EUROPAS ÄCKER IM AUSVERKAUF - Access To Land
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INHALTSVERZEICHNIS Vorwort 3 Einleitung 4 Der Generationenvertrag 6 Die Politische Ökonomie des Landjägers 11 Deutschland: Geteiltes Land 15 Frankreich: Ein Vorbild mit Schönheitsfehlern 19 Von Frankreich lernen? Gespräch mit Sjoerd Wartena 22 Rumänien: Das Landjäger-Paradies 23 Eine verpaßte Chance - Gespräch mit Viviana Vasile 27 Es gibt Handlungsbedarf – Jetzt. 28 Europa muss jetzt handeln – Gespräch mit Kaul Nurm 30 Schlussfolgerungen 31 Impressum, Endnoten 35
Vorwort | Landjäger VORWORT Liebe Leserin, lieber Leser, wir müssen in Europa wieder auf den Gleichzeitig weitet sich die agrarindu- Boden der Tatsachen kommen. Die Land- strielle Erzeugung in immer größeren wirtschaft verliert ihre Bäuerinnen und landwirtschaftlichen Strukturen aus. Das Bauern. Das Modell der bäuerlichen euro- bedroht die Artenvielfalt, das Grundwas- päischen Landwirtschaft steht infrage. ser, unsere ländlichen sozialen Strukturen Es gibt einen schleichenden Prozess der und die Qualität der Lebensmittel. Landkonzentration, der die bäuerliche Landwirtschaft und damit die Zukunft Land, Grünland und Ackerboden sind einer vielfältigen und nachhaltigen Be- keine Handelsware, sondern bäuerliche wirtschaftung unseres Landes untergräbt. Lebensgrundlage. Verantwortliches Bäuerinnen und Bauern verlieren zuneh- Handeln heißt achtsam mit dem Boden mend den Boden auf dem sie wirtschaften umzugehen, die Bodenfruchtbarkeit zu unter ihren Füßen. steigern und einen gerechten Zugang zu Boden für die Menschen die auf ihm leben Moderne Landjäger, oft Kapitalgesell- zu sichern. Landverteilung und Zugang zu schaften, kaufen Land, um auf zukünftige Land sind deshalb gesellschaftspolitische Teuerung der Lebensmittel und Rohstoffe Fragen, die in demokratische Entschei- zu wetten. Bedrohlich ist bei diesem dungsprozesse gehören, nicht an die Prozess, dass er in der Öffentlichkeit kaum Börse. Boden ist keine beliebige Ware! wahrgenommen wird und es auch kaum verlässliche Daten über diese Veränderun- Mit der vorliegenden Studie haben wir gen gibt. Das muss sich dringend ändern. uns bemüht die aktuellen Entwicklungen der neuen Jagd auf Land in Europa bei- Landübernahmen sehen in Europa anders spielhaft an einigen Ländern darzustellen. aus als in Afrika. Landkonzentration geht Wir haben auch mögliche Handlungsan- in der Regel legal über die Bühne. Aber es sätze zusammengetragen. gibt große Unterschiede in den Mitglied- staaten bei der Verteilung und dem Ich möchte mit dieser Arbeit aufrütteln Zugang zu Land. Wer als Bauer überleben und ein Umdenken über unser Land will, muss heute fast überall weiter anstoßen, nicht nur in Deutschland, wachsen und an das dafür nötige Land sondern in ganz Europa. herankommen. Wer neu in die Landwirt- schaft einsteigen will und nicht von den Herzlichst Eltern erbt, hat kaum noch eine Chance. Land ist zunehmend Anlage und Spekula- Maria Heubuch tionsobjekt geworden, nicht mehr in erster Linie Grundlage bäuerlicher Bewirtschaftung. 3
Landjäger | Einleitung EINLEITUNG “ Buy land – they are not making it any more. Mark Twain (1835 -1910) B erlin im März 2015: „Festzustellen ist besitzt, beackert und kontrolliert geht uns gemeinsame europäische Zielsetzung ein starker Anstieg der Pacht- und deshalb alle an. zugrunde liegen. Daraus ergeben sich Kaufpreise landwirtschaftlicher Flä- dann Vorschläge für Gesetze, Regeln und chen mit (…) zunehmender Tendenz. Es Eine Herausforderung für ganz Europa Maßnahmen, über die auf nationaler, kann davon ausgegangen werden, dass regionaler und kommunaler Ebene dazu neben anderen Faktoren auch die Die Alarmsignale, die uns aus vielen Län- gestritten und entschieden werden sollte. Nachfrage außerlandwirtschaftlicher In- dern Europas erreichen, legen nahe, da- vestoren sowohl nach einzelnen Agrarflä- rauf auch auf europäischer Ebene zu Gegenwärtig scheinen die Parlamente, chen wie auch nach Betrieben oder reagieren. Dabei geht es nicht darum, Regierungen, Institutionen und Medien in Betriebsanteilen beiträgt. Die Pacht bzw. Grunderwerb und Landnutzung „von den europäischen Ländern überhaupt erst der Kauf landwirtschaftlicher Flächen ist Brüssel“ aus zu regulieren. Doch da wo zu erahnen, dass der Markt für Agrarflä- für viele Betriebe angesichts der von den Kommunen, Regionen und nationale chen und die Konzentration von Grundei- Flächen zu erwartenden Erträge wirt- Regierungen Herausforderungen gegen- gentum ins Rutschen geraten ist und in schaftlich nicht mehr vertretbar.“ überstehen, die sie allein nicht beherr- immer mehr Regionen Europas aus dem schen können, ist es sinnvoll gemeinsam Ruder läuft. Dieser Weckruf der Bund-Länder-Arbeits- zu handeln. Zudem nimmt die EU längst gruppe Bodenmarktpolitik vom März 2015 erheblichen Einfluss auf den Bodenmarkt. Globale Kräfte, lokale Wirkung macht deutlich, dass der oft als „landgrab- Das geschieht vor allem durch ihre Agrar- bing“ bezeichnete Ausverkauf landwirt- politik, aber auch durch ihre Bestimmun- Der Einstieg des chinesischen Mischkon- schaftlicher Flächen in großem Stil nicht gen zu erneuerbaren Energien, Natur- und zerns FOSUN in das größte deutsche länger ein fernes, afrikanisches oder asia- Umweltschutz, Außenhandel und Freizü- Agrarunternehmen KTG-Agrar im Sommer tisches Problem ist. Er ist vor unserer gigkeit des Kapitals. 2015 (siehe S. 18) wirft ein Schlaglicht Haustür in Deutschland und Europa ange- darauf, wohin die Reise auf dem europäi- kommen. Um globalen und europäischen Herausfor- schen Bodenmarkt gehen könnte. Wenn derungen wie dem Klimawandel, dem der globale Rohstoff- und Finanzmarkt, Wenn landwirtschaftliche Fläche, der Verlust der Artenvielfalt, aber auch der auch nur kurzfristig, die Rentabilität eines Boden also, der uns ernährt und den wir Landflucht und Kapitalkonzentration Geschäftsmodells in Frage stellt, das in als unsere Heimat begreifen, zur welt- wirksam zu begegnen, sollten wir uns zu- diesem Fall auf Wachstum und Monokul- weit handelbaren Ware und zum Speku- nächst gemeinsam ein möglichst präzises turen setzt, wechseln aufgrund von Liqui- lationsobjekt wird, steht vieles auf dem Bild der Lage machen. Wir können uns ditätsengpässen über Nacht Tausende Spiel: Unsere Ernährungssicherheit, die zweitens sicherlich auf einige gemein- Hektar ihren Besitzer. Keine Statistik und Funktionsfähigkeit und Qualität der Öko- same Ziele und Grundsätze verständigen, kein Grundbuch vermerken dies. Keine systeme und Naturräume, die bäuerliche die in Bezug auf den Umgang mit Boden demokratische Entscheidung kann dies Landwirtschaft, der ökonomische und und seine vielfältigen Funktionen unstrit- verhindern, keine Behörde eingreifen. kulturelle Zusammenhalt in den Kommu- tig sind. Drittens sollten wir uns fragen, nen und Regionen Europas und der Gene- wie ein Bodenmarkt beschaffen sein Welche Früchte auf den deutschen und rationenvertrag unserer Gesellschaft. Das sollte, der diesen Zielen und Herausforde- litauischen Äckern des Unternehmens an- fruchtbare Acker- und Grünland ist die rungen gerecht wird. Wo europäisches gebaut werden, ob bio oder konventionell, Grundlage unserer Existenz – auf dem Recht und EU-Gelder dabei eine wesentli- für Teller oder Tank, wohin sie geliefert Land und in der Stadt. Wer Land kauft, che Rolle spielen, sollte ihnen auch eine werden und selbst wo die Gewinne ver- 4
Einleitung | Landjäger WER BRAUCHT NOCH UNSEREN HOF? steuert werden, all dies wird letztlich im Vorstand und Aufsichtsrat einer Holding in Hamburg entschieden. An deren Tisch er will denn unseren Hof? Wir wären natürlich glücklich, meine sitzt zur Verblüffung der Öffentlichkeit mit zunächst 9 Prozent, bald vielleicht mit Kapitalmehrheit, ein Vertreter aus China. W Die Kinder ganz bestimmt nicht. „Da müsste ich mich ja für den Rest meines Lebens verschul- Frau und ich, wenn es doch noch klappt. Aber andererseits ist es viel- leicht auch einfacher, in zehn Jahren den“, hat mein Sohn Gerhard gesagt, alles zu verkaufen. Wir hätten ausge- „und wäre in 10 Jahren trotzdem viel- sorgt. Die Kinder hätten noch was. Die Öffentliche Mittel für private leicht raus aus dem Geschäft.“ Ingrid, Hypotheken würden abgelöst. Das Großunternehmen? Haus könnte bleiben. Der Hof aufgege- seine Liebste, war da noch klarer: Der Hof oder ich! Sie will ihre Stelle behal- ben, die Rente sicher. Ein sauberer Etwa 12 Millionen Euro pro Jahr werden ten, ihre Freiheit, sagt sie, gerade Schnitt. der KTG-Agrar allein an Direktzahlungen auch, wenn die Kinder kommen. Das aus Brüssel überwiesen. Für 53 Megawatt ist schon traurig; aber wir können die Ellerbecks wären dann die letzten, die Energie aus Biogas garantieren deutsche beiden verstehen. Es ist ihr Leben. Die hier im Dorf noch von der Landwirt- Stromkunden dem Unternehmen 20 Jahre Zeiten, in denen der Mensch dem Hof schaft leben. Die würden unsere Flächen lang Luxus-Preise. Hinzu kommt eine Viel- und der Tradition zu dienen hatte, gerne pachten. Aber kaufen könnten zahl staatlicher Investitions-Subventionen, sind vorbei. Für meine Eltern war das die nicht, das ist klar. Da geht es ja noch keine Frage. Für mich schon, vor dann gleich um Summen. Obwohl die eigentlich die ländliche Entwicklung 30 Jahren. Ich habe die Entscheidung Frau Ellerbecks Bruder, der Zahnarzt, fördern und bäuerliche Strukturen erhal- nicht bereut, meine Frau auch nicht schon mal fragte. Sein Anlagenberater ten sollten. Es sind also zu erheblichen habe gesagt, ein Bisschen Land gehöre wirklich. Aber unsere Geschwister hat- Teilen europäische und deutsche Steuer- ten es manches Mal schon auch leich- heute ja zur finanziellen Sicherheit. gelder, die die Gewinne der neuen Agrar- ter im Leben. Na, noch ist es ja nicht so weit … riesen garantieren. Einige von ihnen sind für verschiedene Regionen Europas, so Von den beiden Töchtern will den Hof So oder so ähnlich wie unserem fikti- steht zu befürchten, bereits „too big to bisher auch noch keine. Bei Anna hab ven Betriebsleiter eines durchschnittli- fail“ – zu groß, als dass die öffentliche ich noch Hoffnung. Sie könnte ihre chen Hofes in Westdeutschland – oder Hand sie fallen lassen könnte. Praxis ja hierher verlegen. Ihr Erwin auch in der Bretagne, in Holland, Flan- redet manchmal sogar von einer „soli- dern oder Kärnten - mit etwas mehr darischen Landwirtschaft“, die er auf- als 50 Hektar Land und vielleicht 30 Was sich hier abzeichnet, ist ein grundle- ziehen könnte. Die restlichen Felder Kühen geht es Tausenden von Landwir- gend neues Konzept für die europäische könnten sie verpachten. Der Stall lohnt ten in Deutschland. Ein Drittel von Landwirtschaft. Dabei geht es nicht allein ihnen ist zwischen 55 und 65 Jahre alt, sowieso nicht mehr. Für die beiden um wirtschaftliche Größe oder regionale Kleinen wär es schon was anderes: Die 7 Prozent über 65. Im EU weiten Ver- Monopole. Es geht auch um das Grundver- Tiere, die Natur! Aber jeden Morgen gleich gehören die deutschen Bäuerin- ständnis von Landwirtschaft in der jewei- mit dem Bus zur Schule. Hauptsache, nen und Bauern dabei zu den ligen ländlichen Wirtschaft und Kultur- der Doktor Meininger findet einen Jüngeren. Die Hofnachfolge ist bei landschaft, um die Funktion von fruchtba- Nachfolger, der seine Praxis über- zwei Dritteln aller Haupterwerbsbe- ren Äckern und Weiden und um die nimmt. triebe nicht geregelt. Je kleiner der Hof, Zukunft bäuerlicher Produktion. desto unsicherer die Nachfolge. 1 5
Landjäger | Der Generationenvertrag DER GENERATIONEN- VERTRAG “ Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt – sondern von unseren Kindern geliehen. Indianisches Sprichwort D ie Zahlen erschrecken auf den ers- folger oder eine Hofnachfolgerin haben. Generationen. Den Hof zu halten, den die ten Blick: Nur 8 Prozent aller Be- Die große Mehrheit von ihnen wird den Familie vielleicht seit vielen Generationen triebsleiter in Deutschland sind Hof also noch so lange fortführen wie es bewirtschaftet, kann mit großem Stolz er- unter 35 Jahren, 7 Prozent über 65. Damit geht und danach die Flächen verpachten füllen, aber auch zur großen Belastung liegt Deutschland im oberen Drittel. In oder verkaufen. Jedes Jahr geben etwa werden. Ob das Land ihnen gehört oder Portugal und Rumänien, Großbritannien, 3 Prozent der landwirtschaftlichen sie dem Land gehören ist für manche den Niederlanden und Italien sind nur drei Betriebe in Deutschland auf, im Laufe von Bäuerin und manchen Bauern nicht ganz bis vier Prozent der Landwirte unter 35. zehn Jahren also jeweils ein Viertel. Dieser einfach zu beantworten. Dagegen liegt die Zahl der über 65 jähri- Konzentrationsprozess findet in allen gen Hofbesitzer in Rumänien über Ländern der EU mit unterschiedlicher Eine wirtschaftliche Perspektive für den 50 Prozent, in Italien bei 38 Prozent, in Geschwindigkeit statt. Haupterwerb bietet für viele Erben der Großbritannien bei 27 Prozent und auch in Hof nur bei ausreichender Größe und fort- Holland sind es 18 Prozent. Vergreist Vom Sparschwein zum Neuanfang gesetzten Expansionschancen. Ob die Europas Landwirtschaft? dafür meist erforderliche Verschuldung Acker, Weiden und Wälder sind immer und enorme Arbeits- und Nervenbelas- Zwischen Zukunftsperspektiven und Gegenstand eines Generationenvertrages. tung sich schließlich auszahlen, ist unge- Daseinsversorgung Ein Forstwirt pflanzt für seine Enkel und wiss. Die nüchterne Bilanz lehrt, dass die erntet die Setzlinge seiner Groß- und Ur- Mehrheit einer Generation seit 1945 den Die Alterspyramide weist jedenfalls auf großeltern. Qualität und Fruchtbarkeit Hof, zumindest als Haupterwerbsquelle, große Probleme hin. Dass EU weit von Boden haben ähnliche zeitliche Di- aufgeben musste. Deutschland nach Finnland die wenigsten mensionen. Für die landwirtschaftliche Betriebsleiter im Rentenalter hat, liegt ei- Ökonomie bildet das Grundeigentum ge- Nebenerwerb nur eine Zwischenstation? nerseits daran, dass die Hofaufgabe Vo- wissermaßen das Rückgrat. Was davon raussetzung für den Rentenbezug aus der nicht der Bank gehört steht zur Absiche- Die Mehrheit der Höfe in Deutschland wie Alterssicherung der Landwirte ist. Ande- rung von Investitionen oder der Rente zur in vielen anderen Ländern der EU wird rerseits hat es auch damit zu tun, dass die Verfügung. Der eigene Boden ist auch das heute im Nebenerwerb geführt; häufig Zahl der Haupterwerbslandwirte hierzu- „Sparschwein“ des Betriebes, in dem er- auch dann, wenn dies wirtschaftlich nicht lande bereits unter 100.000 gefallen ist. In wirtschaftete Überschüsse am Besten auf- mehr vertretbar erscheint. Die Identifika- Rumänien dagegen gibt es noch mehr als gehoben sind. Er ist das Unterpfand des tion mit der Tradition und Lebensweise, 3,5 Millionen Höfe und keine Altersversi- Versorgungsanspruches der Alten gegen- die weit mehr ist als irgendeine Erwerbs- cherung für Landwirte. Höfe ohne Nach- über den Jungen und die wirtschaftliche quelle, spielen dabei eine wesentliche folger werden häufig noch bis ins hohe Bilanz einer Generation. Rolle; aber auch die Sicherheit in Krisen- Alter bewirtschaftet. zeiten. Beim Generationenwechsel steht Die Verfügung über Land und Hof tatsäch- all dies auf dem Prüfstand. Häufiger noch Beunruhigend ist, dass in Deutschland lich abzugeben ist kein leichter Akt. Es als beim Haupterwerb entscheiden sich weniger als die Hälfte aller Haupterwerbs- geht dabei um ein Vermögen und ein Le- die Kinder gegen die Fortführung. landwirte über 55 Jahren einen Hofnach- benswerk, nebst denen vergangener 6
Der Generationenvertrag | Landjäger Drei Generationen (hier nur die männliche Hälfte) beim gemeinsamen Hoffest – für viele Landwirte in Deutschland ist dies keine Selbstverständlichkeit mehr. Gemeinsam oder einsam Nachbarschaft den Erben und ihren Fami- Auch die gesellschaftliche Anerkennung lien zu bieten? Wie lange bleiben sie noch des Berufes spielt keine unwichtige Rolle Die betriebswirtschaftlichen Fragen sind intakt? Beginnt die Infrastruktur erst ein- bei der Entscheidung für oder gegen die nur ein Teil der Rechnung. An das Land, das mal zu bröckeln bei der medizinischen Ver- Übernahme eines Hofes. Dorf, die Stätte der eigenen Kindheit ge- sorgung, bei Einzelhandel, öffentlichen bunden zu bleiben und der Weite der Welt, Verkehrsmitteln, Freizeitangebot, kommu- Wird der Bauer schließlich zum Fremdkör- vielen Freiheiten und Optionen des moder- nalen Dienstleistungen und Versorgungs- per im eigenen Dorf, das nach und nach nen Lebens dadurch zu entsagen, ist auch einrichtungen, dreht die Spirale sich zum Vor- und Schlafort der benachbarten ein Opfer. Was hat die Gemeinde, die schnell nach unten. Stadt geworden ist? 7
Landjäger | Der Generationenvertrag Das Leben auf dem Lande mag manchem gewerbliche Tierhaltung zu erhalten. Für niger gefährdet als die Verfügbarkeit land- Städter attraktiver erscheinen als denen, nicht landwirtschaftliche Investoren wie- wirtschaftlicher Flächen für alle. Die Gene- die es seit ihrer Kindheit kennen. Doch die derum ist zumal in Zeiten des billigen Gel- ration der großen Zahl von Kleinbauern, Hürden für einen Neueinstieg in die Land- des die langfristige Wertsteigerung die in Deutschland und vielen anderen Re- wirtschaft sind ist für all jene, die keinen wichtiger als aktuelle Wirtschaftlichkeit. gionen der „alten“ EU ab dem Ende der Hof und kein Land erben, erheblich. Wenn Sie kaufen und verpachten höchstbietend 50er Jahre ihre Landwirtschaft zugunsten nicht bereits in jungen Jahren Kapital zur ohne weiteren Bezug zu ihren Flächen. Das besser bezahlter Industrie- und Dienstleis- Verfügung steht, sind sie fast unüberwind- Ergebnis ist fatal für all jene, die kleintei- tungsarbeitsplätze aufgegeben haben, lich. Zins und Tilgung für den Erwerb eines lige oder mittelständische Existenzen in verpachtete das Land zunächst. Auch ihre landwirtschaftlichen Betriebes, der heute der Landwirtschaft aufbauen oder erhal- Kinder, die noch auf dem Hof groß wurden, in Deutschland eine rentable Größe und ten wollen ohne dabei um jeden Preis das behielten die Verpachtung bei. Erst die Ausstattung aufweist, ist aus dem Über- Letzte an Rendite herauszuholen. Enkel-Generation, die jetzt ihr Erbe antritt, schuss eines landwirtschaftlichen Er- hat häufig den Bezug zum Land ihrer werbslebens kaum zu erwirtschaften. Gezielte Förderung innovativer Konzepte Groß- und Urgroßeltern endgültig statt Subventionen mit der Giesskanne verloren. Für Erbengemeinschaften weit Landerwerb aus Erträgen der Landwirt- verstreuter Nachkommen ist dann der schaft nicht mehr zu bezahlen Junge Familien oder Betriebsgemeinschaf- Verkauf von ein paar Hektar Acker, ten und ökologische, eher werteorientierte Weide und Wald interessanter als dessen Der durchschnittliche Jahresverdienst Neugründungen haben es unter diesen Verwaltung. einer landwirtschaftlichen Fachkraft liegt Bedingungen besonders schwer. Genau deutlich unter dem vergleichbarer Dienst- jene Innovationen, die der Landwirtschaft Wohin solche Flächen letztlich gehen, leistungs- oder Industrieberufe. Die Viel- und regionalen Entwicklung insgesamt kann häufig von einer aktiven, auf früh- falt der Möglichkeiten und Bandbreite von neue Impulse, vielleicht auch engere Ver- zeitige Information und Beteiligung aus- Verdienst und Kosten, erlauben keine pau- bindungen mit städtischen Kunden er- gerichteten Politik der Gemeinden schalen Urteile. Auch die Privatausgaben schließen könnten, haben die geringsten abhängen. Landwirte kurzfristig vor die auf einem Hof unterscheiden sich von Chancen. Die Ausweitung der biologisch Alternative zu stellen, bisher gepachtetes denen eines städtischen Haushalts. bewirtschafteten Flächen ist in vielen Land entweder zu hohen Preisen zu kaufen Dennoch spricht für junge Menschen ohne Regionen der EU nach zwei Jahrzehnten oder zu verlieren, benachteiligt in der nennenswertes Eigenkapital in Deutsch- stetigen Ausbaus fast zum Erliegen ge- Regel erneut die kleineren, für die der Ver- land wirtschaftlich fast alles gegen das kommen, weil durch Biogas-, industrielle lust weniger Hektar bereits den Verlust der Abenteuer einer landwirtschaftlichen Intensivlandwirtschaft und finanzielle Wirtschaftlichkeit bedeuten kann. Betriebsgründung. Spekulation explodierende Pacht- und Kaufpreise mit ehrlicher und nachhaltiger Land in vielen Händen: Steigende Kauf- und Pachtpreise machen Bewirtschaftung und Lebensmittelproduk- Eine neue Strukturpolitik diese Hürden noch höher. Gleichzeitig stei- tion nicht mehr zu erwirtschaften sind. gern sie den Anreiz zum Verkauf. Je größer In vielen Mitgliedstaaten der EU bedeutet die Fläche ist, desto wahrscheinlicher wird Die seit 2014 pauschal um 25 Prozent er- aktive Strukturpolitik und die Förderung es, dass nicht Nachbarn oder Nachfolger, höhten Direktzahlungen für Landwirte der Entwicklung ländlicher Räume längst sondern Landwirte oder Investoren von unter 40 Jahren (in Deutschland für 90, in nicht mehr Konsolidierung und Konzentra- außen zum Zuge kommen, die willens und anderen EU-Ländern für 25 bis 50 Hektar) tion, sondern Erhalt der Vielfalt gerade in der Lage sind, Preise zu bezahlen, die können vielleicht die Hofübergabe be- auch kleinerer und mittlerer Betriebe. Im mit der gegenwärtigen Nutzung der Flä- schleunigen, wo diese ohnehin geplant ist. Osten Deutschlands ist das Gebot der chen gar nicht zu erwirtschaften sind. Sie Gegen die strukturelle Konzentrations- Stunde die systematische Förderung von setzen möglicherweise auf Erhöhung der Dynamik sind sie wirkungslos und werden Neugründungen sowie der Diversifizie- Wirtschaftlichkeit durch Rationalisierung, den Entschluss zur Übernahme kaum ent- rung der dortigen Großbetriebe. Gerade Integration in eine größere Einheit oder scheiden. Dagegen könnte eine gezielte hier müsste und könnte eine neue eine andere Bewirtschaftung. Bevorzugung von Neueinsteigern und Generation junger Bäuerinnen und Bauern Erhaltern kleiner und mittlerer Betriebe hineinwachsen, die willens und in der Lage Biogasanlagen spielten in Deutschland in beim Kauf und der Verpachtung von sind, auf den Trümmern der Landreform, den vergangenen Jahren eine wesentliche Flächen ein wirksames Mittel zur Verjün- Kollektivierung und Wiedervereinigungs- Rolle. In einigen Regionen bemisst sich der gung und Erneuerung sein. Privatisierung tatsächlich blühende Wert des Bodens an der Nachfrage nach Landschaften aufzubauen und manche Flächen für die „Gülleentsorgung“. Enorme Enkel der Nachkriegsgeneration verkaufen monokulturelle Acker-Wüste und Summen können eingespart werden, das Land LPG-Ruine wieder zum Leben zu erwecken. wenn es durch zusätzliche Flächen mög- lich wird, die Einstufung wachsender Tier- Die breite Streuung des Grundeigentums bestände als landwirtschaftliche statt scheint in vielen Staaten der EU heute we- 8
Politische Ökonomie | Landjäger DIE POLITISCHE ÖKONOMIE DES LANDJÄGERS In hundert Jahren schlägt Ackerboden Gold, das kann ich Ihnen garantieren. “ Wenn Sie heute eine Unze Gold kaufen, können Sie die jeden Tag besuchen, sie anhimmeln, streicheln und hätscheln und in hundert Jahren werden Sie doch nur eine Unze Gold haben, die in der Zwischenzeit nichts für Sie getan hat. Wenn Sie aber 100 Acre Land kaufen, wird es Jahr für Jahr für Sie etwas produ- zieren. Das Geld können Sie nutzen, um weiteres Land zu kaufen oder was auch immer. Und das Land haben Sie nach hundert Jahren auch noch immer. (…) Sie können aber auch jemand anderen für einen Teil der Ernte die ganze Arbeit machen lassen und sich hundert Jahre zurücklehnen … Star-Investor Warren Buffett im Interview mit dem TV Sender CNBC, 20122 Die Installation der US amerikanischen Künstlerin Claire Pentecost auf der documenta 13 in Kassel schlug vor, statt des Petro-Dollars den ”Soil-ERG“ als eine bodenbasierte Leitwährung einzuführen.
Landjäger | Politische Ökonomie D ie Preise für landwirtschaftliche Daten im Dunkeln Zehn Gebote für steigende Gebote Nutzflächen haben sich in den letzten 10 Jahren in vielen Regio- Nicht minder beeindruckend sind aller- Was also hat die Landpreise explodieren nen der Europäischen Union glatt verdop- dings die Lücken, die in der europäischen lassen? Wieso klettern sie selbst dann pelt. In Deutschland stiegen sie im und deutschen Preis-Statistik klaffen. So noch, wenn, wie im Moment, die Lebens- Durchschnitt von 8.692 € pro Hektar 2005 schlecht wie beim Preis von Agrarland ist mittelpreise fallen? Auf diese Frage gibt es auf 18.099 € im Jahr 2014. Dabei klafft die statistische Lage in kaum einem Wirt- einige Standardantworten, über die sich eine Spanne zwischen 9.430 € in Thürin- schaftsbereich. In der EU sind die Angaben die meisten Expertinnen und Experten gen und 41.440 € in Bayern. Europaweit der Mitgliedstaaten freiwillig und unvoll- einig sind: gibt es ähnliche Differenzen zwischen den ständig. Der Wille dies zu ändern, ist Niederlanden, Dänemark und Irland in der bisher weder bei der Europäischen Kom- 1) Die bis 2050 auf über neun Milliarden Spitzengruppe mit Durchschnitten über mission noch bei den Mitgliedstaaten be- Menschen anwachsende Weltbevölke- 30.000 € und den baltischen und südost- sonders ausgeprägt. Die Diskussionen rung wird ihre Nachfrage nach Lebens- europäischen Staaten, aber auch Frank- über einen neuen statistischen Standard mitteln und Futtermitteln für die Fleisch- reich deutlich unter 10.000 €. In einer ziehen sich bisher ergebnislos hin. Erst und Milchproduktion bei wachsendem Extraklasse spielt die Insel Malta, auf der kürzlich mokierte sich die Kommission Wohlstand kontinuierlich und massiv durchschnittlich 130.000 € pro Hektar be- über den Mangel an belastbaren Zahlen in steigern. zahlt werden, ein Preis, der nur noch von einer vom Agrarausschuss des Europäi- berühmten französischen Weinlagen schen Parlaments in Auftrag gegebenen 2) Hinzu kommt die steigende Nachfrage übertroffen wird, bei denen ein Hektar für Untersuchung – ohne diese jedoch selbst nach nicht-fossiler Energie und nachwach- „große Gewächse“ sogar über eine Million zu liefern. senden Rohstoffen für die Treibstoff-, kosten kann. Chemie- und Textilindustrie und die soge- Die EU stellt keine ernst zu nehmenden Informationen über die Preisentwicklung landwirtschaftlicher Flächen zur Verfügung. Die Statistik von Eurostat (hier ein Screenshot vom November 2015) ist unvollständig und endet 2009, da also, wo die Preisexplosion für landwirtschaftliche Flächen in vielen Ländern Europas begann. 10
Politische Ökonomie | Landjäger nannte Bioökonomie. Ein Fass ohne Boden, 10) In Zeiten der Inflation, die früher oder minbörsen, in die sich immer mehr von der dessen aktuelle Tiefe von Ölpreis, Techno- später unweigerlich auf die gegenwärtige Wall Street enttäuschtes Kapital flüchtete. logie-Entwicklungen und staatlichen Ein- Geldpolitik folgen müssen, wird Grundbe- In dieser Situation gerieten nach den griffen bestimmt ist. sitz eine der wenigen sicheren Geldanlagen Ackerfrüchten auch die Äcker selbst ins bleiben. Visier privater und staatlicher Anleger und 3) Fruchtbares Land ist ein nicht bzw. nur Spekulanten. Sie suchten nach einem sehr schwer und begrenzt zu vermehren- Blick in den Abgrund „sicheren Hafen“ für ihre Vermögen. Staat- des Gut. Das macht Eigentum an diesem liche Fonds zogen aus, um sich jenseits der Produktionsfaktor zur sicheren Garantie „Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass eigenen Landesgrenzen Ackerland und dafür, an den künftigen Gewinnen der Grundeigentum einen besonders wirksa- dessen Ernten zu sichern. oben erwähnten Wachstumsmärkte teil- men Schutz gegen die Aushöhlung von zuhaben. Vermögenssubstanz darstellt. Denn: Kaum Globales Monopoly in Hungerregionen eine andere Anlageform hat wirtschaftli- 4) Klimawandel und Bodenerosion, Versie- che und politische Krisen so unbeschadet In dieser Zeit wurde der Begriff „landgrab- gelung und Verstädterung verknappen in überstanden.“3 Zwischen den Zeilen dieser bing“ geprägt, um die großflächige Aneig- vielen Regionen der Welt zusätzlich das Empfehlung der Deutschen Bank steckt nung landwirtschaftlicher Flächen unter kostbare Gut des fruchtbaren Bodens. ein Motiv, das in der öffentlichen und poli- nicht immer legalen und selten legitimen tischen Diskussion selten offen ausgespro- Umständen zu beschreiben. Er bezog sich 5) Weil fruchtbarer Boden ein für unser chen wird: die Angst. Wenn auch diffus zunächst auf afrikanische und asiatische Überleben in vieler Hinsicht zentrales Gut und schwer berechenbar ist sie doch eine Regionen, in denen kaum Kataster oder ist, werden in Europa auch weiterhin öf- nicht zu unterschätzende Triebfeder der Landbesitzdokumente existieren. Die Web- fentliche Mittel in die Landwirtschaft flie- gegenwärtigen Jagd auf Land. seite landmatrix.org listet weltweit 39,5 ßen, von denen sich ein Teil immer Millionen Hektar auf, das Zweieinhalbfa- „kapitalisieren“, sprich über die Pacht an Die internationale Sicherheitslage, die glo- che der gesamten Agrarfläche Deutsch- den Eigentümer weiterreichen lässt. bale ökologische Krise, die Ungewissheit lands, die in den vergangenen Jahren in wie lange „das noch gutgeht“ mit dem Portionen über 200 Hektar von ausländi- 6) Die Rohstoff- und Lebensmittelmärkte Wachstum verdichtet sich zu einem tiefen schen Investoren aufgekauft oder langfris- werden immer globaler. Die Kontrolle des Unbehagen gerade in den vermögenderen tig gepachtet wurden. Über weitere Agrarlandes bleibt dagegen staatlich regu- Schichten der europäischen Gesellschaf- 17 Millionen Hektar werde derzeit verhan- liert und begrenzt. ten. Es erzeugt beim Einzelnen wie bei den delt, heißt es. Das von staatlichen und Anlagestrategen großer Pensions- und Ver- zivilgesellschaftlichen Entwicklungs- 7) Es gibt enorme Preisunterschiede für sicherungsfonds ein starkes Bedürfnis organisationen getragene Projekt hat Ackerland und Weiden, aber nicht in glei- nach einem Stückchen Land „für den Not- Informationen gesammelt, wo immer sie chem Maß für ihre Produkte. Grunderwerb fall“. Bei der unvermeidlichen Frage nach zu finden waren. Dennoch geht landma- deutlich unterhalb der Durchschnitts- der Stabilität des Zauns, der um diese Insel trix davon aus, nur die Spitze des Eisbergs preise vergleichbarer Flächen bringt der Sicherheit zur Not gezogen werden zu erfassen. deshalb früher oder später einen Extra- muss, beißt sich die Katze der Angst dann gewinn. in den eigenen Schwanz. 8) Die Preisentwicklung für Land verläuft Am Anfang waren Finanz- und nicht parallel zur Wirtschaftsentwicklung Hungerkrisen anderer wichtiger Industrie- und Dienst- leistungssektoren. Deshalb eignet sich Die neue Attraktivität von Ackerland für Grundeigentum besonders gut zur Absi- internationale Investoren lässt sich ziem- cherung von Börsen-Risiken. lich präzise auf die Jahre 2007/2008 datie- ren, als die Finanzkrise sich mit 9) Weil die Zinsen auf einem historischen Preisexplosionen für Agrarrohstoffe und Tiefpunkt verharren, ist die traditionell schlechten Ernten überschnitt. Der Lebens- niedrige Verzinsung von Grundeigentum mittelpreis-Index der Welternährungsor- gegenwärtig dennoch interessant. Enorme ganisation FAO verdoppelte sich in einem Geldmengen, wie sie gegenwärtig von der Jahr. Bilder von Hungerrevolten in arabi- Europäischen Zentralbank in den Markt schen, afrikanischen und asiatischen Me- gepumpt werden, können billigst tropolen gingen um die Welt. Regierungen Geschmacklos aber treffend: Während der Hungerkrise beschafft und fast ohne Risiko in den gerieten ins Wanken. Verstärkt wurde die 2008, die nicht zuletzt durch Spekulationen mit Agrar- rohstoffen angeheizt wurde, warb die Deutsche Bank Grunderwerb investiert werden. Dramatik von massiven Lebensmittel- und ausgerechnet auf Bäckertüten für einen Agrar-Rohstoff- Rohstoff-Spekulationen an den Warenter- Fonds. 11
Landjäger | Politische Ökonomie Globales landgrabbing im Überblick: www.landmatrix.org listet hier alle bereits getätigten und geplanten Landverkäufe über 200 Hektar nach Kontinenten und Nutzung des Landes auf, die ihnen bekannt sind.4 Der Schwerpunkt der globalen Landjäger vestitionen in Grund und Boden als si- schaft gewinnt ihre kleinteilige Vielfalt zu- liegt in Afrika, besonders in armen Ländern cherste langfristige Anlageform. Die be- rück. Alte Landrassen und Sorten werden mit sehr schwachen und undemokrati- rühmte Devise „kaufe wenn Blut auf den bestenfalls in Genbanken erhalten, wo das schen Regierungen und einer hohen Zahl Straßen fließt“ gilt hier höchstens noch Wissen über sie verloren geht. von Hungernden. Dennoch dienen nach im übertragenen Sinne. Anders bereits an Nicht jeder Ausverkauf der Flächen ist frei- den Erkenntnissen von landmatrix nur den östlichen Außengrenzen der EU, wo lich ein Schlussakkord. Wird die Fläche ver- 13 Prozent der „gegrabschten“ Flächen in Hunderttausende Hektar fruchtbarster kauft aber zurückgepachtet, kann dies in Afrika ausschließlich der Lebensmittelpro- Schwarzerde auf beiden Seiten der ukraini- schwierigen Situationen die Rettung be- duktion. Der Rest dient der Futter- der schen Bürgerkriegs-Linie ihre Besitzer deuten, oder die Finanzierung von Investi- Energieproduktion oder gemischtem wechseln. tionen und Expansion ermöglichen. Anbau. In der zweiten Schwerpunktregion, Südostasien, geht es vor allem um Palmöl- Ausverkauf des europäischen Pacht als Macht der Vergangenheit plantagen. Agrarmodells Die Trennung von Eigentum und Besitz, Landgrabbing war immer schon In der Europäischen Union erfährt der seit also Bewirtschaftung des Landes auf Basis einem halben Jahrhundert als Ziel der Ge- meist langfristiger Pachtverträge, schreitet Das Phänomen ist alles andere als neu. In meinsamen Agrarpolitik betriebene in Europa seit langem stetig voran. Sie ist der Geschichte der Menschheit ging Land- schrittweise Strukturwandel zu immer im Westen vor allem die Folge des Struk- nahme seit Kain und Abel mit Gewalt, Un- größeren landwirtschaftlichen Unterneh- turwandels während der letzten beiden recht, Betrug und Verrat einher. Ob in men, gegenwärtig einen besonderen Generationen. In den meisten Ländern Europa, Asien, Afrika oder Amerika: Am Ur- Schub. Dabei geht es in aller Regel durch- geben Familien, die ihre Landwirtschaft sprung fast allen feudalen oder bürgerli- aus mit rechten Dingen zu. Es werden aufgeben, deshalb noch nicht das Grundei- chen Grundbesitzes stehen Krieg, Gewalt weder Menschenrechte verletzt, noch wird gentum auf, sondern verpachten die und das Recht des Stärkeren. Häufig fin- Gewalt angewandt oder angedroht. Die Flächen. Hinzu kommen traditionelle den sie vor und nach der Auflösung einer Preise, die bezahlt werden, reichen oftmals Grundeigentümer, wie in Deutschland und gesellschaftlichen Ordnung statt. dazu, eine Existenz nach Aufgabe des anderen Ländern die katholische und Hofes solide auszustatten. evangelische Kirche oder auch Eigentums- Gelegenheit macht bekanntlich Diebe und verhältnisse, die sich aus der Feudalzeit er- auch Schnäppchenjäger. Für Investoren ist Dennoch können die Folgen für die Land- halten haben. In vielen osteuropäischen die Frage entscheidend wie schnell sich schaft und ländliche Entwicklung, für Kul- Ländern war der Strukturwandel mit der nach der Gelegenheit der Aneignung die tur und Ökologie fatal sein. Sie lassen sich sozialistischen Brechstange der Zwangs- Tür wieder schließt und wie verlässlich ihr kaum rückgängig machen. Einmal aufge- kollektivierung erfolgt, die jedoch nicht neues Eigentum danach geschützt ist. gebene Hofstätten kommen nicht zurück. überall die Eigentumsverhältnisse betraf. Europa scheint in dieser Hinsicht ein siche- Kaum ein verlassenes Dorf wird je wieder Dennoch war in den meisten ehemals so- rer Hafen. In der gesamten EU gelten In- belebt. Keine ausgeräumte Kulturland- zialistischen Staaten die bäuerliche Tradi- 12
Politische Ökonomie | Landjäger Das meiste Land in Europa ist verpachtet 100 96 90 89 86 85 81 80 74 70 70 66 64 60 60 58 53 53 51 50 50 46 43 43 40 40 40 36 35 33 31 29 30 28 27 20 17 10 Slowakei Tschechische Rep. Frankreich Malta Belgien Deutschland Zypern Ungarn Estland Litauen EU Schweden Griechenland Luxemburg Rumänien Lettland Großbritannien Niederlande Italien Spanien Finnland Slowenien Österreich Polen Portugal Dänemark Irland Bulgarien Der prozentuale Anteil des Pachtlandes an der landwirtschaftlichen Fläche der Mitgliedstaaten der EU. Der größte Teil des Landes gehört nicht denen, die es bewirtschaften. Quelle: Eurostat nach Swinnen und Knops (2013) tion jenseits der selbstverständlichen Sub- als Ökologisierungs- und Innovations- das Land häufig weiter an den gleichen sistenzgärtnerei und Kleintierhaltung kräfte auf dem Lande erhalten und för- Landwirt. Kommt dabei ein persönlicher praktisch verschüttet. Die wenigsten der dern. Das wird in all diesen Staaten auch Bezug zu dem Landwirt oder der neu etablierten Eigentümer können mit diskutiert. Konsequenzen wurden – von Gemeinde hinzu, bleibt eine gesunde und dem Land selbst etwas anfangen und wenigen bemerkenswerten, v.a. regionalen breit gestreute Eigentümerstruktur auch verpachten es deshalb an die aus den Ausnahmen abgesehen – bisher leider bei der Übernahme durch Nichtlandwirte ehemaligen Kollektiven hervorgegange- kaum gezogen. erhalten. nen neuen Agrarunternehmen, die dabei die Bedingungen diktieren. Der eigentli- Gekauft wird das Land in der „alten EU“ zu Hinzu kommt, auch bei allen bäuerlichen che, landwirtschaftliche Konzentrations- steigenden Preisen in erster Linie von Eigentümern, die kleine und manchmal prozess spielt sich deshalb zum größeren Wachstumsbetrieben. Die Absicherung der auch größere Hoffnung, der Wert der eige- Teil auf dem Pachtmarkt und zu einem Rohstoff-Basis und Qualität der eigenen nen Fläche könne sich durch Umwidmung kleineren Teil in Form von klassischem Produkte in Verbindung mit einer sinnvol- zu Bau- oder Bauerwartungsland verviel- Grunderwerb ab. len, langfristigen Geldanlage, wird seit fältigen. Denn wo immer der „Fluch der einiger Zeit auch für Verarbeiter und Versiegelung und des Verlustes an Acker- Im Westen nichts Neues: Händler besonders höherwertiger Lebens- boden“ im Einzelnen hinfällt, erwächst im Wachsen oder Weichen mittel zum Motiv für den Erwerb eigener Privaten doch über Nacht ein kleines Ver- Betriebe und Flächen. Sie ergänzen oder mögen. In den westlichen EU-Staaten Deutschland ersetzen möglicherweise schon beste- (West), Frankreich, den Benelux-Staaten, in hende Vertragslandwirtschaft. Hinzu kom- Europäische Freiheit im Wilden Osten Österreich, den skandinavischen Ländern, men branchenfremde Unternehmer, die Irland und Großbritannien, aber auch in anderweitig verdiente Vermögen in Agrar- Anders sieht die Lage in den östlichen Mit- Italien, Spanien und Portugal geht dieser betriebe und Pferdehaltungen stecken und gliedstaaten aus, in denen sich vor und un- „klassische“ Strukturwandel in unter- zum Teil an die Romantik bürgerlicher mittelbar nach ihrem Beitritt zur schiedlich beschleunigtem Tempo seinen Rittergüter des 19. Jahrhunderts erinnern. Europäischen Union größtenteils nicht nur Gang. Dabei müsste die EU Agrarpolitik Der Anteil der Nichtlandwirte unter den gesellschaftliche Revolutionen, sondern längst den Hebel umlegen und kleine und Käufern von Agrarflächen stieg in den ver- auch massive Umverteilungen von Landei- mittlere Landwirtschaftsbetriebe gezielt gangenen Jahren moderat. Sie verpachten gentum und noch massivere Verschiebun- 13
Landjäger | Politische Ökonomie gen der Kontrolle über das Acker- und Wei- deland abspielten. Das betrifft besonders Rumänien, Ungarn und Bulgarien, aber auch die Slowakei, Tschechien, die balti- schen Staaten und nicht zuletzt das Gebiet der ehemaligen DDR. West-Kolchosen Der Ausgangspunkt waren dabei größten- teils spezialisierte, sozialistische Agrarin- dustriebetriebe. Das Endprodukt sind erneut große, industriell organisierte Ein- heiten und Monokulturen, die sich nun mit kapitalistischer Präzision und neuen Eigen- tumsstrukturen, häufig unter westlicher Regie mit einem Bruchteil der Belegschaft auf den Weltmarkt und in hohem Maße auf andere Produkte als Lebensmittel aus- richten. Die in all diesen Ländern, mit Ausnahme Deutschlands, vorsorglich eingezogenen rechtlichen Sicherheitsstreben, die die ländlichen Räume und Landwirte vor aus- Vorwärts immer – rückwärts nimmer? Der Fortschritt nützt sich auf dem Lande in Ost wie West oft schneller ab ländischen Investoren und feindlichen als geplant. Übernahmen für eine Übergangszeit von 20 Jahren schützen sollten, sind mittler- Vermeidung spekulativen Drucks auf die Earth oder noch detaillierterer Drohnenbil- weile ausgelaufen. Sie konnten vielleicht Bodenpreise festzulegen“, heißt es in der der als aus eigener, gar regelmäßiger An- zunächst einiges, letztlich aber nichts We- Begründung, „doch muss dies im Einklang schauung und Begegnung. Ihre „remote sentliches verhindern und brachten häufig mit dem EU-Recht geschehen.“ 5 Nicht control“ Systeme zur Kontrolle und Opti- nur einheimische Subunternehmer oder gerechtfertigt seien u.a. Anforderungen mierung der Abläufe lassen sich technisch Strohmänner ins Geschäft. Zu vielfältig zu Wohnsitz und Ortsansässigkeit der und kulturell leichter mit dem LPIS-System waren auf der einen Seite die Möglichkei- Erwerber, ihren landwirtschaftlichen Quali- der EU zur elektronischen Identifizierung ten, die Schutzmaßnahmen legal oder fikationen sowie die Diskriminierung juris- landwirtschaftlicher Parzellen verbinden auch nicht ganz so legal zu umgehen. tischer gegenüber natürlichen Personen. und integrieren, als mit den Menschen, Tieren und Pflanzen vor Ort. Letztlich Zu eng und dogmatisch neoliberal legen Eben dieser Wechsel der Eigentumsstruk- geben die von Hamburg über Peking bis nun auf der anderen Seite die Europäi- tur jedoch, von natürlichen Personen, na- Qatar verstreuten Anteilseigner den Aus- schen Institutionen den absoluten Vorrang mentlich Bäuerinnen und Bauern und schlag wie das Land bewirtschafet wird der sogenannten Grundfreiheiten der EU deren Familien, zu juristischen Personen und nicht mehr die Nachbarn, die Kunden aus. Der „freie Verkehr von Waren, Perso- wie GmbHs, Aktiengesellschaften, Kom- und die Gemeinde. Die Tradition, Kultur nen, Dienstleistungen und Kapital“ soll manditgesellschaften und internationalen und demokratische Willensbildung vor Ort von keinerlei lokalen Kontrolle und Protek- Holdings ist die fundamentale Verände- verliert entscheidenden Einfluss. Wie aller tionismus getrübt werden. Im März 2015 rung der politischen Ökonomie der Land- Wandel auf dem Lande und in der Land- eröffnete die EU-Kommission gegen Bul- wirtschaft Europas. Letztere werden wirtschaft geht auch dieser schrittweise garien, Ungarn, Litauen, die Slowakei und kontrolliert von Verwaltern, Aktionären vonstatten. Doch wem die ganze Richtung Lettland Vertragsverletzungsverfahren und Interessen, die weit weg sind vom nicht passt, der sollte beizeiten nach effek- wegen deren Beschränkungen für den Land und Ort des Geschehens. tiven Möglichkeiten suchen, sich diese Art Grunderwerb. „Zwar ist es den Mitglied- der Landjäger vom Acker zu halten. staaten gestattet, ihre eigenen Vorschrif- Ferngesteuerte Landwirtschaft ten zur Förderung der ländlichen Entwicklung, zur Gewährleistung der Moderne Landjäger kennen und durch- landwirtschaftlichen Nutzung und zur streifen ihr Land eher mit Hilfe von Google 14
Deutschland | Landjäger DEUTSCHLAND: GETEILTES LAND “ Eine Statistik des Grundeigentums gibt es in Deutschland nicht. Bericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Bodenmarktpolitik L andgrabbing in Deutschland? Auf den Deutschland mehr als 2 Hektar bewirt- Verwaltungs- GmbH (BVVG). Knapp ersten Blick sicherlich eine absurde schafteten, sind im Jahre 2013 noch 600.000 Hektar gingen zu Vorzugspreisen, Vorstellung. Wo, wenn nicht hier geht 285.000 übrig. Diese Zahl sinkt weiter. In die 35 Prozent unter dem amtlich ermittel- schließlich alles mit rechten Dingen zu? normalen Jahren geben etwa zwei bis drei ten Verkehrswert lagen, an deren aktuelle Das stimmt natürlich, zumindest weitest- der Höfe auf, in Krisenjahren können es Pächter, vornehmlich große Landwirt- gehend, in Bezug auf die rechtlich ein- auch einmal deutlich mehr Betriebe sein. schaftsunternehmen, die aus den sozi- wandfreie Übertragung von Eigentums- alistischen Produktionsgenossenschaften rechten und Grundbucheintragungen. So- Die große Umverteilung hervorgegangen waren. Erben von Gütern, weit bekannt, ist auch die breite Streuung deren Enteignung durch die sowjetische von Grundeigentum nur in wenigen Regio- Dieser „normale Strukturwandel“ in der Besatzungsmacht vor 1949 nach der Verei- nen Deutschlands tatsächlich in Gefahr. deutschen Landwirtschaft wird freilich von nigung nicht rückgängig gemacht wurde, Allerdings nimmt die Konzentration der dem viel tieferen Wandel der Agrarstruk- konnten zum gleichen Vorzugspreis etwas Verfügung über die landwirtschaftlichen tur durch die Wiedervereinigung überla- mehr als 60.000 Hektar kaufen und haben Flächen seit Jahrzehnten kontinuierlich zu gert. In ihrem Zuge wurden zwei der Anspruch auf weitere 9.000 Hektar. und beschleunigt sich in den letzten Jah- insgesamt 6,2 Millionen Hektar Agrarflä- Ab 2007 verkaufte die BVVG dann mehr ren noch. che der DDR von der Treuhandanstalt aus und mehr Flächen über öffentliche Aus- deren Staatseigentum übernommen. schreibungen. Seither sind die Preise ex- Mittlerweile gehören etwa 70 Prozent aller Davon wurde gut eine Million an öffentli- plosionsartig gestiegen. 2014 erzielte sie Agrarflächen in Deutschland nicht den che und private Alteigentümer zurück bei Verkehrswertverkäufen durchschnitt- Landwirten, die sie bewirtschaften. 1960 übertragen. lich 17.269 € pro Hektar gegenüber 5.494 € betrug dieser Anteil in der alten BRD erst im Jahr 2007 . Anders ausgedrückt beträgt 15 Prozent. Von 1,4 Millionen landwirt- Den Rest verkauft die 1992 gegründete, der Verkehrswert des größten Teils der von schaftlichen Betrieben, die 1949 in bundeseigene Bodenverwertungs- und der BVVG verkauften Flächen ein Vielfa- 15
Landjäger | Deutschland ches, nicht das Zehnfache der in den ausgeschrieben wurden, meldeten sich mensionen und heutigen Grundstücks- ersten Jahren aufgerufenen Sonderpreise auch überregionale und internationale In- preisen schnell fällig sind, werden schwer- und dürfte weiter steigen. Denn noch teressenten und trieben die Preise auf ein lich von jungen Landwirten und immer liegen die Preise in Ostdeutschland viel höheres Niveau. Gegen Vorschläge, zur bäuerlichen Familienbetrieben aufge- deutlich unter denen im Westen, wo Dämpfung der Preisentwicklung das Land bracht. Sie sind in aller Regel in der Land- Bayern, Nordrhein-Westfalen und Nieder- zu eher niedrigen Festpreisen zu verkaufen wirtschaft überhaupt nicht zu verdienen. sachsen an der Spitze liegen. als mittels offener Ausschreibungen, argu- Der schnelle Reichtum muss deshalb, wo mentierte Horstmann, das Land werde oh- er bei Ausscheiden der Eigner realisiert Mitte 2015 hatte die BVVG noch 174.600 nehin von den „leistungsfähigeren“ unter werden soll, von anderen Investoren be- ha landwirtschaftliche und 15.000 ha den ostdeutschen Agrarbetrieben gekauft zahlt werden. forstwirtschaftliche Flächen im Bestand. In werden. Ihre Begünstigung sei erstens den 23 Jahren ihres Wirkens haben sich in eine versteckte Subvention und zweitens Keine Kultur des Generationswechsels den neuen Bundesländern Eigentums- und nur ein Anreiz, die Differenz zum erzielba- Agrarstrukturen etabliert, die so nicht ein- ren Marktpreis früher oder später auf ei- Der Bericht einer Bund-Länder Arbeits- mal zu Feudalzeiten üblich waren und die gene Rechnung zu versilbern. gruppe Bodenmarktpolitik an den Bundes- Dimensionen des Sozialismus noch über- und die Landesagrarminister in der treffen. Zu diesen Vermögensumverteilun- „Diese Betriebe konnten die Flächen zu- deutschen Agrarministerkonferenz (AMK gen durch die BVVG kamen in dieser Zeit nächst einmal zu günstigen Konditionen Bericht) vom März 2015 7 beschreibt die eine große Zahl von Privatverkäufen klei- pachten. Auf der Grundlage dieser lang- Herausforderung so: „Durch die Vermö- nerer Flächen, die ab 1945 unter der Parole fristigen Pachtverträge waren sie dann be- genskonzentration in vielen größeren „Junkerland in Bauernhand“ an ehemalige rechtigt, Flächen zu den begünstigten Betrieben sind in den letzten 20 Jahren Landarbeiter, Kleinbauern und Kriegsver- Bedingungen der EALG, also zu 35% unter die teils sehr hohen Abfindungskosten triebene verteilt worden waren, um wenig dem Verkehrswert zu erwerben. Schließlich ausscheidender Gesellschafter eher von später in den LPGs wieder zwangskollekti- folgte jetzt eine weitere Begünstigung, finanzstarken Unternehmen finanzier- viert zu werden. Die Preise für diese Flä- wenn sie die gepachteten Flächen direkt zu bar“. Nach seiner Einschätzung „fehlt es in chen lagen und liegen deutlich unter den einem Kaufpreis erwerben könnten, der größeren Agrarunternehmen mit mehre- von der BVVG erzielten. deutlich unter demjenigen liegt, der im ren oder einer Vielzahl von Eigentümern Falle von Ausschreibungen gezahlt werden häufig an einer ‚Kultur des Generations- Immer auf den größten Haufen müsste“, wetterte der BVVG-Mann. Aus wechsels‘. Dies erleichtert die Übernahme seiner Sicht „stellt sich auch die Frage der dieser Betriebe durch außerlandwirt- „Es ist zu vermuten, dass Bodeneigentümer, gesellschaftlichen Akzeptanz, da der durch schaftliche Investoren oder andere bereits die ihre im Zuge der Bodenreform erhalte- ‚Flächenhandel‘ erzielte Mehrerlös aus der bestehende landwirtschaftliche Großbe- nen Flächen veräußern wollen, oftmals Landwirtschaft abfließt und zu einer Ver- triebe.“ keine Alternativen zu einem Verkauf an den mögensbildung in auf andere Weise kaum bisherigen Pächter haben“, erklärte der erreichbarem Ausmaß auf Seiten Privater Die Investoren waren von an Anfang an in ehemalige Geschäftsführer der Treuhand, führt.“ Bleibt die Frage weshalb die BVVG erster Linie westdeutsche Unternehmen. Dr. Horstmann diesen Umstand bei einem es unter Herrn Horstmanns Führung es In wachsendem Maße handelt sich dabei Vortrag.6 Möglicherweise hätten sie auch auf Kosten der Agrarstruktur zu solchen mittlerweile um überregionale, zuweilen keine realistische Vorstellung vom Wert Verwerfungen und Bereicherungen hat auch internationale Holdings, die in ver- ihrer Grundstücke gehabt. Einzelne Inseln kommen lassen. schiedene Agrarunternehmen investieren innerhalb der großen Schläge der LPG- bzw. diese übernehmen. Nachfolgeunternehmen lassen sich prak- Von der Produktionsgenossenschaft zur tisch von keinem anderen Landwirt Holding Unkontrollierte Konzentration bewirtschaften. Besonders dann nicht, wenn es gar keine anderen Landwirt- In der Regel deutlich über dem Preisniveau Diese Form der weitgehend unkontrollier- schaftsbetriebe in der Umgebung mehr für einzelne Flächen liegen die Preise bei ten Konzentration, die in der Zulieferindus- gibt. „Die insgesamt von diesen juristischen der Form des Landverkaufs, in der mittler- trie und in der Verarbeitung und dem Personen bewirtschaftete Fläche macht weile der größte Teil der Flächen gehan- Handel mit Lebensmitteln und Agrarroh- etwa 55% der gesamten landwirtschaftli- delt wird. Gekauft wird nicht das Land, stoffen längst stattgefunden hat, ist in der chen Nutzfläche der fünf neuen Bundeslän- sondern das Unternehmen (bzw. Anteile eigentlichen Agrarproduktion ein neues der aus“, erklärte Horstmann bereits 2010. daran), dem es gehört und das meist noch Phänomen, das sich bisher noch auf die weiteres Land dazu gepachtet hat. Das ehemalige DDR beschränkt. Höchst unterschiedliche Preise vermeidet die Grunderwerbssteuer, wird von den Gesetzen zur Kontrolle des Grund- Grundstücksverkehrsgesetz soll "unge- Wo die BVVG 20 bis 50 Hektar ausschreibt, stückshandels nicht erfasst und ermög- sunde Verteilung" des Bodens verhindern werden andere Preise bezahlt, größtenteils licht es Anlegern, de facto anonym zu von örtlichen Agrarunternehmen. Wo da- bleiben. Zweistellige Millionenbeträge, die Wer in Deutschland landwirtschaftliche gegen ausnahmsweise größere Schläge bei den hier üblichen Unternehmensdi- Flächen erwerben will, sollte Landwirt 16
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