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Dossier erwachsenenbildung.at Wissenschaft und Forschung in der Erwachsenenbildung Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka April 2017
Dossier erwachsenenbildung.at Wissenschaft und Forschung in der Erwachsenenbildung Autorin: Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka April 2017 Online verfügbar unter: www.erwachsenenbildung.at/themen/eb_in_der_eu Zitierhinweis: Text: : CC BY Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka (2017), auf www.erwachsenenbildung.at,April 2017
Inhaltsverzeichnis 01 Wissenschaft und Forschung 02 02 Geschichte 03 Erste Schritte | Etablierung und Ausdifferenzierung Theorien, Methoden und Inhalte 03 Wissenschaftstheorien | Sannungsfelder | Methodenvielfalt | Themen: Kontinuitäten und Konjunkturen | Internationale Perspektiven 08 04 Finanzierung 17 Finanzierungsformen | Forschungsfinanzierende Einrichtungen Wissenschaft als Beruf 05 Arbeitsverhältnisse | Einstiege und Karrierewege | Berufliche Anforderungen 24 Forschungsstätten und -netzwerke 06 Universitäten und Hochschulen | Außeruniversitäre Forschung | Netzwerke in Österreich | Netzwerke International 31 Wissenschaftskommunikation 07 Publikationsorgane | Wissenschaftliche Veranstaltungen 42 08 Literatur und Links 48 www.erwachsenenbildung.at/themen/eb_in_der_eu
Wissenschaft und Forschung Daniela Holzer, Karin Gugitscher und Christoph Straka Wissenschaft und Forschung sind in der Erwachsenenbildung traditionell eng mit dem praktischen und politischen Handlungsfeld verbunden und stellen doch einen eigenen Handlungsbereich dar. Als Wissenschaft hat sie sich zwar erst seit den 1960er-Jahren umfangreicher entwickelt und seit den 1970er- und 1980er-Jahren etabliert. Inzwischen gilt sie weitgehend unumstritten als eigene Teildisziplin der Erziehungs- und Bildungswissen- schaften, hat aber auch zahlreiche Übergänge zu anderen Disziplinen, in denen Fragen der Erwachsenen- und Weiterbildung wissenschaftlich erkundet werden. Wissenschaft und Forschung sind in der Erwachse- Themenbereichen, in denen Entwicklungen in der nenbildung traditionell eng mit dem praktischen Erwachsenenbildung aufgegriffen, aber auch an- und politischen Handlungsfeld verbunden und gestoßen werden. stellen doch einen eigenen Handlungsbereich dar. Als Wissenschaft hat sie sich zwar erst seit den Das folgende Themendossier gibt einen kurzen 1960er-Jahren umfangreicher entwickelt und seit Einblick in einige ausgewählte Aspekte von den 1970er- und 1980er-Jahren etabliert. Inzwischen Wissenschaft und Forschung, angefangen von gilt sie weitgehend unumstritten als eigene Teildis- der Geschichte und wissenschaftstheoretischen ziplin der Erziehungs- und Bildungswissenschaften, Grundfragen, über organisatorische, finanzielle hat aber auch zahlreiche Übergänge zu anderen und berufliche Rahmenbedingungen bis hin zu Disziplinen, in denen Fragen der Erwachsenen- und Forschungsthemen und zur Zugänglichkeit von Weiterbildung wissenschaftlich erkundet werden. Erkenntnissen und Ergebnissen. Erwachsenenbildungswissenschaft verfügt inzwi- Im Fokus liegen österreichische Entwicklungen und schen über einen ausdifferenzierten und umfangrei- Bedingungen, insbesondere bei Fragen der Finanzie- chen Wissens- und Erkenntnisbestand zu vielfältigen rung und der beruflichen Rahmenbedingungen. In Themen, ist universitär und außeruniversitär ins- den Bereichen der Organisierung und Vernetzung, titutionalisiert und kann auf einen ausgeprägten der Publikationen und der Themen wird der Blick Fundus von Theorien und Methoden zurückgreifen, hingegen auf deutschsprachige Länder bzw. euro- die eng mit anderen sozialwissenschaftlichen Fel- päische Kontexte erweitert. Wissenschaftstheore- dern korrespondieren. Forschungen widmen sich tische, methodische, aber auch einige thematische dabei vielfältigen Fragestellungen, von Begriffs- und berufsbezogene Aspekte sind hingegen nicht diskussionen über das Verhältnis von Gesellschaft per se örtlich begrenzt. Dementsprechend werden und Erwachsenenbildung bis hin zu spezifischen einige internationale Bezüge hergestellt. 2
Geschichte Christoph Straka Die Erwachsenenbildungsforschung ist mit ihren Anfängen um 1900 ein verhältnismäßig junges Wissenschaftsfeld. Einer der Gründe dafür ist im spezifischen Entstehungsprozess der Erwachsenenbildung zu finden. Diese entwickelte sich durch lokale Kräfte „von unten“ (vgl. Filla 2014), in pri- vaten Rechtsformen und unter überwiegend privater Finanzierung. So entstand eine Vielfalt an Einrichtungen der bürgerlich-liberalen Volksbil- dung und der ArbeiterInnenbildung. Aus dieser vielfältigen Volksbildungs- landschaft ging zwar keine ausgearbeitete Theorie hervor. Dennoch wurden in dieser Zeit erste Schritte einer Erwachsenenbildungsforschung getätigt. Dies geschah sowohl im empirischen Bereich als auch in der theoretischen Reflexion der Volksbildungstätigkeit. In der Zweiten Republik wurde an diese ersten Schritte zunächst nicht angeschlossen. So dauerte es bis in die 1970er-Jahre, ehe sich die Volksbildung – nun als Erwachsenen- und Weiterbildung – als (außer-)universitäre Forschungsdisziplin zu etablieren begann. Seit den 1990er-Jahren kann von einer weiteren Ausdifferenzierung dieser Disziplin gesprochen werden. Forschungsinhalte und Methoden vervielfältigten sich, Projekte und Studien konnten nicht zuletzt durch Finanzmittel der EU realisiert werden. Erste Schritte tief gehende gesellschaftstheoretische Reflexionen zugrunde. Frühe Ansätze einer theoretischen Begründung der Volksbildung in Österreich finden sich im 19. Frühe theoretische Reflexionen Jahrhundert bei Carl Bernhard Brühl und Adalbert Stifter. Später wurden theoretische Überlegungen im Der Anatom Carl Bernhard Brühl (1820-1899) legte „Zentralblatt für Volksbildungswesen“ (1901-1916) in Ansätzen eine frühe politische und religiöse vertieft. Um die Jahrhundertwende erforschte Begründung für die universitäre Volksbildung vor. Ludo Moritz Hartmann die Teilnehmenden an den Er trat als Vorkämpfer für das englische Modell volkstümlichen Universitätsvorträgen durch die der Universitätsausdehnung (University Extension) so genannte „Hörerstatistik“. Während die bäu- in Österreich ein. Die Universitäten hätten die erlich-katholische Volksbildung lediglich begleitend Pflicht „nicht bloss durch Schrift, sondern auch erforscht wurde, lagen der ArbeiterInnenbildung durch das lebendige Wort und durch That […] ihre 3
Wissenschaft den grösstmöglichen Kreisen ihrer Statistiken dienten der Orientierung über die in- Mitbürger mitzutheilen“ (Brühl 1868). haltliche Programmgestaltung. Die „Volkstümlichen Universitätsvorträge“ erlitten nach dem Krieg einen Neben Carl Bernhard Brühl ist auch Adalbert Stifter massiven Bedeutungsverlust und liefen Ende der (1805-1868) ein beinahe vergessener Vorkämpfer der 1930er-Jahre aus. liberalen Volksbildungsidee. Stifter beantragte ver- geblich, „öffentliche Vorträge über das Schöne“ an Theorieproduktion aus der Praxis heraus der Universität Wien abhalten zu dürfen. Unter dem Stichwort Unterredung zielte Stifter auf allgemeine Theoriebezüge und Theorieproduktion waren in der Verständlichkeit und die Förderung der Aktivität der Erwachsenenbildung vor den 1930er-Jahren nur sehr Lernenden. Er war davon überzeugt, über Bildung gering entwickelt, eine eingehendere Erforschung eine „Verbürgerlichung“ der sozial benachteiligten dazu ist bislang aber ausständig. Wilhelm Filla Klassen erreichen zu können (vgl. Fischer 1961, S. unterscheidet drei Zugänge: erstens theoretische 36). (vgl. auch Filla 2014) Publikationen von ErwachsenenbildnerInnen, z.B. vom bereits genannten Anton Lampa, zweitens Das „Zentralblatt für Volksbildungswesen“ theoretische Reflexionen in nicht spezifisch auf Erwachsenenbildung ausgerichteten Publikatio- Zwischen 1901 und 1916 informierte das „Zentral- nen, z.B. durch den ebenfalls bereits erwähnten blatt für Volksbildungswesen“ über nationale und Ludo Moritz Hartmann, und drittens Kurzbeiträge internationale Entwicklungen der Volksbildung. Das in Zeitschriften, Tätigkeitsberichten oder eigens Zentralblatt fungierte aber auch als Medium der gedruckten Statements, z.B. für die bäuerliche Theorieproduktion. Der Herausgeber der Zeitschrift, Bildungsarbeit durch Josef Steinberger (1874-1961) Anton Lampa (1868-1938), war ein Kritiker der (vgl. Filla 2014, S. 224). „Neuen Richtung“, die mit dem Schlagwort Volkbil- dung durch Volksbildung ab den 1920er-Jahren aus Theorie der ArbeiterInnenbildung Deutschland kommend in Österreich wirkmächtig wurde. Gegen die „metaphysisch-religiösen“ Tenden- Der Bildungs- und Erziehungsbegriff wurde in den zen dieser Ideen plädierte Lampa für eine rationale 1920er-Jahren von mehreren austromarxistischen Begründung der Volksbildung und für ein neutra- TheoretikerInnen zur zentralen Begründungsfigur les, weltanschaulich „ungebundenes“ Verhältnis einer emanzipatorischen Gesellschaftskritik. Mit zu Politik und Religion. Eine wesentliche Aufgabe Rückgriff auf Josef Weidenholzer lassen sich „fünf der Volksbildung sah Lampa in der Anleitung zu wichtige Bestandteile einer ‚austromarxistischen kritisch-wissenschaftlichem Denken (vgl. Lampa Bildungstheorie‘“ (Weidenholzer 1983, S. 421) 1965). identifizieren. Frühe empirische Erhebung: „Hörerstatistik“ • Bildung ist ein Mittel im Klassenkampf gegen die Vorherrschaft der Bourgeoisie. Die ersten Schritte zu einer empirischen For- • Aus dem implizit Politischen des Bildungsbegriffs schung in der Erwachsenenbildung wurden um folgt eine Kritik an der scheinbaren Neutralität die Jahrhundertwende durch die so genannten der Bildungstätigkeit in den Volkshochschulen Hörerstatistiken gesetzt. Ludo Moritz Hartmann und bäuerlich-katholischen Bildungsheimen. (1864-1924) führte als Vorsitzender des Ausschusses • Um das bürgerliche Klasseninteresse hinter der der „Volkstümlichen Universitätsvorträge“ bereits Volksbildung sichtbar zu machen, wird eine al- 1895 eine statistische Erfassung der Teilnehmenden ternative Form von Intellektualität benötigt. an den Universitätsvorträgen durch. Dabei wurden • Das erste wesentliche Bildungsziel der austro- zunächst die bildungsthematischen Interessen, das marxistischen Bildungstheorie ist eine Aktivität, Alter, das Geschlecht sowie der soziale Statuts der aus der heraus ein Klassenbewusstsein erwachsen HörerInnen erhoben. Später wurde die Statistik um kann. Angaben zum Beruf, dem Wohnbezirk, der Vorbil- • Zweites Ziel ist das Festhalten am Begriff der dung und den Teilnahme-Motiven erweitert. Die Solidarität. 4
Etablierung und Ausdifferenzierung der „Arbeitsstelle für Grundlagenforschung der Erwachsenenbildung“ in Salzburg durch den „Ring Nach Kriegsende lag die Erwachsenenbildungs- österreichischer Bildungswerke“ einen wesentlichen forschung in Österreich zunächst brach, woran Impuls. Drei Jähre später folgte die Umbenennung selbst der erste Lehrauftrag für Volksbildung nichts zum „Institut für Erwachsenenbildung“, das mitt- maßgeblich änderte. Erst später begann sich die lerweile in Wien und St. Pölten beheimatet ist. Zu Erwachsenenbildung zunächst außeruniversitär nennen ist auch die Gründung des Instituts für zu etablieren, ehe sie durch zunehmende Verwis- Höhere Studien (IHS) 1962/63, von dem Beiträge zu senschaftlichung und Internationalisierung einen unterschiedlichen Themenbereichen der Erwachse- tiefgreifenden Prozess der inhaltlichen und metho- nenbildung ausgehen. dischen Ausdifferenzierung erfuhr. An die von Ludo Hartmann angeregte empirische Schleppende Verwissenschaftlichung Forschung wurde – mit Ausnahme der 1954 durch- nach 1945 geführten Wiener Volksbildungsbefragung – nicht angeschlossen. Die Verwissenschaftlichung der Erwachsenenbil- dung gestaltete sich im Vergleich zu Deutschland 1970er-Jahre zeitverzögert. Große Studien zu Beteiligungsstruk- turen blieben hierzulande aus, nicht zuletzt weil In den 1970er-Jahren kam es zur Besetzung des ers- auch die Etablierung von Lehrstühlen in Österreich ten Lehrstuhls für Erwachsenenbildung und außer- nur schleppend vorankam. Den ersten Lehrauftrag schulische Erziehung an der Universität Wien durch für Volksbildung erhielt Josef Lehrl (1884-1957), der Herbert Zdarzil (1928-2008), der auf dem Gebiet der als ordentlicher Professor für Pädagogik an der Uni- pädagogischen Anthropologie Pionierarbeit leistete. versität Wien tätig war, im Jahre 1946. Umfassende 1977 wurde die Erwachsenenbildungsforschung auch politische Differenzen manifestierten sich innerhalb erstmals in einem interdisziplinären Symposium der Erwachsenenbildung als Trennung zwischen thematisiert (vgl. Gattol 1977). Dort konstatierte allgemeinen und berufsbildenden, bzw. ÖVP- und Zdarzil, dass die Theorie der Erwachsenenbildung SPÖ-nahen Institutionen. Diese Spaltungen sowie vorderhand eine Sammlung von Theorie-Elementen die verhältnismäßig schleichende Entwicklung der und reflektierten Alltagserfahrungen darstelle. Da- Erwachsenenbildung als wissenschaftliche Disziplin rüber hinaus beklagte er das weitgehende Fehlen begünstigten „ein theorieskeptisches, wenn nicht empirischer Untersuchungen zur differenzierten theoriefeindliches Klima“ (Gruber 2009, S. 4) in- Wirksamkeit verschiedener Methoden in der Er- nerhalb der österreichischen Erwachsenenbildung. wachsenenbildung. Zuletzt fasste er „fünf Berei- che der aktuellen Erwachsenenbildungsforschung“ 1960er-Jahre zusammen: 1. Einführungen zu generellen Fragen, 2. Geschichte der Erwachsenenbildung, 3. Frage Erst in den 1960er-Jahren kam es zu einer stärke- nach den Zielen, Aufgaben und Funktionen der ren wissenschaftlichen Verankerung der Erwach- Erwachsenenbildung, 4. Frage nach der Bildungs- senenbildungsforschung. Federführend war dabei fähigkeit und -motivation Erwachsener und 5. Aladar Pfniß (1919-1992), der als Vorsitzender des die Frage nach den Methoden und Möglichkeiten Pädagogischen Ausschusses des Verbandes Öster- der Erfolgsmessung in der Erwachsenenbildung reichischer Volkshochschulen die theoretische Er- (vgl. Zdarzil 1977). wachsenbildungsforschung entscheidend forcierte. Pfniß verfolgte eine neuhumanistisch-geisteswis- Die Forschung auf dem Gebiet der beruflichen senschaftliche Bildungskonzeption, deren Ziel die Bildung wurde 1970 durch die Gründung des Ös- geistig-seelische Selbstverwirklichung des bildsamen terreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung Individuums darstellte. (öibf) institutionalisiert. Zudem gründeten die Wirt- schaftskammer Österreich und die Industriellenver- Die außeruniversitäre Erwachsenenbildungsfor- einigung 1975 das Institut für Bildungsforschung für schung erhielt im Jahr 1960 mit der Gründung Wirtschaft (ibw). 5
1980er-Jahre Schwerpunkte betrifft, wurden diese (bis zum heutigen Tag) nicht selten aus der deutschen The- Als Meilenstein der Erwachsenenbildungsforschung oriediskussion importiert. Auch die internationale gilt die Schaffung der Lehrstühle für Erwachse- Diskussion um das lebenslange Lernen beeinflusste nenbildung an den Universitäten Graz (1984) und die österreichische Erwachsenenbildungsforschung. Klagenfurt (1985). Damit konnte sich eine systema- Inhaltlich rückten dadurch lerntheoretische Frage- tische Verwissenschaftlichung der Erwachsenenbil- stellungen in den Vordergrund. Zudem wurden da- dung entwickeln. Ausdruck dieser Systematisierung mit das Selbstverständnis der Erwachsenenbildung waren das „Lehrbuch der Erwachsenenbildung“ (vgl. und ihr Stellenwert im Bildungssystem vermehrt zur Lenz 1987) und die zunehmende Pluralisierung der Diskussion gestellt. Methoden und Theorien an den beiden Standorten. So konnten sich unterschiedliche Forschungsschwer- Finanziell ermöglichten die Förderungen auf punkte, etwa zu Geschlechterfragen, internationaler EU-Ebene aufwändigere Studien und Projekte sowie Erwachsenenbildung oder zur gewerkschaftlichen umfassende statistische Erhebungen. Zu nennen Bildungsarbeit etablieren. sind hier beispielsweise die Adult Education Surveys (AES), die in regelmäßigen Abständen die Lernaktivi- Zur Systematisierung trugen auch die Projektgruppe täten Erwachsener erheben. Außerdem liegen durch „Terminologie der Erwachsenenbildung“ im Auftrag die Teilnahme Österreichs am „Programme for the der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs International Assessment of Adult Competencies“ sowie die Gründung der Zeitschrift „Erwachsenen- (PIAAC) der OECD Daten zu den Schlüsselkompeten- bildung in Österreich“ bei. Diese war bis 1995 ein zen Erwachsener vor. Und schließlich wurde durch wichtiges Fachmedium für Theorie- und Praxis- die internationale Diskussion die Grenze zwischen kommunikation innerhalb der österreichischen bildungspolitischen Handlungsanleitungen und Erwachsenenbildung. Seit 2007 führt das Magazin wissenschaftlichen Analysen mit teils diffuser Be- erwachsenenbildung.at dieses unverzichtbare Erbe griffsverwendung zunehmend verwischt (vgl. Rothe weiter. 2011). Diese Entwicklung ist vor einem größeren Zusammenhang zu verstehen, wird der Erwachse- Für die beruflich orientierte Bildungsforschung nenbildung doch seit den 1990er-Jahren vermehrt war unter anderem die Gründung des Instituts für die Aufgabe zugetragen, soziale und ökonomische Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung an der Problemlagen mindern oder gar lösen zu können. Johannes Kepler Universität Linz relevant. Infor- mationen zu Teilnehmenden in den Einrichtungen In den 1990er-Jahren stieg die Zahl der Personen, der Konferenz der Erwachsenenbildung Österreichs die in der universitären und außeruniversitären (KEBÖ) und in den Österreichischen Volkshochschu- Erwachsenenbildungsforschung tätig sind. Dies len liefern die seit 1985 erhobenen und veröffent- ließ eine – wenn auch überschaubare – For- lichten KEBÖ- und VHS-Statistiken. schungsgemeinschaft entstehen, die durch einen engen Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis Trends seit den 1990er-Jahren gekennzeichnet ist. Mit der Vervielfältigung der erwachsenenbildnerischen Themen ging auch eine Seit den 1990er-Jahren ist es innerhalb der Erwach- Erweiterung der „klassischen“ außeruniversitären senenbildungsforschung zu einer weiteren Plura- Forschungseinrichtungen (ibw, öibf, IHS, ÖIEB) um lisierung der Themen, Zielgruppen, Bereiche und neue, überwiegend anwendungsorientierte Anbie- Theorien gekommen. Gerade was die theoretischen terInnen einher. 6
Literatur Benesch, Thomas (2014): Carl Bernhard Brühl – ein Pionier der naturwissenschaftlichen Volksbildung. In: Spurensuche. Zeitschrift für Geschichte der Erwachsenenbildung und Wissenschaftspopularisierung. Jg. 23/24. H. 1-4: Naturwissenschaft und Bildung. Erkenntniswert, historische Vorläufer und Aufgaben moderner Wissenschaftsvermittlung, S. 34-43. Born, Armin (2010): Geschichte der Erwachsenenbildungsforschung. In: Tippelt, Rudolf / Hippel Aiga von (Hrsg.): Handbuch Erwachsenenbildung/Weiterbildung. 4. durchges. Aufl. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenshaften, S. 231-241. Brühl, Carl Bernhard (1868): Universität und Volksbildung, Priesterthum und Naturwissenschaft; zwei zusammenhängende Betrachtungen. Erste unentgeltliche Sonntagsvorlesung im Jahre 1868, gehalten im k. k. zootomischen Institute der Wiener Universität am 19. Jänner. Wien. Online unter: http://www.adulteducation.at/de/literatur/textarchiv/710/ Filla, Wilhelm (2014): Von der freien zur integrierten Erwachsenenbildung. Zugänge zur Geschichte der Erwachsenenbildung in Österreich. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Fischer, Kurt Gerhard (1961): Zur Geschichte und Theorie der Volksbildung. Linz: Oberösterreichischer Landesverlag. Gattol, Ernst (1977): Forschung, Literatur und Dokumentation in der Erwachsenenbildung. In: Erwachsenenbildung in Österreich. Vierteljahreschrift für Theorie und Praxis. Jg. 28. H. 5, S. 238-253. Gruber, Elke (2009): Auf der Spur... . Zur Entwicklung von Theorie, Forschung und Wissenschaft in der österreichischen Erwachsenen- bildung/Weiterbildung. In: MAGAZIN erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs. Ausgabe 7/8, 2009. Wien. Online im Internet: http://www.erwachsenenbildung.at/magazin/09-7u8/meb09-7u8.pdf. Hartmann, Ludo Moritz / Penck, Alfred (1904): Antworten auf die vom Wiener Ausschusse für volkstümliche Universitäts-Vor träge veranstaltete Umfrage über den Nutzen der Universitäts-Kurse. In: Zentralblatt für Volksbildungswesen. 4 Jg. H. 6/7, S. 81-102. Lampa, Anton (1965): Kritisches zur Volksbildung (1927). In: Altenhuber, Hans / Pfniß, Aladar (Hrsg.): Bildung – Freiheit – Fortschritt. Gedanken österreichischer Volksbildner. Wien: Verband Österr. Volkshochschulen, S. 143-164. Lenz, Werner (1987): Lehrbuch der Erwachsenenbildung. Stuttgart: Kohlhammer. Rothe, Daniela (2011): Lebenslanges Lernen als Programm. Eine diskursive Formation in der Erwachsenenbildung. Frankfurt a.M.: Campus Verlag. Steinberger, Josef (1961): Mein Werdegang als Volksbildner. An eine Schülerin des Bundesseminars Ober St.-Veit. In: Neue Volksbildung. 12 Jg. H. 7, S. 300-302. Stern, Josef Luitpold (1930): Klassenkampf und Massenschulung. Wien: Wiener Volksbuchhandlung. Weidenholzer, Josef (1983): Marginalien zur außerschulischen Bildungsarbeit im Austromarxismus. In: Adam, Erik (u.a.) (Hrsg.): Die Schul- und Bildungspolitik der österreichischen Sozialdemokratie in der Ersten Republik. Entwicklung und Vorgeschichte. Wien: Österreichischer Bundesverlag, S. 417-431. Zdarzil, Herbert (1968): Erwachsenenbildung und Gesellschaft. In: Brodil, Alfred (Hrsg.): Horizonte der österreichischen Erwachse- nenbildung. Wien: Verlag „Neue Volksbildung“, S. 120-133. Zdarzil, Herbert (1977): Theorie und Forschung in der Erwachsenenbildung. In: Erwachsenenbildung in Österreich. Vierteljahreschrift für Theorie und Praxis. Jg. 28. H. 5, S. 225-238. Weiterführende Links Historiographie der Erwachsenenbildung in Österreich: http://www.adulteducation.at/de/historiografie/ Magazin erwachsenenbildung.at, Ausgabe 7/8 2009: http://erwachsenenbildung.at/magazin/archiv.php?mid=1519 Dokumentation und Forschung für die Erwachsenenbildung – wo stehen wir heute? Dokumentation eines Workshops des Bundes- ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur und des Österreichischen Volkshochschularchivs (hg. von Christian Stifter, 2001): http://erwachsenenbildung.at/downloads/service/materialien-eb_2001-3_dokumentation_und_forschung.pdf Download (pdf) Publikationen der Statistik Austria zu Aus- und Weiterbildung (u.a. Adult Education Survey, PIAAC): http://www.statistik.at/web_de/services/publikationen/5/index.html Erwachsenenbildung, Weiterbildung, Lebenslanges Lernen der Statistik Austria (u.a. zu PIAAC): http://www.statistik.at/web_de/ statistiken/menschen_und_gesellschaft/bildung_und_kultur/erwachsenenbildung_weiterbildung_lebenslanges_lernen/index.html Österreichisches Volkshochschularchiv: http://www.vhs.at/vhsarchiv-home.html 7
Theorien, Methoden und Themen Daniela Holzer Erwachsenenbildungswissenschaft ist wie alle Sozialwissenschaften von vielfältigen Theorien, Methoden und Themen geprägt. Weder gibt es eine spezifische Hauptbezugstheorie, noch einheitliche Methodenverständnisse oder eindeutig feststellbare Hauptthemen. Vielmehr stehen unterschied- liche Verständnisse und Herangehensweisen nebeneinander, zuweilen sich ergänzend, zuweilen aber auch im Widerstreit. Grundlegende Differenzen zeigen sich in Bezug einhergehende Erkenntnisinteressen schließen je- auf Erkenntnis- und Wissenschaftstheorien mit weils unterschiedliche wissenschaftstheoretische unterschiedlich ausgerichteten Erkenntnisinteres- Vorstellungen an, wie Erkenntnis gewonnen werden sen. Differenzen zeigen sich aber auch im Umgang kann, wie untersuchte Phänomene beleuchtet und mit Spannungsfeldern, in die jede Wissenschaft begründet werden oder welche Schlüsse aus For- verwoben ist: dem Verhältnis von Theorie und Em- schungen gezogen werden. pirie, von Grundlagenforschung und angewandter Forschung und von Wissenschaft und Praxis. Die Erkenntnisinteressen Methodenvielfalt ergibt sich zum einen aus den divergierenden Zugängen, zum anderen aber auch Als Erkenntnisinteressen werden – in Anschluss an aus dem Verständnis, dass erst durch vielfältige Jürgen Habermas – grundlegend unterschiedliche Methoden vielseitige und sich ergänzende Ergeb- Wissenschaftsverständnisse bezeichnet. Solche nisse hervorgebracht werden können. In all diesen Erkenntnisinteressen sind deswegen von großer Dimensionen werden je nach historischem Zeitpunkt Bedeutung, weil sie relevant dafür sind, mit wel- unterschiedliche Themen bearbeitet, die hier nur cher Grundhaltung und welchem Fokus Themen exemplarisch dargestellt werden können und auch und Fragestellungen in den Blick genommen werden. auf ihre internationale Perspektive hin diskutiert Ein für die Sozialwissenschaften zentraler, bis werden. heute relevanter Diskurs zu Erkenntnisinteressen wurde im deutschsprachigen Raum durch Vertreter der sogenannten „Frankfurter Schule“ unter an- Wissenschaftstheorien derem im sogenannten Positivismusstreit in den 1960er-Jahren angestoßen. Dort wurde zwischen Wissenschaftsverständnisse sind grundlegend Vertretern des kritischen Rationalismus und je- bestimmend für die jeweilige Themen- und Me- nen der Kritischen Theorie eine Kontroverse um thodenwahl, aber auch für die Einbettung der die Ziele und Erkenntniswege von Wissenschaft jeweiligen Forschung in gesamtgesellschaftliche geführt. Ein grundlegender Unterschied zwischen Zusammenhänge, in politische und praktische Kon- den Zugängen „traditioneller“ und „kritischer“ texte. An Wissenschaftsverständnisse und damit Wissenschaft (eine von Max Horkheimer geprägte 8
Unterscheidung) liegt in deren Zielen. Während Wissenschaftstheorien sind in den seltensten Fällen „traditionelle“ Wissenschaft nach Problemlösungen auf einen spezifischen Fachbereich beschränkt. Viel- innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Bedin- mehr bilden Wissenschaftstheorien eine Art Grund- gungen und Verhältnissen sucht, stellt sich kritische systematik vieler Wissenschaften, die dann je nach Wissenschaft die Aufgabe, die gesellschaftlichen Fachgebiet spezifische Forschungsthemen aufgrei- Verhältnisse selbst mit in den Blick zu nehmen und fen. Es gibt daher keine spezifisch auf Erwachsenen- zu verändern. Weitere Streitpunkte waren und bildungsforschung bezogene Wissenschaftstheorien, sind z.B. Wege und Herrschaftsdimensionen der aber es lassen sich einige Richtungen ausmachen, Erkenntnisgewinnung. die im Feld derzeit stärker präsent sind. Jürgen Habermas, ein Vertreter der Kritischen Faulstich und Zeuner (2009) benennen fünf Grund- Theorie, prägte Ende der 1960er-Jahre den Begriff richtungen theoretischer Begründungen: geistes- der Erkenntnisinteressen. Er unterschied drei wissenschaftliche Pädagogik, analytisch-empirische Richtungen: erstens das technische Erkenntnis- Erziehungswissenschaft, Kritische Theorie, konst- interesse empirisch-analytischer Wissenschaften, ruktivistische Ansätze und pragmatische Zugänge. das auf instrumentelle Anwendung ausgerichtet Diese sind weitgehend historisch in dieser Rei- ist, zweitens das praktische Erkenntnisinteresse henfolge nach und nach nebeneinandergetreten. historisch-hermeneutischer Wissenschaften, das an Unter jeder Richtung versammeln sich allerdings Handlungen und Kommunikation orientiert ist und weitere theoretische Ausdifferenzierungen, z.B. drittens das emanzipatorische Erkenntnisinteresse poststrukturalistische, bildungstheoretische oder kritischer Wissenschaften, das freiheitsorientiert subjektwissenschaftliche Zugänge bei den kritischen radikale Veränderungen gesellschaftlicher Verhält- Theorien. nisse anstrebt. Dominant sind in der Erwachsenenbildungsfor- Mit den jeweiligen Erkenntnisinteressen sind schung derzeit analytisch-empirische Ansätze mit demnach unterschiedliche Vorstellungen von einem instrumentellen Erkenntnisinteresse. Andere Gesellschaft, von Menschen, aber auch von For- Zugänge sind aber weiterhin vorzufinden und in schungsmethoden und politischen Bewertungen den letzten Jahren haben beispielsweise kritische verbunden, auch wenn sich zahlreiche Überschnei- Zugänge wieder etwas stärkere Wirkmächtigkeit. dungen finden. Grundfragen unterschiedlicher Interessen beziehen sich aber beispielsweise auf Nachbardisziplinen Fragen von Wertfreiheit oder Beurteilung, von De- skription oder Normativität oder von Optimierung Erwachsenenbildungswissenschaft ist eng mit eini- oder Überwindung gesellschaftlicher Bedingungen. gen Nachbardisziplinen verknüpft. Dies ergibt sich Wissenschaft und Forschung sind demnach nicht einerseits aus gemeinsamen Theoriebezügen und von grundlegenden Haltungen zu trennen und vor andererseits daraus, dass Themen in verschiedenen diesem Hintergrund einzuschätzen, auch wenn diese Disziplinen aufgegriffen werden und sich gegen- nicht explizit formuliert und offengelegt sind. seitig ergänzen. Besonders häufige und relevante Nachbardisziplinen sind beispielsweise: Soziologie, Wissenschaftstheorien Psychologie, Philosophie, Teilbereiche der Wirt- schafts- und Rechtswissenschaften, Ethnologie oder Während Erkenntnisinteressen zunächst nur grobe Geschichte. Unterschiede verdeutlichen, zeigen sich weitere Differenzierungen von wissenschaftlichen Zugängen in der Ausformulierung von Wissenschaftstheorien. Spannungsfelder Die jeweiligen wissenschaftstheoretischen Ausrich- tungen prägen bereits Fragestellung, Themenwahl Sämtliche Wissenschaften sind von Spannungsfel- und Methoden, sind aber vor allem dahingehend dern durchzogen, in denen es neben wissenschafts- relevant, dass die jeweils untersuchten Phänomene internen Fragen auch um Ressourcenfragen und anders erklärt werden. Fragen der Verantwortung von Wissenschaft geht. 9
Spannungsfelder sind beispielsweise das Verhältnis wodurch Theorieentwicklung zu einer Nebensäch- von Theorie und Empirie, von Grundlagenforschung lichkeit wird bzw. primär in universitären Kon- und angewandter Forschung und von Wissenschaft texten mit stabiler Grundfinanzierung stattfinden und Praxis. kann. Aber selbst dort ist das Bild wie insgesamt vorherrschend: Forschung wird mit empirischer Theorie und Empirie Forschung gleichgesetzt. Theorie und Empirie sind zwar kaum voneinander Grundlagenforschung und zu trennen, sondern stehen vielmehr in einer engen anwendungsorientierte Forschung Wechselwirkung. Dennoch öffnet sich ein Span- nungsfeld dahingehend, in welche Richtung sich Ein zweites Spannungsfeld ist jenes zwischen Forschung orientiert, mit welchen Erklärungen Phä- Grundlagenforschung und anwendungsorientierter nomene betrachtet werden und wie Erkenntnisse Forschung. Diese Termini sind zwar eher aus na- generiert werden. turwissenschaftlichen und technischen Disziplinen vertraut, spielen aber auch in der Erwachsenen- Grundsätzlich ist weder Theorie ohne Empirie, bildungsforschung eine Rolle. Hier ist zwar selbst noch Empirie ohne Theorie möglich. Theorien sind Grundlagenforschung in gewisser Weise anwen- Zusammenstellungen von Erklärungssätzen, von dungsorientiert, ist doch das beforschte Feld selbst Systematiken, von Einordnungen. Theorien suchen ein Handlungsfeld. Aber dennoch sind Forschungen nach Begründungen für Phänomene, versuchen in unterschiedlicher Ausprägung auf konkrete bereits vorhandene theoretische und empirische Umsetzung ausgerichtet. Grundlagenforschung Erkenntnisse in neue Erklärungsmodelle zu gießen, beschäftigt sich beispielsweise mit Grundbegrif- aber auch über bisher Vorhandenes hinauszuden- fen oder mit philosophischen und gesellschafts- ken. Theorien können auf der Basis empirischer theoretischen Aspekten. Anwendungsorientierte Ergebnisse, auf der Grundlage anderer Theorien Forschung ist hingegen enger in Praxiszusammen- oder mittels spekulativen denkerischen Prozessen hänge eingebunden, beispielsweise in gemeinsamen ausgearbeitet werden. Empirie ist jener Wissen- Entwicklungsprojekten. schaftsbereich, der sich mit unterschiedlichsten Methoden der Erfassung untersuchter Phänomene Die beiden Forschungsbereiche sind in gleicher Weise widmet. Empirische Forschung reicht von histori- notwendig und bedeutsam. Kontroversen, Vorwürfe schen Quellenstudien über quantitative bis hin zu und Vorbehalte bleiben dennoch nicht aus und die qualitativen Datenerhebungen und -auswertungen. Argumentationslinien entspannen sich wiederum häufig entlang von unterschiedlichen Erkenntnisin- Theorie und Empirie sind aufeinander angewiesen. teressen und wissenschaftstheoretischen Zugängen Empirische Forschungen verlangen nach theore- (siehe im Kapitel „Wissenschaftstheorien“). Der tischer Einbettung und bringen selbst zuweilen Grundlagenforschung wird wissenschaftsintern und Theorien hervor. Theorien sind auf empirische von der Praxis zuweilen Irrelevanz und zu geringe Daten angewiesen, um ihre Gültigkeit reflexiv zu Praxisorientierung vorgeworfen, mit einem Unter- prüfen und Theorien können Ausgangspunkte für ton der Nutzlosigkeit. Der anwendungsorientierten empirische Fragestellungen sein. Forschung wird zuweilen vorgeworfen, zu empirisch orientiert und theoriefern zu sein oder auch zu Dennoch stehen Theorie und Empirie in einem nicht verwertungsorientiert und systemreproduzierend. immer konfliktfreien Spannungsverhältnis. Nicht zuletzt geht es dabei um Fragen, welcher Bereich Wissenschaft ist aber auf das Zusammenspiel beider bedeutsamer sei oder um Lücken, die dem jeweils Elemente angewiesen und zahlreichen Forschungen anderen Feld vorgeworfen werden. Aktuell sind gelingen entsprechende Übergange. Problematisch in der Erwachsenenbildungsforschung empirische ist allerdings, dass in geförderten Projekten an- Ausrichtungen deutlich im Vordergrund. Dies zeigt wendungsorientierte Forschung deutlich im Vorder- sich z.B. daran, dass Forschungsprojekte ohne grund steht, Grundlagenforschung hingegen stark empirische Teile derzeit kaum finanziert werden, ausschließlich in die Universitäten verdrängt wird 10
und selbst dort aufgrund der stärkeren Drittmittel- und der politischen EntscheidungsträgerInnen All- orientierung rückläufig ist. tag, ob in Forschungs- und Entwicklungsprojekten, Fachtagungen oder anderen Orten des Austauschs. Wissenschaft und Praxis Der Nachteil liegt darin, dass vertiefende wissen- schaftliche Diskurse innerhalb Österreichs zuweilen Das Spannungsfeld von Wissenschaft und Praxis kaum möglich sind, was aber durch internationale eröffnet sich in Fragen des Zusammenspiels der Anbindungen wettgemacht wird. Der Vorteil liegt beiden Felder. Erwachsenenbildungsforschung ist allerdings im engen Austausch zwischen den beiden als Wissenschaft eines konkreten Handlungsfelds Bereichen und in der ständigen Konfrontation mit in hohem Maß an das Praxisfeld gebunden. For- dem Spannungsfeld Wissenschaft und Praxis. schung richtet sich im weitesten Sinn auf Fragen des Praxisfeldes, wenn auch nicht ausschließlich in direkt angewandter Form (siehe oben). Erwach- Methodenvielfalt senenbildungspraxis hingegen stellt Fragen an die Wissenschaft und greift neue Erkenntnisse aus der Erwachsenenbildungsforschung ist von einer gro- Forschung auf. ßen Methodenvielfalt geprägt. Auf der empirischen Ebene umfasst diese historische, z.T. hermeneu- Dennoch stehen Wissenschaft und Praxis in einem tische, quantitativ-statistische und vielfältige nicht konfliktfreien Spannungsverhältnis. Auch hier qualitativ-empirische Methoden. Nicht-empirische sind wiederum gegenseitige Vorwürfe vorhanden, Vorgehensweisen werden zwar selten als Methoden beispielsweise: Praxis sei zu theoriefern und greife ausgearbeitet und benannt, aber dennoch ebenso neueste Erkenntnisse zu wenig auf. Forschung sei zu angewendet, beispielsweise Literaturanalysen und praxisfern und liefere nicht ausreichend umsetzbare, denkend-reflexive Theorieentwicklung. Unterschied- praxisrelevante Antworten. liche Methoden werden teilweise sich ergänzend und bereichernd eingesetzt, teilweise werden aber Keiner der Vorwürfe ist gänzlich von der Hand zu auch strenge Abgrenzungen vorgenommen, in de- weisen. Sie beruhen aber teilweise auf der Nicht- nen auch ein Streit um die „Wissenschaftlichkeit“ akzeptanz der Unterschiede zwischen den beiden und Bedeutung der jeweiligen Methoden geführt Feldern. So unterliegen Forschung und Praxis wird. beispielsweise unterschiedlichen Zeitmustern: Bis Fragen aus der Praxis in der Forschung aufgegriffen Empirische Methoden werden können und bis neue Ergebnisse vorliegen, sind relativ lange Zeiträume erforderlich, während Der Begriff der „Empirie“ generiert sich daraus, di- Praxis häufig kurzfristiger agieren muss. Zudem hat rekte Erfahrung und den Sinnen zugängliche Wahr- Forschung nicht nur die Aufgabe, konkrete Problem- nehmung erfassen zu können, was auch heißt, in stellungen aus der Praxis aufzugreifen, sondern sich der Deskription des Wahrnehmbaren zu verbleiben. auch grundlegenderen Fragen zu widmen, die nicht Heute umfasst Empirie hingegen auch, Verborgenes direkt handlungsrelevant sind. Und Praxis wiederum oder Sinnzusammenhänge sichtbar und verstehbar hat häufig nicht ausreichende Ressourcen, um sich zu machen. in wissenschaftliche Erkenntnisse ausführlich ein- zuarbeiten, um sie in die Arbeit einfließen zu lassen. Gemeinsamer Ausgangspunkt empirischer Metho- den sind Erhebungen im Forschungsfeld, mit denen In Österreich ist dennoch eine enge Zusammenar- Daten generiert werden, die differenziert ausge- beit von Wissenschaft und Praxis wahrzunehmen. wertet werden. Die Datenerhebung erfolgt je nach Nicht zuletzt aufgrund der Überschaubarkeit des Methodenausrichtung und Auswertungsvorhaben Forschungsfeldes ist es in Österreich – im Unter- unterschiedlich, was sich allerdings weniger in schied z.B. zu Deutschland – gar nicht möglich, aus- der Erhebungsmethode an sich – z.B. Fragebogen, schließlich wissenschaftlichen Austausch zu pflegen. Interviews, Beobachtung –, sondern vor allem in Vielmehr ist die Zusammenarbeit mit der Praxis auf der Ausformung der jeweiligen Erhebungsmethode den Ebenen der Erwachsenenbildungseinrichtungen niederschlägt. Quantitativ-empirische Methoden 11
erfordern statistisch auswertbare Daten, während basiert die Methodenwahl auch auf der zu Grunde in qualitativen Methoden unterschiedlichste Erhe- gelegten wissenschaftstheoretischen Ausrichtung, bungen zur Anwendung kommen. Bereits die Vielfalt wenn beispielsweise quantitativ-statistische Me- an Interviewformen verweist auf die Vielfalt der thoden als einzig wissenschaftliche anerkannt Einsetzbarkeit: standardisierte, teilstandardisierte, werden. expertInnenorientierte, biographische, narrative Interviews etc. Historische und hermeneutische Inzwischen sind Methodenkombinationen zuneh- Methoden greifen hingegen weniger auf direkte mend häufiger anzutreffen. Diese Kombination kann Erhebungsinstrumente zurück, sondern widmen sich entweder im Forschungsprozess selbst umgesetzt beispielsweise historischen Dokumentenanalysen, werden, indem eine Fragestellung mit mehreren der Archivarbeit, der fokussierten Literaturauswer- Methoden bearbeitet wird, um jeweils methoden- tung etc. spezifische Lücken ausgleichen zu können. Kombi- nationen sind aber auch dahingehend wirksam, dass Nicht-empirische Methoden ein bestimmtes Forschungsfeld in unterschiedlichen Studien mit unterschiedlichen Methoden bearbeitet Auch wenn unter „Methoden“ in den meisten Fällen wird, die erst in der Zusammenschau ein komplet- ausschließlich empirische Methoden verstanden teres Bild ergeben. werden, so generiert Wissenschaft ihre Erkenntnisse doch vielfach ebenso aus nicht-empirischen Metho- Methodenstreit den. Diese Methoden sind jedoch in den seltensten Fällen explizit benannt oder als eigene wissenschaft- Obwohl unterschiedliche wissenschaftliche Me- liche Methoden ausgearbeitet. Die Anerkennung thoden erst im Zusammenspiel ein Forschungsfeld als eigenständige und wissenschaftliche Methoden umfassend erschließen können, gibt es zwischen ist entsprechend gering entwickelt und spezifische einzelnen „Schulen“ zahlreiche Streitpunkte. We- Bezeichnungen fehlen weitgehend. Insbesondere sentliche Konfliktpunkte zeigen sich beispielsweise in studentischen Arbeiten ist dann häufig von so- darin, ob andere Methoden als wissenschaftlich genannten „Literaturarbeiten“ die Rede. anerkannt werden. Hierfür werden Kriterien der Wissenschaftlichkeit ins Feld geführt, die je nach Die Methodendiskussion weist also große Lücken Zugang äußerst unterschiedlich gesehen werden. dahingehend auf, nicht-empirische Methoden Quantitativ-statistisch orientierte ForscherInnen auszuarbeiten, zu benennen und deren Rolle bemängeln beispielweise an qualitativen Metho- und Bedeutung zu fundieren, obwohl diese einen den häufig deren zu subjektive Komponente, die nicht-unerheblichen Teil der Erkenntnisgewinnung als unwissenschaftlich abgelehnt wird. Hingegen ausmachen. Beispielsweise erfolgt Theorieentwick- verweisen qualitativ orientierte ForscherInnen auf lung vielfach entlang von spezifischen Denkpro- unzureichende Möglichkeiten des Verstehens und zessen und viele Forschungsarbeiten basieren auf Ursachenerklärens von quantitativen Forschungen. eingehenden Literatur- und Dokumentenanalysen, Nicht-empirische Methoden werden als eigenstän- auf Theorie- und Empiriediskussionen und auf dem dige wissenschaftliche Methoden hingegen beinahe reflexiven Zusammenführen von unterschiedlichen vollständig ausgeblendet. Ansätzen und Ergebnissen. Der Methodenstreit verläuft dabei bei genauerem Zusammenspiel von Methoden Blick aber weniger entlang einzelner Methoden, sondern primär entlang von unterschiedlichen Er- Die Wahl von Forschungsmethoden basiert auf kenntnisinteressen und wissenschaftstheoretischen den jeweiligen Forschungsfragen, denn je nach Zugängen. Empirisch-analytische Wissenschaften Forschungsziel sind entsprechende Methoden zu stehen beispielsweise mit ihren Paradigmen der wählen. Zugleich aber sind ForscherInnen häufig Objektivität und Reproduzierbarkeit notwendiger- auf Methoden spezialisiert und entsprechend weise in Opposition zu kritischen Wissenschaften werden dann Forschungsfragen verfolgt, die mit mit ihren Paradigmen der Gesellschaftskritik und diesen Methoden bearbeitbar sind. Nicht zuletzt urteilenden Normativität. 12
Themen: Kontinuitäten und Konjunkturen Studien von Strzelewicz, Schulenberg und anderen in den 1960er- und 1970er-Jahren (Hildesheimer, Die Forschungsthemen in der Erwachsenenbildungs- Göttinger und Oldenburger Studie). Weiteren forschung weisen einerseits gewisse Kontinuitäten Einfluss auf Schwerpunktverlagerungen nehmen auf und unterliegen andererseits Konjunkturen, da Theorie- und Methodenentwicklungen in anderen zu bestimmten Zeiten manche Forschungsschwer- Disziplinen, die in der Erwachsenenbildungsfor- punkte stärker in den Vordergrund treten. Dennoch schung aufgegriffen werden. Für Themenkonjunk- bleibt insgesamt eine Vielfalt an Forschungsthemen, turen relevant werden zudem Entwicklungen in wenn auch zeitweise eher am Rande, erhalten. der Erwachsenenbildung, wenn beispielsweise Veränderungen in der Einrichtungslandschaft Grundthemen unter anderem zu Fragen von Qualität und Pro- fessionalisierung führen. Ein nächster Einfluss sind Erwachsenenbildungsforschung lässt sich in gewisse gesellschaftliche Entwicklungen, die beispielsweise Grundthemen einteilen, die das Forschungsfeld bzw. in den 1970er-Jahren kritisch-emanzipatorische The- das beforschte Feld strukturieren. Diese verbleiben men oder in jüngster Zeit Auseinandersetzungen notwendigerweise eher allgemein und werden in mit der Migrationsgesellschaft hervorriefen. Und vielfältige Richtungen bearbeitet. nicht zuletzt werden über Förderschwerpunkte Grundlinien der Erwachsenenbildungsforschung bildungspolitisch bestimmte Segmente forciert, korrespondieren direkt mit Entwicklungen in der beispielsweise Fragen um das lebenslange Lernen Erwachsenenbildung und mit gesellschaftlichen oder der Arbeitsmarktqualifizierung. Entwicklungen, bleiben aber in der Grundrichtung weitgehend stabil. Mögliche Grundfragen sind: bil- Aktuelle Forschungsschwerpunkte dungsphilosophische Überlegungen, Verhältnis von Erwachsenenbildung und Gesellschaft, politische Aktuelle Forschungsschwerpunkte konkret zu Entwicklungen, Ungleichheit, Arbeit und Beruf, Er- benennen ist insofern problematisch, als dass wachsenenbildungslandschaft, Lernen und Lehren, Veränderungen zuweilen sehr rasch erfolgen kön- Erwachsenenbildungspolitik, Ressourcen etc. nen, wodurch die folgende Darstellung bereits in kürzester Zeit bereits wieder überholt sein könnte. Schwerpunktverlagerungen Gesellschaftliche Entwicklungen sind dafür ebenso ausschlaggebend wie politische Steuerungen In der Erwachsenenbildungsforschung sind über die und unabsehbare Entwicklungen in der Erwach- Jahrzehnte neben den Grundlinien auch bestimmte senenbildung. Zudem schließt jede Aufzählung Themenkonjunkturen und Schwerpunktverlage- notwendigerweise vielzählige weitere vorhandene rungen auszumachen. Die Anfänge der Erwach- Forschungsthemen aus. Im Bewusstsein dieser senenbildungsforschung liegen beispielsweise in Schwierigkeit und damit der Unabgeschlossenheit Erhebungen der TeilnehmerInnenstruktur. Mit der und Unzulänglichkeit sollen dennoch einige Themen Etablierung und Verbreiterung des Forschungsfeldes benannt werden, die aktuell besonders stark im traten zunehmend neue Themen und Schwerpunkte Forschungsfokus stehen. hinzu, bis das gesamte Feld der Erwachsenenbildung zumindest in Ansätzen forschend in den Blick ge- In den letzten Jahren relativ stabile nommen wurde. Themenschwerpunkte: Schwerpunktverlagerungen sind unterschiedlichen • Basisbildung/Alphabetisierung Ursachen geschuldet. Einfluss nehmen beispielsweise • Beratung (Bildungsberatung, Berufsberatung etc.) die Interessen von ForscherInnen selbst, die be- • Kompetenzentwicklung und -feststellung (Euro- stimmte Aspekte in den Mittelpunkt rücken, die päischer und nationale Qualifikationsrahmen, insbesondere dann schwerpunktrelevant werden, Kompetenzorientierung, Kompetenzmessungs- wenn sie besonderes Aufsehen in der Forschungs- verfahren etc.) gemeinschaft erregen. Hierzu zählen beispielsweise • Lernen (Lerntheorien, Didaktik, außerinstitutio- die ersten umfassenden bildungssoziologischen nelle Lernformen und -orte etc.) 13
• Professionalisierung (Aus- und Weiterbildung und entsprechend sind internationale Perspektiven von ErwachsenenbildnerInnen, institutionelle auszumachen. Öffnungen und Schließungen hinsichtlich des pädagogischen Personals etc.) Globale Entwicklungen und Perspektiven • Qualifizierung von Arbeitskräften (Qualifizierung von Erwerbsarbeitslosen, Qualifikationsanpas- Internationale Aspekte lassen sich in der Erwachse- sungen an Arbeitsmarktveränderungen etc.) nenbildungsforschung bereits aus dem Grund nicht • Qualitätsentwicklung (Qualitätsmanagement, ausblenden, weil gesellschaftliche Entwicklungen Zertifizierungssyteme etc.) nicht regional begrenzt sind, sondern – unter dem • Teilnehmende (Weiterbildungsstatistiken, Inter- Schlagwort der „Globalisierung“ vertraut – in welt- essen, Ausschluss und Zugang etc.) umspannenden Zusammenhängen stattfinden. Über • Generationen und Alter(n) (Erwachsenenbildung den kapitalistischen Weltmarkt und wirtschaftliche nach der Erwerbsphase, Bildung im hohem Alter und politische Verflechtungen verbunden, können etc.) regionale und nationale Entwicklungen niemals nur aus diesem Binnenraum heraus betrachtet werden, Aktuell neuere Themenschwerpunkte: sondern sind immer in deren globalem Kontext zu betrachten und zu reflektieren. Diese Aspekte • Erwachsenenbildung in der Migrationsgesell- bleiben dennoch häufig ausgeblendet und globale schaft (als Auswirkung der verstärkten Migrati- Auswirkungen und Zusammenhänge von regionalen onsbewegungen ab 2015) Politiken und Entscheidungen, z.B. in Österreich • Lernen/Bildung und soziale Bewegungen (v.a. oder Europa, werden ignoriert. Dies zeigt sich bei- im Anschluss an neue Bewegungen im Zuge der spielsweise an Diskussionen um die Wissensgesell- kapitalistischen Krise seit 2008) schaft und veränderten Arbeitsmarktbedingungen. • PIAAC (international vergleichende Kompetenz- Die Zunahme im Dienstleistungssektor und der messung bei Erwachsenen, „PISA für Erwachsene“) Rückgang an produzierenden Industrien sind nicht davon zu trennen, dass Produktion international ausgelagert wird. Internationale Perspektiven In manchen bildungspolitischen Bereichen sind hingegen internationale Verknüpfungen zumindest Erwachsenenbildungsforschung ist aufgrund der in manchen Aspekten selbstverständlich. Beispiels- engen Verknüpfung mit erwachsenenbildungsprak- weise spielen supranationale Organisationen wie die tischen und -politischen Kontexten häufig regional, UNESCO oder die OECD eine Rolle für bildungspoliti- national oder auf bestimmte internationale Räume sche Entwicklungen, was am Beispiel der Geschichte (z.B. EU) begrenzt. Österreichische Erwachsenen- des „lebenslangen Lernens“ deutlich wird. Und auch bildungsforschung greift beispielsweise zahlreiche in der Bildungsberichterstattung sind Studien aus regionale, bundeslandbezogene oder nationale diesen Organisationen eine Selbstverständlichkeit. österreichische Entwicklungen auf. Traditionell stark ist die österreichische Erwachsenenbildungs- In einigen auch in der Erwachsenenbildungsfor- forschung darüber hinaus mit der Forschung in schung vertretenen wissenschaftstheoretischen Deutschland verbunden, die allein aufgrund ihrer und inhaltlichen Bereichen wird hingegen eine Größenordnung, aber auch aufgrund von einigen explizit globale Perspektive vertreten. Neben Ähnlichkeiten mit Österreich zahlreiche relevante globalisierungskritischen Themenfeldern sind bei- Forschungsergebnisse hervorbringt, die in Öster- spielsweise postkoloniale Theorien zu nennen, die reich aufgegriffen werden. Darüber hinaus ist über sich kritisch mit Fragen der westlichen Dominanz bildungspolitische Steuerungen und Förderpolitiken auseinandersetzen. der EU der Europäische Raum ein relevanter Fokus. In wissenschaftstheoretischen, erwachsenenbil- Einflüsse aus anderen Weltregionen dungstheoretischen, methodischen, aber auch einigen thematischen Aspekten ist hingegen eine Der wechselseitige wissenschaftliche Austausch örtliche Eingrenzung weder sinnvoll noch gegeben zwischen Weltregionen ist je nach Themenfeld 14
und oft abhängig von Interessen der einzelnen Erwachsenenbildungsforschung ist in den meisten ForscherInnen unterschiedlich stark ausgeprägt. Ländern eigensprachlich orientiert, eine übergrei- Beispielhaft wäre zu nennen, dass österreichische fende Sprache, wie beispielsweise das Englische WissenschaftlerInnen ihr Forschungsinteresse auf in den technischen oder naturwissenschaftlichen ausgewählte Regionen außerhalb Europas richten. Disziplinen, ist nicht vorhanden. Der Austausch und der gegenseitige Einfluss sind daher vielfach Aber auch wissenschaftliche Entwicklungen außer- von Übersetzungen abhängig. Selbst englischspra- halb Europas werden, wenn auch nicht sehr ausge- chige Forschungen werden bislang in Österreich prägt, in Österreich wahrgenommen. Beispielhaft noch nicht im möglichen Umfang wahrgenommen, wäre die starke Aufmerksamkeit, die Paolo Freires solange sie nicht in deutschsprachiger Übersetzung Arbeit in den 1970er-Jahren in der Wissenschaft vorliegen. und Praxis in Österreich fand. Ein weiterer, eher stärker ausgeprägter Austausch findet aktuell in der Die Ausweitung auf globale Perspektiven und inter- Erwachsenenbildungsforschung beispielsweise mit nationalen Austausch birgt das Potenzial der Erwei- den USA und Kanada statt, was nicht zuletzt durch terung des Blickes auf Diskurse und Erkenntnisse mit Austauschprogramme gefördert wird. jeweils anderen historischen und gesellschaftlichen Hintergründen. Theoretische, methodische, aber Grenzen und Potenziale auch inhaltliche Verbreiterungen und reflexive Prüfungen der eigenen Perspektive können für Grenzen für den internationalen Austausch stellen Weiterentwicklungen und Relativierungen relevant häufig sprachliche Barrieren dar. Während eng- werden. Zudem bergen umfassendere Perspektiven lischsprachige Regionen für die österreichische das Potenzial, globale gesellschaftliche Zusam- Erwachsenenbildungsforschung leicht zugänglich menhänge zu erkennen und für globale Problem- sind, sind andere Sprachregionen weitgehend ver- stellungen zu sensibilisieren, z.B. dafür, inwiefern schlossen, wenn nicht die jeweiligen Wissenschaftle- westlicher Wohlstand auf der Ausbeutung anderer rInnen über spezifische Sprachkenntnisse verfügen. Weltregionen beruht. Literatur MAGAZIN erwachsenenbildung.at. Das Fachmedium für Forschung, Praxis und Diskurs: Theorie und Forschung. Facettenreich, traditionsbewusst und innovativ. Ausgabe 7/8, 2009. Wien. Online im Internet: http://www.erwachsenenbildung.at/magazin/09-7u8/meb09-7u8.pdf Zeuner, Christine / Faulstich, Peter (2009): Erwachsenenbildung – Resultate der Forschung: Entwicklung, Situation und Perspekti- ven. Weinheim: Beltz. Weiterführende Links Aktuelles: http://erwachsenenbildung.at/aktuell/ Forschungsmemorandum für die Erwachsenen- und Weiterbildung der DGfE: http://www.dgfe.de/fileadmin/OrdnerRedakteure/Sektionen/Sek09_ErwB/forschungsmemorandum_2000.pdf Forschungslandkarte des DIE (Sammlung von Projekten ohne Vollständigkeitsanspruch): https://www.die-bonn.de/weiterbildung/Forschungslandkarte/ Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft: http://erwachsenenbildung.at/themen/migrationsgesellschaft/ OECD Education: http://www.oecd.org/education/ Paolo Freire Zentrum: http://www.pfz.at/ 15
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