Dossier erwachsenenbildung.at - Wissenschaft und Forschung in der Erwachsenenbildung

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Dossier
 erwachsenenbildung.at

 Wissenschaft und Forschung
 in der Erwachsenenbildung

 Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka
 April 2017
Dossier
 erwachsenenbildung.at

 Wissenschaft und Forschung
 in der Erwachsenenbildung

 Autorin:
 Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka

 April 2017

 Online verfügbar unter:
 www.erwachsenenbildung.at/themen/eb_in_der_eu

 Zitierhinweis:
 Text: : CC BY Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka (2017),
 auf www.erwachsenenbildung.at,April 2017
Inhaltsverzeichnis

01   Wissenschaft und Forschung                                                        02

02
     Geschichte
                                                                                       03
     Erste Schritte | Etablierung und Ausdifferenzierung

     Theorien, Methoden und Inhalte

03   Wissenschaftstheorien | Sannungsfelder | Methodenvielfalt |
     Themen: Kontinuitäten und Konjunkturen | Internationale Perspektiven
                                                                                       08

04
     Finanzierung
                                                                                       17
     Finanzierungsformen | Forschungsfinanzierende Einrichtungen

     Wissenschaft als Beruf

05   Arbeitsverhältnisse | Einstiege und Karrierewege |
     Berufliche Anforderungen
                                                                                       24

     Forschungsstätten und -netzwerke

06   Universitäten und Hochschulen | Außeruniversitäre Forschung |
     Netzwerke in Österreich | Netzwerke International
                                                                                       31

     Wissenschaftskommunikation

07   Publikationsorgane | Wissenschaftliche Veranstaltungen
                                                                                       42

08   Literatur und Links                                                               48

                                                                     www.erwachsenenbildung.at/themen/eb_in_der_eu
Wissenschaft und Forschung

                  Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka

                  Wissenschaft und Forschung sind in der Erwachsenenbildung traditionell
                  eng mit dem praktischen und politischen Handlungsfeld verbunden und
                  stellen doch einen eigenen Handlungsbereich dar. Als Wissenschaft hat sie
                  sich zwar erst seit den 1960er-Jahren umfangreicher entwickelt und seit
                  den 1970er- und 1980er-Jahren etabliert. Inzwischen gilt sie weitgehend
                  unumstritten als eigene Teildisziplin der Erziehungs- und Bildungswissen-
                  schaften, hat aber auch zahlreiche Übergänge zu anderen Disziplinen, in
                  denen Fragen der Erwachsenen- und Weiterbildung wissenschaftlich
                  erkundet werden.

Wissenschaft und Forschung sind in der Erwachse-           Themenbereichen, in denen Entwicklungen in der
nenbildung traditionell eng mit dem praktischen            Erwachsenenbildung aufgegriffen, aber auch an-
und politischen Handlungsfeld verbunden und                gestoßen werden.
stellen doch einen eigenen Handlungsbereich dar.
Als Wissenschaft hat sie sich zwar erst seit den           Das folgende Themendossier gibt einen kurzen
1960er-Jahren umfangreicher entwickelt und seit            Einblick in einige ausgewählte Aspekte von
den 1970er- und 1980er-Jahren etabliert. Inzwischen        Wissenschaft und Forschung, angefangen von
gilt sie weitgehend unumstritten als eigene Teildis-       der Geschichte und wissenschaftstheoretischen
ziplin der Erziehungs- und Bildungswissenschaften,         Grundfragen, über organisatorische, finanzielle
hat aber auch zahlreiche Übergänge zu anderen              und berufliche Rahmenbedingungen bis hin zu
Disziplinen, in denen Fragen der Erwachsenen- und          Forschungsthemen und zur Zugänglichkeit von
Weiterbildung wissenschaftlich erkundet werden.            Erkenntnissen und Ergebnissen.

Erwachsenenbildungswissenschaft verfügt inzwi-             Im Fokus liegen österreichische Entwicklungen und
schen über einen ausdifferenzierten und umfangrei-         Bedingungen, insbesondere bei Fragen der Finanzie-
chen Wissens- und Erkenntnisbestand zu vielfältigen        rung und der beruflichen Rahmenbedingungen. In
Themen, ist universitär und außeruniversitär ins-          den Bereichen der Organisierung und Vernetzung,
titutionalisiert und kann auf einen ausgeprägten           der Publikationen und der Themen wird der Blick
Fundus von Theorien und Methoden zurückgreifen,            hingegen auf deutschsprachige Länder bzw. euro-
die eng mit anderen sozialwissenschaftlichen Fel-          päische Kontexte erweitert. Wissenschaftstheore-
dern korrespondieren. Forschungen widmen sich              tische, methodische, aber auch einige thematische
dabei vielfältigen Fragestellungen, von Begriffs-          und berufsbezogene Aspekte sind hingegen nicht
diskussionen über das Verhältnis von Gesellschaft          per se örtlich begrenzt. Dementsprechend werden
und Erwachsenenbildung bis hin zu spezifischen             einige internationale Bezüge hergestellt.

                                                       2
Geschichte

                  Christoph Straka

                  Die Erwachsenenbildungsforschung ist mit ihren Anfängen um 1900 ein
                  verhältnismäßig junges Wissenschaftsfeld. Einer der Gründe dafür ist im
                  spezifischen Entstehungsprozess der Erwachsenenbildung zu finden. Diese
                  entwickelte sich durch lokale Kräfte „von unten“ (vgl. Filla 2014), in pri-
                  vaten Rechtsformen und unter überwiegend privater Finanzierung. So
                  entstand eine Vielfalt an Einrichtungen der bürgerlich-liberalen Volksbil-
                  dung und der ArbeiterInnenbildung. Aus dieser vielfältigen Volksbildungs-
                  landschaft ging zwar keine ausgearbeitete Theorie hervor. Dennoch wurden
                  in dieser Zeit erste Schritte einer Erwachsenenbildungsforschung getätigt.
                  Dies geschah sowohl im empirischen Bereich als auch in der theoretischen
                  Reflexion der Volksbildungstätigkeit. In der Zweiten Republik wurde an
                  diese ersten Schritte zunächst nicht angeschlossen. So dauerte es bis in
                  die 1970er-Jahre, ehe sich die Volksbildung – nun als Erwachsenen- und
                  Weiterbildung – als (außer-)universitäre Forschungsdisziplin zu etablieren
                  begann. Seit den 1990er-Jahren kann von einer weiteren Ausdifferenzierung
                  dieser Disziplin gesprochen werden. Forschungsinhalte und Methoden
                  vervielfältigten sich, Projekte und Studien konnten nicht zuletzt durch
                  Finanzmittel der EU realisiert werden.

Erste Schritte                                              tief gehende gesellschaftstheoretische Reflexionen
                                                            zugrunde.
 Frühe Ansätze einer theoretischen Begründung
 der Volksbildung in Österreich finden sich im 19.          Frühe theoretische Reflexionen
 Jahrhundert bei Carl Bernhard Brühl und Adalbert
 Stifter. Später wurden theoretische Überlegungen im        Der Anatom Carl Bernhard Brühl (1820-1899) legte
„Zentralblatt für Volksbildungswesen“ (1901-1916)           in Ansätzen eine frühe politische und religiöse
 vertieft. Um die Jahrhundertwende erforschte               Begründung für die universitäre Volksbildung vor.
 Ludo Moritz Hartmann die Teilnehmenden an den              Er trat als Vorkämpfer für das englische Modell
 volkstümlichen Universitätsvorträgen durch die             der Universitätsausdehnung (University Extension)
 so genannte „Hörerstatistik“. Während die bäu-             in Österreich ein. Die Universitäten hätten die
 erlich-katholische Volksbildung lediglich begleitend       Pflicht „nicht bloss durch Schrift, sondern auch
 erforscht wurde, lagen der ArbeiterInnenbildung            durch das lebendige Wort und durch That […] ihre

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Wissenschaft den grösstmöglichen Kreisen ihrer             Statistiken dienten der Orientierung über die in-
Mitbürger mitzutheilen“ (Brühl 1868).                      haltliche Programmgestaltung. Die „Volkstümlichen
                                                           Universitätsvorträge“ erlitten nach dem Krieg einen
Neben Carl Bernhard Brühl ist auch Adalbert Stifter        massiven Bedeutungsverlust und liefen Ende der
(1805-1868) ein beinahe vergessener Vorkämpfer der         1930er-Jahre aus.
liberalen Volksbildungsidee. Stifter beantragte ver-
geblich, „öffentliche Vorträge über das Schöne“ an         Theorieproduktion aus der Praxis heraus
der Universität Wien abhalten zu dürfen. Unter dem
Stichwort Unterredung zielte Stifter auf allgemeine        Theoriebezüge und Theorieproduktion waren in der
Verständlichkeit und die Förderung der Aktivität der       Erwachsenenbildung vor den 1930er-Jahren nur sehr
Lernenden. Er war davon überzeugt, über Bildung            gering entwickelt, eine eingehendere Erforschung
eine „Verbürgerlichung“ der sozial benachteiligten         dazu ist bislang aber ausständig. Wilhelm Filla
Klassen erreichen zu können (vgl. Fischer 1961, S.         unterscheidet drei Zugänge: erstens theoretische
36). (vgl. auch Filla 2014)                                Publikationen von ErwachsenenbildnerInnen, z.B.
                                                           vom bereits genannten Anton Lampa, zweitens
Das „Zentralblatt für Volksbildungswesen“                  theoretische Reflexionen in nicht spezifisch auf
                                                           Erwachsenenbildung ausgerichteten Publikatio-
 Zwischen 1901 und 1916 informierte das „Zentral-          nen, z.B. durch den ebenfalls bereits erwähnten
 blatt für Volksbildungswesen“ über nationale und          Ludo Moritz Hartmann, und drittens Kurzbeiträge
 internationale Entwicklungen der Volksbildung. Das        in Zeitschriften, Tätigkeitsberichten oder eigens
 Zentralblatt fungierte aber auch als Medium der           gedruckten Statements, z.B. für die bäuerliche
Theorieproduktion. Der Herausgeber der Zeitschrift,        Bildungsarbeit durch Josef Steinberger (1874-1961)
 Anton Lampa (1868-1938), war ein Kritiker der             (vgl. Filla 2014, S. 224).
„Neuen Richtung“, die mit dem Schlagwort Volkbil-
 dung durch Volksbildung ab den 1920er-Jahren aus          Theorie der ArbeiterInnenbildung
 Deutschland kommend in Österreich wirkmächtig
 wurde. Gegen die „metaphysisch-religiösen“ Tenden-        Der Bildungs- und Erziehungsbegriff wurde in den
 zen dieser Ideen plädierte Lampa für eine rationale       1920er-Jahren von mehreren austromarxistischen
 Begründung der Volksbildung und für ein neutra-           TheoretikerInnen zur zentralen Begründungsfigur
 les, weltanschaulich „ungebundenes“ Verhältnis            einer emanzipatorischen Gesellschaftskritik. Mit
 zu Politik und Religion. Eine wesentliche Aufgabe         Rückgriff auf Josef Weidenholzer lassen sich „fünf
 der Volksbildung sah Lampa in der Anleitung zu            wichtige Bestandteile einer ‚austromarxistischen
 kritisch-wissenschaftlichem Denken (vgl. Lampa            Bildungstheorie‘“ (Weidenholzer 1983, S. 421)
1965).                                                     identifizieren.

Frühe empirische Erhebung: „Hörerstatistik“                • Bildung ist ein Mittel im Klassenkampf gegen die
                                                             Vorherrschaft der Bourgeoisie.
Die ersten Schritte zu einer empirischen For-              • Aus dem implizit Politischen des Bildungsbegriffs
schung in der Erwachsenenbildung wurden um                   folgt eine Kritik an der scheinbaren Neutralität
die Jahrhundertwende durch die so genannten                  der Bildungstätigkeit in den Volkshochschulen
Hörerstatistiken gesetzt. Ludo Moritz Hartmann               und bäuerlich-katholischen Bildungsheimen.
(1864-1924) führte als Vorsitzender des Ausschusses        • Um das bürgerliche Klasseninteresse hinter der
der „Volkstümlichen Universitätsvorträge“ bereits            Volksbildung sichtbar zu machen, wird eine al-
1895 eine statistische Erfassung der Teilnehmenden           ternative Form von Intellektualität benötigt.
an den Universitätsvorträgen durch. Dabei wurden           • Das erste wesentliche Bildungsziel der austro-
zunächst die bildungsthematischen Interessen, das            marxistischen Bildungstheorie ist eine Aktivität,
Alter, das Geschlecht sowie der soziale Statuts der          aus der heraus ein Klassenbewusstsein erwachsen
HörerInnen erhoben. Später wurde die Statistik um            kann.
Angaben zum Beruf, dem Wohnbezirk, der Vorbil-             • Zweites Ziel ist das Festhalten am Begriff der
dung und den Teilnahme-Motiven erweitert. Die                Solidarität.

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Etablierung und Ausdifferenzierung                          der „Arbeitsstelle für Grundlagenforschung der
                                                            Erwachsenenbildung“ in Salzburg durch den „Ring
Nach Kriegsende lag die Erwachsenenbildungs-                österreichischer Bildungswerke“ einen wesentlichen
forschung in Österreich zunächst brach, woran               Impuls. Drei Jähre später folgte die Umbenennung
selbst der erste Lehrauftrag für Volksbildung nichts        zum „Institut für Erwachsenenbildung“, das mitt-
maßgeblich änderte. Erst später begann sich die             lerweile in Wien und St. Pölten beheimatet ist. Zu
Erwachsenenbildung zunächst außeruniversitär                nennen ist auch die Gründung des Instituts für
zu etablieren, ehe sie durch zunehmende Verwis-             Höhere Studien (IHS) 1962/63, von dem Beiträge zu
senschaftlichung und Internationalisierung einen            unterschiedlichen Themenbereichen der Erwachse-
tiefgreifenden Prozess der inhaltlichen und metho-          nenbildung ausgehen.
dischen Ausdifferenzierung erfuhr.
                                                            An die von Ludo Hartmann angeregte empirische
Schleppende Verwissenschaftlichung                          Forschung wurde – mit Ausnahme der 1954 durch-
nach 1945                                                   geführten Wiener Volksbildungsbefragung – nicht
                                                            angeschlossen.
Die Verwissenschaftlichung der Erwachsenenbil-
dung gestaltete sich im Vergleich zu Deutschland            1970er-Jahre
zeitverzögert. Große Studien zu Beteiligungsstruk-
turen blieben hierzulande aus, nicht zuletzt weil           In den 1970er-Jahren kam es zur Besetzung des ers-
auch die Etablierung von Lehrstühlen in Österreich          ten Lehrstuhls für Erwachsenenbildung und außer-
nur schleppend vorankam. Den ersten Lehrauftrag             schulische Erziehung an der Universität Wien durch
für Volksbildung erhielt Josef Lehrl (1884-1957), der       Herbert Zdarzil (1928-2008), der auf dem Gebiet der
als ordentlicher Professor für Pädagogik an der Uni-        pädagogischen Anthropologie Pionierarbeit leistete.
versität Wien tätig war, im Jahre 1946. Umfassende          1977 wurde die Erwachsenenbildungsforschung auch
politische Differenzen manifestierten sich innerhalb        erstmals in einem interdisziplinären Symposium
der Erwachsenenbildung als Trennung zwischen                thematisiert (vgl. Gattol 1977). Dort konstatierte
allgemeinen und berufsbildenden, bzw. ÖVP- und              Zdarzil, dass die Theorie der Erwachsenenbildung
SPÖ-nahen Institutionen. Diese Spaltungen sowie             vorderhand eine Sammlung von Theorie-Elementen
die verhältnismäßig schleichende Entwicklung der            und reflektierten Alltagserfahrungen darstelle. Da-
Erwachsenenbildung als wissenschaftliche Disziplin          rüber hinaus beklagte er das weitgehende Fehlen
begünstigten „ein theorieskeptisches, wenn nicht            empirischer Untersuchungen zur differenzierten
theoriefeindliches Klima“ (Gruber 2009, S. 4) in-           Wirksamkeit verschiedener Methoden in der Er-
nerhalb der österreichischen Erwachsenenbildung.            wachsenenbildung. Zuletzt fasste er „fünf Berei-
                                                            che der aktuellen Erwachsenenbildungsforschung“
1960er-Jahre                                                zusammen: 1. Einführungen zu generellen Fragen,
                                                            2. Geschichte der Erwachsenenbildung, 3. Frage
Erst in den 1960er-Jahren kam es zu einer stärke-           nach den Zielen, Aufgaben und Funktionen der
ren wissenschaftlichen Verankerung der Erwach-              Erwachsenenbildung, 4. Frage nach der Bildungs-
senenbildungsforschung. Federführend war dabei              fähigkeit und -motivation Erwachsener und 5.
Aladar Pfniß (1919-1992), der als Vorsitzender des          die Frage nach den Methoden und Möglichkeiten
Pädagogischen Ausschusses des Verbandes Öster-              der Erfolgsmessung in der Erwachsenenbildung
reichischer Volkshochschulen die theoretische Er-           (vgl. Zdarzil 1977).
wachsenbildungsforschung entscheidend forcierte.
Pfniß verfolgte eine neuhumanistisch-geisteswis-            Die Forschung auf dem Gebiet der beruflichen
senschaftliche Bildungskonzeption, deren Ziel die           Bildung wurde 1970 durch die Gründung des Ös-
geistig-seelische Selbstverwirklichung des bildsamen        terreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung
Individuums darstellte.                                     (öibf) institutionalisiert. Zudem gründeten die Wirt-
                                                            schaftskammer Österreich und die Industriellenver-
Die außeruniversitäre Erwachsenenbildungsfor-               einigung 1975 das Institut für Bildungsforschung für
schung erhielt im Jahr 1960 mit der Gründung                Wirtschaft (ibw).

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1980er-Jahre                                              Schwerpunkte betrifft, wurden diese (bis zum
                                                          heutigen Tag) nicht selten aus der deutschen The-
Als Meilenstein der Erwachsenenbildungsforschung          oriediskussion importiert. Auch die internationale
gilt die Schaffung der Lehrstühle für Erwachse-           Diskussion um das lebenslange Lernen beeinflusste
nenbildung an den Universitäten Graz (1984) und           die österreichische Erwachsenenbildungsforschung.
Klagenfurt (1985). Damit konnte sich eine systema-        Inhaltlich rückten dadurch lerntheoretische Frage-
tische Verwissenschaftlichung der Erwachsenenbil-         stellungen in den Vordergrund. Zudem wurden da-
dung entwickeln. Ausdruck dieser Systematisierung         mit das Selbstverständnis der Erwachsenenbildung
waren das „Lehrbuch der Erwachsenenbildung“ (vgl.         und ihr Stellenwert im Bildungssystem vermehrt zur
Lenz 1987) und die zunehmende Pluralisierung der          Diskussion gestellt.
Methoden und Theorien an den beiden Standorten.
So konnten sich unterschiedliche Forschungsschwer-        Finanziell ermöglichten die Förderungen auf
punkte, etwa zu Geschlechterfragen, internationaler       EU-Ebene aufwändigere Studien und Projekte sowie
Erwachsenenbildung oder zur gewerkschaftlichen            umfassende statistische Erhebungen. Zu nennen
Bildungsarbeit etablieren.                                sind hier beispielsweise die Adult Education Surveys
                                                          (AES), die in regelmäßigen Abständen die Lernaktivi-
 Zur Systematisierung trugen auch die Projektgruppe       täten Erwachsener erheben. Außerdem liegen durch
„Terminologie der Erwachsenenbildung“ im Auftrag          die Teilnahme Österreichs am „Programme for the
 der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs         International Assessment of Adult Competencies“
 sowie die Gründung der Zeitschrift „Erwachsenen-         (PIAAC) der OECD Daten zu den Schlüsselkompeten-
 bildung in Österreich“ bei. Diese war bis 1995 ein       zen Erwachsener vor. Und schließlich wurde durch
 wichtiges Fachmedium für Theorie- und Praxis-            die internationale Diskussion die Grenze zwischen
 kommunikation innerhalb der österreichischen             bildungspolitischen Handlungsanleitungen und
 Erwachsenenbildung. Seit 2007 führt das Magazin          wissenschaftlichen Analysen mit teils diffuser Be-
 erwachsenenbildung.at dieses unverzichtbare Erbe         griffsverwendung zunehmend verwischt (vgl. Rothe
 weiter.                                                  2011). Diese Entwicklung ist vor einem größeren
                                                          Zusammenhang zu verstehen, wird der Erwachse-
Für die beruflich orientierte Bildungsforschung           nenbildung doch seit den 1990er-Jahren vermehrt
war unter anderem die Gründung des Instituts für          die Aufgabe zugetragen, soziale und ökonomische
Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung an der           Problemlagen mindern oder gar lösen zu können.
Johannes Kepler Universität Linz relevant. Infor-
mationen zu Teilnehmenden in den Einrichtungen            In den 1990er-Jahren stieg die Zahl der Personen,
der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs          die in der universitären und außeruniversitären
(KEBÖ) und in den Österreichischen Volkshochschu-         Erwachsenenbildungsforschung tätig sind. Dies
len liefern die seit 1985 erhobenen und veröffent-        ließ eine – wenn auch überschaubare – For-
lichten KEBÖ- und VHS-Statistiken.                        schungsgemeinschaft entstehen, die durch einen
                                                          engen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis
Trends seit den 1990er-Jahren                             gekennzeichnet ist. Mit der Vervielfältigung der
                                                          erwachsenenbildnerischen Themen ging auch eine
Seit den 1990er-Jahren ist es innerhalb der Erwach-       Erweiterung der „klassischen“ außeruniversitären
senenbildungsforschung zu einer weiteren Plura-           Forschungseinrichtungen (ibw, öibf, IHS, ÖIEB) um
lisierung der Themen, Zielgruppen, Bereiche und           neue, überwiegend anwendungsorientierte Anbie-
Theorien gekommen. Gerade was die theoretischen           terInnen einher.

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Literatur
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Weiterführende Links
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Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 7/8 2009: http://erwachsenenbildung.at/magazin/archiv.php?mid=1519

Dokumentation und Forschung für die Erwachsenenbildung – wo stehen wir heute? Dokumentation eines Workshops des Bundes-
   ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Österreichischen Volkshochschularchivs (hg. von Christian Stifter,
   2001): http://erwachsenenbildung.at/downloads/service/materialien-eb_2001-3_dokumentation_und_forschung.pdf Download (pdf)

Publikationen der Statistik Austria zu Aus- und Weiterbildung (u.a. Adult Education Survey, PIAAC):
   http://www.statistik.at/web_de/services/publikationen/5/index.html

Erwachsenenbildung, Weiterbildung, Lebenslanges Lernen der Statistik Austria (u.a. zu PIAAC): http://www.statistik.at/web_de/
   statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung_und_kultur/erwachsenenbildung_weiterbildung_lebenslanges_lernen/index.html

Österreichisches Volkshochschularchiv: http://www.vhs.at/vhsarchiv-home.html

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Theorien, Methoden und Themen

                 Daniela Holzer

                 Erwachsenenbildungswissenschaft ist wie alle Sozialwissenschaften von
                 vielfältigen Theorien, Methoden und Themen geprägt. Weder gibt es eine
                 spezifische Hauptbezugstheorie, noch einheitliche Methodenverständnisse
                 oder eindeutig feststellbare Hauptthemen. Vielmehr stehen unterschied-
                 liche Verständnisse und Herangehensweisen nebeneinander, zuweilen sich
                 ergänzend, zuweilen aber auch im Widerstreit.

Grundlegende Differenzen zeigen sich in Bezug            einhergehende Erkenntnisinteressen schließen je-
auf Erkenntnis- und Wissenschaftstheorien mit            weils unterschiedliche wissenschaftstheoretische
unterschiedlich ausgerichteten Erkenntnisinteres-        Vorstellungen an, wie Erkenntnis gewonnen werden
sen. Differenzen zeigen sich aber auch im Umgang         kann, wie untersuchte Phänomene beleuchtet und
mit Spannungsfeldern, in die jede Wissenschaft           begründet werden oder welche Schlüsse aus For-
verwoben ist: dem Verhältnis von Theorie und Em-         schungen gezogen werden.
pirie, von Grundlagenforschung und angewandter
Forschung und von Wissenschaft und Praxis. Die           Erkenntnisinteressen
Methodenvielfalt ergibt sich zum einen aus den
divergierenden Zugängen, zum anderen aber auch           Als Erkenntnisinteressen werden – in Anschluss an
aus dem Verständnis, dass erst durch vielfältige         Jürgen Habermas – grundlegend unterschiedliche
Methoden vielseitige und sich ergänzende Ergeb-          Wissenschaftsverständnisse bezeichnet. Solche
nisse hervorgebracht werden können. In all diesen        Erkenntnisinteressen sind deswegen von großer
Dimensionen werden je nach historischem Zeitpunkt        Bedeutung, weil sie relevant dafür sind, mit wel-
unterschiedliche Themen bearbeitet, die hier nur         cher Grundhaltung und welchem Fokus Themen
exemplarisch dargestellt werden können und auch          und Fragestellungen in den Blick genommen werden.
auf ihre internationale Perspektive hin diskutiert       Ein für die Sozialwissenschaften zentraler, bis
werden.                                                  heute relevanter Diskurs zu Erkenntnisinteressen
                                                         wurde im deutschsprachigen Raum durch Vertreter
                                                         der sogenannten „Frankfurter Schule“ unter an-
Wissenschaftstheorien                                    derem im sogenannten Positivismusstreit in den
                                                         1960er-Jahren angestoßen. Dort wurde zwischen
Wissenschaftsverständnisse sind grundlegend              Vertretern des kritischen Rationalismus und je-
bestimmend für die jeweilige Themen- und Me-             nen der Kritischen Theorie eine Kontroverse um
thodenwahl, aber auch für die Einbettung der             die Ziele und Erkenntniswege von Wissenschaft
jeweiligen Forschung in gesamtgesellschaftliche          geführt. Ein grundlegender Unterschied zwischen
Zusammenhänge, in politische und praktische Kon-         den Zugängen „traditioneller“ und „kritischer“
texte. An Wissenschaftsverständnisse und damit           Wissenschaft (eine von Max Horkheimer geprägte

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Unterscheidung) liegt in deren Zielen. Während              Wissenschaftstheorien sind in den seltensten Fällen
„traditionelle“ Wissenschaft nach Problemlösungen            auf einen spezifischen Fachbereich beschränkt. Viel-
 innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Bedin-         mehr bilden Wissenschaftstheorien eine Art Grund-
 gungen und Verhältnissen sucht, stellt sich kritische       systematik vieler Wissenschaften, die dann je nach
 Wissenschaft die Aufgabe, die gesellschaftlichen            Fachgebiet spezifische Forschungsthemen aufgrei-
 Verhältnisse selbst mit in den Blick zu nehmen und          fen. Es gibt daher keine spezifisch auf Erwachsenen-
 zu verändern. Weitere Streitpunkte waren und                bildungsforschung bezogene Wissenschaftstheorien,
 sind z.B. Wege und Herrschaftsdimensionen der               aber es lassen sich einige Richtungen ausmachen,
 Erkenntnisgewinnung.                                        die im Feld derzeit stärker präsent sind.

Jürgen Habermas, ein Vertreter der Kritischen                Faulstich und Zeuner (2009) benennen fünf Grund-
Theorie, prägte Ende der 1960er-Jahre den Begriff            richtungen theoretischer Begründungen: geistes-
der Erkenntnisinteressen. Er unterschied drei                wissenschaftliche Pädagogik, analytisch-empirische
Richtungen: erstens das technische Erkenntnis-               Erziehungswissenschaft, Kritische Theorie, konst-
interesse empirisch-analytischer Wissenschaften,             ruktivistische Ansätze und pragmatische Zugänge.
das auf instrumentelle Anwendung ausgerichtet                Diese sind weitgehend historisch in dieser Rei-
ist, zweitens das praktische Erkenntnisinteresse             henfolge nach und nach nebeneinandergetreten.
historisch-hermeneutischer Wissenschaften, das an            Unter jeder Richtung versammeln sich allerdings
Handlungen und Kommunikation orientiert ist und              weitere theoretische Ausdifferenzierungen, z.B.
drittens das emanzipatorische Erkenntnisinteresse            poststrukturalistische, bildungstheoretische oder
kritischer Wissenschaften, das freiheitsorientiert           subjektwissenschaftliche Zugänge bei den kritischen
radikale Veränderungen gesellschaftlicher Verhält-           Theorien.
nisse anstrebt.
                                                             Dominant sind in der Erwachsenenbildungsfor-
Mit den jeweiligen Erkenntnisinteressen sind                 schung derzeit analytisch-empirische Ansätze mit
demnach unterschiedliche Vorstellungen von                   einem instrumentellen Erkenntnisinteresse. Andere
Gesellschaft, von Menschen, aber auch von For-               Zugänge sind aber weiterhin vorzufinden und in
schungsmethoden und politischen Bewertungen                  den letzten Jahren haben beispielsweise kritische
verbunden, auch wenn sich zahlreiche Überschnei-             Zugänge wieder etwas stärkere Wirkmächtigkeit.
dungen finden. Grundfragen unterschiedlicher
Interessen beziehen sich aber beispielsweise auf             Nachbardisziplinen
Fragen von Wertfreiheit oder Beurteilung, von De-
skription oder Normativität oder von Optimierung             Erwachsenenbildungswissenschaft ist eng mit eini-
oder Überwindung gesellschaftlicher Bedingungen.             gen Nachbardisziplinen verknüpft. Dies ergibt sich
Wissenschaft und Forschung sind demnach nicht                einerseits aus gemeinsamen Theoriebezügen und
von grundlegenden Haltungen zu trennen und vor               andererseits daraus, dass Themen in verschiedenen
diesem Hintergrund einzuschätzen, auch wenn diese            Disziplinen aufgegriffen werden und sich gegen-
nicht explizit formuliert und offengelegt sind.              seitig ergänzen. Besonders häufige und relevante
                                                             Nachbardisziplinen sind beispielsweise: Soziologie,
Wissenschaftstheorien                                        Psychologie, Philosophie, Teilbereiche der Wirt-
                                                             schafts- und Rechtswissenschaften, Ethnologie oder
Während Erkenntnisinteressen zunächst nur grobe              Geschichte.
Unterschiede verdeutlichen, zeigen sich weitere
Differenzierungen von wissenschaftlichen Zugängen
in der Ausformulierung von Wissenschaftstheorien.            Spannungsfelder
Die jeweiligen wissenschaftstheoretischen Ausrich-
tungen prägen bereits Fragestellung, Themenwahl              Sämtliche Wissenschaften sind von Spannungsfel-
und Methoden, sind aber vor allem dahingehend                dern durchzogen, in denen es neben wissenschafts-
relevant, dass die jeweils untersuchten Phänomene            internen Fragen auch um Ressourcenfragen und
anders erklärt werden.                                       Fragen der Verantwortung von Wissenschaft geht.

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Spannungsfelder sind beispielsweise das Verhältnis        wodurch Theorieentwicklung zu einer Nebensäch-
von Theorie und Empirie, von Grundlagenforschung          lichkeit wird bzw. primär in universitären Kon-
und angewandter Forschung und von Wissenschaft            texten mit stabiler Grundfinanzierung stattfinden
und Praxis.                                               kann. Aber selbst dort ist das Bild wie insgesamt
                                                          vorherrschend: Forschung wird mit empirischer
Theorie und Empirie                                       Forschung gleichgesetzt.

Theorie und Empirie sind zwar kaum voneinander            Grundlagenforschung und
zu trennen, sondern stehen vielmehr in einer engen        anwendungsorientierte Forschung
Wechselwirkung. Dennoch öffnet sich ein Span-
nungsfeld dahingehend, in welche Richtung sich            Ein zweites Spannungsfeld ist jenes zwischen
Forschung orientiert, mit welchen Erklärungen Phä-        Grundlagenforschung und anwendungsorientierter
nomene betrachtet werden und wie Erkenntnisse             Forschung. Diese Termini sind zwar eher aus na-
generiert werden.                                         turwissenschaftlichen und technischen Disziplinen
                                                          vertraut, spielen aber auch in der Erwachsenen-
Grundsätzlich ist weder Theorie ohne Empirie,             bildungsforschung eine Rolle. Hier ist zwar selbst
noch Empirie ohne Theorie möglich. Theorien sind          Grundlagenforschung in gewisser Weise anwen-
Zusammenstellungen von Erklärungssätzen, von              dungsorientiert, ist doch das beforschte Feld selbst
Systematiken, von Einordnungen. Theorien suchen           ein Handlungsfeld. Aber dennoch sind Forschungen
nach Begründungen für Phänomene, versuchen                in unterschiedlicher Ausprägung auf konkrete
bereits vorhandene theoretische und empirische            Umsetzung ausgerichtet. Grundlagenforschung
Erkenntnisse in neue Erklärungsmodelle zu gießen,         beschäftigt sich beispielsweise mit Grundbegrif-
aber auch über bisher Vorhandenes hinauszuden-            fen oder mit philosophischen und gesellschafts-
ken. Theorien können auf der Basis empirischer            theoretischen Aspekten. Anwendungsorientierte
Ergebnisse, auf der Grundlage anderer Theorien            Forschung ist hingegen enger in Praxiszusammen-
oder mittels spekulativen denkerischen Prozessen          hänge eingebunden, beispielsweise in gemeinsamen
ausgearbeitet werden. Empirie ist jener Wissen-           Entwicklungsprojekten.
schaftsbereich, der sich mit unterschiedlichsten
Methoden der Erfassung untersuchter Phänomene             Die beiden Forschungsbereiche sind in gleicher Weise
widmet. Empirische Forschung reicht von histori-          notwendig und bedeutsam. Kontroversen, Vorwürfe
schen Quellenstudien über quantitative bis hin zu         und Vorbehalte bleiben dennoch nicht aus und die
qualitativen Datenerhebungen und -auswertungen.           Argumentationslinien entspannen sich wiederum
                                                          häufig entlang von unterschiedlichen Erkenntnisin-
Theorie und Empirie sind aufeinander angewiesen.          teressen und wissenschaftstheoretischen Zugängen
Empirische Forschungen verlangen nach theore-             (siehe im Kapitel „Wissenschaftstheorien“). Der
tischer Einbettung und bringen selbst zuweilen            Grundlagenforschung wird wissenschaftsintern und
Theorien hervor. Theorien sind auf empirische             von der Praxis zuweilen Irrelevanz und zu geringe
Daten angewiesen, um ihre Gültigkeit reflexiv zu          Praxisorientierung vorgeworfen, mit einem Unter-
prüfen und Theorien können Ausgangspunkte für             ton der Nutzlosigkeit. Der anwendungsorientierten
empirische Fragestellungen sein.                          Forschung wird zuweilen vorgeworfen, zu empirisch
                                                          orientiert und theoriefern zu sein oder auch zu
Dennoch stehen Theorie und Empirie in einem nicht         verwertungsorientiert und systemreproduzierend.
immer konfliktfreien Spannungsverhältnis. Nicht
zuletzt geht es dabei um Fragen, welcher Bereich          Wissenschaft ist aber auf das Zusammenspiel beider
bedeutsamer sei oder um Lücken, die dem jeweils           Elemente angewiesen und zahlreichen Forschungen
anderen Feld vorgeworfen werden. Aktuell sind             gelingen entsprechende Übergange. Problematisch
in der Erwachsenenbildungsforschung empirische            ist allerdings, dass in geförderten Projekten an-
Ausrichtungen deutlich im Vordergrund. Dies zeigt         wendungsorientierte Forschung deutlich im Vorder-
sich z.B. daran, dass Forschungsprojekte ohne             grund steht, Grundlagenforschung hingegen stark
empirische Teile derzeit kaum finanziert werden,          ausschließlich in die Universitäten verdrängt wird

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und selbst dort aufgrund der stärkeren Drittmittel-           und der politischen EntscheidungsträgerInnen All-
orientierung rückläufig ist.                                  tag, ob in Forschungs- und Entwicklungsprojekten,
                                                              Fachtagungen oder anderen Orten des Austauschs.
Wissenschaft und Praxis                                       Der Nachteil liegt darin, dass vertiefende wissen-
                                                              schaftliche Diskurse innerhalb Österreichs zuweilen
Das Spannungsfeld von Wissenschaft und Praxis                 kaum möglich sind, was aber durch internationale
eröffnet sich in Fragen des Zusammenspiels der                Anbindungen wettgemacht wird. Der Vorteil liegt
beiden Felder. Erwachsenenbildungsforschung ist               allerdings im engen Austausch zwischen den beiden
als Wissenschaft eines konkreten Handlungsfelds               Bereichen und in der ständigen Konfrontation mit
in hohem Maß an das Praxisfeld gebunden. For-                 dem Spannungsfeld Wissenschaft und Praxis.
schung richtet sich im weitesten Sinn auf Fragen
des Praxisfeldes, wenn auch nicht ausschließlich
in direkt angewandter Form (siehe oben). Erwach-              Methodenvielfalt
senenbildungspraxis hingegen stellt Fragen an die
Wissenschaft und greift neue Erkenntnisse aus der             Erwachsenenbildungsforschung ist von einer gro-
Forschung auf.                                                ßen Methodenvielfalt geprägt. Auf der empirischen
                                                              Ebene umfasst diese historische, z.T. hermeneu-
Dennoch stehen Wissenschaft und Praxis in einem               tische, quantitativ-statistische und vielfältige
nicht konfliktfreien Spannungsverhältnis. Auch hier           qualitativ-empirische Methoden. Nicht-empirische
sind wiederum gegenseitige Vorwürfe vorhanden,                Vorgehensweisen werden zwar selten als Methoden
beispielsweise: Praxis sei zu theoriefern und greife          ausgearbeitet und benannt, aber dennoch ebenso
neueste Erkenntnisse zu wenig auf. Forschung sei zu           angewendet, beispielsweise Literaturanalysen und
praxisfern und liefere nicht ausreichend umsetzbare,          denkend-reflexive Theorieentwicklung. Unterschied-
praxisrelevante Antworten.                                    liche Methoden werden teilweise sich ergänzend
                                                              und bereichernd eingesetzt, teilweise werden aber
Keiner der Vorwürfe ist gänzlich von der Hand zu              auch strenge Abgrenzungen vorgenommen, in de-
weisen. Sie beruhen aber teilweise auf der Nicht-             nen auch ein Streit um die „Wissenschaftlichkeit“
akzeptanz der Unterschiede zwischen den beiden                und Bedeutung der jeweiligen Methoden geführt
Feldern. So unterliegen Forschung und Praxis                  wird.
beispielsweise unterschiedlichen Zeitmustern: Bis
Fragen aus der Praxis in der Forschung aufgegriffen           Empirische Methoden
werden können und bis neue Ergebnisse vorliegen,
sind relativ lange Zeiträume erforderlich, während            Der Begriff der „Empirie“ generiert sich daraus, di-
Praxis häufig kurzfristiger agieren muss. Zudem hat           rekte Erfahrung und den Sinnen zugängliche Wahr-
Forschung nicht nur die Aufgabe, konkrete Problem-            nehmung erfassen zu können, was auch heißt, in
stellungen aus der Praxis aufzugreifen, sondern sich          der Deskription des Wahrnehmbaren zu verbleiben.
auch grundlegenderen Fragen zu widmen, die nicht              Heute umfasst Empirie hingegen auch, Verborgenes
direkt handlungsrelevant sind. Und Praxis wiederum            oder Sinnzusammenhänge sichtbar und verstehbar
hat häufig nicht ausreichende Ressourcen, um sich             zu machen.
in wissenschaftliche Erkenntnisse ausführlich ein-
zuarbeiten, um sie in die Arbeit einfließen zu lassen.        Gemeinsamer Ausgangspunkt empirischer Metho-
                                                              den sind Erhebungen im Forschungsfeld, mit denen
In Österreich ist dennoch eine enge Zusammenar-               Daten generiert werden, die differenziert ausge-
beit von Wissenschaft und Praxis wahrzunehmen.                wertet werden. Die Datenerhebung erfolgt je nach
Nicht zuletzt aufgrund der Überschaubarkeit des               Methodenausrichtung und Auswertungsvorhaben
Forschungsfeldes ist es in Österreich – im Unter-             unterschiedlich, was sich allerdings weniger in
schied z.B. zu Deutschland – gar nicht möglich, aus-          der Erhebungsmethode an sich – z.B. Fragebogen,
schließlich wissenschaftlichen Austausch zu pflegen.          Interviews, Beobachtung –, sondern vor allem in
Vielmehr ist die Zusammenarbeit mit der Praxis auf            der Ausformung der jeweiligen Erhebungsmethode
den Ebenen der Erwachsenenbildungseinrichtungen               niederschlägt. Quantitativ-empirische Methoden

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erfordern statistisch auswertbare Daten, während             basiert die Methodenwahl auch auf der zu Grunde
in qualitativen Methoden unterschiedlichste Erhe-            gelegten wissenschaftstheoretischen Ausrichtung,
bungen zur Anwendung kommen. Bereits die Vielfalt            wenn beispielsweise quantitativ-statistische Me-
an Interviewformen verweist auf die Vielfalt der             thoden als einzig wissenschaftliche anerkannt
Einsetzbarkeit: standardisierte, teilstandardisierte,        werden.
expertInnenorientierte, biographische, narrative
Interviews etc. Historische und hermeneutische               Inzwischen sind Methodenkombinationen zuneh-
Methoden greifen hingegen weniger auf direkte                mend häufiger anzutreffen. Diese Kombination kann
Erhebungsinstrumente zurück, sondern widmen sich             entweder im Forschungsprozess selbst umgesetzt
beispielsweise historischen Dokumentenanalysen,              werden, indem eine Fragestellung mit mehreren
der Archivarbeit, der fokussierten Literaturauswer-          Methoden bearbeitet wird, um jeweils methoden-
tung etc.                                                    spezifische Lücken ausgleichen zu können. Kombi-
                                                             nationen sind aber auch dahingehend wirksam, dass
Nicht-empirische Methoden                                    ein bestimmtes Forschungsfeld in unterschiedlichen
                                                             Studien mit unterschiedlichen Methoden bearbeitet
Auch wenn unter „Methoden“ in den meisten Fällen             wird, die erst in der Zusammenschau ein komplet-
ausschließlich empirische Methoden verstanden                teres Bild ergeben.
werden, so generiert Wissenschaft ihre Erkenntnisse
doch vielfach ebenso aus nicht-empirischen Metho-            Methodenstreit
den. Diese Methoden sind jedoch in den seltensten
Fällen explizit benannt oder als eigene wissenschaft-        Obwohl unterschiedliche wissenschaftliche Me-
liche Methoden ausgearbeitet. Die Anerkennung                thoden erst im Zusammenspiel ein Forschungsfeld
als eigenständige und wissenschaftliche Methoden             umfassend erschließen können, gibt es zwischen
ist entsprechend gering entwickelt und spezifische           einzelnen „Schulen“ zahlreiche Streitpunkte. We-
Bezeichnungen fehlen weitgehend. Insbesondere                sentliche Konfliktpunkte zeigen sich beispielsweise
in studentischen Arbeiten ist dann häufig von so-            darin, ob andere Methoden als wissenschaftlich
genannten „Literaturarbeiten“ die Rede.                      anerkannt werden. Hierfür werden Kriterien der
                                                             Wissenschaftlichkeit ins Feld geführt, die je nach
Die Methodendiskussion weist also große Lücken               Zugang äußerst unterschiedlich gesehen werden.
dahingehend auf, nicht-empirische Methoden                   Quantitativ-statistisch orientierte ForscherInnen
auszuarbeiten, zu benennen und deren Rolle                   bemängeln beispielweise an qualitativen Metho-
und Bedeutung zu fundieren, obwohl diese einen               den häufig deren zu subjektive Komponente, die
nicht-unerheblichen Teil der Erkenntnisgewinnung             als unwissenschaftlich abgelehnt wird. Hingegen
ausmachen. Beispielsweise erfolgt Theorieentwick-            verweisen qualitativ orientierte ForscherInnen auf
lung vielfach entlang von spezifischen Denkpro-              unzureichende Möglichkeiten des Verstehens und
zessen und viele Forschungsarbeiten basieren auf             Ursachenerklärens von quantitativen Forschungen.
eingehenden Literatur- und Dokumentenanalysen,               Nicht-empirische Methoden werden als eigenstän-
auf Theorie- und Empiriediskussionen und auf dem             dige wissenschaftliche Methoden hingegen beinahe
reflexiven Zusammenführen von unterschiedlichen              vollständig ausgeblendet.
Ansätzen und Ergebnissen.
                                                             Der Methodenstreit verläuft dabei bei genauerem
Zusammenspiel von Methoden                                   Blick aber weniger entlang einzelner Methoden,
                                                             sondern primär entlang von unterschiedlichen Er-
Die Wahl von Forschungsmethoden basiert auf                  kenntnisinteressen und wissenschaftstheoretischen
den jeweiligen Forschungsfragen, denn je nach                Zugängen. Empirisch-analytische Wissenschaften
Forschungsziel sind entsprechende Methoden zu                stehen beispielsweise mit ihren Paradigmen der
wählen. Zugleich aber sind ForscherInnen häufig              Objektivität und Reproduzierbarkeit notwendiger-
auf Methoden spezialisiert und entsprechend                  weise in Opposition zu kritischen Wissenschaften
werden dann Forschungsfragen verfolgt, die mit               mit ihren Paradigmen der Gesellschaftskritik und
diesen Methoden bearbeitbar sind. Nicht zuletzt              urteilenden Normativität.

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Themen: Kontinuitäten und Konjunkturen                     Studien von Strzelewicz, Schulenberg und anderen
                                                           in den 1960er- und 1970er-Jahren (Hildesheimer,
Die Forschungsthemen in der Erwachsenenbildungs-           Göttinger und Oldenburger Studie). Weiteren
forschung weisen einerseits gewisse Kontinuitäten          Einfluss auf Schwerpunktverlagerungen nehmen
auf und unterliegen andererseits Konjunkturen, da          Theorie- und Methodenentwicklungen in anderen
zu bestimmten Zeiten manche Forschungsschwer-              Disziplinen, die in der Erwachsenenbildungsfor-
punkte stärker in den Vordergrund treten. Dennoch          schung aufgegriffen werden. Für Themenkonjunk-
bleibt insgesamt eine Vielfalt an Forschungsthemen,        turen relevant werden zudem Entwicklungen in
wenn auch zeitweise eher am Rande, erhalten.               der Erwachsenenbildung, wenn beispielsweise
                                                           Veränderungen in der Einrichtungslandschaft
Grundthemen                                                unter anderem zu Fragen von Qualität und Pro-
                                                           fessionalisierung führen. Ein nächster Einfluss sind
Erwachsenenbildungsforschung lässt sich in gewisse         gesellschaftliche Entwicklungen, die beispielsweise
Grundthemen einteilen, die das Forschungsfeld bzw.         in den 1970er-Jahren kritisch-emanzipatorische The-
das beforschte Feld strukturieren. Diese verbleiben        men oder in jüngster Zeit Auseinandersetzungen
notwendigerweise eher allgemein und werden in              mit der Migrationsgesellschaft hervorriefen. Und
vielfältige Richtungen bearbeitet.                         nicht zuletzt werden über Förderschwerpunkte
Grundlinien der Erwachsenenbildungsforschung               bildungspolitisch bestimmte Segmente forciert,
korrespondieren direkt mit Entwicklungen in der            beispielsweise Fragen um das lebenslange Lernen
Erwachsenenbildung und mit gesellschaftlichen              oder der Arbeitsmarktqualifizierung.
Entwicklungen, bleiben aber in der Grundrichtung
weitgehend stabil. Mögliche Grundfragen sind: bil-         Aktuelle Forschungsschwerpunkte
dungsphilosophische Überlegungen, Verhältnis von
Erwachsenenbildung und Gesellschaft, politische            Aktuelle Forschungsschwerpunkte konkret zu
Entwicklungen, Ungleichheit, Arbeit und Beruf, Er-         benennen ist insofern problematisch, als dass
wachsenenbildungslandschaft, Lernen und Lehren,            Veränderungen zuweilen sehr rasch erfolgen kön-
Erwachsenenbildungspolitik, Ressourcen etc.                nen, wodurch die folgende Darstellung bereits in
                                                           kürzester Zeit bereits wieder überholt sein könnte.
Schwerpunktverlagerungen                                   Gesellschaftliche Entwicklungen sind dafür ebenso
                                                           ausschlaggebend wie politische Steuerungen
In der Erwachsenenbildungsforschung sind über die          und unabsehbare Entwicklungen in der Erwach-
Jahrzehnte neben den Grundlinien auch bestimmte            senenbildung. Zudem schließt jede Aufzählung
Themenkonjunkturen und Schwerpunktverlage-                 notwendigerweise vielzählige weitere vorhandene
rungen auszumachen. Die Anfänge der Erwach-                Forschungsthemen aus. Im Bewusstsein dieser
senenbildungsforschung liegen beispielsweise in            Schwierigkeit und damit der Unabgeschlossenheit
Erhebungen der TeilnehmerInnenstruktur. Mit der            und Unzulänglichkeit sollen dennoch einige Themen
Etablierung und Verbreiterung des Forschungsfeldes         benannt werden, die aktuell besonders stark im
traten zunehmend neue Themen und Schwerpunkte              Forschungsfokus stehen.
hinzu, bis das gesamte Feld der Erwachsenenbildung
zumindest in Ansätzen forschend in den Blick ge-           In den letzten Jahren relativ stabile
nommen wurde.                                              Themenschwerpunkte:

Schwerpunktverlagerungen sind unterschiedlichen            • Basisbildung/Alphabetisierung
Ursachen geschuldet. Einfluss nehmen beispielsweise        • Beratung (Bildungsberatung, Berufsberatung etc.)
die Interessen von ForscherInnen selbst, die be-           • Kompetenzentwicklung und -feststellung (Euro-
stimmte Aspekte in den Mittelpunkt rücken, die               päischer und nationale Qualifikationsrahmen,
insbesondere dann schwerpunktrelevant werden,                Kompetenzorientierung, Kompetenzmessungs-
wenn sie besonderes Aufsehen in der Forschungs-              verfahren etc.)
gemeinschaft erregen. Hierzu zählen beispielsweise         • Lernen (Lerntheorien, Didaktik, außerinstitutio-
die ersten umfassenden bildungssoziologischen                nelle Lernformen und -orte etc.)

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• Professionalisierung (Aus- und Weiterbildung             und entsprechend sind internationale Perspektiven
  von ErwachsenenbildnerInnen, institutionelle             auszumachen.
  Öffnungen und Schließungen hinsichtlich des
  pädagogischen Personals etc.)                            Globale Entwicklungen und Perspektiven
• Qualifizierung von Arbeitskräften (Qualifizierung
  von Erwerbsarbeitslosen, Qualifikationsanpas-            Internationale Aspekte lassen sich in der Erwachse-
  sungen an Arbeitsmarktveränderungen etc.)                nenbildungsforschung bereits aus dem Grund nicht
• Qualitätsentwicklung (Qualitätsmanagement,               ausblenden, weil gesellschaftliche Entwicklungen
  Zertifizierungssyteme etc.)                              nicht regional begrenzt sind, sondern – unter dem
• Teilnehmende (Weiterbildungsstatistiken, Inter-          Schlagwort der „Globalisierung“ vertraut – in welt-
  essen, Ausschluss und Zugang etc.)                       umspannenden Zusammenhängen stattfinden. Über
• Generationen und Alter(n) (Erwachsenenbildung            den kapitalistischen Weltmarkt und wirtschaftliche
  nach der Erwerbsphase, Bildung im hohem Alter            und politische Verflechtungen verbunden, können
  etc.)                                                    regionale und nationale Entwicklungen niemals nur
                                                           aus diesem Binnenraum heraus betrachtet werden,
Aktuell neuere Themenschwerpunkte:                         sondern sind immer in deren globalem Kontext
                                                           zu betrachten und zu reflektieren. Diese Aspekte
• Erwachsenenbildung in der Migrationsgesell-              bleiben dennoch häufig ausgeblendet und globale
  schaft (als Auswirkung der verstärkten Migrati-          Auswirkungen und Zusammenhänge von regionalen
  onsbewegungen ab 2015)                                   Politiken und Entscheidungen, z.B. in Österreich
• Lernen/Bildung und soziale Bewegungen (v.a.              oder Europa, werden ignoriert. Dies zeigt sich bei-
  im Anschluss an neue Bewegungen im Zuge der              spielsweise an Diskussionen um die Wissensgesell-
  kapitalistischen Krise seit 2008)                        schaft und veränderten Arbeitsmarktbedingungen.
• PIAAC (international vergleichende Kompetenz-            Die Zunahme im Dienstleistungssektor und der
  messung bei Erwachsenen, „PISA für Erwachsene“)          Rückgang an produzierenden Industrien sind nicht
                                                           davon zu trennen, dass Produktion international
                                                           ausgelagert wird.
Internationale Perspektiven                                In manchen bildungspolitischen Bereichen sind
                                                           hingegen internationale Verknüpfungen zumindest
Erwachsenenbildungsforschung ist aufgrund der              in manchen Aspekten selbstverständlich. Beispiels-
engen Verknüpfung mit erwachsenenbildungsprak-             weise spielen supranationale Organisationen wie die
tischen und -politischen Kontexten häufig regional,        UNESCO oder die OECD eine Rolle für bildungspoliti-
national oder auf bestimmte internationale Räume           sche Entwicklungen, was am Beispiel der Geschichte
(z.B. EU) begrenzt. Österreichische Erwachsenen-           des „lebenslangen Lernens“ deutlich wird. Und auch
bildungsforschung greift beispielsweise zahlreiche         in der Bildungsberichterstattung sind Studien aus
regionale, bundeslandbezogene oder nationale               diesen Organisationen eine Selbstverständlichkeit.
österreichische Entwicklungen auf. Traditionell
stark ist die österreichische Erwachsenenbildungs-         In einigen auch in der Erwachsenenbildungsfor-
forschung darüber hinaus mit der Forschung in              schung vertretenen wissenschaftstheoretischen
Deutschland verbunden, die allein aufgrund ihrer           und inhaltlichen Bereichen wird hingegen eine
Größenordnung, aber auch aufgrund von einigen              explizit globale Perspektive vertreten. Neben
Ähnlichkeiten mit Österreich zahlreiche relevante          globalisierungskritischen Themenfeldern sind bei-
Forschungsergebnisse hervorbringt, die in Öster-           spielsweise postkoloniale Theorien zu nennen, die
reich aufgegriffen werden. Darüber hinaus ist über         sich kritisch mit Fragen der westlichen Dominanz
bildungspolitische Steuerungen und Förderpolitiken         auseinandersetzen.
der EU der Europäische Raum ein relevanter Fokus.
In wissenschaftstheoretischen, erwachsenenbil-             Einflüsse aus anderen Weltregionen
dungstheoretischen, methodischen, aber auch
einigen thematischen Aspekten ist hingegen eine            Der wechselseitige wissenschaftliche Austausch
örtliche Eingrenzung weder sinnvoll noch gegeben           zwischen Weltregionen ist je nach Themenfeld

                                                      14
und oft abhängig von Interessen der einzelnen                       Erwachsenenbildungsforschung ist in den meisten
ForscherInnen unterschiedlich stark ausgeprägt.                     Ländern eigensprachlich orientiert, eine übergrei-
Beispielhaft wäre zu nennen, dass österreichische                   fende Sprache, wie beispielsweise das Englische
WissenschaftlerInnen ihr Forschungsinteresse auf                    in den technischen oder naturwissenschaftlichen
ausgewählte Regionen außerhalb Europas richten.                     Disziplinen, ist nicht vorhanden. Der Austausch
                                                                    und der gegenseitige Einfluss sind daher vielfach
Aber auch wissenschaftliche Entwicklungen außer-                    von Übersetzungen abhängig. Selbst englischspra-
halb Europas werden, wenn auch nicht sehr ausge-                    chige Forschungen werden bislang in Österreich
prägt, in Österreich wahrgenommen. Beispielhaft                     noch nicht im möglichen Umfang wahrgenommen,
wäre die starke Aufmerksamkeit, die Paolo Freires                   solange sie nicht in deutschsprachiger Übersetzung
Arbeit in den 1970er-Jahren in der Wissenschaft                     vorliegen.
und Praxis in Österreich fand. Ein weiterer, eher
stärker ausgeprägter Austausch findet aktuell in der                Die Ausweitung auf globale Perspektiven und inter-
Erwachsenenbildungsforschung beispielsweise mit                     nationalen Austausch birgt das Potenzial der Erwei-
den USA und Kanada statt, was nicht zuletzt durch                   terung des Blickes auf Diskurse und Erkenntnisse mit
Austauschprogramme gefördert wird.                                  jeweils anderen historischen und gesellschaftlichen
                                                                    Hintergründen. Theoretische, methodische, aber
Grenzen und Potenziale                                              auch inhaltliche Verbreiterungen und reflexive
                                                                    Prüfungen der eigenen Perspektive können für
Grenzen für den internationalen Austausch stellen                   Weiterentwicklungen und Relativierungen relevant
häufig sprachliche Barrieren dar. Während eng-                      werden. Zudem bergen umfassendere Perspektiven
lischsprachige Regionen für die österreichische                     das Potenzial, globale gesellschaftliche Zusam-
Erwachsenenbildungsforschung leicht zugänglich                      menhänge zu erkennen und für globale Problem-
sind, sind andere Sprachregionen weitgehend ver-                    stellungen zu sensibilisieren, z.B. dafür, inwiefern
schlossen, wenn nicht die jeweiligen Wissenschaftle-                westlicher Wohlstand auf der Ausbeutung anderer
rInnen über spezifische Sprachkenntnisse verfügen.                  Weltregionen beruht.

Literatur
MAGAZIN erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs: Theorie und Forschung. Facettenreich,
  traditionsbewusst und innovativ. Ausgabe 7/8, 2009. Wien. Online im Internet:
  http://www.erwachsenenbildung.at/magazin/09-7u8/meb09-7u8.pdf

Zeuner, Christine / Faulstich, Peter (2009): Erwachsenenbildung – Resultate der Forschung: Entwicklung, Situation und Perspekti-
   ven. Weinheim: Beltz.

Weiterführende Links
Aktuelles: http://erwachsenenbildung.at/aktuell/

Forschungsmemorandum für die Erwachsenen- und Weiterbildung der DGfE:
    http://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Sektionen/Sek09_ErwB/forschungsmemorandum_2000.pdf

Forschungslandkarte des DIE (Sammlung von Projekten ohne Vollständigkeitsanspruch):
    https://www.die-bonn.de/weiterbildung/Forschungslandkarte/

Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft: http://erwachsenenbildung.at/themen/migrationsgesellschaft/

OECD Education: http://www.oecd.org/education/

Paolo Freire Zentrum: http://www.pfz.at/

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