________71
      Termine_________________________________________________________________________________________________ 72
      Publikationen___________________________________________________________________________________________ 73

      Statistiken und Dokumentationen_______________________________75
      Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 76
      Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 77
      Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunktur­komponenten des Bundes________________ 77
      Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 78
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Schlaglicht:     Entlastungen für Stabilität und Fairness

Entlastungen für
Stabilität und
Fairness
Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum        8

Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher   11
BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium
Entlastungen für Stabilität und Fairness                                         BMF-Monatsbericht
                                                                                                  März 2022

Entlastungen: für Stabilität, Fairness und
Wachstum

     ● Um die wirtschaftlichen und sozialen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie für Bürge-
       rinnen und Bürger sowie Unternehmen so gering wie möglich zu halten und die Menschen bei
       steigenden Energiepreisen zu unterstützen, plant die Bundesregierung zahlreiche Erleichterungen.
       Dieser Schlaglichtartikel beleuchtet die Entlastungsschritte, die der Koalitionsausschuss am 23. Fe­
       bruar 2022 vorgestellt hat, sowie die wesentlichen Maßnahmen, die im Vierten Corona-Steuerhilfe­
       gesetz, das am 16. Februar 2022 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, sowie im Steuerentlas-
       tungsgesetz 2022, das am 16. März 2022 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, vorgesehen sind.

     ● Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger werden hinsichtlich Bürokratie und Abgaben
       entlastet. Die steuerlichen Erleichterungen belaufen sich auf rund 7,1 Mrd. Euro in der vollen
       Jahreswirkung.

     ● Die geplante Vorziehung der Erhöhung der Entfernungspauschale für Fernpendlerinnen und
       -pendler und die am 9. März 2022 vom Bundeskabinett beschlossene Abschaffung der EEG-Umlage
       unterstützen die Menschen bei steigenden Strom- und Mobilitätspreisen. Der Heizkostenzuschuss
       bietet bei kleinen Einkommen mehr Stabilität.

     ● Um den Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin entgegenzuwirken, werden die am
       31. März 2022 auslaufenden Sonderregelungen zur Kurzarbeit größtenteils bis zum 30. Juni 2022
       verlängert. Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz unterstützt die Menschen und Unternehmen mit
       einer Vielzahl an Vereinfachungen und Erleichterungen, beispielsweise mit einer Homeoffice-Pau-
       schale. Die Leistung der Pflegekräfte in der Pandemie wird auch finanziell besonders gewürdigt.

     ● Die Erhöhung des Grundfreibetrags um 363 Euro auf 10.347 Euro entlastet alle, die Einkommen-
       steuern zahlen. Die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages um 200 Euro auf 1.200 Euro
       entlastet Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Lohnsteuer.

   Unterstützung bei Energie und                             ab diesem Zeitpunkt vollständig der Bund. Damit
   Mobilität                                                 erhalten Stromanbieter eine Entlastung, die sie an
                                                             Endverbraucherinnen und -verbraucher weiterge-
Um einen Teil der Belastung abzufedern, die den              ben müssen. Für Familien, Rentnerinnen und Rent-
Menschen und den Unternehmen durch steigende                 ner, Mittelstand und Handwerk sowie viele andere
Strom- und Mobilitätskosten entstehen, plant die             ergibt sich damit eine deutliche Erleichterung in
Bundesregierung neue Regelungen zur Finanzie-                Höhe von rund 6,6 Mrd. Euro. Auch bei den gestie-
rung erneuerbarer Energien und des Pendelver-                genen Mobilitätskosten bietet die Bundesregierung
kehrs. So hat das Bundeskabinett am 9. März 2022             Unterstützung. Menschen, die einen langen Weg
beschlossen, dass die Umlage nach dem Erneuerba-             zum Arbeitsplatz haben, erhalten ab dem 21. Kilo-
re-Energien-Gesetz (EEG) ab dem 1. Juli 2022 ent-            meter eine höhere Entfernungspauschale, um ei-
fallen soll. Die Kosten dieser Förderung übernimmt           nen Teil der steigenden Kosten auszugleichen. Die

                                                         8
Entlastungen für Stabilität und Fairness                                             BMF-Monatsbericht
           Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum                                         März 2022

Anhebung wirkt sich auch bei der Mobilitätsprä-                      zum Kurzarbeitergeld sollen bis Ende Juni 2022
mie aus. Dieses Vorhaben war für das Jahr 2024 vor-                  von der Steuer befreit bleiben.
gesehen, soll aber nunmehr auf das Jahr 2022 vor-
gezogen werden.                                                   ● Auch die herausragende Leistung der Pflege-
                                                                    kräfte in dieser Pandemie soll finanziell ge-

                                                                                                                       Schlaglicht
Da die steigenden Energiekosten für Menschen mit                    würdigt werden: Erhalten sie vom Arbeitgeber
geringen Einkommen eine besonders große Belas-                      einen Corona-Pflegebonus auf der Grundlage
tung darstellen, gewährt die Bundesregierung in be-                 eines Landes- oder Bundesprogramms, sind bis
stimmten Fällen einen einmaligen Heizkostenzu-                      zu 3.000 Euro steuerfrei.
schuss. So erhalten Wohngeldbeziehende 270 Euro,
Zwei-Personen-Haushalte erhalten 350 Euro und                     ● Durch die verlängerte Abgabefrist für Steu-
für jedes weitere Familienmitglied 70 Euro. Azu-                    ererklärungen der Jahre 2020 in beratenen
bis und Studierenden, die BAföG beziehen, werden                    Fällen und für 2021 und 2022 in beratenen und
230 Euro ausgezahlt. Die Zahlung soll im Sommer                     nicht beratenen Fällen erreicht das Vierte Co-
erfolgen, wenn in der Regel die Heizkosten- oder                    rona-Steuerhilfegesetz besonders viele Men-
Nebenkostenabrechnungen anstehen.                                   schen.

                                                                  Insgesamt entlasten diese Maßnahmen Steuerzah-
   Überwindung der Pandemie –                                     lende um rund 2,6 Mrd. Euro – ein wichtiger Bei-
   wirtschaftliche Stabilität und                                 trag zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Erho-
                                                                  lung und zur Stärkung der Konjunktur.
   Erholung
                                                                  Stabilisierend wirkt auch das Kurzarbeitergeld.
Die Corona-Folgen stellen für viele Menschen und                  Die pandemiebedingten Sonderregelungen wur-
Betriebe weiterhin eine große Herausforderung                     den größtenteils bis zum 30. Juni 2022 verlängert.
dar. Aus diesem Grund hat das Bundeskabinett am                   Die Höchstdauer von bisher 24 Monaten wurde auf
16. Februar 2022 beschlossen, mit dem Vierten Co-                 28 Monate erhöht und die Regelungen zu den er-
rona-Steuerhilfegesetz etliche steuerliche Erleichte-             höhten Leistungssätzen bei längerer Kurzarbeit
rungen für Beschäftigte, Selbstständige und Unter-                fortgeschrieben. Bei Minijobs gilt weiter die An-
nehmen auf den Weg zu bringen. Damit bekommen                     rechnungsfreiheit und der erleichterte Zugang
steuerliche und bürokratische Entlastung eine hö-                 zum Kurzarbeitergeld besteht fort.
here Priorität. Gleichzeitig setzt die Bundesregie-
rung damit Anreize für Investitionen in die Zukunft.
                                                                     Entlastungen bei der
● Unternehmen werden mit besseren Möglich-                           Einkommensteuer
  keiten der Verlustverrechnung unterstützt.
                                                                  Das Steuerentlastungsgesetz 2022, dessen Ent-
● Die Verlängerung der steuerlichen Investitions-                 wurf am 16. März vom Bundeskabinett beschlos-
  fristen und der degressiven Abschreibung für                    sen wurde, sieht neben der erhöhten Fernpendler­
  bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermö-                    pauschale     weitere    Vereinfachungen     und
  gens unterstützt Unternehmen und trägt dazu                     Erleichterungen für die breite Mitte der Gesell-
  bei, Investitionen zu stärken.                                  schaft vor. Um Arbeitnehmende zu unterstützen,
                                                                  wird der Arbeitnehmer-Pauschbetrag (ANP) bei der
● Die sogenannte Homeoffice-Pauschale von bis                     Einkommensteuer um 200 Euro auf 1.200 Euro er-
  zu 600 Euro wird um ein Jahr bis zum 31. De-                    höht. Dieser erhöhte Freibetrag gilt rückwirkend
  zember 2022 verlängert, Arbeitgeberzuschüsse                    ab dem 1. Januar 2022. Damit müssen die Steuer-
                                                                  pflichtigen insgesamt rund 1,1 Mrd. Euro weniger

                                                                 9
Entlastungen für Stabilität und Fairness                                                               BMF-Monatsbericht
           Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum                                                           März 2022

an Steuern zahlen. Außerdem will die Bundes-                                ein, ergeben sich beispielsweise bei einer Familie
regierung den Grundfreibetrag von 9.984 Euro                                von zusammenveranlagten Doppelverdienenden
um 363 Euro auf 10.347 Euro erhöhen. Der er-                                Ersparnisse von circa 250 Euro jährlich.
höhte Freibetrag, der rückwirkend ab dem 1. Ja-
nuar 2022 gelten soll, führt für Einkommensteuer­                           Mit den Plänen der Bundesregierung werden die
zahlende zu einer Erleichterung von insgesamt                               Menschen und Unternehmen von Bürokratie und
rund 3,1 Mrd. Euro.                                                         Abgaben stark entlastet. Dabei belaufen sich die
                                                                            Steuerentlastungen auf rund 7,1 Mrd. Euro. Ins-
Insgesamt sollen die steuerlichen Maßnahmen                                 gesamt werden Unternehmen sowie Bürgerinnen
möglichst viele Menschen in diesem Land spür-                               und Bürger mit rund 15,6 Mrd. Euro unterstützt –
bar entlasten. Rechnet man die Abschaffung der                              ein starkes Signal für Stabilität, Wachstum und
EEG-Umlage, die Erhöhung des steuerlichen                                   Fairness auch in Krisenzeiten. Weitere Entlastun-
Grundfreibetrags und des ANP zusammen, ist von                              gen sind geplant.1
einer Entlastung von mehr als 10 Mrd. Euro aus-
zugehen. Bezieht man auch die weiteren Maßnah-
men wie die Erhöhung der Entfernungspauschale                             1   Dies ist der Stand zum Redaktionsschluss dieses Artikels am
für Fernpendler und die Homeoffice-Pauschale mit                              17. März 2022.

 Entlastungen durch das Steuerentlastungsgesetz in verschiedenen Fällen
 in Euro

  Bruttolohn/
    Monat                                                                        Entlastung durch
                                     ESt geltendes                                                       Absenkung der
                   gemeinsamer        Recht 2022                       Anhebung       steuerliche      EEG-Umlage ab Juli   Entlastung
                   Bruttolohn/      (abzgl. Kinder-       Erhöhung     Grundfrei-     Entlastung     (Jahresstromverbrauch:    2022
   A       B           Jahr              geld)              ANP          betrag        insgesamt           4.250 kWh)       insgesamt
                                       Zusammenveranlagte Doppelverdienende mit 2 Kindern, ANP
  3.975    3.975          95.400              10.020             128           138             266                         94          360
  3.300    3.300          79.200                5.820            124           138             262                         94          356
  Bruttolohn/
    Monat                                                                        Entlastung durch
                                     ESt geltendes                                                       Absenkung der
                   gemeinsamer        Recht 2022         Erhöhung      Anhebung       steuerliche      EEG-Umlage ab Juli   Entlastung
                   Bruttolohn/      (abzgl. Kinder-     Entfernungs-   Grundfrei-     Entlastung     (Jahresstromverbrauch:    2022
   A       B           Jahr              geld)           pauschale       betrag        insgesamt           4.250 kWh)       insgesamt
                Zusammenveranlagte Doppelverdienende mit 2 Kindern, 30 km/25 km Arbeitsweg an 220 Arbeitstagen
  3.975    3.975          95.400                9.450             32           138             170                         94          264
  3.300    3.300          79.200                5.268             30           138             168                         94          262
Zusammenveranlagte Doppelverdienende mit 2 Kindern, 30 km/25 km Arbeitsweg an 110 Arbeitstagen und 600 Euro Homeoffice-Pauschale
  3.975    3.975          95.400                9.670             16           138             154                         94          248
  3.300    3.300          79.200                5.482             16           138             154                         94          248
Quelle: Bundesministerium der Finanzen

                                                                       10
Entlastungen für Stabilität und Fairness                                                    BMF-Monatsbericht
           Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher                                            März 2022

                                                                                                                               Schlaglicht
 Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher
 © Bundesministerium der Finanzen/photothek

Interview mit
Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher
   Ihre ersten Wochen als Staats-                                      Rahmenbedingungen für schnelle und unbüro-
   sekretärin sind durch Krisen-                                       kratische humanitäre Hilfe. Entscheidend ist da-
   management geprägt. Der An-                                         bei auch die effektive Zusammenarbeit der öffent-
                                                                       lichen Verwaltung in allen Bereichen und auf allen
   griffskrieg von Putins Russland                                     Ebenen.
   auf die Ukraine ist für uns alle
   erschütternd. Die Bundesre-                                         So leistet die Zollverwaltung im Zusammenspiel
   gierung ist derzeit akut mit der                                    mit allen zuständigen Behörden einen wesentli-
                                                                       chen Beitrag dazu, dass alle erforderlichen Maß-
   Bekämpfung dieser Aggressi-                                         nahmen ergriffen werden, um den Sanktionen eine
   on und der Bewältigung der                                          umfassende Geltung zu verschaffen. Zuständig-
   Folgewirkungen beschäftigt.                                         keitsbereich der Zollverwaltung ist der grenzüber-
   Welchen Beitrag leistet die                                         schreitende Warenverkehr. In diesem Rahmen
                                                                       überwacht sie Sanktionen und Embargomaßnah-
   Finanzverwaltung in einer sol-                                      men und verfolgt entsprechende Verstöße.
   chen Krise?
                                                                       Bund und Länder arbeiten ebenfalls eng zusammen,
Aktuell liegt der Fokus auf Sofortmaßnahmen.                           um steuerliche Erleichterungen und Rechtssicher-
Dazu gehören u. a. die Durchsetzung der Sankti-                        heit für diejenigen zu schaffen, die humanitäre Hilfe
onsmaßnahmen und die Schaffung steuerlicher                            leisten.

                                                                     11
Entlastungen für Stabilität und Fairness                                                    BMF-Monatsbericht
          Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher                                            März 2022

Dazu kommt z. B. ein sogenannter Katastrophen­                        Zusammen mit den bereits erfolgten Verlängerun-
erlass zur Anwendung, wie er bisher zur steuerlichen                  gen steuerrechtlicher Verfahrenserleichterungen
Berücksichtigung der durch Naturkatastrophen ver-                     betreffend die Stundung, den Vollstreckungsauf-
ursachten Schäden eingesetzt wird. Das In­strument                    schub und die Vorauszahlungsanpassung werden
hat sich bewährt. Bund und Länder sind durch die-                     u. a. durch die Verlängerung der degressiven Ab-
ses eingespielte Vorgehen in der Lage, schnell und                    schreibung und der erweiterten Verlustverrech-
unbürokratisch die steuerlichen Rahmenbedin-                          nung für Unternehmen Liquidität erhalten und In-
gungen für die drängende Hilfe der von der Katas-                     vestitionsanreize geschaffen.
trophe Betroffenen zu schaffen und diese Hilfen zu
ermöglichen.                                                          Mit dem Energieentlastungspaket hat die Bundes-
                                                                      regierung schnell auf die deutlichen Preiserhöhun-
Darüber hinaus stehen wir auf internationa-                           gen insbesondere im Energiebereich reagiert. Mit
ler Ebene mit anderen Staaten im engen Kontakt.                       der Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages
Maßnahmen mit internationalem Bezug, beispiels-                       und des Grundfreibetrages entlasten wir unbüro-
weise zur Sanktionsdurchsetzung, werden ab-                           kratisch. Auch die steigenden Mobilitätskosten ha-
gestimmt, und wir tauschen uns zum jeweiligen                         ben wir im Blick und entlasten über eine Anhe-
Vorgehen aus. Das ist ein wichtiger Faktor für die                    bung der Entfernungspauschale Fernpendlerinnen
Effektivität von Maßnahmen.                                           und -pendler. Über die Mobilitätsprämie wirkt dies
                                                                      auch für Geringverdiendende. Die Situation hat
                                                                      sich zwischenzeitlich durch den Krieg verschärft.
   Nach dem Vierten Corona-                                           Daher wird es noch weitere Maßnahmen geben,
   Steuerhilfegesetz vom                                              um die Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen.

   16. Februar 2022 ist auch das
   Steuerentlastungsgesetz 2022                                          Welche Themen stehen neben
   vom Kabinett beschlossen                                              der Krisenbewältigung, die
   worden. Welche Bedeutung                                              natürlich oberste Priorität
   haben steuerliche Maßnahmen                                           besitzt, steuerpolitisch aber
   bei der Krisenbewältigung?                                            auch operativ auf der Agenda?
Durch zahlreiche steuerpolitische Maßnahmen ist                       Das Steuerrecht muss unser aller Lebenswirklich-
es uns gelungen, die wirtschaftlichen Schäden der                     keit widerspiegeln und entsprechend weiterentwi-
Corona-Pandemie zu begrenzen. Dazu gab es Coro-                       ckelt werden. Demnach wird es zahlreiche gesetz-
na-Steuerhilfegesetze, um bei der Bewältigung der                     geberische sowie operative Vorhaben geben.
wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise zu unter-
stützen. Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz leistet                  Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und
hierzu einen weiteren Beitrag angesichts der andau-                   die Eindämmung aggressiver Steuergestaltungen
ernden pandemischen Lage. Pflegekräfte müssen                         hat weiterhin höchste Priorität. Das sogenannte
ihren durch harte Leistung verdienten Corona-Bo-                      Zwei-Säulen-Projekt ist dafür ein wichtiger Bau-
nus nicht versteuern, und wichtige Instrumente                        stein. Der Schlüssel zu einer faireren Verteilung des
wie die Homeoffice-Pauschale, die Steuerbefreiung                     Steueraufkommens liegt insbesondere in einer glo-
der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeiter-                      balen nachhaltigen Reform der Besteuerung von
geld und die Frist zur Abgabe von Steuererklärun-                     multinationalen Unternehmen. Diese treiben wir
gen für 2020 werden noch einmal verlängert.                           voran.

                                                                    12
Entlastungen für Stabilität und Fairness                                                    BMF-Monatsbericht
            Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher                                            März 2022

Außerdem beschäftigt uns die Frage, wie das Steu-                       Für dieses Jahr ist zudem die Änderung der Rege-
errecht die Transformation hin zu einer klimaneu-                       lungen zur sogenannten Vollverzinsung, d. h. der
tralen und digitalen Wirtschaft sinnvoll unterstüt-                     Verzinsung von Steuererstattungen und Steuer-
zen kann. Steuern haben schließlich auch lenkende                       nachzahlungen, zu erwähnen. Daneben bereiten
Wirkungen. Mir ist es beispielsweise ein besonderes                     wir die turnusgemäß anstehende Anpassung des

                                                                                                                               Schlaglicht
Anliegen, die Energiepolitik im Rahmen der Novel-                       Einkommensteuertarifs vor. Wir wollen die kalte
lierung der Energiesteuerrichtlinie nachhaltig zu                       Progression durch einen fairen Vorschlag bekämp-
gestalten.                                                              fen und werden dabei auch die aktuellen Preisent-
                                                                        wicklungen berücksichtigen.
Die digitale Transformation soll auch in der öffent-
lichen Verwaltung deutlich voranschreiten. Wir ha-                      Dabei darf nicht vergessen werden, dass es die zen-
ben uns das Ziel gesetzt, einfach handhabbare und                       trale Aufgabe der Steuerpolitik ist, die fiskalische
zeitgemäße digitale Leistungen nutzerorientiert,                        Handlungsfähigkeit des Staates auf der Basis der
medienbruchfrei und flächendeckend anzubieten.                          Leistungsfähigkeit unserer sozialen Marktwirt-
Außerdem möchten wir Bürgerinnen und Bür-                               schaft zu sichern.
ger sowie die Wirtschaft durch weniger Bürokratie
deutlich entlasten.

  Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher
  © Bundesministerium der Finanzen/photothek

                                                                      13
Entlastungen für Stabilität und Fairness                                                    BMF-Monatsbericht
           Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher                                            März 2022

   Sie haben lange in der Wissen-                                         Wenn Sie jemandem mit
   schaft und Wirtschaft gearbei-                                         einem einzigen Beispiel davon
   tet. Welche Erfahrungen aus                                            überzeugen müssten, richtig
   dieser Zeit bringen Sie in Ihre                                        gerne Steuern zu zahlen, was
   Arbeit im BMF ein? Was reizt                                           wäre es?
   Sie besonders an der Tätigkeit
   in der Bundesregierung und                                          Ich vermute, Steuern zahlt niemand so richtig
                                                                       gerne. Aber ohne sie würde es einen Staat nicht ge-
   für die öffentliche Verwaltung?                                     ben. Wichtig ist für mich, dass wir Lasten gleich­
                                                                       mäßig und fair verteilen – national wie internatio-
Meine Erfahrungen in unterschiedlichen Sekto-                          nal. Auch ist mir wichtig, dass wir das Steuerzahlen
ren und unterschiedlichen Funktionen ermögli-                          einfacher machen. Dann muss ich gar nicht so viel
chen mir eine ganzheitliche Betrachtung, denn                          Überzeugungsarbeit leisten.
die Erfahrungen erleichtern mir ein gewisses Ver-
ständnis für die verschiedenen Perspektiven und
Denkweisen. Das ist spannend, und ich möchte
die Diszi­plinen stärker verzahnen. Wie können
z. B. Erkenntnisse der empirischen Forschung im
Steuerrecht für die Politik und Verwaltung nutz-
bar gemacht werden? Ich möchte Theorie und Pra-
xis zusammenbringen, möglichst bereits bei der
Rechtssetzung die Umsetzung, die Anwendung
und mögliche Folgewirkungen im Blick haben. Da-
bei kann ich auch auf Erfahrungen aus meiner Zeit
als Staatssekretärin in Hessen zurückgreifen, durch
die ich Einblicke in die Funktionsweise einer Lan-
desfinanzverwaltung bekommen habe und sehen
durfte, welche Themen die Länder umtreiben.

Auf diese Art die Zukunft der Finanzverwaltung
mitzugestalten und einen Beitrag für ein zukunfts-
gewandtes und faires Steuersystem zu leisten, ist
für mich zugleich der Reiz, den die Rolle der Staats-
sekretärin hat.

                                                                     14
Analysen
und Berichte
Analysen und Berichte

Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit,
Möglichkeiten und Grenzen                                                     16

Briefmarken – Deutschlands kleinste Kulturbotschafter                         29

Das Münz-Jahresprogramm 2022                                                  36
Analysen und Berichte                                                          Monatsbericht des BMF
                                                                                                        März 2022

Die Normierung der neuen Grundsteuer
im Finanzausgleich – Erforderlichkeit,
Möglichkeiten und Grenzen

      ● Mit der Grundsteuerreform im Jahr 2019 und den damit verbundenen größeren Gestaltungsspiel-
        räumen der Länder wird im bundesstaatlichen Finanzausgleich künftig ein erweitertes Normie-
        rungsverfahren erforderlich, das die Unabhängigkeit der Höhe der Finanzausgleichsströme von
        dezentralen Gestaltungsentscheidungen einzelner Länder weiterhin sicherstellt.

      ● Im Rahmen des Grundsteuer-Reformgesetzes wurde zu diesem Zweck auch das Finanzausgleichs-
        gesetz angepasst. Die Änderung legt das Grundsteuermodell des Bundes als Maßstab für die Grund-
        steuernormierung fest. Darüber hinaus wurden während des Gesetzgebungsverfahrens verschiede-
        ne Anforderungen an das neue Normierungsverfahren formuliert.

      ● Der vorliegende Beitrag thematisiert die Funktion sowie die systematische und finanzielle Bedeu-
        tung der Grundsteuernormierung im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und arbeitet
        wesentliche Aspekte heraus, die bei der Konkretisierung des neuen Normierungsverfahrens zu
        berücksichtigen sind.

    Einleitung                                                   Finanzkraft der Länder angerechnet. Sie bildet so-
                                                                 mit eine ausgleichsrelevante Größe, welche die
Mit der Reform der Grundsteuer im Jahr 2019                      Höhe der Ausgleichsströme zwischen Bund und
kam der Gesetzgeber dem Auftrag einer Neure-                     Ländern beeinflusst.
gelung nach, der sich aus dem Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts vom 10. April 20181 ergeben                  Das Verfahren der Grundsteuernormierung soll
hatte. Die gesetzliche Umsetzung der Reform bil-                 auch künftig – bei deutlich erweiterten Gestal-
det das Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG) vom                  tungsspielräumen der Länder bei der Grundsteuer­
26. November 2019. Es sieht die erste Bewertung                  erhebung – eine Unabhängigkeit der Höhe der Fi-
des Grundbesitzes für die Grundsteuer nach dem                   nanzausgleichsströme von Unterschieden bei den
neuen Recht für das Jahr 2022 vor.                               Grundsteuermodellen sicherstellen. Ein solches
                                                                 Verfahren ist gemäß Art. 17 GrStRefG, der die Än-
Einen mit der Reform verbundenen Regelungs-                      derung des Finanzausgleichsgesetzes mit Wirkung
bedarf bildete die Berücksichtigung der Grund-                   zum 1. Januar 2025 beinhaltet, ab dem Jahr 2028
steuer nach dem neuen Recht im bundesstaatli-                    teilweise und ab dem Jahr 2030 vollständig zur An-
chen Finanzausgleich. In dessen Mechanismen                      wendung zu bringen. Die fiskalische Bedeutung so-
wird diese als kommunale Steuer zu 75 Prozent der                wie einige objektive formale Anforderungen an das
                                                                 künftige Normierungsverfahren werden in diesem
                                                                 Artikel näher beleuchtet.
1   Siehe hierzu: www.bundesfinanzministerium.de/mb/20220311

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Analysen und Berichte                                                                                   Monatsbericht des BMF
          Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen               März 2022

   Die Notwendigkeit der Grund­                                             Damit wird eine weitgehende2 Unabhängigkeit des
   steuernormierung im bundes-                                              Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern von
   staatlichen Finanzausgleich                                              dezentralen Entscheidungen erreicht.

                                                                                                                                          Analysen und Berichte
Anders als die meisten Steuern werden Einnahmen
aus der Grundsteuer im bundesstaatlichen Finanz­                                   Realsteuernormierung im bundesstaatli-
ausgleich nicht mit ihrem tatsächlichen, sondern                                   chen Finanzausgleich
mit einem fiktiven Aufkommen berücksichtigt.                                       Im bundesstaatlichen Finanzausgleich wer-
Die Erforderlichkeit dieser Vorgehensweise, die im                                 den die Realsteuern (Grundsteuern und die
fachlichen Zusammenhang „Normierung“ genannt                                       Gewerbesteuer) sowie die Grunderwerb-
wird, ergibt sich – wie bei der Gewerbesteuer und                                  steuer normiert. Das heißt, sie gehen in die
der Grunderwerbsteuer – aus dem Umstand, dass                                      Finanzkraftberechnung der Länder nicht mit
die parametrische Konkretisierung der Grund-                                       ihrem tatsächlichen Aufkommen, sondern
steuer nicht vollständig einer bundeseinheitlichen                                 mit einer Steuerkraftzahl ein, die jeweils frei
Regelung unterliegt. Innerhalb der Länder gibt es                                  von individuellen Steuergestaltungsmög-
Möglichkeiten der individuellen Gestaltung. Dieser                                 lichkeiten einzelner Länder und ihrer Kom-
Gestaltungsspielraum war bisher auf die dezentrale                                 munen ist. Dadurch bleiben die Finanzaus-
Festlegung der Hebesätze und somit auf eine der                                    gleichsströme zwischen Bund und Ländern
drei wesentlichen Berechnungsgrößen der Grund-                                     weitgehend unabhängig von dezentral zu
steuer begrenzt:                                                                   treffenden Entscheidungen (etwa über Re-
                                                                                   alsteuerhebesätze) und ihre finanziellen
                                                                                   Folgen auf das jeweilige Land und dessen
    Grundsteuerbetrag = Grundsteuerwert *                                          Kommunen begrenzt. Eine solche „Rückwir-
  Grundsteuermesszahl * Grundsteuerhebesatz                                        kungslosigkeit“ ist notwendige Bedingung
                                                                                   und Minimalvoraussetzung für jedes Nor-
                                                                                   mierungsverfahren. Sie ist deshalb erforder-
Die Hebesatzautonomie der Kommunen bildet                                          lich, damit Mehreinnahmen, die ein Land
den Anlass für die bisherige Realsteuernormie-                                     im Rahmen und in der Folge seiner eigenen
rung im bundesstaatlichen Finanzausgleich. Wür-                                    Steuergestaltungskompetenz erzielt, in die-
den durch Hebesatzentscheidungen hervorgeru-                                       sem Land verbleiben und vice versa steuerli-
fene Änderungen der Einnahmen einzelner Länder                                     che Entlastungen, die dezentral in einzelnen
(beziehungsweise ihrer Kommunen) in den Finanz­                                    Ländern beschlossen werden, nicht zulasten
ausgleichsmechanismen nicht durch ein Normie-                                      der föderalen Gemeinschaft gehen.
rungsverfahren weitgehend neutralisiert, hätten
diese einen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe
der Finanzausgleichsströme und somit auf die Fi-
nanzausstattung aller Länder und des Bundes.
Um solche Rückwirkungen auszuschließen, wer-
den die Grundsteuereinnahmen den Ländern zum
Zweck des Finanzausgleichs mit einer artifiziellen                          2   Da einzelne kommunale Hebesatzentscheidungen auch
Steuerkraftzahl angerechnet, d. h. konkret: in dem                              den bundesdurchschnittlichen Hebesatz – je nach Größe
                                                                                der Kommune mehr oder minder – beeinflussen, kann eine
Umfang, der sich bei der Anwendung des bundes-                                  restlose Unabhängigkeit des Finanzausgleichs trotz des
durchschnittlichen Hebesatzes ergeben würde.                                    Normierungsverfahrens nicht sichergestellt werden.

                                                                         17
Analysen und Berichte                                                                                   Monatsbericht des BMF
            Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen               März 2022

   Die fiskalische Bedeutung der                                              sich aus unterschiedlichen Perspektiven beleuch-
   Grundsteuer für die Finanz-                                                ten. Unabhängig von den Finanzmittelströmen in-
   ausstattung in den Ländern                                                 nerhalb des bundesstaatlichen Finanzausgleichs
                                                                              und in einer länderseitig aggregierten Betrach-
                                                                              tung kommt der Grundsteuer a priori eine eher un-
   Das finanzielle Gewicht der Grund-                                         tergeordnete Bedeutung zu. So betrugen etwa die
   steuer im Kontext der Einnahmen                                            Einnahmen aus den Grundsteuern A und B in der
   von Ländern und Kommunen                                                   Summe im Jahr 2020 rund 14,6 Mrd. Euro. Bezo-
                                                                              gen auf die Gesamteinnahmen von Ländern und
Die fiskalische Bedeutung der Grundsteuer im All-                             Kommunen, die im Finanzausgleichssystem ange-
gemeinen und der Grundsteuernormierung im Be-                                 rechnet werden, entspricht dies etwa 4 Prozent (s. a.
sonderen für die Finanzausstattung der Länder lässt                           Abbildung 1).

                                                                                                                               Abbildung 1
    Anteile der Steuerarten an den Steuereinnahmen der Länder und
    Gemeinden im Jahr 2020
   in Prozent
                                   Gewerbesteuer (ohne
                                  Bundesanteil Umlage)
                       G r u nds te u e r 10
                              4

                                                                                                                     Umsatzsteuer
                                                                                                                         31
             Ländersteuern
                  9

    Körperschaftsteuer
            3
     Nicht veranlagte
    Steuern vom Ertrag
             3
      Abgeltungsteuer
             1

                Veranlagte
             Einkommensteuer
                    9

                                                                                       Lohnsteuer
                                                                                          30

   Daten: Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2020. Die Werte für die dargestellten
   Steuerarten umfassen jeweils den Länder- und gegebenenfalls Gemeindeanteil in der Summe.
   Quelle: Bundesministerium der Finanzen

                                                                           18
Analysen und Berichte                                                                                   Monatsbericht des BMF
              Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen               März 2022

Das vergleichsweise geringe Gewicht der Grund-                                  Eine Nichtberücksichtigung der Grundsteuer hätte
steuereinnahmen im Vergleich der Volumina der                                   nach allen Finanzausgleichsstufen finanzielle Än-
verschiedenen Steuerarten ist zur Beurteilung ih-                               derungen zwischen rund -67 Euro/EW in Berlin

                                                                                                                                              Analysen und Berichte
res tatsächlichen fiskalischen Einflusses jedoch                                und rund +22 Euro/EW in Niedersachsen hervor-
nur begrenzt aussagekräftig. Eine zum Teil weit-                                gerufen. Zum Teil deutliche Unterschiede zeigen
aus größere Bedeutung der Grundsteuer zeigt sich                                sich zudem dahingehend, dass die Grundsteuer-
hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Höhe der                                berücksichtigung in den Finanzausgleichsmitteln,
Finanzausgleichsströme, die sich mithilfe von Mo-                               die die Länder empfangen haben, unterschied-
dellrechnungen simulieren lassen.                                               lich ins Gewicht fällt. Mit rund 16,5 Prozent hatte
                                                                                die Berücksichtigung der Grundsteuer den größ-
                                                                                ten Einfluss auf die Höhe der Finanzausgleichsmit-
    Der Einfluss der Grundsteuer­                                               tel in Schleswig-Holstein. Das Land verzeichnete
    berücksichtigung auf den                                                    für 2020 im Rahmen des bundesstaatlichen Finanz-
    bundesstaatlichen Finanzausgleich                                           ausgleichs tatsächlich einen Umsatzsteuerzuschlag
                                                                                sowie Bundesergänzungszuweisungen in Höhe
In Abbildung 2 sind die finanziellen Änderun-                                   von insgesamt rund 301,4 Mio. Euro. Ohne die Ein-
gen illustriert, die sich für die einzelnen Länder im                           beziehung der Grundsteuer wären diese Einnah-
Jahr 20203 ergeben hätten, wenn die Grundsteuer im                              men nach Finanzausgleich um rund 49,7 Mio. Euro
bundesstaatlichen Finanzausgleich nicht berück-                                 beziehungsweise rund 16,5 Prozent höher ausgefal-
sichtigt worden wäre. Zum einen sind die finan-                                 len. Am geringsten war der Einfluss der Grundsteu-
ziellen Veränderungen jeweils in Euro je Einwoh-                                erberücksichtigung auf die Höhe der Finanzaus-
ner (EW) dargestellt, die in den einzelnen Ländern                              gleichsströme im Jahr 2020 in Bayern. Der Freistaat
in einem solchen Szenario verzeichnet worden wä-                                verzeichnete einen Abschlag von der Umsatzsteuer
ren (rote Säulen, Primärachse). Zum anderen wer-                                in Höhe von rund 7,8 Mrd. Euro. Dieser hätte sich
den diese Veränderungen im Verhältnis zu den tat-                               um rund 20,9 Mio. Euro beziehungsweise 0,3 Pro-
sächlich verzeichneten Finanzausgleichsmitteln,                                 zent reduziert, wenn der Finanzausgleich ohne
die sich aus Zu- und Abschlägen von der Umsatz-                                 Berücksichtigung der Grundsteuer durchgeführt
steuer sowie Bundesergänzungszuweisungen zu-                                    worden wäre. Diese Verhältniszahlen lassen zwar
sammensetzen, in absoluten Prozentbeträgen dar-                                 keine Aussage hinsichtlich der haushalterischen
gestellt (blaue Säulen, Sekundärachse). Somit lässt                             Bedeutung der Grundsteuer für die einzelnen Län-
sich über die Pro-Kopf-Veränderungen hinaus der                                 der zu, da sie tendenziell höher ausfallen, je näher
Teil der Finanzausgleichsmittel quantifizieren, der                             Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl eines Lan-
entweder auf die Einbeziehung der Grundsteuer                                   des beinanderliegen. Gleichwohl sind sie ein Indiz
zurückzuführen (durch höhere Umsatzsteuerzu-                                    für die – gemessen an der vergleichsweise gerin-
beziehungsweise -abschläge und Bundesergän-                                     gen fiskalischen Bedeutung der Grundsteuer – mit-
zungszuweisungen) oder durch sie ausgeblieben ist                               unter deutlich überproportionale Wirkung, die die
(durch geringere Umsatzsteuerzu- beziehungsweise                                Grundsteuerberücksichtigung im Rahmen der Fi-
-abschläge und Bundesergänzungszuweisungen).                                    nanzausgleichsmechanismen entfalten kann.

3   Dabei sei darauf hingewiesen, dass das Jahr 2020 für die im
    Folgenden angestellten Überlegungen als Beispiel dient.
    Insbesondere in Abhängigkeit der relativen Position eines
    Landes aus Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl können die
    dargestellten Ergebnisse mitunter starken Schwankungen
    unterliegen.

                                                                             19
Analysen und Berichte                                                                                    Monatsbericht des BMF
           Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen                März 2022

                                                                                                                                   Abbildung 2
    Bundesstaatlicher Finanzausgleich 2020
    ohne Berücksichtigung der Grundsteuer

   €/EW                                                                                                                          Prozent
    100                                                                                                                             100

     80                                                                                                                             90

     60                                                                                                                             80

     40                                                                                                                             70
                                                                                                                           22
                                                                                                                    17
     20                                                                                         9      11     12                    60
                                                                         1       2      4
       0                                                                                                                            50
                                                                 -1
     -20                                                 -13                                                                        40

                                          -29    -27
     -40                   -35    -35                                                                                               30
                   -42
     -60                                                                                                            16,5            20

             -67                                                                       10,4
                                                                                                                           8,1
     -80     4,8           4,9                                                                                                      10
                    3,8            2,8    2,3     2,2                                          2,3            3,7
                                                         0,8     1,2    0,7     0,3                   1,5
   -100                                                                                                                             0
             BE     SN     BB      TH     MV      ST     HB     HH      RP      BY     NW HE           SL    BW     SH     NI

               Effekte einer Nichtberücksichtigung der Grundsteuer im bundesstaatlichen Finanzausgleich 2020

               Auf die Berücksichtigung der Grundsteuer zurückzuführender Teil der Finanzausgleichsmittel 2020

   Daten: Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2020.
   Quelle: Bundesministerium der Finanzen

   Der Einfluss der                                                           andererseits das Verhältnis dieser Effekte zu den
   Grundsteuernormierung auf den                                              tatsächlich verzeichneten Finanzausgleichsströ-
   bundesstaatlichen Finanzausgleich                                          men (blaue Säulen, Sekundärachse).

Analog zu Methodik und Darstellung in Abbil-                                  Während Berlin 2020 erkennbar am stärksten von
dung 2 wird der Einfluss der Normierung der                                   der Normierung der Grundsteuer profitiert hat – die
Grundsteuer auf die Höhe der Finanzausgleichs-                                Einnahmen des Stadtstaates wären ohne Normie-
ströme in Abbildung 3 dargestellt. Die Werte bil-                             rung um rund 65 Euro/EW geringer ausgefallen –,
den einerseits die finanziellen Effekte ab, die der                           hätte Brandenburg bei einem Normierungsver-
Verzicht auf eine Normierung der Grundsteuer                                  zicht mit rund +22 Euro/EW die höchsten Mehr­
im bundesstaatlichen Finanzausgleich 2020 her-                                einnahmen verzeichnet. In Relation der Ver-
vorgerufen hätte (rote Säulen, Primärachse) und                               änderungen zu den tatsächlich verzeichneten

                                                                          20
Analysen und Berichte                                                                                    Monatsbericht des BMF
           Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen                März 2022

Finanzausgleichsmitteln weist Nordrhein-Westfa-                               50 Prozent erhöht. Die Differenz in Höhe von rund
len den höchsten Wert auf. Das Land hat 2020 im                               312,1 Mio. Euro bildet den (in diesem Fall für das
horizontalen Finanzkraftausgleich einen Umsatz-                               Land vorteilhaften) Effekt der Normierung. Den

                                                                                                                                                  Analysen und Berichte
steuerabschlag in Höhe von rund 624,1 Mio. Euro                               geringsten „Normierungseffekt“ verzeichnete 2020
hinnehmen müssen. Wären die Grundsteuerein-                                   mit rund 0,4 Prozent der Freistaat Sachsen. Auch
nahmen der Länder ohne Normierung und folg-                                   diese Verhältniszahlen zeigen einen nicht zu unter-
lich mit ihrem jeweils tatsächlichen Aufkommen                                schätzenden Einfluss, den das Grundsteuernormie-
in die Ausgleichsmechanismen eingegangen, hätte                               rungsverfahren auf die Einnahmen einzelner Län-
sich der Abschlag für Nordrhein-Westfalen auf                                 der aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich
rund 936,2 Mio. Euro beziehungsweise um rund                                  unter Umständen ausprägen kann.

                                                                                                                                    Abbildung 3
   Bundesstaatlicher Finanzausgleich 2020
   ohne Normierung der Grundsteuer

   €/EW                                                                                                                          Prozent
     100                                                                                                                            100

      80                                                                                                                            90

      60                                                                                                                            80

      40                                                                                                                            70
                                                                                                                    21     22
                                                                                        16     16      17     18
      20                                                  10     12      13     14                                                  60

                           50
       0                                                                                                                            50
                                           -4     -4
     -20                   -17     -14                                                                                              40

     -40                                                                                                                            30
                                                                                                                    20,2
     -60                                                                                                                            20
                                  14,6
                   -63                                                                                12,1
             -65
     -80     4,7                                                                               4,8                                  10
                    3,9                                  3,9            2,3                                                3,1
                                          0,4     1,0            1,7            1,1    1,2                    1,4
    -100                                                                                                                            0
             BE     HB     NW     HH      SN      HE      NI     SL      BY     TH     MV      BW      RP     ST    SH     BB

               Effekte eines Normierungsverzichts bei der Berücksichtigung der Grundsteuer im bundesstaatlichen
               Finanzausgleich 2020
               Auf die Normierung der Grundsteuer zurückzuführender Teil der Finanzausgleichsmittel 2020

   Daten: Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2020, Regionalisierte Steuerschätzung vom
   November 2021.
   Quelle: Bundesministerium der Finanzen

                                                                          21
Analysen und Berichte                                                                                   Monatsbericht des BMF
             Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen               März 2022

    Die Neuregelung der                                                        Dieser Aspekt bildete Kontext und Ausgangs-
    Grundsteuernormierung                                                      punkt für die in Art. 17 GrStRefG verankerte Ände-
    im Kontext der                                                             rung des § 8 FAG im Zuge der Grundsteuerreform.
                                                                               Sie sieht für die Berechnung der ausgleichserheb-
    Grundsteuerreform 2019                                                     lichen Finanzkraft der Länder vor, dass ab dem
                                                                               Jahr 2028 teilweise und ab dem Jahr 2030 vollstän-
    Erforderlichkeit der Neuregelung                                           dig als „Steuerkraftzahlen der Grundsteuer [...] für
                                                                               die einzelnen Länder jeweils die Beträge ange-
Erforderlich wurde eine Anpassung des Finanz-                                  setzt [werden], die sich ergeben, wenn die im Bun-
ausgleichsgesetzes (FAG), weil im Zuge der Grund-                              desgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekom-
steuerreform den Ländern die Möglichkeit einge-                                menen Grundsteuern jeweils im Verhältnis der
räumt wurde, vom Grundsteuerrecht des Bundes                                   Summen der nach bundesgesetzlich normiertem
abzuweichen. Die Einführung dieses Options-                                    Bewertungsrecht berechneten Grundsteuermess-
rechts, das grundgesetzlich unmittelbar durch                                  beträge, die die Länder für das dem Ausgleichsjahr
Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 Grundgesetz fundiert                               vorausgehende Kalenderjahr für ihr Gebiet fest-
wurde, hat in den Verhandlungen über die Grund-                                zustellen haben, verteilt werden“. Bedingend wird
steuerreform zwischen Bund und Ländern einen                                   vorgegeben, dass die entsprechenden Summen un-
wesentlichen Beitrag zur Kompromissfindung ge-                                 ter Vermeidung eines „unverhältnismäßige[n] Ver-
leistet. Bisher zeichnet sich ab, dass fünf Länder ei-                         waltungsaufwand[s]“ zu ermitteln sind. Für die
gene, vom Bundesbewertungsrecht abweichende                                    Steuerpflichtigen dürfe das Normierungsverfahren
Grundsteuermodelle zur Anwendung bringen                                       „keine gesonderte Erklärungspflicht“ erzeugen.
werden. Zwei weitere Länder haben Abweichun-
gen vom Grundsteuermodell des Bundes bei den                                   Im Wesentlichen intendieren die getroffenen Re-
Grundsteuermess­zahlen angekündigt.4                                           gelungen, dass im bundesstaatlichen Finanzaus-
                                                                               gleich die Grundsteuer bei der Berechnung der Fi-
In Bezug auf den bundesstaatlichen Finanzaus-                                  nanzkraft der Länder in dem Umfang anzusetzen
gleich bringen die neuen Gestaltungsspielräume                                 ist, der sich ergeben würde, wenn in jedem Land
auf der Ebene der Länder jedoch neue Herausfor-                                das Grundsteuermodell des Bundes zur Anwen-
derungen mit sich. War die dezentrale Entschei-                                dung käme. Abweichungen einzelner Länder vom
dungskompetenz in Bezug auf die Grundsteuer-                                   Grundsteuermodell des Bundes wären somit mög-
gestaltung bisher auf die kommunale Festlegung                                 lich, ohne dass sie die Berechnung der Finanzkraft
der Hebesätze begrenzt, deren Auswirkungen auf                                 und folglich die Höhe der Finanzausgleichsströme
das Aufkommen zum Zweck des Finanzausgleichs                                   beeinflussen würden. Diese grundsätzliche Inten-
rechnerisch vergleichsweise trivial über hebesatz-                             tion knüpft an die Zielsetzungen der bisherigen
neutrale Grundbeträge bereinigt werden konn-                                   Normierungspraxis an, dezentrale Entscheidungen
ten, ergeben sich künftig über die Hebesätze hinaus                            hinsichtlich der Steuergestaltung und das Finanz­
im Bewertungsrecht sowie bei den Grundsteuer-                                  ausgleichssystem voneinander wechselseitig zu
messzahlen weitere Stellschrauben der Länder zur                               entkoppeln. Dies gelingt, indem zum einen die Fi-
Grundsteuerdifferenzierung.                                                    nanzkraftpositionen der einzelnen Länder von de-
                                                                               ren Steuergestaltungsspielräumen unberührt blei-
                                                                               ben und zum anderen Gestaltungsentscheidungen
                                                                               in den Ländern keinem strategischen und entschei-
                                                                               dungsbeeinflussenden Kalkül unterliegen können,
4   Dies ist der Stand zum Redaktionsschluss dieses
    Artikels am 17. März 2022. Siehe hierzu auch                               welche Mehr- oder Mindereinnahmen sie im bun-
    www.bundesfinanzministerium.de/mb/20220314                                 desstaatlichen Finanzausgleich erzeugen würden.

                                                                            22
Analysen und Berichte                                                                                   Monatsbericht des BMF
              Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen               März 2022

    Maßstab für das künftige Verfahren                                          Während der Rahmen im Zuge der Grundsteuer-
    der Grundsteuernormierung                                                   reform erkennbar gesetzt worden ist, tritt mit zu-
                                                                                nehmender Klarheit der Gesetzgebungen der Län-

                                                                                                                                                   Analysen und Berichte
An dem Maßstabscharakter, der dem Grundsteu-                                    der hinsichtlich der Grundsteuergestaltung in
ermodell des Bundes im neuen Normierungsver-                                    ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich eine Kon-
fahren zukommt, lassen weder der Wortlaut des im                                kretisierung des neuen Normierungsverfahrens
Jahr 2025 wirksam werdenden § 8 Abs. 2 FAG noch                                 verstärkt in den Fokus. Im Zuge der Gesetzgebung
verschiedene Äußerungen im Rahmen des Gesetz-                                   zur Grundsteuerreform hat das BMF seine Bereit-
gebungsverfahrens5 einen Zweifel:                                               schaft zu Protokoll gegeben, „ein alternatives, wir-
                                                                                kungsgleiches, jedoch nicht mit zusätzlichem Er-
● Beispielsweise hielt der für die Grundsteuer-                                 hebungsaufwand (u. a. für die Verwaltung und für
  reform im Jahr 2019 verantwortliche Bundes-                                   Grundstückseigentümer) verbundenes Verfahren
  minister der Finanzen Olaf Scholz im Deut-                                    für die Normierung des Grundsteueraufkommens
  schen Bundestag fest: „Wenn also ein Land von                                 im bundesstaatlichen Finanzausgleich im Konsens
  dieser Möglichkeit zur Abweichung bei der Re-                                 mit den Ländern zeitnah entwickeln“6 zu wollen.
  gelung der Grundsteuer Gebrauch macht, kann                                   Dieses Verfahren sei „so auszugestalten, dass für
  das nicht auf Kosten anderer finanziell schwä-                                Länder, die von der Öffnungsklausel Gebrauch ma-
  cher ausgestatteter Länder in Deutschland ge-                                 chen und deren Grundsteuererhebung somit ab-
  schehen. Diese solidarische Regelung ist ganz                                 weicht, beginnend mit dem Ausgleichsjahr 2028 ein
  wichtig und bildet eine Grundlage des jetzigen                                zur bundesrechtlichen Normierung wirkungsglei-
  Gesetzespaketes.“                                                             ches, alternatives und unbürokratisches Verfahren
                                                                                im Sinne der Länder zur Verfügung steht.“7
● Ausdrücklich bestätigt wurde seine Sichtweise
  u. a. durch den seinerzeit stellvertretenden Vor-                             Wird das politisch gesetzte Ziel einer Gleichheit
  sitzenden der CDU/CSU-Fraktion, MdB Jung:                                     des Normierungsresultats mit dem Ergebnis ei-
  „Ja, es ist richtig, was Bundesminister Scholz                                ner bundesweiten Anwendung des Grundsteuer-
  gesagt hat. Kein Land kann sich dadurch Vor-                                  modells des Bundes als maßgebend angesehen, so
  teile erwerben. Maßstab für den Länderfinanz­                                 kann dies nur erreicht werden, wenn die für das
  ausgleich bleibt das Bundesgesetz. Wenn ein                                   Bundesgrundsteuermodell erforderlichen Daten-
  Land abweicht, dann kann es dadurch nicht                                     grundlagen in allen Ländern bekannt sind und
  weniger und muss nicht mehr einzahlen. Maß-                                   zum Zweck der Normierung für alle Länder vor-
  stab bleibt das Bundesgesetz; das ist die Ge-                                 liegen.8 Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann
  schäftsgrundlage.“                                                            eine Wirkungsgleichheit im Sinne der beschriebe-
                                                                                nen Ergebnisgleichheit nicht sichergestellt wer-
● Schließlich betonte MdB Daldrup in diesem                                     den. Die Probleme, die sich bei einem ersatzweise
  Zusammenhang die Bedeutung des Grund-
  steuerrechts des Bundes für die Grundsteuer-
  normierung mit besonderem Nachdruck: „Um                                      6   Niederschrift der 965. Sitzung des Finanzausschusses des
                                                                                    Bundesrates, S. 4.
  der Zersplitterung der Grundsteuer entgegen-
                                                                                7   Ebenda.
  zuwirken, ist das Bundesrecht maßgeblich für
                                                                                8 Wirkungsgleichheit kann auch in dem Sinne verstanden
  die Berechnung im Länderfinanzausgleich; ein                                    werden, dass ein Normierungsverfahren entwickelt wird, bei
  Sachverhalt, der eigentlich auch ins Grundge-                                   dem die landesindividuelle Gestaltung des Grundsteuerrechts
  setz gehört.“                                                                   keine Rückwirkung auf den bundesstaatlichen Finanzausgleich
                                                                                  zur Folge hat („Rückwirkungslosigkeit“, siehe Infobox). Solche
                                                                                  Verfahren können auf Basis bundesweit gleichermaßen
                                                                                  verfügbarer statistischer Daten entwickelt werden. Eine
                                                                                  Ergebnisgleichheit mit der flächendeckenden Anwendung
5   Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 19/107, online abrufbar                  des Bundesmodells ist – wie erläutert – auch bei solchen
    unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19107.pdf                       Verfahren nicht zu erreichen.

                                                                             23
Analysen und Berichte                                                                                   Monatsbericht des BMF
          Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen               März 2022

gestellten Anspruch der weitgehenden, aber nicht                              genannt – ergeben, werden im nächsten Abschnitt
vollständigen Wirkungs- beziehungsweise Ergeb-                                diskutiert.
nisgleichheit – im Folgenden „Ergebnisähnlichkeit“

      „Ergebnisgleiche“ und „ergebnisähnliche“ Normierungsverfahren

   An einem Zwei-Länder-Beispiel sei zunächst erläutert, wie die sogenannte Normierung der Steuer-
   kraft erfolgt. Zu diesem Zweck sei unterstellt, dass das in Land i anfallende Steueraufkommen t(i) sich
   ergäbe, indem die von Land i gesetzlich bestimmte Steuerbemessungsgrundlage mit dem jeweils in
   Land i gültigen durchschnittlichen kommunalen Steuer-(„Hebe-“)Satz multipliziert würde:

                      t(i) = Steuerbemessungsgrundlage(i) * durchschnittlicher Steuersatz(i)

   Die Summe der Steueraufkommen beider Länder ist demnach mit der folgenden Formel ermittelbar:

                                                               T = t(1) + t(2)

   Um, wie weiter oben erläutert, in einem auf den Ausgleich unterschiedlicher Finanzkraft angeleg-
   ten System zu verhindern, dass die Steuerbemessungsgrundlage oder der Steuersatz so festgelegt wer-
   den, dass zum einen die Steuerzahlerinnen und -zahler des eigenen Landes entlastet, zum anderen
   aber diese Entlastungen über das Finanzausgleichssystem zum Teil refinanziert werden können, wird
   im Finanzausgleich nicht das Steueraufkommen t(i) berücksichtigt. Stattdessen erfolgt eine Durch-
   schnittsbetrachtung, mit deren Hilfe die Steuerkraftzahl eines Landes, t‘(i), im Fall einer bundesweit
   einheitlich festgelegten Steuerbemessungsgrundlage wie folgt berechnet wird:

                                    Steuerbemessungsgrundlage(i)
          t'(i) = T *
                      Steuerbemessungsgrundlage(1)+Steuerbemessungsgrundlage(2)

   Das gesamte Steueraufkommen T wird den Ländern im Verhältnis der dort jeweils belegenen Steuer-
   bemessungsgrundlagen zugerechnet. Das Verfahren lässt sich grafisch wie in Abbildung 4 dargestellt
   veranschaulichen.

                                                                         24
Analysen und Berichte                                                                                   Monatsbericht des BMF
                                                                              Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen               März 2022

                                                                                                                                                                                                 Abbildung 4
   Mögliche und angestrebte Kombinationen der Grundsteuer-
   kraftzurechnung zum Zweck des bundesstaatlichen Finanzausgleichs

                                                                                                                                                                                                               Analysen und Berichte
   im 2-Länder-Modell
   in Mrd. Euro

                                                                              6

                                                                              5
      G r u nds te u e r a u fkom m e n, G r u nds te u e r kr a ft La nd 2

                                                                              4

                                                                              3

                                                                              2

                                                                              1

                                                                              0
                                                                                  0                1                  2                    3                    4                 5        6
                                                                                                          G r u nds te u e r a u fkom m e n, G r u nds te u e r kr a ft La nd 1

                                                                                  Grundsteuerzurechnungen nach Verhältnis der Bemessungsgrundlagen

                                                                                  Mögliche Kombinationen der Grundsteuerzurechnung bei Gesamtaufkommen in Höhe von 5,2 Mrd. Euro

   Daten: Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2020.
   Quelle: Bundesministerium der Finanzen

Für Zwecke dieser Veranschaulichung wurden Da-                                                                                                      und Land 2 werden durch die rote Linie in Abbil-
ten zweier Länder zugrunde gelegt, wie sie im Fi-                                                                                                   dung 4 markiert. Die tatsächliche Zurechnung rich-
nanzausgleichsjahr 2020 tatsächlich angefallen                                                                                                      tet sich nach dem Verhältnis, nach welchem die ge-
sind. Das tatsächliche Steueraufkommen in Land 1                                                                                                    samte Steuerbemessungsgrundlage auf die beiden
betrug rund 3,8 Mrd. Euro, in Land 2 betrug es                                                                                                      Länder verteilt ist. Dieses Verhältnis betrug in dem
rund 1,4 Mrd. Euro. Die möglichen Kombinatio-                                                                                                       obengenannten Beispiel rund 67 Prozent (Land 1)
nen der Zurechnungen des Steuergesamtaufkom-                                                                                                        zu 33 Prozent (Land 2). Alle Aufkommenszurech-
mens in Höhe von rund 5,2 Mrd. Euro auf Land 1                                                                                                      nungen nach diesem Verhältnis werden durch die

                                                                                                                                                25
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