Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014

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Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Nr. 02Z034436 P.b.b. Verlagspostamt 8010

Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Impressum

Medieninhaber/Verleger:
Umwelt-Bildungs-Zentrum Steiermark   Schützen und
8010 Graz, Brockmanngasse 53
Postanschrift:
                                     sparsam nützen!
Wasserland Steiermark
8010 Graz, Wartingergasse 43         Der Weltwassertag am 22. März ist       zeit schon in der Lage, das Energie-
Tel. +43(0)316/877-5801              für mich Anlass, unseren Bürgern        potential des Wassers im großen
(Projektleitung)                     bewusst zu machen, dass wir Stei-       Ausmaß zu nutzen. Die Energiege-
elfriede.stranzl@stmk.gv.at          rer in Bezug auf das Wasser ge-         winnung aus Wasserkraft stellt in
www.wasserland.at
                                     genüber vielen anderen Regionen         der Steiermark gemeinsam mit der
DVR: 0841421
                                     in der Welt privilegiert sind. Dieses   energetischen Nutzung von Bio-
Erscheinungsort: Graz
                                     Privileg fordert aber auch eine be-     masse den größten Anteil an er-
Verlagspostamt: 8010 Graz            sondere Verantwortung von uns al-       neuerbarer Energie dar. Ein weite-
Chefredakteurin: Sonja Lackner       len im Umgang mit diesem kostba-        rer Ausbau wird die Position der
Redaktionsteam:                      ren Gut. Kurz gesagt: Schützen und      Wasserkraft als wichtigen Anteil
Egon Bäumel, Uwe Kozina,             sparsam nützen! In Wirklichkeit         erneuerbarer Energieträger in Zu-
Hellfried Reczek, Florian Rieckh,
                                     geht es ja nur darum, mit unserem       kunft noch stärken.
Robert Schatzl, Brigitte Skorianz,
                                     beim Wasser in der Tat unermessli-
Elfriede Stranzl, Volker Strasser,                                           Für den Ausbau der erneuerbaren
Johann Wiedner, Margret Zorn         chen Reichtum verantwortungsvoll
                                                                             Energie, insbesondere auch der
                                     umzugehen.
Die Artikel dieser Ausgabe wurden                                            Wasserkraft, sprechen die regiona-
begutachtet von: Johann Wiedner      Vor diesem Hintergrund haben wir        le Wertschöpfung im eigenen Land,
Die Artikel geben nicht unbedingt    den „Steirischen Wasserwirt-            eine dauerhafte Absicherung der
die Meinung der Redaktion wieder.    schaftsplan“ erarbeitet. Dieser be-     Energieversorgung in der Steier-
Druckvorbereitung und                inhaltet sieben Schwerpunkte:           mark sowie der Beitrag zu einem
Abonnentenverwaltung:
                                     1. Erhaltung eines ausgeglichenen       nachhaltigen Klimaschutz. Neben
Elfriede Stranzl
8010 Graz, Wartingergasse 43            Wasserhaushaltes                     der Errichtung neuer Anlagen ist
Tel. +43(0)316/877-5801              2. Unser Gewässer in gutem              vor allem die Revitalisierung beste-
elfriede.stranzl@stmk.gv.at             Zustand erhalten                     hender Kleinwasserkraftwerke und
Gestaltung:                                                                  somit die Optimierung des Wasser-
                                     3. Unsere Fließgewässer als wert-
kerstein werbung + design                                                    kraftpotentials ein Anliegen der
                                        vollen Natur- und Erholungs-
8111 Judendorf-Straßengel                                                    steirischen Wasserwirtschaft.
Tel. +43(0)699/12053069                 raum erhalten
office@kerstein.at                   4. Eine gute Abwasserentsorgung         Das Bewusstsein der Steirerinnen
www.kerstein.at                         zum Schutz der Gewässer              und Steirer für die Erzeugung und
Titelbild:                              gewährleisten                        Verwendung erneuerbarer Energie
WWT 2014 © www.unwater.org
                                                                             ist derzeit so groß wie nie zuvor. Es
                                     5. Eine sichere Trinkwasser­
                                                                             wird von der Bevölkerung jedoch
Druck:                                  versorgung gewährleisten
Medienfabrik Graz                                                            auch erwartet, dass der Betrieb
                                     6. Den Ausbau des Hochwasser-           und der weitere Ausbau von Was-
www.mfg.at
                                        schutzes forcieren                   serkraftanlagen Rücksicht auf die
Gedruckt auf chlorfrei               7. Das Wasserbewusstsein in der         Funktion der Fließgewässer als Na-
gebleichtem Papier.                     Bevölkerung verankern                tur- und Erholungsraum nimmt. Da-
Bezahlte Inserate sind                                                       zu zählt in letzter Konsequenz auch
gekennzeichnet.
                                                                             der Schutz gewässerökologisch
                                     Der diesjährige UN-Weltwassertag
ISSN 2073–1515
                                                                             wertvoller Bäche und Flüsse vor
                                     steht unter dem Motto „Wasser
                                                                             weiterer Verbauung.
                                     und Energie“. Die Steiermark ist
                                     dank ihres Wasserreichtums der-         Wasserlandesrat Johann Seitinger
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
I n h a lt

                                                Wasserkraftnutzung in der Steiermark – Tradition und Zukunft                          2
                                                DI Johann Wiedner

                                                Neue Strategien zu konsensfähigem Wasserkraftausbau in der Steiermark                 5
                                                DI Hans-Jörg Raderbauer

                                                Gewässerbewirtschaftungsplan Obere Lafnitz                                            9
                                                Mag. Marco Petschar

                                                Potenzialstudie Wasserkraft Steiermark                                                12
                                                DI Thomas Geisler

                                                Restwasserstrecken in steirischen Fließgewässern                                      15
Unterirdisches Leitungsnetz – unsichtbar        DI Franz Greimel
und wertvoll © Initiative VOR SORGEN
                                                Maßnahmen zur Verbesserung der Fischwanderung in steirischen Gewässern                18
                                                DI Raimund Adelwöhrer | DI Peter Rappold

                                                Herstellung der Durchgängigkeit an der Raab mit dem Projekt Openwehr                  22
                                                DI Rudolf Hornich | DI Günter Parthl

                                                Grazer Wasser: Ein echter „Energydrink“                                               25
                                                Mag. Wolfgang Messner

                                                Energie aus dem Kanal                                                                 28
                                                Ing. Walter Ederer

                                                Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan - IST-Bestandsanalyse 2013                    30
                                                DI Urs Lesky
Projekt Openwehr – Fischaufstiegshilfen

                                                Hydrologische Übersicht für das Jahr 2013                                             32
                                                Mag. Barbara Stromberger | DI Dr. Robert Schatzl | Mag. Daniel Greiner

                                                Hochwasserrisikomanagementpläne                                                       38
                                                DI Rudolf Hornich

                                                Digitales Gewässernetz                                                                41
                                                Wolfgang Neukam

                                                Schatz im Verborgenen – über den Wert und die Rechtsgrundlagen
                                                von Wasserleitungen und Kanalanlagen                                                  43
                                                DI Thomas Eichholzer

                                                Unterrichtsmappe „Trinken und Gesundheit“                                             46
Unterrichtsmappe Trinken und Gesundheit:
                                                Dipl. Päd. Mag. Martina Krobath | Mag. Elisabeth Martini
In welchen beiden Wassergläsern befinden sich
dieselben Wasserarten?
                                                Veranstaltungen                                                                       48
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Wasserkraftnutzung in
                               der Steiermark – Tradition
                               und Zukunft
DI Johann Wiedner              Der von der UN-Generalversammlung per Resolution ausgerufene Weltwassertag steht im Jahr 2014 unter dem
Amt der Steiermärkischen
Landesregierung
                               Motto „Water & Energy“. Zur Begründung des Mottos wird auf die umfassende Verwendung und Bedeutung der
Abteilung 14 – Wasserwirt-     Ressource Wasser für viele Formen der Energiegewinnung hingewiesen. Die Nutzung des Energiepotentials
schaft, Ressourcen und
                               von Wasser ist für die Steiermark von besonderer Bedeutung und Herausforderung.
Nachhaltigkeit
8010 Graz, Wartingergasse 43
Tel. +43 (0)316/877-2025
johann.wiedner@stmk.gv.at      Die Erläuterungen zum Motto des
                               Weltwassertages 2014 verweisen
                               auf die weltweit praktizierte Ver-
                               wendung von Wasser im Zusam-
                               menhang mit der Gewinnung von
                               Energie. Dazu zählen Wasserkraft-
                               werke ebenso wie Anlagen der
                               thermischen und atomaren Ener-
                               giegewinnung. Für die Steiermark
                               hat die Energiegewinnung aus
                               Wasserkraft eine herausragende
                               Bedeutung und soll in weiterer Fol-
                               ge im Detail erörtert werden.

                               Entwicklung der
                               Wasserkraft­nutzung
                               Bereits seit mehr als 1000 Jahren
                               ist die Nutzung von Wasserkraft in
                               der Steiermark dokumentiert. Wa-
                               ren von Beginn an vor allem Was-
                               serräder für Getreidemühlen im Ein-   Abb. 1: Kraftwerk Kohlleben, 1906 in Betrieb genommen
                               satz, kamen im Laufe der Zeit Nut-
                               zungen der Wasserkraft für Ölmüh-
                               len, Sägewerke, Papiermühlen und
                               im Bereich des Montanwesens für
                               Rad- und Hammerwerke dazu. Vor
                               etwas mehr als 100 Jahren begann
                               dann die Nutzung der Wasserkraft
                               zur Erzeugung von elektrischer
                               Energie.
                               Die Entwicklung der Steiermark
                               selbst, aber insbesondere die von
                               Gewerbe und Industrie war somit
                               wesentlich von der Nutzung der
                               Wasserkraft geprägt.

                                Engpassleistung in kW

                                                                      Abb. 2: Übersichtskarte der Wasserkraftwerke in der Steiermark

                      2        Wasserland Steiermark 1/2014
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Energiegewinnung aus                     (s. Karte). Damit liefern alle Was-
Wasserkraft                              serkraftanlagen zusammen im
Seit 1900 wurden in der Steiermark       Durchschnitt mehr als 50 % des
rund 1400 Wasserkraftwerke bewil-        elektrischen Energiebedarfs der
ligt, wovon sich derzeit knapp 900       Steiermark, wobei dieser Wert je
unterschiedlichster Ausbaugrößen         nach Jahresniederschlagsverhält-
noch in Betrieb befinden (Abb. 2). In    nissen differieren kann.
der Vergangenheit wurden vor al-
lem kleinere Wasserkraftanlagen          Wasserkraft und
                                         Gewässer­ökologie
stillgelegt, insbesondere Hausanla-
gen für die der unmittelbare Ver-        Die Errichtung von Wasserkraftan-
wendungsbereich verloren gegan-          lagen stellt in jedem Fall einen Ein-
gen war bzw. Anlagen, die oftmals        griff in den Gewässerzustand dar.
durch Hochwasserkatastrophen                                                     Abb. 3: Jahresverlauf der Erstbewilligungen der derzeit
                                         Die Auswirkungen von Wasser-            in Betrieb befindlichen Anlagen seit 1900
zerstört wurden.                         kraftanlagen auf den Wasserhaus-
Die Abbildung 3 zeigt ganz deutlich,     halt und auf die Gewässerökologie
dass es im letzten Jahrhundert im-       hängen einerseits von der jeweili-
mer wieder Perioden mit verstärk-        gen Bauart und andererseits aber
ter Bautätigkeit gegeben hat, die ei-    auch maßgeblich von den zum Zeit-
nerseits mit Kriegszeiten und ande-      punkt der Bewilligung geltenden
rerseits mit positiven finanziellen      rechtlichen Bestimmungen ab.
Rahmenbedingungen für Investitio-        In den letzten 25 Jahren wurden die
nen begründet werden können.             rechtlichen Vorgaben zur Minimie-
Gerade in den letzten Jahren war         rung der Eingriffe in den ökologi-
eine intensive Bewilligungs- und         schen Zustand zunehmend zu
Bautätigkeit, vor allem ausgelöst        Gunsten der Gewässer verbessert.
durch Anreize für den Ausbau er-         Dies hat dazu geführt, dass die Ein-
neuerbarer Energie gegeben. Darü-        griffe in die Gewässer und das in
ber hinaus fördert die aktuelle Situ-    Verbindung stehende Umland redu-
                                                                                 Abb. 4: Verteilung der Anzahl Wasserkraftanlagen
ation am Kapitalmarkt die Veranla-       ziert und damit auch die Attraktivi-    nach Leistungsklassen (Engpassleistung in kW)
gung in langfristig sichere Investiti-   tät des Anlagenbereiches als Erho-
onen, was auf Wasserkraftanlagen         lungsraum verbessert werden
zutrifft. So wurden in den letzten 10    konnte.
Jahren in der Steiermark 150 Was-        Insbesondere mit der Übernahme
serkraftanlagen bewilligt und der        der EU-Wasserrahmenrichtlinie in
Großteil auch gebaut und in Betrieb      das nationale Wasserrechtsgesetz
genommen.                                im Jahr 2003 wurden strengere Re-
Von den bestehenden Anlagen wei-         gelungen zur Erhaltung bzw. für die
sen 55 % eine Engpassleistung von        Interessensabwägung bei beab-
weniger als 100 kW, und nur 13 %         sichtigten Verschlechterung des
(d. s. 123 Anlagen) eine von größer      Gewässerzustandes getroffen.
1.000 kW (1 MW) und davon 27 An-         Die Sicherstellung der Fischwande-
lagen eine von mehr als 10.000 kW        rung durch Fischaufstiegshilfen und
(10 MW) auf. (s. Abb. 4: Balkendia-      einer mindest notwendigen Rest-         Abb. 5: Summendarstellung der Engpassleitung getrennt
gramm). Alle Anlagen zusammen            wasserdotierung wurde ebenso ge-        nach Leistungsklassen
verfügen über eine Engpassleistung       regelt wie die Zulässigkeit einer
von 930 MW, wovon auf die 27 An-         Gewässerzustandsverschlechte-
lagen größer 10 MW rund 600 MW           rung nur in Fällen besonderen öf-
Engpassleistung (63 %) entfallen         fentlichen Interesses. Lässt sich ein
(Abb. 5).                                öffentliches Interesse bei einem
Gemäß den Daten der geltenden            leistungsfähigen Wasserkraftwerk
Wasserrechtsbescheide verfügen           zumeist noch nachvollziehbar dar-
die derzeit in Betrieb befindlichen      stellen, ist dies bei leistungsschwa-
Wasserkraftanlagen ein Regelar-          chen Kraftwerken an hydromorpho-
beitsvorprogramm von rund 3.700          logisch hochwertigen Gewässer-
GWh, wovon die 27 Anlagen größer         strecken im Regelfall nicht mehr
10 MW zwei Drittel dazu beitragen        gegeben.

                                                                                                                        3
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Abb. 6: Luftaufnahme vom
    Kraftwerk Hieflau mit
 Fischaufstieg, Restwas-
serstrecke und Stauraum
         © 2011 GIS Steiermark

                                 Der hohe Ausbaugrad mit Wasser-       Zukunft der Wasserkraft                Es ist davon auszugehen, dass über
                                 kraftanlagen sowie die Umsetzung      in der Steiermark                      die bereits bewilligten und noch
                                 von Regulierungsbauten zum            Die Wasserkraft zur Erzeugung          nicht gebauten Kraftwerke hinaus-
                                 Schutz vor Hochwässern haben da-      elektrischer Energie wird auch in      gehend weitere Projekte abseits
                                 zu geführt, dass nur mehr ein ver-    Zukunft für die Steiermark auf Basis   ausgewiesener schützenswerter
                                 gleichsweise geringer Anteil der      des derzeit schon sehr hohen Aus-      Gewässerstrecken realisiert wer-
                                                                       baugrades dauerhaft von besonde-       den.
                                 steirischen Gewässer einen hoch-
                                 wertigen ökologischen Zustand         rer Bedeutung sein. Zur Erhöhung       Die Umsetzung von Pumpspeicher-
                                 aufweist. Somit sind gerade bei je-   des geforderten Anteiles an erneu-     werken wird als wichtiges Element
                                                                       erbarer Energie wird zur Erfüllung     im Zusammenhang mit dem weite-
                                 nen Gewässerstrecken, die für den
                                                                       der Energiestrategie Österreich,       ren Ausbau von Alternativenergie
                                 ökologischen Zustand der Gewäs-
                                                                       des Ökostromgesetzes bzw. des Kli-     gesehen, wobei deren Realisierung
                                 ser bzw. für die Erreichung vorge-
                                                                       maschutzplanes für die Steiermark      ebenfalls wesentlich von wirt-
                                 gebener Zielzustände von besonde-                                            schaftlichen Rahmenbedingungen
                                                                       bis 2020 eine Erhöhung des Regel-
                                 rer Bedeutung sind, Interessens-                                             abhängig sein wird.
                                                                       arbeitsvermögens um rund 560 -
                                 konflikte vorprogrammiert.            764 GWh angestrebt.                    Bei der Abwägung der Interessen
                                 Das Land Steiermark beabsichtigt                                             zwischen Energiegewinnung aus
                                                                       Durch die Errichtung und weitere
                                                                                                              erneuerbarer Energie und Erhal-
                                 daher auf Basis des Wasserrechts-     Umsetzung der geplanten Kraftwer-
                                                                                                              tung von Fließgewässern als wert-
                                 gesetzes durch Verordnung eines       ke an der Mur, insbesondere im
                                                                                                              vollem Naturraum ist mit Augen-
                                 Regionalprogrammes jene Fließge-      Raum Graz, die Verbesserung des
                                                                                                              maß und Generationenverantwor-
                                 wässerstrecken auszuweisen, die       technischen Standards bei beste-
                                                                                                              tung vorzugehen.
                                 im Interesse der Erhaltung von öko-   henden Anlagen (Revitalisierung)
                                                                       und den bereits realisierten Klein-    Für energiewirtschaftlich unbedeu-
                                 logisch wertvollen Gewässern bzw.
                                                                       wasserkraftanlagen sollte dieses       tende Wasserkraftanlagen sollte
                                 Gewässersystemen mit Nutzungs-                                               keine natürliche bzw. naturnahe
                                                                       Ziel weitestgehend erreicht wer-
                                 beschränkungen belegt werden                                                 Gewässerstrecke beeinträchtigt
                                                                       den. Die Realisierung einiger Pro-
                                 sollen.                                                                      werden. Ökologisch wertvolle Ge-
                                                                       jekte mit großem Leistungsvermö-
                                                                       gen scheint sich derzeit aber auf      wässerstrecken sind auf Dauer zu
                                                                       Grund ungünstiger wirtschaftlicher     erhalten.
                                                                       Rahmenbedingungen zu verzögern.

                      4          Wasserland Steiermark 1/2014
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Neue Strategien zu konsensfähigem
                            Wasserkraftausbau in der Steiermark
                            Gewässerbewirtschaftungspläne Enns, Mur, Mürz

DI Hans-Jörg Raderbauer
                            Die Fließgewässer der Steiermark, speziell die Flüsse mit sehr hohem energiewirtschaftlichen Potenzial sind,
freiland Umweltconsulting
Ziviltechniker GmbH         soweit nicht schon energiewirtschaftlich genutzt, einem extrem hohen Nutzungsdruck ausgesetzt.
Geschäftsführer             Diese forcierte Wasserkraftnutzung ist Gegenstand wiederkehrender Diskussionen, wie auch die Debatten
8010 Graz,
Münzgrabenstraße 4
                            über die Kraftwerke Kalsdorf, Gössendorf oder Schwarze Sulm gezeigt haben. Um hier einen langfristigen
Tel. +43(0)316/382880       Ordnungsrahmen zu schaffen, wurde von Seiten der Steirischen Wasserwirtschaft ein neuartiges Planungs­
raderbauer@freiland.at
                            instrument initiiert und in Pilotprojekten an Enns, Mur und Mürz angewandt.

                            Bei der Nutzung von Gewässern            das Österreichische Wasserrechts-        sonders in alpin geprägten Ländern
                            treffen eine Vielzahl unterschied-       gesetz der Grundsatz des Ver-            wie Österreich – die Bedeutung der
                            lich gelagerter Interessen aufein-       schlechterungsverbots. Um das            Wasserkraft als erneuerbare Ener-
                            ander. So hat sich Österreich durch      Ziel, in allen Gewässern den guten       giequelle jedenfalls stark aufge-
                            die Implementierung verschiedener        ökologischen Zustand (bzw. das gu-       wertet.
                            EU-Richtlinien sowohl zum Ausbau         te ökologische Potenzial) bis spä-
                                                                                                              In der Steiermark liegt etwa ein
                            erneuerbarer Energien (EE-RL - Er-       testens 2027 zu erreichen besteht
                                                                                                              Sechstel (2.100 GWh/a) des verblei-
                            neuerbare Energien Richtlinie1) als      jedoch noch ein großer Handlungs-
                                                                                                              benden Potenzials für Wasserkraft-
                            auch zum Schutz der Gewässer             bedarf. Der starke Ausbaugrad der
                                                                                                              nutzung in Österreich (Pöyry6). Im
                            (WRRL - Wasserrahmenrichtlinie2)         Wasserkraft wird als eine wesentli-
                                                                                                              Klimaschutzplan Steiermark7 wird
                            verpflichtet, zwei hinsichtlich der      che Ursache für die ökologische
                                                                                                              abgeschätzt, dass bis 2020 ein rea-
                            Ziele deutlich widerstreitende           Beeinträchtigung von Fließgewäs-
                                                                                                              listischer Ausbau der Wasserkraft
                            Richtlinien. Neben diesen divergie-      sern gesehen (Jungwirth5). Umso
                                                                                                              um 670 GWh möglich ist. Somit
                            renden Zielen existieren auch noch       wichtiger erscheint es vor diesem
                                                                                                              scheint es unausweichlich, dass
                            Vorgaben zum Hochwasserschutz,           Hintergrund, dass Standorte neuer
                                                                                                              neben Kleinwasserkraftwerken
                            die Verpflichtung zur Ausweisung         Wasserkraftwerke Bestandteil inte-
                                                                                                              auch an den großen Flüssen der
                            großflächiger Schutzgebiete (Fau-        grierter strategischer Planung sind.
                                                                                                              Steiermark (Enns, Mur, Mürz) neue
                            na-Flora Habitat3- und Vogelschutz-
                                                                                                              Kraftwerke errichtet werden. Zur
                            Richtlinie4) entlang der Flüsse so-      Energiewirtschaftliche Situation
                                                                                                              exakten Bestimmung des ausbau-
                            wie nicht zuletzt ein öffentliches In-
                                                                     Österreich hat durch die Lage im         würdigen Restpotenzials hat die
                            teresse an intakten Flusslandschaf-
                                                                     Alpenraum sehr günstige Bedin-           Energie Steiermark AG eine Poten-
                            ten für Erholungszwecke und Tou-
                                                                     gungen für die Wasserkraftnutzung.       zialstudie8 durchgeführt. Vergleicht
                            rismus.
                                                                     Wasserkraftwerke (Speicher- und          man die Energieproduktion bereits
                                                                     Laufkraftwerke) tragen 55 % zur Er-      umgesetzter Wasserkraftprojekte
                            Wertvolle Fließgewässer
                                                                     zeugung des heimischen Strombe-          mit den Zielwerten für 2020, verblei-
                            In der Steiermark sind an einigen        darfs bei. Aktuell sind in der Steier-   ben ca. 320 GWh welche durch
                            Flüssen noch lange freie Fließstre-      mark rund 850 Wasserkraftanlagen         neue Kraftwerke zusätzlich erzeugt
                            cken erhalten - Abschnitte der Enns      in Betrieb oder Bau, davon ist der       werden müssen.
                            und Mur gelten als ökologisch be-        Großteil der Kleinwasserkraft (Eng-
                            sonders wertvolle Fließstrecken in       passleistung < 10 MW) zuzurech-          Neue Wege –
                            Österreich und sind deshalb als Eu-      nen.                                     Bewirtschaftungs­pläne
                            ropaschutzgebiete ausgewiesen.
                                                                     Das Ziel der Erneuerbaren Energi-        Neu bewilligte Wasserkraftanlagen
                            Zusätzlich wurden seit 2003 durch
                                                                     en-RL ist es, bis zum Jahr 2020 den      haben zwar strenge ökologische
                            Unterstützung verschiedener EU-
                                                                     Anteil von erneuerbaren Energien         Vorgaben (Restwassermenge, Si-
                            Förderprogramme (LIFE, LIFE+, In-
                                                                     deutlich zu erhöhen, wobei es für        cherstellung des Fließgewässer-
                            terreg) großräumige Renaturierun-
                                                                     die einzelnen Mitgliedsstaaten, je       kontinuums) einzuhalten und beein-
                            gen initiiert.
                                                                     nach Ausbaugrad und Energiepo-           trächtigen den ökologischen Zu-
                            Generell gilt seit der Implementie-      tenzial, unterschiedliche Vorgaben       stand eines Gewässers nicht zwin-
                            rung der Wasserrahmenrichtlinie in       gibt. Mit dieser Richtlinie wird – be-   gend, jedoch gilt es trotzdem, sen-

                                                                                                                          5
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Streckenfestlegungen
                                                                                     In einem ersten Schritt wurden De-
                                                                                     finitionen für die Ausweisung von
                                                                                     Gewässerstrecken (Abb. 1) entwi-
                                                                                     ckelt und mit den Projektbeteiligten
                                                                                     abgestimmt. Ziel war es, sowohl
                                                                                     Gewässerabschnitte mit besonde-
                                                                                     rer gewässerökologischer Bedeu-
                                                                                     tung unter Schutz zu stellen, als
                                                                                     auch Gewässerabschnitte zu defi-
                                                                                     nieren, wo eine energiewirtschaftli-
                                                                                     che Nutzung unter der Einhaltung
                                                                                     festgelegter Rahmenbedingungen
                                                                                     möglich ist. Durch die Ausweisung
                                                                                     dieser Gewässerstrecken sollte
                                                                                     Planungssicherheit und ein landes-
                                                                                     weiter Ordnungsrahmen für neue
                                                                                     Kraftwerksvorhaben an Enns, Mur
                                                                                     und Mürz geschaffen werden. Die
                                                                                     Gewässer konnten somit in folgen-
                                                                                     de Strecken untergliedert werden:
                                                                                     l Ökologische Vorrangstrecke:
    Abb. 1: Methode und Kriterien der Streckenausweisung
                                                                                       Schützenswerte, ökologisch
                                                                                       sensible Gewässerstrecke in der
                                                                                       Kraftwerkserrichtungen für die
                                                                                       Gültigkeitsdauer der BWP nicht
    sible und schützenswerte Gewäs-           zwischen Nutzung und Schutz von
                                                                                       vorgesehen sind.
    serstrecken von Nutzung freizuhal-        Fließgewässern darstellen.
    ten. Da oft genau in diesen Ab-                                                  l Abwägungsstrecke: Strecken
    schnitten hohe, noch nicht ausge-         Inhaltliche Festlegungen                 hoher ökologischer und energie-
    nutzte, Energiepotenziale liegen,                                                  wirtschaftlicher Wertigkeit. Hier
                                              Die Bewirtschaftungspläne (BWP)
    sind langfristige strategische Pla-                                                sind keine Ausschlusskriterien
                                              beinhalten Zustandsbeschreibun-
    nungen gefordert.                                                                  für Wasserkraftnutzung vorhan-
                                              gen, Defizitanalysen und Maßnah-
                                                                                       den. Wesentlich ist, dass durch
                                              menvorschläge. Die Basiseinheit
    Im Nationalen Gewässerbewirt-                                                      Kraftwerkserrichtungen keine
                                              der Bearbeitung sind Detailwasser-
    schaftungsplan9 (NGP) sind Planun-                                                 ökologische Zustandsver-
                                              körper.
    gen auf Landesebene vorgesehen,                                                    schlechterung um eine Zu-
    die auf der Grundlage von Potenzi-        l Zustandsbeschreibung: Allge-           standsklasse (gemäß NGP) ein-
    alanalysen, unter Berücksichtigung          meine Beschreibung der Merk-           treten darf. Kraftwerksplanun-
    der Kriterien der Wasserrahmen-             male der Flussgebietseinheit so-       gen müssen somit an die Rah-
    richtlinie und ökologisch bedeuten-         wie eine Zusammenfassung der           menbedingungen angepasst und
    der Gewässerstrecken, die Reali-            signifikanten Belastungen und          ökologisch verträglich sein.
                                                anthropogenen Einwirkungen
    sierungsmöglichkeiten von Was-                                                   l Restliche Fließstrecken: Gewäs-
                                                auf den Gewässerzustand.
    serkraftprojekten abschätzen. Dazu                                                 serabschnitte, die keine speziel-
    wurde unter der Koordination der          l Defizitanalyse: Umfassende De-         le ökologische Sensibilität oder
    freiland ZT GmbH ein Planungspro-           fizitanalyse (inkl. Luftbildanaly-     energiewirtschaftliche Wertig-
    zess entworfen, bei dem ein beson-          se) von 500 m-Gewässerab-              keit erfüllen (oftmals bereits
    derer Fokus auf die Einbindung der          schnitten als Basis für die Maß-       energiewirtschaftlich genutzte
    wesentlichen Akteure in den Pla-            nahmenvorschläge.                      Abschnitte), bleiben in den Be-
    nungsprozess gelegt wurde. So wa-         l Maßnahmenvorschläge: Erstel-           wirtschaftungsplänen ohne
    ren Vertreter des Amtes der Steier-         lung eines Maßnahmenkatalogs           Festlegung.
    märkischen Landesregierung (Ab-             und daraus folgend Formulie-         In einem zweiten Schritt wurden
    teilung 13, 14 und 15) ebenso Mit-          rung von Maßnahmenvorschlä-          Kriterien für die Streckenauswei-
    wirkende an diesem Prozess als              gen zur Verbesserung des ökolo-      sungen definiert und mit den Pro-
    auch die wesentlichen Energiever-           gischen Zustands bzw. zur Errei-     jektbeteiligten abgestimmt. Dabei
    sorgungsunternehmen. Nur so war             chung der festgelegten Umwelt-       kamen sowohl gewässerökologi-
    es möglich, Bewirtschaftungspläne           ziele. Zusätzlich wird das Strahl-   sche und naturschutzfachliche als
    (BWP) zu gestalten, die eine für alle       wirkungs- und Trittsteinkonzept      auch energiewirtschaftliche Kriteri-
    Stakeholder akzeptable Balance              berücksichtigt.                      en zur Anwendung.

6   Wasserland Steiermark 1/2014
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Abb. 2: Ergebnis der Bewirtschaftungsplanung mit Festlegung ökologisch bedeutsamer Gewässerstrecken an der Mur

l Wasserwirtschaftlicher Fach-            l Naturschutzflächen – gesetzli-          Ergebnisse
  vorschlag zur Ausweisung von              che Vereinbarkeit mit Nutzung           Die Kriterien zur Festlegung dieser
  Gewässerstrecken mit beson-               Auf Basis der Rechtsgrundlage           Gewässerabschnitte wurden mit-
  derer ökologischer Bedeutung10            des Steiermärkischen Natur-             tels GIS dargestellt und überlagert.
  Im NGP ist zum Schutz von                 schutzgesetzes11 wurden die             Die Überlagerung resultierte in ei-
  Fließgewässern die Ausweisung             Schutzziele/Schutzbestimmun-            ner kartografischen Zusammen-
  ökologisch besonders wertvoller           gen betroffener Schutzgebiete           schau, die für jeden Abschnitt mit
  Gewässerstrecken vorgesehen.              auf Vereinbarkeit mit energie-          allen Projektbeteiligten gleichzeitig
  Diese Planung wurde vom Land              wirtschaftlicher Nutzung ge-            diskutiert wurde. Dabei stand im
  Steiermark für alle Gewässer              prüft.                                  Vordergrund, unter Berücksichti-
  des Berichtsgewässernetzes              l Naturschutzflächen –                    gung der naturschutzfachlichen
  umgesetzt.                                Bewertung der Sensibilität              und energiewirtschaftlichen Ziele
l Ökologischer Zustand                      der Schutzgüter                         eine konsensfähige Streckenaus-
  Die WRRL untersagt eine Ver-              Als zweiter Schritt der natur-          weisung zu erzielen. Die Ergebnis-
  schlechterung des ökologischen            schutzfachlichen Beurteilung            se für die Streckenausweisungen
  Zustands/Potenzials von Gewäs-            wurde die Sensibilität der              entlang der Mur (Abb. 2) waren Ge-
  serabschnitten. Die einzelnen             Schutzgüter im Planungsraum             genstand langer Abstimmung und
  Zustandsklassen haben unter-              betreffend Wasserkraftnutzung           sind als Hauptergebnis des Pla-
  schiedliche „Bandbreiten“ be-             geprüft. Diese Bewertung resul-         nungsprozesses anzusehen.
  treffend Verschlechterung. Eine           tiert in der Ausweisung von
                                                                                    An der oberen Mur (Landesgrenze
  Verschlechterung vom „sehr gu-            hoch sensiblen, mittel sensiblen
                                                                                    Salzburg bis Leoben) liegt eine ge-
  ten Zustand“ in den „guten Zu-            und gering sensiblen Schutzge-
                                                                                    ringe Kraftwerksbeeinflussung und
  stand“ erfolgt i.a. bereits durch         bieten.
                                                                                    ein hohes energiewirtschaftliches
  geringe anthropogene Eingriffe,         l Ausbau entsprechend                     Restpotenzial vor. Ebenfalls finden
  während der „gute Zustand“ ei-            Energiezielprogrammen                   sich dort lange freie Fließstrecken
  ne höhere Resilienz gegenüber             Vergleicht man die Zielwerte für        und Europaschutzgebiete.
  diesen Eingriffen besitzt.                Wasserkraftausbau mit den tat-
                                                                                    An der oberen Mur steht die Ver-
                                            sächlich umgesetzten Projekten,
l Maßnahmenstrecken –                                                               besserung bzw. Beibehaltung des
                                            beträgt die Lücke zwischen Ziel-
  umgesetzte Maßnahmen zur                                                          ökologischen Zustands im Vorder-
                                            vorgabe und Ist-Zustand min-
  ökologischen Aufwertung                                                           grund, weshalb lange Abschnitte
                                            destens 321 GWh.
  Streckenabschnitte in denen mit                                                   als ökologische Vorrangzone fest-
  öffentlichen Mitteln bereits Er-                                                  gelegt wurden. Abwägungszonen
  haltungs-/Sanierungsmaßnah-                                                       finden sich in jenen Abschnitten mit
  men gesetzt wurden, fanden in                                                     hohem energiewirtschaftlichen Po-
  Abhängigkeit von Umfang, Kos-                                                     tenzial, die keine hoch sensiblen
  ten und Wirksamkeit der Maß-                                                      Schutzgebiete oder EU-geförderte
  nahme Berücksichtigung.                                                           Maßnahmenflächen aufweisen. Da

                                                                                                                       7
Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
Quellen:

                                                                                                            1 ERNEUERBARE-ENERGIEN-RICHTLINIE
                                                                                                                Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen
                                                                                                                Parlaments und des Rates vom 23. April
                                                                                                                2009 zur Förderung der Nutzung von
                                                                                                                Energie aus erneuerbaren Quellen und
                                                                                                                zur Änderung und anschließenden Auf-
                                                                                                                hebung der Richtlinien 2001/77/EG und
                                                                                                                2003/30/EG

                                                                                                            2 WASSERRAHMENRICHTLINIE
                                                                                                               Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen
                                                                                                               Parlamentes und des Rates vom 23. Okto-
         Abb. 3: Anteilige                                                                                     ber 2000 zur Schaffung eines Ordnungs-
                             hier außerdem der prioritäre Wan-       (keine Zustandsverschlechterung           rahmens für Maßnahmen der Gemein-
­Streckenausweisungen
                             derraum von mittelstreckenwan-          nach NGP erlaubt) für eine energie-       schaft im Bereich der Wasserpolitik
         an der Mur, nach
    ­Energiepotenzial und    dernden Fischarten liegt, wurde da-     wirtschaftliche Nutzung zugänglich     3 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie
          Fließkilometern    rauf geachtet, lange freie Fließstre-   gemacht werden.                            Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.
                             cken nur in Randbereichen durch                                                    Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen
                                                                     Resumée und Ausblick                       Lebensräume sowie der wildlebenden
                             mögliche Kraftwerksstandorte ein-
                                                                                                                Tiere und Pflanzen
                             zuschränken. Durch die Definition       Mit den BWP konnte im Zusam-
                                                                                                            4 VOGELSCHUTZRICHTLINIE
                             als Abwägungsstrecke wird gesi-         menwirken aller Beteiligten ein we-       Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen
                             chert, dass hier keine Zustandsver-     sentlicher Beitrag zur Lösung des         Parlaments und des Rates vom 30. No-
                             schlechterung eintreten kann und        Zielkonflikts von widersprüchlichen       vember 2009 über die Erhaltung der wild-
                                                                                                               lebenden Vogelarten
                             somit auch den Zielen der WRRL          öffentlichen Interessen, im konkre-
                             entsprochen wird.                       ten Fall ökologischen, wasserwirt-     5 JUNGWIRTH M., HAIDVOGL G., MOOG O.,
                                                                                                                MUHAR S., SCHMUTZ S. (2003)
                             An der Grenzmur wurde bis auf ei-       schaftlichen und energiewirtschaft-        Angewandte Fischökologie an Fließge-
                             nen kurzen Abschnitt, wo eine Sa-       lichen Interessen geleistet werden.        wässern
                             nierung des slowenischen Kraft-         Mit den Streckenausweisungen           6 PÖYRY ENERGY GMBH (2008)
                             werkstandorts Ceršak angedacht          wurden die Voraussetzungen ge-            Wasserkraftpotentialstudie Österreich,
                             ist, eine ökologische Vorrangstre-      schaffen, die für die Steiermark          im Auftrag von VEÖ, BMWA, E-Control,
                                                                                                               Kleinwasserkraft Österreich und VÖEW
                             cke festgelegt.                         verpflichtenden Energieziele zum
                                                                     Ausbau der Wasserkraft als erneu-      7 AMT DER STEIERMÄRKISCHEN LANDES-
                             Für die Mur zwischen Leoben und                                                   REGIERUNG - FACHABTEILUNG 17A,
                                                                     erbarer Energiequelle einzuhalten
                             Spielfeld liegen völlig andere Vor-                                               ENERGIEWIRTSCHAFT UND ALLGEMEI-
                                                                     und dabei ökologische Zustands-           NE TECHNISCHE ANGELEGENHEITEN
                             aussetzungen vor. An diesen kraft-
                                                                     verschlechterungen zu vermeiden.          (2010)
                             werksbeeinflussten Abschnitten                                                    Klimaschutzplan Steiermark – Perspekti-
                             liegt meist weder ökologische Wer-      Die BWP sind zuallererst eine Infor-      ve 2020/2030, 26 Maßnahmenbündel für
                             tigkeit, noch hohes Restpotenzial       mationsgrundlage für wasserwirt-          eine zukunftssichernde Klimapolitik in der
                                                                                                               Steiermark, Energiebereitstellung, Aus-
                             vor (vgl. Abbildung 3). Das betrifft    schaftliche Planungen, darüber hi-        gabe 2010 Wasserkraft und Ökologie
                             50 % der Fließkilometer der Mur –       naus stellt die Streckenausweisung
                                                                                                            8 ENERGIE STEIERMARK AG (2012)
                             hier wurden keine Festlegungen          eine grundlegende, ordnungsplane-          Potenzialstudie Wasserkraft Steiermark,
                             getroffen („Restliche Fließstre-        rische Festlegung dar, die Auswir-         Energie Steiermark
                             cken“), allerdings sind hier Maß-       kungen z. B. auf die energiepoliti-    9 NATIONALER GEWÄSSERBEWIRTSCHAF-
                             nahmen zur ökologischen Verbes-         sche Entwicklung der Steiermark           TUNGSPLAN 2009 - NGP
                             serung und zur Effizienzsteigerung      hat. Eine rechtliche Verankerung          103. Verordnung des Bundesministers für
                                                                                                               Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und
                             angedacht.                              wird dazu in Form eines Regional-
                                                                                                               Wasserwirtschaft mit der einerseits die
                             Die oben beschriebenen als ökolo-       programms (gem. §55g WRG) erar-           Veröffentlichung des Planungsdokumen-
                             gische Vorrangstrecken und Abwä-        beitet. Die Gültigkeitsdauer der          tes zum Nationalen Gewässerbewirt-
                                                                                                               schaftungsplan bekannt gegeben wird
                             gungsstrecken ausgewiesenen             Festlegungen der Bewirtschaf-
                                                                                                               und andererseits ein Maßnahmenpro-
                             Strecken entsprechen ebenfalls          tungspläne erstreckt sich bis 2022.       gramm sowie Prioritätensetzungen und
                                                                                                               die Ausweisung von Gewässerabschnit-
                             50 % der Fließkilometer der Mur         Die BWP stellen die erste derartige       ten als erheblich veränderte oder künstli-
                             und weisen ein sehr hohes Energie-      Planung auf Landesniveau in Öster-        che Oberflächenwasserkörper im Zusam-
                             potenzial auf. Speziell bei Abwä-       reich dar und zeigen, dass unter          menhang mit dem Nationalen Gewässer-
                                                                                                               bewirtschaftungsplan erlassen werden
                             gungsstrecken liegen auf nur            Einbindung der wesentlichen Sta-
                                                                                                               (Nationale Gewässerbewirtschaftungs-
                             44,4 km (15 % der Fließkilometer)       keholder in den Planungsprozess           plan VO 2009 – NGPV 2009)
                             annähernd 30 % des Energiepoten-        ein für alle Seiten akzeptables Er-
                                                                                                            10 AMT DER STEIERMÄRKISCHEN LANDES-
                             zials. Die Ausweisung von Abwä-         gebnis erreicht werden kann, mit           REGIERUNG – ABTEILUNG 14, WASSER-
                             gungsstrecken lässt sich damit be-      welchem es möglich ist, die Vorga-         WIRTSCHAFT, RESSOURCEN UND NACH-
                             gründen, dass hier Abschnitte mit       ben unterschiedlicher Richtlinien          HALTIGKEIT (2013)
                                                                                                                Wasserwirtschaftlicher Fachvorschlag
                             sehr hohem Energiepotenzial unter       und verschiedenartig gelagerter In-        zur Ausweisung von Gewässerstrecken
                             festgelegten Rahmenbedingungen          teressen abzustimmen.                      mit besonderer ökologischer Bedeutung

                    8        Wasserland Steiermark 1/2014
Gewässerbewirtschaf­
                              tungsplan Obere Lafnitz
                              Konzept zur nachhaltigen Vereinbarkeit von Gewässerökologie und Engergiegewinnung

Mag. Marco Petschar           Mit der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) in das österreichische Wasserrecht werden
ZT-Kanzlei Dr. Hugo Kofler
Stellvertretende
                              verstärkt flussgebietsbezogene Planungen zum Schutz zur Verbesserung nachhaltiger Nutzung der Gewässer
Kanzleileitung                verfolgt. Unter dieser Prämisse wurde im Auftrag der Abteilung 14 – Wasserwirtschaft, Ressourcen und
8132 Pernegg a. d. Mur,
                              ­Nachhaltigkeit ein Konzept zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Oberen Lafnitz erstellt. Als Zielvorgabe
Traföß 20
Tel. Tel. +43(0)664/9681347    ­wurde der Leitsatz „Energie & Ökologie im Gleichgewicht“ definiert.
marco.petschar@zt-kofler.at

                              Ausgangslage
                              Die Obere Lafnitz, ein Teil des Natu-
                              ra 2000 Gebietes Nr. 27 Lafnitztal –
                              Neudauer Teiche, wird zwischen
                              Flkm 86,5 und Flkm 106,0 durch be-
                              stehende Nutzungen und anthropo-
                              gene Überformungen über weite
                              Strecken in ihrer natürlichen Ge-
                              wässerausprägung beeinträchtigt.
                              Neben hydrologischen Belastungen
                              in Form von Wasserkraftanlagen
                              müssen insbesondere Sicherungs-
                              maßnahmen der Sohle und der
                              Uferlinien sowie ein fehlender Ufer-
                              gehölzstreifen als gewässerökolo-
                              gische Belastungen angeführt wer-
                              den. Auch reichen infrastrukturelle
                              Nutzungen abschnittsweise bis an
                              die Gewässergrenze heran (Abb. 1).      Abb. 1: Massive Ufersicherungsmaßnahmen ; Bereich Landstraße Waldbach
                              Zusätzlich sind im Untersuchungs-       Foto: Petschar
                              gebiet der Oberen Lafnitz derzeit
                              weitere Kleinwasserkraftanlagen         prüft und beurteilt. Mittels Erhebun-    Entwicklung von Maßnahmen ori-
                              geplant.                                gen vor Ort wurden die vorhande-         entiert sich dabei naturgemäß an
                              Um die Erreichung des Zielzustan-       nen Datengrundlagen zum ökologi-         den vorhandenen Belastungen und
                              des (guter ökologischer Zustand)        schen Zustand und zu den vorhan-         zielt u. a. auf das durch den Natio-
                              gemäß EU-WRRL sicherzustellen,          denen Wasserrechten geprüft, ver-        nalen Gewässerbewirtschaftungs-
                              sind aber in Anbetracht der vorhan-     dichtet bzw. nach Notwendigkeit          plan vorgegebene Maßnahmenpro-
                              denen Belastungen Maßnahmen             ergänzt. So konnten neben den vor-       gramm ab. In der Oberen Lafnitz
                              zur Strukturverbesserung zwingend       handenen strukturellen und hydro-        reichen die Belastungen von struk-
                              zu planen und umzusetzen. Die Ziel-     logischen Belastungen ökologisch         turellen Defiziten des Gewässers
                              setzung, saubere und naturnahe          wertvolle Gewässerabschnitte             selbst (Gewässerregulierungen
                              Gewässer zu erhalten, sollte aber       identifiziert und abgegrenzt werden      zum Hochwasserschutz, Rückhalte-
                              nicht dazu führen, ökonomische          (Abb. 2 und 3).                          becken etc.), der fehlenden Anbin-
                              Gegebenheiten völlig zu ignorieren.                                              dung des Gewässerumlandes über
                                                                      Maßnahmen                                den Ufergehölzstreifen, der fehlen-
                              Im Zuge des Konzeptes zur nach-
                                                                                                               den Anbindung von Zubringerge-
                              haltigen Gewässerbewirtschaftung        Wesentliches Element einer nach-
                                                                                                               wässern bis zur energetischen Nut-
                              der Oberen Lafnitz wurden neben         haltigen Bewirtschaftung von Ge-
                                                                                                               zung von Teilabschnitten des Fließ-
                              den ökologischen auch die energe-       wässerstrecken ist die Definition
                                                                                                               gewässers.
                              tisch-ökonomischen Voraussetzun-        von Maßnahmen zur Verbesserung
                              gen im Untersuchungsgebiet ge-          des ökologischen Zustandes. Die

                                                                                                                           9
Abb. 2 und 3: Strukturvielfalt im Gewässer und natürliche Ufervegetation an der Schwarzen Lafnitz

     Auf Grundlage der Analyse der Be-           Die Maßnahmen zur Vernetzung mit             he, dem Gewässerleitbild weitest-
     lastungen wurde ein Maßnahmen-              dem Gewässerumland betreffen                 gehend entsprechende Strukturie-
     katalog entwickelt und die einzel-          l Bepflanzungen des Ufergehölz-              rung aus. Eine Nutzung und eine
     nen Maßnahmen (Abb. 4) in einem               streifens mit standorttypischen            damit verbundene Beeinträchti-
     Kartenwerk nachvollziehbar veror-             Arten                                      gung dieser Restbereiche muss
     tet.                                                                                     nachhaltig reduziert bzw. verhin-
                                                 l und den Erhalt von Alt- und Tot-
     Der Maßnahmenkatalog ist auf das                                                         dert werden.
                                                   holzbäumen.
     Projektgebiet bezogen und enthält                                                        Neben den angesprochenen ökolo-
     Strukturierungsmaßnahmen im Ge-             Übergeordnetes Ziel der Vernet-
                                                 zung mit dem Umland ist die Ent-             gischen Maßnahmen im Gewässer
     wässer selbst und Maßnahmen zur
                                                 wicklung ausreichend breiter Ufer-           wurden energetische Optimierun-
     Vernetzung mit dem Umland.
                                                 gehölzstreifen mit standortheimi-            gen an bestehenden und geplanten
                                                 schen Arten. Totholzstrukturen,              Kleinwasserkraftanlagen ange-
                                                 Wurzelstöcke oder aber eine über-            dacht und in das Konzept zur Ge-
     Die Maßnahmen im Gewässer
                                                 hängende Begleitvegetation sind              wässerbewirtschaftung eingearbei-
     selbst betreffen
                                                 als nachhaltig positive ökologische          tet. Vorrangiges Ziel ist dabei, den
     l die longitudinale Vernetzung des          Maßnahmen für das Gewässer zu                energetischen Nutzen von beste-
       Gewässersystems Lafnitz mit               werten.                                      henden Anlagen unter Berücksich-
       den Zubringerbächen,                                                                   tigung ökologischer Vorgaben zu
                                                 Neben der strukturellen Verbesse-
     l die strukturelle Aufwertung der           rung gilt es aus gewässerökologi-            verbessern. Die energetischen Op-
       Gewässersohle und des Ufers               scher Sicht bzw. im Hinblick auf die         timierungsmöglichkeiten an beste-
       mittels ingenieurbiologischer             Vorgaben der EU-WRRL Gewässer-               henden Wasserkraftanlagen betref-
       Maßnahmen                                 strecken, welche eine besondere              fen insbesondere Überlegungen zur
                                                 Bedeutung haben bzw. eine beson-             Fallhöhe und zur Ausbauwasser-
     l und die Durchgängigkeitsgestal-                                                        menge. Ein zu geringer Ausbau-
       tung von bestehenden Querbau-             dere Funktion im übergeordneten
                                                 Gewässernetz erfüllen, zu schüt-             grad, welcher nicht an die natürli-
       werken im Fließgewässerkonti-
                                                 zen. Dabei handelt es sich um Ge-            chen Abflussverhältnisse vor Ort
       nuum.
                                                 wässerabschnitte, welche zwar                angepasst wurde, steht dieser was-
     Insbesondere in strukturell massiv          nicht mehr in sehr gutem Zustand             serwirtschaftlichen Potenzialnut-
     verarmten Gewässerabschnitten               sind, aber vielfältige ökologische           zung entgegen. Die ökologischen
     werden somit durch ingenieurbiolo-          Funktionen haben, die für das ge-            Optimierungsmöglichkeiten betref-
     gische Maßnahmen bzw. das Ein-              samte Gewässersystem von Be-                 fen u. a. die Bemessung einer öko-
     bringen von Steinformationen un-            deutung sind. Im Untersuchungsge-            logisch nachhaltigen Restwasser-
     terschiedliche Strömungsverhält-            biet wurden ökologisch wertvolle             menge und die Gestaltung eines
     nisse und variable Habitate für die         Gewässerabschnitte identifiziert             Fischaufstieges, angepasst an das
     aquatischen Lebewesen entwi-                und abgegrenzt. Diese Abschnitte             Fischleitbild unter besonderer Be-
     ckelt.                                      zeichnen sich durch eine naturna-            trachtung der Koppe als schwimm-

10   Wasserland Steiermark 1/2014
Abb. 4: Kraftwerk Schiester mit Ausgleichsmaßnahmen

schwacher Vertreterin der Fischzö-       kräftige Indikatoren für die Belas-
nose.                                    tung und die Fragmentierung unse-
                                         rer Fließgewässer werden durch
Zusammenfassung und Ausblick             die Vernetzung des Gewässerkonti-
In Anlehnung an die Vorgaben der         nuums verbessert.
EU-WRRL, welche einerseits als
                                         Neben den ökologischen Maßnah-
Umweltziele vorsieht, Gewässer im
                                         men wurden im Konzept energeti-
guten Zustand abzusichern und an-
                                         sche Optimierungen an bestehen-
dererseits Gewässer in einem
                                         den und geplanten Kleinwasser-
schlechteren als guten Zustand
                                         kraftwerken angedacht und konzi-      re Lafnitz wird sich nach Umset-
stufenweise zu verbessern, wurde
                                         piert. Diese Optimierungen betref-    zung der technischen Optimierun-
ein Konzept zur nachhaltigen Ge-
                                         fen neben der Potenzialausnützung     gen an den bestehenden Kleinwas-
wässerbewirtschaftung der Oberen
                                         der vorhandenen natürlichen Was-      serkraftanlagen auch unter Berück-
Lafnitz entwickelt. Für das Gewäs-
                                         sermenge und Fallhöhe bei beste-      sichtigung von ökologischen Vorga-
serbewirtschaftungskonzept wurde
                                         henden Anlagen insbesondere öko-      ben, wie den verkürzten Auslei-
der Leitsatz „Energie & Ökologie im
                                         logische Maßnahmen wie die Ab-        tungsstrecken an den geplanten
Gleichgewicht“ formuliert.
                                         gabe einer dynamischen Pflicht-       Kleinwasserkraftanlagen, nicht
Auf Grundlage der vorhandenen            wassermenge und die an das            maßgeblich reduzieren. Die vorge-
Belastungen und energetischen In-        Fischleitbild angepasste Ausgestal-   schlagenen ökologischen Maßnah-
teressen im Untersuchungsgebiet          tung der Fischaufstiegshilfe samt     men werden den Naturraum stufen-
wurden Maßnahmen entwickelt              zugehörigen Kompensationsmaß-         weise aufwerten.
und in einem Maßnahmenkatalog            nahmen. Bei Wasserkraftplanun-
zusammengefasst. Die ökologi-            gen wurde überdies die Länge bzw.     Ziel war es, die durch Wasserkraft-
schen Maßnahmen verbessern die           die Ausleitungstrecke als solche,     anlagen beeinträchtigte Fließge-
Funktionsfähigkeit des Gewässers         unter Berücksichtigung von ökolo-     wässerstrecke auf rund 25 % der
mittels gezielter Strukturierungs-       gischen Aspekten, in die Überle-      Gesamtlänge des Wasserkörpers
maßnahmen und sichern weitest-           gungen eingearbeitet. Im Zuge der     einzuschränken.
gehend intakte (Rest-) Fließgewäs-       energetischen Potenzialanalyse
serabschnitte. Eine wichtige Maß-        des Untersuchungsgebietes wur-
                                                                               1
                                                                                    us ökologischen Gründen ist eine dynami-
                                                                                   A
nahmengruppe bezieht sich auf die        den somit die ökologisch wertvollen       sche (= zuflussabhängige) Pflichtwasserabga-
longitudinale Vernetzung des Ge-         Abschnitte der streckenweise mas-         be einer gestaffelten oder konstanten vorzuzie-
wässersystems mit dem vorhande-          siv überformten Oberen Lafnitz von        hen (siehe Pflichtwasserleitfaden der ZT-Kanz-
ne Querbauwerke durchgängig ge-          einer zukünftigen energetischen           lei Dr. Hugo Kofler, Seite 10 Kapitel 4).
staltet und die Vernetzung mit           Nutzung ausgeklammert.                    Eine dynamische Pflichtwasserabgabe spiegelt
wichtigen Zubringerbächen sicher-                                                  die natürliche Dynamik eines Gewässers im
gestellt wird. Die Lebensraumbe-         Das energetische Nutzungspotenzi-         Verlauf eines Jahres – mit reduziertem Abfluss
dingungen für Fische als aussage-        al des Untersuchungsgebietes Obe-         – wider.

                                                                                                                               11
Potenzialstudie
                                  Wasserkraft Steiermark
DI Thomas Geisler
Energie Steiermark                In der Steiermark ist der Anteil der Stromerzeugung aus Wasserkraft am Gesamtverbrauch aufgrund der
Green Power GmbH                  Bedarfsentwicklung in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen. Um diesen Anteil wieder zu erhöhen,
Projektleiter für Wasserbau
8010 Graz, Leonhardgürtel 10
                                  wird es in den nächsten Jahren notwendig sein, neben einer deutlichen Reduktion des Stromverbrauches auch
Tel. +43(0)316/9000-50861         die Erneuerung bestehender Wasserkraftwerke und einen – mit ökologischen Erfordernissen abgestimmten –
thomas.geisler@e-steiermark.com
                                  Ausbau weiterer Standorte voranzutreiben. Als fachliche Grundlage dazu wurde von der Energie Steiermark AG
                                  eine detaillierte Potenzialstudie für die Steiermark durchgeführt.

                                  Nationale und regionale
                                  ­Ausbauziele der Wasserkraft

                                  Um Österreichs Klima- und Energie-
                                  ziele erreichen zu können, ist die
                                  Errichtung weiterer Erzeugungska-
                                  pazitäten im Bereich der Wasser-
                                  kraft erforderlich. So sieht die nati-
                                  onale Energiestrategie bis zum Jahr
                                  2020 österreichweit eine Steige-
                                  rung der Stromerzeugung aus er-
                                  neuerbaren Energiequellen im Um-
                                  fang von insgesamt 7,8 TWh/a vor.
                                  Den größten Anteil soll dabei die
                                  Wasserkraft mit einem weiteren
                                                                           Abb. 1: Ziel für den Wasserkraft-Ausbau in der Steiermark
                                  Ausbau von 3,5 TWh/a übernehmen
                                  (im aktuellen Ökostromgesetz wird
                                  sogar ein Ausbau von rund 4,0            rung des Kraftwerksparks und 94             wasserkraftwerke (Engpassleistung
                                  TWh/a gefordert). Gemäß einer von        GWh/a durch Revitalisierung und             unter 10 MW) mit einem Regelar-
                                  Pöyry Energy durchgeführten Stu-         Ertüchtigung von Kleinwasserkraft-          beitsvermögen (RAV) von in Summe
                                  die aus dem Jahr 2008 beträgt das        werken gewonnen werden sollen               rund 27 GWh wasserrechtlich ge-
                                  unter technisch-wirtschaftlichen         (Abb. 1).                                   nehmigt wurden (Abb. 2). Darüber
                                  Gesichtspunkten ermittelte Restpo-                                                   hinaus wurden 2008 zwei Groß-
                                  tenzial der Wasserkraft in Öster-        Stand der Zielerreichung
                                                                           in der Steiermark                           kraftwerke an der Mur erstinstanz-
                                  reich insgesamt etwa 12,8 TWh/a.                                                     lich genehmigt, die mit rund 166
                                  Rund 2,1 TWh/a. Auf die Steiermark       Bezugnehmend auf das Ausgangs-
                                                                                                                       GWh fast gleich viel RAV aufweisen
                                  entallen davon 16 % nach Aus-            jahr 2007 konnten bis Ende 2012 be-
                                                                                                                       wie die restlichen 55 Kleinwasser-
                                  schluss hochsensibler Gewässer-          reits 478 GWh bzw. 63 % des regio-
                                                                                                                       kraftwerke mit rund 180 GWh. Soll-
                                  abschnitte (Weltkulturerbe, Natio-       nalen Ausbauzieles realisiert wer-
                                                                                                                       te die Entwicklung in den nächsten
                                  nalparke, etc.) woraus als Zielvor-      den. Um die Zielvorgabe erreichen
                                                                                                                       Jahren ohne Großwasserkraft vor-
                                  gabe für das Jahr 2020 ein Erzeu-        zu können und gleichzeitig künftige
                                  gungszuwachs von 560 GWh/a ab-           Erzeugungsverluste aufgrund der             anschreiten, ist bis zum Jahr 2020
                                  leitbar ist. Ein ambitionierteres Ziel   Umsetzung der Wasserrahmen-                 ein Erzeugungszuwachs von rund
                                  formulieren der Klimaschutzplan          richtlinie (WRRL) auszugleichen,            200 GWh zu erwarten. Dies wird
                                  Steiermark bzw. die „Road Map            müssen bis zum Jahr 2020 aber               nicht genügen, um die regionale
                                  Wasserkraft“, die bis zum Jahr 2020      noch weitere 321 GWh realisiert             Zielvorgabe von 321 GWh zu errei-
                                  von einer zusätzlichen Stromauf-         werden. Eine detaillierte Analyse           chen, weshalb in der Steiermark
                                  bringung aus Wasserkraft im Aus-         der Entwicklung von 2001 bis 2012           ein ambitionierteres Vorgehen im
                                  maß von 764 GWh/a ausgehen, wo-          zeigt, dass in diesem Zeitraum pro          Bereich des Wasserkraftausbaus
                                  bei 670 GWh/a durch eine Erweite-        Jahr durchschnittlich 8 bis 9 Klein-        erforderlich sein wird.

                       12         Wasserland Steiermark 1/2014
Methodik zur Ermittlung der Was-         Ermittlung des uneingeschränkt
serkraft-Restpotenziale                  ausbaufähigen Restpotenzials, wel-
Das in der Studie 2008 angeführte        ches alle Gewässerstrecken um-
Wasserkraft-Restpotenzial für die        fasst, in denen eine Wasserkraft-
Steiermark von 2,1 TWh/a berück-         nutzung als ökologisch vertretbar
sichtigt keine Hemmnisse aus             beurteilt wird, erfolgt schlussend-
Gründen der Gewässerökologie             lich eine Ausweisung möglicher
oder des Natur- und Landschafts-         ökologischer Hemmnisse.
schutzes und kann daher keines-
falls dem tatsächlich ausbaufähi-        Umsetzung mittels Geografischer
gen Restpotenzial gleichgesetzt          Informationssysteme (GIS)
                                                                                 Abb. 2: Entwicklung der Wasserrechte im Detail
werden. Dieses umfasst jenes wirt-       Zu Beginn wurde aus einem digita-
schaftlich ausbauwürdige Wasser-         len Geländemodell der Verlauf der
kraftpotenzial, welches aus rechtli-     natürlichen Fließwege ermittelt, in-
cher, ökologischer und gesell-           dem für jede Rasterzelle die
schaftspolitischer Sicht tatsächlich     Hauptabflussrichtung aus den Hö-
umsetzbar ist und somit alle Nut-        henlagen der benachbarten Zellen
zungsansprüche an die Gewässer           bestimmt wurde. Anschließend
berücksichtigt. Zur Bestimmung           wurde die Abschnittsteilung der hy-
des ausbaufähigen Restpotenzials         dromorphologischen Zustandsbe-
wurde das theoretische                   wertung entlang der natürlichen
Abflusslinien­potenzial mit Hilfe geo-   Fließwege neu angeordnet. So
grafischer Informationssysteme           konnte jedem Teilabschnitt das vor-
(GIS) abschnittsweise ermittelt und      handene Gefälle aus der Höhendif-
anschließend aufgrund techni-            ferenz der zugehörigen Teilungs-        Abb. 3: Methodik zur Ermittlung des ausbaufähigen Restpotenzials
scher, wirtschaftlicher, ökologi-        punkte (ermittelt entlang der natür-
scher und rechtlicher Randbedin-         lichen Fließwege) zugewiesen wer-
gungen reduziert (Abb. 3).               den. Zur Abschätzung der mittleren
Das theoretische Linienpotenzial         Jahresabflüsse im Gewässernetz
ergibt sich dabei aus dem mittleren      wurden vom Institut für Statistik der
Jahresabfluss und dem vorhande-          TU Graz unterschiedliche Regressi-
nen Gefälle innerhalb des betrach-       onsmodelle entwickelt, die den
teten Gewässerabschnittes. Das           mittleren Jahresabfluss in jedem
technische Potenzial umfasst dage-       Teilabschnitt anhand ausgewählter
gen jene elektrische Energie, die        Eigenschaften des zugehörigen Ein-
mit einem Wasserkraftwerk inner-         zugsgebietes ermitteln. Die zugehö-
halb eines Jahres bei durchschnitt-      rigen Regressionsgleichungen wur-
licher Wasserführung („Regeljahr“)       den an 201 Pegelstationen durch
und unter Berücksichtigung des           Vergleich der gemessenen Abfluss-       Abb. 4: Wasserkraftpotenziale der Steiermark
Stands der Technik erzeugt werden        werte mit topografischen und kli-
kann. Für das verfügbare Restpo-         matischen Parametern der Einzugs-
                                         gebiete bestimmt.                       einem Ausbaugrad der steirischen
tenzial wird das technische Poten-
                                                                                 Berichtsgewässer von 43 % ent-
zial gemäß der Länge von bereits
                                         Abschätzung des ausbauwürdigen          spricht. Weitere rund 0,45 TWh/a
ausgebauten bzw. gesetzlich ge-
                                         Wasserkraft-Restpotenzials              bzw. 5 Prozent liegen in Gewässer-
schützten Teilstrecken innerhalb
des betrachteten Gewässerab-             Die Anwendung der Linienpotenzi-        abschnitten, in denen energiewirt-
schnittes reduziert. Die ausgebau-       al-Methode ergibt für die gesamte       schaftliche Nutzungen aufgrund
ten Teilstrecken können sich dabei       Steiermark ein theoretisches Ab-        gesetzlicher Bestimmungen zum
aus Stau-, Ausleitungs- und Eintie-      flusslinienpotenzial von etwa 14,8      Natur- und Landschaftsschutz weit-
fungsstrecken zusammensetzen.            TWh/a (Abb. 4). Davon können etwa       gehend ausgeschlossen sind (ge-
Durch Berücksichtigung der spezi-        9,3 TWh oder 63 % technisch in          schütztes Potenzial). Das techni-
fischen Jahreserzeugung (GWh/a           Wasserkraftwerken genutzt wer-          sche Restpotenzial der Steiermark
pro km Gewässerlänge) wird das           den. Bestehende bzw. bereits ge-        beträgt somit rund 5,0 TWh/a. Da-
verfügbare Restpotenzial auf jene        nehmigte Wasserkraftnutzungen           von entfallen 0,49 TWh/a bzw. 10 %
Gewässerabschnitte eingegrenzt,          (Stichtag 31. Juli 2012, einschließ-    auf bereits bestehende Aus-
die aus heutiger Sicht wirtschaft-       lich Speicher- und Mühlkanalkraft-      baustrecken (Optimierungspotenzi-
lich genutzt werden können (aus-         werke) reduzieren das technische        al) und 4,5 TWh/a bzw. 90 % auf
bauwürdiges Restpotenzial). Für die      Potenzial um rund 4,0 TWh/a, was        noch ungenutzte Gewässerab-

                                                                                                                      13
schnitte (Neubaupotenzial). Wer-
     den von den ungenutzten Gewäs-
     serabschnitten nur jene mit hohem
     spezifischem Restpotenzial (über
     1 GWh/a pro km) berücksichtigt,
     verbleibt ein aus heutiger Sicht
     wirtschaftlich ausbauwürdiges
     Restpotenzial von rund 3,4 TWh/a.
     Interessant ist die Gegenüberstel-
     lung der energiewirtschaftlichen         Abb. 5: Fließgewässerabschnitte mit zugehörigen Wasserkraftpotenzialen
     Potenziale mit der bereits beste-
     henden Nutzung der Gewässerab-
     schnitte (Abb. 5). Der Anteil der
     ausgebauten Abschnitte am Be-
     richtsgewässernetz (Stau-, Rest-
     wasser- und Eintiefungsstrecken)
     ist mit 842 km bzw. 13 % deutlich
     geringer als der zugehörige Anteil
     am technischen Potenzial von
     4,0 TWh/a bzw. 43 %. Ähnliches gilt
     für die Abschnitte mit hohem spezi-
     fischen Restpotenzial, welche mit        Abb. 6: Ausbaufähiges Restpotenzial nach Flussgebieten
     3,4 TWh/a rund 75 % des gesamten
     Neubaupotenzials umfassen, für
     deren vollständige Nutzung aber          oder 0,83 TWh/a außerhalb ökolo-           reichs Energie zeigt, dass die Ge-
     nur 965 km bzw. 19 % der derzeit         gisch sensibler Gebiete (Abb. 6,           samterzeugung der österreichweit
     ungenutzten Gewässerabschnitte           rechts). Somit verbleibt in der Stei-      bekanntgegebenen Wasserkraft-
     ausgebaut werden müssten.                ermark ein ausbaufähiges Restpo-           projekte mit rund 3,6 TWh/a in der
                                              tenzial von in Summe nur rund 1,3          Größenordnung des nationalen
     Berücksichtigung von ökologi-            TWh/a. Berücksichtigt man die Er-          Ausbauzieles der Energiestrategie
     schen Einschränkungen
                                              fahrung, dass bei der Umsetzung            liegt. Allerdings erwarten die Pro-
     Zur Berücksichtigung von ökologi-        von Projekten aufgrund verschie-           jektbetreiber, dass aufgrund lan-
     schen Einschränkungen wird das           denster lokaler Einschränkungen            gandauernder Genehmigungsver-
     wirtschaftlich ausbauwürdige Rest-       meist ungenutzte Gewässerab-               fahren bis zum Jahr 2020 davon nur
     potenzial durch Ausweisung von           schnitte verbleiben, kann das aus-         rund 2,1 TWh/a zur Verfügung ste-
     Gewässerabschnitten mit sehr gu-         baufähige Restpotenzial für Neu-           hen werden.
     tem ökologischen Zustand, in hoch-       bauprojekte in der Steiermark mit
     wertigen Schutzgebieten (Europa-         rund 800 GWh abgeschätzt werden.           Danksagung
     oder Naturschutzgebiete) sowie
     von besonderer ökologischer Be-          Ausblick                                   Die Potenzialstudie Wasserkraft
     deutung (gemäß Fachvorschlag             Um die regionale Zielvorgabe für           Steiermark wurde von der Fachstel-
     A14) reduziert. Die verbleibenden        den Wasserkraftausbau bis zum              le für Energie des Amtes der Steier-
     Gewässerabschnitte liegen außer-         Jahr 2020 erreichen zu können,             märkischen Landesregierung (Lan-
     halb ökologisch sensibler Gebiete        muss in der Steiermark in den              desenergiebeauftragter DI Wolf-
     und beinhalten daher jenes aus-          nächsten Jahren ein Potenzial von          gang Jilek) unterstützt. Der Autor
     baufähige Wasserkraft-Restpoten-         rund 320 GWh zusätzlich nutzbar            bedankt sich darüber hinaus bei Dr.
     zial, das bevorzugt zur Erfüllung der    gemacht werden. Dies entspricht            Robert Schatzl und Ing. Wilhelm
     regionalen Zielvorgaben für den          rund 40 % des uneingeschränkt              Verwüster vom Hydrografischen
     Wasserkraftausbau heranzuziehen          ausbaufähigen Neubaupotenzials.            Landesdienst, bei Dr. Alexander Po-
     wäre. Allerdings sind vom ausbau-        Neben einer Produktionssteigerung          desser und Mag. Hannes Rieder
     würdigen Restpotenzial entlang der       der Bestandskraftwerke ist eine            von der Zentralanstalt für Meteoro-
     drei Hauptflüsse Mur, Mürz und           deutlich verstärkte Aktivität im Be-       logie und Geodynamik sowie bei
     Enns in Höhe von 1,9 TWh/a nur           reich der Kleinwasserkraft oder die        Univ.-Prof. Ernst Stadlober und
     rund 26 % oder 0,49 TWh/a als un-        Errichtung weiterer Großkraftwer-          DI Sabrina Scheriau vom Institut
     eingeschränkt ausbaufähig zu be-         ke (beispielsweise an der Mur) er-         für Statistik der Technischen Uni-
     urteilen (Abb. 6, links). Vom Potenzi-   forderlich. Österreichweit sind ähn-       versität Graz für ihre Unterstützung
     al der restlichen Gewässer in der        liche Anstrengungen vonnöten: Ei-          bei der Datenbereitstellung und
     Steiermark liegen nur rund 55 %          ne aktuelle Umfrage von Öster-             -analyse.

14   Wasserland Steiermark 1/2014
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