D MOXX: XX Social Media bei der NASA - Scott Kelly, lebt ein Jahr im Weltall Unternehmensmagazin September 2015
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D MO XX:sich Grand Opening: So offen präsentiert XXdas umgebaute Ringier Pressehaus Social Media bei der NASA Scott Kelly, lebt ein Jahr im Weltall Unternehmensmagazin September 2015
inhalt 14 4D er Star im virtuellen Kosmos Das September- Das Social-Media-Universum der NASA ist gigantisch. Seine Follower sind reich DOMO als an der Zahl und seine Hauptakteure von einem anderen Stern. Wie eine eMagazin bürokratische Bundesbehörde zum Liebling des Internets wurde. 14 Hipster-Heftli «Print Matters!» trifft den Nerv von Papierliebhabern. Zürichs hipster Kiosk präsentiert hundert Magazine. 16 Blickpunkt Ringier Die besten Pressefotos des Quartals 18 Interview Der Schweizer Schriftsteller Lukas Bärfuss über Journalisten und deren Alltagsrealitäten. 4 20 Das «neue» Pressehaus Offen zur Welt – so gibt sich der Ringier Hauptsitz nach seinem Umbau. 24 Inhouse 16 20 Die Westschweizer Tageszeitung Le Temps erscheint ab 1. Oktober mit neuer Formel, neuem Look und neuem Online-Auftritt. ingier trifft Stars 26 R Fernsehstar Michelle Hunziker lässt keinen kalt – auch nicht DOMO-Autor René Haenig. ichael Ringier 28 M Der Verleger über die traurige Wirklich- keit in journalistischen Schreib- und Sendestuben. alk 29 T Fragen ans Management. 18 nter uns 30 U Nachruf / Dienstjubiläen / Buch-Tipps. Cover: Marco Grob für «TIME» SUPLÉMENT CULTURE SAMEDI 00 MAI 2015 Samedi Impressum Herausgeber: Ringier AG, Corporate Com- munications. Leitung: Edi Estermann, CCO, Dufourstrasse 23, 8008 Zürich. Chefredakto- Velázquez rin: Bettina Bono. Redaktionelle Mitarbeit: Le maître des regards s’expose Ulli Glantz (visuelle Umsetzung), René Haenig, à Paris Peter Hossli, Hannes Britschgi, Adrian Meyer. Übersetzer: Xavier Pellegrini/Textes.ch 26 (Französisch), Claudia Bodmer (Englisch), Ioana Chivoiu, Izabela Paraschiv (Rumänisch), 24 Lin Chao/Yuan Pei Translation (Chinesisch). Korrektorat: Peter Hofer, Regula Osman, MOTCLE Nonummy nibh euismod magna aliquam erat volutpat. quis nostrud exerci etat tation tincidunt uret laoreet dolore Ut wisi enim ad minim veniam, magna aliquam erat volutpat. Ut wisi enim ad minim veniam, Kurt Schuiki (Deutsch), Patrick Morier-Genoud ullamcorper suscipit lobortis quis nostrud exerci etat tation ut aliquip Nonummy nibh euismod nisl ullamcorper suscipit lobortis ut aliquip. Nonummy nibh euismod nisl tincidunt uret laoreet dolore tincidunt uret laoreet dolore magna erat 465 signes. ● ● ● PAGE 5 (Französisch), Claudia Bodmer (Englisch), Mihaela MOTCLÉ DOLOR IPSUM SIT MOTCLÉ DOLOR Stănculescu, Lucia Gruescu (Rumänisch). Layout / AMET ADISCIPING IPSUM SIT AMET Sed diam nonummy nibh euismod laoreet dolore magna aliquam tincidunt ut erat volutpat. ADISCIPING Produktion: Zuni Halpern (Schweiz), Jinrong Ut wisi enim ad minim, quis nostrud exerci Sed diam nonummy nibh adisciping 165 signes. ● ● euismod ● PAGE 00 tincidunt ut laoreet dolore magna aliquam erat volutpat. Ut wisi enim ad minim, quis nostrud 145 signes. ● ● ● PAGE 00 Zheng (China). Bildbearbeitung: Ringier MOTCLÉ DOLOR IPSUM SIT Redaktions Services Zürich. Druck: Ringier Print Retrouver Le cahier livres de la semaine avec Claude Levi-Strauss, Nom autre auteur, Nom autre AMET ADISCIPING LOREMES Nom autre 130 ● ● ● PAGE I auteur, Sed diam nonummy nibh euismod magna aliquam erat volutpat. tincidunt ut laoreet dolore Ut wisi enim ad minim, quis nostrud exerci adisciping Ostrava und SNP Leefung Printers. Nachdruck 165 signes. ● ● ● PAGE 00 letemps.ch CONSULTEZ l’agenda culture sur notre site. (auch auszugsweise) nur mit Einverständnis der Redaktion. Auflage: 12 400 Exemplare. DOMO erscheint auf Deutsch, Französisch, Englisch, Rumänisch und Chinesisch. Fotos: Marcel Nöcker, NASA (2), Geslin Laurant für L‘illustré, Dukas, Thomas Buchwalder, Lucian Hunziker/Ex-Press,Eddy Mottaz DOMO – September 2015 | 3
Nasa NASA-Astronaut Scott Kelly, 51, verbringt ein Jahr in der Internationalen Raumstation, 400 Kilometer von der Erde entfernt. Wie er diese Zeit erlebt, lässt er uns via Twitter, Instagram und Facebook täglich wissen. Der leuchtende Stern In einer Zeit, in der jedes Unternehmen Social Media effizient nutzen und Follower generieren will, hat sich eine bürokratische Bundesbehörde still und heimlich zum Liebling des Internets entwickelt: Die amerikanische im virtuellen Kosmos Raumfahrtbehörde NASA. Astronauten wie Scott Kelly twittern aus dem Weltall. Alles über die wohl genialste Social-Media-Strategie der heutigen Zeit. Fotografie von Marco Grob 4 | DOMO – September 2015 DOMO – September 2015 | 5
Nasa Text: Bettina Bono D er Auftrag kam von höchster Stelle: «Viel Glück, Captain. Sor- gen Sie dafür, dass wir auf Instagram was zu sehen bekommen. Wir sind stolz auf Sie.» Klare Worte von US-Präsident Barack Obama in seiner Rede zur Lage der Nation am 20. Januar 2015, gerichtet an NASA-Astronaut Scott Kelly. Seit der Amerikaner am 27. März 2015 zum einjährigen Aufenthalt in der Internationalen Raumstation (ISS) gestartet ist, entspricht er dem Wunsch des Chefs: Täglich erreichen uns auf der Erde Instagram-Bilder von stationcdrkelly. Ebenso fleissig schickt uns @StationCDRKelly seine Tweets durchs Universum. Der Hashtag #YearInSpace, welcher für Kellys einjährigen Aufenthalt im Weltall steht, zählt zu den populärs- tisch. Wie das richtige Universum ten bei Menschen, die der NASA auf startete es mit einem Knall. Und Social Media folgen. zwar am 25. Mai 2008, als die Raum- sonde Phoenix in der nördlichen Po- @NASA hat 12.2 Millionen larregion des Planeten Mars landete. Follower und ist somit der 98.-be- Veronica McGregor, Kommunikati- liebteste Twitter-Account der Welt. onschefin des NASA-Entwicklungs- Im Vergleich: Das Weisse Haus labors (JPL) in Pasadena, Kaliforni- bezwitschert auf Twitter gerade en, will die Amerikaner daran mal sieben Millionen Follower. teilhaben lassen. Doch sie weiss, an Spitzenreiter im Regierungs-Kos- einem Sonntag wie diesem würden mos ist der amerikanische Präsi- die Leute mit einem Drink in der dent. @BarackObama folgen 60.3 Hand am Grill im Garten stehen und Millionen. Doch auch auf Facebook sich kaum bewusst sein, was über (zwölf Millionen) und Instagram 270 Millionen Kilometer von ihnen (4.8 Millionen) kann sich die An- entfernt gerade geschieht: dass zahl Follower der NASA sehen las- auf einem fremden Planeten ein sen. Bereits zweimal hat die technisches Meisterwerk gerade Nationale Aeronautik- und Luft- seine 680-Millionen-Kilometer-Rei- fahrtbehörde den «Shorty» gewon- se durchs All beendet. Kurz ent- nen, den Oscar im Kosmos der sozi- schlossen entschied sie sich, in der alen Medien. Über die «Shorty ersten Person zu twittern: Awards» entscheidet nicht etwa «Atmosphären-Eintritt hat begon- eine Akademie. Es sind die Nutzer, nen. Zeit, wirklich nervös zu wer- die Communities, die sagen, wer den.» auf Twitter, Facebook, Tumblr, «Mein Signal erreicht noch immer Youtube, Instagram, Vine & Co. • die Erde. Das ist stark!» die besten Inhalte generiert. • Schranken zwischen sich und der wurde in Houston trainiert und aus- die Gelegenheit, die Online-Erfah- «Der Fallschirm ist offen!» Klar, das Produkt der NASA ist Öffentlichkeit zu heben. Megan Sumner, gebildet. Hier stehen die Simulato- rungen offline zu nehmen.» Geboten Im Mission-Control- «Ich bin gelandet!» einzigartig: faszinierende Bilder, 25, leitet im ren. Hier operiert das Mission Con- wird alles – vom Treffen mit Astro- Raum der NASA «Cheers! Tränen!! Ich bin hier!» fesselnde Videos. Nie gesehene Uni- Im Südosten von Texas, 45 Mi- Johnson Space trol Center der ISS. Und von hier aus nauten, Wissenschaftlern bis hin werden die Es funktionierte. Innert Minuten versen, die es zu entdecken gilt. nuten Autofahrt von Houston ent- Center in werden die Astronauten betreut, zum Raketenstart. Megan Sumner: Geschehnisse auf setzte ein Kometenregen von Kom- Dank Social Media erhalten wir fernt, liegt das Johnson Space Houston den wenn sie im Orbit unterwegs sind. «Im Gegenzug erhoffen wir uns, der Internationalen mentaren ein. Veronica McGregor Einblick in eine Welt, in der unser Center, eine der zehn NASA-Nieder- Bereich Social Wenn Megan Sumner, Leiterin Soci- dass sie auf ihren Kanälen über die Raumstation gab der Raumsonde Phoenix mit Planet zwar zu Hause, uns aber der lassungen in den USA. Auf einer Flä- Media. al Media in Houston, zu einer ihrer NASA berichten, unsere Hashtags mitverfolgt. ihren Tweets eine Stimme. Zu einer Zutritt verwehrt ist. Vom Erfolg, che von knapp sieben Quadratkilo- «Raumfahrt «NASA Social»-Veranstaltungen ein- benutzen und so ihre eigenen Follo- Craig Bernard, 47, Zeit, in der Firmen Twitter lediglich den die NASA im sozialen Netz fei- metern arbeiten 10 000 Personen. sagte mir früher lädt, sind exklusive Einblicke sicher: wer auf die NASA sensibilisieren.» unterstützt die dazu nutzten, bereits veröffentlichte ert, können sich andere Unterneh- Jeder der weltweit über 500 Astro- nichts. Heute «Der Zugang, den unsere Follower NASA-Astronauten Medienmitteilungen zu stützen. men trotzdem was abschauen. nauten, die je die ISS besucht haben bin ich besessen an solchen Tagen haben, entspricht Das Social-Media-Universum bei ihren Vorhaben Die neu entdeckte Ich-Form in Vorbildlich gelingt es der NASA, oder das Space Shuttle geflogen sind, vom Weltall.» dem eines US-Senators. Es ist für uns der NASA war nicht immer so gigan- auf Social Media. Tweets barg noch einen positiven 6 | DOMO – September 2015 DOMO – September 2015 | 7
Nasa Reid Wiseman (Lacht.) Hmm, stimmt. Das hätte ich 11. November 1975 tun können ... Der US-amerika- Dank Online-Zugriff können Sie in nische Astronaut ist verheiratet und der ISS die Instagram-Seiten Ihrer hat zwei Töchter. Familie und Freunde verfolgen. Anzahl Foodporn (Bilder von Mahlzeiten) ist Raumflüge: 1 momentan sehr angesagt. Was löst Nebeneffekt: Sie benötigt wesent- das Grill-Bild am Sonntagnachmittag Start erster lich weniger Zeichen als in diesem Raumflug: aus, wenn man selber Astronauten- Falle der Begriff «Raumsonde». Das 28. Mai 2014 Nahrung auf dem Teller hat? fällt bei maximal 140 Zeichen or- Gesamtdauer: Diese Bilder sorgen für Heimweh. Da dentlich ins Gewicht. 165 Tage, käme man am liebsten runter und 8 Stunden, 1 Minute würde mitessen. Aber ich ging dann Die persönliche Stimme trifft Aussenbord- jeweils zum Fenster, schaute raus den Nerv von Social Media. Sie einsätze: 2 und musste mir eingestehen: Das schafft es, dass Menschen Anteil Gesamt- hier ist so viel besser als ein Steak nehmen. 2008 waren erst wenige Aufenthaltszeit vom Grill. Prominente auf Twitter. Senator Ob- ausserhalb der ISS: Ist die Aussicht tatsächlich so 12 Stunden, ama oder Sängerin Britney Spears 47 Minuten atemberaubend wie auf den gehörten dazu. Heute teilen sich geposteten Bildern? NASA-Mitarbeiter auf über 500 Kon- • Um ein Vielfaches schöner! In Reali- • ten mit – aus den unterschiedlichs- standen wir auf einem grossen Park- Wahrscheinlich stimmt das sogar. tät ist es viel lebendiger. Doch nicht platz und starrten zum Himmel. In Definition Ich ging als Twitter-Rookie ins All. einmal ein Video wird dem gerecht. ten Bereichen. Aktuellstes und be- dem Moment war mein Traum vom Internationale Anfangs wollte ich nur zeigen, wie Diese 15 verschiedenen Blautöne – es kanntestes Beispiel ist Astronaut Weltall geboren – aber nie hätte ich Raumstation unser Planet von oben aussieht, und ist unbeschreiblich. Ich habe damals Scott Kelly. Der Mann, der 400 Kilo- erwartet, dass ich ihn leben darf.» Die ISS ist eine mitteilen, wie ich meine neue Umge- mit meinem Crew-Kollegen Alexan- meter entfernt mit einer Geschwin- bemannte bung erlebe. Die amerikanischen der Gerst gewettet, wer von uns digkeit von 28 164 Stundenkilome- Reid Wiseman, wann klingelt der Wecker in der Internationalen Raumstation, die Steuerzahler sollten mit mir zusam- beiden es fertigbringt, zum Fenster • Raumstation (ISS)? in Kooperation men träumen. Dann realisierte ich, zu gehen, ohne ein Foto zu machen. Scott (l.) und Mark von 15 Ländern – Um 6.30 Uhr gehts los. Dann frühstü- wie beliebt diese Infos sind. Plötzlich Wir haben es beide nie geschafft – Kelly – der eine darunter auch cken wir, rasieren uns, putzen uns merkte ich, dass ich völlig süchtig immer ertönte das Reissen des Klett- im All, der andere die Schweiz – die Zähne – duschen können wir da nach Feedbacks war. Das trieb mich verschlusses, um die Kamera von der auf der Erde. betrieben wird. oben nicht, wir waschen uns mit an, Neues zu entdecken, andere Wand zu nehmen. Gemeinsam Sie hat die Masse feuchten Tüchern. Blickwinkel auszuprobieren. Und Was für eine Kamera wird benutzt? bringen sie die eines Fussballfel- Und schon wird das erste Selfie jetzt, da ich zurück bin, ist mein Wir hatten eine Nikon D3. Kurz nach- Menschheit dem des und ist somit geschossen? Twitter-Profil wie ein Tagebuch. dem ich unten war, wurde die D4 Planeten Mars das zurzeit grösste Schön wärs! Jede Minute unseres Kürzlich fragte mich ein russischer hochgeschickt. Mein Herz blutete. ein Stück näher. künstliche Objekt tern um unseren Erdball kreist, ist Tages ist verplant. Auf einem Moni- Kollege nach einem Simulator-Ein- Diese Kamera war neu und so viel tor sehen wir unser Tagesprogramm: im Erdorbit. Sie satz. Dank Twitter konnte ich ihm besser als unsere. Denn je länger ein Social-Media-Star. Eine Arbeit, Abgeschlossene Zeitfenster werden beherbergt eine Zeit und Ort nennen – mit Bild. eine Kamera im Orbit bleibt, umso die er ganz nebenbei erledigt. Sein grau angezeigt, laufende Arbeiten internationale schlechter wird aufgrund der radio- Auftrag ist ein anderer: Scott Kellys Wie wichtig ist es, im Orbit zu wissen, «Im Weltall gibt es keinen grün, und weiss sind die Aufgaben, Crew von sechs aktiven Strahlung die Bildqualität. Aufenthalt im All soll für neue Er- was auf der Erde vor sich geht? die noch folgen. Deshalb führen Sie Astronauten, die Wir Menschen sind neugierig. Also Die Folge: viele tote Pixel auf den kenntnisse sorgen – etwa darüber, Spam» dieses Interview mit mir und nicht mit wissenschaft wollen wir Nachrichten hören – auch Bildern. wie es Menschen auf einem Flug direkt mit Scott Kelly. Dafür bleibt lichen Recherche- da oben. Normalerweise erhalten wir zum Mars ergehen könnte. Erhalten Sie Spam im All? ihm in der ISS schlicht keine Zeit. Die Arbeiten diese als Aufzeichnung mit 24 Stun- Kein bisschen! Das ist eine grossar- Eine einzigartige Zwillings-Mission einzige Lücke ist die Mittagspause. beschäftigt sind. den Verspätung. Dank Craig und tige Sache. Astronauten in der ISS ist wird die Menschheit der Erkun- dung des Planeten Mars ein Stück Sie twittern aus dem Orbit: Die Astronauten in der Wenn ich eine meiner Arbeiten Als umfangreichs- tes internationales Social Media erhalten wir Informa- es erlaubt, 127 E-Mail-Kontakte zu näher bringen. Eine wichtige Rolle schneller erledigt hatte, bot sich mir tionen zu Katastrophen oder Sport nennen, die mit ihnen kommunizie- spielt Kellys eineiiger Zwillingsbru- Internationalen Raumstation (ISS). Reid Wiseman, die Chance, zum Fenster zu gehen, Projekt der Geschichte wird resultaten. Wenn er von Mission ren dürfen. Alles andere schafft es der auf der Erde. Mark Kelly, früher selbst Astronaut, liefert mit seinem 39, war einer von ihnen. Seit November letzten um ein paar Fotos für Social Media zu machen. Was alle tun. die ISS 2014 für Control aufgeschaltet wird, können wir gar live fernsehen. nicht bis zum Orbit. 400 Kilometer von der Erde entfernt nahezu identischen Erbgut den per- Jahres ist er zurück auf der Erde. Mit seinen Wie direkt können diese Bilder den Friedensno- belpreis nominiert. Ist private Kommunikation möglich? – was vermisst man am meisten? • fekten Vergleichspartner. Nur so übertragen werden? Ein E-Mail zwischen mir und meiner Generell ist es wie auf der Erde – können Erkenntnisse gewonnen Für DOMO im Space-Videos und Bildern unseres Planeten hat Wenn genügend Zeit bleibt, laden Die ISS ist von der Erde aus zu sehen Frau ist privat. Doch mein E-Mail Familie und enge Freunde. Ich nahm werden, wie sich lange Weltraum- Einsatz in Houston: wir die Bilder sofort auf den Compu- läuft über einen Regierungscompu- eine Liste mit Namen der Menschen reisen auf den Menschen auswir- Bettina Bono. @astro_reid das Twittern bei der NASA verändert. ter und mailen sie unserem Social- – wann und wo, ter. Will es jemand lesen, wäre das mit, die mein Leben in irgendeiner Media-Verantwortlichen Craig nach sagt die App «ISS jederzeit möglich. Ausserdem hat es Art geprägt hatten. Jeden dieser ken. Allein der Hinflug zum Mars E r ist ein Kind der 80er-Jahre. Reid der NASA 73 Sekunden nach dem Houston in Texas. Ich bevorzugte Finder». an Bord der ISS ein kleines Funk Menschen habe ich mindestens ein- würde ein halbes Jahr dauern. Wird Scotts DNA stärker altern als die sei- Wiseman ist im Wissen, dass die Start in etwa 15 Kilometer Höhe aus- Echtzeit. Vor allem wenn ich etwas telefon, das wir jederzeit für private mal aus dem Orbit angerufen. Zum nes Bruders? Gibt es mehr gefährli- Menschen zum Mond fliegen, aufge- einander. Alle sieben Astronauten Aussergewöhnliches wie einen Hur- Zwecke nutzen dürfen. Ich habe je- Beispiel meine Geschichtslehrerin. che Veränderungen, die zu Krebs wachsen. Doch es sind zwei andere kamen ums Leben. Viel lieber erin- rikan oder Taifun fotografieren den Abend meine Frau angerufen, Seit meiner Maturitätszeit hatte ich führen könnten? Werden die Wahr- Ereignisse, die seine Erinnerung an nert er sich aber an den Tag, als ein konnte. Mein Rekord vom Drücken bevor sie die Kinder ins Bett gebracht sie nicht mehr gesprochen. Als ich nehmung und das logische Denken die Raumfahrt geprägt haben. Un- Space Shuttle auf dem Rücken einer des Auslösers bis zum Aufschalten hat. Besser als im Militär – da war so sie anrief, sagte sie: «Wow, welch beeinträchtigt? vergesslich bleibt für ihn das Chal- Boeing 747 über seiner Heimatstadt auf Twitter liegt bei zwei Minuten. was tagelang nicht möglich. eine Überraschung! Von wo rufst du Derweilen teilt Scott Kelly auf lenger-Unglück vom 28. Januar 1986. Baltimore zum Kennedy Space Cen- Schneller geht es nicht. Sie hätten Ihrer Frau also aus dem an?» Und ich sagte: «Aus dem Welt- Instagram, Twitter und Facebook Damals brach die dritte Raumfähre ter in Florida geflogen wurde: «Alle So spricht ein Twitter-Junkie. Weltall Blumen schicken können? all!» BB 8 | DOMO – September 2015 DOMO – September 2015 | 9
nasa Instagram Account von Scott Kelly (stationcdrkelly) Schlafen und arbeiten im Weltall Das Bett Auf der Erde dient ein Schlafsack primär dazu, warm zu geben. Im All seine persönlichen Erfahrungen gibt er den Astronauten und Eindrücke. Craig Bernard un- in erster Linie Halt. Da terstützt ihn aus dem Johnson Space sie sonst rumschweben Center in Houston. Der gelernte Die Fernbeziehung würden. Elektroingenieur postet Kellys Bil- Durstlöscher Er werde alles an ihr vermissen, der und Quotes, verifiziert Aussa- Im All ist die Wasserfla- sagte Scott Kelly, bevor er gen, beschafft Informationen und sche ein Wasser-Sack und seine Reise zur ISS antrat. berät ihn bei seinen Vorhaben. schwebt an der Decke. Bilder seiner Partnerin Amiko Kauderer sind allgegenwärtig. Astronauten gelten als experi- Auch ihrem Instagram-Account mentierfreudig: Das erste Space- folgt er. walk-Selfie ist 50 Jahre alt. Es zeigt Edward White bei seinem Aussen- bordeinsatz am 3. Juni 1965. Dieser fand während der Gemini-4-Missi- on statt. Edward White entfernte sich dabei fünf Meter von der Raum- sonde. Reid Wiseman (Interview Sei- te 8) postete das erste Space-Video auf Vine. Und Scott Kelly lancierte #SpaceGeo, einen Wettbewerb, bei dem es herauszufinden gilt, welche Stadt oder Gegend auf dem Bild zu sehen ist, das er auf Twitter gepostet Die Hardware hat. Wer richtig rät, erhält einen von Den einen Laptop benutzt Scott Kelly unterschriebenen Aus- Scott Kelly, um sein Tages druck. Selbstverständlich erst nach programm abzurufen. Der seiner Rückkehr im März 2016. andere bietet ihm Zugang zum Wer Kelly folgt, wird liebevoll Internet – News lesen, twittern, «Space-Groupie» genannt. Zu denen Video-Konferenzen mit Familie gehört US-Präsident Barack Obama. und Freunden abhalten. So schaltet sich Mister President zu- Auf dem iPad schaut er sich weilen in einen Tweet-Chat von heruntergeladene Filme an. Kelly ein. «Hey, @StationCDRKelly, mir gefallen die Fotos. Schauen Sie eigentlich auch mal aus dem Fenster und flippen total aus?», schrieb Obama. Scott Kelly: «Ich flippe nie aus, Mister President. Ausser wenn ich Twitter-Fragen von Ihnen ge- stellt bekomme.» So überrascht es Auf Instagram beläuft sich Scott Kellys Follower-Zahl nach einem kaum, dass dem coolsten Bewohner halben Jahr im All auf über 270 000. Kein Selfie und kein im Sonnensystem und einem der Katzen-Video können es mit der Szenerie 400 Kilometer von Fotos: NASA mächtigsten Männer der Welt die der Erde entfernt aufnehmen. John Yembrick, Social-Media- perfekte «Twitter Bromance» nach- Verantwortlicher NASA: «Scott ist sehr angetan von Instagram. gesagt wird. Ich wusste gar nicht, dass er ein so talentierter Fotograf ist.» 10 | DOMO – September 2015 DOMO – September 2015 | 11
NASA «Wir werden Sie Kurz vor dem Start wird die Rakete, mit welcher der amerikanische Astronaut Scott Kelly und der nie langweilen» russische Kosmonaut Mikhail Kornienko ihre Reise zur ISS antreten, in Baikonur gesegnet. Zurückerwartet werden die beiden im Frühjahr 2016. Über 500 Konten auf 14 verschiedenen Plattformen – eines der besten Themen auf Social Media. Die NASA platzierte ein erstes Bild von Pluto so präsentiert sich das Social-Media-Universum der als Vorschau auf Instagram – und generierte innert Minuten 100 000 Likes. NASA. Sein Herrscher: John Yembrick. Sein Ziel: Inspi- Das Internet flippte aus. Wer am 14. Juli um neun Uhr früh in den Staaten online war, rieren und kommunizieren – nicht nur mit den Ameri- sah, dass alle Social-Media-Plattformen zeitgleich voll mit Pluto-Fotos waren. kanern. Am liebsten mit der gesamten Menschheit. Ihr «Produkt» ist attraktiv. Was können Firmen, deren Kerngeschäft nicht darin besteht, Raketen zum Mond zu schiessen, Es sollen so viele Menschen wie möglich von der NASA lernen? erreicht werden. Vor allem auch die Men- Unsere Inhalte sind zwar einzigartig, aber schen, die in ihrem täglichen Leben nicht es geht darum, was wir damit machen. Wir an die NASA denken. Ihnen möchten wir legen Wert auf drei Dinge: 1. Wir ermutigen zeigen, dass wir relevant sind. Dass es auch die Leute, uns Fragen zu stellen, an unseren für sie bei der NASA etwas zu entdecken Aktionen teilzunehmen. Bei Pluto lancier- gibt. Die Plattform muss sich für unsere ten wir einen Tweet-Chat. 2. Wir zeigen, was Inhalte eignen. Instagram ist ideal für uns, hinter den Kulissen der NASA passiert. Wir weil wir grossartiges Bildmaterial haben. laden unsere Follower in unsere Center ein, John Yembrick, mit über 30 Millionen Tumblr nutzen wir, weil wir darauf Ge- lassen sie an einem Happening teilhaben. Followern können Sie sich entspannt schichten erzählen und Erklärungen liefern Es ist immer glaubwürdiger, ein Freund oder zurücklehnen? können. Wir sind sehr selektiv. Wir hüpfen ein Familienmitglied erzählt, wie spannend Schön wärs! Bei einer Weltbevölkerung von nicht auf jede Plattform auf, nur weil sie es bei der NASA ist, als wenn wir es selber über sieben Milliarden scheint mir diese gerade «in» ist. tun. 3. Wir versuchen ständig, an laufenden Zahl eher klein. Da ist noch Luft nach oben. Was hat mehr Gewicht – Text oder Bild? Konversationen auf unseren Plattformen Sie kratzen also erst an der Oberfläche? Das Bild zieht am schnellsten die Aufmerk- teilzuhaben – und zeigen somit die Haltung Ich denke schon. Es geht mir dabei nicht samkeit auf sich. Schier unglaubliches der NASA. Nicht nur präsent sein auf Social alleine um die Anzahl Menschen. Das ist nur Material liefert das Hubble-Weltraumteles- Media, sondern mit den Leuten kommuni- eine Zahl. Aber es gibt Gruppierungen, die kop. Doch das, was man auf diesen Bildern zieren, das ist unser Geheimnis. wir noch erreichen können. Junge Men- sieht, ist so interessant, dass man mehr Welches ist dabei die grösste schen beispielsweise, die wir zu Karrieren darüber erfahren möchte. Dann wird der Herausforderung? in Wissenschaft, Technik oder Mathematik Text wichtig. Das ist der Idealfall für uns – Sich nicht zu verzetteln. Wir haben viel inspirieren können. erst der Wow-Effekt, dann der Wunsch nach Inhalt zu bieten. Also müssen wir dort, wo Erst gerade drehte die Boygroup Information. Wer den NASA-Hauptkanälen die Musik spielt, den Regler lauter drehen. One Direction das Musikvideo zu ihrem folgt, sieht sofort, dass all unsere Posts in- Wir planen Inhalte, wie es eine Redaktion Song «Drag Me» im Johnson Space Center in formativ sein wollen. Zu jedem Bild wird tut. Laufende Kampagnen werden bespro- Houston. Mehr als ein Marketing-Gag also? kurz und klar der wissenschaftliche Hinter- chen, wir schauen voraus. Der Vorbeiflug an Unbedingt. All unsere Tweets zu diesem grund erklärt. Das ist unsere Form der Pluto wurde Monate im Vorfeld geplant, die Dreh boten zu den auf den Bildern ersicht- Kommunikation. Plattformen festgelegt – alles auch für den lichen Themen Links wie @AstroRobonaut, Komplexe wissenschaftliche Inhalte auf Fall, dass die Mission schiefläuft. @NASA_Orion und @NASA. Wir müssen 140 Zeichen Länge für einen Tweet – wie Wie gross ist der Einfluss der Regierung? mittels Social Media kein Produkt verkau- kriegen Sie das hin? Wenn wir eine neue Plattform benutzen fen. Wir sind diesbezüglich ziemlich einzig- Das ist manchmal schwierig. Denn unsere möchten, muss dies erst bewilligt werden. artig – auch im Vergleich mit anderen Inhalte müssen ohne Abschluss in Astro- Das kann ein paar Monate dauern. Ansons- staatlichen Unternehmen. Wir wollen un- physik verstanden werden. Doch unsere ten publizieren wir frei und spontan. sere Arbeit, unser Schaffen kommunizie- Wissenschaftler unterstützen uns, wir Was wird nie auf einem Social-Media-Account ren. Und den Menschen aufzeigen, wie die vermeiden Abkürzungen und Fachbegriffe. der NASA zu lesen sein? NASA ihr Leben berührt und letztendlich Welche Meldungen sind Ihre Shooting- Sie werden uns nie dabei ertappen, dass wir mit ihrem Leben zu tun hat. Stars? Werbung für etwas machen. Was sicherlich Sie nutzen dazu primär Twitter, Facebook, Entdeckungen! Etwas, das noch niemand auch nie geschehen wird: Wir werden Sie Instagram, Google+ und Tumblr. Nach zuvor gesehen hat. Der erfolgreiche Vorbei- nie langweilen. Wir werden die Menschen welchem Kriterium wählen Sie die flug unserer NASA-Sonde «New Horizons» immer inspirieren – sie müssen uns nur Plattformen aus? am Zwergplaneten Pluto am 14. Juli war folgen. BB 12 | DOMO – September 2015 DOMO – September 2015 | 13
print Hipster-Heftli Die Regale hat ein Massenpublikationen zeigen», sagt Freund gebaut, die Schaffner. «Viele wissen nicht, wie Magazine hat das Kollektiv in langen vielfältig die Magazinwelt ist.» Diskussionen selber 100 Magazine stellen sie aus, eine ausgewählt: Mitbe- bunte Auswahl quer durch alle The- treiberin Chöying men – vom Schweizer Magazin «Re- Darpoling sortiert die Auslage von portagen» über Kunstmagazine aus «Print Matters!». Italien («Toilet Paper»), unzählige Lifestyle- und Mode-Hefte («So It Goes», «Printed Pages») bis hin zu «Print Matters!» trifft in Zeiten der Digitalisierung den Nerv von Papierliebhabern. Reisemagazinen («38 hours in ...», Zürichs hipster Kiosk präsentiert hundert Magazine. Es sind liebevoll gemachte «Travel Almanac»). Im Schnitt kosten die Zeitschriften etwa 20 Franken. Hefte, die man an gewöhnlichen Kiosken nicht findet. «Es war nicht schwierig, so viele Hef- te zu finden», sagt Schaffner, «son- Text: Adrian Meyer. Fotos: Marcel Nöcker dern uns auf bloss 100 zu begrenzen.» Sie hätten locker 300 auslegen kön- M an möchte alle einzeln be- schnuppern, diese hübsch auf- gereihten Magazine. Wie Kunstob- Jahren neu entstanden. Abseits der Grossverlage erscheinen diese soge- nannten Indie-Mags im Selbstverlag. nen. Sehnsucht nach dem Echten jekte wirken sie im Kiosk «Print Sie trotzen damit der These, dass Was auffällt: Selbst Heftli dienen Matters!». Jedes einzelne lockt mit Printmedien wegen der Digitalisie- mittlerweile als Prestigeobjekte. «Oft seinem eigenen Duft. Man greift sich rung aussterben. Die neue Technik kaufen die Leute bei uns auch ein eins, streichelt kurz über den Heft- hat vielmehr geholfen. Dank neuer Heft, um es als Geschenk an eine rücken, blättert um, lässt die Seiten Layout- und Drucktechnik etwa ist Party oder ein Abendessen mitzu- rieseln. Erst dann widmet man sich es heute viel einfacher und günstiger bringen», sagt Florian Schaffner. den Bildern und Illustrationen, der geworden, ein Heft zu produzieren. Besonders begehrt ist «The Printed Typografie. Man fühlt sich gut, wie Dog», ein Fashion-Magazin mit Hun- ein Entdecker. Und beginnt zu lesen. 100 handverlesene Magazine den als Models. Es erscheint in streng Einen Sommer lang kamen Printlieb- In Zeiten vor dem Internet fanden limitierter Auflage von bloss 1000 haber in den Genuss aufwändig ge- Magazine, die sich auf spezielle, oft nummerierten Ausgaben – und kostet machter Magazine, in ihrer eigenen nerdige Themengebiete fokussieren, stolze 60 Franken. Heftli-Galerie im Zürcher Niederdorf. kaum genügend Leserschaft. Heute Es ist ein merkwürdiger Trend: In Ein junges Sechser-Kollektiv hat hier können sich Magazin-Macher dank einer globalisierten, digitalen Welt, von Juni bis August den Pop-up-Ki- Social Media oder einer eigenen in der Waren jederzeit per Klick ver- osk «Print Matters!» betrieben und Webseite der ganzen Welt präsentie- fügbar sind, boomt das vermeintlich seine Lieblingsmagazine verkauft. ren – und sich mit Gleichgesinnten Echte und Handgemachte, Dinge zum Als Test für einen eigenen Laden. vernetzen. Und so findet sogar ein Anfassen. Den Kaffee holen sich Ken- «Wir wussten nicht, ob das funktio- Magazin wie «The Plant» seine Leser ner nicht bei Starbucks, sondern beim niert», sagt Mitbetreiber Florian weltweit: ein Lifestyle-Magazin, das Barista ihres Vertrauens. Ihre Musik Schaffner, 29. «Aber die Reaktionen sich hauptsächlich um Zimmerpflan- streamen sie nicht gratis bei Spotify, waren überwältigend.» Ihre Magazi- zen dreht. Freilich, die Arbeit lohnt sie sammeln lieber Vinyl-LPs für ne bieten die sechs daher weiter an, sich für Magazin-Macher selten, zu teures Geld. Oder sie kaufen teure in einem Mode- und einem Delika- teuer ist der Vertrieb. Es sind Herz- Indie-Heftli statt der Kiosk-Auslage. tessengeschäft in Zürich sowie als blut-Projekte für Liebhaber. Damit wollen sie Geschmack zeigen Online-Versandhandel. Natürlich: «Print Matters!» verkauft fast aus- und sich abgrenzen von billiger Mas- Sie träumen vom eigenen Laden. Es schliesslich Hefte, die an normalen senware. Wenn auch nur, um das Heft fehlt bloss der passende Standort. Kiosken nicht aufliegen. «Wir wollen stilvoll auf dem Couchtisch zu drapie- den Leuten eine Welt abseits der ren. Ungelesen. Boom in der Nische Bisher haben sie sich auf Reisen nach London oder Berlin mit Zeitschriften fernab des in ihren Augen langweili- Lieblingsmagazine gen Mainstreams eingedeckt. Dort Eine Auswahl der Zeitschriften, die besonders gibt es bereits Magazin-Läden, die geschätzt werden von den Machern hinter «Print eher Buchhandlungen ähneln als Matters!». Im Uhrzeigersinn :So it Goes – Lifestyle Kiosken. In Zürich fanden sie keinen und Kunst, New York; Printed Pages – Zeitgenössi- Ort, um ungestört in ihren Lieblings- sche Kultur, Arts, Design, London; 032c – Kunst, zeitschriften zu stöbern. Zudem ist Mode, Politik, Berlin; The Travel Almanac – bezeich- die unabhängige Magazin-Szene in net sich als Post-Tourismus-Publikation, dreht sich der Schweiz überschaubar. Aus der um Reisen und vorübergehendes Wohnen für Bieridee eines eigenen Kiosks ent- Kreative, Berlin und New York; Fantastic Man – Mode Vier der sechs Macher von «Print Matters!» (v. l. n. r.): Rico Häner (28), Chöying Darpoling stand schliesslich «Print Matters!». für Männer, Interviews mit Prominenten und (24), Matteo Mattmann (29), Florian Schaffner Das Projekt trifft den Zeitgeist: Die Intellektuellen, Amsterdam ; Il Paradiso – unabhängi- (29). Es fehlen Laurin Schaffner (24) und Heftli-Szene boomt – und zwar in der ges Reisemagazin, widmet sich pro Ausgabe jeweils Matthieu Meyer (29). Nische. Unzählige unabhängige Zeit- einem Land, Berlin. schriften sind in den vergangenen 14 | DOMO – September 2015 DOMO – September 2015 | 15
BLICKPUNKT RINGIER An dieser Stelle stellt DOMO regelmässig die besten Fotos vor, die im vergangenen Quartal in Ringier-Titeln publiziert wurden. 1 Ringier-Fotos des Quartals Sechs Bilder aus Deutschland und der Schweiz: Eine historische Mission, das Geheimnis eines listigen Fotografen – und ein berührendes Flüchtlingsschicksal. LAURENT GESLIN Fotograf BLAISE KORMANN Fotograf FABIAN UNTERNÄHRER Fotograf SIDONIE GOTTRAUX GARCIA CAROLINE ZINGG Bildredaktion DIANA OBST Bildredaktion VILARCHAO Bildredaktion 1 Listig wie ein Fuchs muss Fotograf Laurent Geslin manchmal vorgehen, um an seine 3 Als der Schweizer Aussenminister Didier Burkhalter Mitte August nach Kuba reist, folgt er einer Einladung seines US-Amtskolle- 5 Basel gilt als die Kunststadt der Schweiz. Es gibt mehr als 40 Museen und private Sammlungen, dazu die Art Basel, die alljährlich Fotos von wild lebenden Tieren zu kommen. gen John Kerry. Es ist eine historische Mission, Kunstsammler aus aller Welt an den Rhein Der Franzose, der seit einigen Jahren in der denn nach über einem halben Jahrhundert zieht. Für Monopol – Magazin für Kunst und Schweiz lebt, arbeitet dabei vor allem mit wird erstmals wieder offiziell eine US-Flagge Leben Anlass, die Stadt vorzustellen – ange- Kamerafallen, die er an Orten positioniert, die in dem Karibikstaat gehisst. Das Westschwei- lehnt an einen Rundgang mit Ulla Dreyfus- Wildtiere mit Sicherheit aufsuchen müssen: zer Magazin L’illustré entscheidet sich, Best. Die millionenschwere Kunstsammlerin an Wasserstellen. Das Westschweizer Magazin Burkhalter als ersten Bundesrat, der überhaupt und Jetset-Lady verrät dabei ihre Lieblings L'illustré zeigte in einer grossen Reportage seinen Fuss auf kubanischen Boden setzt, bei orte – darunter die «Wunderkammer» im Bilder von Tieren, die nachts von Geslin dieser Reise zu begleiten. Dabei spielt die Historischen Museum in der Barfüsserkirche. überrascht und geblitzt wurden. Der Fotograf Schweiz seit je eine besondere Rolle für beide Wunderkammern beherbergen Dinge, die hat seine Kamera dabei jeweils gut getarnt und Länder, denn während über 50 Jahren vertrat Rätsel bewahren und vielleicht sinnlos lässt via Infrarot-Sensor ein oder zwei Blitze die Schweiz sowohl die Interessen der USA in erscheinen – aber dennoch faszinieren. Und auslösen. Wie alle Naturfotografen arbeitet Havanna als auch die von Kuba in Washington. so steigt Fotograf Fabian Unternährer, auch er auch Geslin getarnt. Für die stellvertretende Das von L'illustré ausgewählte Bild ist somit der ein echter Basler, hinab ins Untergeschoss der Chefredaktorin Caroline Zingg sticht ein Foto Inbegriff der Vollendung dieser diplomatischen Basler Barfüsserkirche und fängt mit seiner 2 besonders heraus: das eines Wiesels. Der kleine Mission: Didier Burkhalter verabschiedet sich, Kamera wundersame Dinge ein. Kerl tappt auf dem Weg zum erfrischenden Kerry übernimmt das Wort und wendet sich an Wasser in die Falle – und wird dabei prompt für das kubanische Volk. Auf einen Schlag sind Laurent Geslins Tieralbum geblitzt. 50 Jahre Eiszeit zwischen beiden Staaten KURT REICHENBACH Fotograf Geschichte. Noch dazu eine Geschichte, an NICOLE SPIESS Bildredaktion welcher die Schweiz mitgeschrieben hat. UWE H. MARTIN 6 Fotograf Der «Aescher», laut «Huffington Post» das TANJA RAECK Bildredaktion «interessanteste Restaurant der Welt», PASCAL MORA Fotograf zieht Touristen aus aller Welt ins Appenzeller 2 LandRush heisst eine Langzeit-Dokumen tation des bereits mehrfach für seine MARKUS SENN Bildredaktion Alpstein-Gebirge. Das auf 1454 Meter gelegene Berggasthaus wurde bereits Arbeiten ausgezeichneten Fotografen Uwe H. Martin. Dabei steht die Zukunft der Landwirt- schaft im Spannungsfeld zwischen Ernährungs- 4 Ein Vormittag Ende August am Bahnhof an der serbisch-mazedonischen Grenze. Ein Zug hält. Hunderte von Männern, Frauen und tausendfach fotografiert, eine Zeichnung ziert sogar das Etikett des Appenzeller Likörs. Aufgrund seiner Lage gibt es nur einen sicherheit, Energieproduktion und internatio- Kindern steigen aus: Flüchtlinge, die über die Standort, von dem aus das sich an den Fels nalen Landinvestitionen im Fokus. In seiner Balkanroute nach Europa fliehen. Es ist über schmiegende Haus fotografiert werden kann. Augustausgabe zeigt Cicero – Magazin für 30 Grad heiss. Unter den Passagieren befindet Keine leichte Aufgabe für Fotograf Kurt politische Kultur einen Fotoessay Martins, sich eine alte Frau. Sie trägt ein Kopftuch, geht Reichenbach von der Schweizer Illustrier- bei dem es um die Dürre in Kalifornien geht. am Stock. Ein junger Mann begleitet sie auf dem ten, als er den Auftrag erhält, die Beiz anders Auf seiner zweimonatigen Recherche-Reise vier Kilometer langen Weg über die grüne ins Licht zu rücken, als es bisher getan wurde. beschäftigte sich der Fotograf intensiv mit den Grenze in die serbische Stadt Preševo. Pascal Statt im Morgenlicht fotografiert Reichen- Auswirkungen der Dürre im kalifornischen Mora fotografiert die Frau für die Blick-Grup- bach den Aescher in der Abendsonne – und Central Valley auf die dortige Landwirtschaft. pe. Wie heisst sie? Wer ist ihr Begleiter? Ein besorgt sich dafür einen 5000 Lumen starken Das Projekt LandRush ist zudem als interaktive Enkel? Ein Unbekannter? Er spricht kaum Handscheinwerfer. Eine Taschenlampe App programmiert und wird seit 2014 weltweit Englisch, kann nur sagen, dass sie 80 Jahre alt kommt auf 200 Lumen. Mit dem «malt» er in Ausstellungen gezeigt. Ende dieses Jahres ist und aus Syrien geflohen war. Das Foto fängt den dunklen Fels hell, während der ihn wird die App auch öffentlich zum Download die Verzweiflung vieler Menschen im kriegsge- begleitende Journalist den auf 30 Sekunden bereitstehen. Martin liefert dazu nicht nur plagten Syrien ein. Selbst eine gebrechliche Belichtungszeit eingestellten Auslöser der Fotos, er ist auch Multimediaproduzent und Greisin nimmt die beschwerliche Reise auf sich. Kamera auf dem Stativ betätigt. Gegen arbeitet neben seinen Bildern an Filmen und Von Preševo reist sie mit dem Bus nach Belgrad, 21.30 Uhr hat Reichenbach sein «anderes» Texten für seine Themen. Cicero bot seinen dann an die ungarische Grenze. Sie hofft, in Foto im Kasten. Und er hat sich selbst Lesern ebenfalls eine Multimedia-Reportage Deutschland Asyl zu erhalten. Wie derzeit verewigt, nicht nur einmal. Kleines Rätsel: zum Thema Dürre (www.cicero.de/duerre). Hunderttausende auf der Flucht. Wo versteckt sich der Schattenmann? 16 | DOMO – September 2015 DOMO – September 2015 | 17
BLICKPUNKT RINGIER 5 An dieser Stelle stellt DOMO regelmässig die besten Fotos vor, die im vergangenen Quartal in Ringier-Titeln publiziert wurden. 6 3 4
Interview Schriftsteller Lukas Bärfuss hält hohe Stücke von den Journalisten, kritisiert aber scharf deren journalistische Alltagsrealitäten. Seine Gastrede an der Diplomfeier der Ringier Journalistenschule provozierte dieses Gespräch. Text: Hannes Britschgi Lukas Bärfuss, beginnen wir mit der Oder zu nützlichen Idioten. üben, dass die Qualität an erster beliebten Disziplin Journalisten- Genau. Diese Art Berichterstattung Stelle kommt. Verbreitung kommt Bashing? produziert Pöbel. Ein Bewusstsein, meistens vor Vertiefung. Bitte! das nur sehr wenige Reaktionen Sie gelten als politischer Autor, der Was erwarten Sie von Journalisten? kennt: Empörung und Sentimenta- die Welt verändern und verbessern Wenig. lität. Man muss sich nur vorstellen, will. Weshalb? jemand, den man liebt, würde so Das ist ein Missverständnis. Ich bin Der Beruf befindet sich in einem präsentiert – in oranger Kleidung ein kritischer Autor, das stimmt. fundamentalen Umbruch. Die Ver- auf den Tod wartend. Dann versteht Aber zuerst erzähle ich eine Ge- leger wissen nicht, wie sie mit man schnell. schichte. Ich bin aber nicht so po- Nachrichten noch Geld verdie- Was wäre die Alternative zum Krieg litisch, wie das häufig verstanden nen können. Und die Journalisten der Bilder? wird. wissen nicht, was das überhaupt Vielleicht sollten die Journalisten Ist ein Kritiker nicht per se politisch? noch sein könnte – eine Nachricht. wieder Zeugen sein. Ein Zeuge Klar, falls er sich in die Öffentlich- Bis anhin gab es zwischen einem ist niemals unbeteiligt. Er ist von keit begibt. Das habe ich von Beginn Ereignis und der Nachricht eine einer Sache betroffen. Er spürt eine weg getan. Zuerst aus gewerblichen Verzögerung. Das war die Frist des andere Verantwortung für die Dinge, Gründen. Ich habe meine Lesun- Journalisten, in der er seine Arbeit als einfach eine Publikation mit gen organisiert, damit ich etwas tun konnte: berichten, gewichten, reisserischen Bildern und Texten zu beissen hatte und meine Texte kommentieren. Heute bewegt sich vollzuklatschen – egal aus welcher ein Publikum bekamen. Und das diese Frist gegen null. Alles tendiert Quelle. Die Gleichgültigkeit der Theater ist per definitionem eine in den Live-Stream. Im Moment, Nachrichten ist inhuman. Trauer, öffentliche Form. Es gibt bei mir da etwas geschieht, ist es schon Freude, Wissen und Neugier: A lles fast keine unveröffentlichten Texte. verbreitet. Was ist der Journalist wird verrührt zu e iner grossen Einen einzigen Roman nur. in diesem Prozess? Bloss ein Tech- medialen Sauce. Sie wirken seriös, streng – manchmal niker, der Netzwerke verbindet? In Ihrem politischen Roman «Hun- sogar verbissen. Erkennen Sie sich Was gibt es einzuordnen, wenn die dert Tage» beschäftigen Sie sich darin? Timeline die Struktur vorgibt? Was mit dem Genozid in Ruanda. Wie Verbissen würde mir nicht gefallen. soll er gewichten, wenn der Platz im unterscheidet sich Ihre Methode von Strenge ist vielleicht eine Folge der Internet unbeschränkt ist? der journalistischen? Disziplin. Sie ist Voraussetzung der Sie haben in Ihrer Rede die Enthaup- Der wesentliche Unterschied liegt künstlerischen Arbeit und steht tungen durch die IS-Schergen ange- in der Dauer der Entstehungszeit. in einem dialektischen Verhältnis sprochen. Was stört Sie an der Bericht Die Reifezeit von «Hundert Tage» zur Freiheit. Strawinsky soll gesagt erstattung über Enthauptungen? hat zwanzig Jahre gedauert. Und haben: Freiheit ist die höchste Dis- Alles. Sie ist nämlich nichts anderes ich werde eine andere Haltung ziplin. Wer etwas erfahren will über als Propaganda für diese Mörder. haben zu den Dingen, die ich nicht das eigene Denken, der wird sich Besser totschweigen? weiss oder verstehe. Ich suche disziplinieren lassen müssen. Aller- Das ist das übliche Totschlag A mbivalenzen, wie Trüffelschweine dings erträgt man das nur mit Hei- argument. Aber in diesen Fall: Wer die Trüffel. Ich suche die Stellen, terkeit und Frohsinn. Ich versuche könnte etwas dagegen haben, den wo die Dinge unklar werden. alles mit Heiterkeit zu nehmen. Sie IS totzuschweigen? Vielleicht besser Der Schweizer Wie informieren Sie sich? ist der grösste Widerstand. «Journalisten sollten als totzuschiessen. Aber: Natürlich Schriftsteller Wir haben ja mit dem Journalisten- Muss man Sie privat kennen, damit kann man darüber berichten. Die Lukas Bärfuss, 43, Bashing begonnen. Mein Ärger und man diese Heiterkeit erleben kann? Foto: Christian Grund/13Photo Frage ist nur, wie. Wenn man Men- gewann für seinen meine Unzufriedenheit sind der Die Heiterkeit ist in allen meinen schen in oranger Kleidung zeigt, Roman «Koala» Sache geschuldet. Ich brauche gute Büchern und Texten zu finden. folgt man der Ästhetik der Henker. 2014 den Journalisten. Wir alle brauchen sie. Von mir hat noch nie jemand etwas wieder Zeugen sein» Das Orange etwa wurde zu einer Schweizer Und ich treffe in diesem Berufsstand gesehen oder gelesen, ohne mal zu I kone der Grausamkeit. Und die Buchpreis. Sein oft kluge und gebildete Leute. Die lachen. An der Diplomfeier haben Medien lieben Ikonen und repro- neustes Werk «Stil Institutionen allerdings, ob öffent- die Menschen doch gelacht. Oder duzieren sie gerne. Hier werden sie und Moral» ist im lich oder privat, verunmöglichen habe ich mir das eingebildet? damit zu Propagandisten. März erschienen. ihnen oft, ihr Handwerk so auszu- Ganz und gar nicht. DOMO – September 2015 | 19
pressehaus anfänglich die Radiomacher. Sie studio ein, mit modernster Technik Im Gespräch mit fürchteten, die jugendliche Kultur und zeitgemässen Arbeitsplätzen. des Senders passe nicht zur Presse Energy-Chef Dani Büchi achtete auf Liam Gillick und somit zur Tradition des Hauses. jedes Design-Detail. Ihm war nur das Hinzu kamen technische Zweifel: Beste gut genug. Trotz Bedenken, der Herr Gillick, Lässt sich ein modernes Radiostudio hochwertige Studioausbau könnte bei Journalisten überhaupt ins Pressehaus einbauen? jenen Ringier-Mitarbeitern Neid ent- lesen ihre Texte Walder räumte die Bedenken aus – fachen, die ständig sparen müssen. bekanntlich und sah Chancen. Alte und neue gerne selber – Medien sollten einander näher rü- Wer wird Wirt? schauen Sie sich cken, digitale und analoge Welten Brücken errichten sollte der Umbau, Ihre Kunst auch verschmelzen. Der CEO war die trei- etwa die Redaktionen von Blick und mit einem Gefühl bende Kraft hinter der Idee, neben Radio Energy einander näher bringen. der Zufriedenheit dem Foyer ein Restaurant einzurich- In einem Raum, so die Idee von CEO an? ten, eine Beiz im Zürcher Seefeld, die Walder, würden die Nerds beider Titel In «The Gallery»: Nein, ich bin da pragmatisch einge- nicht nur dem Personal, sondern sitzen, damit sie gemeinsam die Digi- Ringier-CEO Marc stellt, kontrolliere vor allem, ob es a llen offensteht. talisierung von Ringier weiter voran- Walder (v. l.), Künst- handwerklich so ausgeführt wurde, ler Liam Gillick und Um Kosten zu sparen, sollte der Kiosk treiben. Bauliche Gründe verhinder- Verleger Michael wie ich es mir vorgestellt habe. Dann im Erdgeschoss verschwinden. Zu- ten das Vorhaben – vorerst. Ringier. stehe ich ein paar Schritte zurück, mal er ein Relikt zu sein schien aus schaue mir alles von weitem und vergangenen Tagen, als die Presse 1 insbesondere im Kontext mit dem florierte. Verleger Michael Ringier Raum an. Gestern bin ich abends aber hängt am Kiosk, obwohl er be- am Pressehaus vorbeigegangen und triebswirtschaftlich kaum Sinn habe mir den Raum im Licht der macht. Der Kompromiss: ein kleiner, Nacht angesehen. Es sieht gut aus. aber architektonisch hochwertiger Es sieht SEHR gut aus! Sie sind Zeitungsladen neben dem Eingang. kein Mann der überschäumenden Die Innenarchitekten von Retailpart- Emotionen … ners im zürcherischen Wetzikon Das bin ich nicht, nein (lacht) – und planten den Umbau. Ihr Auftrag: ich finde auch immer etwas, das Ringier soll sich öffnen. Entstanden man noch besser oder anders hätte sind im Parterre ein offener Empfang machen können. Wie Journalisten ja sowie «The Gallery» zur Rechten und auch. Grundsätzlich ist es aber sehr «The Studio» zur Linken. In der Gale- schön geworden, ja. rie wird zeitgenössische Kunst fass- Was war die Herausforderung? 2 Offen zur Welt bar, im Studio zeitgenössisches Ra- Es ist ein sehr belebter Raum mit dio. Zudem ist das Pressehaus noch vielen Perspektiven und einer Ver- mehr ein Ort der Begegnung. Im ed- bindung zur Strasse. Die Aufteilung len Restaurant treffen Journalisten des Raums in einzelne Nischen war auf ihre Leser, holen Radiohörer Ti- eine besondere Herausforderung. ckets für Konzerte ab oder tauschen Michael Ringier hat mir komplett sich mit Moderatoren aus. freie Hand gelassen. Entstanden ist ein sehr modernes und kunstbezo- Sicherheit im Pressehaus genes Foyer. Der Hauptsitz von Ringier erlebt eine sanfte bauliche Neugestaltung. Diese Betreten Besucher und das Personal den neuen Eingang, schreiten sie in Wie entsteht so ein Raum? Animiert auf dem Computer, auf Papier oder steht für den Wandel der Medien. Das Pressehaus öffnet sich und wird zu eine offene Halle. Statt Metall verklei- det nur noch Glas das Parterre. im Kopf? Ich zeichne immer alles von Hand, einem Ort, wo sich die Arbeit und das Leben zunehmend vermischen. Anfang 2015 war diese Offenheit plötzlich gefährdet. Zwei Terroristen immer und immer wieder neu. Dann spreche ich mit dem Architekten, drangen in Paris in die Redaktion Nicht ganz einfach war es, einen Wirt 1 Der Empfang den Ingenieuren, die haben oft gute Text: Peter Hossli im Ringier der Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» für «The Studio» zu finden. Das gast- Ideen – das war auch hier so. Wir Fotos: Geri Born, Thomas Buchwalder, Philippe Rossier E Grand Opening: Pressehaus. Die in Reporter sitzt im Schaufenster, junge Moderatorin durch eine Live- in Zürich eröffnet, beherbergt im ein. Sie töteten zwölf Menschen. ronomische Angebot im Zürcher Entropie-Formel haben einiges noch angepasst. Am 3. September sein offener Laptop steht auf ei- Sendung von Radio Energy. 2015 lud Ringier Erdgeschoss nun eine Galerie, ein Den Planern des neuen Pressehauses Seefeld ist vielfältig. Zudem betreibt zeigt das Mass des Welche Reaktion auf Ihre Kunst nem edlen Tisch im Erdgeschoss des zur Eröffnungspar- Café mit Radiostudio, dazu Sitzplätze schien Sicherheit nun wichtiger als Ringier mit dem Inside ein beliebtes erwarteten Infor- erhoffen Sie sich? Im Schaufenster mationsgehalts Ringier Pressehauses. Er schreibt ein ty des umgebau- zum Verweilen und Arbeiten. Transparenz. Zuletzt aber entschied Personalrestaurant im Pressehaus. Dass Leute hereinkommen oder ten Pressehauses einer Nachricht. Porträt über die deutsche Bundes- Passanten auf der Dufourstrasse in man sich doch für die offene Lösung. Angefragte Gastronomen verlangten aussen vorbeigehen, den Raum be- im Zürcher Der Bauprozess 2 An diesem Tisch kanzlerin Angela Merkel. Hinter ihm Zürich beobachten durch grosse Seefeld. Ringier durfte sich dem Terror nicht die Schliessung des Inside. Was Ver- trachten, kurz innehalten, schauen in «The Gallery» hängt zeitgenössische Kunst. Fassadenfenster, wie Menschen im Anfang September 2015 erlebte das beugen. Hinter dem Portier hängt leger Michael Ringier ablehnte. Nun finden spontane – und dann weitergehen. Es hängt ja Nebenan treffen sich zwei Ringier Pressehaus sich begegnen, nachden- Haus sein «Grand Opening». Der Um- nun die Entropie-Formel. Der Begriff führt die Zürcher Kramer Gastrono- Sitzungen statt, auch Kunst von anderen Künstlern Controller zur Besprechung, verglei- ken, arbeiten, essen und trinken. bau begann im Frühling 2014. Am existiert seit 1948 und steht für das mie das Ringier-Restaurant. Sie ist Reporter schrei- hier, und das Foyer ist damit eine chen Zahlen und Tabellen, machen Arbeit und Leben vermischen sich. Anfang stand ein Bedürfnis: Radio Mass des durchschnittlich zu erwar- vertraut mit Ringier und dem Seefeld, ben hier Texte. Art Gesamtkunstwerk. Jedenfalls ist es sich in Sesseln bequem. Genau das sollte der Ringier-Umbau Energy musste die Betriebstechnik tenden Informationsgehalts einer die Gruppe betreibt auf der anderen es weder Corporate Branding, auch Ein paar Meter weiter trinken drei bewirken. Offener noch gibt sich der erneuern. Ringier-CEO Marc Walder Nachricht. Strassenseite das Hotel Europa und nicht Interior Design und auch nicht verschwitzte Radfahrer je einen Es- globale Medienkonzern durch den hatte die Idee, den Sender ins Pres- Im ersten Stock trat die Blick-Gruppe das Restaurant Quaglinos. In «The reine Architektur; es ist ein Mix von presso, bestellen im «The Studio» neu gestalteten Schweizer Hauptsitz. sehaus an die Dufourstrasse 23 zu Platz an Radio Energy ab. Dort richte- Studio» empfängt sie Gäste in einem allem, und ich denke, das passt gut Salate. Im selben Raum führt eine Das Pressehaus, 1978 an bester Lage holen. Darüber nicht begeistert waren te Ringier ein komplett neues Radio- ausgesprochen edlen Ambiente. zu Ringier. 20 | DOMO – September 2015 DOMO – September 2015 | 21
pressehaus Fussball-Legende Ottmar Hitzfeld Die Böden sind mit feinstem in «The Gallery», entworfen vom 1 Liebe zum Detail: Zufahrt zur Garage wird neu. Das (l.) im Gespräch Schiffsparkett belegt. Darauf stehen englischen Künstler Liam Gillick. Die Lampen aus Budget für den Umbau betrug an- mit IWC-Chef den USA mussten Georg Kern von Designern entworfene Stühle Der Ort erinnert an das Museum of fänglich 10,7 Millionen Franken. (r.) und Marcel auf schweizerische und Tische. An den Decken hängen Modern Art in New York, ist eine Art Spannung umge- Nach Ende des Euro-Franken-Min- Guerry, Mercedes eigens aus den USA importierte Lam- Büro der Zukunft. Hier vermischen rüstet werden. destkurses war es das Ziel, den Um- Benz Schweiz AG. pen. Ein Elektriker musste sie von sich Geschäft und Lifestyle. Men- 2 Neben Augen- bau unter 10 Millionen Franken fer- der amerikanischen auf die schwei- schen halten sich ein paar Stunden schmaus gibts tigzustellen. Was nicht ganz gelang. zerische Spannung umrüsten. oder wenige Minuten hier auf, fühlen auch frische Wie heisst das Pressehaus fortan? Gäste können kostenlos im schnellen sich auf edlen Möbeln wohl, lassen Salate, belegte Noch stellen Journalisten darin Zei- Brote und feine Internet surfen, sie essen frische sich zu Ideen inspirieren – und gehen Kuchen. tungen und Magazine her. Die Presse Salate, Suppen und belegte Brote, dann weiter. Die Orte kann man aber steht nicht mehr im Zentrum. 3 In «The Studio» dazu feine Kuchen. An der Bar gibt es nicht reservieren, es kommen Men- kann man gratis CEO Walder wollte das Haus in «Me- Bier und feine Weine, harte Drinks schen zusammen, die sich sonst im Internet surfen dienhaus» umtaufen. Verleger Rin- und starken Kaffee. Vor allem aber nicht treffen. Und keine Hemmun- und Radio hören gier mag den traditionellen Namen. Bundesrätin Doris Leuthard eröffnet die bietet der Raum einen Augenschmaus gen haben, von aussen beäugt zu – auch auf der Der Kompromiss: Das Wort Pres- neuen Räume des Ringier-Pressehauses. Radiomoderator interviewt Radio-Energy- Toilette. CEO Marc Walder freuts. Chef: Patrick Hässig (r.) und Dani Büchi. für Ästheten. Die Schreinera rbeiten werden. sehaus verschwindet von der Fassa- sind hochwertig, ebenso der Garten- Nicht nur äusserlich ändert sich ei- de, künftig soll dort nur noch das bereich mitsamt duftendem Laven- niges. Die Server-Technik im ersten Ringier-Logo hängen. Das Pres- HIER GIBTS ENERGY del, der in Kisten gedeiht. Untergeschoss ist schon neu, die sehaus aber bleibt das Pressehaus. Wie heisst das Pressehaus? 3 An der Wand hängt ein hoch auflö- sender Bildschirm, auf dem Energy- Konzerte übertragen werden. Kos- tenpunkt: 200 000 Franken. Ein enger Gang führt vom Restaurant Eine Bundesrätin und 150 VIPs lassen sich am Grand Opening von Popstar Milow 1 einheizen. Die Café-Bar «The Studio» mit dem Energy-Flagship-Studio im umge- bauten Ringier-Pressehaus ist Zürichs neuer Place to be – für Kaffee und Kunst. Zürichs First Lady: Corine Mauch. Die Stadtpräsidentin unterstützt Ringiers Projekt «Digital Zurich 2025». 2 Haben gut lachen: Google-Schweiz-Chef Patrick Warnking (r.) und Jura-Boss Emanuel Probst. Der Bundesrat und der Dalmatiner Feiern begeistert: CEO Marc Walder mit Ehefrau Heizt im neuen Café «The Studio» im Susanne (r.) und Sängerin und TV-Moderatorin Ringier-Medienhaus an der Dufourstrasse bundesrätlichen Glanz zu erlaubt worden war, ihren grossen Dalmatiner- («Verstehen Sie Spass?») Paola Felix. den prominenten verleihen. Wer Heinrich Oswald, den damaligen hund zur Arbeit mitzunehmen. Um Chef und Gästen ordentlich ein: Direktionspräsidenten, kannte, der wusste: Bundesrat nicht zu überraschen, bekam der Popstar Milow. minutiöse Organisation, klare Abläufe einer Hund an diesem Morgen einen extragrossen solchen Veranstaltung, militärisch klar – das Kalbsknochen zum Benagen vorgesetzt. Nachher Fotos: Geri Born, Thomas Buchwalder, David Biedert bedeutete ihm viel. «Es gibt keine Überraschun- sollte er gesättigt für den Rest des Vormittags gen, Planung ist alles», pflegte er zu sagen. im Auto verschwinden. Es kam, wie es kommen Angesichts des hohen Besuchs bedeutete das: musste: Furgler verspätete sich, kurzfristig Anweisungen an die Redaktionen, Schreibtisch wurde der Rundgang auf den Kopf gestellt. Als und Büros aufzuräumen; es gab einen Minuten- Bundesrat, Oswald, Verleger Hans Ringier und ablauf des Rundgangs durch die verschiedenen Begleitung die Dokumentation betraten, Abteilungen des Hauses. Als Abschluss der empfing sie ein schmatzender Dalmatiner mit Eröffnungen im Pressehaus waren schon früher Führung sollte der Bundesrat das Dokumen- seinem Knochen. Heinrich Oswald erliess kurz Bundesratssache. 1978 gab sich Kurt Furgler, tationszentrum mit Tausenden von Fotos darauf ein generelles Verbot für Hunde im damals Vorsteher des Justiz- und Polizeideparte- besichtigen. In diesem Dok-Zentrum nun arbeitete Pressehaus. – Fibo Deutsch (damals Chefredaktor der ments, die Ehre, der Einweihung des Neubaus eine Mitarbeiterin, der es ohne Wissen Oswalds Schweizer Illustrierten) Ringiers Finanzchefin Annabella Bassler (v. l.) Ringier-Verwaltungsrat Verleger Jürg Marquard mit mit den Eigentümerinnen und Selfmade-Millionär Nadja Schildknecht, Gründerin des Evelyn Lingg-Ringier und Claudio Cisullo mit seiner 22 | DOMO – September 2015 Internationalen Zurich Film Festivals. Annette Ringier. Partnerin Tamara Raich.
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