Die nukleare Versuchung - Die Kernenergie soll das Klima retten - ein Vabanquespiel mit einer gefährlichen Technik - Spiegel
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Serie E N E R G I E ( I I I ) : Kommt es weltweit zu einer Kritiker halten die neue Nuklear-Euphorie für Zweckopti- Renaissance der Atomkraft? Nur mit ihrer Hilfe, sagen mismus einer Branche in Bedrängnis. Angesichts die Befürworter, lasse sich der rasant wachsende Ener- schwindender Uranvorräte und ungelöster Sicherheits- giehunger stillen, ohne das Klima weiter zu belasten. probleme gilt ihnen die Technik nicht als zukunftsfähig. Die nukleare Versuchung Die Kernenergie soll das Klima retten – ein Vabanquespiel mit einer gefährlichen Technik. F rankreichs nukleare Zukunft liegt im 2020 in Frankreich den Betrieb aufneh- Weltenretter an. „Viele Politiker haben rea- Dunst. Feiner Dauerregen geht über men. Politischer Rückendeckung kann sich lisiert, dass der Klimawandel keine Phan- der Küste der nordfranzösischen das Energieunternehmen sicher sein. Man tasie verrückter Wissenschaftler ist, son- Halbinsel Cotentin nieder. Strommasten werde auch künftig die nukleare Option dern auf der Türschwelle steht“, sagt stehen im Nebel, Riesen gleich, mit brei- offenhalten, entschied das Pariser Parla- Robert Davies, Manager des französischen ten, hängenden Schultern. ment bereits im Juli 2005. Und weder die Nuklearriesen Areva: „Plötzlich sieht die „Britisches Wetter“, sagt Philippe Leigné sozialistische Präsidentschaftskandidatin Nukleartechnik gar nicht mehr so teuflisch und blickt hinunter zu den schmutzigen Ségolène Royal noch ihr konservativer Ge- aus.“ Und auch die Internationale Ener- Betonklötzen der Atomkraftwerke Fla- genspieler Nicolas Sarkozy plädieren für gieagentur (IEA) bekräftigt die These: manville 1 und 2. Dann deutet der Baulei- den Ausstieg aus der Atomwirtschaft. Atomkraft könne einen wesentlichen Bei- ter des französischen Energieriesen Elec- Frankreich prescht vor in ein neues trag leisten, Kohlendioxid-Emissionen zu tricité de France (EDF) auf eine gewaltige Atomzeitalter – und die Grande Nation verringern, hieß es anlässlich der Vor- Baugrube am Fuß der kleinen Anhöhe. nucléaire ist nicht mehr allein. Über Jahre „Wir müssen 600 000 Kubikmeter Granit in der Schmuddelecke der internationalen UMFRAGE: ATOMKRAFT bewegen“, sagt Leigné. Viel Zeit bleibt Energieliga gefangen, müht sich die Atom- nicht. Noch in diesem Jahr soll im nor- industrie weltweit um ein neues, blitzsau- „Sind Sie dafür, in Deutschland mannischen Fels das Fundament für den beres Image. wieder mehr auf die Atomkraft leistungsstärksten Meiler der Geschichte Die russischen Eskapaden an den Ab- gegossen werden. Flamanville 3 wird er sperrventilen der Gas- und Ölpipelines zu setzen, um so einen Beitrag heißen. Ab 2012 soll er Strom liefern. spielen der Branche dabei in die Hände. für den Klimaschutz zu leisten?“ Das Bauvorhaben im herben Landstrich Vor allem aber schüren die düsteren Pro- MÄNNER FRAUEN der Normandie ist ein Testfall für die fran- gnosen des Weltklimarats IPCC den neuen zösische Atomindustrie. 58 Meiler betreibt AKW-Optimismus. Vergangene Woche erst JA 38 % 48 29 die EDF in Frankreich. Sie liefern mehr als wurden Details des dritten Teils der dies- 75 Prozent des französischen Stroms. Doch jährigen Klimastudie bekannt, in der die die Kolosse leiden an Altersschwäche. Im Autoren auch zum Bau neuer Atomkraft- NEIN 52 % Jahr 2017 muss der erste von ihnen ver- werke raten. MÄNNER FRAUEN mutlich abgeschaltet werden. Weitgehend CO2-neutral arbeitet die TNS Forschung für den SPIEGEL vom Der Ersatz ist bereits geplant: Etwa zehn Kernkraft. Dankend nimmt die Atomindu- 21. und 22. Februar; rund 1000 Be- 47 56 fragte; an 100 fehlende Prozent: neue Atomkraftwerke (AKW) der soge- strie daher die Schreckensszenarien der „weiß nicht“/ keine Angabe nannten dritten Generation könnten bis Klimaerwärmung auf und bietet sich als 108 d e r s p i e g e l 9 / 2 0 0 7
Atomkraftwerk (bei Grafenrheinfeld in Bayern) HERBERT KEHRER / MAURITIUS IMAGES stellung der IEA-Studie „World Energy minimal und werden auch minimal blei- auch er davon aus, dass in den kommen- Outlook 2006“. ben.“ Nur etwa drei Prozent des globalen den Jahren einige AKW neu gebaut wer- Wie Phönix aus der Asche erhebt sich Endenergieverbrauchs decke der Atom- den. Doch gleichzeitig werde vermutlich die Industrie aus der atomaren Gruft. Fast strom: „Selbst ein massiver Ausbau wird eine noch größere Zahl älterer Anlagen scheint es, als ließe sich mit der Angst vor daher kaum einen Einfluss haben.“ stillgelegt. Sailer ist überzeugt: „Wenn die der Klimakatastrophe die Angst vor dem Zudem sind auch die alten Fragen noch Technik überhaupt wiederbelebt wird, GAU beiseitedrängen. Auch im Ausstiegs- immer offen: Wie sicher sind Kernkraft- dann aus militärischen Gründen.“ land Deutschland wird so argumentiert. werke wirklich? Wohin mit dem strahlen- Was also sind die Fakten? Richtig ist: Der Bundeswirtschaftsminister Michael Glos den Müll? Wie die Verbreitung von Atom- Energiehunger der Welt wächst rasant. Um (CSU) etwa hält eine Laufzeitverlängerung waffen im Schlepptau der zivilen Nutzung 53 Prozent wird der Bedarf bis zum Jahr deutscher AKW für unverzichtbar, um die verhindern? Schließlich: Ist die Technik an- 2030 ansteigen, prophezeit die OECD. Die Klimaschutzziele zu erreichen. gesichts schwindender Uranvorräte über- Nachfrage nach Strom soll sich im gleichen Kritiker bezweifeln die Redlichkeit der haupt noch zukunftsfähig? Zeitraum sogar verdoppeln, vor allem weil Argumentation. Die Atomwirtschaft habe Experten wie der Ex-Atommanager Schwellenländer wie China und Indien Dut- gar nicht die Macht, das Weltklima ent- Klaus Traube, in den siebziger Jahren zum zende neuer Gigawatts benötigen werden. scheidend zu beeinflussen, sagt etwa Hen- profilierten Atomkritiker gewandelt, hal- Gleichzeitig ist in vielen Industrieländern rik Paulitz von der Organisation Interna- ten den neuen AKW-Furor daher auch für eine Erneuerung der Kapazitäten überfäl- tionale Ärzte für die Verhütung des Atom- reinen „Zweckoptimismus“ einer Branche lig. Allein in Deutschland muss in den krieges (IPPNW): „Die Auswirkungen der in Bedrängnis. Es gebe „keinerlei hand- kommenden zwei Jahrzehnten die Hälfte Kernenergie auf das globale Klima sind feste Indizien für eine energiewirtschaftlich der Kraftwerkskapazität ersetzt werden. und klimapolitisch relevante Wie derlei globale Kraftmeierei über- ,Renaissance‘ der Atomener- haupt gestemmt und auch noch mit den gie“, heißt es in einer von Klimaschutzzielen vereinbart werden Traube verfassten Studie des kann, ist die drängendste Frage der Welt- Deutschen Naturschutzrings. gemeinschaft. Die Argumentation der Nu- Und auch der Kernkraft- klearindustrie: Ohne zusätzlichen Atom- experte Michael Sailer vom strom lassen sich die gesteckten Ziele nicht Öko-Institut in Darmstadt erreichen. argwöhnt, dass die Indu- Mit derzeit 435 Atomkraftwerken in 31 strie ihren Optimismus der- Ländern startet die Branche ins Rennen zeit nur vorschützt. „Mei- um den künftigen Energiekuchen. Und das SAMUEL BIGOT / ANDIA ne Vorhersage ist, dass wir ist, glaubt man den Ankündigungen, erst in 15 Jahren auf der Welt der Anfang (siehe Grafik Seite 112). kein einziges Atomkraftwerk Allein China plant den Bau von etwa mehr haben werden als heu- 13 neuen Kernkraftwerken. Russland hat te“, sagt Sailer. Zwar geht angekündigt, 8 Anlagen bauen zu wol- len. Indien, Japan und Südkorea wollen EDF-Bauleiter Leigné* Riskanter „Aschenbecher“? * Vor einem Modell des geplanten Reaktors Flamanville 3. d e r s p i e g e l 9 / 2 0 0 7 109
Serie ebenfalls neue Meiler. Und auch Groß- britannien und die US-Regierung versuchen, den Energieunternehmen die milliarden- schweren Kraftwerke wieder schmackhaft zu machen: Eine finanzielle Absicherung gegen Bauverzögerungen offeriert etwa Amerikas Präsident George W. Bush seiner Industrie, ebenso wie Kreditbürgschaften und vereinfachte Genehmigungsverfahren. Selbst bislang AKW-freie Staaten könn- ten bald der nuklearen Versuchung erlie- gen. Australien etwa plant den Aufbruch in eine atomare Ära. Bisher förderte das Land nur Uran. Eine Regierungsstudie jedoch rät nun zur eigenen Nutzung des Erzes. Pre- mier John Howard hofft, dass der erste Re- MAISONNEUVE / SIPA PRESS aktor bis zum Jahr 2020 in Betrieb geht. Den Zubau von insgesamt 40 Meilern der 1300-Megawatt-Klasse erwartet die Wiener Atomenergiebehörde IAEA in ih- rem Ausblick bis zum Jahr 2020 – bei „nied- riger Schätzung“. Und für die Industrie scheint die strahlende Zukunft tatsächlich Bewachte Wiederaufarbeitungsanlage La Hague: Rettungsring am Brennstab-Pool bereits anzubrechen. Im französischen Chalon-sur-Saône bei- stellen Ersatzteile für alte AKW, um de- scheiden sich die Geister. Atomkraftgeg- spielsweise baut Weltmarktführer Areva ren Laufzeit zu verlängern. Konkrete Auf- ner befürchten, dass das Auffangbecken Anlagenteile für Atomkraftwerke. „Vor träge für neue Meiler kann die Firma nur das Risiko eines Unfalls sogar erhöht. fünf Jahren waren wir kurz davor, die Fa- schleppend akquirieren. „Kommt die Kernschmelze in dem Becken brik zu schließen“, erzählt Areva-Projekt- Im aufstrebenden Atomstaat Finnland mit Wasser in Berührung, kann es zu ge- leiter Laurent Foechterlen, während er entwickelt sich der Bau eines Atomkraft- fährlichen Dampfexplosionen kommen“, durch die 34 Meter hohe Werkshalle der werks der dritten Generation für Areva so- fürchtet IPPNW-Mann Paulitz. Experten gar zum PR-Desaster: Olkiluoto 3 war als des Forschungszentrums Karlsruhe seien eine Art Vorzeigemeiler für eine wirt- bei Experimenten zum Thema bereits Strahlende Erblast schaftliche und katastrophensichere Nu- zweimal „tonnenschwere Versuchsappara- Hochradioaktive Abfälle weltweit, kleartechnik gedacht. Jetzt jedoch liegt der turen“ um die Ohren geflogen. in Tonnen Bau bereits 18 Monate hinter dem Zeit- Für ein „gefährliches Großexperiment“ Quelle: IAEA, World Prognose 2020: plan zurück. Der vereinbarte Festpreis von hält Paulitz zudem den geplanten umfang- Nuclear Association 445 000 drei Milliarden Euro soll längst nicht mehr reichen Einsatz digitaler Leittechnik im 2007: die Kosten decken. EPR. Und auch an die Katastrophen- 300 000 „Areva macht eine schwierige Phase sicherheit der doppelwandigen Sicherheits- durch“, kommentierte Frankreichs Wirt- hülle des Meilers mag er nicht glauben. schaftsminister Thierry Breton. Tatsäch- Eine Studie des Stromkonzerns EDF lich könnte die Olkiluoto-Krise dem Kon- enthüllte: Einer Flugzeugattacke wie am zern bereits einen Milliardenauftrag aus 11. September 2001 würde auch der EPR darunter China verhagelt haben. Im Dezember be- nicht standhalten. Der französische Atom- Plutonium: etwa 3000 etwa 4500 stellte Peking vier neue Kraftwerke beim kraftgegner Stéphane Lhomme will das US-Konkurrenten Westinghouse. „Die neunseitige Papier mit dem Aufdruck „Mi- Chinesen haben sich entschlossen, Papier litärgeheimnis“ eines Tages „im Briefkas- St.-Marcel-Fabrik führt: „Seit 2001 jedoch zu kaufen“, ätzt zwar Areva-Manager ten“ gefunden haben. Lhomme machte die haben wir unsere Kapazitäten verdoppelt.“ Foechterlen, „der AP1000 von Westing- Studie publik – und landete für fünf Tage Interessenten unter anderem aus China, house ist noch nie gebaut worden, das De- im Gefängnis. Schweden, England, Brasilien und den sign könnte mit Risiken behaftet sein.“ Ob In Deutschland geht die Industrie kaum USA begrüßt Foechterlen in Chalon. Auch indes der neue hauseigene Reaktortyp den transparenter mit den Risiken der Technik für die Zukunft scheint gesorgt: Einen Praxistext besteht, ist genauso unklar. um. In der aktuellen Debatte um die Lauf- „Tsunami weiterer Aufträge“ erwartet Die Franzosen setzen auf den Europäi- zeitverlängerungen hiesiger AKW schüren Fabrikchef Pascal van Dorsselaer. schen Druckwasserreaktor (EPR), eine Ge- die Energiekonzerne RWE, Vattenfall und Mehr als ein Dutzend Dampferzeuger meinschaftsentwicklung von Siemens und EnBW das Misstrauen noch. Die Energie- bekommen derzeit in der Fabrik am Saône- der heute zu Areva gehörenden Fram- riesen versuchen derzeit, ihre ältesten Ufer den letzten Schliff. Es sind schwerindu- atome. Der Reaktor soll weniger Uran ver- Atomkraftwerke länger am Netz zu lassen strielle Monstren, deren Aufgabe es bald brauchen, weniger Müll produzieren und als im Atomkonsens festgeschrieben. sein wird, nukleare Hitze in zischenden gleichzeitig mehr Strom erzeugen als bis- Denn dem unter Rot-Grün mit der In- Dampf für die Stromproduktion zu ver- herige Meiler. Die Sicherheitssysteme sind dustrie ausgehandelten Paragrafenwerk zu- wandeln. Daneben legen Arbeiter letzte gleich vierfach vorhanden. Eine riesige Ke- folge müssen die in den siebziger Jahren Hand an tonnenschwere Reaktordruck- ramikwanne unter dem Reaktordruck- errichteten Meiler Biblis A, Brunsbüttel behälter, die bald in China mit frischen behälter soll im Fall eines GAUs den ge- und Neckarwestheim 1 bei regulärem Be- Brennelementen beladen werden sollen. schmolzenen Kern auffangen. trieb spätestens Ende 2009 abgeschaltet Doch die imposante schwerindustrielle „Core Catcher“ heißt das Konstrukt, ge- werden. Nun jedoch wollen die Betreiber Kulisse kann über eines nicht hinwegtäu- legentlich auch „Aschenbecher“ genannt. Restlaufzeiten jüngerer Kraftwerke auf die schen: Die allermeisten Areva-Kunden be- Doch an der AKW-Wanne im Untergrund Altreaktoren übertragen. 110 d e r s p i e g e l 9 / 2 0 0 7
scher Selbstgänger, dass es zu einer Verlän- gerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke in Deutschland kommen wird“, sagt etwa Fritz Vahrenholt, Vorstandsvorsitzender der Windkraftfirma Repower. „Wir brauchen diese Verlängerung, um Zeit zu kaufen für eine Umstellung unseres Kraftwerksparks auf heimische CO2-freie Energieträger.“ Vahrenholt hat Grund, die Atomkraft zu loben: Repower gehört zu knapp 30 Pro- zent der Nuklearfirma Areva. Bei den langfristigen Perspektiven der Technik gibt er sich dennoch keinen Illusionen hin: „Die Nutzung der Kernenergie wird nicht mehr als eine Brücke in die Zukunft der Energieversorgung sein. Die Reichweite der Uranvorräte ist nur einige Jahrzehnte länger als die des Öls.“ Tatsächlich werden die bekannten Uran- vorräte bei konstant bleibendem Ver- brauch in etwa 70 Jahren erschöpft sein. Die Atomlobby indes wird nicht müde, die AKW-Produktion in Chalon-sur-Saône*: „Tsunami weiterer Aufträge“ Reichweite des Erzes hochzurechnen. Neue Uranvorkommen sollen erschlossen Tatsächlich bietet der Atomkonsens in sonders bei den älteren Kernkraftwerken werden, künftige Kraftwerke weniger Ausnahmefällen diese Möglichkeit. Die ei- hoch.“ Als beunruhigendes Beispiel gilt vor Brennstoff verbrauchen. „Noch mindes- gentliche Intention der Stromübertragung allem ein Vorfall im Meiler Brunsbüttel, bei tens 200 Jahre“ würden die Vorräte dann sei es jedoch gewesen, Altreaktoren bei Si- dem es 2001 zu einer Wasserstoffexplosion reichen, heißt es beim Energieversorger cherheitsproblemen eher früher als geplant kam: „Expertenangaben zufolge hätte die- E.on unter Berufung auf das Bundeswirt- abschalten zu können, sagt Michael Sailer ser Unfall bei nur etwas anderem Verlauf schaftsministerium. Mit Brennstoff „für vom Öko-Institut: „Das ist ein Versuch, drei bis zur Kernschmelze mit radioaktiver Ver- Jahrtausende“ rechnet die IAEA. Und die der ältesten Atomkraftwerke Deutschlands strahlung führen können“, so das BMU. französische Areva behauptet gar, die Res- über die Bundestagswahl 2009 zu retten.“ Bisher verweigert Umweltminister Sig- sourcen seien „praktisch unbegrenzt“. Und auch im Bundesumweltministerium mar Gabriel die Genehmigung, Strom- Die Areva-Ingenieure spekulieren auf (BMU) in Berlin brodelt es. „Heute wären mengen auf Altreaktoren zu übertragen. den technischen Fortschritt. Denn vor diese Atommeiler, wollte man sie neu in Der SPD-Mann ahnt: Verbucht die Indu- allem die Idee einer Plutoniumwirtschaft Betrieb nehmen, gar nicht mehr genehmi- strie einen ersten Sieg, könnte der ganze verheißt schier unerschöpfliche Mengen gungsfähig“, heißt es aus dem BMU. „Die Atomkonsens kippen. Atomstrom. In sogenannten Schnellen Liste der meldepflichtigen Ereignisse ist be- Viele Energieexperten halten das Schei- Brütern wird dabei Uran in Plutonium um- tern des deutschen Sonderwegs ohnehin für gewandelt. Das wiederum kann in neuen * Verladung eines Dampferzeugers für ein AKW. unausweichlich. „Für mich ist es ein politi- Brennelementen verwendet werden. Theo- Dampf- erzeuger Druckbehälter Turbine Steuerstäbe Wärme- tauscher Dampf- erzeuger Primär- kreislauf Brenn- elemente Turbine Reaktorkern kugelförmige Kühlwasser Brennelemente Kraft aus flüssiges Natrium dem Kern Reaktortypen im Vergleich Wassergekühlter Reaktor Hochtemperaturreaktor Schneller Reaktor Gängige Druckwasserreaktoren, wie der neue EPR, Tausende kugelförmiger Brennelemente, die Dieser Typ arbeitet mit schnellen Neutronen nutzen nur etwa ein Prozent des Urans zur Energie- auch während des Betriebs zugeführt werden und kann den Brennstoff bis zu 60-mal bes- gewinnung. Das Kühlwasser wird im Reaktorkern können, erhitzen Heliumgas auf bis zu 1000°C. ser ausnutzen als andere Reaktortypen. Als auf etwa 300°C aufgeheizt. Die Hitze erzeugt Mit dem heißen Gas lässt sich direkt eine Kühlmittel wird Natrium, bei anderen Model- Dampf, der Turbinen zur Stromerzeugung antreibt. Turbine antreiben, was den Wirkungsgrad er- len Helium oder Blei eingesetzt. Bei den bis- Gefährlich wird es, wenn die Kühlung ausfällt und höht. Ein Schmelzen des Reaktorkerns soll auch herigen Modellen erzeugt der Betrieb große der Kern sich unkontrolliert immer weiter erhitzt. bei Ausfall der Kühlung ausgeschlossen sein. Mengen des gefährlichen Plutoniums. d e r s p i e g e l 9 / 2 0 0 7 111
Reich der WEST- Reaktoren EUROPA 130 2 1 Finn- land Russland ASIEN 110 19 43 Niederlande 1 Nordkorea 1 Kanada Finnland 4 1 1 Türkei 3 Schweiz 5 Iran 1 2 Frank- Belgien 7 reich Rumänien Armenien 1 USA Spanien 8 Pakistan 2 1 2 Schweden 10 China Taiwan 6 2 Iran Deutschland 17 Pakistan China 10 5 13 Großbritannien 19 Indien 16 7 4 Mexiko Frankreich 59 1 Indien Südkorea 20 1 7 Japan 55 2 11 NORD-/ Brasilien OST- SÜD- 14 Atomkraftwerke weltweit: EUROPA 66 4 AMERIKA 127 4 5 Slowenien 1 in im Mexiko 2 Litauen 1 Betrieb Bau geplant Argentinien 2 1 Rumänien 1 1 Brasilien 2 1 Bulgarien 2 2 Kanada 18 2 2 Ungarn 4 435 29 64 USA 103 1 2 Slowakei 5 2 Argentinien Tschechien 6 Länder mit Ausbau der Ukraine 15 2 AKW-Nutzung Atomenergie Quelle: International Atomic Energy Agency; World Nuclear Association Russland 31 3 8 Südafrika 2 1 retisch lässt sich der Vorrat an Uran so auf Liter-Kanister gefüllt werden. Diese soge- La-Hague-Anlage sind laut Greenpeace das 60fache strecken. nannten Glaskokillen lagern gekühlt in seit Jahren im Ärmelkanal nachweisbar. Doch das Kapitel Brutreaktoren gehört senkrechten Schächten. Der gesamte Tonnenweise wird Plutoniumpulver auf zu den traurigsten in der Geschichte der hochradioaktive Müll aus über 40 Jahren Lkw quer durch Frankreich verschickt, um Kernenergienutzung. Fast alle Versuche, französischer Atomwirtschaft nimmt in La in der Melox-Fabrik in Südfrankreich Teil eine solche Anlage zu betreiben, endeten Hague kaum die Fläche einer Turnhalle ein. von Recycling-Brennstäben zu werden. im Fiasko. Auch in Deutschland wurde der Tatsächlich wirkt die Atomkraft mit je- Vor allem der Bombenstoff Plutonium berüchtigte Schnelle Brüter von Kalkar dem Schritt, den man mit Blanc durch die macht den Traum von der ewig währenden 1991 nach 18 Baujahren und Kosten von verschachtelte Anlage eilt, plausibler. Hin- Atomwirtschaft für Kernkraftkritiker nach fast acht Milliarden Mark aufgegeben. ter meterdicken, mit Blei versetzten Glas- wie vor zum Janus. Nach den Atombom- Dennoch beschwört die Atomgemeinde scheiben hantieren Roboter mit Glaskokil- benexplosionen über Hiroshima und Na- unverdrossen die Wiederkehr des Brüters, len oder häckseln kontaminierte Metall- gasaki kündigte US-Präsident Dwight D. weil ohne diesen die Renaissance der hülsen in Stücke. In großen Verweiltanks Eisenhower in seiner historischen „Atoms Atomenergie nicht recht in Gang kommen lagern die abgebrannten Brennelemente for Peace“-Rede am 8. Dezember 1953 an, kann. Nur der Brüter könnte Dutzender europäischer AKW in „die größte aller Zerstörungskräfte zu ei- Atomstrom für die Ewigkeit ga- beruhigend tiefem Wasser. In nem großen Segen zum Nutzen der ge- rantieren. Gebraucht werden Einer Flug- Blancs Gegenwart suggeriert so- samten Menschheit“ zu machen. Ein hal- dafür auch Wiederaufarbei- zeugattacke gar der Rettungsring am Brenn- bes Jahrhundert und die Atomkatastro- tungsanlagen wie jene im fran- wie am 11. stab-Pool plötzlich Beherrsch- phen von Windscale, Harrisburg und zösischen La Hague. In Sicht- September barkeit. Tschernobyl später sind viele Träume zer- weite der Großbaustelle für den würde der Re- Der Ingenieur hastet voran und platzt. Reaktor und Bombe sind bis heute neuen Flamanville-Reaktor ra- aktor nicht erläutert Schmelzöfen, Sicher- „siamesische Zwillinge“ geblieben, wie es gen die Schlote der Anlage schon heitsschleusen und bombenfes- die grüne Europaabgeordnete Rebecca seit über 40 Jahren in den Him- standhalten. te Transportbehälter. Nebenbei Harms nennt. mel. 6000 Menschen arbeiten fasst der 49-Jährige die Areva- Der Atomwaffensperrvertrag von 1968 dort daran, bis zu 1600 Tonnen abge- Welt in Zahlen: „Ein Atomkraftwerk ver- sollte die Verbreitung von Nuklearwaffen brannter Brennelemente jährlich in ihre sorgt eine Million Menschen mit Energie zwar eindämmen; spätestens die Atom- Bestandteile zu zerlegen. und verursacht dabei jährlich pro Person bombentests von Pakistan, Indien und Eric Blanc, stellvertretender Direktor von nur das Äquivalent einer Zwei-Euro-Mün- Nordkorea und die nuklearen Begehrlich- La Hague, führt in weißer Schutzkleidung ze an Abfall.“ Oder: „In unserem Lager keiten Irans offenbarten jedoch seine Un- durch die Anlage UP3 für ausländischen kann der Atommüll problemlos mindestens zulänglichkeit. Allein 2005 erfasste die Atommüll. Der abgebrannte Kernbrennstoff hundert Jahre lagern.“ Oder: „Ein Gramm IAEA weltweit 103 Fälle von illegalem besteht zu etwa 95 Prozent aus Uran und zu Plutonium enthält so viel Energie wie eine Handel oder „unautorisiertem Umgang“ einem Prozent aus Plutonium. Beide Stoffe Tonne Öl.“ mit atomarem Material. lösen die La-Hague-Techniker chemisch Was der Manager nicht sagt: Ein Gramm US-Präsident George W. Bush glaubt, aus den Brennstäben. Was übrig bleibt, Plutonium ist so gefährlich, dass es, etwa den Brennstoffhandel noch unter Kontrol- sind im Wesentlichen hochradioaktive als Staub eingeatmet, bei Hunderten Men- le bringen zu können. Das von der Bush- Spaltprodukte, die mit Glas zu einer Art schen Krebs auslösen kann. Spuren des Regierung aufgelegte Global Nuclear Ener- Vulkangestein-Matrix vergossen und in 180- hochgiftigen Stoffs aus dem Abwasser der gy Partnership Programm (GNEP) sieht 112 d e r s p i e g e l 9 / 2 0 0 7
Serie Wann kommt die Sonne auf die Erde? Kernfusion könnte Energie im Überfluss liefern – doch die Schwierigkeiten sind enorm. N och im vorigen Jahr schlichen Japan, China, Indien, Russland, den schen Beschuss mit Neutronen aushal- hier Gallier auf Wildschwein- USA und Südkorea, um die teuerste ten sollen, die aus dem glühenden Plas- jagd durchs Unterholz. Jetzt Erkenntnismaschine seit der Interna- ma herausfliegen. Das Plasma wieder- rasseln Planierraupen in den Wäldern tionalen Raumstation zu bauen. um ist schwer zu bändigen. Es wabert von Cadarache. Am Rand des südfran- Wenn die Wette glückt, ist viel ge- und wabbelt, und je mehr Druck die zösischen Fleckens fallen die Bäume wonnen. Die Kernfusion hinterlässt Forscher aufwenden, um es in Form zu auf einer Fläche von 90 Hektar. Das zwar radioaktive Abfälle, doch ist de- zwingen, desto unberechenbarer wird Erdreich wird eingeebnet, erste Be- ren Strahlung schon nach hundert Jah- sein Verhalten. Jeder Lösungsversuch helfsbauten für Arbeiter und Forscher ren fast vollständig abgeklungen; auf- beschwor bislang neue Komplikationen entstehen. wendige Endlager sind darum nicht herauf. In gut zehn Jahren soll an dieser nötig. Schwere Unfälle durch Ketten- Kritiker fordern seit Jahren ein Ende Stätte der Forschungsreaktor Iter in reaktionen sind ebenfalls prinzipiell der Fusionsforschung; Klimaschutz sei Betrieb gehen. Er gewinnt Energie aus ausgeschlossen – ironischerweise aus anders viel schneller und billiger zu dem Verschmelzen von Atomkernen – dem gleichen Grund, der die Forscher erreichen. „Die Kernfusion bindet viel mit viel Glück ist das der Anfang vom schon oft genug in Verzweiflung stürz- Geld, das für erneuerbare Energie- Ende der Debatte um klimaverträgliche te: Die heikle Kernschmelze verträgt quellen fehlt“, meint etwa Hans-Josef Kraftwerke. Denn theore- Fell, Techniksprecher der tisch liefert ein Fusions- Schnitt durch den Reaktor der geplanten Grünen. reaktor seine Energie fast Kernfusionsanlage Iter Im Vergleich sehen aber so spendabel wie ein Per- die knapp 500 Millionen petuum mobile. Man gibt Euro für den Iter, die auf ein Kilogramm Wasserstoff Regulator für die Deutschland entfallen, gar hinein, und heraus kommt elektrische Spannung nicht so verschwenderisch der Gegenwert von 10 000 aus: Allein in die Förde- Tonnen Kohle. rung der deutschen Stein- Anders als bei einem kohle gehen jährlich noch Kohlekraftwerk, das un- Strahlungs- immer rund zweieinhalb gefähr diese Menge jeden schutzschild Milliarden Euro. Tag verfeuert, entstehen Bedenklicher wäre es, dabei keine Treibhaus- sollte die Energiepolitik gase. Das ist das große ringförmige Plasma- tatsächlich einseitig auf Versprechen der Kernfu- Brennkammer Großtechnik nach Art des sion: Überfluss ohne Reue. Iter setzen. Die Kernfusion Allerdings verzögern im- wird, wegen des enormen mer neue Probleme die technischen Aufwands, auf Einlösung. Kühlflüssigkeits- und absehbare Zeit nicht billig Im Inneren der Sonne Brennstoffleitungen zu haben sein; sie setzt gelingt die Fusion von Supermagnete eine hochentwickelte In- selbst. Dort verschmelzen frastruktur voraus, und je- unter gewaltigem Druck des neue Kraftwerk ver- Wasserstoffatome zu Heli- schlingt viele Milliarden. um. Die Energie, die dabei Nur die reichsten Länder frei wird, nährt die Glut Mensch im Größenverhältnis können solche Summen des Zentralgestirns. Auf vorstrecken. Der Bedarf Erden geht das nicht so einfach. Hier ist nicht die geringste Störung. Gerät etwa an Energie dürfte aber künftig fast allen elektrisch geladenes Gas nötig, das auf das höllenheiße Plasma in Kontakt mit Prognosen zufolge am stärksten bei den 100 Millionen Grad erhitzt wird; erst den Wänden der Kammer, wird es ver- Entwicklungs- und Schwellenländern dann kommt die Fusion in Gang. Star- unreinigt und kühlt schlagartig ab; der steigen. Für die Klimabilanz verheißt ke Magnete müssen das heiße Plasma Fusionsprozess bricht zusammen. das nichts Gutes. mitten in der Fusionskammer in der Bis Mitte des Jahrhunderts wollen Selbst im reichen Westen scheint Schwebe halten. die Forscher ermitteln, ob so ein Reak- die Zeit der sperrigen Riesenkraft- Der Bau des Fusionskraftwerks Iter tor rentabel zu betreiben ist. Danach werke ihren Höhepunkt überschritten ist eine Wette auf die Findigkeit der erst könnte ein Kraftwerk gebaut wer- zu haben. Das Berliner Büro für Tech- Forscher. Denn noch weiß niemand, ob den, das tatsächlich Strom ins Netz nikfolgen-Abschätzung, das den Bun- sie je mit den furchterregenden Widrig- speist. destag berät, kommt in einer Studie keiten der Technik fertig werden. Der Auf dem Weg dahin gibt es aber zur Kernfusion zu einem skeptischen Einsatz: zehn Milliarden Euro, verteilt noch viele Probleme, an denen die Urteil: Teure Großanlagen, die sich auf immerhin mehr als die Hälfte große Wette scheitern könnte. Unklar erst spät auszahlen, seien auf einem der Weltbevölkerung – die Europäische ist zum Beispiel, wie die Wände um die liberalisierten Energiemarkt „nicht vor- Union hat sich zusammengerauft mit Fusionskammer herum den mörderi- teilhaft“. Manfred Dworschak 116 d e r s p i e g e l 9 / 2 0 0 7
MYCHELE DANIAU / AFP (L.); NOVOSTI / SIPA PRESS (R.) Anti-Atom-Protest*, zerstörter Reaktor in Tschernobyl (1986): Katastrophale Unfälle bleiben trotz aller Beteuerungen möglich vor, die Wiederaufarbeitung und damit die weiterer Anstieg der Gas- und Ölpreise die mit flüssigen Salzen arbeiten, sind da- Plutoniumwirtschaft künftig nur noch in könnte der Atomkraft neuen Auftrieb ver- bei, Hochtemperaturreaktoren mit bis zu den USA und ausgewählten Partnerlän- leihen. Letztendlich jedoch bleibt die ato- 1000 Grad Celsius Betriebstemperatur und dern zuzulassen. Diese Geberländer sol- mare Wiedergeburt eine Wette auf die Zu- durch Gas, Natrium oder Blei gekühlte len anderen GNEP-Vertragsstaaten dann kunft. Denn noch ist von der Renaissance schnelle Reaktoren (siehe Grafik Seite 111). Brennelemente für deren konventionelle nicht viel zu merken: Weltweit sind 29 Mit Prototypen der neuen Wunderreak- Atomkraftwerke liefern. Den abgebrannten Atomreaktoren in Bau; 1990 waren es 83, toren ist indes kaum vor 2030 zu rechnen. Kernbrennstoff würden sie, wie eine 1998 noch 36. Und die Zahl der geplanten Stattdessen werden nun Kraftwerke wie Brauerei das Leergut, einfach zurückneh- Reaktoren – die World Nuclear Association der EPR ins Rennen geschickt, die sich im men. Der Plan klingt schlüssig, geht jedoch beziffert sie derzeit auf weltweit 64 – sagt Prinzip kaum von derzeit in Betrieb be- vermutlich an der Realität vorbei. Indien nicht viel aus. Beispiel Russland: Moskaus findlichen Meilern unterscheiden. etwa reagierte beleidigt, als es gebeten Ankündigung der Verdopplung der AKW- Katastrophale Unfälle, wie 1986 in wurde, der GNEP beizutreten – nicht als Leistung bis 2020 sei schon im Jahr 2000 Tschernobyl, bleiben daher trotz aller Be- Geberland, sondern als Kunde. lanciert worden, berichtet der Kernkraft- teuerungen der Atomlobby möglich. Und Was also ist von der Renais- kritiker Traube: „Sie setzt eine ihre Wahrscheinlichkeit erhöht sich mit je- sance der Atomkraft zu halten? Gibt es sie wirklich, oder ist sie „Um zehn Pro- lange Reihe unerfüllter russischer Ankündigungen zum Ausbau der dem zusätzlich installierten Reaktor. Ein weiterer katastrophaler Störfall könnte die möglicherweise kaum mehr als zent der fossi- Atomkraft fort.“ Technik erneut brandmarken und mit ei- eine Renaissance der Ankündi- len Energieträ- Vor allem jedoch bleibt die nem Schlag Milliardeninvestitionen in Fra- gungen? ger zu erset- Frage, ob die Welt bereit ist, die ge stellen, die an anderer Stelle für neue, Sicher scheint: Länder wie zen, müssten Risiken der Atomenergie weiter umweltfreundlichere Techniken hätten ver- China oder Indien werden ohne 1000 AKW ge- zu tragen. Rund 300 000 Tonnen wendet werden können. neue Meiler ihren rasanten Auf- hochradioaktiven Atommülls ha- Nur als Vabanquespiel kann daher der schwung nicht in Gang halten baut werden.“ ben sich in den 50 Jahren der Vorschlag der Atomwerker gelten, den Kli- können. Auch in Frankreich und zivilen Nutzung angesammelt. mawandel mit Atomstrom zu bekämpfen. den USA, die beide bereits viel Atomstrom Über 10 000 Tonnen kommen jährlich hin- Kernkraftgegner haben errechnet, wie vie- nutzen, ist absehbar, dass sie ihren AKW- zu. Gleichzeitig existiert weltweit bis heu- le Meiler notwendig wären, um tatsächlich Park wenn nicht erweitern, so doch zu- te kein einziges Endlager für den stark eine merkliche Reduktion der CO2-Emis- mindest teilweise erneuern werden. strahlenden Abfall. Und auch der inhä- sionen zu erreichen: „Um nur zehn Pro- Dafür sprechen nicht zuletzt wirtschaft- rent sichere Atommeiler, bei dem die zent der fossilen Energieträger zu ersetzen, liche Gründe. Denn trotz extrem hoher nukleare Kettenreaktion im Katastrophen- müssten weltweit etwa tausend Atomkraft- Anfangsinvestitionen von drei bis vier Mil- fall von selbst erlischt, lässt weiter auf sich werke neu gebaut werden“, sagt Paulitz. liarden Euro pro Kraftwerk könnte sich warten. „Das“, sagt er schaudernd, „ist nicht nur Atomstrom bald wieder als wettbewerbs- Hoch effizient werde das AKW der vier- umwelt-, sondern auch sicherheitspolitisch fähig erweisen. ten Generation sein, so das Versprechen der eine Horrorvision.“ Philip Bethge Kritischen Einfluss werde der künftige Industrie. Kaum noch Müll soll es erzeugen Preis von Kohlendioxid-Emissionen haben, und praktisch nicht zur Proliferation von befindet eine MIT-Studie mit dem Titel Atomwaffen beitragen. Nach diesen Vorga- Im nächsten Heft: „The Future of Nuclear Power“. Auch ein ben versucht das von der US-Regierung Windstrom aus Nord- und Ostsee, Erdwärme initiierte „Generation IV International Fo- aus dem süddeutschen Untergrund – wann * Im April 2006 in Cherbourg zum 20. Jahrestag der rum“ seit 2000 neuartige AKW-Konzepte werden die Öko-Energien wirtschaftlich sein? Tschernobyl-Katastrophe. zu entwickeln. Ideen gibt es genug: Meiler, d e r s p i e g e l 9 / 2 0 0 7 117
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