BMF-Monatsbericht März 2022 - "MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT." - Bundesfinanzministerium
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BMF-Monatsbericht März 2022 „MIT DEM ENTLASTUNGSPAKET HABEN WIR SCHNELL REAGIERT.“ Prof. Dr. Luise Hölscher, Staatssekretärin im BMF
Editorial Editorial Monatsbericht des BMF März 2022 des Krieges müssen wir in der EU auch die fiska- lische Resilienz im Blick behalten, denn fiskalische und wirtschaftliche Stabilität sichern unsere Hand- lungsfähigkeit in Deutschland und Europa. Wie im Schlaglichtartikel ausgeführt wird, werden Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger auch in diesen Krisenzeiten dank mehrerer steuerlicher Maßnahmen entlastet. Mit dem Steuerentlastungs- gesetz 2022 und dem Vierten Corona-Steuerhilfe- gesetz trägt der Staat zu Stabilität und Fairness in Zeiten der globalen Krise bei. Dieses Ziel verfolgt auch der Zweite Regierungsentwurf für den Bun- deshaushalt 2022, der am 16. März vom Bundes- Liebe Leserinnen, liebe Leser, kabinett beschlossen wurde. Dieser soll dazu bei- tragen, unsere Handlungsfähigkeit zu bewahren das Frühjahr 2022 wird überschattet vom völker- und Wachstumskräfte zu stärken. Besonders re- rechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die levant mit Blick auf die steigenden Preise, z. B. im Ukraine. Den mutigen Ukrainerinnen und Ukrai- Energiebereich, sind die zehn Entlastungsschritte, nern gilt unsere aufrichtige Solidarität. Sie kämp- die der Koalitionsausschuss im Februar 2022 vor- fen für ihre Freiheit und damit auch für unsere ge- gestellt hat. Bei den Stromkosten stellt die vorzei- meinsamen Werte. tige Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli 2022, die Mitte März vom Bundeskabinett beschlossen Von zentraler Bedeutung bei der Konflikteindäm- wurde, Menschen und Unternehmen eine erste Er- mung ist die Entschlossenheit der internationalen leichterung von insgesamt circa 6,6 Mrd. Euro in Gemeinschaft. Diese wurde von den G7-Finanzmi- Aussicht. nisterinnen und -ministern sowie den -Notenbank- gouverneurinnen und -Notenbankgouverneuren All diese Maßnahmen sollen die breite Mitte der anlässlich ihres ersten Treffens unter deutscher Gesellschaft erreichen: beispielsweise durch einen G7-Präsidentschaft am 1. März 2022 unterstrichen. einmaligen Heizkostenzuschuss sowie eine größere Auf Einladung des Bundesministers der Finanzen Entfernungspauschale für Fernpendler. Die Er- Christian Lindner nahm daran auch der ukraini- höhung des Grundfreibetrags und des Arbeitneh- sche Finanzminister Sergii Marchenko teil. Ge- mer-Pauschbetrags entlasten zudem praktisch alle meinsam mit seinen internationalen Partnern und Einkommensteuerzahlerinnen und -steuerzahler. der Europäischen Union unterstützt Deutschland Darüber hinaus erarbeitet die Bundesregierung die Ukraine auch finanziell. Zudem schneidet ein derzeit ein zweites Paket zur schnellen und spürba- umfassendes Sanktionspaket Russland weitestge- ren Entlastung. hend vom internationalen Finanzsystem ab. Wei- tere Maßnahmen werden in enger internationaler Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz, das am 16. Fe- Abstimmung beschlossen und durchgesetzt. bruar 2022 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, soll zudem die wirtschaftlichen und sozia- Es zeigt sich schon jetzt, dass dieser Krieg auch len Einschränkungen durch die Corona-Pandemie unsere Volkswirtschaften in Mitleidenschaft zie- für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen hen wird. Welche internationalen wirtschaftlichen so gering wie möglich halten. Es schafft beispiels- Auswirkungen der Konflikt haben wird, muss auch weise mit einer Homeoffice-Pauschale steuerli- mit Blick auf die Fiskalregeln in der EU genau be- che Entlastungen für Beschäftigte. Aber auch Un- obachtet werden. Gerade vor dem Hintergrund ternehmen werden u. a. mit der Verbesserung der 3
Editorial Monatsbericht des BMF März 2022 Möglichkeiten der Verlustverrechnung und der Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre – Verlängerung der degressiven Abschreibung für auch in den weiteren vielfältigen Fachartikeln die- bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermö- ser Ausgabe des Monatsberichts. gens sowie der steuerlichen Investitionsfristen unterstützt. Unserer Anerkennung für die beson- dere Leistung der Pflegekräfte während der Pande- mie verleihen wir mit einer Steuerfreiheit für Bo- nuszahlungen von bis zu 3.000 Euro Ausdruck. Steffen Saebisch Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 4
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Entlastungen für Stabilität und Fairness__________________________7 Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum ______________________________________________________ 8 Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher___________________________________________________ 11 Analysen und Berichte___________________________________________15 Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen____________________________________________________________ 16 Briefmarken – Deutschlands kleinste Kulturbotschafter__________________________________________________ 29 Das Münz-Jahresprogramm 2022________________________________________________________________________ 36 Aktuelle Wirtschafts- und Finanzlage____________________________41 Überblick zur aktuellen Lage_____________________________________________________________________________ 42 Konjunkturentwicklung aus finanzpolitischer Sicht______________________________________________________ 44 Steuereinnahmen im Februar 2022______________________________________________________________________ 51 Entwicklung des Bundeshaushalts bis einschließlich Februar 2022_______________________________________ 56 Kreditaufnahme des Bundes und seiner Sondervermögen________________________________________________ 61 Europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik_____________________________________________________________ 67 Aktuelles aus dem BMF__________________________________________71 Termine_________________________________________________________________________________________________ 72 Publikationen___________________________________________________________________________________________ 73 Statistiken und Dokumentationen_______________________________75 Übersichten zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 76 Übersichten zur Entwicklung der Länderhaushalte_______________________________________________________ 77 Gesamtwirtschaftliches Produktionspotenzial und Konjunkturkomponenten des Bundes________________ 77 Kennzahlen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung____________________________________________________ 78
Schlaglicht: Entlastungen für Stabilität und Fairness Entlastungen für Stabilität und Fairness Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum 8 Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher 11
Entlastungen für Stabilität und Fairness BMF-Monatsbericht März 2022 Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum ● Um die wirtschaftlichen und sozialen Einschränkungen durch die Corona-Pandemie für Bürge- rinnen und Bürger sowie Unternehmen so gering wie möglich zu halten und die Menschen bei steigenden Energiepreisen zu unterstützen, plant die Bundesregierung zahlreiche Erleichterungen. Dieser Schlaglichtartikel beleuchtet die Entlastungsschritte, die der Koalitionsausschuss am 23. Fe bruar 2022 vorgestellt hat, sowie die wesentlichen Maßnahmen, die im Vierten Corona-Steuerhilfe gesetz, das am 16. Februar 2022 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, sowie im Steuerentlas- tungsgesetz 2022, das am 16. März 2022 vom Bundeskabinett beschlossen wurde, vorgesehen sind. ● Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger werden hinsichtlich Bürokratie und Abgaben entlastet. Die steuerlichen Erleichterungen belaufen sich auf rund 7,1 Mrd. Euro in der vollen Jahreswirkung. ● Die geplante Vorziehung der Erhöhung der Entfernungspauschale für Fernpendlerinnen und -pendler und die am 9. März 2022 vom Bundeskabinett beschlossene Abschaffung der EEG-Umlage unterstützen die Menschen bei steigenden Strom- und Mobilitätspreisen. Der Heizkostenzuschuss bietet bei kleinen Einkommen mehr Stabilität. ● Um den Auswirkungen der Corona-Pandemie weiterhin entgegenzuwirken, werden die am 31. März 2022 auslaufenden Sonderregelungen zur Kurzarbeit größtenteils bis zum 30. Juni 2022 verlängert. Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz unterstützt die Menschen und Unternehmen mit einer Vielzahl an Vereinfachungen und Erleichterungen, beispielsweise mit einer Homeoffice-Pau- schale. Die Leistung der Pflegekräfte in der Pandemie wird auch finanziell besonders gewürdigt. ● Die Erhöhung des Grundfreibetrags um 363 Euro auf 10.347 Euro entlastet alle, die Einkommen- steuern zahlen. Die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages um 200 Euro auf 1.200 Euro entlastet Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei der Lohnsteuer. Unterstützung bei Energie und ab diesem Zeitpunkt vollständig der Bund. Damit Mobilität erhalten Stromanbieter eine Entlastung, die sie an Endverbraucherinnen und -verbraucher weiterge- Um einen Teil der Belastung abzufedern, die den ben müssen. Für Familien, Rentnerinnen und Rent- Menschen und den Unternehmen durch steigende ner, Mittelstand und Handwerk sowie viele andere Strom- und Mobilitätskosten entstehen, plant die ergibt sich damit eine deutliche Erleichterung in Bundesregierung neue Regelungen zur Finanzie- Höhe von rund 6,6 Mrd. Euro. Auch bei den gestie- rung erneuerbarer Energien und des Pendelver- genen Mobilitätskosten bietet die Bundesregierung kehrs. So hat das Bundeskabinett am 9. März 2022 Unterstützung. Menschen, die einen langen Weg beschlossen, dass die Umlage nach dem Erneuerba- zum Arbeitsplatz haben, erhalten ab dem 21. Kilo- re-Energien-Gesetz (EEG) ab dem 1. Juli 2022 ent- meter eine höhere Entfernungspauschale, um ei- fallen soll. Die Kosten dieser Förderung übernimmt nen Teil der steigenden Kosten auszugleichen. Die 8
Entlastungen für Stabilität und Fairness BMF-Monatsbericht Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum März 2022 Anhebung wirkt sich auch bei der Mobilitätsprä- zum Kurzarbeitergeld sollen bis Ende Juni 2022 mie aus. Dieses Vorhaben war für das Jahr 2024 vor- von der Steuer befreit bleiben. gesehen, soll aber nunmehr auf das Jahr 2022 vor- gezogen werden. ● Auch die herausragende Leistung der Pflege- kräfte in dieser Pandemie soll finanziell ge- Schlaglicht Da die steigenden Energiekosten für Menschen mit würdigt werden: Erhalten sie vom Arbeitgeber geringen Einkommen eine besonders große Belas- einen Corona-Pflegebonus auf der Grundlage tung darstellen, gewährt die Bundesregierung in be- eines Landes- oder Bundesprogramms, sind bis stimmten Fällen einen einmaligen Heizkostenzu- zu 3.000 Euro steuerfrei. schuss. So erhalten Wohngeldbeziehende 270 Euro, Zwei-Personen-Haushalte erhalten 350 Euro und ● Durch die verlängerte Abgabefrist für Steu- für jedes weitere Familienmitglied 70 Euro. Azu- ererklärungen der Jahre 2020 in beratenen bis und Studierenden, die BAföG beziehen, werden Fällen und für 2021 und 2022 in beratenen und 230 Euro ausgezahlt. Die Zahlung soll im Sommer nicht beratenen Fällen erreicht das Vierte Co- erfolgen, wenn in der Regel die Heizkosten- oder rona-Steuerhilfegesetz besonders viele Men- Nebenkostenabrechnungen anstehen. schen. Insgesamt entlasten diese Maßnahmen Steuerzah- Überwindung der Pandemie – lende um rund 2,6 Mrd. Euro – ein wichtiger Bei- wirtschaftliche Stabilität und trag zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Erho- lung und zur Stärkung der Konjunktur. Erholung Stabilisierend wirkt auch das Kurzarbeitergeld. Die Corona-Folgen stellen für viele Menschen und Die pandemiebedingten Sonderregelungen wur- Betriebe weiterhin eine große Herausforderung den größtenteils bis zum 30. Juni 2022 verlängert. dar. Aus diesem Grund hat das Bundeskabinett am Die Höchstdauer von bisher 24 Monaten wurde auf 16. Februar 2022 beschlossen, mit dem Vierten Co- 28 Monate erhöht und die Regelungen zu den er- rona-Steuerhilfegesetz etliche steuerliche Erleichte- höhten Leistungssätzen bei längerer Kurzarbeit rungen für Beschäftigte, Selbstständige und Unter- fortgeschrieben. Bei Minijobs gilt weiter die An- nehmen auf den Weg zu bringen. Damit bekommen rechnungsfreiheit und der erleichterte Zugang steuerliche und bürokratische Entlastung eine hö- zum Kurzarbeitergeld besteht fort. here Priorität. Gleichzeitig setzt die Bundesregie- rung damit Anreize für Investitionen in die Zukunft. Entlastungen bei der ● Unternehmen werden mit besseren Möglich- Einkommensteuer keiten der Verlustverrechnung unterstützt. Das Steuerentlastungsgesetz 2022, dessen Ent- ● Die Verlängerung der steuerlichen Investitions- wurf am 16. März vom Bundeskabinett beschlos- fristen und der degressiven Abschreibung für sen wurde, sieht neben der erhöhten Fernpendler bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermö- pauschale weitere Vereinfachungen und gens unterstützt Unternehmen und trägt dazu Erleichterungen für die breite Mitte der Gesell- bei, Investitionen zu stärken. schaft vor. Um Arbeitnehmende zu unterstützen, wird der Arbeitnehmer-Pauschbetrag (ANP) bei der ● Die sogenannte Homeoffice-Pauschale von bis Einkommensteuer um 200 Euro auf 1.200 Euro er- zu 600 Euro wird um ein Jahr bis zum 31. De- höht. Dieser erhöhte Freibetrag gilt rückwirkend zember 2022 verlängert, Arbeitgeberzuschüsse ab dem 1. Januar 2022. Damit müssen die Steuer- pflichtigen insgesamt rund 1,1 Mrd. Euro weniger 9
Entlastungen für Stabilität und Fairness BMF-Monatsbericht Entlastungen: für Stabilität, Fairness und Wachstum März 2022 an Steuern zahlen. Außerdem will die Bundes- ein, ergeben sich beispielsweise bei einer Familie regierung den Grundfreibetrag von 9.984 Euro von zusammenveranlagten Doppelverdienenden um 363 Euro auf 10.347 Euro erhöhen. Der er- Ersparnisse von circa 250 Euro jährlich. höhte Freibetrag, der rückwirkend ab dem 1. Ja- nuar 2022 gelten soll, führt für Einkommensteuer Mit den Plänen der Bundesregierung werden die zahlende zu einer Erleichterung von insgesamt Menschen und Unternehmen von Bürokratie und rund 3,1 Mrd. Euro. Abgaben stark entlastet. Dabei belaufen sich die Steuerentlastungen auf rund 7,1 Mrd. Euro. Ins- Insgesamt sollen die steuerlichen Maßnahmen gesamt werden Unternehmen sowie Bürgerinnen möglichst viele Menschen in diesem Land spür- und Bürger mit rund 15,6 Mrd. Euro unterstützt – bar entlasten. Rechnet man die Abschaffung der ein starkes Signal für Stabilität, Wachstum und EEG-Umlage, die Erhöhung des steuerlichen Fairness auch in Krisenzeiten. Weitere Entlastun- Grundfreibetrags und des ANP zusammen, ist von gen sind geplant.1 einer Entlastung von mehr als 10 Mrd. Euro aus- zugehen. Bezieht man auch die weiteren Maßnah- men wie die Erhöhung der Entfernungspauschale 1 Dies ist der Stand zum Redaktionsschluss dieses Artikels am für Fernpendler und die Homeoffice-Pauschale mit 17. März 2022. Entlastungen durch das Steuerentlastungsgesetz in verschiedenen Fällen in Euro Bruttolohn/ Monat Entlastung durch ESt geltendes Absenkung der gemeinsamer Recht 2022 Anhebung steuerliche EEG-Umlage ab Juli Entlastung Bruttolohn/ (abzgl. Kinder- Erhöhung Grundfrei- Entlastung (Jahresstromverbrauch: 2022 A B Jahr geld) ANP betrag insgesamt 4.250 kWh) insgesamt Zusammenveranlagte Doppelverdienende mit 2 Kindern, ANP 3.975 3.975 95.400 10.020 128 138 266 94 360 3.300 3.300 79.200 5.820 124 138 262 94 356 Bruttolohn/ Monat Entlastung durch ESt geltendes Absenkung der gemeinsamer Recht 2022 Erhöhung Anhebung steuerliche EEG-Umlage ab Juli Entlastung Bruttolohn/ (abzgl. Kinder- Entfernungs- Grundfrei- Entlastung (Jahresstromverbrauch: 2022 A B Jahr geld) pauschale betrag insgesamt 4.250 kWh) insgesamt Zusammenveranlagte Doppelverdienende mit 2 Kindern, 30 km/25 km Arbeitsweg an 220 Arbeitstagen 3.975 3.975 95.400 9.450 32 138 170 94 264 3.300 3.300 79.200 5.268 30 138 168 94 262 Zusammenveranlagte Doppelverdienende mit 2 Kindern, 30 km/25 km Arbeitsweg an 110 Arbeitstagen und 600 Euro Homeoffice-Pauschale 3.975 3.975 95.400 9.670 16 138 154 94 248 3.300 3.300 79.200 5.482 16 138 154 94 248 Quelle: Bundesministerium der Finanzen 10
Entlastungen für Stabilität und Fairness BMF-Monatsbericht Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher März 2022 Schlaglicht Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher © Bundesministerium der Finanzen/photothek Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher Ihre ersten Wochen als Staats- Rahmenbedingungen für schnelle und unbüro- sekretärin sind durch Krisen- kratische humanitäre Hilfe. Entscheidend ist da- management geprägt. Der An- bei auch die effektive Zusammenarbeit der öffent- lichen Verwaltung in allen Bereichen und auf allen griffskrieg von Putins Russland Ebenen. auf die Ukraine ist für uns alle erschütternd. Die Bundesre- So leistet die Zollverwaltung im Zusammenspiel gierung ist derzeit akut mit der mit allen zuständigen Behörden einen wesentli- chen Beitrag dazu, dass alle erforderlichen Maß- Bekämpfung dieser Aggressi- nahmen ergriffen werden, um den Sanktionen eine on und der Bewältigung der umfassende Geltung zu verschaffen. Zuständig- Folgewirkungen beschäftigt. keitsbereich der Zollverwaltung ist der grenzüber- Welchen Beitrag leistet die schreitende Warenverkehr. In diesem Rahmen überwacht sie Sanktionen und Embargomaßnah- Finanzverwaltung in einer sol- men und verfolgt entsprechende Verstöße. chen Krise? Bund und Länder arbeiten ebenfalls eng zusammen, Aktuell liegt der Fokus auf Sofortmaßnahmen. um steuerliche Erleichterungen und Rechtssicher- Dazu gehören u. a. die Durchsetzung der Sankti- heit für diejenigen zu schaffen, die humanitäre Hilfe onsmaßnahmen und die Schaffung steuerlicher leisten. 11
Entlastungen für Stabilität und Fairness BMF-Monatsbericht Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher März 2022 Dazu kommt z. B. ein sogenannter Katastrophen Zusammen mit den bereits erfolgten Verlängerun- erlass zur Anwendung, wie er bisher zur steuerlichen gen steuerrechtlicher Verfahrenserleichterungen Berücksichtigung der durch Naturkatastrophen ver- betreffend die Stundung, den Vollstreckungsauf- ursachten Schäden eingesetzt wird. Das Instrument schub und die Vorauszahlungsanpassung werden hat sich bewährt. Bund und Länder sind durch die- u. a. durch die Verlängerung der degressiven Ab- ses eingespielte Vorgehen in der Lage, schnell und schreibung und der erweiterten Verlustverrech- unbürokratisch die steuerlichen Rahmenbedin- nung für Unternehmen Liquidität erhalten und In- gungen für die drängende Hilfe der von der Katas- vestitionsanreize geschaffen. trophe Betroffenen zu schaffen und diese Hilfen zu ermöglichen. Mit dem Energieentlastungspaket hat die Bundes- regierung schnell auf die deutlichen Preiserhöhun- Darüber hinaus stehen wir auf internationa- gen insbesondere im Energiebereich reagiert. Mit ler Ebene mit anderen Staaten im engen Kontakt. der Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages Maßnahmen mit internationalem Bezug, beispiels- und des Grundfreibetrages entlasten wir unbüro- weise zur Sanktionsdurchsetzung, werden ab- kratisch. Auch die steigenden Mobilitätskosten ha- gestimmt, und wir tauschen uns zum jeweiligen ben wir im Blick und entlasten über eine Anhe- Vorgehen aus. Das ist ein wichtiger Faktor für die bung der Entfernungspauschale Fernpendlerinnen Effektivität von Maßnahmen. und -pendler. Über die Mobilitätsprämie wirkt dies auch für Geringverdiendende. Die Situation hat sich zwischenzeitlich durch den Krieg verschärft. Nach dem Vierten Corona- Daher wird es noch weitere Maßnahmen geben, Steuerhilfegesetz vom um die Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen. 16. Februar 2022 ist auch das Steuerentlastungsgesetz 2022 Welche Themen stehen neben vom Kabinett beschlossen der Krisenbewältigung, die worden. Welche Bedeutung natürlich oberste Priorität haben steuerliche Maßnahmen besitzt, steuerpolitisch aber bei der Krisenbewältigung? auch operativ auf der Agenda? Durch zahlreiche steuerpolitische Maßnahmen ist Das Steuerrecht muss unser aller Lebenswirklich- es uns gelungen, die wirtschaftlichen Schäden der keit widerspiegeln und entsprechend weiterentwi- Corona-Pandemie zu begrenzen. Dazu gab es Coro- ckelt werden. Demnach wird es zahlreiche gesetz- na-Steuerhilfegesetze, um bei der Bewältigung der geberische sowie operative Vorhaben geben. wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise zu unter- stützen. Das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz leistet Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung und hierzu einen weiteren Beitrag angesichts der andau- die Eindämmung aggressiver Steuergestaltungen ernden pandemischen Lage. Pflegekräfte müssen hat weiterhin höchste Priorität. Das sogenannte ihren durch harte Leistung verdienten Corona-Bo- Zwei-Säulen-Projekt ist dafür ein wichtiger Bau- nus nicht versteuern, und wichtige Instrumente stein. Der Schlüssel zu einer faireren Verteilung des wie die Homeoffice-Pauschale, die Steuerbefreiung Steueraufkommens liegt insbesondere in einer glo- der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeiter- balen nachhaltigen Reform der Besteuerung von geld und die Frist zur Abgabe von Steuererklärun- multinationalen Unternehmen. Diese treiben wir gen für 2020 werden noch einmal verlängert. voran. 12
Entlastungen für Stabilität und Fairness BMF-Monatsbericht Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher März 2022 Außerdem beschäftigt uns die Frage, wie das Steu- Für dieses Jahr ist zudem die Änderung der Rege- errecht die Transformation hin zu einer klimaneu- lungen zur sogenannten Vollverzinsung, d. h. der tralen und digitalen Wirtschaft sinnvoll unterstüt- Verzinsung von Steuererstattungen und Steuer- zen kann. Steuern haben schließlich auch lenkende nachzahlungen, zu erwähnen. Daneben bereiten Wirkungen. Mir ist es beispielsweise ein besonderes wir die turnusgemäß anstehende Anpassung des Schlaglicht Anliegen, die Energiepolitik im Rahmen der Novel- Einkommensteuertarifs vor. Wir wollen die kalte lierung der Energiesteuerrichtlinie nachhaltig zu Progression durch einen fairen Vorschlag bekämp- gestalten. fen und werden dabei auch die aktuellen Preisent- wicklungen berücksichtigen. Die digitale Transformation soll auch in der öffent- lichen Verwaltung deutlich voranschreiten. Wir ha- Dabei darf nicht vergessen werden, dass es die zen- ben uns das Ziel gesetzt, einfach handhabbare und trale Aufgabe der Steuerpolitik ist, die fiskalische zeitgemäße digitale Leistungen nutzerorientiert, Handlungsfähigkeit des Staates auf der Basis der medienbruchfrei und flächendeckend anzubieten. Leistungsfähigkeit unserer sozialen Marktwirt- Außerdem möchten wir Bürgerinnen und Bür- schaft zu sichern. ger sowie die Wirtschaft durch weniger Bürokratie deutlich entlasten. Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher © Bundesministerium der Finanzen/photothek 13
Entlastungen für Stabilität und Fairness BMF-Monatsbericht Interview mit Staatssekretärin Prof. Dr. Luise Hölscher März 2022 Sie haben lange in der Wissen- Wenn Sie jemandem mit schaft und Wirtschaft gearbei- einem einzigen Beispiel davon tet. Welche Erfahrungen aus überzeugen müssten, richtig dieser Zeit bringen Sie in Ihre gerne Steuern zu zahlen, was Arbeit im BMF ein? Was reizt wäre es? Sie besonders an der Tätigkeit in der Bundesregierung und Ich vermute, Steuern zahlt niemand so richtig gerne. Aber ohne sie würde es einen Staat nicht ge- für die öffentliche Verwaltung? ben. Wichtig ist für mich, dass wir Lasten gleich mäßig und fair verteilen – national wie internatio- Meine Erfahrungen in unterschiedlichen Sekto- nal. Auch ist mir wichtig, dass wir das Steuerzahlen ren und unterschiedlichen Funktionen ermögli- einfacher machen. Dann muss ich gar nicht so viel chen mir eine ganzheitliche Betrachtung, denn Überzeugungsarbeit leisten. die Erfahrungen erleichtern mir ein gewisses Ver- ständnis für die verschiedenen Perspektiven und Denkweisen. Das ist spannend, und ich möchte die Disziplinen stärker verzahnen. Wie können z. B. Erkenntnisse der empirischen Forschung im Steuerrecht für die Politik und Verwaltung nutz- bar gemacht werden? Ich möchte Theorie und Pra- xis zusammenbringen, möglichst bereits bei der Rechtssetzung die Umsetzung, die Anwendung und mögliche Folgewirkungen im Blick haben. Da- bei kann ich auch auf Erfahrungen aus meiner Zeit als Staatssekretärin in Hessen zurückgreifen, durch die ich Einblicke in die Funktionsweise einer Lan- desfinanzverwaltung bekommen habe und sehen durfte, welche Themen die Länder umtreiben. Auf diese Art die Zukunft der Finanzverwaltung mitzugestalten und einen Beitrag für ein zukunfts- gewandtes und faires Steuersystem zu leisten, ist für mich zugleich der Reiz, den die Rolle der Staats- sekretärin hat. 14
Analysen und Berichte Analysen und Berichte Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen 16 Briefmarken – Deutschlands kleinste Kulturbotschafter 29 Das Münz-Jahresprogramm 2022 36
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF März 2022 Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen ● Mit der Grundsteuerreform im Jahr 2019 und den damit verbundenen größeren Gestaltungsspiel- räumen der Länder wird im bundesstaatlichen Finanzausgleich künftig ein erweitertes Normie- rungsverfahren erforderlich, das die Unabhängigkeit der Höhe der Finanzausgleichsströme von dezentralen Gestaltungsentscheidungen einzelner Länder weiterhin sicherstellt. ● Im Rahmen des Grundsteuer-Reformgesetzes wurde zu diesem Zweck auch das Finanzausgleichs- gesetz angepasst. Die Änderung legt das Grundsteuermodell des Bundes als Maßstab für die Grund- steuernormierung fest. Darüber hinaus wurden während des Gesetzgebungsverfahrens verschiede- ne Anforderungen an das neue Normierungsverfahren formuliert. ● Der vorliegende Beitrag thematisiert die Funktion sowie die systematische und finanzielle Bedeu- tung der Grundsteuernormierung im Rahmen des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und arbeitet wesentliche Aspekte heraus, die bei der Konkretisierung des neuen Normierungsverfahrens zu berücksichtigen sind. Einleitung Finanzkraft der Länder angerechnet. Sie bildet so- mit eine ausgleichsrelevante Größe, welche die Mit der Reform der Grundsteuer im Jahr 2019 Höhe der Ausgleichsströme zwischen Bund und kam der Gesetzgeber dem Auftrag einer Neure- Ländern beeinflusst. gelung nach, der sich aus dem Urteil des Bundes- verfassungsgerichts vom 10. April 20181 ergeben Das Verfahren der Grundsteuernormierung soll hatte. Die gesetzliche Umsetzung der Reform bil- auch künftig – bei deutlich erweiterten Gestal- det das Grundsteuer-Reformgesetz (GrStRefG) vom tungsspielräumen der Länder bei der Grundsteuer 26. November 2019. Es sieht die erste Bewertung erhebung – eine Unabhängigkeit der Höhe der Fi- des Grundbesitzes für die Grundsteuer nach dem nanzausgleichsströme von Unterschieden bei den neuen Recht für das Jahr 2022 vor. Grundsteuermodellen sicherstellen. Ein solches Verfahren ist gemäß Art. 17 GrStRefG, der die Än- Einen mit der Reform verbundenen Regelungs- derung des Finanzausgleichsgesetzes mit Wirkung bedarf bildete die Berücksichtigung der Grund- zum 1. Januar 2025 beinhaltet, ab dem Jahr 2028 steuer nach dem neuen Recht im bundesstaatli- teilweise und ab dem Jahr 2030 vollständig zur An- chen Finanzausgleich. In dessen Mechanismen wendung zu bringen. Die fiskalische Bedeutung so- wird diese als kommunale Steuer zu 75 Prozent der wie einige objektive formale Anforderungen an das künftige Normierungsverfahren werden in diesem Artikel näher beleuchtet. 1 Siehe hierzu: www.bundesfinanzministerium.de/mb/20220311 16
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 Die Notwendigkeit der Grund Damit wird eine weitgehende2 Unabhängigkeit des steuernormierung im bundes- Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern von staatlichen Finanzausgleich dezentralen Entscheidungen erreicht. Analysen und Berichte Anders als die meisten Steuern werden Einnahmen aus der Grundsteuer im bundesstaatlichen Finanz Realsteuernormierung im bundesstaatli- ausgleich nicht mit ihrem tatsächlichen, sondern chen Finanzausgleich mit einem fiktiven Aufkommen berücksichtigt. Im bundesstaatlichen Finanzausgleich wer- Die Erforderlichkeit dieser Vorgehensweise, die im den die Realsteuern (Grundsteuern und die fachlichen Zusammenhang „Normierung“ genannt Gewerbesteuer) sowie die Grunderwerb- wird, ergibt sich – wie bei der Gewerbesteuer und steuer normiert. Das heißt, sie gehen in die der Grunderwerbsteuer – aus dem Umstand, dass Finanzkraftberechnung der Länder nicht mit die parametrische Konkretisierung der Grund- ihrem tatsächlichen Aufkommen, sondern steuer nicht vollständig einer bundeseinheitlichen mit einer Steuerkraftzahl ein, die jeweils frei Regelung unterliegt. Innerhalb der Länder gibt es von individuellen Steuergestaltungsmög- Möglichkeiten der individuellen Gestaltung. Dieser lichkeiten einzelner Länder und ihrer Kom- Gestaltungsspielraum war bisher auf die dezentrale munen ist. Dadurch bleiben die Finanzaus- Festlegung der Hebesätze und somit auf eine der gleichsströme zwischen Bund und Ländern drei wesentlichen Berechnungsgrößen der Grund- weitgehend unabhängig von dezentral zu steuer begrenzt: treffenden Entscheidungen (etwa über Re- alsteuerhebesätze) und ihre finanziellen Folgen auf das jeweilige Land und dessen Grundsteuerbetrag = Grundsteuerwert * Kommunen begrenzt. Eine solche „Rückwir- Grundsteuermesszahl * Grundsteuerhebesatz kungslosigkeit“ ist notwendige Bedingung und Minimalvoraussetzung für jedes Nor- mierungsverfahren. Sie ist deshalb erforder- Die Hebesatzautonomie der Kommunen bildet lich, damit Mehreinnahmen, die ein Land den Anlass für die bisherige Realsteuernormie- im Rahmen und in der Folge seiner eigenen rung im bundesstaatlichen Finanzausgleich. Wür- Steuergestaltungskompetenz erzielt, in die- den durch Hebesatzentscheidungen hervorgeru- sem Land verbleiben und vice versa steuerli- fene Änderungen der Einnahmen einzelner Länder che Entlastungen, die dezentral in einzelnen (beziehungsweise ihrer Kommunen) in den Finanz Ländern beschlossen werden, nicht zulasten ausgleichsmechanismen nicht durch ein Normie- der föderalen Gemeinschaft gehen. rungsverfahren weitgehend neutralisiert, hätten diese einen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der Finanzausgleichsströme und somit auf die Fi- nanzausstattung aller Länder und des Bundes. Um solche Rückwirkungen auszuschließen, wer- den die Grundsteuereinnahmen den Ländern zum Zweck des Finanzausgleichs mit einer artifiziellen 2 Da einzelne kommunale Hebesatzentscheidungen auch Steuerkraftzahl angerechnet, d. h. konkret: in dem den bundesdurchschnittlichen Hebesatz – je nach Größe der Kommune mehr oder minder – beeinflussen, kann eine Umfang, der sich bei der Anwendung des bundes- restlose Unabhängigkeit des Finanzausgleichs trotz des durchschnittlichen Hebesatzes ergeben würde. Normierungsverfahrens nicht sichergestellt werden. 17
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 Die fiskalische Bedeutung der sich aus unterschiedlichen Perspektiven beleuch- Grundsteuer für die Finanz- ten. Unabhängig von den Finanzmittelströmen in- ausstattung in den Ländern nerhalb des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und in einer länderseitig aggregierten Betrach- tung kommt der Grundsteuer a priori eine eher un- Das finanzielle Gewicht der Grund- tergeordnete Bedeutung zu. So betrugen etwa die steuer im Kontext der Einnahmen Einnahmen aus den Grundsteuern A und B in der von Ländern und Kommunen Summe im Jahr 2020 rund 14,6 Mrd. Euro. Bezo- gen auf die Gesamteinnahmen von Ländern und Die fiskalische Bedeutung der Grundsteuer im All- Kommunen, die im Finanzausgleichssystem ange- gemeinen und der Grundsteuernormierung im Be- rechnet werden, entspricht dies etwa 4 Prozent (s. a. sonderen für die Finanzausstattung der Länder lässt Abbildung 1). Abbildung 1 Anteile der Steuerarten an den Steuereinnahmen der Länder und Gemeinden im Jahr 2020 in Prozent Gewerbesteuer (ohne Bundesanteil Umlage) G r u nds te u e r 10 4 Umsatzsteuer 31 Ländersteuern 9 Körperschaftsteuer 3 Nicht veranlagte Steuern vom Ertrag 3 Abgeltungsteuer 1 Veranlagte Einkommensteuer 9 Lohnsteuer 30 Daten: Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2020. Die Werte für die dargestellten Steuerarten umfassen jeweils den Länder- und gegebenenfalls Gemeindeanteil in der Summe. Quelle: Bundesministerium der Finanzen 18
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 Das vergleichsweise geringe Gewicht der Grund- Eine Nichtberücksichtigung der Grundsteuer hätte steuereinnahmen im Vergleich der Volumina der nach allen Finanzausgleichsstufen finanzielle Än- verschiedenen Steuerarten ist zur Beurteilung ih- derungen zwischen rund -67 Euro/EW in Berlin Analysen und Berichte res tatsächlichen fiskalischen Einflusses jedoch und rund +22 Euro/EW in Niedersachsen hervor- nur begrenzt aussagekräftig. Eine zum Teil weit- gerufen. Zum Teil deutliche Unterschiede zeigen aus größere Bedeutung der Grundsteuer zeigt sich sich zudem dahingehend, dass die Grundsteuer- hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Höhe der berücksichtigung in den Finanzausgleichsmitteln, Finanzausgleichsströme, die sich mithilfe von Mo- die die Länder empfangen haben, unterschied- dellrechnungen simulieren lassen. lich ins Gewicht fällt. Mit rund 16,5 Prozent hatte die Berücksichtigung der Grundsteuer den größ- ten Einfluss auf die Höhe der Finanzausgleichsmit- Der Einfluss der Grundsteuer tel in Schleswig-Holstein. Das Land verzeichnete berücksichtigung auf den für 2020 im Rahmen des bundesstaatlichen Finanz- bundesstaatlichen Finanzausgleich ausgleichs tatsächlich einen Umsatzsteuerzuschlag sowie Bundesergänzungszuweisungen in Höhe In Abbildung 2 sind die finanziellen Änderun- von insgesamt rund 301,4 Mio. Euro. Ohne die Ein- gen illustriert, die sich für die einzelnen Länder im beziehung der Grundsteuer wären diese Einnah- Jahr 20203 ergeben hätten, wenn die Grundsteuer im men nach Finanzausgleich um rund 49,7 Mio. Euro bundesstaatlichen Finanzausgleich nicht berück- beziehungsweise rund 16,5 Prozent höher ausgefal- sichtigt worden wäre. Zum einen sind die finan- len. Am geringsten war der Einfluss der Grundsteu- ziellen Veränderungen jeweils in Euro je Einwoh- erberücksichtigung auf die Höhe der Finanzaus- ner (EW) dargestellt, die in den einzelnen Ländern gleichsströme im Jahr 2020 in Bayern. Der Freistaat in einem solchen Szenario verzeichnet worden wä- verzeichnete einen Abschlag von der Umsatzsteuer ren (rote Säulen, Primärachse). Zum anderen wer- in Höhe von rund 7,8 Mrd. Euro. Dieser hätte sich den diese Veränderungen im Verhältnis zu den tat- um rund 20,9 Mio. Euro beziehungsweise 0,3 Pro- sächlich verzeichneten Finanzausgleichsmitteln, zent reduziert, wenn der Finanzausgleich ohne die sich aus Zu- und Abschlägen von der Umsatz- Berücksichtigung der Grundsteuer durchgeführt steuer sowie Bundesergänzungszuweisungen zu- worden wäre. Diese Verhältniszahlen lassen zwar sammensetzen, in absoluten Prozentbeträgen dar- keine Aussage hinsichtlich der haushalterischen gestellt (blaue Säulen, Sekundärachse). Somit lässt Bedeutung der Grundsteuer für die einzelnen Län- sich über die Pro-Kopf-Veränderungen hinaus der der zu, da sie tendenziell höher ausfallen, je näher Teil der Finanzausgleichsmittel quantifizieren, der Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl eines Lan- entweder auf die Einbeziehung der Grundsteuer des beinanderliegen. Gleichwohl sind sie ein Indiz zurückzuführen (durch höhere Umsatzsteuerzu- für die – gemessen an der vergleichsweise gerin- beziehungsweise -abschläge und Bundesergän- gen fiskalischen Bedeutung der Grundsteuer – mit- zungszuweisungen) oder durch sie ausgeblieben ist unter deutlich überproportionale Wirkung, die die (durch geringere Umsatzsteuerzu- beziehungsweise Grundsteuerberücksichtigung im Rahmen der Fi- -abschläge und Bundesergänzungszuweisungen). nanzausgleichsmechanismen entfalten kann. 3 Dabei sei darauf hingewiesen, dass das Jahr 2020 für die im Folgenden angestellten Überlegungen als Beispiel dient. Insbesondere in Abhängigkeit der relativen Position eines Landes aus Finanzkraft- und Ausgleichsmesszahl können die dargestellten Ergebnisse mitunter starken Schwankungen unterliegen. 19
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 Abbildung 2 Bundesstaatlicher Finanzausgleich 2020 ohne Berücksichtigung der Grundsteuer €/EW Prozent 100 100 80 90 60 80 40 70 22 17 20 9 11 12 60 1 2 4 0 50 -1 -20 -13 40 -29 -27 -40 -35 -35 30 -42 -60 16,5 20 -67 10,4 8,1 -80 4,8 4,9 10 3,8 2,8 2,3 2,2 2,3 3,7 0,8 1,2 0,7 0,3 1,5 -100 0 BE SN BB TH MV ST HB HH RP BY NW HE SL BW SH NI Effekte einer Nichtberücksichtigung der Grundsteuer im bundesstaatlichen Finanzausgleich 2020 Auf die Berücksichtigung der Grundsteuer zurückzuführender Teil der Finanzausgleichsmittel 2020 Daten: Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2020. Quelle: Bundesministerium der Finanzen Der Einfluss der andererseits das Verhältnis dieser Effekte zu den Grundsteuernormierung auf den tatsächlich verzeichneten Finanzausgleichsströ- bundesstaatlichen Finanzausgleich men (blaue Säulen, Sekundärachse). Analog zu Methodik und Darstellung in Abbil- Während Berlin 2020 erkennbar am stärksten von dung 2 wird der Einfluss der Normierung der der Normierung der Grundsteuer profitiert hat – die Grundsteuer auf die Höhe der Finanzausgleichs- Einnahmen des Stadtstaates wären ohne Normie- ströme in Abbildung 3 dargestellt. Die Werte bil- rung um rund 65 Euro/EW geringer ausgefallen –, den einerseits die finanziellen Effekte ab, die der hätte Brandenburg bei einem Normierungsver- Verzicht auf eine Normierung der Grundsteuer zicht mit rund +22 Euro/EW die höchsten Mehr im bundesstaatlichen Finanzausgleich 2020 her- einnahmen verzeichnet. In Relation der Ver- vorgerufen hätte (rote Säulen, Primärachse) und änderungen zu den tatsächlich verzeichneten 20
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 Finanzausgleichsmitteln weist Nordrhein-Westfa- 50 Prozent erhöht. Die Differenz in Höhe von rund len den höchsten Wert auf. Das Land hat 2020 im 312,1 Mio. Euro bildet den (in diesem Fall für das horizontalen Finanzkraftausgleich einen Umsatz- Land vorteilhaften) Effekt der Normierung. Den Analysen und Berichte steuerabschlag in Höhe von rund 624,1 Mio. Euro geringsten „Normierungseffekt“ verzeichnete 2020 hinnehmen müssen. Wären die Grundsteuerein- mit rund 0,4 Prozent der Freistaat Sachsen. Auch nahmen der Länder ohne Normierung und folg- diese Verhältniszahlen zeigen einen nicht zu unter- lich mit ihrem jeweils tatsächlichen Aufkommen schätzenden Einfluss, den das Grundsteuernormie- in die Ausgleichsmechanismen eingegangen, hätte rungsverfahren auf die Einnahmen einzelner Län- sich der Abschlag für Nordrhein-Westfalen auf der aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich rund 936,2 Mio. Euro beziehungsweise um rund unter Umständen ausprägen kann. Abbildung 3 Bundesstaatlicher Finanzausgleich 2020 ohne Normierung der Grundsteuer €/EW Prozent 100 100 80 90 60 80 40 70 21 22 16 16 17 18 20 10 12 13 14 60 50 0 50 -4 -4 -20 -17 -14 40 -40 30 20,2 -60 20 14,6 -63 12,1 -65 -80 4,7 4,8 10 3,9 3,9 2,3 3,1 0,4 1,0 1,7 1,1 1,2 1,4 -100 0 BE HB NW HH SN HE NI SL BY TH MV BW RP ST SH BB Effekte eines Normierungsverzichts bei der Berücksichtigung der Grundsteuer im bundesstaatlichen Finanzausgleich 2020 Auf die Normierung der Grundsteuer zurückzuführender Teil der Finanzausgleichsmittel 2020 Daten: Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2020, Regionalisierte Steuerschätzung vom November 2021. Quelle: Bundesministerium der Finanzen 21
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 Die Neuregelung der Dieser Aspekt bildete Kontext und Ausgangs- Grundsteuernormierung punkt für die in Art. 17 GrStRefG verankerte Ände- im Kontext der rung des § 8 FAG im Zuge der Grundsteuerreform. Sie sieht für die Berechnung der ausgleichserheb- Grundsteuerreform 2019 lichen Finanzkraft der Länder vor, dass ab dem Jahr 2028 teilweise und ab dem Jahr 2030 vollstän- Erforderlichkeit der Neuregelung dig als „Steuerkraftzahlen der Grundsteuer [...] für die einzelnen Länder jeweils die Beträge ange- Erforderlich wurde eine Anpassung des Finanz- setzt [werden], die sich ergeben, wenn die im Bun- ausgleichsgesetzes (FAG), weil im Zuge der Grund- desgebiet insgesamt im Ausgleichsjahr aufgekom- steuerreform den Ländern die Möglichkeit einge- menen Grundsteuern jeweils im Verhältnis der räumt wurde, vom Grundsteuerrecht des Bundes Summen der nach bundesgesetzlich normiertem abzuweichen. Die Einführung dieses Options- Bewertungsrecht berechneten Grundsteuermess- rechts, das grundgesetzlich unmittelbar durch beträge, die die Länder für das dem Ausgleichsjahr Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 Grundgesetz fundiert vorausgehende Kalenderjahr für ihr Gebiet fest- wurde, hat in den Verhandlungen über die Grund- zustellen haben, verteilt werden“. Bedingend wird steuerreform zwischen Bund und Ländern einen vorgegeben, dass die entsprechenden Summen un- wesentlichen Beitrag zur Kompromissfindung ge- ter Vermeidung eines „unverhältnismäßige[n] Ver- leistet. Bisher zeichnet sich ab, dass fünf Länder ei- waltungsaufwand[s]“ zu ermitteln sind. Für die gene, vom Bundesbewertungsrecht abweichende Steuerpflichtigen dürfe das Normierungsverfahren Grundsteuermodelle zur Anwendung bringen „keine gesonderte Erklärungspflicht“ erzeugen. werden. Zwei weitere Länder haben Abweichun- gen vom Grundsteuermodell des Bundes bei den Im Wesentlichen intendieren die getroffenen Re- Grundsteuermesszahlen angekündigt.4 gelungen, dass im bundesstaatlichen Finanzaus- gleich die Grundsteuer bei der Berechnung der Fi- In Bezug auf den bundesstaatlichen Finanzaus- nanzkraft der Länder in dem Umfang anzusetzen gleich bringen die neuen Gestaltungsspielräume ist, der sich ergeben würde, wenn in jedem Land auf der Ebene der Länder jedoch neue Herausfor- das Grundsteuermodell des Bundes zur Anwen- derungen mit sich. War die dezentrale Entschei- dung käme. Abweichungen einzelner Länder vom dungskompetenz in Bezug auf die Grundsteuer- Grundsteuermodell des Bundes wären somit mög- gestaltung bisher auf die kommunale Festlegung lich, ohne dass sie die Berechnung der Finanzkraft der Hebesätze begrenzt, deren Auswirkungen auf und folglich die Höhe der Finanzausgleichsströme das Aufkommen zum Zweck des Finanzausgleichs beeinflussen würden. Diese grundsätzliche Inten- rechnerisch vergleichsweise trivial über hebesatz- tion knüpft an die Zielsetzungen der bisherigen neutrale Grundbeträge bereinigt werden konn- Normierungspraxis an, dezentrale Entscheidungen ten, ergeben sich künftig über die Hebesätze hinaus hinsichtlich der Steuergestaltung und das Finanz im Bewertungsrecht sowie bei den Grundsteuer- ausgleichssystem voneinander wechselseitig zu messzahlen weitere Stellschrauben der Länder zur entkoppeln. Dies gelingt, indem zum einen die Fi- Grundsteuerdifferenzierung. nanzkraftpositionen der einzelnen Länder von de- ren Steuergestaltungsspielräumen unberührt blei- ben und zum anderen Gestaltungsentscheidungen in den Ländern keinem strategischen und entschei- dungsbeeinflussenden Kalkül unterliegen können, 4 Dies ist der Stand zum Redaktionsschluss dieses Artikels am 17. März 2022. Siehe hierzu auch welche Mehr- oder Mindereinnahmen sie im bun- www.bundesfinanzministerium.de/mb/20220314 desstaatlichen Finanzausgleich erzeugen würden. 22
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 Maßstab für das künftige Verfahren Während der Rahmen im Zuge der Grundsteuer- der Grundsteuernormierung reform erkennbar gesetzt worden ist, tritt mit zu- nehmender Klarheit der Gesetzgebungen der Län- Analysen und Berichte An dem Maßstabscharakter, der dem Grundsteu- der hinsichtlich der Grundsteuergestaltung in ermodell des Bundes im neuen Normierungsver- ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich eine Kon- fahren zukommt, lassen weder der Wortlaut des im kretisierung des neuen Normierungsverfahrens Jahr 2025 wirksam werdenden § 8 Abs. 2 FAG noch verstärkt in den Fokus. Im Zuge der Gesetzgebung verschiedene Äußerungen im Rahmen des Gesetz- zur Grundsteuerreform hat das BMF seine Bereit- gebungsverfahrens5 einen Zweifel: schaft zu Protokoll gegeben, „ein alternatives, wir- kungsgleiches, jedoch nicht mit zusätzlichem Er- ● Beispielsweise hielt der für die Grundsteuer- hebungsaufwand (u. a. für die Verwaltung und für reform im Jahr 2019 verantwortliche Bundes- Grundstückseigentümer) verbundenes Verfahren minister der Finanzen Olaf Scholz im Deut- für die Normierung des Grundsteueraufkommens schen Bundestag fest: „Wenn also ein Land von im bundesstaatlichen Finanzausgleich im Konsens dieser Möglichkeit zur Abweichung bei der Re- mit den Ländern zeitnah entwickeln“6 zu wollen. gelung der Grundsteuer Gebrauch macht, kann Dieses Verfahren sei „so auszugestalten, dass für das nicht auf Kosten anderer finanziell schwä- Länder, die von der Öffnungsklausel Gebrauch ma- cher ausgestatteter Länder in Deutschland ge- chen und deren Grundsteuererhebung somit ab- schehen. Diese solidarische Regelung ist ganz weicht, beginnend mit dem Ausgleichsjahr 2028 ein wichtig und bildet eine Grundlage des jetzigen zur bundesrechtlichen Normierung wirkungsglei- Gesetzespaketes.“ ches, alternatives und unbürokratisches Verfahren im Sinne der Länder zur Verfügung steht.“7 ● Ausdrücklich bestätigt wurde seine Sichtweise u. a. durch den seinerzeit stellvertretenden Vor- Wird das politisch gesetzte Ziel einer Gleichheit sitzenden der CDU/CSU-Fraktion, MdB Jung: des Normierungsresultats mit dem Ergebnis ei- „Ja, es ist richtig, was Bundesminister Scholz ner bundesweiten Anwendung des Grundsteuer- gesagt hat. Kein Land kann sich dadurch Vor- modells des Bundes als maßgebend angesehen, so teile erwerben. Maßstab für den Länderfinanz kann dies nur erreicht werden, wenn die für das ausgleich bleibt das Bundesgesetz. Wenn ein Bundesgrundsteuermodell erforderlichen Daten- Land abweicht, dann kann es dadurch nicht grundlagen in allen Ländern bekannt sind und weniger und muss nicht mehr einzahlen. Maß- zum Zweck der Normierung für alle Länder vor- stab bleibt das Bundesgesetz; das ist die Ge- liegen.8 Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann schäftsgrundlage.“ eine Wirkungsgleichheit im Sinne der beschriebe- nen Ergebnisgleichheit nicht sichergestellt wer- ● Schließlich betonte MdB Daldrup in diesem den. Die Probleme, die sich bei einem ersatzweise Zusammenhang die Bedeutung des Grund- steuerrechts des Bundes für die Grundsteuer- normierung mit besonderem Nachdruck: „Um 6 Niederschrift der 965. Sitzung des Finanzausschusses des Bundesrates, S. 4. der Zersplitterung der Grundsteuer entgegen- 7 Ebenda. zuwirken, ist das Bundesrecht maßgeblich für 8 Wirkungsgleichheit kann auch in dem Sinne verstanden die Berechnung im Länderfinanzausgleich; ein werden, dass ein Normierungsverfahren entwickelt wird, bei Sachverhalt, der eigentlich auch ins Grundge- dem die landesindividuelle Gestaltung des Grundsteuerrechts setz gehört.“ keine Rückwirkung auf den bundesstaatlichen Finanzausgleich zur Folge hat („Rückwirkungslosigkeit“, siehe Infobox). Solche Verfahren können auf Basis bundesweit gleichermaßen verfügbarer statistischer Daten entwickelt werden. Eine Ergebnisgleichheit mit der flächendeckenden Anwendung 5 Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 19/107, online abrufbar des Bundesmodells ist – wie erläutert – auch bei solchen unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btp/19/19107.pdf Verfahren nicht zu erreichen. 23
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 gestellten Anspruch der weitgehenden, aber nicht genannt – ergeben, werden im nächsten Abschnitt vollständigen Wirkungs- beziehungsweise Ergeb- diskutiert. nisgleichheit – im Folgenden „Ergebnisähnlichkeit“ „Ergebnisgleiche“ und „ergebnisähnliche“ Normierungsverfahren An einem Zwei-Länder-Beispiel sei zunächst erläutert, wie die sogenannte Normierung der Steuer- kraft erfolgt. Zu diesem Zweck sei unterstellt, dass das in Land i anfallende Steueraufkommen t(i) sich ergäbe, indem die von Land i gesetzlich bestimmte Steuerbemessungsgrundlage mit dem jeweils in Land i gültigen durchschnittlichen kommunalen Steuer-(„Hebe-“)Satz multipliziert würde: t(i) = Steuerbemessungsgrundlage(i) * durchschnittlicher Steuersatz(i) Die Summe der Steueraufkommen beider Länder ist demnach mit der folgenden Formel ermittelbar: T = t(1) + t(2) Um, wie weiter oben erläutert, in einem auf den Ausgleich unterschiedlicher Finanzkraft angeleg- ten System zu verhindern, dass die Steuerbemessungsgrundlage oder der Steuersatz so festgelegt wer- den, dass zum einen die Steuerzahlerinnen und -zahler des eigenen Landes entlastet, zum anderen aber diese Entlastungen über das Finanzausgleichssystem zum Teil refinanziert werden können, wird im Finanzausgleich nicht das Steueraufkommen t(i) berücksichtigt. Stattdessen erfolgt eine Durch- schnittsbetrachtung, mit deren Hilfe die Steuerkraftzahl eines Landes, t‘(i), im Fall einer bundesweit einheitlich festgelegten Steuerbemessungsgrundlage wie folgt berechnet wird: Steuerbemessungsgrundlage(i) t'(i) = T * Steuerbemessungsgrundlage(1)+Steuerbemessungsgrundlage(2) Das gesamte Steueraufkommen T wird den Ländern im Verhältnis der dort jeweils belegenen Steuer- bemessungsgrundlagen zugerechnet. Das Verfahren lässt sich grafisch wie in Abbildung 4 dargestellt veranschaulichen. 24
Analysen und Berichte Monatsbericht des BMF Die Normierung der neuen Grundsteuer im Finanzausgleich – Erforderlichkeit, Möglichkeiten und Grenzen März 2022 Abbildung 4 Mögliche und angestrebte Kombinationen der Grundsteuer- kraftzurechnung zum Zweck des bundesstaatlichen Finanzausgleichs Analysen und Berichte im 2-Länder-Modell in Mrd. Euro 6 5 G r u nds te u e r a u fkom m e n, G r u nds te u e r kr a ft La nd 2 4 3 2 1 0 0 1 2 3 4 5 6 G r u nds te u e r a u fkom m e n, G r u nds te u e r kr a ft La nd 1 Grundsteuerzurechnungen nach Verhältnis der Bemessungsgrundlagen Mögliche Kombinationen der Grundsteuerzurechnung bei Gesamtaufkommen in Höhe von 5,2 Mrd. Euro Daten: Vorläufige Abrechnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs für das Jahr 2020. Quelle: Bundesministerium der Finanzen Für Zwecke dieser Veranschaulichung wurden Da- und Land 2 werden durch die rote Linie in Abbil- ten zweier Länder zugrunde gelegt, wie sie im Fi- dung 4 markiert. Die tatsächliche Zurechnung rich- nanzausgleichsjahr 2020 tatsächlich angefallen tet sich nach dem Verhältnis, nach welchem die ge- sind. Das tatsächliche Steueraufkommen in Land 1 samte Steuerbemessungsgrundlage auf die beiden betrug rund 3,8 Mrd. Euro, in Land 2 betrug es Länder verteilt ist. Dieses Verhältnis betrug in dem rund 1,4 Mrd. Euro. Die möglichen Kombinatio- obengenannten Beispiel rund 67 Prozent (Land 1) nen der Zurechnungen des Steuergesamtaufkom- zu 33 Prozent (Land 2). Alle Aufkommenszurech- mens in Höhe von rund 5,2 Mrd. Euro auf Land 1 nungen nach diesem Verhältnis werden durch die 25
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