Die Wasserzeitschrift der Steiermark 1/2014
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Impressum Medieninhaber/Verleger: Umwelt-Bildungs-Zentrum Steiermark Schützen und 8010 Graz, Brockmanngasse 53 Postanschrift: sparsam nützen! Wasserland Steiermark 8010 Graz, Wartingergasse 43 Der Weltwassertag am 22. März ist zeit schon in der Lage, das Energie- Tel. +43(0)316/877-5801 für mich Anlass, unseren Bürgern potential des Wassers im großen (Projektleitung) bewusst zu machen, dass wir Stei- Ausmaß zu nutzen. Die Energiege- elfriede.stranzl@stmk.gv.at rer in Bezug auf das Wasser ge- winnung aus Wasserkraft stellt in www.wasserland.at genüber vielen anderen Regionen der Steiermark gemeinsam mit der DVR: 0841421 in der Welt privilegiert sind. Dieses energetischen Nutzung von Bio- Erscheinungsort: Graz Privileg fordert aber auch eine be- masse den größten Anteil an er- Verlagspostamt: 8010 Graz sondere Verantwortung von uns al- neuerbarer Energie dar. Ein weite- Chefredakteurin: Sonja Lackner len im Umgang mit diesem kostba- rer Ausbau wird die Position der Redaktionsteam: ren Gut. Kurz gesagt: Schützen und Wasserkraft als wichtigen Anteil Egon Bäumel, Uwe Kozina, sparsam nützen! In Wirklichkeit erneuerbarer Energieträger in Zu- Hellfried Reczek, Florian Rieckh, geht es ja nur darum, mit unserem kunft noch stärken. Robert Schatzl, Brigitte Skorianz, beim Wasser in der Tat unermessli- Elfriede Stranzl, Volker Strasser, Für den Ausbau der erneuerbaren Johann Wiedner, Margret Zorn chen Reichtum verantwortungsvoll Energie, insbesondere auch der umzugehen. Die Artikel dieser Ausgabe wurden Wasserkraft, sprechen die regiona- begutachtet von: Johann Wiedner Vor diesem Hintergrund haben wir le Wertschöpfung im eigenen Land, Die Artikel geben nicht unbedingt den „Steirischen Wasserwirt- eine dauerhafte Absicherung der die Meinung der Redaktion wieder. schaftsplan“ erarbeitet. Dieser be- Energieversorgung in der Steier- Druckvorbereitung und inhaltet sieben Schwerpunkte: mark sowie der Beitrag zu einem Abonnentenverwaltung: 1. Erhaltung eines ausgeglichenen nachhaltigen Klimaschutz. Neben Elfriede Stranzl 8010 Graz, Wartingergasse 43 Wasserhaushaltes der Errichtung neuer Anlagen ist Tel. +43(0)316/877-5801 2. Unser Gewässer in gutem vor allem die Revitalisierung beste- elfriede.stranzl@stmk.gv.at Zustand erhalten hender Kleinwasserkraftwerke und Gestaltung: somit die Optimierung des Wasser- 3. Unsere Fließgewässer als wert- kerstein werbung + design kraftpotentials ein Anliegen der vollen Natur- und Erholungs- 8111 Judendorf-Straßengel steirischen Wasserwirtschaft. Tel. +43(0)699/12053069 raum erhalten office@kerstein.at 4. Eine gute Abwasserentsorgung Das Bewusstsein der Steirerinnen www.kerstein.at zum Schutz der Gewässer und Steirer für die Erzeugung und Titelbild: gewährleisten Verwendung erneuerbarer Energie WWT 2014 © www.unwater.org ist derzeit so groß wie nie zuvor. Es 5. Eine sichere Trinkwasser wird von der Bevölkerung jedoch Druck: versorgung gewährleisten Medienfabrik Graz auch erwartet, dass der Betrieb 6. Den Ausbau des Hochwasser- und der weitere Ausbau von Was- www.mfg.at schutzes forcieren serkraftanlagen Rücksicht auf die Gedruckt auf chlorfrei 7. Das Wasserbewusstsein in der Funktion der Fließgewässer als Na- gebleichtem Papier. Bevölkerung verankern tur- und Erholungsraum nimmt. Da- Bezahlte Inserate sind zu zählt in letzter Konsequenz auch gekennzeichnet. der Schutz gewässerökologisch Der diesjährige UN-Weltwassertag ISSN 2073–1515 wertvoller Bäche und Flüsse vor steht unter dem Motto „Wasser weiterer Verbauung. und Energie“. Die Steiermark ist dank ihres Wasserreichtums der- Wasserlandesrat Johann Seitinger
I n h a lt Wasserkraftnutzung in der Steiermark – Tradition und Zukunft 2 DI Johann Wiedner Neue Strategien zu konsensfähigem Wasserkraftausbau in der Steiermark 5 DI Hans-Jörg Raderbauer Gewässerbewirtschaftungsplan Obere Lafnitz 9 Mag. Marco Petschar Potenzialstudie Wasserkraft Steiermark 12 DI Thomas Geisler Restwasserstrecken in steirischen Fließgewässern 15 Unterirdisches Leitungsnetz – unsichtbar DI Franz Greimel und wertvoll © Initiative VOR SORGEN Maßnahmen zur Verbesserung der Fischwanderung in steirischen Gewässern 18 DI Raimund Adelwöhrer | DI Peter Rappold Herstellung der Durchgängigkeit an der Raab mit dem Projekt Openwehr 22 DI Rudolf Hornich | DI Günter Parthl Grazer Wasser: Ein echter „Energydrink“ 25 Mag. Wolfgang Messner Energie aus dem Kanal 28 Ing. Walter Ederer Nationaler Gewässerbewirtschaftungsplan - IST-Bestandsanalyse 2013 30 DI Urs Lesky Projekt Openwehr – Fischaufstiegshilfen Hydrologische Übersicht für das Jahr 2013 32 Mag. Barbara Stromberger | DI Dr. Robert Schatzl | Mag. Daniel Greiner Hochwasserrisikomanagementpläne 38 DI Rudolf Hornich Digitales Gewässernetz 41 Wolfgang Neukam Schatz im Verborgenen – über den Wert und die Rechtsgrundlagen von Wasserleitungen und Kanalanlagen 43 DI Thomas Eichholzer Unterrichtsmappe „Trinken und Gesundheit“ 46 Unterrichtsmappe Trinken und Gesundheit: Dipl. Päd. Mag. Martina Krobath | Mag. Elisabeth Martini In welchen beiden Wassergläsern befinden sich dieselben Wasserarten? Veranstaltungen 48
Wasserkraftnutzung in der Steiermark – Tradition und Zukunft DI Johann Wiedner Der von der UN-Generalversammlung per Resolution ausgerufene Weltwassertag steht im Jahr 2014 unter dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung Motto „Water & Energy“. Zur Begründung des Mottos wird auf die umfassende Verwendung und Bedeutung der Abteilung 14 – Wasserwirt- Ressource Wasser für viele Formen der Energiegewinnung hingewiesen. Die Nutzung des Energiepotentials schaft, Ressourcen und von Wasser ist für die Steiermark von besonderer Bedeutung und Herausforderung. Nachhaltigkeit 8010 Graz, Wartingergasse 43 Tel. +43 (0)316/877-2025 johann.wiedner@stmk.gv.at Die Erläuterungen zum Motto des Weltwassertages 2014 verweisen auf die weltweit praktizierte Ver- wendung von Wasser im Zusam- menhang mit der Gewinnung von Energie. Dazu zählen Wasserkraft- werke ebenso wie Anlagen der thermischen und atomaren Ener- giegewinnung. Für die Steiermark hat die Energiegewinnung aus Wasserkraft eine herausragende Bedeutung und soll in weiterer Fol- ge im Detail erörtert werden. Entwicklung der Wasserkraftnutzung Bereits seit mehr als 1000 Jahren ist die Nutzung von Wasserkraft in der Steiermark dokumentiert. Wa- ren von Beginn an vor allem Was- serräder für Getreidemühlen im Ein- Abb. 1: Kraftwerk Kohlleben, 1906 in Betrieb genommen satz, kamen im Laufe der Zeit Nut- zungen der Wasserkraft für Ölmüh- len, Sägewerke, Papiermühlen und im Bereich des Montanwesens für Rad- und Hammerwerke dazu. Vor etwas mehr als 100 Jahren begann dann die Nutzung der Wasserkraft zur Erzeugung von elektrischer Energie. Die Entwicklung der Steiermark selbst, aber insbesondere die von Gewerbe und Industrie war somit wesentlich von der Nutzung der Wasserkraft geprägt. Engpassleistung in kW Abb. 2: Übersichtskarte der Wasserkraftwerke in der Steiermark 2 Wasserland Steiermark 1/2014
Energiegewinnung aus (s. Karte). Damit liefern alle Was- Wasserkraft serkraftanlagen zusammen im Seit 1900 wurden in der Steiermark Durchschnitt mehr als 50 % des rund 1400 Wasserkraftwerke bewil- elektrischen Energiebedarfs der ligt, wovon sich derzeit knapp 900 Steiermark, wobei dieser Wert je unterschiedlichster Ausbaugrößen nach Jahresniederschlagsverhält- noch in Betrieb befinden (Abb. 2). In nissen differieren kann. der Vergangenheit wurden vor al- lem kleinere Wasserkraftanlagen Wasserkraft und Gewässerökologie stillgelegt, insbesondere Hausanla- gen für die der unmittelbare Ver- Die Errichtung von Wasserkraftan- wendungsbereich verloren gegan- lagen stellt in jedem Fall einen Ein- gen war bzw. Anlagen, die oftmals griff in den Gewässerzustand dar. durch Hochwasserkatastrophen Abb. 3: Jahresverlauf der Erstbewilligungen der derzeit Die Auswirkungen von Wasser- in Betrieb befindlichen Anlagen seit 1900 zerstört wurden. kraftanlagen auf den Wasserhaus- Die Abbildung 3 zeigt ganz deutlich, halt und auf die Gewässerökologie dass es im letzten Jahrhundert im- hängen einerseits von der jeweili- mer wieder Perioden mit verstärk- gen Bauart und andererseits aber ter Bautätigkeit gegeben hat, die ei- auch maßgeblich von den zum Zeit- nerseits mit Kriegszeiten und ande- punkt der Bewilligung geltenden rerseits mit positiven finanziellen rechtlichen Bestimmungen ab. Rahmenbedingungen für Investitio- In den letzten 25 Jahren wurden die nen begründet werden können. rechtlichen Vorgaben zur Minimie- Gerade in den letzten Jahren war rung der Eingriffe in den ökologi- eine intensive Bewilligungs- und schen Zustand zunehmend zu Bautätigkeit, vor allem ausgelöst Gunsten der Gewässer verbessert. durch Anreize für den Ausbau er- Dies hat dazu geführt, dass die Ein- neuerbarer Energie gegeben. Darü- griffe in die Gewässer und das in ber hinaus fördert die aktuelle Situ- Verbindung stehende Umland redu- Abb. 4: Verteilung der Anzahl Wasserkraftanlagen ation am Kapitalmarkt die Veranla- ziert und damit auch die Attraktivi- nach Leistungsklassen (Engpassleistung in kW) gung in langfristig sichere Investiti- tät des Anlagenbereiches als Erho- onen, was auf Wasserkraftanlagen lungsraum verbessert werden zutrifft. So wurden in den letzten 10 konnte. Jahren in der Steiermark 150 Was- Insbesondere mit der Übernahme serkraftanlagen bewilligt und der der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Großteil auch gebaut und in Betrieb das nationale Wasserrechtsgesetz genommen. im Jahr 2003 wurden strengere Re- Von den bestehenden Anlagen wei- gelungen zur Erhaltung bzw. für die sen 55 % eine Engpassleistung von Interessensabwägung bei beab- weniger als 100 kW, und nur 13 % sichtigten Verschlechterung des (d. s. 123 Anlagen) eine von größer Gewässerzustandes getroffen. 1.000 kW (1 MW) und davon 27 An- Die Sicherstellung der Fischwande- lagen eine von mehr als 10.000 kW rung durch Fischaufstiegshilfen und (10 MW) auf. (s. Abb. 4: Balkendia- einer mindest notwendigen Rest- Abb. 5: Summendarstellung der Engpassleitung getrennt gramm). Alle Anlagen zusammen wasserdotierung wurde ebenso ge- nach Leistungsklassen verfügen über eine Engpassleistung regelt wie die Zulässigkeit einer von 930 MW, wovon auf die 27 An- Gewässerzustandsverschlechte- lagen größer 10 MW rund 600 MW rung nur in Fällen besonderen öf- Engpassleistung (63 %) entfallen fentlichen Interesses. Lässt sich ein (Abb. 5). öffentliches Interesse bei einem Gemäß den Daten der geltenden leistungsfähigen Wasserkraftwerk Wasserrechtsbescheide verfügen zumeist noch nachvollziehbar dar- die derzeit in Betrieb befindlichen stellen, ist dies bei leistungsschwa- Wasserkraftanlagen ein Regelar- chen Kraftwerken an hydromorpho- beitsvorprogramm von rund 3.700 logisch hochwertigen Gewässer- GWh, wovon die 27 Anlagen größer strecken im Regelfall nicht mehr 10 MW zwei Drittel dazu beitragen gegeben. 3
Abb. 6: Luftaufnahme vom Kraftwerk Hieflau mit Fischaufstieg, Restwas- serstrecke und Stauraum © 2011 GIS Steiermark Der hohe Ausbaugrad mit Wasser- Zukunft der Wasserkraft Es ist davon auszugehen, dass über kraftanlagen sowie die Umsetzung in der Steiermark die bereits bewilligten und noch von Regulierungsbauten zum Die Wasserkraft zur Erzeugung nicht gebauten Kraftwerke hinaus- Schutz vor Hochwässern haben da- elektrischer Energie wird auch in gehend weitere Projekte abseits zu geführt, dass nur mehr ein ver- Zukunft für die Steiermark auf Basis ausgewiesener schützenswerter gleichsweise geringer Anteil der des derzeit schon sehr hohen Aus- Gewässerstrecken realisiert wer- baugrades dauerhaft von besonde- den. steirischen Gewässer einen hoch- wertigen ökologischen Zustand rer Bedeutung sein. Zur Erhöhung Die Umsetzung von Pumpspeicher- aufweist. Somit sind gerade bei je- des geforderten Anteiles an erneu- werken wird als wichtiges Element erbarer Energie wird zur Erfüllung im Zusammenhang mit dem weite- nen Gewässerstrecken, die für den der Energiestrategie Österreich, ren Ausbau von Alternativenergie ökologischen Zustand der Gewäs- des Ökostromgesetzes bzw. des Kli- gesehen, wobei deren Realisierung ser bzw. für die Erreichung vorge- maschutzplanes für die Steiermark ebenfalls wesentlich von wirt- gebener Zielzustände von besonde- schaftlichen Rahmenbedingungen bis 2020 eine Erhöhung des Regel- rer Bedeutung sind, Interessens- abhängig sein wird. arbeitsvermögens um rund 560 - konflikte vorprogrammiert. 764 GWh angestrebt. Bei der Abwägung der Interessen Das Land Steiermark beabsichtigt zwischen Energiegewinnung aus Durch die Errichtung und weitere erneuerbarer Energie und Erhal- daher auf Basis des Wasserrechts- Umsetzung der geplanten Kraftwer- tung von Fließgewässern als wert- gesetzes durch Verordnung eines ke an der Mur, insbesondere im vollem Naturraum ist mit Augen- Regionalprogrammes jene Fließge- Raum Graz, die Verbesserung des maß und Generationenverantwor- wässerstrecken auszuweisen, die technischen Standards bei beste- tung vorzugehen. im Interesse der Erhaltung von öko- henden Anlagen (Revitalisierung) und den bereits realisierten Klein- Für energiewirtschaftlich unbedeu- logisch wertvollen Gewässern bzw. wasserkraftanlagen sollte dieses tende Wasserkraftanlagen sollte Gewässersystemen mit Nutzungs- keine natürliche bzw. naturnahe Ziel weitestgehend erreicht wer- beschränkungen belegt werden Gewässerstrecke beeinträchtigt den. Die Realisierung einiger Pro- sollen. werden. Ökologisch wertvolle Ge- jekte mit großem Leistungsvermö- gen scheint sich derzeit aber auf wässerstrecken sind auf Dauer zu Grund ungünstiger wirtschaftlicher erhalten. Rahmenbedingungen zu verzögern. 4 Wasserland Steiermark 1/2014
Neue Strategien zu konsensfähigem Wasserkraftausbau in der Steiermark Gewässerbewirtschaftungspläne Enns, Mur, Mürz DI Hans-Jörg Raderbauer Die Fließgewässer der Steiermark, speziell die Flüsse mit sehr hohem energiewirtschaftlichen Potenzial sind, freiland Umweltconsulting Ziviltechniker GmbH soweit nicht schon energiewirtschaftlich genutzt, einem extrem hohen Nutzungsdruck ausgesetzt. Geschäftsführer Diese forcierte Wasserkraftnutzung ist Gegenstand wiederkehrender Diskussionen, wie auch die Debatten 8010 Graz, Münzgrabenstraße 4 über die Kraftwerke Kalsdorf, Gössendorf oder Schwarze Sulm gezeigt haben. Um hier einen langfristigen Tel. +43(0)316/382880 Ordnungsrahmen zu schaffen, wurde von Seiten der Steirischen Wasserwirtschaft ein neuartiges Planungs raderbauer@freiland.at instrument initiiert und in Pilotprojekten an Enns, Mur und Mürz angewandt. Bei der Nutzung von Gewässern das Österreichische Wasserrechts- sonders in alpin geprägten Ländern treffen eine Vielzahl unterschied- gesetz der Grundsatz des Ver- wie Österreich – die Bedeutung der lich gelagerter Interessen aufein- schlechterungsverbots. Um das Wasserkraft als erneuerbare Ener- ander. So hat sich Österreich durch Ziel, in allen Gewässern den guten giequelle jedenfalls stark aufge- die Implementierung verschiedener ökologischen Zustand (bzw. das gu- wertet. EU-Richtlinien sowohl zum Ausbau te ökologische Potenzial) bis spä- In der Steiermark liegt etwa ein erneuerbarer Energien (EE-RL - Er- testens 2027 zu erreichen besteht Sechstel (2.100 GWh/a) des verblei- neuerbare Energien Richtlinie1) als jedoch noch ein großer Handlungs- benden Potenzials für Wasserkraft- auch zum Schutz der Gewässer bedarf. Der starke Ausbaugrad der nutzung in Österreich (Pöyry6). Im (WRRL - Wasserrahmenrichtlinie2) Wasserkraft wird als eine wesentli- Klimaschutzplan Steiermark7 wird verpflichtet, zwei hinsichtlich der che Ursache für die ökologische abgeschätzt, dass bis 2020 ein rea- Ziele deutlich widerstreitende Beeinträchtigung von Fließgewäs- listischer Ausbau der Wasserkraft Richtlinien. Neben diesen divergie- sern gesehen (Jungwirth5). Umso um 670 GWh möglich ist. Somit renden Zielen existieren auch noch wichtiger erscheint es vor diesem scheint es unausweichlich, dass Vorgaben zum Hochwasserschutz, Hintergrund, dass Standorte neuer neben Kleinwasserkraftwerken die Verpflichtung zur Ausweisung Wasserkraftwerke Bestandteil inte- auch an den großen Flüssen der großflächiger Schutzgebiete (Fau- grierter strategischer Planung sind. Steiermark (Enns, Mur, Mürz) neue na-Flora Habitat3- und Vogelschutz- Kraftwerke errichtet werden. Zur Richtlinie4) entlang der Flüsse so- Energiewirtschaftliche Situation exakten Bestimmung des ausbau- wie nicht zuletzt ein öffentliches In- Österreich hat durch die Lage im würdigen Restpotenzials hat die teresse an intakten Flusslandschaf- Alpenraum sehr günstige Bedin- Energie Steiermark AG eine Poten- ten für Erholungszwecke und Tou- gungen für die Wasserkraftnutzung. zialstudie8 durchgeführt. Vergleicht rismus. Wasserkraftwerke (Speicher- und man die Energieproduktion bereits Laufkraftwerke) tragen 55 % zur Er- umgesetzter Wasserkraftprojekte Wertvolle Fließgewässer zeugung des heimischen Strombe- mit den Zielwerten für 2020, verblei- In der Steiermark sind an einigen darfs bei. Aktuell sind in der Steier- ben ca. 320 GWh welche durch Flüssen noch lange freie Fließstre- mark rund 850 Wasserkraftanlagen neue Kraftwerke zusätzlich erzeugt cken erhalten - Abschnitte der Enns in Betrieb oder Bau, davon ist der werden müssen. und Mur gelten als ökologisch be- Großteil der Kleinwasserkraft (Eng- sonders wertvolle Fließstrecken in passleistung < 10 MW) zuzurech- Neue Wege – Österreich und sind deshalb als Eu- nen. Bewirtschaftungspläne ropaschutzgebiete ausgewiesen. Das Ziel der Erneuerbaren Energi- Neu bewilligte Wasserkraftanlagen Zusätzlich wurden seit 2003 durch en-RL ist es, bis zum Jahr 2020 den haben zwar strenge ökologische Unterstützung verschiedener EU- Anteil von erneuerbaren Energien Vorgaben (Restwassermenge, Si- Förderprogramme (LIFE, LIFE+, In- deutlich zu erhöhen, wobei es für cherstellung des Fließgewässer- terreg) großräumige Renaturierun- die einzelnen Mitgliedsstaaten, je kontinuums) einzuhalten und beein- gen initiiert. nach Ausbaugrad und Energiepo- trächtigen den ökologischen Zu- Generell gilt seit der Implementie- tenzial, unterschiedliche Vorgaben stand eines Gewässers nicht zwin- rung der Wasserrahmenrichtlinie in gibt. Mit dieser Richtlinie wird – be- gend, jedoch gilt es trotzdem, sen- 5
Streckenfestlegungen In einem ersten Schritt wurden De- finitionen für die Ausweisung von Gewässerstrecken (Abb. 1) entwi- ckelt und mit den Projektbeteiligten abgestimmt. Ziel war es, sowohl Gewässerabschnitte mit besonde- rer gewässerökologischer Bedeu- tung unter Schutz zu stellen, als auch Gewässerabschnitte zu defi- nieren, wo eine energiewirtschaftli- che Nutzung unter der Einhaltung festgelegter Rahmenbedingungen möglich ist. Durch die Ausweisung dieser Gewässerstrecken sollte Planungssicherheit und ein landes- weiter Ordnungsrahmen für neue Kraftwerksvorhaben an Enns, Mur und Mürz geschaffen werden. Die Gewässer konnten somit in folgen- de Strecken untergliedert werden: l Ökologische Vorrangstrecke: Abb. 1: Methode und Kriterien der Streckenausweisung Schützenswerte, ökologisch sensible Gewässerstrecke in der Kraftwerkserrichtungen für die Gültigkeitsdauer der BWP nicht sible und schützenswerte Gewäs- zwischen Nutzung und Schutz von vorgesehen sind. serstrecken von Nutzung freizuhal- Fließgewässern darstellen. ten. Da oft genau in diesen Ab- l Abwägungsstrecke: Strecken schnitten hohe, noch nicht ausge- Inhaltliche Festlegungen hoher ökologischer und energie- nutzte, Energiepotenziale liegen, wirtschaftlicher Wertigkeit. Hier Die Bewirtschaftungspläne (BWP) sind langfristige strategische Pla- sind keine Ausschlusskriterien beinhalten Zustandsbeschreibun- nungen gefordert. für Wasserkraftnutzung vorhan- gen, Defizitanalysen und Maßnah- den. Wesentlich ist, dass durch menvorschläge. Die Basiseinheit Im Nationalen Gewässerbewirt- Kraftwerkserrichtungen keine der Bearbeitung sind Detailwasser- schaftungsplan9 (NGP) sind Planun- ökologische Zustandsver- körper. gen auf Landesebene vorgesehen, schlechterung um eine Zu- die auf der Grundlage von Potenzi- l Zustandsbeschreibung: Allge- standsklasse (gemäß NGP) ein- alanalysen, unter Berücksichtigung meine Beschreibung der Merk- treten darf. Kraftwerksplanun- der Kriterien der Wasserrahmen- male der Flussgebietseinheit so- gen müssen somit an die Rah- richtlinie und ökologisch bedeuten- wie eine Zusammenfassung der menbedingungen angepasst und der Gewässerstrecken, die Reali- signifikanten Belastungen und ökologisch verträglich sein. anthropogenen Einwirkungen sierungsmöglichkeiten von Was- l Restliche Fließstrecken: Gewäs- auf den Gewässerzustand. serkraftprojekten abschätzen. Dazu serabschnitte, die keine speziel- wurde unter der Koordination der l Defizitanalyse: Umfassende De- le ökologische Sensibilität oder freiland ZT GmbH ein Planungspro- fizitanalyse (inkl. Luftbildanaly- energiewirtschaftliche Wertig- zess entworfen, bei dem ein beson- se) von 500 m-Gewässerab- keit erfüllen (oftmals bereits derer Fokus auf die Einbindung der schnitten als Basis für die Maß- energiewirtschaftlich genutzte wesentlichen Akteure in den Pla- nahmenvorschläge. Abschnitte), bleiben in den Be- nungsprozess gelegt wurde. So wa- l Maßnahmenvorschläge: Erstel- wirtschaftungsplänen ohne ren Vertreter des Amtes der Steier- lung eines Maßnahmenkatalogs Festlegung. märkischen Landesregierung (Ab- und daraus folgend Formulie- In einem zweiten Schritt wurden teilung 13, 14 und 15) ebenso Mit- rung von Maßnahmenvorschlä- Kriterien für die Streckenauswei- wirkende an diesem Prozess als gen zur Verbesserung des ökolo- sungen definiert und mit den Pro- auch die wesentlichen Energiever- gischen Zustands bzw. zur Errei- jektbeteiligten abgestimmt. Dabei sorgungsunternehmen. Nur so war chung der festgelegten Umwelt- kamen sowohl gewässerökologi- es möglich, Bewirtschaftungspläne ziele. Zusätzlich wird das Strahl- sche und naturschutzfachliche als (BWP) zu gestalten, die eine für alle wirkungs- und Trittsteinkonzept auch energiewirtschaftliche Kriteri- Stakeholder akzeptable Balance berücksichtigt. en zur Anwendung. 6 Wasserland Steiermark 1/2014
Abb. 2: Ergebnis der Bewirtschaftungsplanung mit Festlegung ökologisch bedeutsamer Gewässerstrecken an der Mur l Wasserwirtschaftlicher Fach- l Naturschutzflächen – gesetzli- Ergebnisse vorschlag zur Ausweisung von che Vereinbarkeit mit Nutzung Die Kriterien zur Festlegung dieser Gewässerstrecken mit beson- Auf Basis der Rechtsgrundlage Gewässerabschnitte wurden mit- derer ökologischer Bedeutung10 des Steiermärkischen Natur- tels GIS dargestellt und überlagert. Im NGP ist zum Schutz von schutzgesetzes11 wurden die Die Überlagerung resultierte in ei- Fließgewässern die Ausweisung Schutzziele/Schutzbestimmun- ner kartografischen Zusammen- ökologisch besonders wertvoller gen betroffener Schutzgebiete schau, die für jeden Abschnitt mit Gewässerstrecken vorgesehen. auf Vereinbarkeit mit energie- allen Projektbeteiligten gleichzeitig Diese Planung wurde vom Land wirtschaftlicher Nutzung ge- diskutiert wurde. Dabei stand im Steiermark für alle Gewässer prüft. Vordergrund, unter Berücksichti- des Berichtsgewässernetzes l Naturschutzflächen – gung der naturschutzfachlichen umgesetzt. Bewertung der Sensibilität und energiewirtschaftlichen Ziele l Ökologischer Zustand der Schutzgüter eine konsensfähige Streckenaus- Die WRRL untersagt eine Ver- Als zweiter Schritt der natur- weisung zu erzielen. Die Ergebnis- schlechterung des ökologischen schutzfachlichen Beurteilung se für die Streckenausweisungen Zustands/Potenzials von Gewäs- wurde die Sensibilität der entlang der Mur (Abb. 2) waren Ge- serabschnitten. Die einzelnen Schutzgüter im Planungsraum genstand langer Abstimmung und Zustandsklassen haben unter- betreffend Wasserkraftnutzung sind als Hauptergebnis des Pla- schiedliche „Bandbreiten“ be- geprüft. Diese Bewertung resul- nungsprozesses anzusehen. treffend Verschlechterung. Eine tiert in der Ausweisung von An der oberen Mur (Landesgrenze Verschlechterung vom „sehr gu- hoch sensiblen, mittel sensiblen Salzburg bis Leoben) liegt eine ge- ten Zustand“ in den „guten Zu- und gering sensiblen Schutzge- ringe Kraftwerksbeeinflussung und stand“ erfolgt i.a. bereits durch bieten. ein hohes energiewirtschaftliches geringe anthropogene Eingriffe, l Ausbau entsprechend Restpotenzial vor. Ebenfalls finden während der „gute Zustand“ ei- Energiezielprogrammen sich dort lange freie Fließstrecken ne höhere Resilienz gegenüber Vergleicht man die Zielwerte für und Europaschutzgebiete. diesen Eingriffen besitzt. Wasserkraftausbau mit den tat- An der oberen Mur steht die Ver- sächlich umgesetzten Projekten, l Maßnahmenstrecken – besserung bzw. Beibehaltung des beträgt die Lücke zwischen Ziel- umgesetzte Maßnahmen zur ökologischen Zustands im Vorder- vorgabe und Ist-Zustand min- ökologischen Aufwertung grund, weshalb lange Abschnitte destens 321 GWh. Streckenabschnitte in denen mit als ökologische Vorrangzone fest- öffentlichen Mitteln bereits Er- gelegt wurden. Abwägungszonen haltungs-/Sanierungsmaßnah- finden sich in jenen Abschnitten mit men gesetzt wurden, fanden in hohem energiewirtschaftlichen Po- Abhängigkeit von Umfang, Kos- tenzial, die keine hoch sensiblen ten und Wirksamkeit der Maß- Schutzgebiete oder EU-geförderte nahme Berücksichtigung. Maßnahmenflächen aufweisen. Da 7
Quellen: 1 ERNEUERBARE-ENERGIEN-RICHTLINIE Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Auf- hebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG 2 WASSERRAHMENRICHTLINIE Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. Okto- Abb. 3: Anteilige ber 2000 zur Schaffung eines Ordnungs- hier außerdem der prioritäre Wan- (keine Zustandsverschlechterung rahmens für Maßnahmen der Gemein- Streckenausweisungen derraum von mittelstreckenwan- nach NGP erlaubt) für eine energie- schaft im Bereich der Wasserpolitik an der Mur, nach Energiepotenzial und dernden Fischarten liegt, wurde da- wirtschaftliche Nutzung zugänglich 3 Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie Fließkilometern rauf geachtet, lange freie Fließstre- gemacht werden. Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. cken nur in Randbereichen durch Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Resumée und Ausblick Lebensräume sowie der wildlebenden mögliche Kraftwerksstandorte ein- Tiere und Pflanzen zuschränken. Durch die Definition Mit den BWP konnte im Zusam- 4 VOGELSCHUTZRICHTLINIE als Abwägungsstrecke wird gesi- menwirken aller Beteiligten ein we- Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen chert, dass hier keine Zustandsver- sentlicher Beitrag zur Lösung des Parlaments und des Rates vom 30. No- schlechterung eintreten kann und Zielkonflikts von widersprüchlichen vember 2009 über die Erhaltung der wild- lebenden Vogelarten somit auch den Zielen der WRRL öffentlichen Interessen, im konkre- entsprochen wird. ten Fall ökologischen, wasserwirt- 5 JUNGWIRTH M., HAIDVOGL G., MOOG O., MUHAR S., SCHMUTZ S. (2003) An der Grenzmur wurde bis auf ei- schaftlichen und energiewirtschaft- Angewandte Fischökologie an Fließge- nen kurzen Abschnitt, wo eine Sa- lichen Interessen geleistet werden. wässern nierung des slowenischen Kraft- Mit den Streckenausweisungen 6 PÖYRY ENERGY GMBH (2008) werkstandorts Ceršak angedacht wurden die Voraussetzungen ge- Wasserkraftpotentialstudie Österreich, ist, eine ökologische Vorrangstre- schaffen, die für die Steiermark im Auftrag von VEÖ, BMWA, E-Control, Kleinwasserkraft Österreich und VÖEW cke festgelegt. verpflichtenden Energieziele zum Ausbau der Wasserkraft als erneu- 7 AMT DER STEIERMÄRKISCHEN LANDES- Für die Mur zwischen Leoben und REGIERUNG - FACHABTEILUNG 17A, erbarer Energiequelle einzuhalten Spielfeld liegen völlig andere Vor- ENERGIEWIRTSCHAFT UND ALLGEMEI- und dabei ökologische Zustands- NE TECHNISCHE ANGELEGENHEITEN aussetzungen vor. An diesen kraft- verschlechterungen zu vermeiden. (2010) werksbeeinflussten Abschnitten Klimaschutzplan Steiermark – Perspekti- liegt meist weder ökologische Wer- Die BWP sind zuallererst eine Infor- ve 2020/2030, 26 Maßnahmenbündel für tigkeit, noch hohes Restpotenzial mationsgrundlage für wasserwirt- eine zukunftssichernde Klimapolitik in der Steiermark, Energiebereitstellung, Aus- vor (vgl. Abbildung 3). Das betrifft schaftliche Planungen, darüber hi- gabe 2010 Wasserkraft und Ökologie 50 % der Fließkilometer der Mur – naus stellt die Streckenausweisung 8 ENERGIE STEIERMARK AG (2012) hier wurden keine Festlegungen eine grundlegende, ordnungsplane- Potenzialstudie Wasserkraft Steiermark, getroffen („Restliche Fließstre- rische Festlegung dar, die Auswir- Energie Steiermark cken“), allerdings sind hier Maß- kungen z. B. auf die energiepoliti- 9 NATIONALER GEWÄSSERBEWIRTSCHAF- nahmen zur ökologischen Verbes- sche Entwicklung der Steiermark TUNGSPLAN 2009 - NGP serung und zur Effizienzsteigerung hat. Eine rechtliche Verankerung 103. Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und angedacht. wird dazu in Form eines Regional- Wasserwirtschaft mit der einerseits die Die oben beschriebenen als ökolo- programms (gem. §55g WRG) erar- Veröffentlichung des Planungsdokumen- gische Vorrangstrecken und Abwä- beitet. Die Gültigkeitsdauer der tes zum Nationalen Gewässerbewirt- schaftungsplan bekannt gegeben wird gungsstrecken ausgewiesenen Festlegungen der Bewirtschaf- und andererseits ein Maßnahmenpro- Strecken entsprechen ebenfalls tungspläne erstreckt sich bis 2022. gramm sowie Prioritätensetzungen und die Ausweisung von Gewässerabschnit- 50 % der Fließkilometer der Mur Die BWP stellen die erste derartige ten als erheblich veränderte oder künstli- und weisen ein sehr hohes Energie- Planung auf Landesniveau in Öster- che Oberflächenwasserkörper im Zusam- potenzial auf. Speziell bei Abwä- reich dar und zeigen, dass unter menhang mit dem Nationalen Gewässer- bewirtschaftungsplan erlassen werden gungsstrecken liegen auf nur Einbindung der wesentlichen Sta- (Nationale Gewässerbewirtschaftungs- 44,4 km (15 % der Fließkilometer) keholder in den Planungsprozess plan VO 2009 – NGPV 2009) annähernd 30 % des Energiepoten- ein für alle Seiten akzeptables Er- 10 AMT DER STEIERMÄRKISCHEN LANDES- zials. Die Ausweisung von Abwä- gebnis erreicht werden kann, mit REGIERUNG – ABTEILUNG 14, WASSER- gungsstrecken lässt sich damit be- welchem es möglich ist, die Vorga- WIRTSCHAFT, RESSOURCEN UND NACH- gründen, dass hier Abschnitte mit ben unterschiedlicher Richtlinien HALTIGKEIT (2013) Wasserwirtschaftlicher Fachvorschlag sehr hohem Energiepotenzial unter und verschiedenartig gelagerter In- zur Ausweisung von Gewässerstrecken festgelegten Rahmenbedingungen teressen abzustimmen. mit besonderer ökologischer Bedeutung 8 Wasserland Steiermark 1/2014
Gewässerbewirtschaf tungsplan Obere Lafnitz Konzept zur nachhaltigen Vereinbarkeit von Gewässerökologie und Engergiegewinnung Mag. Marco Petschar Mit der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) in das österreichische Wasserrecht werden ZT-Kanzlei Dr. Hugo Kofler Stellvertretende verstärkt flussgebietsbezogene Planungen zum Schutz zur Verbesserung nachhaltiger Nutzung der Gewässer Kanzleileitung verfolgt. Unter dieser Prämisse wurde im Auftrag der Abteilung 14 – Wasserwirtschaft, Ressourcen und 8132 Pernegg a. d. Mur, Nachhaltigkeit ein Konzept zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Oberen Lafnitz erstellt. Als Zielvorgabe Traföß 20 Tel. Tel. +43(0)664/9681347 wurde der Leitsatz „Energie & Ökologie im Gleichgewicht“ definiert. marco.petschar@zt-kofler.at Ausgangslage Die Obere Lafnitz, ein Teil des Natu- ra 2000 Gebietes Nr. 27 Lafnitztal – Neudauer Teiche, wird zwischen Flkm 86,5 und Flkm 106,0 durch be- stehende Nutzungen und anthropo- gene Überformungen über weite Strecken in ihrer natürlichen Ge- wässerausprägung beeinträchtigt. Neben hydrologischen Belastungen in Form von Wasserkraftanlagen müssen insbesondere Sicherungs- maßnahmen der Sohle und der Uferlinien sowie ein fehlender Ufer- gehölzstreifen als gewässerökolo- gische Belastungen angeführt wer- den. Auch reichen infrastrukturelle Nutzungen abschnittsweise bis an die Gewässergrenze heran (Abb. 1). Abb. 1: Massive Ufersicherungsmaßnahmen ; Bereich Landstraße Waldbach Zusätzlich sind im Untersuchungs- Foto: Petschar gebiet der Oberen Lafnitz derzeit weitere Kleinwasserkraftanlagen prüft und beurteilt. Mittels Erhebun- Entwicklung von Maßnahmen ori- geplant. gen vor Ort wurden die vorhande- entiert sich dabei naturgemäß an Um die Erreichung des Zielzustan- nen Datengrundlagen zum ökologi- den vorhandenen Belastungen und des (guter ökologischer Zustand) schen Zustand und zu den vorhan- zielt u. a. auf das durch den Natio- gemäß EU-WRRL sicherzustellen, denen Wasserrechten geprüft, ver- nalen Gewässerbewirtschaftungs- sind aber in Anbetracht der vorhan- dichtet bzw. nach Notwendigkeit plan vorgegebene Maßnahmenpro- denen Belastungen Maßnahmen ergänzt. So konnten neben den vor- gramm ab. In der Oberen Lafnitz zur Strukturverbesserung zwingend handenen strukturellen und hydro- reichen die Belastungen von struk- zu planen und umzusetzen. Die Ziel- logischen Belastungen ökologisch turellen Defiziten des Gewässers setzung, saubere und naturnahe wertvolle Gewässerabschnitte selbst (Gewässerregulierungen Gewässer zu erhalten, sollte aber identifiziert und abgegrenzt werden zum Hochwasserschutz, Rückhalte- nicht dazu führen, ökonomische (Abb. 2 und 3). becken etc.), der fehlenden Anbin- Gegebenheiten völlig zu ignorieren. dung des Gewässerumlandes über Maßnahmen den Ufergehölzstreifen, der fehlen- Im Zuge des Konzeptes zur nach- den Anbindung von Zubringerge- haltigen Gewässerbewirtschaftung Wesentliches Element einer nach- wässern bis zur energetischen Nut- der Oberen Lafnitz wurden neben haltigen Bewirtschaftung von Ge- zung von Teilabschnitten des Fließ- den ökologischen auch die energe- wässerstrecken ist die Definition gewässers. tisch-ökonomischen Voraussetzun- von Maßnahmen zur Verbesserung gen im Untersuchungsgebiet ge- des ökologischen Zustandes. Die 9
Abb. 2 und 3: Strukturvielfalt im Gewässer und natürliche Ufervegetation an der Schwarzen Lafnitz Auf Grundlage der Analyse der Be- Die Maßnahmen zur Vernetzung mit he, dem Gewässerleitbild weitest- lastungen wurde ein Maßnahmen- dem Gewässerumland betreffen gehend entsprechende Strukturie- katalog entwickelt und die einzel- l Bepflanzungen des Ufergehölz- rung aus. Eine Nutzung und eine nen Maßnahmen (Abb. 4) in einem streifens mit standorttypischen damit verbundene Beeinträchti- Kartenwerk nachvollziehbar veror- Arten gung dieser Restbereiche muss tet. nachhaltig reduziert bzw. verhin- l und den Erhalt von Alt- und Tot- Der Maßnahmenkatalog ist auf das dert werden. holzbäumen. Projektgebiet bezogen und enthält Neben den angesprochenen ökolo- Strukturierungsmaßnahmen im Ge- Übergeordnetes Ziel der Vernet- zung mit dem Umland ist die Ent- gischen Maßnahmen im Gewässer wässer selbst und Maßnahmen zur wicklung ausreichend breiter Ufer- wurden energetische Optimierun- Vernetzung mit dem Umland. gehölzstreifen mit standortheimi- gen an bestehenden und geplanten schen Arten. Totholzstrukturen, Kleinwasserkraftanlagen ange- Wurzelstöcke oder aber eine über- dacht und in das Konzept zur Ge- Die Maßnahmen im Gewässer hängende Begleitvegetation sind wässerbewirtschaftung eingearbei- selbst betreffen als nachhaltig positive ökologische tet. Vorrangiges Ziel ist dabei, den l die longitudinale Vernetzung des Maßnahmen für das Gewässer zu energetischen Nutzen von beste- Gewässersystems Lafnitz mit werten. henden Anlagen unter Berücksich- den Zubringerbächen, tigung ökologischer Vorgaben zu Neben der strukturellen Verbesse- l die strukturelle Aufwertung der rung gilt es aus gewässerökologi- verbessern. Die energetischen Op- Gewässersohle und des Ufers scher Sicht bzw. im Hinblick auf die timierungsmöglichkeiten an beste- mittels ingenieurbiologischer Vorgaben der EU-WRRL Gewässer- henden Wasserkraftanlagen betref- Maßnahmen strecken, welche eine besondere fen insbesondere Überlegungen zur Bedeutung haben bzw. eine beson- Fallhöhe und zur Ausbauwasser- l und die Durchgängigkeitsgestal- menge. Ein zu geringer Ausbau- tung von bestehenden Querbau- dere Funktion im übergeordneten Gewässernetz erfüllen, zu schüt- grad, welcher nicht an die natürli- werken im Fließgewässerkonti- zen. Dabei handelt es sich um Ge- chen Abflussverhältnisse vor Ort nuum. wässerabschnitte, welche zwar angepasst wurde, steht dieser was- Insbesondere in strukturell massiv nicht mehr in sehr gutem Zustand serwirtschaftlichen Potenzialnut- verarmten Gewässerabschnitten sind, aber vielfältige ökologische zung entgegen. Die ökologischen werden somit durch ingenieurbiolo- Funktionen haben, die für das ge- Optimierungsmöglichkeiten betref- gische Maßnahmen bzw. das Ein- samte Gewässersystem von Be- fen u. a. die Bemessung einer öko- bringen von Steinformationen un- deutung sind. Im Untersuchungsge- logisch nachhaltigen Restwasser- terschiedliche Strömungsverhält- biet wurden ökologisch wertvolle menge und die Gestaltung eines nisse und variable Habitate für die Gewässerabschnitte identifiziert Fischaufstieges, angepasst an das aquatischen Lebewesen entwi- und abgegrenzt. Diese Abschnitte Fischleitbild unter besonderer Be- ckelt. zeichnen sich durch eine naturna- trachtung der Koppe als schwimm- 10 Wasserland Steiermark 1/2014
Abb. 4: Kraftwerk Schiester mit Ausgleichsmaßnahmen schwacher Vertreterin der Fischzö- kräftige Indikatoren für die Belas- nose. tung und die Fragmentierung unse- rer Fließgewässer werden durch Zusammenfassung und Ausblick die Vernetzung des Gewässerkonti- In Anlehnung an die Vorgaben der nuums verbessert. EU-WRRL, welche einerseits als Neben den ökologischen Maßnah- Umweltziele vorsieht, Gewässer im men wurden im Konzept energeti- guten Zustand abzusichern und an- sche Optimierungen an bestehen- dererseits Gewässer in einem den und geplanten Kleinwasser- schlechteren als guten Zustand kraftwerken angedacht und konzi- re Lafnitz wird sich nach Umset- stufenweise zu verbessern, wurde piert. Diese Optimierungen betref- zung der technischen Optimierun- ein Konzept zur nachhaltigen Ge- fen neben der Potenzialausnützung gen an den bestehenden Kleinwas- wässerbewirtschaftung der Oberen der vorhandenen natürlichen Was- serkraftanlagen auch unter Berück- Lafnitz entwickelt. Für das Gewäs- sermenge und Fallhöhe bei beste- sichtigung von ökologischen Vorga- serbewirtschaftungskonzept wurde henden Anlagen insbesondere öko- ben, wie den verkürzten Auslei- der Leitsatz „Energie & Ökologie im logische Maßnahmen wie die Ab- tungsstrecken an den geplanten Gleichgewicht“ formuliert. gabe einer dynamischen Pflicht- Kleinwasserkraftanlagen, nicht Auf Grundlage der vorhandenen wassermenge und die an das maßgeblich reduzieren. Die vorge- Belastungen und energetischen In- Fischleitbild angepasste Ausgestal- schlagenen ökologischen Maßnah- teressen im Untersuchungsgebiet tung der Fischaufstiegshilfe samt men werden den Naturraum stufen- wurden Maßnahmen entwickelt zugehörigen Kompensationsmaß- weise aufwerten. und in einem Maßnahmenkatalog nahmen. Bei Wasserkraftplanun- zusammengefasst. Die ökologi- gen wurde überdies die Länge bzw. Ziel war es, die durch Wasserkraft- schen Maßnahmen verbessern die die Ausleitungstrecke als solche, anlagen beeinträchtigte Fließge- Funktionsfähigkeit des Gewässers unter Berücksichtigung von ökolo- wässerstrecke auf rund 25 % der mittels gezielter Strukturierungs- gischen Aspekten, in die Überle- Gesamtlänge des Wasserkörpers maßnahmen und sichern weitest- gungen eingearbeitet. Im Zuge der einzuschränken. gehend intakte (Rest-) Fließgewäs- energetischen Potenzialanalyse serabschnitte. Eine wichtige Maß- des Untersuchungsgebietes wur- 1 us ökologischen Gründen ist eine dynami- A nahmengruppe bezieht sich auf die den somit die ökologisch wertvollen sche (= zuflussabhängige) Pflichtwasserabga- longitudinale Vernetzung des Ge- Abschnitte der streckenweise mas- be einer gestaffelten oder konstanten vorzuzie- wässersystems mit dem vorhande- siv überformten Oberen Lafnitz von hen (siehe Pflichtwasserleitfaden der ZT-Kanz- ne Querbauwerke durchgängig ge- einer zukünftigen energetischen lei Dr. Hugo Kofler, Seite 10 Kapitel 4). staltet und die Vernetzung mit Nutzung ausgeklammert. Eine dynamische Pflichtwasserabgabe spiegelt wichtigen Zubringerbächen sicher- die natürliche Dynamik eines Gewässers im gestellt wird. Die Lebensraumbe- Das energetische Nutzungspotenzi- Verlauf eines Jahres – mit reduziertem Abfluss dingungen für Fische als aussage- al des Untersuchungsgebietes Obe- – wider. 11
Potenzialstudie Wasserkraft Steiermark DI Thomas Geisler Energie Steiermark In der Steiermark ist der Anteil der Stromerzeugung aus Wasserkraft am Gesamtverbrauch aufgrund der Green Power GmbH Bedarfsentwicklung in den vergangenen Jahren stetig zurückgegangen. Um diesen Anteil wieder zu erhöhen, Projektleiter für Wasserbau 8010 Graz, Leonhardgürtel 10 wird es in den nächsten Jahren notwendig sein, neben einer deutlichen Reduktion des Stromverbrauches auch Tel. +43(0)316/9000-50861 die Erneuerung bestehender Wasserkraftwerke und einen – mit ökologischen Erfordernissen abgestimmten – thomas.geisler@e-steiermark.com Ausbau weiterer Standorte voranzutreiben. Als fachliche Grundlage dazu wurde von der Energie Steiermark AG eine detaillierte Potenzialstudie für die Steiermark durchgeführt. Nationale und regionale Ausbauziele der Wasserkraft Um Österreichs Klima- und Energie- ziele erreichen zu können, ist die Errichtung weiterer Erzeugungska- pazitäten im Bereich der Wasser- kraft erforderlich. So sieht die nati- onale Energiestrategie bis zum Jahr 2020 österreichweit eine Steige- rung der Stromerzeugung aus er- neuerbaren Energiequellen im Um- fang von insgesamt 7,8 TWh/a vor. Den größten Anteil soll dabei die Wasserkraft mit einem weiteren Abb. 1: Ziel für den Wasserkraft-Ausbau in der Steiermark Ausbau von 3,5 TWh/a übernehmen (im aktuellen Ökostromgesetz wird sogar ein Ausbau von rund 4,0 rung des Kraftwerksparks und 94 wasserkraftwerke (Engpassleistung TWh/a gefordert). Gemäß einer von GWh/a durch Revitalisierung und unter 10 MW) mit einem Regelar- Pöyry Energy durchgeführten Stu- Ertüchtigung von Kleinwasserkraft- beitsvermögen (RAV) von in Summe die aus dem Jahr 2008 beträgt das werken gewonnen werden sollen rund 27 GWh wasserrechtlich ge- unter technisch-wirtschaftlichen (Abb. 1). nehmigt wurden (Abb. 2). Darüber Gesichtspunkten ermittelte Restpo- hinaus wurden 2008 zwei Groß- tenzial der Wasserkraft in Öster- Stand der Zielerreichung in der Steiermark kraftwerke an der Mur erstinstanz- reich insgesamt etwa 12,8 TWh/a. lich genehmigt, die mit rund 166 Rund 2,1 TWh/a. Auf die Steiermark Bezugnehmend auf das Ausgangs- GWh fast gleich viel RAV aufweisen entallen davon 16 % nach Aus- jahr 2007 konnten bis Ende 2012 be- wie die restlichen 55 Kleinwasser- schluss hochsensibler Gewässer- reits 478 GWh bzw. 63 % des regio- kraftwerke mit rund 180 GWh. Soll- abschnitte (Weltkulturerbe, Natio- nalen Ausbauzieles realisiert wer- te die Entwicklung in den nächsten nalparke, etc.) woraus als Zielvor- den. Um die Zielvorgabe erreichen Jahren ohne Großwasserkraft vor- gabe für das Jahr 2020 ein Erzeu- zu können und gleichzeitig künftige gungszuwachs von 560 GWh/a ab- Erzeugungsverluste aufgrund der anschreiten, ist bis zum Jahr 2020 leitbar ist. Ein ambitionierteres Ziel Umsetzung der Wasserrahmen- ein Erzeugungszuwachs von rund formulieren der Klimaschutzplan richtlinie (WRRL) auszugleichen, 200 GWh zu erwarten. Dies wird Steiermark bzw. die „Road Map müssen bis zum Jahr 2020 aber nicht genügen, um die regionale Wasserkraft“, die bis zum Jahr 2020 noch weitere 321 GWh realisiert Zielvorgabe von 321 GWh zu errei- von einer zusätzlichen Stromauf- werden. Eine detaillierte Analyse chen, weshalb in der Steiermark bringung aus Wasserkraft im Aus- der Entwicklung von 2001 bis 2012 ein ambitionierteres Vorgehen im maß von 764 GWh/a ausgehen, wo- zeigt, dass in diesem Zeitraum pro Bereich des Wasserkraftausbaus bei 670 GWh/a durch eine Erweite- Jahr durchschnittlich 8 bis 9 Klein- erforderlich sein wird. 12 Wasserland Steiermark 1/2014
Methodik zur Ermittlung der Was- Ermittlung des uneingeschränkt serkraft-Restpotenziale ausbaufähigen Restpotenzials, wel- Das in der Studie 2008 angeführte ches alle Gewässerstrecken um- Wasserkraft-Restpotenzial für die fasst, in denen eine Wasserkraft- Steiermark von 2,1 TWh/a berück- nutzung als ökologisch vertretbar sichtigt keine Hemmnisse aus beurteilt wird, erfolgt schlussend- Gründen der Gewässerökologie lich eine Ausweisung möglicher oder des Natur- und Landschafts- ökologischer Hemmnisse. schutzes und kann daher keines- falls dem tatsächlich ausbaufähi- Umsetzung mittels Geografischer gen Restpotenzial gleichgesetzt Informationssysteme (GIS) Abb. 2: Entwicklung der Wasserrechte im Detail werden. Dieses umfasst jenes wirt- Zu Beginn wurde aus einem digita- schaftlich ausbauwürdige Wasser- len Geländemodell der Verlauf der kraftpotenzial, welches aus rechtli- natürlichen Fließwege ermittelt, in- cher, ökologischer und gesell- dem für jede Rasterzelle die schaftspolitischer Sicht tatsächlich Hauptabflussrichtung aus den Hö- umsetzbar ist und somit alle Nut- henlagen der benachbarten Zellen zungsansprüche an die Gewässer bestimmt wurde. Anschließend berücksichtigt. Zur Bestimmung wurde die Abschnittsteilung der hy- des ausbaufähigen Restpotenzials dromorphologischen Zustandsbe- wurde das theoretische wertung entlang der natürlichen Abflusslinienpotenzial mit Hilfe geo- Fließwege neu angeordnet. So grafischer Informationssysteme konnte jedem Teilabschnitt das vor- (GIS) abschnittsweise ermittelt und handene Gefälle aus der Höhendif- anschließend aufgrund techni- ferenz der zugehörigen Teilungs- Abb. 3: Methodik zur Ermittlung des ausbaufähigen Restpotenzials scher, wirtschaftlicher, ökologi- punkte (ermittelt entlang der natür- scher und rechtlicher Randbedin- lichen Fließwege) zugewiesen wer- gungen reduziert (Abb. 3). den. Zur Abschätzung der mittleren Das theoretische Linienpotenzial Jahresabflüsse im Gewässernetz ergibt sich dabei aus dem mittleren wurden vom Institut für Statistik der Jahresabfluss und dem vorhande- TU Graz unterschiedliche Regressi- nen Gefälle innerhalb des betrach- onsmodelle entwickelt, die den teten Gewässerabschnittes. Das mittleren Jahresabfluss in jedem technische Potenzial umfasst dage- Teilabschnitt anhand ausgewählter gen jene elektrische Energie, die Eigenschaften des zugehörigen Ein- mit einem Wasserkraftwerk inner- zugsgebietes ermitteln. Die zugehö- halb eines Jahres bei durchschnitt- rigen Regressionsgleichungen wur- licher Wasserführung („Regeljahr“) den an 201 Pegelstationen durch und unter Berücksichtigung des Vergleich der gemessenen Abfluss- Abb. 4: Wasserkraftpotenziale der Steiermark Stands der Technik erzeugt werden werte mit topografischen und kli- kann. Für das verfügbare Restpo- matischen Parametern der Einzugs- gebiete bestimmt. einem Ausbaugrad der steirischen tenzial wird das technische Poten- Berichtsgewässer von 43 % ent- zial gemäß der Länge von bereits Abschätzung des ausbauwürdigen spricht. Weitere rund 0,45 TWh/a ausgebauten bzw. gesetzlich ge- Wasserkraft-Restpotenzials bzw. 5 Prozent liegen in Gewässer- schützten Teilstrecken innerhalb des betrachteten Gewässerab- Die Anwendung der Linienpotenzi- abschnitten, in denen energiewirt- schnittes reduziert. Die ausgebau- al-Methode ergibt für die gesamte schaftliche Nutzungen aufgrund ten Teilstrecken können sich dabei Steiermark ein theoretisches Ab- gesetzlicher Bestimmungen zum aus Stau-, Ausleitungs- und Eintie- flusslinienpotenzial von etwa 14,8 Natur- und Landschaftsschutz weit- fungsstrecken zusammensetzen. TWh/a (Abb. 4). Davon können etwa gehend ausgeschlossen sind (ge- Durch Berücksichtigung der spezi- 9,3 TWh oder 63 % technisch in schütztes Potenzial). Das techni- fischen Jahreserzeugung (GWh/a Wasserkraftwerken genutzt wer- sche Restpotenzial der Steiermark pro km Gewässerlänge) wird das den. Bestehende bzw. bereits ge- beträgt somit rund 5,0 TWh/a. Da- verfügbare Restpotenzial auf jene nehmigte Wasserkraftnutzungen von entfallen 0,49 TWh/a bzw. 10 % Gewässerabschnitte eingegrenzt, (Stichtag 31. Juli 2012, einschließ- auf bereits bestehende Aus- die aus heutiger Sicht wirtschaft- lich Speicher- und Mühlkanalkraft- baustrecken (Optimierungspotenzi- lich genutzt werden können (aus- werke) reduzieren das technische al) und 4,5 TWh/a bzw. 90 % auf bauwürdiges Restpotenzial). Für die Potenzial um rund 4,0 TWh/a, was noch ungenutzte Gewässerab- 13
schnitte (Neubaupotenzial). Wer- den von den ungenutzten Gewäs- serabschnitten nur jene mit hohem spezifischem Restpotenzial (über 1 GWh/a pro km) berücksichtigt, verbleibt ein aus heutiger Sicht wirtschaftlich ausbauwürdiges Restpotenzial von rund 3,4 TWh/a. Interessant ist die Gegenüberstel- lung der energiewirtschaftlichen Abb. 5: Fließgewässerabschnitte mit zugehörigen Wasserkraftpotenzialen Potenziale mit der bereits beste- henden Nutzung der Gewässerab- schnitte (Abb. 5). Der Anteil der ausgebauten Abschnitte am Be- richtsgewässernetz (Stau-, Rest- wasser- und Eintiefungsstrecken) ist mit 842 km bzw. 13 % deutlich geringer als der zugehörige Anteil am technischen Potenzial von 4,0 TWh/a bzw. 43 %. Ähnliches gilt für die Abschnitte mit hohem spezi- fischen Restpotenzial, welche mit Abb. 6: Ausbaufähiges Restpotenzial nach Flussgebieten 3,4 TWh/a rund 75 % des gesamten Neubaupotenzials umfassen, für deren vollständige Nutzung aber oder 0,83 TWh/a außerhalb ökolo- reichs Energie zeigt, dass die Ge- nur 965 km bzw. 19 % der derzeit gisch sensibler Gebiete (Abb. 6, samterzeugung der österreichweit ungenutzten Gewässerabschnitte rechts). Somit verbleibt in der Stei- bekanntgegebenen Wasserkraft- ausgebaut werden müssten. ermark ein ausbaufähiges Restpo- projekte mit rund 3,6 TWh/a in der tenzial von in Summe nur rund 1,3 Größenordnung des nationalen Berücksichtigung von ökologi- TWh/a. Berücksichtigt man die Er- Ausbauzieles der Energiestrategie schen Einschränkungen fahrung, dass bei der Umsetzung liegt. Allerdings erwarten die Pro- Zur Berücksichtigung von ökologi- von Projekten aufgrund verschie- jektbetreiber, dass aufgrund lan- schen Einschränkungen wird das denster lokaler Einschränkungen gandauernder Genehmigungsver- wirtschaftlich ausbauwürdige Rest- meist ungenutzte Gewässerab- fahren bis zum Jahr 2020 davon nur potenzial durch Ausweisung von schnitte verbleiben, kann das aus- rund 2,1 TWh/a zur Verfügung ste- Gewässerabschnitten mit sehr gu- baufähige Restpotenzial für Neu- hen werden. tem ökologischen Zustand, in hoch- bauprojekte in der Steiermark mit wertigen Schutzgebieten (Europa- rund 800 GWh abgeschätzt werden. Danksagung oder Naturschutzgebiete) sowie von besonderer ökologischer Be- Ausblick Die Potenzialstudie Wasserkraft deutung (gemäß Fachvorschlag Um die regionale Zielvorgabe für Steiermark wurde von der Fachstel- A14) reduziert. Die verbleibenden den Wasserkraftausbau bis zum le für Energie des Amtes der Steier- Gewässerabschnitte liegen außer- Jahr 2020 erreichen zu können, märkischen Landesregierung (Lan- halb ökologisch sensibler Gebiete muss in der Steiermark in den desenergiebeauftragter DI Wolf- und beinhalten daher jenes aus- nächsten Jahren ein Potenzial von gang Jilek) unterstützt. Der Autor baufähige Wasserkraft-Restpoten- rund 320 GWh zusätzlich nutzbar bedankt sich darüber hinaus bei Dr. zial, das bevorzugt zur Erfüllung der gemacht werden. Dies entspricht Robert Schatzl und Ing. Wilhelm regionalen Zielvorgaben für den rund 40 % des uneingeschränkt Verwüster vom Hydrografischen Wasserkraftausbau heranzuziehen ausbaufähigen Neubaupotenzials. Landesdienst, bei Dr. Alexander Po- wäre. Allerdings sind vom ausbau- Neben einer Produktionssteigerung desser und Mag. Hannes Rieder würdigen Restpotenzial entlang der der Bestandskraftwerke ist eine von der Zentralanstalt für Meteoro- drei Hauptflüsse Mur, Mürz und deutlich verstärkte Aktivität im Be- logie und Geodynamik sowie bei Enns in Höhe von 1,9 TWh/a nur reich der Kleinwasserkraft oder die Univ.-Prof. Ernst Stadlober und rund 26 % oder 0,49 TWh/a als un- Errichtung weiterer Großkraftwer- DI Sabrina Scheriau vom Institut eingeschränkt ausbaufähig zu be- ke (beispielsweise an der Mur) er- für Statistik der Technischen Uni- urteilen (Abb. 6, links). Vom Potenzi- forderlich. Österreichweit sind ähn- versität Graz für ihre Unterstützung al der restlichen Gewässer in der liche Anstrengungen vonnöten: Ei- bei der Datenbereitstellung und Steiermark liegen nur rund 55 % ne aktuelle Umfrage von Öster- -analyse. 14 Wasserland Steiermark 1/2014
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