DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS - Angewandte

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DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS - Angewandte
Universität für Angewandte Kunst Wien

             DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS

                       Titel der Diplomarbeit / Title of the Diploma Thesis

                            FLEISCHLICHE KUNST
      Eine Untersuchung zu künstlerischen Aspekten
                                  im Bodybuilding

                                   verfasst von / submitted by
                                     Philip Christian Röttl

        angestrebter akademischer Grad / in partial fulfilment of the requirements for the
                                            degree of
                                Magister Artium (Mag. art.)

Wien, 2018 / Vienna, 2018

Studienkennzahl lt. Studienblatt /              A 190 590 591
degree programme code as it appears on
the student record sheet:
Studienrichtung lt. Studienblatt /              Lehramtsstudium UF Bildnerische Erziehung, UF
degree programme as it appears on               Werkerziehung
the student record sheet:
Betreut von / Supervisor:                       Univ.-Prof. Dr.phil. Mag.art. Marion Elias
DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS - Angewandte
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Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich, Philip Christian Röttl, die Diplomarbeit selbständig verfasst und
keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt und die aus fremden
Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken als solche kenntlich gemacht habe.
Die Arbeit habe ich bisher keinem anderen Prüfungsamt in gleicher oder vergleichbarer Form
vorgelegt. Sie wurde bisher auch nicht veröffentlicht. Ich erkläre mich damit einverstanden,
dass die Arbeit mit Hilfe eines Plagiatserkennungsdienstes auf enthaltene Plagiate überprüft
wird.

________________________                                        _________________________
(Ort, Datum)                                                   (Unterschrift)
DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS - Angewandte
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Inhalt
Abstract ...................................................................................................................................... 7

Vorwort und Danksagung........................................................................................................... 9

1 Einleitung ............................................................................................................................... 11

   1.1        Darstellung der Forschungsfrage............................................................................... 12

   1.2        Diplomarbeitsaufbau ................................................................................................. 12

2 Bodybuilding .......................................................................................................................... 14

   2.1 Begriffsdefinition ............................................................................................................ 14

   2.2 Die Geschichte des Bodybuildings ................................................................................. 16

       2.2.1 Antike ...................................................................................................................... 16

       2.2.2 Mittelalter ............................................................................................................... 19

       2.2.3 Moderne, Körperlichkeit und Bodybuilding ............................................................ 20

       2.2.4 Eugen Sandow ........................................................................................................ 25

       2.2.5 Bodybuilding im 20. Jahrhundert ............................................................................ 32

   2.3 Exkurs: Die Entwicklung des Bodybuildings in Österreich im 20. Jahrhundert .............. 34

       2.3.1 Arnold Schwarzenegger .......................................................................................... 34

   2.4 Bodybuilding im 21. Jahrhundert ................................................................................... 41

3 Bodybuilding als Kunst .......................................................................................................... 44

   3.1 Der Künstler als Kunstwerk – Jörg Scheller .................................................................... 44

       3.1.1 Visualisierung ......................................................................................................... 55

       3.1.2 Ästhetik der Existenz ............................................................................................... 57

       3.1.3 Postmoderne Bildhauer .......................................................................................... 58

       3.1.4 Der Bodybuilder als Futurist? .................................................................................. 62

   3.2 Bodybuilding im musealen Kontext ............................................................................... 64

   3.3 Posing Kür als Kunstperformance .................................................................................. 66
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4 Resümee ............................................................................................................................ 70

5 Literaturverzeichnis ........................................................................................................... 73

5.1 Andere Quellen .............................................................................................................. 77

6 Abbildungsverzeichnis ....................................................................................................... 78
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Abstract
Die hier vorliegende Diplomarbeit trägt den Titel „Fleischliche Kunst. Eine Untersuchung
zu künstlerischen Aspekten im Bodybuilding“ und legt das Augenmerk auf die
Verbindung des Bodybuilding Sportes und der Kunst. Die Arbeit geht der Frage nach, wie
in der wissenschaftlichen/ einschlägigen/ fachspezifischen Literatur und den Medien für
den Bodybuilding Sport als künstlerische Schaffensform argumentiert wird. In dem
einführenden Teil dieser Diplomarbeit wird zunächst eine Definition des Bodybuildings
gegeben und daran anschließend erfolgt ein historischer Abriss über die Entwicklung des
Bodybuildings. Das zweite große Kapitel dieser Arbeit unternimmt den Versuch zu
zeigen, wie und inwiefern in der wissenschaftlichen/ einschlägigen/ fachspezifischen
Literatur für Bodybuilding als Kunstform argumentiert wird, wobei hierzu verschiedene
Stellungnahmen zu dieser Thematik vorgestellt werden.
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Vorwort und Danksagung
Sport begleitet mich bereits mein ganzes Leben und meine Faszination für Kraftsport
entdeckte ich vor etwa zehn Jahren. Anfangs noch als Ergänzung zu anderen Sportarten
ausgeführt, begann ich schon bald, mich nur noch auf diese Sportart zu konzentrieren.
Aufgrund einer Verletzung nutzte ich zur Rehabilitation Bodybuilding-Training und
lernte diese Sportart schätzen. Besonders begeisterte mich der Aspekt, sich beim
Training ganz bewusst auf bestimmte Muskelgruppen zu fokussieren, da es hierbei nicht
um das bewegte Gewicht sondern mehr um die Ausführung und die Bewegung geht.
Durch diese Form des Trainings gelingt es einem, eine besondere Verbindung zwischen
sich und seinem Körper – die sogenannte Mind-Muscle Connection –aufzubauen. Durch
mein   Studium    begann    ich   im   Bodybuilding   Parallelen   zu   künstlerischen
Schaffensprozessen zu erkennen. Aus dem Interesse an diesen Prozessen entstand das
Thema, beziehungsweise die Fragestellung für meine Diplomarbeit.

Von ganzem Herzen möchte ich mich nun bei einigen besonderen Menschen bedanken,
ohne deren Zutun ich diese Arbeit wohl (noch) nicht vollendet hätte!
Besonderer Dank gebührt meiner Verlobten und zukünftigen Ehefrau, Rosanna, die mir
schon seit der Themenfindung mit Rat und Tat zur Seite stand und mich, mit ihren
Fachkenntnissen, Tag und Nacht während des ganzen Entstehungsprozesses begleitete.
Ohne dich wäre diese Arbeit in solch einer Qualität nicht in so kurzer Zeit umsetzbar
gewesen!
Herzlichst möchte ich mich auch bei meiner Familie, meiner Schwester Katharina und
insbesondere bei meinen Eltern, Elisabeth und Herwig, bedanken, die mir mein Studium
ermöglichten und mich auf meinem ganzen Bildungsweg unterstützten.

Danke, dass ihr immer für mich da seid!
DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS - Angewandte
1 Einleitung
„Fleischliche Kunst. Eine Untersuchung zu künstlerischen Aspekten im Bodybuilding.“
Wie aus dem Titel dieser Diplomarbeit ersichtlich wird, beschäftigt sich der Inhalt primär
mit Bodybuilding und Kunst. Einigen Leserinnen und Leser stellt sich nun bestimmt die
Frage, wie Bodybuilding und Kunst denn überhaupt miteinander vereinbar seien, denn
wenn der Begriff des Bodybuildings fällt, erzeugt dies in den Köpfen vieler Menschen
Bilder, die weit entfernt von den Vorstellungen der Kunst und Ästhetik sind. Viel eher
denken diese Menschen dann an aufgedunsene, unästhetische Fleischberge, die durch
die Einnahme von Steroiden einen übertrieben muskulösen Körper erzeugen, hinter
dem sich komplexbehaftete Persönlichkeiten verstecken. Die Thematik des
Bodybuildings polarisiert und erweckt stereotype Denkmuster sowie Klischees.
In dieser Arbeit soll es jedoch nicht darum gehen, Stereotype und Klischees in Bezug auf
Bodybuilding zurückzuweisen, sondern vielmehr darum, einen anderen Blickwinkel auf
das Bodybuilding zu eröffnen. Bei der Beschäftigung mit Bodybuilding ergibt sich ein
weites    Feld    an    möglichen     Untersuchungsschwerpunkten,         sei   dies    in
sportgeschichtlicher, historischer oder sozialer Hinsicht.
Der in dieser Arbeit fokussierte Blickwinkel wird sich jedoch darauf konzentrieren,
inwiefern und ob Bodybuilding im Sinne einer Kunstwerdung des eigenen Körpers
verstanden werden kann. Es geht auch um den Versuch zu zeigen, dass Bodybuilding
durchaus als Kunst beziehungsweise Kunstform gesehen werden kann.
Ich selbst habe einen persönlichen Bezug zum Bodybuilding. Seit ungefähr 10 Jahren
betreibe ich selbst Kraftsport, zuvor in Form von Kraft-Dreikampf, seit einem Jahr mit
einem stärkeren Fokus auf Bodybuilding. Immer wieder entdecke und entdeckte ich im
sportlichen Tun Parallelen zu künstlerischen Schaffensprozessen – nicht nur bei meiner
eigenen, sondern auch in der von mir beobachteten sportlichen Betätigung anderer
Bodybuilder.
Wie aus diesen Zeilen deutlich hervorgeht, brachte mich mein sehr subjektives
Empfinden – in Bezug auf diese Sportart – auf das Thema der hier vorliegenden
Diplomarbeit. Ich möchte diesen subjektiven Ansatz an dieser Stelle auch keineswegs
„weg-argumentieren“ sondern nehme genau diesen Umstand zum Anlass, um zu

                                            11
untersuchen, welche wissenschaftlichen Argumente für mein subjektives Empfinden in
Literatur und Medien auffindbar sind.

1.1 Darstellung der Forschungsfrage
Da ich in dieser Diplomarbeit das Augenmerk auf die Verbindung des Bodybuilding
Sportes und der Kunst lege, ergibt sich folgende Forschungsfrage:

Wie wird in der wissenschaftlichen/einschlägigen/fachspezifischen Literatur und den
Medien für den Bodybuilding Sport als künstlerische Schaffensform argumentiert?

Die folgenden Subfragen sollen außerdem im Zuge dieser Diplomarbeit beantwortet
werden:
1.) Welche Elemente werden im Bodybuilding als besonders künstlerisch betrachtet?

2.) Wie wird der Zusammenhang zwischen dem Künstler/ Sportler und seinem Kunstwerk
/ Körper gesehen?
3.) Gab es bisher bereits Verbindungen von Bodybuilding und Kunst, beispielsweise in
Form von Ausstellungen?
4.) In welche zeitgenössischen Kunstströmungen lässt sich Bodybuilding, wenn es als
Kunstform verstanden wird, am ehesten einordnen?

1.2 Diplomarbeitsaufbau
Die hier vorliegende Diplomarbeit wird in zwei große Kapitel unterteilt. Im ersten – als
Einführung verstandenen – Kapitel soll die Thematik des Bodybuildings ganz allgemein
thematisiert werden. Im zweiten großen Kapitel geht es um die Darstellung der
künstlerischen Aspekte im Bodybuilding in wissenschaftlicher/ einschlägiger/
fachspezifischer Literatur und den Medien.

In dem einführenden Teil der Diplomarbeit wird zunächst eine Definition des
Bodybuildings gegeben. Daran anschließend erfolgt ein historischer Abriss über die
Entwicklung des Bodybuildings und es werden wichtige Vertreter dieser Sportart
genannt.

                                          12
An dieser Stelle ist anzumerken, dass das Augenmerk dieser Arbeit den männlichen
Körper fokussiert, der durchaus sehr interessante und ergiebige Gender-Aspekt im
Bodybuilding in dieser Arbeit jedoch nicht mit einbezogen wird. Aufgrund der
Fokussierung auf männliche Protagonisten in Bezug auf das Bodybuilding wird in der
Formulierung dieser Diplomarbeit weitgehend die maskuline Form verwendet.

Das zweite große Kapitel dieser Arbeit unternimmt den Versuch zu zeigen, wie und
inwiefern in der wissenschaftlichen/einschlägigen/fachspezifischen Literatur und den
Medien für Bodybuilding als Kunstform argumentiert wird. Hierzu sollen verschiedene
Stellungnahmen zu dieser Thematik vorgestellt werden, die meine eingangs dargestellte
Bestrebung, im Bodybuilding Sport auch eine Kunstform zu sehen, unterstützen.
Ein Teil dieses Abschnittes wird demnach dem Kunstwissenschaftler Jörg Scheller
gewidmet, der in seinem Buch „No Sports! Zur Ästhetik des Bodybuildings“ sehr
ausführlich Parallelen zwischen dem Bodybuilding und der Kunst darlegt. Außerdem
wird in diesem Kapitel auch darauf eingegangen, welche Parallelen sich zwischen dem
Bodybuilding und den Futuristen finden und inwiefern von einem Bodybuilder als ein
Readymade gesprochen werden kann.
Darüber hinaus wird auch der performative Aspekt im Bodybuilding, in Form der
Bodybuilding Kür, besprochen.

                                         13
2 Bodybuilding
Bodybuilding, Gewichtheben, Krafttraining, Fitness, Gerätetraining – die genannten
Begriffe werden in unserer Alltagssprache oft unsystematisch und synonym verwendet,
weshalb nachfolgend eine Definition von Bodybuilding gegeben wird. Auch deshalb, da
in dieser Arbeit durchgehend mit dem Begriff des Bodybuildings gearbeitete wird und
es notwendig ist, vorab eine Begriffsbestimmung durchzuführen, die ein einheitliches –
im Sinne dieser Arbeit angestrebtes – Begriffsverständnis sicherstellt.

2.1 Begriffsdefinition
Schlägt man in diversen Sportlexika nach, findet man zum Beispiel in Röthig und Prohls
sportwissenschaftlichem Lexikon folgende Definition des Begriffs des Bodybuildings:
„Unter     morphologischen        Aspekt     dient    Bodybuilding      der    Modellierung      des
Körpers[…]durch Muskelaufbautraining und durch diätische Maßnahmen.“1 Neben
dieser kurzen Definition findet man außerdem Informationen über diverse
Trainingsmethoden, mit Wiederholungs- und Satzzahlen und verschiedensten
Pausenlängen. Eine, meines Erachtens nach, befriedigendere Definition von
Bodybuilding findet man im Lexikon der Sportwissenschaften von Schnabel und Giess:

         Bodybuilding, sportliche Richtung der Körperformung, die dem Aufbau von
         Muskelmasse und die Ausprägung der Muskulatur zum Ziel hat. Die
         Muskulatur wird durch spezielle Belastungsformen zur Hypertrophie
         angeregt. In Wettkämpfen stellen Vertreter des B. ihre oft
         überdimensionierten Muskeln zur Schau. Bewertet werden u.a. die
         Ausgeglichenheit in der Entwicklung einzelner Muskeln und Muskelpartien
         sowie der Ausprägungsgrad des Muskelprofils.2

Bodybuilding Trainingsmethoden zum Muskelaufbau finden in den verschiedensten
Benutzergruppen Anwendung. Die Hypertrophie-Methoden des Bodybuildings werden
sowohl bei Rehabilitationstherapien aber auch erfolgreich zur Verletzungsprävention
eingesetzt. Unter anderem wird die Methode des Bodybuildings auch als Ergänzung zu
anderen Sportarten eingesetzt, was die Bereiche des Wettkampf- oder Freizeitsportes
einschließt.

1
 Röthig, Peter/ Prohl, Robert: Sportwissenschaftliches Lexikon, Schorndorf, Hofmann, 2003, S. 112.
2
 Schnabel, Günter/ Giess, Günter: Lexikon der Sportwissenschaft: Leistung, Training, Wettkampf. Band
1. A-K., Berlin, 1993, S. 182.
                                                 14
Bodybuilding [bedeutet] die Schulung der energetisch-, konditionellen
        Fähigkeiten[…] in Bezug auf eine optimierte Muskel, bzw. Körperentwicklung
        und ist damit ein übergeordneter Begriff für vielfältige sportliche Tätigkeiten
        mit dem Hauptziel der Verbesserung der körperlichen Fitness. Bodybuilding
        bezeichnet die eigentliche Aktivität, die oben genannte Fitness zu erwerben.

         Es bilden sich hierbei, wie bei anderen Sportarten, zwei Hauptgruppen, die
        prozentual folgendermaßen vertreten sind:
        - Die Breitensportler (99%)
         - Die Leistungssportler bzw. Wettkampfathleten (1%)
         Die o.g. Vermischung des Fachbegriffs Bodybuilding wird dadurch
        verdeutlicht, dass wenn vom Bodybuilding gesprochen wird […] nur jenes 1
        (eine) Prozent angesprochen wird, dass sich an Wettkämpfen beteiligt.

Auch in dieser Arbeit wird Bodybuilding als Wettkampfsportart verstanden, bei der die
daran teilnehmenden Sportler, nach Hoffmann, folgende Ziele anstreben:
        Das Ziel beim Bodybuilding ist die Entwicklung einer möglichst großen
        Muskelmasse unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Körpersymmetrie.
        Darunter ist zu verstehen, dass bei maximaler Muskelausprägung die
        einzelnen Muskelgruppen in Ihrer Entwicklung in einem angemessenen
        Verhältnis zueinander stehen [….]. Bei einer Meisterschaft muss der Athlet
        seine Muskulatur auf der Bühne darstellen.3

In dieser Arbeit beschäftige ich mich weniger mit dem kompetitiven Aspekt des
Bodybuilding Sportes, sondern viel mehr mit der Ästhetik, die im direkten
Zusammenhang mit dem Wettkampf steht.
Dass Bodybuilding in einem erweiterten Verständnis auch als mehr als „nur“ eine
Sportart angesehen werden kann, zeigen Penz und Pauser, die Bodybuilding aus einer
kulturellen Perspektive definieren: „Für mich ist Bodybuilding zweifelsohne eine
Kunstform – Bildhauerei ohne Hammer und Meißel am eigenen Körper.“4
Wie bereits anhand dieser kleinen Auswahl gezeigt wurde, finden sich für das Phänomen
des Bodybuildings in der Literatur eine Unzahl an Definitions- und Erklärungsansätzen.
Da für den Inhalt der hier vorliegende Diplomarbeit jedoch ein eher allgemeines und
überblicksartiges Verständnis dieser Sportart ausreichend ist, wird auf die Anführung

3
  Hoffmann, Jürgen: Hormon Report. Verbreitung, Anwendung und Beurteilung von Hormonen als
Dopingmittel im Bodybuilding, Arnsberg, 1999, S. 7.
4
  Penz, Otto/ Pauser, Wolfgang: Schönheit des Körpers: Ein theoretischer Streit über Bodybuilding, Diät
und Schönheitschirurgie, 1995, S. 101.
                                                  15
weiterer Definitionen verzichtet und im folgenden Kapitel nun auf die geschichtliche
Entwicklung dieser Sportart eingegangen.

2.2 Die Geschichte des Bodybuildings
In diesem Abschnitt wird das Ziel verfolgt, darzustellen, wie sich die Sportart des
Bodybuildings entwickelte und welche historischen Tendenzen als Wegbereiter des
Bodybuildings fungierten. Die historische Rückschau beginnt bei dem wohl
berühmtesten Wettkampf der Welt – den Olympischen Spielen, führt über Mittelalter
und Neuzeit, geht vertiefend auf wichtige Vertreter dieser Sportart ein und schließt bei
einer regionalen Betrachtung – der Entwicklung des Bodybuildings in Österreich.
2.2.1 Antike
Die Olympischen Spiele5 der Antike: keine Veranstaltung dieser Zeit wurde mehr
mystifiziert, keinem Wettkampf wurde in der Geschichtsforschung mehr Beachtung
geschenkt und es mangelt nicht an Legenden, die dieses Ereignis seit jeher begleiten.
Seit 776 v. Chr. sind die Spiele urkundlich nachweisbar, seitdem werden Siegerlisten
geführt. Damals galt der Fünfkampf als Königsdisziplin, den nur derjenige gewinnen
konnte, der alle Tugenden vereinte. In den Augen der Zeitgenossen hatte nur ein
harmonischer Held das Zeug zum Olympiasieger.6

                              Abbildung 1: Statue of the Diadoumenos

5Bei den Olympischen Spielen – unterteilt in „Olympische Spiele“ und „Olympische Winterspiele“ – handelt es sich
um eine regelmäßig ausgetragene Sportwettkampfveranstaltung, bei der Athletinnen und Athleten sowie
Mannschaften in verschiedenen Sportarten gegeneinander antreten. Wikipedia Eintrag zu Olympische Spiele, online
Abgerufen am 06.06.2018: https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Spiele#cite_note-2.
6
 Vgl. Pramann, Ulrich: Fit. Mehr Spaß am Leben mit Bodybuilding und Körpertraining. Bad Homburg,
1983, S. 117-120, im Folgenden: Pramann: Fit, 1983.
                                                      16
Bildhauer idealisierten die Ikonen der damaligen Zeit in Marmor, die auch noch heute
als Maßstäbe der männlichen Körperästhetik gelten.7
Schon damals ging es um viel mehr, als nur darum, Ruhm und Ehre zu erlangen, denn
die Siegerprämien bestanden in der Antike aus Gold, Silber und wertvollen Ölen. Diese
blendenden wirtschaftlichen Verheißungen motivierten die Sportler dazu, Profis zu
werden und viele unterzogen sie genauen Trainings- und Ernährungsprogrammen um
konkurrenzfähig zu bleiben.8
Das 8. Jahrhundert v. Chr. stand im regen Wandel, Athen übernahm die Führungsrolle
in der antiken Welt und führte die Demokratie ein. Durch militärischen Erfolg verfügte
Athen über unzählige Kriegsgefangene, die als Sklaven einen Teil der Arbeit übernehmen
mussten. Durch die von den Sklaven übernommene Arbeit erlangten Teile der
Bevölkerung Freizeit, die sie in diesem Ausmaß zuvor nicht hatten. Diese Freizeit wirkte
sich auch auf den Sportbetrieb aus. Das Interesse der Bevölkerung daran, selbst Sport
zu treiben und sich im Wettkampf zu messen, sank jedoch wieder, als die sportlichen
Anforderungen stiegen und                sich allmählich Spitzensportler herausbildeten. Diese
erzielten Spitzenleistungen, die für die „Hobbysportler“ unerreichbar wurden und der
Sport verlagerte sich daraufhin auf die Zuschauertribünen. Die Gruppe der
Berufsathleten war geboren.9
Schon damals entwickelten Berufsathleten spezielle Techniken und Trainingsmethoden,
um die Kraftleistungen ihrer Muskeln zu steigern um in diversen Kraftdisziplinen bessere
Leistungen zu vollbringen. Besonders hohes Ansehen in der Bevölkerung genossen
Ringkämpfe und Kraftproben, wie die des Gewichthebens oder Steinstoßens.10
Bei den Römern war Sport weitgehend Zuschauersport, wie Gladiatorenkämpfe in den
Amphitheatern oder Wagenrennen im Zirkus belegen. Um bei den Massen populär zu
bleiben, war es für einen Herrscher unverzichtbar, solche sportlichen Spektakel zu
veranstalten. Das Laufen wurde als körperliche Ertüchtigung betrachtet und rückte
weiter in den Vordergrund, auch die Sprungdisziplin war zu dieser Zeit eine gefragte
Disziplin. Wie auch im antiken Griechenland, wurde der Sprung mit Hanteln geübt, um

7
  Vgl. Pramann: Fit, 1983, S. 117-120.
8
  Vgl. ebda.
9
  Vgl. ebda.
10
   Vgl. ebda.
                                                   17
den Widerstand zu erhöhen und dadurch eine Leistungssteigerung zu erzielen.
Allgemein wurden Hanteln auch schon damals als Kraftgeräte eingesetzt.11

                              Abbildung 2: Grieche in halb kauernder Stellung bei
                             scheinbarer Armübung mit zwei Hanteln

Diskuswerfen wird besonders oft in den Überlieferungen erwähnt und auf Mosaiken und
Fresken dargestellt, daher lässt sich eine Vorliebe für diese Disziplin vermuten. Neben
Diskuswerfen erfreute sich auch der Ringkampf und Boxen großer Beliebtheit.12

                               Abbildung 3: Roman copy of a 5th century BC Greek original by Myron

11
     Vgl. Pramann: Fit, 1983, S. 121-122.
12
     Vgl. ebda.
                                                        18
2.2.2 Mittelalter
Im Mittelalter, nach dem Untergang des Römischen Reiches (510 v. Chr. bis 530 n. Chr.),
setzte eine vollkommen neue Geschichtsepoche ein, die sich auch auf die Entwicklung
des Sportes auswirkte. Obwohl in diesem Zeitraum jegliche Indizien für
hanteltrainingsähnliche Betätigungen vorläufig abbrachen, spielten jedoch trotzdem
Körperkraft und Körperertüchtigungsprogramme eine nicht zu unterschätzende Rolle.13
„Jedoch ist abgesehen von den großen Ritterturnieren, die sich im Grunde lediglich am
ritterlichen Kampfe orientierten, nur wenig Konkretes zu >Kräftigungsprogrammen<
jener Zeit überliefert.“14 Die immer schwerer werdenden Waffen und Rüstungen der
Ritter sorgten in Verbindung mit Fechtübungen für eine Art Krafttraining.
Wesensbestimmende            Merkmale        des    Ritterstandes       waren      rohe     Körperkraft,
Geschicklichkeit sowie Standhaftigkeit und somit auch obligatorische Elemente der
ritterlichen Erziehung.15 „Das ganze Leben [wurde] vom körperlichen Einsatz geprägt:
Training, Turniere, Jagd, Krieg, Kampf.“16 In Geschichtsbüchern tauchen immer wieder
Namen, wie beispielsweise „August der Starke aus Sachsen“, auf, die auf Menschen
verwiesen, die aufgrund ihrer Körperkraft im ganzen Land berühmt gewesen sein
mussten. Laut Überlieferungen konnte „August der Starke“ Hufeisen auseinander
biegen und Münzen verunstalten, was darauf schließen lässt, dass körperliche Kraft auch
im Mittelalter eine besondere Faszination ausübte.17
Die    gesamte      Zeitspanne       des     Mittelalters     wurden       Kräftigungsübungen          zur
Leistungssteigerung des Körpers ausgeübt – vorwiegend von den Rittern, Söldnern und
ähnlichen Berufsgruppen.18 „Die Übungen bestanden hierbei hauptsächlich aus
Steinheben sowie –werfen und erinnern an die heutigen sog. Strong-Men-
Wettbewerbe, die sich unter Kraftathleten der Gegenwart großer Beliebtheit
erfreuen.“19

13
   Kläber, Mischa: Moderner Muskelkult: Zur Sozialgeschichte des Bodybuildings, Bielefeld, 2013 ,S. 95,
im Folgenden: Kläber: Muskelkult, 2013.
14
   Ebda.
15
   Vgl. ebda, S. 96.
16
   Schulz, Knut: Mittelalterliche Vorstellungen von der Körperlichkeit. In: Arthur E., Imhof (Hrsg.): Der
Mensch und sein Körper. Von der Antike bis heute, München, 1983, S.46-64, hier: S. 55.
17
   Vgl. Bührle, Martin: Grundlagen des Maximal-und Schnellkrafttrainings. Schorndorf, 1985, S. 182, im
Folgenden: Bührle: Grundlagen, 1985.
18
   Vgl. Groth, Lothar: Die starken Männer. Eine Geschichte der Kraftakrobatik. Berlin, 1987, S. 18ff.
19
   Kläber: Muskelkult, 2013, S. 96.
                                                    19
Auffallend ist, dass im Mittelalter sportliche Kraftproben meist in einem militärischen
Kontext verortbar sind, denn im Vergleich zu den sportlichen Akteuren der Antike, die
oft Berufsathleten waren, stammten die sportlichen Hauptakteure des Mittelalters
meist aus dem Militärwesen.20
Dass ab dem Einsetzen des Mittelalters jedoch ein eklatanter Abriss des geschichtlichen
Erkenntnisstandes über vormoderne Körperertüchtigungsprogramme vorliegt, liegt an
der Genese und Weiterentwicklung mittelalterlicher Leib- sowie Körperfeindlichkeit, die
in engem Zusammenhang mit der mittelalterlichen katholischen Kirche steht.21

2.2.3 Moderne, Körperlichkeit und Bodybuilding
Als zentrale Bezugsgröße für die Soziogenese des Bodybuildings ist das Programm der
sogenannten Moderne anzusehen. Der Umbau von einer, mittels Schichtordnung
stratifizierter Gesellschaft zu einer horizontalen Matrix mit relativ autonomen
gesellschaftlichen Teilsystemen und deren eigendynamische Entfaltung, bildete sich in
dieser Zeitspanne aus. In Europa ereignete sich ab dem 18. Jahrhundert der Vorgang
einer „Entfusionierung“ vormals diffus verschränkter Lebenswelten und der Prozess
einer Auflösung von traditionalen Gesellschaftsformationen. „Das eigentliche
Verlaufsschema des abendländischen Zivilisationsprozesses ist zugleich eine Geschichte
veränderter Einstellungen und Haltungen zu allen denkbaren Dimensionen des
Körperlichen (…).“22 Der Begriff des „zivilisierten Körpers“ verdeutlicht die im Zuge der
Moderne entstehenden Entwicklungsprozesse und deren Resultate in Bezug auf den
individuellen Körper.23
        Die Beherrschung der Sinne, die Lenkung von Bedürfnissen, das Zurückdrängen
        körperlicher Regungen in gesellschaftlich eigens dafür definierte Bereiche führen in
        Verbindung mit einer zunehmenden Abstraktion von allem Natürlichen zu einem
        Verlegen körperlicher Bereiche hinter die Kulissen des gesellschaftlichen Alltages.24

Vom Spätmittelalter bis hin zum Ende des viktorianischen Zeitalters wurde der
menschliche Körper eher versteckt als bewusst in Szene gesetzt. Besonders anschaulich

20
   Vgl. Kläber: Muskelkult, 2013, S. 97.
21
   Vgl. ebda, S. 106.
22
   Ebda, S. 102.
23
   Vgl. ebda, S. 103.
24
   Emrich, Eike: Bodybuilding aus Athletensicht. Analysen, Interpretationen und Assoziationen. Witten,
1992, S. 11.
                                                  20
wird diese damals tradierte Einstellung zum individuellen Körper anhand der
Gewohnheiten in zurückliegenden Zeitepochen, in denen sich die Akteure der höheren
Gesellschaftsschichten         vorzugsweise       einpuderten        und     parfümierten   als   sich
angemessen zu waschen.25 Mit dem Ausbruch der Pestepidemie Anfang des 17.
Jahrhunderts wurde die öffentliche Hygiene stark eingeschränkt und vernachlässigt. Erst
im 19. Jahrhundert setzte sich schließlich die Erkenntnis durch, dass die körperliche
Hygiene Krankheiten vorbeugen kann.26
Während der Aufklärung konnten, „wenn auch nur mit wenig gesellschaftlicher
Durchschlagskraft, spezifische Formen der Körperaufwertung simultan zur weiter
voranschreitenden Körperdistanzierung in immer größerem Umfang wiederbelebt
werden.“27
Die geistigen und kulturellen Reformbestrebungen des aufsteigenden Bürgertums
gewannen während der Aufklärung an Einfluss auf die Menschen. Durch die
Philanthropen und deren Reformbewegungen wurde ein quantitativ und qualitativ
anspruchsvolles System der körperlichen Bildung – Gymnastik – konzipiert und leitete in
der Folge auch die erste planmäßige schulische Sporterziehung ein.28
         Noch während des Idealismus und der >nationalen Bewegung< von 1780-1815
         entstanden sowohl ein humanistisch-idealistisches Menschenbild als auch die
         Etablierung eines neuen Bildungsideals. >Sport< – noch primär in der Gestalt des
         Turnens und der Gymnastik – spielte eine wichtige Rolle in der Konzeption der
         damaligen Bildungsziele, wie etwa dem von Pestalozzi.29

Im 18. Jahrhundert, mit dem Aufkommen der Turnbewegung, wurde das Hanteltraining
neue entdeckt. Spezielle Übungsformen mit Hanteln wurden entwickelt, wobei auch
deren positive Auswirkung auf die Gesundheit beschrieben wurde.30

25
  Vgl. Sandow, Eugen: Kraft und wie man sie erlangt, Hannover, 1993, S. 20ff, im Folgenden: Sandow,
Kraft, 1993.
26Vgl.: O.A.: Parfüm statt Wasser, 2017, online Abgerufen am 06.06.2018:
https://www.planetwissen.de/gesellschaft/sauberkeit/hygiene/pwiewissensfrage308.html.
27
   Kläber: Muskelkult, 2013, S. 107.
28
   Krüger, Arnd/ Bernd Wedemeyer: Kraft-Körper – Körper-Kraft. Zum Verständnis von Körperkultur und
Fitness gestern und heute. Göttingen, 1995, S. 25ff.
29
   Kläber: Muskelkult, 2013, S. 108.
30
   Vgl. Bührle: Grundlagen, 1985, S. 186.
                                                    21
Abbildung 4: Stützübung für Jungen vor 150 Jahren

Jedoch fehlte es an einer führenden Persönlichkeit, die dazu in der Lage war, die
gesundheitlichen Aspekte des Hanteltrainings breitenwirksam zu propagieren. Erst mit
dem     Pädagogen        Christoph       Gutsmuths         (1759-1839),       der   die    neuzeitliche
Körpererziehung in Theorie und Praxis begründete und als untrennbaren Bestandteil der
Gesamterziehung umsetzte, konnte dies umgesetzt werden. Sein Werk „Gymnastik für
die Jugend“ hatte grundlegende Bedeutung für die Körpererziehung im 19. Jahrhundert.
Er strebte mit seiner Gymnastik Geschicklichkeit, Kraft und Ausdauer an –
Eigenschaften, welche für ihn unmittelbar mit den Attributen der Willensstärke und der
Männlichkeit in Verbindung gebracht wurden.31
Ein weiterer wichtiger Vertreter der neuzeitlichen Körpererziehung war der deutsche
Pädagoge Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), der als der Begründer der deutschen
Turnbewegung gilt. Sein Grundsatz lautete „frisch, fromm, fröhlich und frei“ und seine
Turnbewegung war von Anbeginn mit der frühen Nationalbewegung verknüpft. Eines
seiner Ziele war es, in den Turnern kräftige Verteidiger des Vaterlandes zu erschaffen.32

31
   Vgl. Erbach, Günther: Körperkult und Sport. Kleine Enzyklopädie, Leipzig, 1979, S. 26-27, im
Folgenden: Erbach: Sport, 1989.
32
   Vgl. ebda.
                                                    22
Abbildung 5: Bilder vom Stiftungsfest des Leipziger Allgemeinen Turnvereins 1895

Am austrainierten, muskulösen männlichen Körper, zeigte man am Ende des 19.
Jahrhunderts wieder Interesse – inspiriert durch die griechischen Athleten der Antike,
die der Bevölkerung vor allem durch Statuen bekannt waren.33
Das moderne Gewichtheben entwickelte sich aus der alten und vor allem im Mittelalter
beliebten Tradition des Steinhebens. Zwar können die frühmodernen Formen der
Körper- und Kräfteschulung noch nicht als reguläre Sportarten bezeichnet werden, aus
ihnen entwickelte sich allerdings neben dem Bodybuilding noch eine weitere klassische
Sportart, die inzwischen seit etlichen Jahrzehnten zum Repertoire der Olympischen
Sportdisziplinen gehört: das Gewichtheben. Bereits im Jahr 1896 wurde diese Sportart
zur Olympischen Disziplin34 erklärt. Zunächst wurde das Gewichtheben noch in den

33
     Vgl. Erbach: Sport, 1989.
34 In den olympischen Sportarten werden Wettbewerbe bei den Olympischen Spielen, sowie den Olympischen
Winterspielen ausgetragen. Anzahl und Art werden vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zu den
jeweiligen Spielen festgelegt. Die Anzahl der Sportarten kann von Olympischen Spielen zu Olympischen Spielen
schwanken. Auch die Unterteilungen und die Wettbewerbe einer Sportart werden oftmals geändert. Für jede
olympische Sportart ist ein vom IOC anerkannter internationaler Sportverband verantwortlich, dabei vertreten einige
Verbände mehrere Sportarten. Wikipedia Eintrag zu Olympische Sportarten, online Abgerufen am 06.06.2018:
https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Sportarten
                                                       23
traditionsreichen Turnvereinen betrieben, ab den 1880er Jahren bildeten sich dann
jedoch selbstständige Schwerathletikvereine heraus.35
Hauptklientel der frühen als auch der späten Entwicklungsphase des Gewichthebens
waren Menschen, die überwiegend dem klein- und unterbürgerlichen Milieu
angehörten. Das Körperideal dieser Menschen lang mehr in einer bestmöglichen
Kraftentwicklung als in einer harmonischen Körperoptik beziehungsweise Figur. Das
Streben nach einer harmonischen Körperoptik war für die neuen Bürgerlichen
kennzeichnend.36
        Im Gegensatz zu herkömmlichen Darstellungen fand sehr wohl eine wechselseitige
        Beeinflussung zwischen Gewichthebern und Bodybuildern statt. Es gab nicht nur einen
        emsigen Austausch hinsichtlich neuer, innovativer Trainingstechniken, sondern auch
        einen Austausch hinsichtlich der Optimierungsmöglichkeiten, was beispielsweise
        Rahmenbedingungen, wie Regeneration, Ernährung, Motivation u.Ä., anbelangte.37

Die Wurzeln des Gewichthebens und des Bodybuildings sind eng miteinander
verschlungen. Nach heutigem Verständnis wurden um 1900 dort, wo mit Gewichten
trainiert wurde, mehrere Sportarten gleichzeitig ausgeübt, denn in den Kraftsport-
Vereinen jener Zeit wurden Elemente aus dem Gewichtheben, dem Bodybuilding, dem
Ringen und Boxen als auch fernöstliche Körperübungen gemischt.38
Die hier genannten Betätigungsformen waren noch nicht unter eigenständigen
Dachverbänden organisiert und es gab außerdem keine niedergeschriebenen
Regelwerke, weshalb man zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer Sportart im
eigentlichen Sinne sprechen kann. „Die Geburtsstunde des Bodybuildings wie auch des
Fitness-Sports lässt sich nicht exakt datieren. Doch nach aktuellstem Stand der
vorliegenden (sport)historischen Literatur beziffert man sie für das Bodybuilding in etwa
um den Beginn des 20. Jahrhunderts.“39
Hardcorebodybuilder, Naturalbodybuilder, Bodyshaper oder Fitness-Sportler – nach
unserem heutigen Begriffsverständnis – konnten die ersten Athleten, die durch
zielgerichtetes Hanteltraining einen Muskelaufbau und Kraftzuwachs forcierten, nicht

35
   Vgl. Wedemeyer-Kolwe, Bernd: Der neue Mensch. Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer
Republik. Würzburg, 2004, S. 295 f, im Folgenden: Wedemeyer-Kolwe: Körperkultur, 2004.
36
   Vgl. Wedemeyer-Kolwe: Körperkultur, 2004, S. 295 f,
37
   Kläber: Muskelkult, 2013, S. 122.
38
   Ebda.
39
   Ebda.
                                               24
genannt werden. Viel eher können sie als bizarre Paradiesvögel beschrieben werden,
die aus einem extravaganten Milieu stammten.40 „Die Protagonisten des frühen
Bodybuildings um 1900 entstammten dem Zirkus- und Berufsartistenmilieu.“41
Die starken Männer und Frauen im Zirkus, „gesellschaftliche Außenseiter, die zwar ob
ihrer Kraft und Muskelformung angestaunt wurden, aber aufgrund ihres Berufes jenseits
jeder bürgerlichen Existenz standen“42, können als die eigentlichen Initiatoren des
voranschreitenden Körperkults und Bodybuildings gesehen werden.43
Die ersten Bodybuilding Bücher und Poster stammten von bestimmten Zirkusartisten,
die es verstanden, ihren Körper zu vermarkten. Durch die Fotografie und die damit
zusammenhängende Verarbeitung und Vermarktung verschiedener Athleten-Poster
wurde die Kraftathletik zunehmend populär.44
Die zuvor genannten Bodybuilding Bücher wurden nicht aus uneigennützigen
Beweggründen geschrieben – vielmehr wollten die Autoren möglichst viel Geld damit
erwirtschaften.
Im nun folgenden Abschnitt wird das Leben von Eugen Sandow (1867-1925) genauer
beleuchtete, da er als Superstar der Körperkultur um die Jahrhundertwende galt und
eine hervorzuhebende Rolle unter den zahlreichen Top-Athleten der frühen
Bodybuilding Geschichte einnahm.45

2.2.4 Eugen Sandow

        Es ist nicht notwendig, wie manche Leute glauben, stark geboren zu sein, um
        stark zu werden. Anders wie der Dichter, welcher, wie man uns erzählt, als
        Dichter geboren werden muss, kann sich der starke Mann selbst bilden.46

Diesem Grundsatz nach konzipierte Eugen Sandow (1867-1925) sein Leben – und dies
so erfolgreich, dass er auch heute noch aus historischen Darstellungen über die
Entwicklung des Bodybuildings kaum wegzudenken ist.

40
   Vgl. Kläber: Muskelkult, 2013, S. 122.
41
   Wedemeyer-Kolwe: Körperkultur, 2004, S. 297.
42
   Wedemeyer, Bernd: Der Athletenvater Theodor Siebert (1866-1961). Eine Biographie zwischen
Körperkultur, Lebensreform und Esoterik. Göttingen, 1999, S. 415.
43
   Vgl. Kläber: Muskelkult, 2013, S. 124.
44
   Vgl. ebda, S. 127.
45
   Schwarzenegger, Arnold/ Dobbins, Bill: Das große Bodybuilding Buch. München, 1993, S. 24, im
Folgenden: Schwarzenegger/ Dobbins: Bodybuilding, 1993.
46
   Sandow: Kraft, 1993, S. 113.
                                                 25
Mit zehn Jahren war der junge Eugen mit seinem Vater, einem Königsberger
Gemüsehändler, auf einer Italienreise und besuchte dort unter anderem auch die
Kunstgalerien von Rom und Florenz, wo er Skulpturen und Athleten der Antike zu sehen
bekam. Der Eindruck, den diese Statuen bei ihm hinterließen, war so nachhaltig, dass
sie ihn sein restliches Leben begleiten sollten und er fasste daher in der Folge den
Vorsatz, selbst einen so wohlgeformten und austrainierten Körper zu erlangen.47
Er studierte aufmerksam seinen eigenen Körper und erarbeitete sich ein System,
welches jedem Muskel eine bestimmte Übung zuwies, um ihn so gezielt trainieren zu
können. Er widmete sich täglich 15 Minuten seinen eigens konzipierten Übungen. Erst
nach seinem Achtzehnten Lebensjahr gelang es ihm, immer mehr Muskelmasse und
Stärke aufzubauen, denn wie er selbst beschreibt, blieb er davor eher zart.48

        Meine Lebensjahre zwischen 18 und 25 können übergangen werden mit der
        Bemerkung, dass sie eine stetige Zunahme der Kraft und einige wenige
        Versuche als Amateurathlet und Ringer sahen.49

In dieser von Sandow beschriebenen Zeitspanne, um 1880, zog er bereits mit kleineren
Zirkussen und Schaustellern durch ganz Europa. Erst durch die Bekanntschaft mit dem
sogenannten Professor Attila, Louis Dürlacher – Besitzer des damals bekanntesten
Sportstudios in New York, konnte Sandow lernen, wie er aus seiner unglaublichen Kraft
und seinem faszinierenden Körperbau Profit schlagen konnte.50
„By the beginning of the twentieth century, Eugen Sandow was one of the best known
men in the world. Perhaps just as significantly, he was the possessor of the world`s best
known body.“51 Am Zenit seiner Karriere besaß Sandow neben seinem ausgeprägten
Geschäftssinn auch den Ruf, der „stärkste Mensch der Welt“ zu sein, was sicherlich eine
der ausschlaggebendsten Prämissen für seinen geschäftlichen Erfolg darstellte.52
In Europa kam Sandow vor allem deshalb zu Ruhm, da er immer wieder andere Athleten
zum direkten Kräftevergleich herausforderte, diese auch in ihren eigenen Kraftübungen
besiegte und obendrein auch gleich noch neue Rekorde aufstellte.53

47
   Vgl. Sandow: Kraft, 1993, S. 113.
48
   Vgl. ebda, S. 114.
49
   Ebda, S. 115.
50
   Vgl. Wedemeyer-Kolwe: Körperkultur, 2004, S. 298.
51
   Dutton, Kenneth R.: The perfectible Body. The Western Ideal of male physical Development. New
York, 1995. S. 124f.
52
   Vgl. Strzeletz, Joachim: Aus Liebe zum Eisen. Bodybuilding gestern und heute. Düsseldorf, 1982, S.19ff.
53
   Vgl. Schwarzenegger/ Dobbins: Bodybuilding, 1993, S. 25.
                                                   26
„Sandow war ohne jeden Zweifel der Glamour-Athlet seiner Zeit. Allerdings war es
damals so eine Sache mit dem Attribut >stärkster< Mensch (bzw. Mann) der Welt.“54
Diese Zeit war auch die Zeit des Schwergewichtshebens und da es weder einheitliche
Regeln noch irgendwelche einheitlichen Messlatten zur Ermittlung der dargebotenen
Kraftleistungen gab, gab es auch immer mehrere Athleten gleichzeitig, die sich mit dem
Titel „stärkster Mann der Welt“ rühmten.55
Wenn jemand in der Lage war eine 127 Kilogramm Hantel zu heben, dauerte es nicht
lange, bis schon der nächste ein Plakat anschlug und behauptete er könne eine 136
Kilogramm schwere Hantel heben. Dieses Spiel setzte sich immer weiter fort, bis Sandow
sich entschloss, etwas Neues ins Leben zu rufen. Er wendete sich von den starren
Hanteln ab und widmete sich lebenden Gewichten und führte dann schließlich seine
Kraftproben mit Menschen und Pferden vor.56

                          Abbildung 6:Eugen Sandow: The Sandow Trocadero Vaudevilles
Im Sommer des Jahres 1893 wurde Sandow ein Engagement in den USA angeboten, wo
er im „Casino Theater“ und am „Broadway“ auftreten sollte. Er nahm das Angebot an,

54
   Vgl. Kläber: Muskelkult, 2013, S. 129.
55
   Vgl. Wedemeyer, Bernd: Starke Männer starke Frauen. Eine Kulturgeschichte des Bodybuildings.
München, 1996, S. 25, im Folgenden: Wedemeyer, Männer, 1996.
56
   Sandow: Kraft, 1993. S. 138-141.
                                                 27
hatte jedoch zu Beginn wenig Erfolg mit seiner Show, bis ihn Florenz Ziegfeld57 in sein
Showprogramm aufnahm. Florenz Ziegfeld war einer der bekanntesten und
erfolgreichsten Theaterproduzenten seiner Zeit.58
Ziegfeld gelang es, Sandow richtig in Szene zu setzen. Die meisten Kraftathleten zu
dieser Zeit trugen Leopardenfell, welches den größten Teil des muskulösen Oberkörpers
bedeckte. Ziegfeld lies den aufstrebenden Star jedoch mit einem Lorbeerkranz und fast
nackt auftreten. Die von Ziegfeld inszenierte Show rief Begeisterungsstürme hervor.
Sandow stemmte beispielsweise einen Mann mit seiner flachen Hand, hob bis zu 136
Kilogramm oder verbog einen Schürhacken mit seinen bloßen Händen. Nach dem Ende
der Darbietungen durften jene Damen, die dazu bereit waren, 300 Dollar für wohltätige
Zwecke zu spenden, die Muskeln des jungen Athleten befühlen:59

                                 Abbildung 7:      Eugen      Sandow,   Father    of
                                 Bodybuilding

57Florenz Ziegfeld Jr. (1967-1932) war ein amerikanischer Showman und Theaterproduzent. Ziegfeld übernahm das
Management einiger Künstler und Künstlerinnen, unter ihnen auch Eugen Sandow oder die Französische
Schauspielerin Anna Held. Seine erfolgreichste Produktion waren die jährlich stattfindenden „Ziegfeld Follies“ die von
1907 bis in die späten 1930er Jahre zu sehen waren. Vgl. Aldrete, Marcos Eduardo Acosta: IMDb Mini Biography.
Online abgerufen am 06.06.2018: https://www.imdb.com/name/nm0956067/bio.
58
     Vgl. Sandow: Kraft, 1993. S. 138-141.
59
     Vgl. ebda.
                                                         28
„Bald interessierte sich das Publikum mehr für Sandows Körper als für seine Kraftakte,
und er ging dazu über, auf die Darbietung von Kraftakten ganz zu verzichten und
lediglich mit einem Feigenblatt bekleidet zu posieren.“60
Dieser Übergang von der Zurschaustellung von Kraftakten hin zur Präsentation des
wenig bekleideten Körpers wird oft als die Entstehungsstunde des Bodybuildings
gedeutet.61
Sandow, der zu Lebzeiten als der Stärkste der Stärksten gehandelt wurde, erreichte
seinen weltweiten Ruhm letztendlich durch die geschickte Nutzung des damals
revolutionären Mediums der Fotografie.62
        Etliche Bilder von ihm mit geschmackvoll abgestimmten Hintergrundmotiven und
        kraftvollen Posen, in denen er seinen Körper in atemberaubender Weise zur Schau stellt,
        waren besonders in Nordamerika und Europa zu regelrechten Verkaufsschlagern
        geworden.63

Das Foto (siehe Abbildung 7) welches Sandow lediglich mit einem Feigenblatt bekleidet
in einer sehr eleganten und zugleich kraftvollen Pose zeigt, avancierte zu einem Klassiker
in der Bodybuilding Szene, welches auch heute noch zu dekorativen Zwecken viele
Studiowände ziert.64
1897 eröffnete der erfolgreiche Snadow seine erste Sportschule in der Londoner St.
James Street. Durch den unglaublichen Erfolgt wurden bald weitere Schulen, so
beispielsweise in Australien, Neuseeland oder Indien, gegründet.65 Durch Sandows
unglaubliche Popularität und seinen Einfluss, stieg der Verkauf von Lang- und
Kurzhanteln rapide an und er öffnete durch den Verkauf seiner Bücher, Zeitschriften und
verschiedenster Trainingsgeräte einen neuen Markt, den er mit seinen Produkten
bespielte.66
Sandow nimmt gerade unter den zahlreichen Top-Athleten der frühen Bodybuilding
Szene eine hervorzuhebende Rolle ein,

60
   Gießing, Jürgen/ Hildenbrandt, Eberhard: Bodybuilding: Körperbau und Muskelschau, in:
Sportwissenschaft, 35. Jg., H. 2, 2005, S. 139-151, hier: S. 141.
61
   Vgl. Würzberg, Gerd: Muskelmänner in den Maschinenhallen der neuen Körperkultur. Reinbek bei
Hamburg, 1987. S. 92ff, im Folgenden: Würzberg: Muskelmänner, 1987.
62
   Vgl. ebda.
63
   Kläber: Muskelkult, 2013, S. 129.
64
   Vgl. Schwarzenegger/ Dobbins: Bodybuilding, 1993 S. 25f.
65
   Vgl. Sandow: Kraft, 1993. S. 180-182.
66
   Vgl. Schwarzenegger/ Dobbins: Bodybuilding, 1993, S. 26.
                                                29
denn nur durch ihn wurde der Terminus „Bodybuilding“ überhaupt erst zu einer
        gesellschaftlich etablierten Begrifflichkeit. Er veröffentlichte im Jahr 1905 ein Buch mit
        dem Titel „Body Building or Man in the Making“, das nicht nur ein Klassiker werden
        sollte, sondern einer sich neu konstituierenden Sportform bzw. Sportart seinen Namen
        gab.67

Sandow sprach mit seinem Buch nicht nur junge Menschen an, die einen massigen Leib
aufbauen wollten.68
Er zeigte bereits in diesem Buch, dass Bodybuilding als mehr als nur eine Sportart zu
verstehen sei, sondern als ganzheitliches Konzept positive Auswirkungen für Menschen
aller Altersklassen und in allen Lebensbereichen haben konnte.69

                        Abbildung 8: Eugen Sandow: Body Building

Sandow prangerte in seinem Werk vor allem die für ihn eklatante Vernachlässigung des
Körpers an und bemerkte dazu:
        Der Druck und der Kamp des modernen Lebens haben gesunde Gewohnheiten ziemlich
        erheblich unterdrückt. Es gibt tausende und abertausende unserer Bevölkerung, welche
        nachts müde zu Bett gehen und morgens müde wieder aufwachen. Ein vielleicht noch
        größerer Teil weiß, was es heißt, Tag und Nacht unter nervösen Anspannungen zu
        leiden, welche durch die übermäßige Konkurrenz verursacht worden sind. […] Das ist ein

67
   Kläber: Muskelkult, 2013, S. 130.
68
   Vgl. Schwarzenegger/ Dobbins: Bodybuilding, 1993. S. 25.
69
   Vgl. ebda.
                                                   30
Leben, welchem das körperliche Element nicht existiert und welches absolut sicher mit
        vollständigem körperlichem Ruin endigen wird. 70

Durch das in seinem Buch propagierte Bodybuilding wollte Sandow den Menschen ein
erfolgsversprechendes Gegenmittel, gegen die von ihm angeprangerte Dekadenz und
den körperlichen Verfall, an die Hand geben.71 Eine besondere Pionierarbeit leistete er
darin, dass er Frauen und Kinder in seinen Methoden miteinbezog, was zu dieser Zeit
nicht üblich war.72 An dieser Stelle muss jedoch angemerkt werden, dass Sandow, wie
auch andere seiner Mitstreiter, nicht als „altruistisch motivierte Gesellschaftskritiker“ zu
verstehen sind, sondern es ihm und anderen vordergründig darum ging, mit ihren
Produkten Geld zu verdienen.73
Mit 35 Jahren war Sandow mit einer Größe von 174 Zentimetern 91.5 Kilogramm
schwer.74 Erstaunlich daran ist, dass er diesen Körperbau ohne wissenschaftliche
Erkenntnisse bezüglich Krafttraining oder sportspezifischer Ernährung erlangte. Gegen
die heutigen Ikonen des Bodybuildings würde er jedoch schmal aussehen, denn Athleten
wie Arnold Schwarzenegger brachten bis zu 120 Kilogramm auf die Waage.75
Neben den bereits genannten Betätigungsfeldern von Sandow veranstaltete er
außerdem auch Wettbewerbe,              bei denen die Athleten nach ihren Körpermaßen
beurteilt wurden. Dem Gewinner wurde von ihm persönlich ein Pokal in Form einer
Miniaturstatue Sandows überreicht. Auch heute noch erhält der Gewinner des „Mr.
Olympia“ Wettbewerbes – dem höchsten im Bodybuilding zu erreichenden Titel –einen
Pokal in Form von Eugen Sandow.76

70
   Sandow, 1902, S. 22.
71
   Vgl. Kläber S. 131.
72
   Vgl. Sandow: Kraft, 1993, S. 186-188.
73
   Vgl. Kläber, S. 131.
74
   Vgl. ebda, S. 172.
75
   Vgl. Leimlehner, Vokmar: Entwicklung des Bodybuildings unter besonderer Berücksichtigung
Österreichs, unveröffentlichte Diplomarbeit, Wien, 1995 S. 26, im Folgenden: Leimlehner: Bodybuilding
Österreich, 1995.
76
   Vgl. Schwarzenegger/ Dobbins: Bodybuilding, 1993. S. 26-28.
                                                 31
2.2.5 Bodybuilding im 20. Jahrhundert
        Da der muskulöse Körper in der automatisierten Industriegesellschaft seine Aufgabe als
        nützliches und funktionierendes Arbeitswerkzeug weitgehend verloren hat, wandelte
        sich seine Funktion allmählich zu einem Symbol für Ästhetik, Gesundheit und Identität
        um.77

Nun wurde die neue Funktion des muskulösen Körpers nicht mehr in seiner industriellen
Verwendung gesehen, sondern in der individuellen Präsentation, auch in den jenseits
der Wirtschaft stehenden Lebensbereichen. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts
formierten sich – als Resultat der Folgeerscheinungen der Industrialisierung –
„Körperkultbewegungen“, die sich als Gegen- oder Protestbewegungen verstanden. „Zu
Beginn des 20. Jahrhunderts forderte man im Rahmen der Lebensreformbewegung, die
eine Erneuerung der bisher üblichen Lebensführung beabsichtigte, gravierende
Änderungen im Umgang mit dem eigenen Körper.“78
Wie bereits Sandow verlangte, wurde im Zuge dieser Lebensreform ein gezieltes
körperliches Training gefordert, um der – als Folge des Zivilisationsprozesses
verstandenen – „Verkümmerung“ der Körperfunktionen entgegenzuwirken.79
Sandow sah insbesondere im Bodybuilding alle Zielsetzungen der Lebensreform
erfüllt.80
        Das Bodybuilding hat sich als eine günstige Chance angeboten, den mannigfaltigen
        Fehlständen der Moderne mit Vehemenz entgegenzuwirken. Viele schlechte
        Einwirkungen auf die physische und psychische Gesundheit glaubte man durch ein
        systematisch-planvolles Krafttraining inklusive des bodybuildingspezifischen Lebensstils
        umkehren zu können. Der Kraftsport nährte sich gewissermaßen aus den Defiziten der
        (westlichen) Industrienationen.81

Hiermit lässt sich auch begründen, warum sich das Bodybuilding in den großen
Industrienationen dauerhaft etablieren und in der Folge immer weiter ausdifferenzieren
konnte. Wie Kläber schreibt, kann Bodybuilding als eine subtile Form des Protestes
verstanden werden, welche sich „als Gegenbewegung                             mit entsprechendem
ideologischem Unterbau zu vermarkten wusste – und auch heute noch weiß.“82

77
   Wedemeyer, Bernd: Körperkult als Lebenskonzept. Bodybuilding und Fitnessboom. In: Hans,
Sarkowitz (Hrsg.): Schneller, höher, weiter. Eine Geschichte des Sports, Frankfurt am Main, 1999, S. 409.
78
   Kläber: Muskelkult, 2013, S. 136.
79
   Vgl. ebda, S. 136.
80
   Vgl. ebda, S. 137.
81
   Ebda, S. 138.
82
   Kläber: Muskelkult, 2013, S. 139.
                                                   32
Aufgrund der Pionierarbeit von Kraftsportgrößen wie Eugen Sandow aber auch Arthur
Saxon waren bereits am Beginn des 20. Jahrhunderts erste Ansätze des moderne
Bodybuildings zu beobachten.83
Im Jahr 1921 machte die kommerzielle Vermarktung des Bodybuildings einen riesigen
Schritt nach vorne – ausgelöst durch Angelo Siciliano, alias Charles Atlas.84 Sein Buch mit
dem Namen „dynamic tension“, bestehend aus einer speziellen Trainingsmethode, die
er selbst entwickelt haben soll, wurde in sieben Sprachen übersetzt und jährlich wurden
mehrere 10.000 Exemplare davon verkauft. Unter anderem durch Atlas Leistung, wurde
das Bodybuilding einer breiteren Masse zugänglich.85
Jedoch wurde Kraft, die durch Gewichtstraining erworben wurde, in den 30er Jahren
noch immer mit Skepsis betrachtet. Dies änderte sich aber im Jahr 1939, als im Madison
Square Garden der erste „Mr. Amerika“- Wettbewerb stattfand.
Doch die Teilnehmer waren noch immer keine richtigen Bodybuilder, sie kamen von
allen möglichen Sportarten. Die Gewichtheber konnten jedoch für sich einen großen
Vorteil verbuchen, da kein Sport den Körper mehr veränderte als das Gewichtheben.86
In den frühen vierziger Jahren bildete sich Bodybuilding immer mehr als eine
eigenständige Sportrichtung heraus und es wurde eine Unterscheidung zwischen
Gewichtheben und Bodybuilding gemacht. Trotzdem blieb der Bodybuilding Sport eine
Randerscheinung und keiner der Champions war der breiteren Öffentlichkeit bekannt.
Das änderte sich erst, als Steve Reeves auf der Bildfläche erschien. Er gewann im Jahr
1948 den „Mr. Universe“ Titel in London. In den 1950er Jahre zog er nach New York,
begann sein Schauspielstudium und wurde schlussendlich für die Titelrolle von
„Herkules“ gecastet. Durch diese Rolle wurde er nicht nur zum Star sondern auch zum
mit Abstand bekanntesten Bodybuilder in den 1950er Jahren.87

83
   Vgl. Pramann: Fit, 1983, S. 141.
84
   Vgl. Schwarzenegger/ Dobbins: Bodybuilding, 1993, S. 30.
85
   Vgl. Gaines, Charles/ Butler, Georg: Bodybuilding der Meisterklasse. Technik und Training der
berühmten Champions. München, 1986, S. 129.
86
   Vgl. Schwarzenegger/ Dobbins: Bodybuilding, 1993, S. 33.
87
   Vgl. ebda, S. 33-37.
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