Relevant - Digitalisierung treibt uns an Alles zum entscheidenden Thema der Branche in unserem Magazin - made in Homeoffice - BDZV

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Relevant - Digitalisierung treibt uns an Alles zum entscheidenden Thema der Branche in unserem Magazin - made in Homeoffice - BDZV
relevant.
Das Magazin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger      Nr 1 | 2020

                                                               Digitalisierung
                                                                 treibt uns an
                                                            Alles zum entscheidenden
                                                        Thema der Branche in unserem
                                                        Magazin – made in Homeoffice.
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MANIFEST

         Zeitungen sind und
          bleiben relevant.
            Unabhängige Zeitungen
           sind unerlässlich für eine
           pluralistische Meinungs-
             und Haltungsbildung
            in der Demokratie. Ihre
              Existenz ermöglicht
             verantwortungsvollen
                 Journalismus.

INTRO relevant. 1|2020      2
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VORWORT

                              Liebe Leserinnen und Leser,
                              Der BDZV hat sich umbenannt. Er heißt zwar wei-           einladen. Auch wenn die Planbarkeit von Veran­
                              terhin BDZV, aber das D steht nicht mehr für „Deut-       staltungen in diesen Tagen fast ein Ding der Un­
                              scher“, sondern für die Entwicklung, die immer            möglichkeit ist, denn kurzfristig bestimmt das
                              mehr Bereiche unseres Alltags umkrempelt und              Coronavirus unseren Alltag noch stärker als die
                              sowohl Wertschöpfungsketten als auch tradierte            Transformation unserer Medienwirtschaft. Wäh-
                              Machtgefüge auf den Kopf stellt: die Digitalisie-         rend die Digitalisierung die Medienbranche dis-
                              rung. Der Verband macht seine Türen auf für neue          ruptiert, disruptiert Corona gerade das gesamte Le-
                              Mitglieder aus dem Bereich des digital publishing.        ben. Und doch könnte genau das jetzt stattfinden:
                              Sie sollen künftig auch von einer starken Inter-          ein Schub der Digitalisierung durch die Coronakri-
                              essensvertretung in Berlin und Brüssel und vom            se. Hoffen wir auf das Beste und auf ein Wiederse-
                              Austausch untereinander, neudeutsch: dem best             hen beim Kongress des BDZV am 15. September in
                              practice sharing, profitieren können.                     Berlin. Bis dahin: Bleiben Sie gesund und genießen
                              Konsequenterweise wird der Bundesverband Di-              Sie die Lektüre unserer ersten Komplettausgabe
                              gitalpublisher und Zeitungsverleger deshalb im            von rele­vant. – dem Magazin des BDZV.
                              September auch keinen Zeitungskongress mehr
© Foto: Bernd Brundert/BDZV

                              veranstalten, sondern zum „BDZV. Der Kongress“            Ihre Redaktion

                              Alexander von Schmettow                    Dr. Andrea Gourd                         Hans Hendrik Falk

                                                                                    3                                  relevant. 1|2020 INTRO
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INHALT

 DIE KERNFRAGE

         Die Digitalisierung verändert unseren Alltag.
         Sie verschiebt Prioritäten, Wertschöpfungs-
         ketten und treibt uns an. Dabei muss es aber
         fair zugehen. Wie werden klare Rahmenbe-
         dingungen für alle Beteiligten geschaffen?

         06 ARBEIT IN ZEITEN DER CORONAKRISE
         08 WELTGESCHEHEN VOR DER HAUSTÜR – NEW(S)COMERS BEST

 POLITIK

         10 M
             EINUNG WENN SICH DAS RATHAUS ALS
            VERLAGSHAUS BETÄTIGT
         	
          Wie legitim sind publizistische Aktivitäten von staatlichen Stellen?
          Und dürfen Kommunen Verlegerinnen sein?

         16 WISSEN WIE KANN EINE EFFEKTIVE REGULIERUNG
             VON INTERNET-PLATTFORMEN AUSSEHEN?
         	Für Wettbewerb und Vielfalt im Internet braucht es effektive Regulierungen.
           Aber wie können diese aussehen?

INHALT relevant. 1|2020                         4
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INHALT

MARKT

   24 MEINUNG „WIR SIND EIN NICHT PERFEKTES SYSTEM
       MIT DEM ZIEL, DIE WAHRHEIT ZU VERBREITEN“
   	BDZV-Präsident Mathias Döpfner im Interview über Transformation,
     ­Zukunft und R
                  ­ elevanz der Publishing-Branche.

   32 WISSEN I AUF DEN ZEITPUNKT KOMMT ES AN
   	Eine Abonnentenbefragung zeigt, dass die Zeitungszustellung ein
     sensibles Thema ist. Und eines, das nichts an Relevanz verliert.

   38 WISSEN II ZWISCHEN PRINT-APOSTELN
       UND DIGITAL-JÜNGERN
   	Nicht alle Leser sind für das E-Paper zu begeistern.
     Aber es hat großes Potenzial – vor allem bei Jüngeren.

   40 ANWENDUNG „WIR SIND DATENINFORMIERT,
       NICHT DATENGETRIEBEN“
   	Wie wird Journalismus im Digitalen zum tragfähigen Geschäftsmodell?
     Die Datenanalyse spielt für den Erfolg eine gewichtige Rolle.

PERSPEKTIVEN

   46 MEINUNG WIE VIEL TWITTER IST GUT FÜR DEN
       JOURNALISMUS?
   	Fünf Journalistinnen und Journalisten auf Twitter zeigen, wie
     Berichterstattung in Social Media fernab von Bubbles funktioniert.

   52 WISSEN „MIT DIGITAL STELLEN WIR DIE WEICHEN“
   	Die Studie „Trends der Zeitungsbranche 2020“ zeigt, welchen Weg die deutschen
     Verlage im Digitalen nehmen – und wie weit sie auf ihm sind.

   58 ANWENDUNG EIN PLUS FÜR DIE „PLUS“-PRODUKTE
   	Steigende Erlöse, aber auf niedrigem Niveau. Wie werden journalistische
     Bezahlangebote im Netz erfolgreich?

                                          5                               relevant. 1|2020 INHALT
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Arbeiten in der Coronakrise
          AKTUELL Der Ausbruch und die Verbreitung des Coronavirus in Deutsch­
          land und die damit einhergehenden Maßnahmen und Einschränkungen
          betreffen die gesamte Gesellschaft. VON HANS HENDRIK FALK

          O
                 b sich die Lage mit Erscheinungstermin          möglich, auch für den Arbeitsplatz. Und so trägt
                 dieser relevant.-Ausgabe zum Besseren           auch die BDZV-Geschäftsstelle in Berlin seit dem
                 verändert haben wird, hängt, so hat es          16. März dazu bei, das Coronavirus einzudämmen
          Bundeskanzlerin Angela Merkel betont, auch vom         und arbeitet mobil.
          Verhalten jedes Einzelnen ab. „Im Moment ist nur       Hier berichten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
          Abstand Ausdruck von Fürsorge“, sagte Merkel           des BDZV über ihren mobilen Arbeitsalltag in Zei-
          in ihrer TV-Ansprache (18.03.2020). Das gilt, wo       ten der Coronakrise. «

                                                                   Kornelia Behnert
                                                                   Finanz- & Rechnungs-
                                                                   wesen/Personal

                                                                   „In der Buchhaltung ist
                                                                   es mit dem Mobile Of-
                                                                   fice nicht ganz so ein-
                                                                   fach. Dadurch, dass wir
                                                                   noch überwiegend Belege in Papierform erhal-
                                                                   ten und diese verarbeiten und bezahlen müssen,
                                                                   klappt das mit dem Arbeiten von zu Hause nicht
                                                                   ganz so reibungslos. Ein- bis zweimal die Woche
                                                                   müsste ich eigentlich ins Büro. Auch mussten         © Fotos: Bernd Brundert/BDZV, shutterstock/elenabsl

                                                                   wir einige Termine verschieben, wie beispiels-
                                                                   weise die Prüfung unseres Jahresabschlusses.
                                                                   Die Anwendung der Software ist durch diver-
                                                                   se Sicherheitsmaßnahmen auch nicht sofort
                                                                   einsetzbar und muss erst eingerichtet werden.
                                                                   Also, Computer abbauen und zu Hause wieder
                                                                   aufbauen – so einfach ist es dann in unserem
                                                                   Fall nicht. Einen kleinen Vorteil hat das Arbeiten
                                                                   von zu Hause allerdings: Ich spare mir jeden Tag
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                                                                   zwei Stunden für die An- und Abreise ins Büro.“ «

          AKTUELL relevant. 1|2020                           6
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Anja Pasquay                                       Philippe
Pressesprecherin                                   Meistermann
                                                   Referent Europa­politik,
„Seit drei Tagen sitze                             Büro Brüssel
ich im Mobile Office.
Technisch klappt das                               „Die EU-Institutionen
gut. Nur bräuchte ich                              arbeiten in Brüssel
zwei Münder, min-                                  jetzt schon seit einigen
destens drei Paar Augen und Ohren und Arme         Wochen mit zahlreichen Einschränkungen. Zu-
wie ein Oktopus: Handy und stationäres Tele-       nächst wurden Anfang März Besucher aus dem
fon klingeln am liebsten gleichzeitig, während     EU-Parlament ausgeschlossen. Termine mit Ab-
ich via Laptopkamera an unserem vormittäg-         geordneten und deren Büros finden daher seit-
lichen Abteilungs-Jour-fixe teilnehme und ei-      dem nicht statt oder eben nur telefonisch. Ge-
gentlich längst den Infotext für die Website       sprächstermine mit den zuständigen Referenten
formuliert haben sollte. Corona und die Folgen     aus den Ständigen Vertretungen der Mitglied-
– Aufregung und Unsicherheit sind groß, auch       staaten werden seit einigen Wochen auch nicht
in den Verlagen. Was im Büro via Zuruf durch       mehr genehmigt und finden für die nächste Zeit,
die offenen Türen funktioniert, weil alle mithö-   sofern möglich, telefonisch statt. Anstehende
ren, muss jetzt als Arbeitsprozess mühselig via    Ratsarbeitsgruppen wurden bis auf Neues abge-
E-Mail ausgehandelt werden. Das dauert immer       sagt. Seit 18. März gilt in Belgien nun auch eine
eine Umdrehung mehr. Und wehe, der Verteiler       Ausgangssperre. Die Arbeit an unseren Themen
ändert sich mittendrin. Das sind Kinderkrank-      geht allerdings mehr oder weniger wie gewohnt
heiten und wird sich mit ein bisschen Disziplin    weiter. ePrivacy-Verordnung und die Vorberei-
sicher bald einspielen. Ganz wichtig: Pausen       tung auf den Digital Services Act stehen auf der
einhalten. Abends stelle ich mir jetzt dafür so-   Tagesordnung. Die Institutionen und Verbände
gar den Wecker: Täglich gegen 19.00 Uhr gibt       stellen sich auf eine neue Arbeitsweise um, aber
der grandiose Pianist Igor Levit via Twitter ein   bisher bleiben alle am Ball. Wir nutzen die Situa-
Konzert. Wunderbar, das hätte ich ohne Corona      tion auch, um uns zu allen unseren gegenwärti-
jedenfalls nicht erlebt.“ «                        gen Themen gut aufzustellen und vorzubereiten.
                                                   In der Medienpolitik steht deshalb nun eine Jah-
                                                   resplanung an. Zudem arbeiten wir gemeinsam
                                                   mit den EU-Verbänden daran, wie diese den Ver-
                                                   lagen in der derzeitigen Krise am besten helfend
                                                   beistehen können.“ «

                                                                              Mobiles Arbeiten ist nicht
                                                                              nur für den BDZV eine
                                                                              neue Erfahrung. Auch für
                                                                              die meisten Zeitungen:
                                                                              Fast alle Redaktionen
                                                                              arbeiten inzwischen
                                                                              aus dem Homeoffice.
                                                                              Zeitungsproduktion im
                                                                              Ausnahmezustand.

                                                                              relevant. 1|2020 AKTUELL
Relevant - Digitalisierung treibt uns an Alles zum entscheidenden Thema der Branche in unserem Magazin - made in Homeoffice - BDZV
1908_15356_BBDO_Duesseldorf_awards_New_s_comers_Best_480x325_StraubingerTagblatt_LandshuterZeitung.indd 2   17.12.19 17:20

Mehr als 200
Anzeigen hatten
junge Kreative
beim BDZV-Nach­
wuchswettbewerb
„New(s)comers Best
2019“ eingereicht.
Gewonnen hat eine
Motivserie, die das
globale Geschehen
in die Heimat über-
trägt – mit authen-
tischen Headlines.
Hier die regionali-
sierten Motive.       1908_15356_BBDO_Duesseldorf_awards_New_s_comers_Best_480x325_StraubingerTagblatt_LandshuterZeitung.indd 3   17.12.19 17:20

                                                                                                                                                   1908_15356_BBDO_Duesseldorf_awards_New_s_comers_Best_480x325_StraubingerTagblatt_LandshuterZeitung.indd 1             17.12.19 17:20

Weltgeschehen                                                                                                                                                                                                                        M
                                                                                                                                                                                                                                                ehr als zehn Verlage unter-
                                                                                                                                                                                                                                                stützen den Werbe-Nach-
                                                                                                                                                                                                                                                wuchspreis der Zeitungen

vor der Haustür
                                                                                                                                                                                                                                      mit der Veröffentlichung eines Sieger-
                                                                                                                                                                                                                                      motivs ihrer Wahl (Gold, Silber oder
                                                                                                                                                                                                                                      Bronze). Dieses Jahr fiel die Entschei-
                                                                                                                                                                                                                                      dung eindeutig aus: Zwölf Zeitungen
AWARD Beim 27. Nachwuchskreativ­                                                                                                                                                                                                      haben sich für „Das Weltgeschehen bis
                                                                                                                                                                                                                                      vor Ihre Haustür“ der Nachwuchskre-
wettbewerb „New(s)comers Best 2019“                                                                                                                                                                                                   ativen Anina Wäsche (28) und Henrik
mit dem Thema „Die Zeitungen – ein                                                                                                                                                                                                    van Laak (29) von der Agentur BBDO
                                                                                                                                                                                                                                      Düsseldorf entschieden. Für die Preis-
                                                                                                                                                                                                                                                                                          © Foto: Dr. Andreas Breunig, BBDO

Stück Heimat“ lag eine Motivserie mit                                                                                                                                                                                                 träger eine freudige Überraschung,
Abstand vorn – sowohl in den Augen der                                                                                                                                                                                                denn neben dem Preisgeld bedeutet
Jury (Gold) als auch bei den Koopera­                                                                                                                                                                                                 die – ganzseitige – Veröffentlichung
                                                                                                                                                                                                                                      des Siegermotivs in einer Tageszeitung
tionspartnern des Wettbewerbs.                                                                                                                                                                                                        nicht nur Prestige, sondern ist auch die
VON SIRID HEUTS UND JOACHIM DONNERSTAG                                                                                                                                                                                                Voraussetzung für die Teilnahme an

AKTUELL relevant. 1|2020                                                                                                                                                 8
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Think global, act local:
                                                                      Nur die Zeitung dekliniert
                                                                      die großen Themen durch
                                                                      alle Ebenen und Ressorts.
                                                                      Eben bis vor die eigene
                                                                      Haustür. In Zeiten von
                                                                      Clickbaiting, Facebook-­
                                                                      Algorithmus und Filterbla-
                                                                      sen ist diese Einordnung
                                                                      der Ereignisse – auch mit
                                                                      der ­nötigen Vorauswahl –
                                                                      umso wichtiger.
                                                                      PREISTRÄGER ANINA WÄSCHE UND HENRIK
                                                                      VAN LAAK (BBDO DÜSSELDORF)

                                            Verlage, die den Wettbewerb unterstützen
                                            Badische Zeitung (Freiburg), Badisches Tagblatt (Baden-Baden),
                                            Boyens Medien (Heide), General-Anzeiger (Bonn), Kieler Nachrichten,
                                            Remscheider General-Anzeiger, Mediengruppe Straubinger Tagblatt /
                                            Landshuter Zeitung, Mittelbayerische Zeitung (Regensburg), Rheini-
                                            sche Post (Düsseldorf), Südwest Presse (Ulm) und Solinger Tageblatt.
                                            Wenn Sie 2020 als Kooperationspartner dabei sein möchten, indem
anderen Wettbewerben der Branche.
                                            Sie ein Sieger­motiv veröffentlichen (freie Terminwahl), wenden Sie sich
Das Wettbewerbsthema haben die bei-         bitte an:  Joachim Donnerstag (donnerstag@bdzv.de, Tel. 030 726298-
den Jungkreativen mit ihren drei Moti-      223 oder Sirid Heuts (heuts@bdzv.de, Tel. 030 726298-218)
ven auf den Punkt gebracht. Zwei Ver-
lage wünschten sich darüber hi­  naus,
dass die Headlines noch einmal re­
gional angepasst werden, und schlugen
damit für ihre Leser eine Brücke von     keit für die Zeitung allgemein gebracht
der Eskalation am Golf zu Baden-Baden    – ganz besonders die regionale Umset-
(Badisches Tagblatt) oder von der EZB    zung: Das kann man eigentlich nicht
nach Straubing (Straubinger Tagblatt).   besser machen. In vielen unserer Ak-                 INFO zum Wettbe-
                                         tionen steht der regionale Bezug im                  werb unter awards.
                                                                                              die-zeitungen.de/
Regionaler Bezug zieht                   Vordergrund, auch beim digitalen An-
                                                                                              newscomers-best
Jürgen Volz, stellvertretender Chef-     gebot, das wir sehr spezifisch auf die               Das Thema für
redakteur Badisches Tagblatt, bekam      Region abstimmen. Wir sind schließ-                  den Wettbewerb
ausschließlich positive Rückmeldun-      lich eine Regionalzeitung. Sehr gern                 2020 wird im Mai
                                                                                              ausgeschrieben,
gen auf die Veröffentlichung des Mo-     sind wir auch weiterhin als Koopera­                 Einreichungsschluss
tivs: „Der Wettbewerb hat Aufmerksam-    tionspartner beim Wettbewerb dabei.“ «               ist August 2020.

                                                 9                                       relevant. 1|2020 AKTUELL
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Wenn sich das Rathaus
als Verlagshaus betätigt
MEINUNG Mit ihrer Berichterstattung in Print und Online
überschreiten Städte und Gemeinden oft die Grenzen
zulässiger kommunaler Öffentlichkeitsarbeit.
VON MICHAEL RATH-GLAWATZ

                           I
                               nformationen von staatlichen Stel-     men müssen, sondern gestalterische
                               len mag man mögen oder nicht, für      Möglichkeiten nutzen dürfen, die Ei-
                               notwendig oder überflüssig erach-      genwerbung attraktiv macht.
                           ten. Gleichwohl ist es legitim, dass die
                           öffentliche Hand – auf welcher Ebene       Die Selbstüberschätzung kommunaler
                           auch immer – für sich und ihre eige-       Publikationskompetenz
                           nen Aktivitäten wirbt, um so Zustim-       Von den Kommunen wird zur Legiti-
                           mung aus der Bevölkerung zu erlangen       mation der Öffentlichkeitsarbeit gern
Die Kommunen               und zu bewahren. Zwei Beispiele: Der       auf ihre in Art. 28 Abs. 2 GG veran-
berufen sich auf ihre      Bundestag gibt die Publikation „Das        kerte „Allzuständigkeit“ verwiesen.
im Grundgesetz ver-
ankerte „Allzustän-        Parlament“ heraus, die Bundeskanzle-       Wer wie die Kommunen verfassungs-
digkeit“ (siehe auch       rin bringt ihre Sicht der Dinge in wö-     rechtlich befugt sei, „alle Angelegen-
Kasten auf S.12).          chentlichen Online-Videobotschaften        heiten der örtlichen Gemeinschaft …

                                                                                                               © Foto: shutterstock.com/Biscotto Design, rawpixel.com/Freepik
                           „unters Volk“.                             in eigener Verantwortung zu regeln“,
                           Im Grundsatz ist es nicht zu bean-         der dürfe auch autonom über Inhalt,
                           standen, wenn Kommunen als Teil der        Umfang und Ausmaß publizistischer
                           staatlichen Hierarchie Öffentlichkeits-    Aktivitäten bestimmen, ohne dass
                           arbeit betreiben und dabei alle dafür      dafür Grenzen gesetzt wären. Insbe-
                           zur Verfügung stehenden medialen           sondere dann, wenn Kommunen mei-
                           Möglichkeiten nutzen. Insoweit sind        nen, tatsächliche oder vermeintliche
                           etwa zu nennen: Presseinformationen,       „Informationsdefizite“ ausmachen zu
                           Amtsblätter, Online-Portale. Zudem         können, wäre es geradezu ihre Pflicht,
                           steht es außer Frage, dass die Kommu-      die Bürger über alle Angelegenheiten
                           nen in ihrer Öffentlichkeitsarbeit nicht   der örtlichen Gemeinschaft medial zu
                           verschämt als „graue Maus“ daherkom-       informieren. Man könnte sich ver- »

POLITIK relevant. 1|2020                                10
Das Rathaus: für alles
         zuständig, aber auch
             ein Alleskönner?

11   relevant. 1|2020 POLITIK
INFO Die wichtigsten Gesetze zum Thema
Art. 28 Abs. 2 GG
     (1) ...                                                             Dies schon deshalb nicht, weil es zu
     (2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle            den Grundpfeilern einer freiheitlichen
     Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der
                                                                         Gesellschaft gehört, dass Kommuni-
     Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemein-
     deverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbe-           kation generell „staatsfrei“ zu sein hat,
     reiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstver-           nicht von staatlicher Gewalt gelenkt
     waltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch        sein darf. Selbst dann, wenn behaup-
     die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen
     Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht              tet würde, dass in einer Kommune
     zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.                   ein „Informationsdefizit“ bestehe (was
     (3) ...                                                             allerdings angesichts der sich im-
                                                                         mer weiter ausdehnenden digitalen
Art. 5 GG
                                                                         Kommunikationsmöglichkeiten eher
     (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild    unwahrscheinlich ist), wäre es – wie
     frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugängli-   höchstrichterlich entschieden – in
     chen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit
     und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film      keinem Fall Aufgabe staatlicher Stel-
     werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.               len, dieses Defizit zu beseitigen. Wer
     (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der      auch immer legitimiert sein könnte,
     allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum
                                                                         publizistische Defizite zu beseitigen,
     Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
     (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die      nach dem Grundgesetz kann es einer
     Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.    nicht sein: der Staat – und damit auch
                                                                         nicht die Kommunen.

                                                                         Es gilt das Gebot der
                                                                         Staatsfreiheit der Presse
                           »  wundert die Augen reiben, blendet          Trotz aller gegenteiligen Beteuerun-
                           diese Selbstüberschätzung kommu-              gen gilt es festzuhalten, dass staatli-
                           naler Publikationskompetenzen doch            che (kommunale) Öffentlichkeitsarbeit
                           geflissentlich aus, dass Kommunen             nicht frei ist wie verlegerische Tätig-
                           als Teil staatlicher Verwaltung selbst        keit, sondern elementaren Grenzen un-
                           nicht Grundrechtsträger sind. Ihnen           terworfen ist, die eingehalten werden
                           ist eine Berufung auf die Garantie der        müssen, sofern nicht gegen das „Gebot
Kommunen sind              Pressefreiheit in Art. 5 GG verwehrt.         der Staatsfreiheit der Presse“ verstoßen
Teil der staatlichen       Damit ist zugleich verfassungsrecht-          werden soll. Während es vielfach Fall-
Verwaltung, eine
Berufung auf die Ga-       lich vorentschieden, dass kommunale           gestaltungen gibt, in denen konkurrie-
                                                                                                                     © Foto: shutterstock.com/La1n

rantie der Pressefrei-     Öffentlichkeitsarbeit in keinem Fall          rende Grundrechte miteinander abzu-
heit ist ihnen daher       dem entsprechen kann und darf, was            wägen sind, besteht dieses Erfordernis
verwehrt (siehe auch
                           (private) verlegerische Tätigkeit aus-        mit Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit
Kasten oben).
                           macht. Plakativ formuliert: Kommu-            von Kommunen nicht. Ihnen steht das
                           nen sind keine Verleger und dürfen            Kommunikationsgrundrecht aus Art. 5
                           auch keine sein.                              GG nicht zu, sie sind – und auch dies

POLITIK relevant. 1|2020                                     12
Liegt ein Verstoß
                                                                                        gegen die Staatsfrei-
                                                                                        heit der Presse vor,
ist höchstrichterlich entschieden – in    liegt ein Verstoß gegen das Gebot der         kann das Medien-
                                                                                        angebot gerichtlich
ihrer Öffentlichkeitsarbeit auf die me-   Staatsfreiheit der Presse vor. Das kom-       untersagt werden.
diale Vermittlung ihrer eigenen Ver-      munale Medienangebot ist unzulässig
waltungsaktivitäten begrenzt.             und kann gerichtlich untersagt werden.
                                          Insoweit ist zugleich anzumerken, dass
Kommunen agieren                          die Kommunen auch dann für ihre me-
zum Teil sehr trickreich                  dialen Produkte einstehen müssen,
Die Grenzen legitimer Öffentlichkeits-    wenn sie – mitunter ausgesprochen
arbeit der Kommunen sind immer            „trickreich“ – versuchen, sich durch die
dann überschritten, wenn das mediale      Einschaltung von privaten Unterneh-
kommunale Produkt wie ein privat ver-     men „aus der Schusslinie zu stehlen“,
antwortetes Medium „daherkommt“.          indem z. B. privatrechtliche Gesell-
Ist ein kommunales Printerzeugnis,        schaften „vorgeschoben“ werden, die
ein kommunales Online-Portal in der       jedoch bei genauerer Betrachtung in
Lage, vergleichbare privatwirtschaft-     kommunaler Hand sind. Dass verlags-
liche Angebote zu substituieren, dann     wirtschaftliche Aufgaben wie die »

                                                 13                                  relevant. 1|2020 POLITIK
»  Anzeigenakquisition, der Druck, der                Produkte. Auch wenn stets die Einzel-
                           Vertrieb von Amtsblättern oder die Ge-                fallbetrachtung ausschlaggebend ist, so
                           staltung und das Handling kommuna-                    lassen sich doch eine ganze Reihe von
                           ler Online-Portale an Private ausgela-                Indizien aufführen, die in ihrer Sum-
                           gert werden, ändert ebenfalls nichts an               me belegen, dass die Grenzen zulässi-
                           der fortbestehenden Verantwortlich-                   ger kommunaler Öffentlichkeitsarbeit
                           keit der Kommunen für „ihre“ medialen                 überschritten sind.

                                      CHECKLISTE: Vier Indizien, wann die Grenzen zulässiger
                                       kommunaler Öffentlichkeitsarbeit überschritten sind

                           1
                                      Das kommunale Medium enthält nicht nur vereinzelt redaktionelle Fremdbeiträge,
                                      sondern berichtet wie ein privates lokales Medium umfassend über das allgemeine
                                      politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle, sportliche Geschehen auf
Ausschlaggebend ist                   kommunaler Ebene. Insoweit sind etwa Kirchennachrichten und Vereinsmeldungen,
stets die Einzelfall­          jedenfalls dann, wenn sie über unkommentierende Veranstaltungsankündigungen hinausge-
betrachtung.                   hen, unzulässige Fremdmeldungen, weil es nicht zu den kommunalen Aufgaben gehört, eine
                               „Litfaßsäule“ vorzuhalten, auf der jedermann das kommunizieren kann, was er lokal für be-
                               deutsam erachtet. Redaktioneller Inhalt kommunaler Medien darf nur die Vermittlung eigener
                               Verwaltungsaktivitäten sein.

                           2
                                       Auch wenn kommunale Medien optisch anspruchsvoll aufgemacht sein dürfen, so
                                       ist gleichwohl eine „pressemäßige“ Aufmachung ein weiteres Indiz dafür, dass die
                                       Grenzen kommunaler Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr gewahrt sind. Denn der Leser/
                                       Nutzer rechnet ein entsprechend pressemäßig aufgemachtes Produkt eben nicht mehr
                               staatlicher Kommunikation zu, er wird gravierend irregeführt.

                           3
                                       Bedeutsam ist weiter, inwieweit mediale kommunale Produkte wie private Medienan-
                                       gebote verbreitet werden. Für jedermann frei zugängliche Online-Plattformen, an alle
                                       Haushalte gratis oder im Abonnement zugestellte Amtsblätter sind auch insoweit per
                                       se nah dran, private Angebote ersetzen zu können.

                           4
                                        Schließlich ist die Frage von besonderem Gewicht, ob die kommunalen Medien ganz
                                        oder teilweise werbefinanziert sind. Ist die Werbefinanzierung kommunaler Medien
                                        nicht mehr nur „von untergeordneter Bedeutung“, dann ist auch dies ein Indiz, dass
                                        derartige Praktiken mit kommunaler Öffentlichkeitsarbeit unvereinbar sind. Die zuläs-
                               sige Grenze dürfte überschritten sein, wenn z. B. bei einem Amtsblatt der Anzeigenteil mehr
                                                                                                                                © Foto:  Privat

                               als 20 % des Umfangs ausmacht oder wenn ein kommunales Online-Portal mit dem Hinweis
                               auf „mehrere Tausend Werbekunden“ auftrumpft.

POLITIK relevant. 1|2020                                        14
Für die privaten Medienanbieter gilt es,
diesen kommunalen Verlockungen selbst­
bewusst entgegenzutreten. Es darf nicht
vergessen wer­den, dass Kommunikation
staatsfrei zu sein hat.
MICHAEL RATH-GLAWATZ

Zugegeben, die Verlockungen für die       Es gilt, Tabubrüche zu verhindern
„kommunale Obrigkeit“ sind groß, den      Staatliche/kommunale Informationen
möglicherweise als zu kritisch, zu        hat es schon immer gegeben und wird/
wenig optimistisch, zu kleinkariert       darf es auch weiterhin geben. Sie muss
empfundenen privaten lokalen Medi-        aber auf die Vermittlung eigener Akti-
en eigene mediale Produkte als Wett-      vitäten beschränkt bleiben. Der Staat/
bewerber entgegenzusetzen, in denen       die Kommunen dürfen nicht, als sei
die Bürger „endlich“ das erfahren, was    dies gleichsam gottgegeben, als voll-
aus kommunaler Sicht mitgeteilt wer-      wertige „Player“ in die öffentliche Kom-
den sollte. Allzumal dann, wenn man       munikation eingreifen. Derartige Tabu-
online, ohne lästigen Druck und teuren    brüche gilt es zu verhindern. «
Vertrieb, Tag und Nacht mit den priva-
ten Medien konkurrieren und langfris-
tig auch „mehr“ an Inhalt bieten kann,
weil dafür die kommunalen Haushalte
als Finanzier zur Verfügung stehen.
Für die privaten Medienanbieter gilt
es, diesen kommunalen Verlockungen
                                          ZUR PERSON
selbstbewusst entgegenzutreten. Es
                                          Dr. Michael Rath-Glawatz
darf nicht vergessen bzw. durch schlei-    Rechtsanwalt seit 1981
chende Aushöhlung untergraben wer-         Tätigkeit als Verlagsgeschäftsführer
                                           Leiter Rechtsabteilung Medienunternehmen
den, dass Kommunikation staatsfrei zu      Geschäftsführer Hörfunk-/TV-Unternehmen
sein hat.                                  Buchautor

                                                 15                                   relevant. 1|2020 POLITIK
Wie kann eine effektive
Regulierung von Internet­
plattformen aussehen?
WISSEN Wettbewerb und Vielfalt im Internet sind stark gefährdet,
wenn Europa die Internetplattformen nicht bald strenger und
­angemessener reguliert. Bisher agieren die Kartellbehörden
 oft zu spät und zu zögerlich.
VON THOMAS HÖPPNER

POLITIK relevant. 1|2020            16
D
                                         as Internet hat sich für viele zur   den sie als Erste ein, weniger relevante      Mehr Einsatz bitte!
                                         wichtigsten Informationsquelle       blenden sie aus. Verbraucher vertrau-         Auch vielen EU-Politi-
                                                                                                                            kern erscheinen die
                                         entwickelt. Nutzer vergleichen       en oft blind auf diese Bewertung. Das         bisherigen Regeln für
                                  Produkte, diskutieren Nachrichten und       erste Ergebnis auf eine Suchanfrage           die großen Plattfor-
                                  bewerten die neuesten Videos. Das           wird doppelt so häufig angeklickt wie         men als zu schwach.
                                  Internet hat nicht nur für den Wettbe-      das zweite.
                                  werb, sondern auch für die Meinungs-
                                  bildung eine zentrale Bedeutung.            Gefährdungslage für den Wettbewerb
                                  Gesteuert wird der Wettbewerb durch         Eine besondere Gefährdungslage für
                                  Intermediäre: Plattformen, die wie          den Wettbewerb, aber auch die Mei-
                                  Suchmaschinen, App-Stores, Markt-           nungsvielfalt, entsteht, wenn ein In-         Intermediär: lat.
                                  plätze oder soziale Netzwerke zwi-          termediär einen ökonomischen Anreiz           „dazwischenlie-
                                                                                                                            gend“, Vermittler.
                                  schen Inhalte-Anbietern und Ver-            hat, Nutzer zu eigenen Angeboten oder         Ein Vermittler ist
                                  brauchern vermitteln. Wegen der             Inhalten zu leiten. Ein solcher Ein-          eine dritte Partei, die
© Foto: shutterstock/GoodStudio

                                  unüberschaubaren Fülle im Internet          griff in die Vermittlungsleistung ist         Vermittlungsdienste
                                                                                                                            zwischen zwei Partei-
                                  verfügbarer Informationen überneh-          hinnehmbar, solange der Intermediär
                                                                                                                            en anbietet.
                                  men Intermediäre häufig nicht nur das       wirksamem Wettbewerb ausgesetzt ist
                                  Auffinden relevanter Inhalte, sondern       und seine fehlende Neutralität erkenn-
                                  auch deren inhaltliche Bewertung. Aus       bar ist. Dann können die Nutzer selbst
                                  ihrer Sicht bedeutsame Inhalte blen-        durch einen Wechsel des Interme- »

                                                                                     17                                  relevant. 1|2020 POLITIK
2‚4
Mrd. Euro Bußgeld
wurde Google im
                                                                                                   nicht eine weitere Industrie, ein wei-
                                                                                                   terer Inhalte-Anbieter bei einer Wett-
                                                                                                   bewerbsbehörde beschwerte, dass
                                                                                                   Google, Amazon, Apple oder Facebook
                                                                                                   eigene Dienste begünstigen und re-
                                                                                                   levantere Wettbewerber unsichtbar
                                                                                                   machen. Dabei hatte die Europäische
                                                                                                   Kommission 2017 infolge einer Be-
                                                                                                   schwerde von BDZV und VDZ für ge-
                                                                                                   nau solche Praktiken Google ein Buß-
                                                                                                   geld von € 2.4 Mrd. auferlegt.1 In der

Jahr 2017 auferlegt                                                                                mündlichen Verhandlung von Googles
                                                                                                   Klage gegen diese Kommissionsent-
                                                                                                   scheidung im Februar 2020 redete
Dieses Bußgeld soll Google zahlen, denn die Kommission
sieht es als erwiesen an, dass der Konzern seine Markt-                                            dann auch ein Richter beim EU-Ge-
macht durch die bessere Darstellung eigener Dienste in den                                         richt Tacheles: Das Bußgeld sollte noch
Suchergebnissen begünstigt (Urteil vom  27. Juni 2017).                                            erhöht werden. Google begünstige sich
                                                                                                   vorsätzlich. Die immer neuen Wettbe-
                                                                                                   werbsbeschwerden zeigten, dass die
                                                                                                   Entscheidung der Kommission offen-
                                                                                                   bar keinerlei abschreckende Wirkung
                                                                                                   entfaltete.2
                           »  diärs reagieren. Anders verhält es
                           sich aber, wenn der Intermediär man-                                    Komplexität und permanentes Markt-
                           gels Wettbewerbs faktisch den Zugang                                    versagen sprechen für Regulierung
                           zu einer bestimmten Gruppe von Ver-                                     Die mündliche Verhandlung zeigte
                           brauchern kontrolliert und nicht be-                                    aber auch die Komplexität der Mate-
                           fürchten muss, dass die Begünstigung                                    rie. Die kleinsten Details der verschie-
                           eigener Dienste abgestraft wird.                                        densten Funktionen, technischen Op-
                                                                                                   tionen und Auswirkungen von Designs
Google wurde wegen         Disintermediation ganzer Industrien                                     von Suchdiensten auf Sichtbarkeit,
Missbrauchs seiner         trotz hoher Bußgelder                                                   Klickraten und Klickpreise kamen zur
marktbeherrschen-
den Stellung bei           Bei den größten Internet-Intermediä-                                    Sprache. Selbst eine so starke Wett-
Produktanzeigen            ren ist diese Marktphase mittlerweile                                   bewerbsbehörde wie die Europäische
im Suchergebnis            erreicht. In den letzten zwei Jahren                                    Kommission gelangt da schnell im
bestraft.
                           verging kaum ein Monat, in dem sich                                     Informationsgefälle     zur    Blackbox

                           1) Kommission, Case.AT 39740, Google Search (Shopping). 2) Finanzen.net, v. 17.2.2020, „EU-Richter bringt höheres Bußgeld gegen
                           Google ins Spiel“, https://www.finanzen.net/nachricht/aktien/berufung-koennte-scheitern-eu-richter-bringt-hoeheres-bussgeld-­
                           gegen-google-ins-spiel-8518209

POLITIK relevant. 1|2020                                                   18
Google, Amazon, Apple und Facebook
haben nahezu unbegrenzte Stellschrauben,
um Märkte zu monopolisieren.
THOMAS HÖPPNER

Google an ihre Grenzen. Google, Ama-                              und ex ante wirkende Verbote schaffen
zon, Apple und Facebook stehen na-                                die erforderliche Rechts- und Planungs-
hezu unbegrenzte Stellschrauben zur                               sicherheit. Gerade in dynamischen
Verfügung, um über ihre milliarden-­                              Märkten müssen die zuständigen Ins-
fachen täglichen Vermittlungsleis-                                titutionen schnell und gezielt agieren
tungen Märkte zu monopolisieren. Es                               können. Die von der 10. GWB-Novelle
kann nicht Aufgabe allgemeiner Wett-                              prognostizierten zwei Entscheidun-
bewerbsbehörden sein, dauerhaft und                               gen des Bundeskartellamts gegen die
tagesaktuell solche Kleinstprozesse                               Tech-Riesen innerhalb der ersten fünf
zu überwachen. Wer Montag aus den                                 Jahre 4 sind schlicht „too little, too late“.
Such­ergebnissen verschwindet, will                               Mittel- bis langfristig führt kein Weg an
und braucht spätestens Freitag Klar-                              einer speziellen Regulierung vorbei. Sie
heit – nicht Jahre später.                                        sollte die folgenden Mindestanforde-
                                                                  rungen erfüllen:                           »
Eine Aufgabe für den Gesetzgeber
Die allgemeinen Wettbewerbsbehörden
sind auch nicht dazu berufen, komple-
xe, grundrechtsrelevante Gemenge-
lagen in einen allgemeinen Einklang
zu bringen, um die es beim Zugang zu
Informationen im Internet geht. Das                                  INFO „Too little, too late“
ist originäre Aufgabe des Gesetzge-                                  Selbst EU-Politiker sehen die bisherigen Maßnahmen im Umgang mit
bers. Der Referentenentwurf für eine 10.                             den amerikanischen (und chinesischen) Internetgiganten als unzu-
GWB-Novelle (sog. „Digitalisierungsge-                               reichend und zu zögerlich an. Der Begriff „too little too late“ steht
                                                                     symbolisch für diese Kritik aus den eigenen Reihen. So forderte etwa
setz“) ist insoweit ein richtiger Schritt.                           der EVP-Vorsitzende Manfred Weber (CSU) im vergangenen April
Die vorgesehene Modifizierung der                                    im „Spiegel“: „Wenn es US-Internetriesen gelingt, die gesetzlichen
Missbrauchsaufsicht reicht aber nicht                                Rahmenbedingungen für die Digitalisierung zu beeinflussen (…), dann
                                                                     müssen wir in der EU auch sehr viel zielgerichteter unsere Unterneh-
aus.3 Nur gesetzliche Detailregelungen
                                                                     men unterstützen und Rahmenbedingungen deutlich verbessern. (…)
                                                                     Die Zeiten des Abwartens und Zuschauens müssen vorbei sein, sonst
3) S. im Detail Höppner, WuW 2/2020, S. 71–79; ders./Weber, K&R      verspielen wir unsere Zukunft. (…)“
1/2020, S. 24–51. 4) BMWi, Begründung des Referentenentwurfs
für eine 10. GWB-Novelle, S. 62.

                                                                          19                                      relevant. 1|2020 POLITIK
»  Gebotene asymmetrische                               diszipliniert. Jeder Auferlegung von
                           Regulierung                                             Verpflichtungen muss daher eine um-
                           Eine Marktregulierung von Internet-In-                  fassende Marktanalyse vorausgehen.
                           termediären muss zwingend asymme-                       Dafür sind zunächst die verschiede-
                           trisch sein, also zwischen Plattformen                  nen Vermittlungsdienstleis­tungen ab-
                           mit und Plattformen ohne signifikan-                    zugrenzen, also die relevanten Märkte
                           te Marktmacht unterscheiden. Ein                        zu definieren. Im Anschluss ist festzu-
                           Marktversagen besteht nur bei Platt-                    stellen, auf welchem definierten Markt
                           formen, für die es auch längerfristig                   eine signifikante Marktmacht besteht
                           keine echten Ausweichmöglichkeiten                      und ob diese nur von vorübergehen-
                           gibt. Für sie können und müssen unter                   der Natur ist oder der Markt aufgrund
                           dem Gesichtspunkt der Verhältnismä-                     beträchtlicher und anhaltender Markt-
                           ßigkeit strengere Vorgaben gelten als                   zutrittsbarrieren längerfristig nicht
                           für andere Plattformen. Der symmetri-                   zu wirksamem Wettbewerb tendiert.
                           sche Ansatz etwa der Platform-to-Bu-                    Wurden derart durch Wettbewerb nicht
                           siness-Verordnung 5 oder der Daten-                     hinreichend disziplinierte Intermediäre
                           schutzgrundverordnung       ist   nicht                 identifiziert, sollte noch geprüft werden,
Nach Ansicht               geeignet, Probleme asymmetrischer                       ob das allgemeine Wettbewerbsrecht
führender Juristen         Machtverhältnisse zu lösen. Er kann                     ausreicht, um das Marktversagen zu
ist es eine Genera-
tionenaufgabe, das         diese Asymmetrien sogar verfestigen.                    adressieren. Das ist typischerweise auf
Kartellrecht fit für                                                               Märkten mit vielen Transaktionen und
das Zeitalter der          Differenzierung anhand der                              hohem Streitpotenzial nicht der Fall.
Digitalisierung zu
                           Angreifbarkeit eines Intermediärs
machen.
                           Die verschiedenen Internetplattfor-                     Maßgeschneiderte
                           men werden auf ihren jeweiligen                         Regulierungsverfügungen
                           Märkten    unterschiedlich   intensiv                   Im Anschluss an die Marktanalyse
                           durch die Wechselmöglichkeiten ih-                      sind dem identifizierten Intermediär
                           rer   jeweiligen   Abnehmergruppen                      mit signifikanter Marktmacht in einem

                           5) Verordnung Nr. 2019/1150.

                                                                 Für alle Mitarbeiter
                                                                 von Medienunternehmen
                                                                          Die Presse-Betriebsrente:
                                                                          Hohe Rendite. Großkundenkonditionen.
                                                                          Persönliche Ansprechpartner.
                                                                                                                                Anzeige

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                                                  Fotolia-ivanko80

POLITIK relevant. 1|2020                                             20
zweiten Schritt geeignete Verpflich-              räumen. Die Behörde könnte dann die
tungen aufzuerlegen, um den Wettbe-               im Einzelfall effektivsten auswählen.
werb zu sichern. Dafür sollte das Gesetz          Jedenfalls die folgenden Verpflich-
der Regulierungsbehörde einen breiten             tungsoptionen erscheinen sinnvoll: »
Kanon möglicher Verpflichtungen ein-

   Gleichbehandlungsgebote
   Pflicht, bei der Vermittlung alle Angebote nach den gleichen Prozessen und Methoden zu
   behandeln, einschließlich der eigenen Angebote.

   Entflechtungsvorgaben
   Pflicht, den regulierten Vermittlungsdienst strukturell (buchhalterisch, funktional, gesell-
   schaftsrechtlich bis hin zu eigentumsrechtlich) von anderen Geschäftsbereichen zu trennen.

   Zugangsverpflichtungen
   Pflicht, Wettbewerbern eine Mitbenutzung wesentlicher Vorleistungen zu erlauben, damit sie
   in Konkurrenz treten können, einschließlich des Zugangs zu wettbewerbsrelevanten Daten.

   Datenportabilitätsvorgaben
   Pflicht, die Portierung von Nutzerdaten auf eine andere Plattform zu ermöglichen und gegebe-
   nenfalls aktiv zu portieren.

   Transparenzverpflichtungen
   Pflicht, Nutzergruppen Interessenkonflikte bei der Vermittlung und relevante technische
   Spezifikationen offenzulegen.

   Je nach Marktversagen könnten diese Verpflichtungen weiter ergänzt werden.

                                                           21                                     relevant. 1|2020 POLITIK
Das Telekommunika­tionsrecht sieht
den asymmetrischen Regulierungs­
ansatz bereits vor.
THOMAS HÖPPNER

                           ZUR PERSON                                         Telekommunikations­märkten vertraut
                           Prof. Dr. Thomas Höppner                           werden, in Deutschland die Bundes-
                           	Professor für Wirtschaftsprivatrecht an der      netzagentur. Das ähnlich dynamische
                             Technischen Hochschule Wildau                    und technisch komplexe Telekommu-
                           	Partner der Wirtschaftskanzlei Hausfeld, die
                             u. a. den BDZV & VDZ vor der Kommission und      nikationsrecht sieht den hier darge-
                             dem EU-Gericht in Sachen Google vertritt         legten asymmetrischen Regulierungs-
                                                                              ansatz bereits vor. Die erfolgreiche
                                                                              Rückführung der sektorspezifischen
                                                                              Regulierung hat hier auch freie Kapa-
                                                                              zitäten geschaffen. Mit BEREC besteht
                                                                              eine Europäische Dachorganisation,
Das Gremium                »  Spezialbehörde mit                              die kurzfristig allgemeine, übergreifen-
Europäischer
                           technischem Know-how                               de Leitlinien entwickeln könnte.
Regulierungsstellen
für elektronische          Die Durchsetzung einer asymmetri-                  All das ließe sich im Ergebnis ganz
Kommunikation              schen Regulierung setzt eine schlag-               zügig erreichen, wenn man den
(engl. BEREC) exis-        kräftige Regulierungsbehörde voraus.               Rechtsrahmen für die elektronische
tiert seit 2010 und
ist eine Agentur der       Hierfür sollte auf die nationalen Be-              Kommunikation auf Internet-Interme-
EU-Kommission.             hörden für die Regulierung von                     diationsdienste erweitert. «

POLITIK ANWENDUNG

Reduzierter Steuersatz für digitale Presseprodukte
Der Deutsche Bundestag hat am 7. November 2019 be-             scher Mühe erreichte Änderung des EU-Mehrwertsteu-
schlossen, dass für digitale Presseprodukte ab Dezember        errechts erlaubt es den Mitgliedsstaaten, die reduzierte
2019 der reduzierte Umsatzsteuersatz gilt. Damit werden        Mehrwertsteuer auf die elektronische Dienstleistung der
die digitalen Produkte der Zeitungsverlage den Print-          Überlassung von Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften
produkten aus steuerlicher Sicht endlich gleichgestellt.       anzuwenden. Von der Steuerermäßigung ausgenommen
                                                                                                                            © Foto: Privat

Vorausgegangen war der deutschen Gesetzgebung ein              sind Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentli-
Prozess auf EU-Ebene. Die 2018 nach jahrelanger politi-        chen Werbe­zwecken dienen.

POLITIK relevant. 1|2020                                    22
„Wir sind ein nicht perfektes
System mit dem Ziel, die
Wahrheit zu verbreiten“
MEINUNG Uwe Vorkötter, Chefredakteur des Medienmagazins Horizont,
interviewte für relevant. den BDZV-Präsidenten Mathias Döpfner,
Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, zu den Themen, die die
Publisher-Branche umtreiben: Transformation, Relevanz, Selbstkritik.
Die aktuellen politischen Themen blieben dabei ebenso wenig außen
vor wie ein Ausblick in die Zukunft von Verband und Branche.
INTERVIEW VON UWE VORKÖTTER

                         H
                                  err Döpfner, vor einem halben   hen wir einen Schritt weiter. Wir wol-
                                  Jahr ist aus dem Bundesver-     len deutlich machen, dass der BDZV
                                  band Deutscher Zeitungsverle-   nicht nur ein Verband von Leuten ist,
                         ger der Bundesverband Digitalpublisher   die Papier mit Nachrichten bedrucken,
                         und Zeitungsverleger geworden. Was       sondern ein Verband von Verlegern,
                         hat sich außer dem Namen geändert?       die aktuellen Journalismus betreiben,
                         Die Namensänderung ist eine Zielposi-    und zwar immer stärker auf digitalen
                         tionsbestimmung. In unserem Verband      Vertriebswegen. Das ist zugleich ein
                         gibt es heute bereits 600 digitaljour-   Signal der Öffnung an Unternehmen
                         nalistische Angebote. Aber die Digital   aus der digitalen Wirtschaft.
                         Natives, die an diesen Webseiten, Apps
Der Nachfolger von       und anderen Produkten arbeiten, brau-    An wen denken Sie da?
                                                                                                            © Foto: Daniel Biskup

„Zeitung digital“ fin-   chen eine stärkere Stimme im Verband.    An Digitalverlage wie Politico, Vox Me-
det vom 27. bis 28.      Um das zu ändern, haben wir bereits      dia, Business Insider, Huffington Post.
Mai 2020 in Berlin
bereits zum zweiten      den beBETA Digitalkongress ins Leben     Aber auch an journalistische Start-ups,
Mal statt.               gerufen. Mit der Namensänderung ge-      an Blogs, an ganz neue Initiativen.   »

MARKT relevant. 1|2020                              24
Mathias Döpfner ist
seit 2016 Präsident
des BDZV.

                      25   relevant. 1|2020 MARKT
Junge Digitalpublisher brauchen
verlässliche gesetzliche Rahmen­
bedingungen und fairen Wettbewerb,
um ihr Geschäft zu entwickeln.
MATHIAS DÖPFNER, BDZV-PRÄSIDENT

                         »  T-Online, Correctiv, Übermedien:        Technologie. Dafür können wir eine
                         Sind das potenzielle Mitglieder des        Plattform bieten.
                         neuen BDZV?
                         Bei Correctiv und Übermedien würde         Kann der digitale Nachwuchs sich den
                         ich das bejahen, bei T-Online kommt es     BDZV leisten? Müssen die Tarifverträ-
                         auf das Selbstverständnis an. Unsere       ge in jedem Start-up gelten?
                         Kriterien sind sehr klar: Die Mitglieder   Erste Frage: ja. Zweite Frage: nein. Die
                         des BDZV haben einen journalistischen      Einstiegshürde wird sehr niedrig sein.
                         Anspruch, sie recherchieren originäre      Ein Start-up wird am Anfang einen
                         eigene Inhalte, sie sind unabhängig,       symbolischen Beitrag zahlen. Und un-
                         sie trennen die kommerzielle von der       sere Mitglieder kommen in den Genuss
                         journalistischen Sphäre. Ich nenne das     von Events, Weiterbildung und ande-
                         zusammengefasst das Prinzip der ver-       ren Leistungen.
                         antwortlichen Absenderschaft. Wenn
                         die Kriterien erfüllt sind, dann wäre      Die Zeitungsverlage arbeiten seit zwei
                         eine Anbindung wünschenswert. Al-          Jahrzehnten an der Transformation
                         lerdings müssen dazu erst noch die         vom Printzeitalter in die digitale Ära.
                         satzungsrechtlichen Voraussetzungen        Gibt es, Stand heute, ein funktionie-
                         geschaffen werden.                         rendes Geschäftsmodell für den digi-
                                                                    talen Journalismus?
                         Warum sollte ein Blogger oder ein jun-     Ja.
                         ges Digitalunternehmen Mitglied im
                         BDZV werden?                               Wie sieht es aus?
                         Junge Digitalpublisher brauchen ver-       Das digitale Abonnement etabliert sich
                         lässliche gesetzliche Rahmenbedin-         zusehends, es wird zur wichtigsten Säu-
                         gungen und fairen Wettbewerb, um           le des Geschäfts. Die Erwartung, Jour-
                         ihr Geschäft zu entwickeln. Der BDZV       nalismus im Netz nur aus Werbeerlösen
                         vertritt ihre Interessen. Und sie suchen   finanzieren zu können, war von Anfang
                         den Austausch von Know-how und             an eine Fehleinschätzung. Die Wer-

MARKT relevant. 1|2020                                26
beerlöse werden von den großen Tech-        sich manche Luxusmentalität leisten.
nologieplattformen abgeschöpft, die         Aber das ist vorbei. Niemand freut
Verlage wurden zu Content-Lieferanten       sich mehr, wenn es dem Konkurrenten
degradiert. Jetzt erleben wir den Shift     schlecht geht. Und jeder freut sich über
vom Werbe- zum Abomodell, und zwar          ein funktionierendes Projekt, das der
weltweit. Die New York Times hat 3,8        Branche weiterhilft.
Millionen Digitalabonnenten, das Wall
Street Journal über 2 Millionen, die Fi-    Die Medienhäuser rücken enger zu-
nancial Times eine Million, Bild 500.000.   sammen?
Die FAZ, der Spiegel, die Süddeutsche:      Eindeutig. Herstellung, Technologie,
Sie alle verfügen inzwischen über nen-      Zustellung, Vermarktung: Das sind Fel-       Von Oktober 2018
nenswerte digitale Abonnentenzahlen.        der, auf denen Kooperation oft möglich       bis April 2019 hat
                                                                                         z. B. die FAZ bereits
                                            und sinnvoll ist. Die Redaktionen ste-       20.000 zahlende
Leser und User konnten bisher die           hen dabei nicht im Vordergrund, wobei        „F+“-Abonnenten
Breite des medialen Angebots kosten-        ich hinzufüge, dass insgesamt in unse-       gewinnen können.
los nutzen. Jetzt stoßen sie auf immer      rer Branche eine Konzentration unver-
mehr rote Pluszeichen – und fragen          meidlich ist.
sich, warum sie nicht mit einem einzi-
gen Abo viele Titel nutzen können. Bei      Es wird weniger Verlage und Titel ge-
Filmen geht das mit Netflix, bei Musik      ben?
mit Spotify.                                Im Printgeschäft setzt sich der Trend
Ich schließe nicht aus, dass es solche      sinkender Auflagen und Anzeigener-
Angebote geben wird. Aber ich halte es      löse fort. Möglicherweise beschleunigt
nicht für wahrscheinlich, dass es ein       sich diese Entwicklung, was ja schon
einziges News-Spotify geben wird, das       lange vorhergesagt wird. Dazu kom-
die Vielfalt der Angebote ersetzt.          men Belastungen, die der Gesetzgeber
                                            den Verlagen zumutet. Das führt ins-
Warum nicht?                                gesamt zu einer schwierigen Situation,
Es wird eine Vielfalt an Medienmarken       die eine heftige Konsolidierungswelle
geben, die mit individuellen Angebo-        auslöst. Verlage sprechen über Koope-
ten und eigenen Preispunkten ihre Le-       rationen und Fusionen, mancher Titel
ser bedienen. Und es wird Leser geben,      wird zum Verkauf angeboten.
die sich genau einer Marke anschlie-
ßen, aufgrund ihrer gesellschaftlichen      Sie meinen den Verkauf der DuMont­-
Haltung, der Tonalität, der Ästhetik, der   Titel in Berlin und Hamburg?
regionalen Nähe. Es kann also mehrere       Ich will jetzt nicht über einzelne Häu-
Aggregatoren geben.                         ser reden. Aber das sind schon Ent-
                                            wicklungen mit Signalcharakter. Umso
Die Fähigkeit zur Kooperation gehörte       wichtiger ist es, dass wir uns vom Pa-
in der Vergangenheit nicht zu den be-       pier emanzipieren und auf digitalen
sonderen Stärken der Zeitungsverleger.      Vertriebswegen unsere Geschäftsmo-
Das stimmt. In den goldenen Zeiten          delle entwickeln.                     »
des analogen Geschäfts konnte man

                                                   27                                  relevant. 1|2020 MARKT
»  Auf Print kann man demnächst ver-          aktuell sind. Andererseits wollen 75
                          zichten?                                      Prozent der heutigen Printleser nicht
                          Nein! Wir haben es eindeutig mit einer        auf die Papierausgabe verzichten. Also
                          Generationsfrage zu tun. 77 Prozent           müssen wir einerseits unsere digitalen
                          der Unterdreißigjährigen sagen einer          Vertriebswege konsequent ausbauen
                          jüngsten Umfrage zufolge, dass sie ihre       und gleichzeitig noch auf Jahre, wenn
                          Nachrichten gern auf dem Smartpho-            nicht Jahrzehnte hinaus die Zeitung
                          ne oder Tablet nutzen, wo sie immer           auf Papier anbieten. Belastungen, wie
                                                                        sie uns zurzeit bei der Zustellung zuge-
                                                                        mutet werden, kann kaum ein lokaler
                                                                        oder regionaler Zeitungsverlag in die-
                                                                        sem ohnehin schwierigen Transfor-
                                                                        mationsprozess schultern.

                                                                        Die Koalition hat 40 Millionen Euro
                                                                        im Haushalt vorgesehen, um den Ver-
                                                                        lagen zu helfen. Das ist dem BDZV zu
                                                                        wenig. Und der falsche Ansatz?
                                                                        Für uns gibt es eine klare ordnungs-
                                                                        politische Trennlinie: Wir lehnen eine
                                                                        direkte staatliche Förderung der Ver-
                                                                        lage strikt ab. Das führt letztlich in ein
                                                                        System der öffentlich-rechtlichen Zei-
                                                                        tungen und zu einer Aufweichung der
                                                                        redaktionellen Unabhängigkeit. Von
                                                                        einer Innovationsförderung, wie sie
                                                                        die Politik anbietet, halte ich definitiv
                                                                        nichts. Innovation müssen die Verlage
                                                                        selbst schultern. Etwas ganz anderes
ZUR PERSON Dr. Mathias Döpfner                                          ist die Förderung des Zustellsystems.
                                                                        Den freien Zugang des Bürgers zu un-
Mathias Döpfner ist seit 2016 Präsident des BDZV.
                                                                        abhängigen Informationen sicherzu-
Geboren im Jahr 1963, Studium der Musikwissenschaft, Germanistik        stellen, daran kann und sollte sich der
und Theaterwissenschaften in Frankfurt und Boston.
                                                                        Staat beteiligen, wie übrigens in ande-
Als Journalist begann er 1982 seine Laufbahn bei der „Frankfurter       ren europäischen Ländern auch.
Allgemeinen Zeitung“. Von 1988 bis 1990 war er Geschäftsführer
einer PR-Agentur. 1992 arbeitete er im Stab des Vorstands Inter-
national des Gruner+Jahr-Verlages in Paris, später wurde er Assis-      Aber 40 Millionen Euro sind Ihnen zu
tent des Gruner+Jahr-Vorstandsvorsitzenden in Hamburg. Weitere          wenig.
journalistische Stationen waren Chefredaktion der „Wochenpost“,         Wenn man an die Praxis in anderen
Berlin (1994–1996), und Chefredaktion der „Hamburger Morgenpost“
(1996–1998).                                                            Ländern, etwa in Skandinavien oder
                                                                        in Frankreich, anknüpft, dann müss-
                                                                                                                     © Foto: Daniel Biskup

Seit 1998 ist er für das Unternehmen Axel Springer tätig. Zunächst
                                                                        ten wir über eine Größenordnung jen-
als Chefredakteur DIE WELT. Seit Juli 2000 ist   Mathias Döpfner Mit-
glied des Vorstands und seit Januar 2002 Vorstandsvorsitzender der      seits von 700 Millionen Euro reden. Das
Axel Springer SE. (Quelle: Axel Springer SE)                            zeigt, wie weit wir von einer Problem-
                                                                        lösung entfernt sind.

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Den freien Zugang des Bürgers zu
unabhängigen Informationen sicher­
zustellen, daran kann und sollte sich
der Staat beteiligen.                               MATHIAS DÖPFNER, BDZV-PRÄSIDENT

Liegen die Gespräche mit der Politik       rikanischen Technologieplattformen.
auf Eis? Oder sind Sie in einem kons­      Die sind auf die Setzung von Cookies
truktiven Dialog?                          für ihr Werbegeschäft nicht angewie-
Konstruktiver Dialog ist eine schöne       sen, weil sie ohnehin über ausgefeilte
Floskel. Wir sind tatsächlich im Dialog,   Login-Systeme verfügen. Ich bin aber
ich will den auch nicht abbrechen. Aber    verhalten optimistisch, dass wir im
wir reden über insgesamt 1,4 Milliar-      zweiten Anlauf Verbraucherschutz
den Euro Zustellkosten im Jahr. 40 Mil­    und Datenschutz stärken, ohne die
lionen Euro, die wir uns noch mit den      Verlage und die Vielfalt im Wettbewerb
Anzeigenblättern oder gar Zeitschrif-      zu schwächen.
ten teilen sollen, sind nicht einmal ein
Tröpfchen auf dem heißen Stein.            In der Schweiz haben sich die Me-
                                           dienhäuser zu einer Login-Allianz zu-
In Brüssel geht es nach wie vor um         sammengeschlossen, um Google und
die E-Privacy-Verordnung, sie soll         Facebook Paroli zu bieten. Ist das ein
wohl im zweiten Halbjahr, also in der      Vorbild für Deutschland?
deutschen Ratspräsidentschaft, ver-        Ich finde das Schweizer Modell vor-          In der sogenannten
abschiedet werden. Droht den Verla-        bildlich. Es gibt ja in Deutschland auch     Digital-Allianz enga-
                                                                                        gieren sich Ringier,
gen von dieser Seite noch weiteres         Versuche, Login-Allianzen auf den            Tamedia, die NZZ
Ungemach? Oder gewöhnt man sich            Weg zu bringen. Nur eine kleine Zahl         Mediengruppe sowie
daran, wie an die Datenschutz-Grund-       von Verlagen ist allerdings bisher be-       CH Media.
verordnung?                                reit, sich diesen Allianzen anzuschlie-
Verbraucherschutz und Datenschutz          ßen. Grundsätzlich ist das jedoch ein
sind unbedingt zu bejahen. Der Teu-        Feld, auf dem man die Kräfte bündeln
fel steckt allerdings im Detail der        muss. Die Kunden wollen sich nicht
Umsetzung. Die Regelung, die bisher        immer wieder, sondern nur einmal re-
vorgesehen war, hätte nicht die Ver-       gistrieren und sich dann auf unseren
braucher geschützt, sondern die ame-       Plattformen frei bewegen.              »

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Fast 96 % der            »  Es gibt jetzt ein europäisches Ur-      muss. Das empfinde ich als Erpressung
Suchanfragen in          heberrecht. Nach dem Scheitern des         unter Missbrauch einer marktbeherr-
Deutschland wurden
2018 über Google         deutschen Leistungsschutzrechts ist        schenden Stellung.
getätigt. Quelle:        das ein Erfolg, oder?
statcounter.com          Das ist ein großer Erfolg der gesamten     Also ist das EU-Recht so unwirksam,
                         Kreativwirtschaft – Zeitungsverleger,      wie es das deutsche war?
                         Zeitschriftenverleger, Literaturverbän-    An dem Punkt sind wir noch nicht.
                         de, Musikverbände und andere. Wir          Das französische Beispiel zeigt nur,
                         haben jetzt eine Rechtsgrundlage, um       dass einzelne Länder zu schwach sind,
                         überhaupt mit intellektuellem Eigen-       das Recht durchzusetzen. Wenn sol-
                         tum und Urheberrechten Geschäfte           che Megakonzerne aber glauben, sie
                         machen zu können. Wenn jemand In-          könnten die Gesetzgebung auch auf
                         halte, die andere geschaffen haben, für    EU-Ebene aushebeln, dann werden sie
                         seine kommerziellen Zwecke nutzt,          sich möglicherweise verspekulieren.
                         dann muss er dafür bezahlen, dieses
                         Prinzip ist von essenzieller Bedeutung.    Wie sieht es in Deutschland mit der
                         Jetzt haben die nationalen Gesetzge-       Umsetzung der Richtlinie aus?
                         ber zwei Jahre Zeit für die Umsetzung.     Leider nicht gut. In den bisherigen Ent-
                                                                    würfen stehen Ausnahmetatbestände,
                                                                    als hätten die Plattformen dem Gesetz-
                                                                    geber die Feder geführt. Aber wir ha-
  Ich sehe Anzeichen dafür, dass                                    ben die Kritik daran bereits formuliert,
das gesellschaftliche Bewusstsein                                   letztlich bin ich zuversichtlich, dass
für wahrhaftige Information wieder                                  wir eine vernünftige Umsetzung der
                                                                    europäischen Vorgaben hinbekommen.
stärker wird.
MATHIAS DÖPFNER, BDZV-PRÄSIDENT                                     Lassen Sie uns noch über die Rolle der
                                                                    Zeitungen in der Gesellschaft spre-
                                                                    chen. Die Menschen informieren sich
                                                                    heute bei Google und Facebook, sie
                         Frankreich ist schon vorgeprescht.         nutzen Websites von Onlinehändlern,
In Frankreich setzt      Ja, Emmanuel Macron hat die Bedeu-         Blogs und russische Bots. Wo bleibt
sich Präsident           tung des Themas erkannt ...                die Zeitung?
Macron für das
Urheberrecht ein.                                                   Dass der gesellschaftliche Einfluss
                                                                                                               © Foto: Daniel Biskup, Paulus Ponizak

                         ... und Google hat das französische        der Zeitungen geschwunden ist, kann
                         Recht ins Leere laufen lassen.             niemand ernsthaft bestreiten. Wenn
                         Google hat, genau wie beim deutschen       Sie früher den Leitartikel der FAZ oder
                         Leistungsschutzrecht,      durchblicken    Ihrer regionalen Tageszeitung nicht
                         lassen, dass jeder, der das Recht nutzt,   gelesen hatten, konnten sie nicht
                         mit erheblichen Nachteilen bei der         mitsprechen. Heute gibt es viel mehr
                         Darstellung seiner Inhalte rechnen         Informationsquellen. Das kann eine

MARKT relevant. 1|2020                                30
Ernste Themen, ent-
                                                                                         spannte Atmosphä-
                                                                                         re: Beide Gesprächs-
                                                                                         partner eint, dass sie
                                                                                         schon in verschie-
                                                                                         denen Zeitungen
                                                                                         führende Positionen
                                                                                         innehatten.

Bereicherung sein. Aber zugleich ver-       der Präsident der Zeitungsverleger es
wischen sich die Grenzen zwischen           wagen könne, Journalisten zu kriti-
verantwortlicher Absenderschaft und         sieren. Wir machen auch Fehler, keine
Propaganda. Was wir an Fake News            Frage. Viele Menschen fühlen sich ein-
erleben, zeigt doch, wie wichtig der        seitig informiert, wir haben Vertrauen
unabhängige Journalismus gerade             verloren.
heute ist. Jeder Datenskandal, jeder
russische Versuch, eine Wahl zu mani-       Also sind die Zeitungen auch nicht bes-
pulieren, ist ein Signal dafür. Insofern    ser als diejenigen, die sie kritisieren?
bin ich zwar einerseits besorgt über die    Doch. Wir sehen uns mit einer Maschi-
Entwicklung. Aber ich sehe anderer-         nerie konfrontiert, die systematisch
seits Anzeichen dafür, dass das gesell-     Desinformation und Lügen verbreitet,
schaftliche Bewusstsein für wahrhafti-      und dahinter steht kein Geschäftsmo-
ge Information wieder stärker wird.         dell, sondern politische Absicht. Auf
                                            der anderen Seite stehen wir als Bran-
Das klingt jetzt so, als gäbe es da drau-   che, deren Ziel es ist, unabhängig und
ßen viel Fehlentwicklung und hier           wahrheitsgemäß zu informieren. Wir
drinnen bei uns ist alles in bester Ord-    sind ein nicht perfektes System mit
nung ...                                    dem Ziel, die Wahrheit zu verbreiten.        Das Interview führ-
Natürlich nicht! Wir haben manchen          Das andere ist ein perfektes System, die     te Uwe Vorkötter,
                                                                                         Chefredakteur
Grund zur Selbstkritik. Ich musste          Unwahrheit zu verbreiten. Damit lassen       HORIZONT-Medien
mich ja auch schon fragen lassen, wie       wir uns nicht auf eine Stufe stellen. «      Print und Online

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