EIN GRUND ZUM FEIERN - 2 Euro - Arge für Obdachlose
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Arge für Obdachlose Stra enzeitung von Randgruppen und sozial Benachteiligten JULI/AUGUST 2021 ı 1 Euro bleibt den VerkäuferInnen ı Achten Sie auf den Verkaufsausweis 2 Euro EIN GRUND ZUM FEIERN
IMPRESSUM LESERBRIEFE UND REAKTIONEN Die Straßenzeitung Kupfermuckn ist ein Angebot zur Selbsthilfe für Wohnungslose und für Menschen an oder Bei uns haben haben alle ein Leiberl! unter der Armutsgrenze. Unsere Zeitung versteht sich als Sprachrohr für Randgruppen und deren Anliegen. Der Zeitungsverkauf und das Schreiben bringen neben dem Zuverdienst das Gefühl, gemeinsam etwas ge- schaffen zu haben. Von Wohnungslosigkeit Betroffene bilden mit Mitarbeitern des Vereins »Arge für Obdach- mverkäufer lose« in partnerschaftlichem Verhältnis die Redaktion. Senden Sie uns ein Foto mit ihrem Stam Redaktion Straßenzeitung Kupfermuckn, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel. 0732/770805-13, kupfermuckn@arge-ob- dachlose.at, www.kupfermuckn.at Ein Gratis Kupermuckn-Shirt für unsere treuen Leser Projektleitung, Koordination, Layout, Fotos: Heinz Zauner (hz), Chefredakteur Im Sommer gibt es zu unserem 25-Jahres-Jubiläum neue Daniela Warger (dw), Leitung Redaktion T-Shirts in navyblau mit gelbem Kupfermuckn-Auf- Daniel Egger (de), Redaktion Katharina Krizsanits (kk), Vertrieb, Layout druck. Alles bio in bester Qualität. Walter Hartl (wh), Technik Für alle Leserinnen und Leser, die uns ein Foto ge- meinsam mit ihrem Kupfermuckn-Stammverkäu- Redakteure: Anna Maria, August, Christine, Claudia, Helmut, Heinz, Hermann, Johannes, Leo, Manfred F., fer mailen (kupfermuckn@arge-obdachlose) oder Manfred R., Manfred S., Sonja, Ursula, Walter; vorbeibringen, gibt es ein T-Shirt gratis. Bitte ge- ben Sie die Größe (s, m, l, xl, xxl) und Ihre Ad- Titelfoto (hz): 25 Jahre Kupfermuckn Auflage: 38.000 Exemplare resse an. Bankverbindung und Spendenkonto Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz 25 Gratiszeitungen im Wert von IBAN: AT461860000010635860, BIC: VKBLAT2L 50 Euro für »Ihren« Verkäufer Ausgabe in Linz, Wels, Steyr und Vöcklabruck Sie machen mit dieser Aktion aber auch unseren Menschen, die in Armut leben und ihren Lebensmittel- punkt in Oberösterreich haben, können sich Montag bis Verkäuferinnen und Verkäufern eine große Freitag zwischen 8 und 12 Uhr bei den Ausgabestellen Freude. Diese erhalten neben dem T-Shirt auch melden und erhalten einen Verkäuferausweis. 50 Pro- 25 Gratis-Exemplare der Kupfermuckn zum zent des Verkaufspreises verbleiben den Verkäufern. Verkauf. Arge für Obdachlose, Marienstraße 11, 4020 Linz, Tel., Bitte Fotos mit kleinen Text versehen und in 0732/770805-19 guter Auflösung senden. Auf Wunsch kom- Soziales Wohnservice Wels, E 37, Salzburgerstraße 46, 4600 Wels, Tel. 07242/290663 men wir auch mit unserer Kamera vorbei und Verein Wohnen Steyr, B 29, Hessenplatz 3, 4400 Steyr, fotografieren Sie. (Jede/r Leser /in bzw. Ver- Tel. 07252/50 211 käufer/in kann nur einmal gewinnen!) Im Verein Wohnungslosenhilfe Mosaik, Gmundner Straße 102, 4840 Vöcklabruck, Tel. 07672/75145 Herbst gestalten wir dann einen schönen Bei- trag über die vielen beeindruckenden Begeg- Medieninhaber und Herausgeber nungen zwischen Ihnen und Ihren Verkäufern. Vorstand des Vereines »Arge für Obdachlose«, Vorsit- zende Mag.a Elisabeth Paulischin, Marienstraße 11, 4020 Linz, www.arge-obdachlose.at International Die Kupfermuckn ist Mitglied beim »International Network of Street Papers« INSP Achten Sie bitte auf den Verkaufsausweis www.street-papers.com Liebe Leserinnen und Leser! Bitte kaufen Sie die Kupfermuckn ausschließlich bei Verkäuferinnen und Verkäufern mit sichtbar getrage- nem und aktuellem Ausweis. Nur so können Sie sicher sein, dass auch wirklich die Hälfte des Ertrages der Zielgruppe zu Gute kommt: Woh- nungslosen und Menschen, die in Ar- mut leben und ihren Lebensmittel- punkt in Oberösterreich haben. 2 07/2021
Schmerz lass nach Betroffene berichten über unglückliche Unfälle mit teils schwerwiegenden Folgen Schaut’s her, der Außerirdische Erinnerung hatte. An jenem Tag war die Stelle den Schmerz im Halswirbelbereich. Eine Be- mit einer lehmigen Masse zugeschwemmt und kannte sah mich fragend an. Ich sagte zu ihr: geht wieder spazieren nur mehr gut einen Meter tief. Ziemlich be- »Warten wir es noch ab, vielleicht wird es ja nommen ging ich raus. Wir klebten die Platz- noch besser«. Sie fuhr dann einkaufen. Als sie »Tua's net«, hat sie geschrien. Wir, einige aus wunde und fuhren gemeinsam zur Party. Wäh- zurück kam, lag ich noch immer genau so da unserer Clique, waren beim See, unterwegs zu rend der Fahrt stellte ich fest, dass ich den wie zuvor. Sie rief den Krankenwagen. Die einer Party. Ich stand ganz oben auf dem run- Kopf immer weniger bewegen konnte. Ein Rettungsfahrer haben mich auf einer dicken den Bogen der hölzernen Brücke über dem Freund machte sich Sorgen. So fuhr er mit mir aufblasbaren Bahre in das Rettungsauto ver- Zufluss des Sees, bereit zum Sprung. Den dann doch zum Unfallkrankenhaus nach Salz- frachtet. Im Unfallkrankenhaus musste ich Schrei habe ich noch gehört. Dann bin ich ge- burg, wo ich geröntgt wurde. Die Wunde dann drei Tage nur ruhig im Bett liegen. Erst sprungen. Es war ein super Köpfler. Mit den wurde verbunden. Wir fuhren zurück zur dann trauten sich die Ärzte, die Untersuchun- Armen konnte ich mich beim Aufprall noch Party. Dort erschien ich dann mit einem Tur- gen durchzuführen. Bei diesen wurde dann abstützen. Danach stand ich taumelnd auf. Zu ban. Am nächsten Morgen wachte ich auf ei- festgestellt, dass der dritte Halswirbel ver- meinem Entsetzen stand mir das Wasser nur ner Couch auf und wollte aufstehen. Noch staucht war. Im Gips-Zimmer war ich umringt bis zum Bauch. Auf der Stirn hatte ich eine immer auf dem Rücken liegend, musste ich vom Pflege-Personal und einem Arzt. Sie zo- Platzwunde, aus der das Blut floss. Leider war feststellen, dass ich den Kopf keinen Millime- gen mir den Kopf nach oben. Dann wurde mir ich schon lange nicht mehr bei diesem Zu- ter bewegen konnte. Wenn ich mich bewegen so schnell wie möglich ein Gips verpasst. Der fluss, den ich mit zweieinhalb Meter Tiefe in wollte, verspürte ich einen höllisch brennen- Brustkorb, der Hals und der ganze Kopf wa- 07/2021 3
Anspruch nahm. Heute bin ich überglücklich, dass alles so gut verheilt und mir eine Opera- tion erspart geblieben ist. Ich kann meinen Arm wieder ganz normal bewegen und alles ist, als wäre nie etwas gewesen. Leo Dann durfte ich den Bettnachbarn beim Frühstück zusehen Als ich eines Tages in der Früh aufwachte, dachte ich mir: »Was ist jetzt los?« Bis dahin wusste ich nicht, wie sich ein echter Schmerz so anfühlt. Auch diesen Schmerz konnte ich nicht richtig orten. Waren es Magen- oder Bauchschmerzen oder kam der Schmerz von woanders. Es tat höllisch weh, wenn ich mich niederlegte. So beschloss ich, ins Kranken- haus der Barmherzigen Brüder in die Notauf- nahme zu gehen und mich untersuchen zu lassen. Nach einiger Zeit kam ich zu der Ärz- tin, die mich untersuchte und mir später sagte, ich hätte eine Bauchspeicheldrüsen-Entzün- dung. So wurde ich stationär aufgenommen. Ich war froh, denn ich bekam gleich ein Schmerzmittel intravenös verabreicht, was den Schmerz doch linderte. Drei Tage lang Ursula kennt Schmerzen. Bis voriges Jahr wurde sie noch liebevoll von ihrem zu früh verstorbenen Freund unterstützt. Foto: de bekam ich nichts zum Essen. Trinken durfte ich auch nichts. Ich bekam Infusionen, damit der Körper mit Flüssigkeit versorgt war und ren danach eingegipst. Augen, Nase, Mund, noch bei diesem Halswirbel. Ich kann aber Schmerzmittel. So konnte ich wenigstens Ohren und die Arme waren frei. Das sollte super damit leben. Aus dieser Erfahrung her- schlafen, denn mit den Schmerzen wäre es drei Monate so bleiben. Wieder zu Hause, lie- aus würde ich jedem dringend raten, sich vor unmöglich gewesen. Am nächsten Tag wurde fen beim Spazierengehen immer die Kinder einem Köpfler zuvor genauestens über die eine Computertomographie gemacht. Das war zusammen: »Schaut's her, der Außerirdische Wassertiefe zu informieren. Manfred S. sehr unangenehm, da sie einem zuerst einen ist wieder unterwegs«, schrien und lachten sie Schlauch hinten einführen und mit Wasser den und zeigten dabei mit dem Finger auf mich. Darm auffüllen. Danach durfte ich drei Tage Ich dachte mir: »Worauf die Kinder nicht alles Schulterbruch während des lang den Bettnachbarn beim Frühstück-, Mit- kommen.« Ich ließ mich von ihnen umringen. Krankenhaus-Aufenthaltes tag- und Abendessen zusehen oder ich ging Es war aber schon irgendwie ein komisches rauchen. Endlich, am vierten Tag, bekam ich Gefühl. Ich war in eine Art Polyestergips ein- Vor einigen Jahren wurde ich ins AKH in Linz wieder ein Frühstück, aber nur Tee und zwei gehüllt und konnte damit sogar wieder einen eingeliefert. In der Unfallambulanz angekom- Stück Knäckebrot. Mittags und zum Abendes- Köpfler in den See machen. Das Schwimmen men, legte ich mich auf eine Notliege, da ich sen aber nur eine klare Suppe und Knäcke- in diesem neuen Kostüm war etwas anstren- schon sehr müde und auch ziemlich schwer brot. Am nächsten Tag wurde es mir gleich gend, weil der Kopf starr und gerade war. durch Alkohol beeinträchtigt war. Nach eini- wieder gestrichen, da meine Blutwerte noch Gegen Ende der drei Monate hatte das Ganze ger Zeit ging mir der Monitor, der an der Wand sehr schlecht waren. Also wieder drei Tage dann auch schon einen etwas bedenklichen befestigt war, auf den Nerv. Ich stand auf, nichts essen und trinken. Ich habe es überlebt Geruch angenommen. Endlich kam der Tag, stellte mich auf die Liege, da ich den Stecker und bin ohne Schmerzen entlassen worden. an dem mir der Gips abgenommen wurde. aus der Steckdose ziehen wollte, wozu es Darüber war ich sehr dankbar. Manfred R. Danach ging ich entlang der Steingasse hinter nicht mehr kam. Ich wusste nicht, dass die dem Unfallkrankenhaus. Ich hatte damals rie- Bremse am Notbett nicht angezogen war. Es sige Angst, dass etwas aus einem Fenster auf fuhr davon und ich schlug so hart am Boden Bandscheibenvorfall und Arthrose meinen Kopf fallen könnte. Ich hatte das Ge- auf, dass ich mir die linke Schulter brach. machen mir das Leben schwer fühl, als würde mir die Schädeldecke fehlen Durch die Schmerzens-Schreie waren sofort und als wäre mein Gehirn vollkommen offen. einige Ärzte und anderes Krankenhaus-Perso- Ich habe seit Jahren mit der Wirbelsäule Prob- Mit der Zeit konnte ich dann wieder schmerz- nal zur Stelle und leisteten mir erste Hilfe. Für leme. In der Halswirbelsäule habe ich einen frei als Baumaschinen-Mechaniker arbeiten die ersten drei Wochen bekam ich einen Gurt, Bandscheibenvorfall, den man nicht mehr und so ziemlich alles unternehmen. Das ist bis damit die Schulter nicht bewegt werden operieren kann. Das Problem dabei ist, dass er heute so geblieben. Wenn ich so zurückdenke, konnte. Die Schmerzen waren anfangs extrem immer wieder weh tut. Deswegen bin ich auch waren das die ärgsten Schmerzen in meinem – teilweise kaum noch zu ertragen. Nach den ziemlich verspannt. Es strahlt seit geraumer Leben. Ich bin ja auch nur knapp einer Quer- drei Wochen wurde ich zu einer Therapie im Zeit nun auch in meine Hände aus. Meine Fin- schnittslähmung entkommen. Oft knackst es AKH verdonnert, die ich aber nur ein Mal in ger werden dadurch taub. Da kann es sogar 4 07/2021
passieren, dass mir Sachen aus der Hand fal- und verbrachte die Nacht – wie damals öfters dort ohne Versicherung nur die Möglichkeit len oder ich nicht einmal mehr einen Kaffee – am Bahnhof in Wels. Eine Nacht am Bahn- gibt, sich den entsprechenden Zahn reißen zu trinken kann. Für mich bedeutet das nun, re- hof zu verbringen (nur im Sitzen, von den Se- lassen. Konservative, also zahnerhaltende Be- gelmäßig auf Reha zu fahren und zu Hause curities gerade halt geduldet, wenn man Glück handlung gebe es nur über niedergelassene dann die Übungen zu machen. Die Arthrose hat) ist an sich schon eine ziemliche Heraus- Zahnärzte in deren Praxen. Ich hatte höllische an der Lendenwirbelsäule macht mir noch zu forderung. Damals, in dieser bestimmten Schmerzen, also stimmte ich der Extraktion schaffen. Da habe ich vor allem im Winter Nacht, kamen dann noch Schmerzen dazu, zu, musste allerdings für die Betäubungs- sehr starke Schmerzen. Bei mir hilft nur die Zahnweh, höllische, irre Schmerzen, mehrere spritze noch fünf Euro bezahlen (sonst hätte er Wärme. In der Apotheke gibt es zwar Wärme- Stunden, kaum auszuhalten, die mir natürlich die Behandlung ohne Betäubung durchführen müssen). Also: den Zahn war ich los, das Zahnweh auch. Gott-sei-Dank! Die darauffol- »Damals, in dieser bestimmten Nacht, kamen dann noch gende Nacht verbrachte ich in der »Gruft« – Schmerzen dazu, Zahnweh, höllische, irre Schmerzen!« dort kann man im Warmen und im Liegen schlafen. Sehr angenehm. Am nächsten Tag machte ich mich dann – via Autostopp – wie- der auf den Weg in Richtung Wels und Linz, gürtel, doch die sind nicht billig. Ich kaufe sie auch die wenigen Stunden Schlaf, die ich wo ich damals meinen Lebensmittelpunkt ab und zu, wenn es gar nicht mehr geht. Da- sonst vielleicht noch mit viel Glück gehabt hatte. Jetzt gibt es in Linz das »HelpMobil« durch ist auch der Haushalt für mich nicht hätte, raubten. Was sollte ich tun – außer die und das Krankenzimmer der »CARITAS«, die leicht. Der Wohnungs-Putz dauert bei mir Nacht irgendwie zu überstehen? Ich hatte ei- beide auf medizinische Versorgung nicht-ver- zwei bis drei Tage unter starken Schmerzen. nige Zeit davor vom Sozialarbeiter des Ver- sicherter, obdachloser Personen spezialisiert Würde ich sie an einem Tag putzen, könnte eins B37 in Linz gehört, dass man automa- sind. Ob es mir mit meinem Zahnweh mitten ich mich gar nicht mehr bewegen. Claudia tisch einen Versicherungsschutz bekäme, in der Nacht damals besser gegangen wäre, wenn man in der NOWA (damals noch die alte wenn es diese Einrichtungen schon gegeben NOWA in der Waldeggstraße) gemeldet wäre. hätte? Johannes Nach Stunden höllischer Schmer- Deshalb war in der Früh mein erster Weg nach zen ging ich in die Zahnambulanz Linz zur NOWA, um diese Anmeldung vorzu- nehmen. Leider war die Information des Sozi- Vor lauter Schmerzen konnte Ich war damals mehr oder weniger freiwillig alarbeiters falsch: Der Leiter der Stelle er- ich nicht mehr aufstehen in der Obdachlosigkeit und habe auch freiwil- klärte mir, nur die Anmeldung in der NOWA lig – aus religiösen Gründen – auf Sozialleis- reiche nicht, ich müsste mich beim AMS wie- Als ich zum Fußballspiel »Lask« gegen »Real tungen und auf Versicherungsschutz verzich- der als arbeitssuchend melden, nur so bekäme Madrid« mit dem Rad fahren wollte, kam ich tet. Mir war damals dieser Lebensentwurf um ich meinen Versicherungsschutz. Eine schwere mit dem Vorderrad in die Staßenbahnschiene. der größeren Freiheit willen sehr wichtig. Al- Enttäuschung. Eine Wiederanmeldung beim Zuerst war der Schmerz nicht so spürbar. lerdings: ich gebe zu, es gab einen Zeitpunkt, AMS kam für mich damals überhaupt nicht in Doch bereits einige Stunden später konnte ich wo ich mit diesem meinem Ideal schon ein Frage. Also, was tun? Ich hatte gehört, dass nicht mehr gehen. Vorsichtshalber rief ich wenig an die Grenze gestoßen bin. Auf Kran- man in Wien im Krankenhaus der »Barmher- dann die Rettung. Die Sanitäter brachten mich kenversicherung zu verzichten ist schon okay, zigen Brüder« auch ohne Versicherung medi- sofort ins Unfallkrankenhaus. Es wurde eine solange man nicht schwer erkrankt oder starke zinische Behandlung bekäme, von Oberöster- Verletzung des Oberschenkelhalses festge- Schmerzen hat. Ohne Versicherung gibt es reich hatte ich das nirgends gehört. Also nichts stellt. Die Schmerzen waren irrsinnig heftig, eben normalerweise keine medizinische Be- wie auf nach Wien, noch ein paar Stunden mit ich konnte nicht mehr aufstehen. Da ich Rau- handlung. Also, wie war das damals? Es war höllischen Zahnschmerzen. Irgendwie konnte cher bin, dachte ich mir: »Oh Schmerz lass Winter und ich hatte gerade ein Wochenende ich mir anscheinend das Ticket leisten und in nach.« Nach zwei Tagen fragte ich eine mit meinen Kindern bei meinen Eltern und Wien in den zweiten Bezirk zu den »Barmher- Schwester, ob sie mich in den Raucher-Raum meinem Bruder hinter mir, hatte also die Kin- zigen Brüdern« zur Zahnambulanz. Dort er- fahren könne. Konnte sie leider nicht. Ich star- der gerade wieder bei der Mutter abgegeben fuhr ich vom diensthabenden Arzt, dass es tete mehrere Selbst-Versuche, aus dem Bett zu 07/2021 5
nahm die Tabletten zu früh am Abend des Vortages, wodurch ich einen Entzug bekam. Ich muss ehrlich sagen, so beschissen ist es mir davor und bis zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr gegangen. Ich gewöhnte mich je- doch an den Rhythmus mit meinen Tabletten relativ schnell und konnte dadurch wieder sehr viel unternehmen. Nach weiteren elf Jah- ren wurde ich dann auch die Tabletten los. Was für eine Wohltat, ich konnte wieder ein normales Leben führen. Einen Entzug hierzu konnte ich mir sparen. Gott sei Dank. Mein Körper ist nun schmerzfrei. Eine weitere Ein- nahme von Morphium würde zu einer Abhän- gigkeit führen. Seither achte ich viel mehr auf meinen Körper, wenn dieser mir Signale sen- det. Sonja Schmerzhafte Zivilcourage mit glimpflichem Ausgang Im Frühjahr saß ich gemütlich mit einer Freundin im Volksgarten. Wir ließen uns son- nen und tranken nebenbei etwas. Eine andere Freundin nahm ihr einen Eistee vom Billa mit. Danijel erlitt einen schmerzhaften Nasenbeibruch (Siehe Geschichte). Foto: de Als sie ihr das Wechselgeld gab, entriss ihr ein Unbekannter einen Zehn-Euro-Schein. Dar- aufhin packte ich ihn am Arm und sagte, er steigen, doch es gelang mir nicht. Nach vier nur mit Tabletten. Dann ging ich doch noch solle meiner Freundin den Geldschein bitte Tagen konnte ich das Bett zum ersten Mal mit freiwillig ins Krankenhaus. Die ersten beiden zurück geben. Er wurde laut und es entwi- Krücken eigenständig verlassen. Ich musste Infusionen gegen die Schmerzen waren sinn- ckelte sich ein Streit. Immer mehr Leute dann einen Monat lang mit den Krücken ge- los. Sie halfen nichts. Wahrscheinlich auf- schlossen sich dem Streit an, vor allem Schau- hen. Das war richtig mühsam. Noch bis zum grund der vielen zuvor eingenommenen Tab- lustige. Plötzlich packte meine Freundin, die heutigen Tag spüre ich Schmerzen auf dieser letten. Dann sollte mir nur noch Morphium sehr temperamentvoll sein kann, den Unbe- Stelle. Seither bin ich auch ein ziemlich helfen. Mein Kopf dröhnte danach wie wild. kannten am Hals. Als ich sah, wie er ausholte, schmerzempfindlicher Patient, der sich leider Ich war jedoch heilfroh, dass mir wenigstens musste ich schnell reagieren. Ich stieß meine vor jeder Spritze fürchtet. Helmut dieses Mittel Erleichterung verschaffte. Den Freundin zur Seite, damit sie nichts abbekam. Ärzten war es im Moment wichtig, mich ir- Leider traf mich der Schlag mitten ins Gesicht Nach etwa einem Jahr Schmerz- pumpe auf Tabletten umgestellt »Mehr als zwei Jahre sollte mich das Morphium dann begleiten. Ich hatte anfangs immer eine Schmerzpumpe bei mir. « Seit dem Jahr 2008 weiß ich, was Schmerzen sind. Ich ging fast täglich an die Decke. Da mein Mann damals im Sterben lag, wollte ich gendwie schmerzfrei zu bekommen, da einige und meine Nase begann sofort zu bluten. Es ihn damit nicht auch noch belasten. Irgendet- Untersuchungen anstanden und ich diese aus- schoss heraus wie ein Wasserfall. In diesem was stimmte mit meinem Körper nicht. Ich halten sollte. Und dann wurde bei mir Krebs kurzen Moment der Unachtsamkeit machte traute mich jedoch nicht zum Arzt zu gehen. festgestellt. So war die Ursache für meine sich der Täter aus dem Staub. Freunde von uns Wochenlang nahm ich täglich sehr viele Schmerzen gefunden. Mehr als zwei Jahre versuchten noch, ihm nachzurennen, aber lei- Schmerzmittel zu mir, die man rezeptfrei in sollte mich das Morphium dann begleiten. An- der erfolglos. Er war zu schnell. Ich musste der Apotheke bekommt. Für meinen Körper fangs hatte ich eine Schmerzpumpe bei mir, eine Weile am Boden sitzen bleiben, weil sich war diese Selbsttherapie alles andere als gut. die ich immer trug. Es war nur wichtig, dass die Blutung nicht so leicht stoppen ließ. Nicht Als ich dann ins Gefängnis musste, weil ich immer genug Morphium drinnen war und die einmal meine improvisierte Kühlung mit einer noch eine Geldstrafe offen hatte, merkte ich Batterien noch voll waren. Mit der Zeit wusste Bierdose half. Als die Blutung aufgehört hatte, erst, wie tief ich da schon drinnen war. Ohne ich schon, wann etwas zum Auffüllen oder ging ich nach Hause und ruhte mich noch eine Hilfe schien es keine Chance auf ein normales Wechseln war. Dann hatte ich keine Schmer- Weile aus. Danach packte ich meinen Ruck- Leben mehr zu geben. Nachdem ich eine zen mehr. Ich war glücklich, denn mit dem sack und ging mit meiner geschwollenen Nase Nacht lang mit starken Schmerzen verbracht Ende des Schmerzes kam dann der Humor noch Kupfermuckn verkaufen. Die Schmer- hatte, erklärte mich der Amtsarzt mit soforti- wieder zurück. Nach etwa einem Jahr zen hielten noch ein paar Tage an, aber zum ger Wirkung für »haftuntauglich«. Danach Schmerzpumpe wurde ich auf Tabletten um- Glück hatte ich keine bleibenden Schäden. war ich noch eine zeitlang zu Hause, wieder gestellt. Die Umstellung war ein Horror. Ich Danijel (Siehe Foto oben) 6 07/2021
Wenn Schmerzen chronisch werden Interview mit Oberärztin Dr.in Karin Imhof vom Kepler Universitätsklinikum Med Campus III Wir haben mit Doktorin Karin Imhof aus Dies alles fließt in die Behandlung mit ein und der Schmerzambulanz über die Möglich- es wird ein umfassendes Gesamtkonzept er- keiten und Grenzen der Schmerztherapie stellt. Im besten Fall arbeiten verschiedene gesprochen. Neben Medikamenten gibt es Disziplinen aus den Bereichen Neurologie, auch noch andere Methoden zur Schmerz- Orthopädie, Anästhesie, Psychologie, Psycho- behandlung. Manchmal findet man keine somatik und physikalische Therapie zusam- Ursache für den Schmerz, was aber nicht men. Die Bewegungstherapie und das Erler- bedeutet, dass keiner vorhanden ist. nen, wie man mit dem Schmerz umgehen kann, sind ganz wichtige Aspekte in der Warum gibt es Schmerzen, wozu dienen sie? Schmerztherapie. Nur Medikamente zu verab- Es handelt sich dabei um einen Schutzmecha- reichen und die Dosis immer weiter zu stei- nismus des Körpers, der uns sagt, dass irgend- gern macht keinen Sinn. etwas nicht stimmt. Schmerzen sind ein Warn- signal. Wie präsent ist das Thema der Medikamenten- abhängigkeit bei Ihren Patienten? Das Schmerzempfinden ist sehr subjektiv? Es gibt natürlich einen großen Unterschied zu lich Medikamente verabreicht werden kön- Wie funktioniert die Schmerzanamnese? Drogenabhängigen, weil diese ja eine psycho- nen. Es gibt leider auch Patienten, bei denen Es ist tatsächlich so, dass es sich bei Schmer- aktive Wirkung erzielen wollen. Bei unseren man irgendwann ansteht. Also dem Slogan zen um eine subjektive Wahrnehmung han- Patienten steht die Schmerzlinderung im Vor- »Kein Mensch muss Schmerzen leiden« kann delt. Wir arbeiten diesbezüglich mit Schmerz- dergrund. Es entsteht auch eine körperliche ich leider nicht zustimmen. Auch wenn es sehr skalen. Zum Beispiel mit der VAS-Skala, was Abhängigkeit, weshalb ich Opiate zum Bei- schön wäre, handelt es sich bei dieser Aussage so viel heißt wie visuelle Analog-Skala und spiel nicht von einem Tag auf den anderen um reine Utopie. mit der NRS-Skala – einer numerischen Ra- absetzen kann, sondern sie langsam ausschlei- ting-Skala, anhand derer man seinen Schmerz chen muss. Eine psychische Abhängigkeit er- Wie lassen sich Phantomschmerzen behan- beziffern kann. Die Zahl »Null« bedeutet da- gibt sich aber nur ganz selten, weil die Inten- deln? bei, dass man völlig schmerzfrei ist und die tion des Konsums einfach eine andere ist. Die Behandlung ist die gleiche wie bei allen Zahl »Zehn«, dass man den schlimmsten anderen Schmerzen. Vor allem Antiepileptika Schmerz verspürt, den man sich vorstellen Gibt es auch Schmerzen, die nicht gelindert werden als Medikation zur Therapie von kann. Im Rahmen der Schmerztherapie wer- werden können? Was macht man dann? Phantomschmerzen herangezogen. In der den die Skalen dann immer wieder herangezo- Ja, die gibt es natürlich. Da sind wir dann physikalischen Therapie gibt es eine Sonder- gen, um die weitere Behandlung anpassen zu beim psychosomatischen Formenkreis. Mei- form, die bei Phantomschmerzen gerne einge- können. Für Kinder gibt es spezielle visuelle ner Ansicht nach bildet sich kein Mensch setzt wird und gute Erfolge bringt: die Spie- Skalen, auf denen lachende, weinende und Schmerzen ein, es gibt immer irgendeine Ur- geltherapie. Dabei wird die Person so vor dem auch schmerzverzerrte Gesichter abgebildet sind. Bei sehr alten oder auch dementen Per- sonen, die sich verbal nicht mehr so gut aus- »Dem Slogan ›Kein Mensch muss Schmerzen leiden‹ drücken können, gibt es Verfahren, den kann ich leider nicht zustimmen.« Schmerz anhand von Grimassen, Herzfre- quenz, Blutdruck oder auch Schweißbildung abzuschätzen. sache. Wenn ich mit den mir zur Verfügung Spiegel positioniert, dass nur die gesunde Ex- Welche Möglichkeiten hat man in der Schmerz- stehenden Methoden keine organische Ursa- tremität zu sehen ist. Bei den zu absolvieren- therapie abgesehen von der Verabreichung che feststellen kann, dann kann ich nicht ein- den Übungen entsteht dann für den Patienten von Medikamenten? fach Medikamente verschreiben, infiltrieren der Eindruck, dass die betroffene Extremität Wir arbeiten nach dem bio-psycho-sozialen et cetera. Das macht keinen Sinn, sondern ich immer noch Teil des Körpers ist. Dies hilft Schmerzmodell und beziehen das soziale Um- verweise sie weiter an die Psychosomatik. den Patienten oft sehr. Auch Rückenmarkssti- feld mit ein. Auch die Psyche der betroffenen Dort wird der Fokus vor allem auf die Psyche mulations-Elektroden werden angewandt. Person spielt eine nicht unwesentliche Rolle. gelegt, was nicht heißt, dass nicht auch zusätz- Foto und Text: de 07/2021 7
HIGHLIGHTS AUS JAHREN 1996–2021 KUPFERMUCKN Im Oktober 1996 wurden erstmals 1.500 Zeitungen gratis verteilt. Heute werden monatlich circa 30.000 Zeitungen auf Oberösterreichs Straßen verkauft. Ausgabestellen gibt es in Linz (Arge für Obdachlose) Wels (Soziales Wohnservice Wels), Steyr (Verein Wohnen Steyr) und Vöcklabruck (Wohnungslosenhilfe Mosaik). Abgesichert durch Kupfermuckn-Verkauf Ich bin seit Jahren leidenschaftlicher Kupfermuckn-Verkäufer und neuerdings auch Redakteur. Was den Verkauf betrifft, pas- sieren bei mir jeden Tag besondere Dinge, egal in welchem Stadtteil oder Gastgarten ich unterwegs bin. Ich treffe meine Stammkunden, mit denen ich immer gerne ein paar Worte wechsle und ich lerne immer wieder neue Leute kennen. Jeder einzelne meiner Kunden ist für mein Leben wichtig. Jeder hat mir ein bisschen geholfen und hilft mir mit jeder Zeitung, die er mir abnimmt. So habe ich es geschafft, von der Straße zurück in eine eigene, kleine Wohnung zu kommen. Also, danke an meine treuen Kundinnen und Kunden. Hermann 8 07/2021
»Tante Ingrids Geburtstag« Gerne erinnere ich mich an die Besuche unserer ehemaligen Vizebürgermeis- terin und Sozialstadträtin Dr. Ingrid Holzhammer zurück, die die Kupfer- muckn nach ihrer Gründung sehr unterstützte. Bei der Kupfermuckn wurde sie liebevoll »Tante Ingrid« genannt. Jedenfalls kam uns die Sozialstadträtin jedes Jahr am 18. Dezember mit einer leckeren Weihnachtsjause besuchen. Irgendwann kamen wir dann dahinter, dass sie immer an ihrem Geburtstag zu uns kam und sich die Zeit nahm, sich mit uns zu unterhalten. Zu ihrem 60er drehten wir dann den Spieß um und empfingen sie mit Blumen und einer Geburtstagstorte. Am Bild überreicht Michael Mooslechner, Geschäftsführer unseres Vereines »Arge für Obdachlose«, Blumen. Walter Den Redakteuren der Kupfermuckn entgeht bei ihren Tests nichts. Seien es Parkbänke, Würstelstände, öffentliche WCs oder die Kundenfreundlichkeit österreichischer Ämter. Wir berichten authentisch und unabhängig. In Glasgow wurde die Kupfermuckn von INSP (International Network of Streetpapers) für die beste Titelseite einer Straßen- zeitung weltweit im Jahr 2010 ausgezeichnet. Kritisiert wurde der gläserne Mensch durch die geplante sogenannte Transparenz- Datenbank. Die Kupfermuckn erfreut sich vieler Auszeichnungen u.a. auch des OÖ Menschenrechtspreises. 07/2021 9
JAHRE 1996–2021 KUPFERMUCKN Urlaub Bad Gastein Im Sommer 2018 ging es beim jährlichen Kupfermuckn- Urlaub nach Bad Gastein. Ich freute mich sehr darauf, wie- der einmal aus der Stadt hinauszukommen. Mit der Seil- bahn ging es bei Traumwetter hinauf auf die Berge. Im Felsenbad ließen wir danach die Seele baumeln. Der Urlaub war wunderschön. Am Abreisetag gab es noch eine freudige Überraschung. Denn zuvor, am Tag vor der Abreise, baten wir um finanzielle Hilfe für unsere Wohnung. Die Hilfe wurde uns zugesichert. Mittlerweile sind wir dank der Hilfe von der Kupfermuckn Mieter einer eigenen Wohnung. Ich hoffe, dass es die Zeitung noch lange gibt. Sonja (am Foto oben links) Wo würden unsere Leser lieber die Geburtstage ihrer Freunde eintragen, als im jährlichen Kupfermuckn-Kalender. Die Fotos zieren meist liebe Leute an den schönsten Flecken Im Gedenken an Roman und Bertl – zwei Kupfermuckn-Urgesteine, die, von Linz. In der Adventszeit können sich die Verkäufer wie so viele andere, schon von uns gegangen sind. 250 Verkäufer kaufen damit etwas Weihnachtsgeld dazu verdienen. die Zeitung um einen Euro in der Ausgabestelle und verkaufen sie um zwei Euro auf den Straßen Oberösterreichs. 10 07/2021
Mit sozialen Aktionen machen wir auf Missstände aufmerk- sam. Die Kupfermuckn sang bereits im Jahr 2006 die Landeshymne »Hoamatland« beim Stelzhamerdenkmal im Volksgarten, um gegen die Verdrängung von sozialen Rand- gruppen aus dem öffentlichen Raum zu protestieren. Poetry Slam Poetry Slam 2017: Ich hatte die Ehre, gemeinsam mit Kollegin- nen und Kollegen der Straßenzeitungen aus dem deutschspra- chigen Raum, das heißt aus Deutschland und Österreich, an diesem Wettbewerb teilnehmen zu dürfen. Der Saal im Central war mit 180 Besuchern total voll. Da hatte sogar ich ziemliches Lampenfieber. Allen daran Beteiligten – vor allem den beiden motivierenden Moderatoren für die liebevolle und ermutigende Anmoderation – gebührt nochmals großer Dank und auch dem Kupfermuckn-Leitungsteam, das über die Jahre zahlreiche Le- sungen für uns organisierte. Der Auftritt beim Poetry Slam war für mich ein echtes Highlight, eine Sternstunde in meinem Le- ben. Johannes 07/2021 11
JAHRE 1996–2021 KUPFERMUCKN Meine Aufnahme in die Redaktion Vor einigen Jahren hörte ich zum ersten Mal, dass es eine Stra- ßenzeitung in Linz, die Kupfermuckn, gab. Ein lieber Bekann- ter meinte, da wäre noch Platz für mich. Er nahm mich mit hin und ich war begeistert von der Professionalität und der Art dieser Arbeit. Es menschelte und ich war überrascht, wie posi- tiv das alles war. Nachdem ich meinen ersten Artikel vorgele- sen hatte, bekam ich Applaus. Später wurde ich gefragt, ob ich nicht gerne Redaktionsmitglied werden wolle. Dieses Angebot freute mich sehr und ich sagte natürlich zu. Nach einer Abstim- mung mit nur einem »Nein« durfte ich mich riesig freuen, endlich fix dabei zu sein. Das war für mich eine große Freude und auch eine Ehre und vielleicht das größte Highlight. Ich Jeden Mittwoch um 13 Uhr treffen sich seit 1996 die Kufpermuckn- durfte mein Hobby zum Beruf machen und auch meine Gabe Redakteure und machen Zeitung. Zwei Drittel der Berichte werden von den ausleben. Ursula Betroffenen selbst geschrieben, was die Kupfermuckn unverwechselbar in der Medienlandschaft macht.
Seit 20 Jahren begleiten die Redakteure der Kupfermuckn jährlich circa 30 Gruppen bei der sozialen Stadtführung »Gratwanderung durch das obdachlose Linz« Kufermuckn Leitungsteam v.l.n.r.: Heinz Zauner, Katharina Krizsanits, Daniela Warger, Walter Hartl, Daniel Egger Kleider machen Leute: Nach gratis Friseur-Besuch bei den »Barber Angels« und Einkleidung im Second-Hand-Shop der »Basar GmbH«, bat uns Conchita Wurst bei der »Nacht der Vielfalt« der Volkshilfe auf die Bühne. Was für ein Fest! Beim Linzer Pflasterspektakel Als ich gefragt wurde, ob ich beim Theaterprojekt mitmachen will, war ich sofort dabei. Marianne Huber, Sozialarbeiterin in der Arge für Ob- dachlose hat eine Ausbildung zur Theaterpädagogin absolviert und hat sich dann mit uns auseinandergesetzt, um das Erlernte in die Praxis umzusetzten. Wir haben dann im Jahre 2007 beim Linzer Pflasterspek- takel angesucht und wurden von der Jury aus 800 Bewerbern aus über 30 Nationen aus der ganzen Welt ausgewählt. Es war ein erhabenes Gefühl, allein schon die Eröffnungsparade. Wir marschierten unter all den internationalen Straßenkünstlern mit. All dies hat uns einige Num- mern größer werden lassen: Wir von der Kupfermuckn waren interna- tional. Das werde ich nie mehr vergessen. Es war großartig. Manfred S. 07/2021 13
Die Rückgewinnung unserer Freiheit Schön langsam bekommen wir unser gewohntes Leben wieder zurück. Für den einen ist es die frisch ge- zapfte Halbe im Gastgarten. Für andere ist es der Hunger auf Kultur, ein Urlaub am Meer und vieles mehr, was früher selbstverständlich war. Damit wir die neuen Freiheiten auch genießen können, räumten wir gemeinsam mit dem Team ISAR (Interdisziplinäre Sozialarbeit im öffentlichen Raum) im Linzer Schillerpark auf, damit sich alle Besucher wohlfühlen können. Müllsammelaktion im Schillerpark Das Team ISAR (Interdisziplinäre Sozialarbeit im öf- fentlichen Raum) organisierte eine Müllsammelakton im Schillerpark. Gemeinsam mit dem Ordnungsdienst der Stadt Linz und dem Obdachlosenstreetwork sorgten auch Hermann und Christine von der Kupfermuckn für Sauberkeit im beliebten Park im Linzer Zentrum. So kamen wir auch mit vielen Besuchern ins Gespräch. Dabei wurden zahlreiche Wünsche und Anregungen für ein gemütliches Zusammenleben im Park gesammelt: Es braucht mehr Aschenbecher und größere Abfalleimer. Die öffentliche Toilette wurde auf Initiative der Kupfer- muckn im letzen Jahr aufgestellt. Das Dixi-Klo wird aber nicht von allen Besuchern genutzt. Für Frauen gibt es keine separate Toilette. So würden wir uns über eine ortsfeste Toilette am anderen Ende des Parks sehr freuen. Ein Altglas-Container wäre auch super. Darüber hinaus gibt es bereits eine ziemliche Taubenplage. Es war eine schöne Aktion, die sicher eine Fortführung finden wird. Uns von der Kupfermuckn ist es besonders wichtig, dass alle Menschen willkommen sind und es keine Vertrei- bung aus dem öffentlichen Raum gibt. hz 14 07/2021
Ab in den Kupfermuckn Urlaub Im letzten Jahr hat es zum ersten Mal keinen Urlaub mit der Kupfer- muckn gegeben. Normalerweise machen wir immer eine zwei- bis viertägige Reise. Viele Jahre fuhren wir ins Europacamp beim Atter- see, in den letzten Jahren nach Bad Gastein. Nun dürfen wir wieder Urlaub machen. Das freut mich sehr, da ich die Gemeinschaft mit der Kupfermuckn immer angenehm empfinde. So hoffe ich, dass die Zeit der mühsamen Lockdowns nun ein Ende hat und wir im Herbst wie- der einen mehrtägigen Ausflug machen können. Geplant wäre heuer eine Reise nach Graz. Mal sehen, ob es klappt. Ich bleibe optimistisch und freue mich schon drauf. Christine Freunde treffen und Gastgarten genießen Da mir Fernsehen und das am PC-Sitzen schon extrem fad war, bestellte ich mir über das Internet ein Holzpuzzle aus Lindenholz. Die Teile sind herausgelasert. Damit hatte ich ein wenig Abwechs- lung. Meine erste Corona-Impfung erhielt ich am 29. April im Design Center. Der Impfstoff von BionTech Pfizer war gut ver- träglich. Somit erfülle ich eines von den drei »Gs« (Getestet, ge- nesen oder geimpft) und darf nun wieder mein gepflegtes Bier bei meiner Wirtin trinken und dort meine Freunde treffen, die ich doch schon längere Zeit nicht mehr gesehen habe. Den Impfpass sehe ich als die Eintrittskarte ins Gasthaus. Im Juni bekam ich die zweite Impfung, die genauso ohne Nebenwirkungen verlief wie die erste. Endlich sind diese Lockdowns vorbei. Manfred R. Fußballspiele besuchen Das Bild auf dem Foto stammt noch aus Zeiten vor Corona. Als lei- denschaftlicher Vorwärts Steyr-Fan freue ich mich schon wieder sehr auf den Stadion-Besuch. So ein Fußballspiel live zu sehen ist viel schöner als im Fernseher. Da kommt auch viel mehr Stimmung auf, wenn man gemeinsam mit den anderen Fans seine Mannschaft anfeu- ert. Ich kann es kaum mehr erwarten, wenn wieder alle Plätze voll sind. Das ist dann unbeschreiblich. Da darf man dann auch mal so richtig laut schreien. Für mich bedeutet das, Stress abzubauen. Nach so einem Match geht es mir dann so richtig gut, wenn meine Mann- schaft gewonnen hat. Helmut 07/2021 xx/2012 15
Ins Stammlokal »Saminas Bar« essen gehen Endlich kann ich wieder ins Wirtshaus gehen! Gasthäuser haben für mich persönlich eine große Bedeutung. Zum einen verkaufe ich dort meine Kupfermuckn-Zeitungen, da ich aufgrund meines kaputten Knies nicht lange stehen kann, zum anderen gehe ich gerne ab und zu mit meiner Freundin ins Gasthaus. In »Saminas Bar« werde ich von der Wirtin oftmals auch auf ein gutes Essen eingeladen, was ich sehr zu schätzen weiß. Dank meiner genesenen Corona-Erkrankung habe ich genug Antikörper und darf wieder problemlos in den Wirtshäusern ein- und ausgehen. Gleich nach dem Lockdown bin ich mit meiner Partne- rin essen gegangen und habe das Menu sehr genossen. Hermann Entspannung im Hummelhofbad Die letzten 15 Monate waren hart. Aufgrund der starken Einschrän- kungen war nicht mehr vieles möglich. So habe ich gleich nach dem Lockdown beschlossen, meine Badetasche zu packen und ins Hum- melhofbad zu gehen. Ein paar Stunden die Sorgen Sorgen sein lassen. So konnte ich mich endlich wieder einmal entspannen, mich im Was- ser treiben lassen und träumen. Ja, ein Urlaub wäre halt auch schön, aber erstens nicht leistbar und zweitens nicht durchführbar. Ich bin zwar mittlerweile geimpft, aber ins Ausland kann ich wegen oben ge- nannten Gründen nicht reisen. Eine weitere Quarantäne würde ich nicht mehr durchstehen. Darum bin ich derzeit mit dem zufrieden, was uns Menschen wieder gegeben wurde. Das Hummelhofbad war ein Vergnügen. Zum Schluss ging ich noch essen und gönnte mir ein Bier dazu, was ja auch nicht möglich war in der letzten Zeit. Es war endlich wieder einmal ein Tag, wie er eigentlich sein sollte. Sonja Vorfreude auf das alternative Kino Die Zeit von »Lockdowns« ist vorbei, die Inzidenz-Zahlen sinken deutlich, die Anzahl der Geimpften und Genesenen wird immer höher, Lockerungen kommen. Das Leben hat uns wieder. Hurra! Worauf ich mich sehr freue, ist: »Wieder ins Kino gehen können«. Dass es einstweilen einmal nur die Programmkino-Schiene ist, die aufsperrt (die großen CineCenter sperren mangels verfügbarer »Hollywood-Blockbuster« erst später auf, wenn das auch im ge- samten deutschen Kino-Markt wieder möglich ist), stört mich gar nicht: Erstens sind ja die kleinen Kinos ohnehin irgendwie feiner und heimeliger, zweitens sind die (Programmkino-)Filme sowieso irgendwo geschmack- und niveauvoller. Ich liebe das Movie- mento! Johannes 16 07/2021
Kupfermuckn-Wickingerschach Wie sehr habe ich es vermisst: Endlich dürfen wir wieder mit anderen Gruppen aus der sozialen Szene an der Donaulände unser heißgelieb- tes Wickingerschach spielen, ohne dabei bestraft zu werden und ohne lästige Einschränkungen. Natürlich dürfen wir nun auch wieder in Gruppen chillen, an den See oder an die Donau gehen und die Zeit miteinander genießen. Hoffentlich gibt es keinen weiteren Lockdown im Herbst und Winter. So freue ich mich auch schon wieder auf das Eisstockschießen, welches die ARGE für Obdachlose seit Jahren für uns alle veranstaltet. Das anschließende Bratlessen ist dann immer wieder von Neuem ein Highlight. Manfred F. Endlich fällt die »50-Meter-Abstandsregel« Kaufte man sich das Bier während des Lockdowns beim Würstel- Stand, durfte man dieses nicht vorort trinken. Man musste die 50-Me- ter-Abstandsregel einhalten. So musste ich immer auf die Parkbänke am Ende des Schillerparks ausweichen, damit ich die Bosna mit Bier konsumieren konnte. Kaufte man hingegen das Bier beim BILLA, dann durfte man dieses direkt beim Würstel-Stand trinken. Ich hatte unlängst eine Begegnung mit den Ordnungshütern. Ein Beamter sagte, als ich am Standl stehend die Bierflasche an den Mund führte, ich dürfe das Bier nicht trinken. Als ich ihm sagte, dass ich dieses nicht hier gekauft habe, ließ er mich in Ruhe. Das ist nun endlich Vergan- genheit. Leo Crossing Europe Filmfestival Endlich findet heuer wieder das Crossing Europe Filmfestival statt. Das Programmheft ist vielversprechend. Da werden sehr interessante Themen und Perspektiven verfilmt. Zwei oder drei Filme besuchen, gehört für mich zum Pflichtprogramm. Seit Jahren bin ich immer ieder dabei. Dank des Kulturpasses »Hunger auf Kunst und Kultur« be- komme ich auch eine Ermäßigung. »Darwins Nightmare« ist mein absoluter Lieblingsfilm. Da wurden Fische von den Europäern im Viktoriasee zur Gewinnmachung eingesetzt. Umweltthemen und aus- gebeutete Menschen liegen mir am Herzen. Manfred S. 07/2021 17
Von der Schmerztherapie in die Substitution Harald kam über eine Knieverletzung ins Drogenersatzprogramm Trotz jahrelangen Konsums verwendet wurden. Dadurch war wo es mir sehr gut gefiel. Ich stieg sagen alleine aufgezogen, da wirkt Harald überhaupt nicht er ständig auf der ganzen Welt un- auch schnell vom technischen mein Vater ständig unterwegs war wie ein »Drogenabhängiger«. terwegs und kaum bei seiner Fa- Zeichner zum Konstrukteur, dann und auch Liebschaften in anderen Er ging bis letztes Frühjahr im- milie zuhause. Ich besuchte die zur Projektleitung auf und hatte Ländern hatte. In jedem Land mer einer Arbeit nach und ersten drei Jahre Volksschule in sieben Personen unter mir. hatte er eine andere Frau sitzen. wirkt sehr motiviert und aufge- Linz. Danach bauten meine Eltern Auch wenn mein Vater zuhause weckt. Nach der Therapie ein Haus in der Schönau, wo ich Mein Vater hatte Liebschaften war, kümmerte er sich nicht um möchte er seine Nichte und sei- die letzte Klasse und auch die uns. Ich hatte eine engere Bezie- in anderen Ländern nen Neffen endlich wieder se- Hauptschule absolvierte. Nach hung zu seinem besten Freund als hen dürfen. der Schullaufbahn machte ich Ich habe auch eine Schwester, die zu meinem Vater, der uns unter- noch das Poly und danach habe vier Jahre jünger ist als ich. Als stützte, wenn mein Vater wieder Im Jahr 1986 wurde ich in Linz ich eine Lehre zum technischen ich zwölf Jahre alt war, ließen auf Außendienst war. Nach der geboren. Meine Mutter war Im- Zeichner absolviert. Die Abend- sich meine Eltern scheiden. Ich Scheidung sind wir mit meiner mobilienmaklerin und mein Vater HTL brach ich nach drei Jahren habe die Probleme aber schon im Mutter zurück nach Linz gezo- selbständig. Er stellte Maschinen ab. Nach der Lehre fand ich gleich Alter von neun Jahren mitbekom- gen. Sie hat als Bürokauffrau bei her, die für die Glasproduktion eine Anstellung bei einer Firma, men. Meine Mutter hat uns sozu- »Schärdinger Milch« begonnen. 18 07/2021
Es war eine schwierige Situation ehesten schmeckte, aber seitdem Kollegen und Kooperationspart- circa fünf Mal im Jahr. Solch ei- für meine Mutter. Sie musste wie- auch nicht mehr. Mit knapp zwan- ner gewusst hätten, dass ich mir nen Anfall hatte ich in der Nacht, der auf die Beine kommen und zig Jahren habe ich mich dann ins in der Mittagspause im Auto ei- als am nächsten Tag die Feier zum mein Vater hat die Alimente oft Substitutionsprogramm aufneh- nen Schuss gebe, dann hätte das dritten Geburtstag meiner Nichte nicht bezahlt. Wir hatten ohnehin men lassen, weil mein Arzt die sicher zu Problemen geführt. Vor stattfinden sollte. Ich schrieb mei- kein Geld und wohnten zu dritt in Schmerzmittel zuvor einfach von einem Jahr musste ich dann auch ner Schwester in der Nacht eine einer 20-Quadratmeter-Wohnung. einem Tag auf den anderen abge- diese Arbeit kündigen, weil ich SMS, dass ich noch nicht weiß, Mehr konnten wir uns nicht leis- setzt hat. Das ist aber sehr gefähr- beruflich für ein Monat ins Aus- ob ich kommen könne, weil ich ten. Meinen Vater habe ich da- lich, vor allem weil ich Entzugs- land hätte reisen müssen. Ich schon wieder so eine starke Atta- nach nur noch einmal zu Weih- epileptiker bin. Ich musste meine konnte mich mit dem Magistrat cke hatte. Im Krankenhaus habe ich eine beruhigende Spritze be- kommen und habe danach ein »Mit 14 Jahren fingen wir an fortzugehen und Partydrogen zu konsumie- paar Stunden geschlafen. Weil ich ren. Kokain, Ecstasy, Speed, LSD, Magic Mushrooms, Engelstrompetentee mir dachte, unbedingt bei der – mit diesen Substanzen haben wir herum experimentiert.« Feier dabei sein zu müssen, bin ich in meinem schlechten Zustand zu meiner Schwester gefahren und bei ihr dann ständig am Tisch nachten gesehen. Für mich war es Mutter am nächsten Tag anrufen, nicht auf eine Mitgabe für meine eingeschlafen. Sie dachte aber, natürlich auch schwer – ich bin weil es mir so beschissen ging. Im Substitution einigen. Sie haben das liege an den Drogen. dann in die Pubertät gekommen. Krankenhaus spritzten sie mir gemeint, ich müsse zwischen- Und was machst du dann? Du noch einmal Morphium und sag- durch zwei Mal zurück fliegen, Nach der Therapie möchte ich flüchtest irgendwie aus der ten mir, bis Montag müsse ich um mir meinen Ersatzstoff zu ho- meine Familie wieder sehen schlechten Welt und glaubst, du entscheiden, ob ich auf Entzug len. Nachdem ich das meinem Ar- findest eine bessere. Aber das Ge- gehe oder ins Substitutionspro- beitgeber nicht erklären hätte Von einem Tag auf den anderen genteil war der Fall. Mit 14 Jah- gramm. Nachdem man so schnell können, musste ich kündigen. verbot sie mir den Kontakt zu ren fingen wir an, in der Altstadt gar keinen Platz für einen Entzug Jetzt habe ich mich aber dafür meiner Nichte. Nur, wenn ich fortzugehen und Partydrogen zu bekommt, ließ ich mich auf Dro- entschieden, mich für einen Ent- clean wäre, dürfe ich sie wieder konsumieren. Kokain, Ecstasy, genersatzstoffen einstellen. zug und eine Langzeit-Therapie sehen. Nun habe ich meine Speed, LSD, Magic Mushrooms, anzumelden. Ich will wieder frei Schwester und meine Nichte Engelstrompetentee – mit diesen Ein halbes Jahr später hing leben, nicht mehr abhängig sein, schon mehr als zwei Jahre nicht Substanzen haben wir herum ex- arbeiten und ins Ausland reisen mehr gesehen. Und meinen ein- ich schon an der Nadel perimentiert. Ich habe bis dahin können. Zuerst muss ich ins Wag- jährigen Neffen überhaupt noch gerne Fußball gespielt und war Die ganze Situation hätte vermut- ner-Jauregg und danach fahre ich nie. Meine Mutter zeigt mir am Stützpunkt in Linz und in der lich komplett anders ausgesehen, für mindestens sechs Monate manchmal Fotos. Es zerreißt mir U17-Auswahl. Ich hätte bei 1860 wenn ich vom Arzt und im Kran- nach Vorarlberg ins »Haus Ca- fast das Herz. Hoffentlich schaf- München auf die Akademie ge- kenhaus richtig aufgeklärt wor- rina« auf Therapie. Prinzipiell fen wir es nach meiner Therapie, hen können und hätte einen Jung- den wäre. Anfangs ging es mir gut mache ich es zwar für mich, aber wieder einen Schritt aufeinander profivertrag bekommen. Ich habe mit meinem Substitol. Leider fing ich will auch meine Mutter wie- zuzugehen. Und die Therapie will mich aber zu dieser Zeit lieber mit ich nach einem halben Jahr damit der stolz machen und vor allem ich unbedingt durchziehen, weil den falschen Leuten umgeben an, es mir zu spritzen. Wie man auch meine Nichte wieder sehen ich es bisher geschafft habe, trotz und Fußball weniger Bedeutung das machte, wurde mir von einem dürfen. Meinen fast einjährigen Drogenkonsums gesund zu blei- beigemessen. Aufgrund eines Tu- Bekannten eines Freundes ge- Neffen habe ich noch nie gese- ben. Mein starker Wille wird mir mors am Kreuzband musste ich zeigt. Dadurch erlangt man im hen. Dabei handelte es sich um dabei helfen. Vor fünf Jahren hatte mit gut 16 Jahren mehrmals ope- Gegensatz zur oralen Einnahme riert werden und bekam zwei ein richtiges High-Gefühl. Und »Diesem Gefühl beim ersten Schuss jagt man Jahre Morphium zur Schmerzstil- diesem Gefühl beim ersten Schuss lung. Dadurch bin ich dann in die jagt man danach hinterher und er- danach hinterher und erlangt es doch nie Sucht abgeglitten. Zuvor konsu- langt es doch nie wieder. Ich wieder. Sie könnten neben dir Krieg führen mierten wir nur am Wochenende, glaube, sie könnten neben dir weil ich mich unter der Woche auf Krieg führen und du fühlst dich und du fühlst dich trotzdem gut.« die Lehre konzentrierte. Von Don- trotzdem gut. Arbeiten ging ich nerstag bis Sonntag war aller- trotzdem immer. Das hat mich dings dann Party angesagt. Der stabilisiert und mir Halt gegeben. ein Missverständnis zwischen ich zum Beispiel noch 167 Kilo- Montag war dann immer schlimm. Ich halte es nicht aus, wenn ich meiner Schwester und mir. Seit gramm. Durch Sport habe ich Alkohol war für mich nie ein gro- nichts zu tun habe. Auch die Sozi- dem Alter von acht Jahren leide mittlerweile fast die Hälfte verlo- ßes Thema, weil er mir nicht ge- alkontakte außerhalb der Sucht- ich an einer Mischung von Mig- ren. Nach der Therapie werde ich schmeckt hat. Nur einmal hatte szene taten mir immer gut. In der räne und Cluster-Kopfschmerz, mir sofort wieder eine Arbeit su- ich mit 18 Jahren eine Alkohol- Arbeit hat von meiner Sucht nie- dessen Schmerzen um ein Vielfa- chen und dann schauen, dass ich vergiftung, weil ich einige Fla- mand gewusst und das war schon ches stärker sind als bei üblicher meiner Familie wieder näher schen »Baileys« getrunken hatte. sehr belastend. Ich führte sozusa- Migräne. Früher hatte ich es noch komme. Text aufgezeichnet und Das war noch das, was mir am gen ein Doppelleben. Wenn meine öfter, nun beschränkt es sich auf Foto: de 07/2021 19
Radio aus den Gefängnismauern Sabine, Doris und Dima (v.r.n.l.) von der »Sozialen Initiative« erzählen über das »Häfnradio« miert, aus welchen Teilen eine Radiosendung besteht. Die Teilnehmerinnen durften selbst entscheiden, wie die Sendezeit gefüllt wird. Gerade Musik ist in Haftanstalten ein sehr wichtiges Medium, um sich abzulenken und dem tristen Alltag etwas entfliehen zu können. Die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen wa- ren durchaus positiv. Eine junge Frau meinte, dass sie sich seit diesem Radioprojekt mehr traue, Fehler zu machen. Eben, weil dies im Projekt selbst auch erlaubt war. Dies hilft ihr im Justiz-Alltag, weil sie sich nun auch in Therapien traut, Dinge auszuprobieren, die dann vielleicht schief gehen könnten. Sie konnte einfach wieder mal sie selbst sein, ohne daran denken zu müssen, wie nun eine Aussage oder vielleicht auch ein Scherz von den Justiz-Bediensteten aufgenommen wird. Auch wenn sie beim Radiomachen genauso unter Beobachtung stand, hatte sie irgendwie das Gefühl, dass sie im Rahmen des Projekts sie selbst sein kann. Und natürlich freuten sich die jungen Frauen auch darüber, dass sie nun im Radio zu hören sind. Unser Fokus war, Das Jugendcoaching »we need you« von Mitarbeiter der JA Asten nötig war. Zuerst dass auch einmal positiv über diese Ziel- der »Sozialen Initiative« beschäftigt sich mussten wir das Projekt online für die ver- gruppe berichtet wird. Und den Teilnehmerin- mit Jugendlichen und jungen Erwachse- schiedenen Wohngruppen vorstellen. Drei nen Raum und Zeit für neue Erfahrungen zu nen, auch wenn sie im Strafvollzug sind. Im junge Frauen waren besonders motiviert und bieten. Großer Dank ergeht noch einmal an Rahmen der beruflichen Integration wurde wurden für das Pilotprojekt ausgewählt. Elisa die Mitarbeiter der JA Asten, die uns das alles mit dem »Häfnradio« ein kreativer Ansatz Andessner hat die Teilnehmerinnen in einem erst ermöglicht haben. Das »Häfnradio« gewählt, um den Inhaftierten Medienkom- Online-Workshop hinsichtlich der Sprache wurde bei der »Sozialmarie« mit dem Ehren- petenz zu vermitteln und ihr Selbstbe- geschult. Wie verändert sich meine Stimme, schutz ausgezeichnet und wird nun für ein wusstsein etwas zu stärken. wenn ich die Körperhaltung anpasse? Wie Jahr von Milo Tesselaar begleitet und unter- Wir überlegen immer, wie wir mit unserer Zielgruppe auch in den Justizanstalten mög- »Eine junge Frau meinte, dass sie sich seit diesem lichst produktiv arbeiten können. Manche Ju- Radioprojekt mehr traue, Fehler zu machen.« gendliche äußerten Unsicherheiten bei Vor- stellungsgesprächen oder generell im Umgang mit der Sprache – gerade, wenn sie länger in Haft waren. So kamen wir auf die Idee mit hängt die Mimik mit meiner Stimme zusam- stützt. Nachdem das Projekt trotz toller Er- dem »Häfnradio«. Damit sind wir dann an die men? Atem- und Sprechteckniken wurden ge- folge finanziell auf wackeligen Beinen steht, Justizanstalt Asten herangetreten. Zusammen meinsam trainiert. Darüber hinaus konnten die kann man gerne auf das Spendenkonto (Sozi- mit Julian Ehrenreich vom freien Radio Teilnehmerinnen auch Medienkompetenz er- ale Initiative, IBAN: AT69 5400 0001 0070 »B138« konnten wir die leitende Sozialarbei- werben und ihr Selbstbewusstsein stärken. 1911) einzahlen. Die erste und hoffentlich terin, Sabine Bujnoch, für das Projekt gewin- Die Sendungsthemen wurden gemeinsam er- nicht letzte Sendung ist unter www.radiob138. nen. Das gesamte Angebot war online mög- arbeitet. Julian Ehrenreich vom freien Radio at/index.php/hoeren/nachhoeren zu finden. lich, wobei schon viel Kooperation seitens der »B138« hat die jungen Frauen darüber infor- Foto und Text: de 20 07/2021
Sie können auch lesen