Warum hat es Nachhaltigkeitsmarketing in der Modebranche so schwer? - Anja Spiess Langgasse 77 9008 St. Gallen ...

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Warum hat es Nachhaltigkeitsmarketing in der Modebranche so schwer? - Anja Spiess Langgasse 77 9008 St. Gallen ...
Warum hat es Nachhaltigkeitsmarketing in der
        Modebranche so schwer?

                      Anja Spiess
                     Langgasse 77
                    9008 St. Gallen
             anja.spiess@student.unisg.ch

                      Bachelorarbeit
                   Universität St. Gallen
          Institut für Wirtschaft und Ökologie
              Prof. Dr. oec. Thomas Dyllick
                       August/2016
Warum hat es Nachhaltigkeitsmarketing in der Modebranche so schwer? - Anja Spiess Langgasse 77 9008 St. Gallen ...
II

Abstract
Das Ziel dieser Arbeit besteht darin, die verschiedensten Gründe für die Schwierigkeiten der
Implementierung des Nachhaltigkeitsmarketings in der Modeindustrie, sowie potenzielle Wege diese
Hürden zu beseitigen, zu erforschen. Zu diesem Zweck wird der Schweizer Modemarkt für Massenmode
analysiert. In einem ersten Teil wird das aktuell vorherrschende System der Fast Fashion analysiert,
sowie die verschiedensten Auswirkungen der Modebranche auf die soziale und ökologische Sphäre.
Folgend werden die unterschiedlichen Reaktionen auf die Nachhaltigkeitsherausforderungen sowie der
aktuelle Stand des Schweizer Modemarkts untersucht. Aus diesen Erkenntnissen werden danach
mögliche Lösungsansätze für eine nachhaltigere Modeindustrie erarbeitet. Schlussfolgernd kommt diese
Arbeit zu der Behauptung, dass die Fast Fashion aufgrund hohem Kosten- und Produktionsdruck,
Intransparenz der Supply Chain sowie der miteinhergehenden Wegwerfmentalität der Konsumenten
zahlreiche negative soziale und ökologische Auswirkungen mit sich zieht. Zusätzlich fehlt zurzeit ein
gesetzlicher Rahmen, um die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Nichtsdestotrotz gibt es immer
mehr grosse Modelabels, welche nachhaltige Kleidungskollektionen anbieten. Damit von einem
Industriewandel gesprochen werden kann, braucht es jedoch noch deutlich mehr Skalierbarkeit der
Nachhaltigkeitsmassnahmen, sowie verstärkte branchenweite Zusammenarbeit mit allen involvierten
Akteuren.
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III

INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................................................... V
TABELLENVERZEICHNIS ................................................................................................................................... VI
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ............................................................................................................................ VII
1. EINLEITUNG .................................................................................................................................................. 1
   1.1. PROBLEMSTELLUNG ........................................................................................................................................... 1
   1.2. ZIELSETZUNG DER ARBEIT ................................................................................................................................... 2
   1.3. METHODIK UND STRUKTUR ................................................................................................................................. 3
2. NACHHALTIGKEIT IN DER MODEBRANCHE ................................................................................................... 4
   2.1. NACHHALTIGE MODE ........................................................................................................................................ 4
   2.2. GESELLSCHAFTLICHER WERTEWANDEL UND LOHAS ................................................................................................ 6
   2.3. HERAUSFORDERNDE RAHMENBEDINGUNGEN ......................................................................................................... 7
      2.3.1. Fast Fashion Industrie ........................................................................................................................... 9
      2.3.2. Glaubwürdigkeit und Unternehmenskommunikation ........................................................................ 11
      2.3.3. Faire Arbeitsbedingungen und Ökologie ............................................................................................ 14
   2. 4. HAUPTBARRIEREN ZU EINER VERÄNDERUNG ........................................................................................................ 15
3. REAKTIONEN DER MODEBRANCHE AUF DIE NACHHALTIGKEITSHERAUSFORDERUNGEN ............................ 16
   3.1. ROLLE VERSCHIEDENER AKTEURE ........................................................................................................................ 16
   3.2. REAKTION DER MEDIEN.................................................................................................................................... 17
   3.3. EINFLUSS DER NGOS ....................................................................................................................................... 20
   3.4. POLITISCHE EINFLÜSSE ..................................................................................................................................... 21
4. ANALYSE DES SCHWEIZERISCHEN MODEMARKTS ....................................................................................... 23
   4.1. HAUPTAKTEURE DES SCHWEIZER MODEMARKTS ................................................................................................... 24
   4.2. NACHHALTIGE MODE KOMBINIERT MIT KONVENTIONELLEN MODE ........................................................................... 24
      4.2.1. Bio-Baumwollprodukte ....................................................................................................................... 27
      4.2.2. Recycelte Textilien .............................................................................................................................. 28
      4.2.3. Labels .................................................................................................................................................. 28
      4.2.4. Verhaltenskodex ................................................................................................................................. 30
      4.2.5. Konventionelle Mode kombiniert mit nachhaltiger Mode .................................................................. 30
   4.3. PRAXISBEISPIELE ............................................................................................................................................. 31
      4.3.1. Unternehmensprofil von H&M ........................................................................................................... 32
      4.3.2. H&M Strategie für nachhaltige Textilien ............................................................................................ 33
      4.3.3. Unternehmensprofil von Switcher ...................................................................................................... 36
      4.3.4. Switcher Strategie für nachhaltige Textilen........................................................................................ 37
      4.3.5. Vorteile und Nachteile der beiden Strategien..................................................................................... 38
5. ENTWICKLUNG MÖGLICHER LÖSUNGSANSÄTZE ......................................................................................... 40
   5.1. IMPLEMENTATION EINER NACHHALTIGKEITSSTRATEGIE ........................................................................................... 40
      5.1.1. Rohstoffgewinnung ............................................................................................................................ 40
      5.1.2. Produktion .......................................................................................................................................... 43
      5.1.3. Vertrieb ............................................................................................................................................... 46
      5.1.4. Verwendung ....................................................................................................................................... 47
      5.1.5. Post-Verwendung ............................................................................................................................... 48
   5.2. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN GESAMTBRANCHE ................................................................................................... 49
      5.2.1. Geschäftsmodelle ............................................................................................................................... 49
      5.2.2. Interne Änderungen ............................................................................................................................ 50
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IV

       5.2.3. Partnerschaftsansätze ........................................................................................................................ 51
       5.2.4. Verbraucherstrategien ....................................................................................................................... 52
       5.2.5. Öffentliche Ordnung ........................................................................................................................... 52
6. SCHLUSSFOLGERUNG UND AUSBLICK ......................................................................................................... 52
   6.1. ZUSAMMENFASSUNG UND EINSCHRÄNKUNGEN .................................................................................................... 53
   6.2. AUSBLICK ...................................................................................................................................................... 54
LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................................................. 55
ANHANG A: BEGRÜNDUNG ZUM INHALT DER IMPACT MATRIX VON BIOBAUMWOLLBEKLEIDUNG .............. 68
ANHANG B: QUELLEN TABELLE 2 VERGLEICH SCHWEIZER MODEUNTERNEHMEN .......................................... 77
ANHANG C: ALLGEMEINE TRENDS IM SCHWEIZER MODEMARKT ................................................................... 79
ANHANG D: SCHRIFTLICHES INTERVIEW MIT SWISS TEXTILES ........................................................................ 81
ANHANG E: SCHRIFTLICHES INTERVIEW MIT BCI ............................................................................................ 84
ANHANG F: SCHRIFTLICHES INTERVIEW MIT TOBIAS MEIER VON HELVETAS .................................................. 88
ANHANG G: EMAILANFRAGE .......................................................................................................................... 91
EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG ................................................................................................................... 92
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V

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Dreidimensionale Wertschöpfung ..................................................................................... 5
Abbildung 2: Nachhaltigkeitslabel ......................................................................................................... 13
Abbildung 3: Handlungsebenen des Nachhaltigkeitsmanagement ...................................................... 17
Abbildung 4: Entwicklung des Anteils an nachhaltiger Materialen und nachhaltiger Baumwolle ....... 34
Abbildung 5: Kontinua von Veränderungen .......................................................................................... 49
Abbildung 6: Zirkuläres Geschäftsmodell von H&M ............................................................................. 50
Abbildung 7: Ökologische und soziale Auswirkungen der Textil-, Bekleidungs- und Modeindustrie ... 72
Abbildung 8: CO2-Bilanz von Textilien .................................................................................................. 72
Abbildung 9: Vergleich Umweltbelastung verschiedener Textilien ...................................................... 73
Abbildung 10: Energieverbrauch im Kleidungsherstellungsprozess ..................................................... 73
Abbildung 11: Primäres Energieprofil eines T-Shirts, einer Bluse und eines Teppichs ......................... 74
Abbildung 12: Vergleich Wasserverbrauch verschiedener Fasern........................................................ 74
Abbildung 13: Preisentwicklung nach Warengruppen von 2003 bis 2012 ........................................... 80
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VI

Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Impact Matrix von Baumwollbekleidung................................................................................ 8
Tabelle 2: Vergleich Schweizer Modeunternehmen ............................................................................. 26
Tabelle 3: H&M im Überblick ................................................................................................................ 32
Tabelle 4: Switcher im Überblick ........................................................................................................... 36
Tabelle 5: Naturfasern vs. synthetische Fasern .................................................................................... 41
VII

Abkürzungsverzeichnis

AFWA                Asia Floor Wage Alliance
BAFU                Bundesamt für Umwelt
BCI                 Better Cotton Initiative
bzw.                beziehungsweise
C&A                 Clemens & August
ca.                 Zirka
CCC                 Clean Cloth Campaign
CEE                 Central Eastern Europe
CSR                 Corporate Social Responsibility
d. h.               das heisst
EvB                 Erklärung von Bern
FWF                 Fair Wear Foundation
GOTS                Global Organic Textile Standard
H&M                 Hennes & Mauritz
IFC                 International Finance Corporation
ILO                 International Labour Organisation
IMO                 Institute for Marketecology
NGO                 Non-Governmental Organisation
NRDC                Natural Resources Defense Council
QR                  Quick Response
SAC                 Sustainable Apparel Coalition
u. a.               unter Anderem
usw.                und so weiter
v. a.               vor allem
z. B.               zum Beispiel
1

1. Einleitung
Zu Beginn dieser Arbeit werden die Problemstellung, sowie die Zielsetzung der Arbeit erläutert. Diese
zwei Punkte erörtern, in welchem wissenschaftlichen Kontext die vorliegende Arbeit zur Forschung
einzuordnen ist, warum das Konzept der Nachhaltigkeit mit der Modebranche schwer vereinbar ist, was
die Autorin dazu motiviert hat dieses Thema zu bearbeiten, sowie welches Ziel während der Bearbeitung
verfolgt wird. Abschliessend wird auf die methodische Vorgehensweise sowie die Struktur dieser Arbeit
eingegangen.

1.1. Problemstellung
„Keine Schneeflocke in der Lawine fühlt sich verantwortlich.“ (Stanislaw Jerzy Lec)

Die Verantwortung der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt hat in letzten Jahren
vermehrt Aufmerksamkeit gewonnen (Vitols, 2011, S.7). Grund ist das zunehmende öffentliche
Bewusstsein für die Problematik der Ressourcenknappheit und der Umweltverschmutzung. Besonders
in der Lebensmittelbranche wird immer öfters nach Herkunft und Produktionsverfahren gefragt. So
berichtete die NZZ im Jahr 2014 im Artikel „Bio-Essen ist im Trend“ über die zunehmende Beliebtheit
von Bio-Nahrungsmittel innerhalb der Schweizer Bevölkerung (NZZ, 2014). Auch seitens der
Unternehmen stehen Nachhaltigkeitsherausforderungen immer mehr im Fokus. Eine Umfrage an 400
Manager aus 113 Ländern erwies, dass 70 Prozent der Unternehmen ökologische Nachhaltigkeit
dauerhaft auf ihre Agenda gesetzt haben und zwei Drittel der Manager dies als notwendig erachten, um
wettbewerbsfähig zu bleiben (Kim & Hall, 2015, S.31). Fraglich ist jedoch, ob der Trend zu mehr
Nachhaltigkeit in jeder Branche auf vermehrtes Interesse stossen wird, denn schliesslich beruht
wirtschaftliches Wachstum auf zunehmendem Konsum.

Gerade die Modebranche scheint mit dem Aufstieg des Fast Fashion Systems seit den 90er Jahren,
gekennzeichnet durch rasche Trendwechsel, billige Preise und Massenkonsum ist (Henninger, 2015,
S.6014), genau dem Gegenteil des Nachhaltigkeitskonzepts zu entsprechen. Ein markantes Ergebnis
dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass sich der Gesamtkonsum an Textilfasern der
Bekleidungsindustrie innerhalb von 20 Jahren beinahe verdoppelt hat (Khurana & Ricchetti, 2015,
S.89). Mit einem weltweiten Umsatz von drei Billionen US Dollar im Jahr 2011 gilt der Modesektor
heutzutage als einer der ressourcenintensivsten Industrien. Dies wegen seinem hohen Bedarf an
geringqualifizierten Arbeitskräften als auch wegen seinem intensiven Verbrauch von knappen
Naturressourcen (Martin, 2013, S. 22). Laut der World Trade Organization sollen 9,3 Prozent der
weltweiten Angestellten in der Modeindustrie arbeiten (Caniato, Caridi, Crippa &Moretto, 2011, S.
659). Somit spielt diese aufgrund ihrer Grösse und Reichweite der Tätigkeiten eine grosse Rolle bei den
zukünftigen ökologischen und sozialen Herausforderungen. Allerdings gerät die Modebranche immer
wieder in den Medien in Kritik, wegen Skandalen über prekäre Arbeitsbedingungen oder
Umweltverschmutzung. Besonders seit dem Rana Plaza Unglück wird den Tätigkeiten der Modefirmen
vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. Dieser Fabrikeinsturz in Bangladesch tötete im April 2013 1‘138
Textilarbeiter und hinterliess über 2‘000 mit Verletzungen die bis zur Arbeitsunfähigkeit führten. (EvB,
2

2016c). Wer dafür Verantwortung trägt, ist jedoch unter den grossen Modelabels umstritten. Seitdem
steht diese Katastrophe symptomatisch für die prekären Arbeitsbedingungen, sowie die herrschende
Undurchsichtigkeit entlang der gesamten Lieferkette der Modemarken.

Zurzeit bleibt demnach nachhaltige Mode ein Nischenmarkt, auch in kaufkraftstarken Märkten wie in
der Schweiz scheint sich der Nachhaltigkeitstrend neben dem Boom bei Bio-Nahrung mit grosser Mühe
auszuzeichnen. Allerdings haben neben Nachhaltigkeitspionieren wie Switcher oder Helvetas auch
grosse Modelabels wie H&M oder C&A in den letzten Jahren damit begonnen einen Teil ihrer
Kleidungskollektion als nachhaltig zu vermarkten. In dieser Arbeit wird deshalb die Thematik des
Nachhaltigkeitsmarketings auf dem Schweizer Massenmodemarkt untersucht.

1.2. Zielsetzung der Arbeit
Nachhaltigkeitsmarketing kann definiert werden, als der Aufbau und die Aufrechterhaltung von
Beziehungen mit Kunden, der sozialen Umwelt und der ökologischen Umwelt unter Berücksichtigung
einer langfristigen Ausrichtung (Belz & Peattie, 2012, S. 29). Dies impliziert, dass sämtliche
betrieblichen Marketingentscheidungen eines Unternehmens neben der üblichen Kundenorientierung
und Wettbewerbsorientierung ebenfalls ökologische (z. B. effizienter Umgang mit Ressourcen) und
soziale (z.B. faire Entlohnung der Zulieferer) Werte miteinbeziehen (Griese, 2015, S. 3).
In diesem Kontext nimmt sich diese Arbeit als Ziel die Erforschung der verschiedensten Gründe für die
Schwierigkeiten der Implementierung des Nachhaltigkeitsmarketings in der Modebranche, sowie die
Suche nach potenziellen Wegen diese Hürden zu beseitigen. Dafür soll der aktuelle Stand des Schweizer
Modemarkts für Massenmode unter die Lupe genommen werden, da dieser aufgrund des Aufstiegs der
Fast Fashion mit grossen Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit konfrontiert ist.
Massemode unterscheidet sich in den Preisen und ihrer grösseren Anzahl an Kollektionen pro Jahr vom
höheren Segment, weshalb Nachhaltigkeit in diesem Segment besonders herausfordernd ist. Konkret
werden folgende Fragen in dieser Arbeit beantwortet:
1. Was sind Nachhaltigkeitsherausforderungen in der Modebranche?

2. Was sind die Reaktionen der Modebranche auf diese Nachhaltigkeitsherausforderungen?

3. Wo steht die Modebranche heute?

4. Was könnte die Modebranche vorwärts bringen?

Mit einem Marktvolumen von annähernd 22 Milliarden CHF im Jahr 2011 repräsentiert der Modemarkt
einer der grössten Märkte im Non Food Sektor der Schweiz (FashionUnited, 2011). Die
gesamtwirtschaftlichen Ausgaben für Bekleidung und Schuhe in der Schweiz sind gemäss Bundesamt
für Statistik von 9,41 Milliarden CHF im Jahr 2003 relativ konstant auf 11,04 Milliarden CHF im Jahr
2013 gestiegen (BFS, 2014). Der Schweizer Markt ist somit aufgrund seiner relativen Grösse und der
relativ hohen Einkaufskraft der Bevölkerung ein interessanter Markt für die Entwicklung von
nachhaltigen Produkten. Zudem ist die Marktkonstellation mit kleinen Nachhaltigkeitspionieren (wie
3

Switcher) sowie grossen Modelabels (wie H&M) und ihren unterschiedlichen Strategien in Bezug auf
Nachhaltigkeitsmarketing von besonderem Interesse.

1.3. Methodik und Struktur
Um die Zielsetzung der Arbeit zu erreichen benötigt es einer entsprechenden Vorgehensweise. Diese
Arbeit wurde daher in vier Hauptteile gegliedert. In einem ersten Kapitel wird zunächst der Bezug von
Nachhaltigkeit in der Modebranche erläutert. Dieses Kapitel unterteilt sich in zwei Teilen. Zuerst
werden Erläuterungen zu nachhaltiger Mode und der Haltung der Konsumenten diesbezüglich gegeben,
um anschliessend die aktuellen Herausforderungen für eine nachhaltigere Modebranche zu beleuchten.

Danach wird nach den unterschiedlichen Reaktionen von aussermarktlichen Nachhaltigkeitstreibern wie
Medien, NGOs und Regierungen auf diese Nachhaltigkeitsherausforderungen geforscht. Damit soll die
Bedeutung der Watch-Dog Rolle dieser Akteure und deren Schaffung von öffentlichem Bewusstsein,
insbesondere seit dem Rana Plaza Skandals, für eine nachhaltigere Entwicklung der Modebranche
betrachtet werden. Im folgenden Kapitel wird der aktuelle Stand des Schweizer Modemarkts im
Hinblick auf dessen hervorgebrachten nachhaltigen Kleidungsprodukte und Labels analysiert.

Zum Zweck einer besseren Veranschaulichung unterschiedlicher Nachhaltigkeitsansätze von
Modelabels verschiedener Grösse, werden die Modeunternehmen Switcher und H&M verglichen.
Abschliessend werden im letzten Kapitel dieser Arbeit konkrete Handlungsempfehlungen gegeben.
Dafür werden zuerst Verbesserungsvorschläge für die gesamten Etappen des Produktlebenszyklus
formuliert und anschliessend anhand einer systemischen Betrachtungsweise Handlungsempfehlungen
für die Gesamtbranche ausgesprochen.
4

2. Nachhaltigkeit in der Modebranche
„Ich bin gegen Mode, die vergänglich ist. Ich kann nicht akzeptieren, dass man Kleider wegwirft, nur
weil Frühling ist.“(Coco Channel)

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Verhältnis der Nachhaltigkeit zur Modeindustrie. Zu diesem
Zweck wird zuerst eine Definition der nachhaltigen Mode erarbeitet, sowie die aktuelle Nachfrage nach
dieser Mode erforscht. Anschliessend werden die Hauptherausforderungen für eine nachhaltigere
Modebranche unter Betrachtung des aktuellen Bezugsrahmens erörtert. Zweck dieses Kapitels ist es,
ersichtlich zu machen, weshalb die Entwicklung einer nachhaltigeren Supply Chain im aktuellen
Kontext der Modeindustrie schwierig sein kann.

2.1. Nachhaltige Mode
In der Modebranche gibt es keinen allgemeinen Standard oder eine universelle Definition für die
Beziehung zwischen Nachhaltigkeit und Mode. Begriffe wie Öko-Mode, Ethical Fashion,
umweltfreundliche Mode, grüne Mode und noch weitere beschreiben dieses Konzept. In dieser Arbeit
wird der Begriff „nachhaltige Mode“ verwendet, da dieser am neutralsten ist und die drei Dimensionen
„Ökonomie, Ökologie und Umwelt“ mit einbezieht.

Nachhaltige Mode wird vom Begriff der Nachhaltigkeit abgeleitet. Dieses Konzept wurde 1987 erstmals
im Bericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ der Brundtland Kommission definiert. Nach diesem ist eine
Entwicklung nachhaltig, welche: „den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die
Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren
Lebensstil zu wählen.“ (WCED, 1987). Nachhaltigkeit in der Mode bedeutet dementsprechend, dass
durch die Entwicklung und den Gebrauch eines Gegenstandes oder eines Prozesses, die Menschen und
die Umwelt nicht verletzt werden. Ebenfalls soll dieser Gegenstand oder Prozess den Wohlstand der
Menschen, welche mit diesem verbunden sind und die Umwelt in welcher es entwickelt und gebraucht
wird, fördern (Gardetti & Torres, 2013, S.6). Demnach handelt es sich nicht nur um ein Unterlassen von
schädlichen Tätigkeiten, sondern auch um ein aktives Engagement von Unternehmen in Programmen,
welche beispielsweise zur Reduktion der Armut, zum Umweltschutz und zur Schaffung von
nachhaltigem Lebensunterhalt beitragen (Ethical Fashion Forum, 2015).

Um ein besseres Verständnis des Begriffs „Nachhaltigkeit“ zu erlangen, wird hier das Konzept der
„triple bottom line“ (Elkington, 1997) eingeleitet. Dieses unterteilt das Konzept der Nachhaltigkeit in
drei Dimensionen, welche sich wechselseitig beeinflussen: Ökonomie, Ökologie und Soziales
(Abbildung 1, S 5). Die ökonomische Dimension garantiert einen permanent ausreichenden Cash-Flow,
sowie eine überdurchschnittliche Rendite für die Aktionäre. Die ökologische Dimension fordert, dass
die Verwendung von natürlichen Ressourcen die Rate ihrer Reproduktion oder Ersetzung nicht
überschreitet, sowie die Bewahrung der Ökosystemdienstleistungen. Die soziale Dimension beinhaltet
eine Forderung des Humankapitalzuwachses und Sozialkapitals der Gemeinschaft in welcher ein
Unternehmen tätig ist (Dyllick & Hockerts, 2002, S. 133-134).
5

Abbildung 1: Dreidimensionale Wertschöpfung
Quelle: Vorlesung Nachhaltigleitsmanagement/ Nachhaltigkeitsmarketing (2014) bei Prof. T. Dyllick und F.-M. Belz

Angewendet auf die Modeindustrie bedeutet dies, dass ein Modeunternehmen zwar effizient arbeitet
und Profite erzielt aber auch auf die Umwelt und das Soziale achtet. Auf der ökologischen Ebene wird
v.a. auf umweltfreundliche Rohmateriale und umweltschonende Produktionsmethoden geachtet.
Nachhaltige Rohmaterialen umfassen verschiedene ökologische Textilfasern. Das am meisten genutzte
nachhaltige Rohmaterial ist sicherlich biologische Baumwolle, welche nicht mit Pestiziden und
chemischen Düngern behandelt wurde, sowie nicht gentechnisch verändert wurde (WWF, 2016b). 2010
waren H&M, C&A und Nike die drei Bekleidungsunternehmen, die am meisten biologische Baumwolle
genutzt haben (Illge & Preuss, 2011, S. 106). Daneben gibt es noch weitere ökologisch angebaute
Pflanzen, wie zum Beispiel Hanf und Bambus. Ebenfalls wurden mit dem technologischen Fortschritt
alternative nachhaltige Textilfasern wie zum Beispiel cellulosische Chemiefasern aus Zellstoff (Vikose
und Lyocell) oder recyceltes Polyester aus gebrauchten PET-Flaschen entwickelt (Saicheua, Cooper &
Knox, 2012, S:293). Ein anderer Aspekt der ökologischen Dimension ist das Produktionsverfahren.
Dabei liegt der Fokus auf der Senkung des Ressourcenverbrauches wie Wasser oder Energie,
Verringerung der Abfälle, Verwendung umweltfreundlicher Färbemittel und neuer Technologien zur
Senkung von CO2-Emissionen (Lee, 2016, S. 160).

Bezüglich der sozialen Dimension geht es vorwiegend um faire Arbeitsbedingungen, d.h. gemäss den
ILO-Kernarbeitsnormen gerechte Löhne und Arbeitszeiten, Recht zu Kollektivverhandlungen sowie
Vereinigungsrecht, Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz (Gebäudesicherheit und
Feuersicherheit), sowie Verbot von Diskriminierung, Kinder- und Zwangsarbeit (EvB, 2016a). Als
Beleg für gerechte Arbeitsbedingen bei der Produktherstellung wird oft auf Fairtrade-Labels geschaut.
Fairtrade beruht auf einer Partnerschaft zwischen Produzenten und Käufern und besteht sowohl aus
sozialen Kriterien wie der Garantie der Bezahlung eines Mindestpreises an die Produzenten sowie einer
Fairtrade-Prämie       für   Entwicklungsprojekte,         als   auch     aus   Umweltkriterien        wie    effiziente
Bewässerungsmethoden oder der Schutz der Bodenfruchtbarkeit. Zudem sind gentechnisch veränderte
6

Pflanzen, wie auch die Verwendung hochgefährlicher Pestizide verboten (FLO, 2011; Max Havelaar,
2016b).

Die Kombination der drei Dimensionen, der „triple bottom line“ kann entweder zur Erreichung einer
Win-Win Situation oder einer Win-Lose Situation führen. In einer Win-Win Situation wird sowohl
ökonomischer Erfolg als auch soziale und ökologische Leistung erreicht (Elkington, 1998, S. 45). Im
weiteren Verlauf dieser Arbeit wird geforscht, ob ein Modeunternehmen eine Win-Win Situation dank
der Verfolgung von ökonomischen, sozialen und ökologischen Zielen erlangen kann.

2.2. Gesellschaftlicher Wertewandel und LOHAS
LOHAS ist ein Akronym für Lifestyle Of Health And Sustainability und entwickelte sich 1999 in den
USA (Belz & Peattie, 2012, S.96). LOHAS steht für einen Lebensstil und Konsumententyp, welcher
persönliche Gesundheit, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und Genuss in den Vordergrund stellt und das
Konsumentenverhalten, sowie die gezielte Produktauswahl beeinflussen (Helmke, Scherberich &
Uebel, 2016, S.1; Heiler et al., 2008, S.89). LOHAS-Konsumenten können nicht über demografische
Variablen wie Alter, Ausbildung oder Einkommen erkannt werden. Vielmehr definieren sie sich durch
ihr Verhalten, Werthaltung und gemeinsame Züge wie z.B. die Verwendung von Internetrecherche vor
dem Einkauf oder eine Tendenz zur genauen Überprüfung der Produkte bevor sie davon völlig überzeugt
sind (Belz & Peattie, 2012, S.96). LOHAS-Konsumenten sind bereit einen Preisaufschlag für
nachhaltige Produkte zu bezahlen und treffen bewusste Entscheidungen. Generell glauben sie daran,
dass das Konsumverhalten die Macht hat den Markt zu verändern (2012, S. 155).

In den letzten Jahren wurde dieses Konsumentensegment als gesellschaftliche Entwicklung betrachtet,
welches mit dem Megatrend „Neo-ökologie“ zusammenhängt. Letzterer umfasst eine neue Einstellung
der Bevölkerung zu Themen wie Umweltschutz, Klimawandel, Energieerzeugung und nachhaltigem
Konsum. „Neu“ steht für den Wandel der Umweltschutzbewegung der 1970er Jahre hin zur heutigen
Öko-Kultur (Kirig & Wenzel, 2009, S.11). Die Zukunftsforschung gewährt dieser Gruppe ein hohes
Potenzial für Nachhaltigkeit und eine wichtige Rolle in den Zukunftsmärkten in Anbetracht der globalen
Entwicklung dieses Phänomens (Heiler et al., 2008, S. 89).

Laut einer Studie der Beratungsfirma Public Relations Edelman, zu der 8‘000 Konsumenten in 16
verschiedenen Märkten befragt wurden, besteht ein steigendes Interesse an nachhaltigem
Konsumverhalten. Seit 2008 berichten 87 Prozent der Konsumenten der Überzeugung zu sein, dass
Unternehmen mindestens so viel Wert auf soziale Auswirkungen, als auf ihre Kerngeschäftstätigkeiten
legen sollten (Edelman, 2012). Demnach zeichnet sich ein Trend zu einer steigenden Bedeutung der
CSR-Tätigkeiten einer Firma für Konsumenten ab, was die Ausschöpfung des Potentials der LOHAS
für Modeunternehmen in Zukunft ökonomisch interessanter machen könnte (Bhaduri & Ha-Brookshire,
2015, 514).

Nichtsdestotrotz ist zu beachten, dass eine positive-Einstellung gegenüber nachhaltigen Produkten nicht
gleich mit einem hohen Kaufverhalten der ethisch produzierten Produkte einhergeht, da z.B. eine
7

niedrige Kaufkraft dies verhindern kann (Belz et al, 2007, S.83). Eine Studie von Deloitte fand heraus,
dass trotz zunehmendem Interesse an Nachhaltigkeit seitens der Konsumenten, nur zirka 20 Prozent von
diesen am Ende tatsächlich ein nachhaltiges Produkt kaufen (Deloitte, 2009). Als Hauptkriterien beim
Kauf von Kleidung gelten heutzutage überwiegend der Preis und der Trendfaktor (Interview mit Tobias
Meier von Helvetas, 2016, S. 88).

Obwohl das LOHAS-Segment am Wachsen ist (Bhaduri & Ha-Brookshire, 2015, S. 504), deutet zurzeit
wenig darauf hin, dass allein die Nachfrage der Konsumenten die Produktion der Textil- und
Kleiderindustrie beeinflussen könnte. Dies ist eine wichtige Erkenntnis unter Berücksichtigung einer
Industrieumwandlung und stellt einen Hinweis dar, dass nachhaltige Mode für Konsumenten aktuell
eher eine Nische repräsentiert (Martin, 2013, S. 10).

2.3. Herausfordernde Rahmenbedingungen
Die Kleiderindustrie ist einer der ressourcenintensivsten Industrien und tritt daher auf grosse
Nachhaltigkeitsherausforderungen.     Umweltschädigung,      gefährliche   Chemikalien,     mangelnde
Sicherheit am Arbeitsplatz und Verletzung der Arbeitnehmerrechte (Kinderarbeit, Zwangsarbeit und
Migrantenarbeit) sind Faktoren, die die Modeindustrie belasten (Martin, 2013, S. 8).

Eine Impact Matrix für Baumwollbekleidung veranschaulicht die verschiedenen sozialen und
ökologischen Brennpunkte dieses Produkts. Auf der vertikalen Axe stehen die relevanten Sozial- und
Umweltdimensionen. Die horizontale Axe stellt die Hauptphasen des Produktenlebenszyklus (von
Rohstoffgewinnung bis Entsorgung) dar. Die Felder in der Matrix geben an, welche Auswirkungen die
verschiedenen Phasen des Produktenlebenszyklus auf die sozialen und ökologischen Dimensionen
haben. Die Bewertung basiert auf der ABC Analyse, d.h. dunkelblau kennzeichnet eine hohe Wirkung
auf das soziale und ökologische Umfeld, hellblaue stellt eine mittlere Wirkung dar und weiss eine
geringe Wirkung (Belz & Peattie, 2012, S. 63). Als Grundlage für die Bewertung wurden mehrere
wissenschaftliche Quellen herangezogen (für eine ausführliche Begründung siehe Anhang A, S. 68).
Die Impact-Matrix ist jedoch ein qualitatives Tool, weshalb die Einschätzung der Auswirkungen je nach
Kontext (z. B. Baumwolle per Hand oder per Maschine geerntet, Versand per Flugfracht oder
Schifffracht oder Land der Textil- und Bekleidungsproduktion) milder oder stärker hervorgehoben
werden können. Die unten stehende Darstellung vermittelt einen Eindruck der Hauptproblemfelder der
Produktion eines T-Shirts aus konventioneller Baumwolle. Als eins der ältesten verwendeten Rohstoffe
für Kleidung ist Baumwolle heutzutage trotz stetiger Zunahme von Textilien aus Chemiefasern in rund
30 Prozent der Kleidung zu finden (Schäfer, 2012a).
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                                Rohstoff-        Produktion          Transport        Verwendung     Kleidungs-
                                gewinnung                                             der Kleidung   entsorgung

 Energie

 Wasser

 Luft

 Chemikalien

 Verschwendung

 Bodenverschmutzung

 Gesundheit

Legende:                       Hohe Wirkung                        Mittlere Wirkung             geringe Wirkung
Tabelle 1: Impact Matrix von Baumwollbekleidung
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Belz & Peattie (2012)

Innerhalb seines Gesamtlebenszyklus verbraucht ein T-Shirt aufgrund des hohen Wasserbedarfs der
Baumwolle 10‘000 bis 15‘000 Liter und verursacht 8 bis 9 Kilogramm CO2 (Kern, 2008, S.64). Die
erste Etappe ist die Rohstoffgewinnung, welche den Baumwollanbau und die Entkörnung beinhaltet.
Besonders belastend für die Umwelt ist der hohe Wasserverbrauch (ca. 8‘506 pro Kg Baumwolle
(WWF, 2007)) sowie der grosse Einsatz von Chemikalien, welcher zur Bodenversauerung und
Bodenerosion führt. Laut Greenpeace werden rund 25 Prozent der weltweit hergestellten Chemikalien
für die Textil- und Bekleidungsindustrie genutzt (Greenpeace, 2013). Diese Tatsache hat ebenfalls
schwerwiegende Konsequenzen auf die Gesundheit der (Feld-)Arbeiter. Zwischen 25 und 77 Millionen
Produzenten leiden deswegen weltweit unter akuter Pestizidvergiftung (EJF, 2007). In der Phase der
Produktion (Textilverarbeitung, Näharbeit, Verpackung) spielen soziale Probleme ebenfalls eine grosse
Rolle aufgrund der vorherrschenden schlechten Arbeitsbedingungen und Sicherheitsbedingungen der
Textilarbeiter. Genau wie die Transport- und Verwendungsphase trägt die Herstellungsetappe zum
hohen CO2-Anteil eines T-Shirts bei. Bei der Verwendungsphase hängen die verschiedenen
Auswirkungen allerdings von der Anzahl der Waschvorgänge ab und ob die Kleider im Trockner
getrocknet und danach gebügelt werden (verdoppelt den Energieverbrauch). So macht der
Energieverbrauch in der Verwendungsphase bis zu 60 Prozent vom Gesamtenergieverbrauch aus, wenn
das T-Shirt 25 mal bei 60 Grad Celsius gewaschen wird und danach im Trockner getrocknet, sowie
gebügelt wird (Muthu, 2015, S. 46). In der letzten Phase, der Entsorgung, wird das T-Shirt entweder
verbrannt, auf Mülldeponien gelagert oder in seltenen Fällen wiederverwertet. Sowohl der Prozess der
Kleidungsverbrennung, als auch derjenige der Kleidungszersetzung (Mülldeponie) verursachen CO2-
Emissionen.

Im folgenden Teil werden zunächst das System der Fast Fashion und die daraus entstehenden
Herausforderungen für Nachhaltigkeit in der Modebranche erläutert. Danach wird die Problematik der
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Supply Chain Transparenz und die damit verbundene Unternehmenskommunikation erläutert. In einem
letzten Schritt wird ein genauer Blick auf die Arbeitsbedingungen und Auswirkungen auf die Umwelt
geworfen, um abschliessend ein Fazit über die Haupthindernisse Richtung Veränderung zu ziehen.

2.3.1. Fast Fashion Industrie
Seit den letzten 20 Jahren hat die Modebranche viele Veränderungen erfahren, insbesondere mit dem
Aufkommen der Fast Fashion in den 1990er Jahren (Martin, 2013, S. 3). Diese bekommt zunehmend
Aufmerksamkeit und setzt sich heutzutage verstärkt als erfolgreiches Business Modell durch. Das Ziel
dieses Modell besteht in der Herstellung möglichst billiger. Wegwerfkleider, welche deutlich tiefere
Kosten als Designerkleider verursachen und zahlreiche Jahreszeitenkollektionen haben im Gegensatz
zu den üblichen zwei Kollektionen pro Jahr (Birtwistle & Moore, 2007, S. 214). Die Hauptzielgruppe
dabei sind junge Menschen, welche immer modisch aktuell sein wollen, aber über ein geringes
Einkommen verfügen (Taplin, 2014, S.248). Somit werden Trends von Designerkollektionen in sehr
kurzer Zeit (10 bis 15 Tage bis sie im Geschäft vorhanden sind (Martin, 2013, S. 22; o. A., 2015, S.18)
und in viel grösserer Quantität hergestellt, um Kunden so oft wie möglich in die Geschäfte zu locken
und damit die Einkäufe zu steigern (Turker & Altuntas, 2014, S.838). Pioniere der Fast Fashion bilden
Unternehmen wie H&M, Inditex (Zara), Forever21 und GAP Inc. (Cortez, Tu, Van Anh, Ng & Vegafria,
2014, S. 2). Typische Eigenschaften der Fast Fashion sind verkürzte Durchlaufzeiten, schnellere
Lagerumschläge und hohe Auftragsabwicklungsraten um Höhepunkte bei der Kundennachfrage
abzuwickeln, sowie ein hoher Grad an Reaktionsfähigkeit. Die Industrie besteht demnach aus einer
wettbewerbsintensiven Struktur, aus welcher sich mehrere Herausforderungen wie Preisdruck,
Produktionsdruck und steigende Komplexität der Supply Chain herauskristallisieren (Turker &
Altuntas, S. 838).
Im Folgenden werden diese drei Herausforderungen für Mitbewerber in der Fast Fashion Industrie näher
betrachtet und ihre verschiedenen Folgen auf eine nachhaltige Entwicklung der Modebranche erläutert.

Preisdruck

Bis in die 1980er Jahre waren die traditionellen Fashion Supply Chains von grossen Einzelhandels-
geschäften vor aussermarktlichem Wettbewerb geschützt. Faktoren wie die wachsende Mittelklasse,
bessere gesellschaftliche Mobilität, die steigende Urbanisierung, wie auch das Wachstum der
Einkaufzentren haben dennoch die ursprüngliche Exklusivität des Modesystems vermindert (Taplin,
2014, S. 253). Mit der Globalisierung der Industrie wurde die Produktion vermehrt von westlichen
Ländern zu Billiglohnländern verlagert (Turker & Altuntas, S. 838). Während im Jahr 1960 in den USA
noch 95 Prozent der gekauften Textilien im Land hergestellt wurden und 1990 dieser Prozentsatz auf 50
sank, sind es 2013 nur noch 2 Prozent (Cline, 2013, o. S.). In den letzten Jahrzehnten bewegte sich die
geografische Konzentration der Kleiderherstellung nach Asien, insbesondere nach China, welches der
weltgrösste Exporteur von Kleidern wurde, vor Bangladesch an zweiter Stelle, gefolgt von Indien und
der Türkei (Taplin, 2014, S. 255; Martin, 2013, S. 6). Dies bildetet eine wesentliche Grundlage für die
Entwicklung der Fast Fashion, denn es ermöglicht dank der grossen Menge an billigen, unausgebildeten
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Arbeitskräften die Kosten niedrig zu halten und somit Kleider, welche z.T. nicht teurer als ein Kaffee
im Verkaufsland sind, anbieten zu können (Taplin, 2014, S. 250).

Outsourcing erlaubt einerseits die Produktionskosten zu senken und anderseits einen stärkeren Fokus
der Modehändler auf Design und Marketing, was die Nachfrage und den (Über)Konsum anspornt (Cline,
2013, o. S.). Nichtsdestotrotz bedeutet dies, dass grosse Modehändler wie H&M, Inditex (Zara) oder
Uniqlo dank raschem Wachstum des Marktanteils die Macht erlangt haben Lieferanten zu tieferen
Angebotspreisen und schnelleren Zustellungen zu zwingen. Damit dies für Lieferanten möglich ist,
werden oft Verträge mit unzuverlässigen oder unethischen Unterlieferanten geschlossen (Shambu, 2015,
S. 65). Demnach besteht die Hauptherausforderung der Outsourcing-Strategie laut Greenpeace darin,
dass: „ […] die Textilindustrie von den mangelhaften Umweltschutzauflagen der Produktionsländer in
Asien und Mittel- und Südamerika profitiert.“ (Greenpeace, 2013). Dies lässt sich ebenfalls aus dem
Bereich der Arbeitsrechte ableiten.

Neben den kritischen sozialen und ökologischen Bedingungen in den Kleiderherstellungsländern hat der
hohe Preisdruck in der Fast Fashion Industrie noch zwei weitere bedeutsame Auswirkungen. Einerseits
verursachte die Verlegung der Produktionsstätte Arbeitsplatzabbau in der europäischen Textilien- und
Bekleidungsindustrie, auch wenn Unternehmen in westlichen Länder immer noch die Mehrheit der
Modehersteller und Modemarken besitzen (Turker & Altuntas, 2014, S. 838). Andererseits stellt die
zunehmende Transportmeilenzahl eine starke Belastung der Umwelt dar. Dies wird durch den Zeitdruck
der Fast Fashion Aufträge verstärkt und hat zur Folge, dass die meisten Zustellungen per Luftfracht
geliefert werden, was die CO2 Emissionen erheblich erhöht hat (2014, S.839). Im Kapitel 2.3.3. wird
näher auf die Arbeitsbedingungen und die Ökologie eingegangen.

Produktionsdruck

Fast Fashion bedeutet für Hersteller den neuen Trends so schnell wie möglich zu folgen und rasche
Antwort in Form von ständig neuen Produkten zu geben. H&M, ein Spitzenreiter in der Fast Fashion,
führt deswegen jeden Tag ein neues Kleidungsstück ein (Illge & Preuss, 2011, S.103). Um dieses Ziel
zu verfolgen, werden weniger Einheiten in vielfältigeren Stilvarianten bei höherer Frequenz geliefert
(Martin, 2013, S. 10). Aus diesem Grund ist die Produktion nachfrageorientiert (Pull-Konzept) im
Gegensatz zum Push-Konzept der Kleiderhersteller standardisierter Produkte (Taplin, 2014, S. 247).
Dies erlaubt eine flexible Anpassung an die letzten modischen Trends. Demzufolge haben Modefirmen
ihre Herstellungssysteme dem Quick Response (QR) Ansatz angepasst. Das Hauptziel des Quick
Response Ansatzes ist die Rationalisierung des Supply Chain Managements durch operationelle
Restrukturierung, was den Herstellern erlaubt die Durchlaufzeiten, sowie die Aufwände für
Arbeitskräfte und Lagersysteme zu minimieren (2014, S. 247). Der QR Ansatz hängt mit dem
Postponement-Konzept zusammen, weil dieses häufig Lagerbestand an Rohmaterial erfordert, die bereit
sind gefärbt, geschnitten und genäht zu werden. Dies ermöglicht eine genauere Bedarfsplanung auf
Stückebene (Caro & Martinez-de-Albeniz, 2014, S. 10).
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Nichtsdestotrotz    kann     die   Volatilität    im   Beschaffungsvolumen     und   der     verlangten
Liefergeschwindigkeit signifikanten Druck auf die Zulieferer ausüben. Folgen daraus sind Ähnliche wie
die des Preisdrucks: schlechte Arbeitsbedingungen, mangelnde Sicherheitsmassnahmen und
Umweltverschmutzung (Martin, 2013, S. 10-11). Dieses System ermöglicht jedoch den
Modeunternehmen ihre Lagerbestände gering zu halten und Close-Outs (vergünstigte Kleidung) zu
vermeiden, was sie zu Hauptnutzniessern macht, zum Nachteil der Zulieferer (Taplin, 2014, S. 248).
Auch der Endkonsument kann darunter leiden, denn die Endprodukte werden aufgrund der sehr kurzen
Herstellungszeitspanne oft nicht systematisch kontrolliert. Forscher haben deshalb Rückstände von
gefährlichen Chemikalien in Kleidern gefunden, die von den Top 20 der globalen Modemarken
produziert wurden (Martin, 2013, S. 22).

Komplexität der Supply Chain

Die Zunahme der Sortimentsbreite und der Nachfrage nach externen Lieferanten macht es zunehmend
schwieriger für Modeunternehmen ihre Supply Chain Tätigkeiten zu managen und zu kontrollieren, was
die Einhaltung der Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandard gefährdet (Turker & Altuntas, 2014, S. 847).
Ein gutes Beispiel ist der Fast Fashion Anbieter H&M, dessen Supply Chain rund 700 externe Zulieferer
beinhaltet. Diese Zulieferer sind dennoch nicht unbedingt Bekleidungshersteller, sondern Vertreter, die
die Arbeit mit Subunternehmern koordinieren. H&M zählt rund 3.000 Subunternehmer in seiner Supply
Chain (Illge & Preuss, 2011, S. 104). Als Folge darauf wissen die grossen Modelabels oft selbst nicht
woher ihre Rohstoffe kommen und wer sie unter welchen Arbeitsbedingungen hergestellt hat
(slaveryfootprint.org, 2016). Ein augenfälliges Beispiel dafür liefert der Rana Plaza Unfall in
Bangladesch, nach welchem Modeunternehmen wie H&M oder Forever 21 mehrere Tage brauchten,
um sicherzustellen, dass keine ihrer Kleider dort hergestellt wurden (Shambu, 2015, S.65). In einem
kürzlich publizierten australischen Bericht wurde festgestellt, dass 61 Prozent der Modemarken nicht
wussten wo ihre Bekleidung hergestellt wurde und 93 Prozent wussten nicht woher ihre Rohmaterialien
stammten (Pieters, 2014).

Dies verdeutlicht einerseits wie schwierig es in der Fast Fashion aufgrund der zunehmend komplexer
werdenden Netzwerke an Zuliefern (als Folge der Outsourcing-Strategie) geworden ist, Kontrolle über
jede Herstellungsetappe und jeden Teilnehmer der Supply Chain zu behalten (Smith et al., 2010).
Anderseits hebt es das fehlende Verantwortungsbewusstsein der grossen Modelabels für ihre Tätigkeiten
hervor.   Darüber   hinaus     haben    Fast     Fashion   Unternehmen   wie   H&M     als   Hauptziel
Marktanteilswachstum (H&M hat eine jährliche Wachstumsrate von 10 bis 15 Prozent), was die
Komplexität des Lieferanten- und Unterlieferantennetzwerke in Zukunft noch steigen lassen wird und
somit auch die Herausforderungen an nachhaltige Mode (Illge & Preuss, 2011, S. 103).

2.3.2. Glaubwürdigkeit und Unternehmenskommunikation
„Die Wirtschaft präsentiert mit Vorliebe trojanische Pferde: Kein Produkt ist mehr, was es zu sein
vorgibt. Verunsicherte Konsumenten spielen nicht mehr mit.“ (Kaiser und Peterka 2008, S.8). Mit diesen
Worten fassen Kaiser und Peterka, Redakteure bei dem Gottlieb Duttweiler Institut „IMPULS", die
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Situation direkt nach der Wirtschaftskrise zusammen. Damit verweisen sie auf ein zunehmendes
Misstrauen der Konsumenten gegenüber den Nachhaltigkeitsberichten der Unternehmen, trotz
tatsächlich wachsendem Engagement dieser. 2012 unterstütze diese Aussage eine Studie von Integral
(österreichische Firma für Marktforschung) zur Nachhaltigkeit bei österreichischen Konsumenten für
das Unternehmen Henkel CEE, welche erklärte, dass nur 16 Prozent der Probanden den Hinweis der
Unternehmen auf ihre nachhaltigen Tätigkeiten als „(sehr) glaubwürdig“ einstuften (Pittner, 2014, S. 4).

Bezüglich Nachhaltigkeitsberichten verwenden die meisten Unternehmen die Richtlinien der Global
Reporting Initiative (GRI), welche auf jeden Sektor anwendbar sind. Im Mai 2013 lancierte die GRI die
vierte Generation der Richtlinien für Nachhaltigkeitsberichterstattung (KPMG, 2013). Mit der
zunehmenden Bedeutung der Nachhaltigkeitsreports, auch für die Modebranche, entwickelte die GRI
den AFSS (Apparel and Footwear Sector Supplement) Zusatz, welcher den spezifischen Bedürfnissen
der Bekleidungsindustrie entsprach (Gardetti & Muthu, 2015, S. 195). Der GRI AFSS ist jedoch
weitgehend auf Supply Chain Anliegen ausgerichtet und erfasst nicht gleichmässig die wichtigsten
Nachhaltigkeitsaspekte in der Modebranche.

Zwei junge Studien haben die Wirkungen und den Grad der Einhaltung der Firmen, welche GRI
Richtlinien einhalten, erforscht. Fulton und Lee (2013) kamen zur Schlussfolgerung, dass die GRI zwar
einen nützlichen Rahmen zur Einschätzung der Nachhaltigkeitstätigkeiten eines Unternehmens liefert,
die Berichterstattung jedoch von Fall zu Fall sehr unterschiedliche Gewichte lege. Sherman (2009)
betont in seinen Resultaten ebenfalls den Mangel an Ähnlichkeiten, der für die Nachhaltigkeitsleistung
verwendeten Kennzahlen. Demzufolge kann behauptet werden, dass die GRI Richtlinien das Ziel der
Vergleichbarkeit innerhalb der Branche nicht erfüllen, da es wegen den unterschiedlichen Bewertungen
für Konsumenten nicht ersichtlich ist, welche Firma die beste Performance erbringe (Kozlowski, Searcy
& Bardecki, 2015, S. 380-382). Dies scheint deswegen eine Hürde für die Erhöhung der
Glaubwürdigkeit der nachhaltigen Unternehmen zu sein. Nichtsdestotrotz wurde Ende September 2014
vom Rat der EU eine Pflicht zum Erstellen eines Nachhaltigkeitsberichts beschlossen. Dies betrifft alle
Finanzinstitute, sowie börsennotierte Unternehmen mit jeweils mehr als 500 Mitarbeitern und sollte
Ende 2016 umgesetzt werden. Diese Massnahme betont die zunehmende Wichtigkeit von
Nachhaltigkeitsmanagement sowie die Transparenzbedürfnisse in den Nachhaltigkeitstätigkeiten
grosser Unternehmen (ADG, 2014).

Ein anderes wichtiges Unternehmenskommunikationsinstrument stellen die Nachhaltigkeitslabel und –
zertifikate dar, welche vermehrt als Kommunikationstechnik zur Beeinflussung des Konsumverhaltens
eingesetzt werden (Belz & Peattie, 2012, S. 207). Demnach ist das Ziel des Labels dem Konsumenten
ein simples und glaubwürdiges Signal über die sozialen und ökologischen Kriterien des Produkts zu
senden (2012, S. 206). Beispiele von Nachhaltigkeitslabeln in der Modebranche sind in Abbildung 2 zu
sehen.
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Abbildung 2: Nachhaltigkeitslabel
Quelle: Google Bilder Suche

Wie auf dieser Abbildung ersichtlich, ist es für Konsumenten nicht sofort verständlich für welche
nachhaltigen Aspekte die zahlreichen Labels stehen. In der Tat zertifiziert beispielsweise ein Label wie
Fair Wear Foundation, dass die Herstellung der Kleidung zwar unter fairen Arbeitsbedingen geschieht,
jedoch sagt es nichts über die Auswirkungen auf die Umwelt aus. Dementsprechend benötigt es laut
Forschern mindestens drei, vier Labels (Kainrath, 2013), um das soziale und ökologische gerechte
Handeln eines Unternehmens entlang seiner Gesamtlieferkette zu garantieren. Eine branchenweite
Koordination gibt es zurzeit nicht (EvB, 2016b).

Auf dem deutschen Markt für Textilien existieren heutzutage rund 20 Labels, doch nur wenige
garantieren tatsächlich die Einhaltung aller Standards für Bio-Textilprodukte. Dies ist nur ein Beispiel
der aktuellen Situation, in welcher Konsumenten zunehmend mit einer Vielzahl von Labels überflutet
werden, was die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit von Zertifizierungen beträchtlich erschwert. Als
Folge daraus entsteht genau der gegenteilige Effekt, nämlich die Aushöhlung des Vertrauens der
Konsumenten (Kunze, 2012). Ebenfalls rückt das Greenwashing, das in Industrien, wie der
Transportbranche schon mehrere Skandale verursachte, die Öko-Labels in ein schlechtes Licht. 2013
wurden in den USA vier Wiederverkäufer (Sears, Amazon, Macy’s und Leon Max) wegen falscher
Beschriftung von Produkten aus Zellwolle, welche als Produkte aus Bambus deklariert wurden, mit einer
Geldbusse in Höhe von 1,26 Million US Dollar bestraft (Atkinson, 2014, S. 39). Dieser Mangel an
Transparenz       und     Einheitlichkeit   (der   Anforderungen)     der   Nachhaltigkeitsangaben   der
Bekleidungsunternehmen          hat   zur   Folge,   dass   gewisse     Konsumenten     gegenüber    den
Nachhaltigkeitsversprechen der Modeunternehmen misstrauisch werden können. Demzufolge ist dies
ein Hinweis dafür, dass es herausfordernd sein kann mit Nachhaltigkeit zu werben ohne den zukünftigen
Umsatz in Gefahr zu stellen (Saicheua et al., 2012, S. 290).

Zusammenfassend hat die Industrie bis jetzt, trotz der Wichtigkeit von Nachhaltigkeitslabeln, als
Glaubwürdigkeitssignal aus Sicht der Unternehmenskommunikation, noch keinen Weg gefunden, ihre
nachhaltigen Initiativen zu kommunizieren, ohne das Risiko einzugehen, Verwirrung bei den
Konsumenten zu schaffen oder Desinteresse hervorzurufen. D.h. es fehlt zurzeit an Balance zwischen
den laufenden Änderungen in der Branche und dem öffentlichen Bewusstsein (Saicheua et al., 2012, S.
295).
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2.3.3. Faire Arbeitsbedingungen und Ökologie
Die Mehrheit der Arbeitskräfte in der Modeindustrie besteht aus jungen, bildungsschwachen Menschen,
da der Herstellungsprozess in dieser Branche keine hohen Qualifikationen verlangt. In Entwicklungs-
ländern sind mehrheitlich Frauen und Kinder betroffen, weil sie als Benachteiligte tiefere Löhne
annehmen müssen (Viederman, 2013). Folglich ist die Textil- und Bekleidungsindustrie mit Problemen
wie ungenügenden Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen, geschlechtsbedingter Diskriminierung,
Verletzung der Arbeitsrechte (u.a. Kinder- und Zwangsarbeit, tiefe Löhne, lange Arbeitszeiten) sowie
unangemessene Wohnverhältnisse, ungenügende Verkehrsmittel, Gesundheitsversorgung und
Kinderbetreuung konfrontiert (Martin, 2013, S. 19). Auch nach dem Rana Plaza Unfall bleiben nach
Angaben der ILO Arbeitsunfälle und Krankheiten wichtige Bedenken, da die grosse Mehrheit der
Produktionsstätten aufgerüstet werden müsste (2013, S.8).

Zwangsarbeit sowie Kinderarbeit repräsentieren zwei wichtige Problemfelder. Slaveryfootpring.org
erklärt, dass es heutzutage mehr Sklaven auf der Welt gibt als je zuvor. Ein Beispiel dafür ist Usbekistan,
welches notorisch Zwangsarbeit während der Baumwollernteperiode ausübt. Die usbekische Regierung
setzt eine Million Bürger während der Ernte ein, um unbezahlt Baumwolle zu pflücken
(slaveryfootpring.org, 2016). Der Nähprozess wurde in einem Bericht des Bureau of International Labor
and Affairs (ILAB) auf Kinderarbeit analysiert „Findings on the Worst Forms of Child Labor“ (2014)
und es wurde festgestellt, dass die Textil- und Bekleidungsindustrie ein Sektor sei „der immer wieder
auf Kinderarbeit zurückgreift“ (FashionUnited, 2013).

Eine weitere wichtige soziale Herausforderung in der Modeindustrie ist die Bezahlung von
Existenzlöhnen. Die CCC gibt folgende Definition von Existenzgehältern an: „ A living wage should be
earned in a standard working week (no more than 48 hours) and allow a garment worker to be able to
buy food for herself and her family, pay the rent, pay for healthcare, clothing, transportation and
education and have a small amount of savings for when something unexpected happens.” (CCC, 2016b).
Eine Regulierung oder ein spezifischer Standard zur Bestimmung des Existenzlohns in den jeweiligen
Ländern gibt es jedoch nicht (ILO, 2014, S. 16). Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass die
Bezahlung des gesetzlichen Mindestlohns des Produktionslands nicht gleich der Bezahlung eines
existenzsichernden Gehalts ist. So liegt beispielsweise der Mindestlohn in Bangladesch bei 50 Euro
während der Existenzlohn, laut Berechnung der „Asia Floor Wage“-Allianz, mit 260 Euro mehr als das
Fünffache beträgt (EvB, 2014b). Eine Studie der ILO (2014) über Löhne unter mehr als 100 Produzenten
in zehn asiatischen Ländern kam zur Schlussfolgerung, dass die Arbeiter sehr viele Stunden arbeiten
müssen, um nur auf den Mindestlohn zu kommen. Diese Problematik beschränkt sich jedoch nicht nur
auf Asien. Auch eine US-amerikanische Studie stellte fest, dass 43 Prozent der Fabrikarbeiter keinen
Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben und 71 Prozent wurden für ihre Überstunden nicht
entschädigt (ILO, 2014, S. 15).

Neben den zahlreichen sozialen Herausforderungen wird die Umwelt ebenfalls stark in Mitleidenschaft
gezogen. Laut Greenpeace werden rund 25 Prozent der weltweit hergestellten Chemikalien für die
Textil- und Bekleidungsindustrie genutzt (Greenpeace, 2013). Neben dem hohen Ressourcenverbrauch
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