Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR

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Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
# 291                                                          2,20 EUR
August 2020
                                                            davon 1,10 EUR
                                                                für die Ver-
                                                              käufer/innen

                Das Straßenmagazin für Schleswig-Holstein

              Ein rundes
                Leben
              Warum ein 57 Jahre alter Lehrer
               für Fußball um die Welt reist
Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
         auch Fans sportlicher Ereignisse hatten es in den vergangenen Monaten schwer.
    Als die Corona-Pandemie das gesellschaftliche Leben weitgehend lahmlegte, mussten alle
    großen und kleinen Sportevents aussetzen. Mittlerweile finden in einzelnen Sportarten
    zwar wieder Wettbewerbe statt, aber vorerst ohne Zuschauer vor Ort. Für jemand wie
    Heiko Lükemann aus dem Kreis Plön bedeutete das, dass er zuletzt sein ganz besonderes
    Hobby nicht ausleben konnte – als sogenannter Groundhopper reist er durch die Welt,
    um sich möglichst viele Fußballspiele anzuschauen. Das Außergewöhnliche daran: Lü-
    kemann ist 57 Jahre alt und Konrektor einer Schule. Wir haben ihn besucht. Ab Seite 10.
         Taschentücher? Klar, besitzen fast alle von uns. Meist sind sie aus Papier – und
    landen nach ihrer Benutzung im Müll. Dass es nachhaltiger geht, wollen junge Men-
    schen aus Schleswig-Holstein beweisen: Sie haben ein Unternehmen gegründet, das
    wiederverwendbare Stofftaschentücher herstellt. Ihr Ziel: das Image der Oma-Taschen-
    tücher aufpolieren. Ab Seite 16.
         Was sonst noch wichtig ist? Die meisten unserer Verkäuferinnen und Verkäufer
    sind wieder an ihren gewohnten Verkaufsplätzen anzutreffen. Und berichten uns in
    vielen Gesprächen, wie dankbar sie sind über die vielen aufmunternden Kontakte und
    Gespräche dort. Aber weiterhin sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen. Unser
    Spendenkonto finden Sie im Impressum auf Seite 36.
         				                                                       Ihre HEMPELS -Redaktion

                                                                    gewinnspiel

                     sofarätsel                                                 Gewinne
         Auf welcher Seite dieser HEMPELS-Ausgabe versteckt               3 x je ein Buch der Ullstein Verlagsgruppe. Im Juli war das kleine Sofa auf
         sich das kleine Sofa? Wenn Sie die Lösung wissen, dann           Seite 37 versteckt. Die Gewinner werden im September veröffentlicht.
         schicken Sie die Seitenzahl an: raetsel@hempels-sh.de
         oder: HEMPELS, Schaßstraße 4, 24103 Kiel. Teilnehmende           Im Juni haben gewonnen:
         erklären sich einverstanden, dass im Falle eines Gewinns         Angela Flink (Handewitt), Rolf Stinka (Kiel) und Helmut Thomas
         ihr Name in HEMPELS veröffentlicht wird.                         (Eckernförde) je ein Buch der Ullstein Verlagsgruppe. Allen Gewinnern
                                                                          herzlichen Glückwunsch!
         Einsendeschluss ist der 31.8.2020.
         Der Rechtsweg ist wie immer ausgeschlossen.

2 | inh a lt                                                                                                                     Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
Titel

                                                                                                                              EIN RUNDES LEBEN
Titelfoto: Klaus-Henning Hansen

                                                                                                                              Heiko Lükemann aus dem Kreis Plön liebt Sprachen und
                                                                                                                              Kulturen. Und er liebt den Fußball. Seit einigen Jahren hat
                                                                                                                              der 57-jährige Konrektor einer Schule ein ganz besonderes
                                                                                                                              Hobby: Als sogenannter Groundhopper reist er rund um die
                                                                                                                              Welt, um sich Fußballspiele anzuschauen.
                                                                                                                              se i t e 10

                                  das Leben in zahlen                                                                                                                                         auf dem sofa

                                  4    Ein etwas anderer Blick                                                                                                                                34 Unser Verkäufer Thomas
                                       auf den Alltag                                                                                                                                                     aus Husum

                                  bild des monats                                                                                       Inhalt

                                  6    Ist doch normal                                                                                  2 Editorial
                                                                                                                                        31	rezept
                                                                                                                                        32 CD-Tipp; Buchtipp; Kinotipp
                                                                                                                                        33	Service: Mietrecht; Sozialrecht
                                                                                                                                        36	Leserbriefe; Impressum
                                                                                                                                        37	Verk äufer in anderen LÄNDERN; Meldung
                                  Schleswig-Holstein Sozial                                                                             38	Sudoku; K arik atur
                                                                                                                                        39	Satire: Scheibners Spot
                                  8    Meldungen
                                  9    Darf ich das?
                                       Gewissensfragen im Alltag
                                  16   Wie bei Oma: Studierende wollen
                                       Stofftaschentücher populär machen
                                  22   Interview: Warum Menschen
                                       ihre Wohnung verlieren
                                  25   Freiheit ist kein Selbstläufer
                                  26   Radio Aktivität: HEMPELS-Radio
                                       zehn Jahre alt
                                  28   Monika Bagger-Wulf, Caritas:
                                       Warum die HEMPELS-Stiftung
                                       wichtig ist
                                                                                                                                                                                                  2020
                                  30   Wie ich es sehe:
                                                     VERKAUFSREGELN                                verhalten, dass sich weder Kunden
                                                                                                   noch Kollegen oder Passanten
                                                                                                   durch ihn/sie gestört fühlen.
                                                                                                                                        Das Straßenmagazin für Schleswig-Holstein
                                                                                                                                                                                                                        Bitte kaufen Sie
                                       Kolumne von Hans-Uwe Rehse                                                                                                                                                       HEMPELS nur bei
                                                     1. Der Verkaufsausweis bleibt Eigen-     6.   Der Verkauf in öffentlichen Ver-
                                                        tum von HEMPELS.
                                                     2. Der/Die Verkäufer/in muss den Aus-
                                                        weis beim Verkauf sichtbar tragen.
                                                                                              7.
                                                                                                   kehrsmitteln ist streng untersagt.
                                                                                                   Der Zeitungskauf ist nur im HEM-
                                                                                                   PELS-Café „Zum Sofa“ sowie im
                                                                                                                                         Ausweis: KI - 000
                                                                                                                                                                                                                        Verkaufenden, die diesen
                                                     3. Verkäufer/innen dürfen bei der             Trinkraum Gaarden mit gültigem
                                                        Arbeit nicht angetrunken sein und/         Verkaufsausweis möglich.             Verkäufer/in:
                                                        oder unter dem Einfluss von Dro-      8.   Die Weitergabe der Zeitung an an-

                                                                                                                                        M. Muster
                                                        gen stehen. Verboten ist auch der          dere, besonders an gesperrte Ver-
                                                        Konsum während des Verkaufs.
                                                     4. Es ist jedem Verkäufer untersagt,     9.
                                                                                                   käufer/innen ist verboten.
                                                                                                   Fest vergebene Verkaufsplätze sind                                                                                   Ausweis sichtbar tragen
                                                        während des Verkaufs zu betteln.
                                                     5. Der/Die Verkäufer/in hat sich so zu
                                                                                                   geschützt. Dort hat der jeweilige
                                                                                                   Platzinhaber Verkaufsvorrecht.
                                                                                                                                        Verkaufsplatz
                                                                                                                                        Kontakt: HEMPELS e.V., Schaßstraße 4, 24103 Kiel; Telefon (04 31) 6 79 39 800

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                                                                                                                                                                             inh a lt | 3
Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
das leben in zahlen

                      Frauen erhalten
                   seltener Urlaubsgeld
   Während in Deutschland 47 Prozent der Männer Urlaubsgeld erhalten, trifft das nur auf 39 Prozent der
   Frauen zu. So das Ergebnis einer Studie des WSI-Tarifarchivs der Hans-Böckler-Stiftung. Entscheidende
   Faktoren sind dabei auch die Größe des Betriebes und die Tarifbindung. 71 Prozent der Beschäftigten in
    tarifgebundenen Unternehmen profitieren, in Betrieben ohne Tarifbindung sind es nur 34 Prozent. In
Betrieben mit über 500 Beschäftigten erhalten 61 Prozent Urlaubsgeld, in Kleinbetrieben bis 100 Beschäftigten
  nur 34 Prozent. Am wenigsten Urlaubsgeld bekommen Beschäftigte im Hotel- und Gaststättengewerbe. PB

                           39 %                                            47 %
                       Frauen mit Urlaubsgeld                         Männer mit Urlaubsgeld

4 | das l ebe n in z a hl en                                                                Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
Frauen verlieren mit
     Mutterschaft Einkommen
             Wenn Frauen sich dafür entscheiden, Kinder zu bekommen, dann bedeutet das gegenüber
        kinderlosen Frauen auf das gesamte Erwerbsleben bezogen einen deutlichen Verlust an Einkommen.
        Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung führt die Entscheidung für 1 Kind zu durchschnittlichen
             Einbußen von 40 Prozent. Bei 3 oder mehr Kindern sind es bis zu 70 Prozent. Erklärt wird
           die Differenz damit, dass viele Mütter in ihren Jobs zeitweise pausieren und oft nur in Teilzeit
           weiterarbeiten. Befürchtet wird eine weitere Verschärfung durch die Corona-Krise. Die Studie
                              fordert bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. pb

                                                                                                                      Foto: Pixabay

He mpe l s # 2 9 1 8 /2 02 0                                                                  das l ebe n in z a hl e n | 5
Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
bild des monats

Ist doch normal

6 | bil d de s mon at s                     Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
Werfen wir diesen Monat mal ei-
                                                               nen kurzen Blick auf das Heldenthema.
                                                               Diesmal nicht auf die Coronahelden des
                                                               Frühjahrs an den Supermarktkassen
                                                               oder in den Kranken- und Pflegehäu-
                                                               sern. Auch nicht auf die mit Testoste-
                                                               ron vollgestopften und manchmal noch
                                                               sehr jungen Freizeithelden, die sich mit
                                                               Unerschrockenheit und Mut vermeint-
                                                               lich schweren Aufgaben stellen und sich
                                                               dabei gerne auch mal ein Supermann-
                                                               Kostüm überstreifen, damit man ihr
                                                               Heldentum auch tatsächlich bemerkt.
                                                               Wir wollen vielmehr auf die wirklichen
                                                               Helden blicken, denen es nicht um sie
                                                               selbst geht und die andere Menschen
                                                               aus brenzligen Situationen retten und
                                                               Leben bewahren (nein, Donald Trump
                                                               ist hier ausdrücklich nicht gemeint).
                                                                   Mit diesem eleganten Übergang also
                                                               nun mitten rein ins Thema. Gerade
                                                               ist ein Studienergebnis veröffentlicht
                                                               worden, warum Menschen, die unter
                                                               eigener Lebensgefahr andere aus bren-
                                                               nenden Autos oder erdbebenzerstörten
                                                               Häusern retten, anschließend meist vol-
                                                               ler Bescheidenheit auftreten. Das habe
                                                               damit zu tun, sagen die Psychologen,
                                                               dass die Wahrnehmung des Helden in
                                                               solchen Momenten auf die Leiden der
                                                               hilfsbedürftigen Person gerichtet ist,
                                                               nicht auf das eigene Handeln.
                                                                   Dem Helfer selbst kommt es also gar
                                                               nicht so heldenhaft vor, was er oder sie
                                                               da gerade geleistet hat – war doch ganz
                                                               normal und einfach nur notwendig.
                              Foto: REUTERS / Lucy Nicholson

                                                               Helden helfen selbstlos und mit Empa-
                                                               thie für die Not anderer, weniger für
                                                               sich selbst. Effekthaschende Angeber
                                                               wie Trump können also tatsächlich gar
                                                               nicht gemeint sein, weil sie zum Helden
                                                               überhaupt nicht taugen. PB

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                          bil d de s mon at s | 7
Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
meldungen

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Erste Quarantäne-Station für Obdachlose in Berlin                      Tafeln benötigen Hilfe
Um Obdachlose besser vor der Corona-Pandemie schützen                  Die deutschen Lebensmittel-Tafeln fordern zur Umsetzung
zu können, hat Berlin als erstes Bundesland eine Quarantä-             ihrer sozialen und ökologischen Arbeit Hilfe vom Staat. Es
ne-Station für sie eingerichtet. In Räumen der Notfallambu-            fehle bislang die logistische Infrastruktur, um große Men-
lanz der Stadtmission stehen seit Mai 16 Betten zur Verfü-             gen an Lebensmittel von Produzenten zwischenlagern und
gung für Menschen ohne festen Wohnsitz, die ohne schweren              weiterverteilen zu können. Dieser Ausbau müsse so wie in
Krankheitsverlauf mit dem Coronavirus infiziert sind. Ob-              Frankreich anteilig staatlich unterstützt werden. Das betreffe
dachlose sind mit ihren Vorerkrankungen besonders anfällig             auch die Finanzierung der Geschäftsstelle. Bislang wird die
für Infektionen. Sie haben kein eigenes Zuhause, wohin sie             Arbeit fast ausschließlich durch Spenden finanziert. Seit
sich bei einer Infektion zurückziehen könnten. pB                      Ausbruch der Pandemie nehmen immer mehr Menschen die
                                                                       Angebote in Anspruch. Zugleich ist die Zahl der Helfer zu-
+++                                                                    rückgegangen, weil viele zu einer Risikogruppe gehören. pb

Basiskonten dürfen nicht übermäßig teuer sein                          +++
Banken dürfen für Basiskonten keine außergewöhnlich hohen
Gebühren verlangen. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof                Millionäre wollen höhere Steuern für Reiche
entschieden. Seit 2016 hat jeder Bürger Anrecht auf ein Basis-         Zum Ausgleich der ökonomischen Folgen der Corona-Pan-
konto. Beispielsweise Obdachlose oder Geflüchtete sollen so            demie fordert eine Gruppe von Millionären dauerhaft höhere
die Möglichkeit erhalten, am bargeldlosen Zahlungsverkehr              Steuern für Reiche. Wie Mitte vergangenen Monat Medien
teilzunehmen. Einige Banken verlangen dafür jedoch hohe                berichteten, hat der aus 83 Millionären aus sieben Ländern
Gebühren und rechtfertigen das mit dem Zusatzaufwand für               bestehende Zusammenschluss »Millionaires for Humanity«
eine schwierige Klientel. Laut Stiftung Warentest kosten die           (Millionäre für die Menschheit) einen entsprechenden offenen
teuersten Basiskonten bis zu 250 Euro im Jahr. Unklar bleibt           Brief veröffentlicht. Mit dem Geld sollen das Gesundheitssys-
vorerst, wie hoch die Gebühren künftig sein dürfen. PB                 tem, Schulen und soziale Sicherheit finanziert werden. Nur
                                                                       durch Wohltätigkeit und Spenden ließen sich die durch die
+++                                                                    Pandemie entstandenen Probleme nicht lösen. pb

Mindestlohn steigt in vier Schritten                                   +++
Der Mindestlohn wird in Deutschland in vier Schritten bis
zum 1. Juli 2022 auf dann 10,45 Euro steigen. Das haben                Weitere Nachrichten finden Sie auf unserer Homepage:
Arbeitgeber und Gewerkschaften in der Mindestlohnkonfe-                www.hempels-sh.de
renz verhandelt. Die erste Steigerung kommt zum 1. Januar
2021 von derzeit 9,35 Euro auf 9,50 Euro. Ab 1. Juli 2021
steigt der Betrag auf 9,60, ab 1. Januar 2022 auf 9,82 Euro.
Der Beschluss muss noch durch eine Rechtsverordnung der
Regierung verbindlich gemacht werden. pb

                                      HEMPELS IM RADIO
                                      Jeden ersten Montag im Monat ist im Offenen Kanal Lübeck das HEMPELS-Radio zu hören. Nächster
                                      Sendetermin ist am 3. August ab 17.05 bis 18 Uhr. Wiederholt wird die Sendung am darauf folgenden
                                      Dienstag ab 10 Uhr. Das HEMPELS-Radio bietet einen Überblick über einige wichtige Themen des aktuellen
                                      Heftes und will zugleich Einblicke in weitere soziale Themen aus der Hansestadt ermöglichen.
                                      Zu empfangen ist der Offene Kanal im Großraum Lübeck über UKW Frequenz 98,8. Oder online über
                                      den Link »Livestream« auf www.okluebeck.de

8 | me l dungen                                                                                                            Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
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gewissensfragen im alltag

                                                 Darf ich das?

                                                                                     Foto: Luitgardis Parsie

                                                                                                                                                         Foto: Dirk Sander
                                     Foto: NDR

 Klaus Hampe                                     Luitgardis Parasie                                            Sabine Hornbostel

Frage eines Mannes: Ich habe nur noch ein paar Jahre bis              andere Menschen. Und das tun Sie mit Routine, Erfahrung,
zur Rente. Aber die Arbeit fällt mir von Tag zu Tag schwe-            mit Können. Darauf können Sie stolz sein und daran können
rer. Ich würde mich am liebsten in meinem Häuschen                    Sie Spaß haben. Ich will Ihre Gefühle nicht kleinreden. Ich
verkriechen und nur noch in meinem Garten werkeln. Da                 kann mir sehr gut vorstellen, dass Sie müde sind, erschöpft von
bin ich glücklich. Aber im Betrieb fühle ich mich nur noch            Jahrzehnten der »Tretmühle«. Ich verstehe, dass Sie das Gefühl
unglücklich. Diese Unlust drückt mir aufs Gemüt. Und                  haben: »Es reicht jetzt langsam. Ich kann und will nicht mehr.«
gleichzeitig habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich im            Deswegen brauchen Sie kein schlechtes Gewissen zu haben. Im
Betrieb nur noch muffelig bin. Aber was soll ich machen?              Gegenteil. Das ist eine gute Vorbereitung auf den Ruhestand.
                                                                      Denn es gibt nichts Schlimmeres als den Rentner, der nichts
   Versuchen Sie doch mal Folgendes: Immer, wenn Sie bei              mehr mit sich anzufangen weiß, wenn der Tag des »wohl ver-
der Arbeit auf die Uhr schauen, sagen Sie sich: »Schon wieder         dienten Ruhestands« gekommen ist.
einen neuen Rosensetzling für den Garten verdient.« Oder:                Ich finde, Sie bereiten sich gerade hervorragend auf den
»Schon wieder eine Tapetenrolle für die Wohnzimmer-Reno-              nächsten Lebensabschnitt vor: Sie freuen sich auf das Neue,
vierung fertig.« Würde das Ihrer Arbeit wieder Sinn geben?            das kommt. Doch die Zeit bis dahin müssen Sie noch irgend-
Wahrscheinlich werden Sie jetzt schimpfen und sagen: Was              wie überbrücken. Mein Vorschlag: Machen Sie eine Liste mit
denkt dieser Kerl eigentlich? Was weiß der von meiner Arbeit?         zehn Pluspunkten für Ihr Heute. Zum Beispiel: Ich habe nette
Ich trällere doch keine Schlager! Ich baue Autos, versichere          Kollegen. Ich habe jede Menge Routine im Job. Ich bin momen-
Menschen, verkaufe Lebensmittel, unterrichte junge Leute              tan finanziell abgesichert. Ich habe viel Abwechslung: Häus-
oder was immer Ihr Beruf ist. Wenn der wüsste, was ich tag-           chen hier und Arbeit da. Und so weiter. Sie finden sicher zehn
täglich leiste!                                                       Pluspunkte. Der letzte Punkt darf durchaus sein: Ich freue
   Ja? Widersprechen Sie mir? Wunderbar! Denn mit Ihrem               mich auf meinen Ruhestand!
Widerspruch kommen wir zu einer wichtigen Sache: Ihre Ar-                Also: Versuchen Sie, die letzten Monate im Beruf als
beit ist wichtig! Für irgendwen! Nicht nur für die Firma oder         Geschenk zu nehmen und nicht als Last. Denn Geschenke
die Behörde, die Ihr Gehalt überweist. Irgendetwas tun Sie für        schleppen sich leichter als Lasten.

         »Darf ich das ? Gewissensfragen im Alltag« ist ein Nachdruck einer R adio-Rubrik der E vangelischen K irche
      im NDR. Im regelmäS Sigen Wechsel beantworten K l aus Hampe, L eiter der Öffentlichkeitsarbeit des E vangelisch-
               lutherischen Missionswerks in Niedersachsen, Luitg ardis Par asie, Pastorin und Buchautorin,
                       sowie Sabine Hornbos tel , L ektorin und T herapeutin, F ragen zur Alltagsethik .
                                           Mehr dazu unter www.radiokirche.de

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Ein rundes Leben Warum ein 57 Jahre alter Lehrer für Fußball um die Welt reist - 2,20 EUR
Rubrik
                                                            titel

                Ein Rundes
                  leben
 Heiko Lükemann aus dem Kreis Plön ist
 57 Jahre alt und Konrektor einer Schule
   – und er reist als Groundhopper zu
   Fußballspielen rund um den Globus

                             TEXT: GEORG MEGGERS
                         FOTOS: KLAUS-HENNING HANSEN

   Sein WhatsApp-Profilbild zeigt          Länderpunkt. Groundhopping kom-
das Camp Nou, jenes berühmte, fast         biniert Reisen, Sammeln und Fußball:
100.000 Zuschauer fassende Stadion         »Perfekt für mich«, sagt Heiko Lüke-
des FC Barcelona. »Meine Kathedrale        mann.
des Fußballs«, sagt Heiko Lükemann,           Als Groundhopper hat er etwa Spiele
den wir in einem anderen Stadion tref-     im Kreis Plön, in China und auf Kuba
fen. Jenem des TSV Schönberg nahe der      besucht; insgesamt 275 Partien in 20
Ostsee bei Kiel. Auf der einen Spiel-      Ländern. In der Szene sei der in Lübeck
feldseite eine dreistufige Holztribüne,    geborene Schönberger damit »ein klei-
auf der anderen vor allem Bäume: Für       nes Licht«. Trotzdem hat er ein Buch
WhatsApp taugt das Albert-Koch-Sta-        darüber geschrieben: »Fußballsucht«
dion weniger.                              heißt es. Untertitel: »Wenn Alte Her-
   Doch etwas verbindet die Stadien        ren groundhoppen.« Groundhopper
in Schönberg und Barcelona: Sie sind       sind meist jung und willens, ganz viel
das, was Heiko Lükemann sammelt.           Lebenszeit in strapaziöse Reisen zu
Menschen, die tun, was er tut, nennen      entlegenen Spielorten zu stecken. Hei-
sich Groundhopper. Wörtlich hüpfen         ko Lükemann ist 57 Jahre alt, Familien-
(englisch: to hop) sie von Spielfeld zu    vater und Lehrer. Einen ähnlich alten
Spielfeld (ground). Das heißt sie besu-    Groundhopper habe er noch nie getrof-
chen überall auf der Welt Fußballspiele,   fen – und es war auch der Freund seiner
von der Kreisklasse bis zur Champions      Tochter, Mitte zwanzig, der ihn 2016
League – und tragen sich dafür, etwa       mit diesem Hobby infizierte.
in einer App, Punkte ein. Pro Platz gibt      Wenn Heiko Lükemann mit ihm oder
es einen »ground« und pro Land einen       alleine zu Spielen reist, geht es nicht nur

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Vom Spiel Tottenham Hotspur gegen den FC Liverpool im Londoner Wembley-Stadion hat Heiko Lükemann einen Schal mitgebracht.

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                                                                  t i t e l | 11
Rubrik
                                                             titel

um Fußball. »Ich liebe Sprachen und
Kulturen – und auf einem Fußballplatz
lernst du beides ganz schnell kennen.«
Oft fragen ihn heimische Fans, wie er
den Weg in ihr Stadion fand, warum er
sich ausgerechnet dieses unterklassige
Spiel anschaue – schon sind sie im Ge-
spräch. Museen schätze er auch, aber
»in denen geht es schon stiller zu«. Und
manchmal führt Fußball zu noch mehr
Kultur: Am Spielfeldrand in Havanna,
Kuba, empfahl ihm ein Zuschauer die
dortige Oper. »Toller Tipp, die hätten
wir sonst verpasst.«
   In Schönberg wird an diesem Tag
aus Nieseln ein Regenschauer; deshalb
packen die Jugendlichen, die eben noch
auf einem Kunstrasenplatz neben dem
Albert-Koch-Stadion kickten, ihre Sa-
chen. Sie verabschieden sich bei Heiko              2016 besuchte Heiko Lükemann ein Heimspiel von Jiangsu Suning FC aus Nanjing
Lükemann. »Jungs, benehmt euch«, ruft                                        – und sammelte damit einen chinesischen Länderpunkt.
der ihnen hinterher. Auch wir brauchen
für das Interview schnell einen anderen     schönste Beruf der Welt«, sagt er. Heiko    ballspiele besucht – wie finden das sei-
Ort als die unüberdachte Holztribüne.       Lükemann unterrichtet die wohl pas-         ne Schülerinnen und Schüler? »Schon
Heiko Lükemann hat neben dem Sport-         sendsten Fächer für einen Groundhop-        spannend. Auch die, die sich nicht für
platz sein Büro: Er ist Konrektor der       per: Sport und Weltkunde.                   Fußball interessieren, weil es ja nicht
Gemeinschaftsschule Probstei, deren            Ein Lehrer, der an seinen Wochen-        um Ergebnisse geht, sondern um Ge-
Schulsportplatz das Stadion ist. »Leh-      enden, in den Schulferien und sogar auf     schichten.« Wenn möglich verknüpft
rer mit meinen Fächern – das ist der        Klassenfahrten möglichst viele Fuß-         Lehrer Lükemann Stadionbesuche und
                                                                                        Lehrplan: Nach einem Wochenende
                                                                                        mit Spielen in Bochum und Dortmund
                                                                                        erzählte er seinen Schülern zunächst
                                                                                        davon – dann sprachen sie über den
                                                                                        Strukturwandel im Ruhrgebiet. »Die-
                                                                                        ses abstrakte Thema verbinden sie nun
                                                                                        mit sehr konkreten Erlebnissen ihres
                                                                                        Lehrers, und können es sich somit gut
                                                                                        merken.«
                                                                                           Heiko Lükemann ist braun gebrannt,
                                                                                        trägt kurze Hose und Fußballtrikot. In
                                                                                        das ansonsten verlassene Lehrerzim-
                                                                                        mer, in das nur wenig trübes Licht durch
                                                                                        die graue Wolkendecke scheint, passt er
                                                                                        nicht so recht. »Fußball ist Leben«, sagt
                                                                                        er, im Bürostuhl weit zurückgelehnt.
                                                                                        Das klingt wie eine Phrase, von denen es
                                                                                        so viele zum Thema Fußball gibt. Klingt
                                                                                        fast wie: »Der Ball ist rund.« Heiko Lü-
                                                                                        kemann war Jugendspieler, Herrenspie-
                                                                                        ler, Altherrenspieler und kickt derzeit
                                                                                        für ein Kieler Gehfußball-Team. Er hat
                                                                                        Damen- und Jugendteams trainiert, war
Vor dem Sportheim des TSV Schönberg: Heiko Lükemann war Jugendspieler, Herrenspieler,   Schiedsrichter und Stadionsprecher. Als
Altherrenspieler und kickt nun für ein Kieler Gehfußball-Team.                          Fußball-Reporter berichtet er für ein

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275 Partien in 20 Ländern hat Heiko Lükemann besucht. Die Eintrittskarten bewahrt er in einer Holzkiste auf.

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                                                                      t i t e l | 13
titel

lokales Blatt – nun ist er Groundhopper      gehören spannende Reiseerlebnisse und         so eine Parallele zum Leben: dass man
und hat ein Fußballbuch geschrieben.         die Freude über einen neuen Länder-           sich beim Fußball total ärgern kann.«
Das klingt weniger nach Phrase: Fuß-         punkt – aber auch bittere Momente. Seit          Und aus noch einem Grund liegt eine
ball ist Heiko Lükemanns Leben.              Jahren besonders für Fans des Ham-            schwierige Zeit hinter ihm: Zu Beginn
   Was für ihn den Fußball so besonders      burger SV, zu denen Heiko Lükemann            der Corona-Pandemie wurden alle Fuß-
macht? »Er bringt dich mit den unter-        zählt. Eine Woche vor dem Interview           ballspiele abgesagt. Inzwischen wird
schiedlichsten Menschen zusammen, zu         hat der HSV durch eine 1:5-Heimnie-           vielerorts wieder gekickt, jedoch ohne
denen du sonst kaum Kontakt hättest.         derlage den Aufstieg verspielt. »Das tat      Zuschauer. »Ich bin glücklich verheira-
Und gemeinsam erlebt ihr alle Emoti-         richtig weh«, sagt er, und man sieht ihm      tet, wirklich. Aber das war schon eine
onen, die das Leben ausmachen.« Dazu         an, dass es das noch immer tut. »Noch         ereignislose Phase!« In den Sommer-

Auf der Holztribüne des Albert-Koch-Stadions: Der Platz gehört zur Gemeinschaftsschule Probstei, in der Heiko Lükemann unterrichtet.

14 | t i t e l                                                                                                    Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
ferien wollte er eigentlich mit seiner    es kurzfristig doch nicht nach Polen,       erleben!« Vielleicht wird das seine neue
Frau die polnische Ostseeküste bereisen   sondern nach Kroatien. Bernstein wird       Kathedrale des Fußballs? Sein neues
– und dabei einige grounds sammeln,       er dort nicht finden – »aber hoffentlich    WhatsApp-Profilbild? Einige Stadien
was nun wieder möglich ist. Und noch      einen kroatischen ground«.                  eignen sich dafür besser als andere. Doch
etwas: »Bernstein – den sammle ich           Eintrittskarten besuchter Spiele sam-    außer, dass ihr Besuch für Groundhop-
auch!« Neben Reisen und Fußball geht      melt er natürlich auch und bewahrt sie      per Punkte bedeutet, verbindet sie alle
es beim Groundhopping auch darum:         in einer Holzkiste auf. Als er einmal da-   noch etwas: »Ob im Camp Nou oder
»Um Sammelleidenschaft. Früher habe       rin kramte, habe er gedacht: »Zu jedem      im Albert-Koch-Stadion, ob ich Lionel
ich Bierdeckel gesammelt, heute vor al-   Ticket fällt mir eine Geschichten ein.      Messi sehe oder einen Kreisliga-Kicker:
lem Fußballplätze.« Wetterbedingt geht    Warum nicht aufschreiben?« Und was er       Die Magie des Fußballs spüre ich über-
                                          schrieb, gefiel. Erst Freunden und Fami-
                                          lie, dann einem Verlag. So entstand sein
                                          Buch. »Als Autor sehe ich mich nicht,
                                          und es wird kein zweites Buch von mir
                                          geben. Ich möchte nur Werbung für ein
                                          tolles Hobby machen!«
                                             Obwohl bei seinem Hobby das Drum-
                                          herum wichtiger ist, analysiert er stets
                                          auch das, was auf dem Platz geschieht.
                                          Dazu passt, dass sich Heiko Lükemann
                                          und der HEMPELS-Reporter schon vor
                                          vielen Jahren trafen: Heiko Lükemann
                                          war A-Jugend-Trainer des TSV Schön-
                                          berg und wollte den damaligen Schüler
                                          zu seinem Team abwerben. Detailliert
                                          beschrieb er am Wohnzimmertisch die
                                          Viererkette in seiner Abwehr. Das klang
                                          nach großem Fußball: Eine Viererkette
                                          kannte man nur aus dem Fernsehen – in
                                          den Dorfvereinen wurde noch konse-
                                          quent mit Libero verteidigt.
                                             Fast zwei Jahrzehnte später sagt Hei-
                                                                                      »Als Autor sehe ich mich nicht«: Mit seinem
                                          ko Lükemann: »Groundhopping ist für
                                                                                         Buch möchte der Schönberger »nur Wer-
                                          mich der Höhepunkt meines Fußballer-                bung für ein tolles Hobby machen«.
                                          lebens. Ich reise und sammle, ich sehe
                                          Spiele und lerne dabei Menschen und
                                          Kulturen kennen – besser gehts nicht!«      all!« Auch das ist so ein Satz, der eine
                                          Und er hat ambitionierte Ziele: Auf 1000    Phrase sein könnte. Der aber nicht so
                                          grounds und 100 Länderpunkte möchte         klingt, wenn Heiko Lükemann ihn sagt.
                                          er kommen. »Das geht erst so richtig los,
                                          wenn ich in Pension gehe«, sagt er. Dann    Heiko Lükemanns Buch »Fußballsucht.
                                          möchte er mit seiner Frau immer wieder      Wenn Alte Herren groundhoppen« er-
                                          monatelang um die Welt reisen – sie um      schien im Verlag »Die Werkstatt«, hat
                                          des Reisens willen, er vor allem, um Sta-   160 Seiten und kostet 14,90 Euro.
                                          dien zu besuchen. Zwischendurch wol-
                                          len sie zu Hause reinschauen, »um den
                                          Enkeln kurz Hallo zu sagen«.
                                             Nächstes Traumziel: Buenos Aires,
                                          Argentinien. »In Videos wirkt die Stim-
                                          mung in den Stadien dort sehr leiden-
                                          schaftlich. Das will ich unbedingt live

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                                                            titel   | 15
Schleswig-holstein sozial

                Wie bei Oma
  Uncool und unhygienisch: Stofftaschentücher
  haben ein echtes Imageproblem. Studierende
 aus Schleswig-Holstein wollen die nachhaltigen
  Oma-Taschentücher wieder populär machen
           – wie soll das bloß klappen?

                                         TEXT: GEORG MEGGERS
                                     FOTOS: KLAUS-HENNING HANSEN

   Was er in seiner Hosentasche hat,               lisch für Taschentuch. Ihr Ziel ist ein
möchte Kolja de Cuveland nicht zeigen.             Comeback: Weil sie nachhaltiger sind
»Sorry, schon benutzt«, sagt er. Unbe-             als ihre Pendants aus Papier, wollen
nutzte Exemplare hat dafür Lisa Brucia             sie Stofftaschentücher wieder populär
mitgebracht und breitet sie nun auf der            machen.
Parkbank in der Kieler Innenstadt aus.                Ein Schlüsselerlebnis hatten die bei-
Es geht um Taschentücher. Das Beson-               den Studierenden nicht, sie erzählen
dere: Sie sind aus einem Material, in              nur vom regelmäßigen Anblick über-
das nur noch selten geschnäuzt wird –              quellender Papierkörbe. Und Zahlen
Stoff.                                             stützen ihren Eindruck, dass es da ein
   Lisa Brucia, 25, und Kolja de Cuve-             Problem gibt: 19 Kilogramm Hygie-
land, 29, studieren an der Kieler Uni.             nepapier wie eben Taschentücher hat
Ihre Fächer könnte man vielleicht als              der durchschnittliche Deutsche laut
»irgendwas mit Umwelt« umschrei-                   Umweltbundesamt im Jahr 2019 ver-
ben, ausbuchstabiert heißen sie »Envi-             braucht. 19 Kilogramm Müll.
ronmental Management« (Lisa Brucia)                   Benutzte Stofftaschentücher erwar-
und »Sustainability, Society and the               tet ein anderes Schicksal. »Ihre Halt-
Environment« (Kolja de Cuveland).                  barkeit ist quasi unbegrenzt«, sagt Kol-
Mit zwei Kommilitoninnen haben sie                 ja de Cuveland. Gewaschen können sie
das Unternehmen »änkerchief« ge-                   wieder und wieder verwendet werden.
gründet. Der Name setzt sich zusam-                Die Taschentücher von »änkerchief«
men aus Anker, der für die Hafenstadt              bestehen außerdem aus Second-Hand-
Kiel steht, sowie »handkerchief«, eng-             Stoffen, die sonst im Müll gelandet

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Lisa Brucia und Kolja de Cuveland auf einer Parkbank in der Kieler Innenstadt:
                                               Diesen Sommer beginnt der Verkauf ihrer Stofftaschentücher.

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                  Schl e s wig - hol s t ein s ozi a l | 17
Schleswig-holstein sozial

                                                                                        wollen. Weniger nett könnte man auch
                                                                                        von Oma-Taschentüchern sprechen.
                                                                                        »Sie sind aus der Mode – und für viele
                                                                                        ist das bestimmt ein Grund, sie nicht zu
                                                                                        benutzen«, sagt Lisa Brucia. Wie wollen
                                                                                        sie daran etwas ändern?

                                                                                           »Das Design ist wichtig:
                                                                                             Unsere Taschentücher
                                                                                              sollen gut aussehen«

                                                                                           »Das Design ist wichtig: Unsere Ta-
                                                                                        schentücher sollen gut aussehen«, sagt
                                                                                        Kolja de Cuveland. Die auf der Park-
                                                                                        bank ausgelegten Exemplare sind zwei-
                                                                                        oder dreifarbig, oft ist ein Blauton da-
Kolja de Cuveland und Lisa Brucia haben zusammen mit zwei Kommilitoninnen               bei. Viele sind in schlichten Mustern
»änkerchief« gegründet. Ihr Ziel: Stofftaschentücher wieder populär machen.             gehalten, eines zeigt ein Blumenmotiv,
                                                                                        ein anderes Fliegenpilze. Keine Frage:
wären – womöglich direkt neben voll-             Nett ausgedrückt sind Stofftaschen-    Da kann Donald Duck nicht mithalten.
geschnäuzten      Papiertaschentüchern.       tücher ein Klassiker, dem die Studie-     Und besser als ein weißes Stück gefalte-
Und aus noch einem Grund sind Ȋn-            renden zu einem Comeback verhelfen        tes Papier sehen sie allemal aus.
kerchiefs« nachhaltig: Sie werden in
Kiel produziert, genauer: in den WG-
Zimmern der Studierenden, gefertigt
an gebraucht gekauften Nähmaschinen.
Es spricht also einiges für Stofftaschen-
tücher. Warum nutzt sie dann nicht je-
der?
   Kurze Stichprobe zur Verbreitung
von Stofftaschentüchern mit zwei Pro-
banden: Unser HEMPELS-Fotograf,
Proband eins, hat ein Papiertaschen-
tuch in seiner Hosentasche. »Zu Hause
im Schrank müsste ich noch Stoffta-
schentücher haben – ich bin aber schon
vor Jahrzehnten umgestiegen.« In der
Hosentasche von Proband Nummer
zwei ist kein Taschentuch. Aber wenn
der Reporter eines hätte, wäre es aus
Papier. Stofftaschentücher benutzt er
seit der Grundschule nicht mehr. Da-
mals gaben ihm Mitschüler zu verste-
hen, dass man als Viertklässler nicht
mehr in Stoffquadrate mit Donald-
                                                             Die Taschentücher von »änkerchief« bestehen aus Second-Hand-Stoffen,
Duck-Motiven schnoddert.                                                                          die sonst im Müll gelandet wären.

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Lisa Brucia studiert »Environmental Management« (Umweltmanagement) an der Kieler Uni.

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                           Schl e s wig - hol s t ein s ozi a l | 19
Schleswig-holstein sozial

                                                                                              Kein Fall für den
                                                                                       Mülleimer: Die Haltbarkeit
                                                                                         von Stofftaschentüchern
                                                                                          »ist quasi unbegrenzt«,
                                                                                          sagt Kolja de Cuveland

                                                                                          Pro Taschentuch braucht Kolja de
                                                                                       Cuveland etwa eine halbe Stunde: »Ab-
                                                                                       messen, aufzeichnen, ausschneiden,
                                                                                       bügeln, nähen – fertig!« Als es Anfang
                                                                                       des Jahres losging mit »änkerchief«,
                                                                                       hat ihm seine Schwester gezeigt, wie
                                                                                       man an einer Maschine näht. »Durch
                                                                                       Übung geht das immer besser.« Mate-
                                                                                       rial und Nähmaschinen finanziert das
                                                                                       Team mit einem Preisgeld: Beim Ide-
                                                                                       enwettbewerb »yooweedoo«, der sozial
                                                                                       sowie ökologisch nachhaltige Projekte
                                                                                       unterstützt, wurde in diesem Jahr auch
                                                                                       »änkerchief« ausgezeichnet und erhielt
                                                                                       1500 Euro.
                                                                                          Ein Wahlmodul in den Studiengän-
                                                                                       gen von Kolja de Cuveland und Lisa
                                                                                       Brucia sieht die Gründung eines sozi-
                                                                                       alen Unternehmens wie »änkerchief«
                                                                                       vor. Man könnte sagen: Taschentücher
                                                                                       nähen ist für sie Studieninhalt. Schon
                                                                                       ungewöhnlich, oder? »Klar, aber wir
                                                                                       lernen ja auch etwas über Unterneh-
                                                                                       mensgründung und Vertriebswege,
                                                                                       über Datenschutz und Öffentlich-
                                                                                       keitsarbeit«, sagt Lisa Brucia. Diesen
                                                                                       Sommer beginnt der Verkauf ihrer in
»Abmessen, aufzeichnen, ausschneiden, bügeln, nähen – fertig«: Um ein Taschentuch      Recyclingpapier verpackten Stoffta-
herzustellen, braucht Kolja de Cuveland etwa eine halbe Stunde.                        schentücher über Kieler Boutiquen und
                                                                                       das Internet.
   Nachhaltigkeit ist im Trend. Oder         wendbare Produkte wie Stofftaschen-          Dann wird sich zeigen, ob es ein
vorsichtiger formuliert: zumindest das       tücher deshalb Corona-Brutkästen?         Comeback nachhaltiger Taschentücher
Interesse an Nachhaltigkeit. Im Coro-        Kolja de Cuveland sagt: »Einfach regel-   gibt – zurück aus den Schränken in die
na-Sommer 2020 aber ebenso verbrei-          mäßig heiß waschen, mit mindestens        Hosentaschen auch junger Menschen.
tet: Plastik-Handschuhe und Einweg-          60 Grad – dann muss man sich darüber      Hat »änkerchief« als Geschäftsmodell
Mundschutze. In manchen Parks liegen         keine Sorgen machen. Und wer ganz si-     eine Chance? Die Frage ist falsch ge-
sie herum wie Cola-Dosen vor Einfüh-         chergehen möchte, kann seine Taschen-     stellt, darum geht es nicht. Die Studie-
rung des Dosenpfands. Sind wiederver-        tücher auch noch bügeln.«                 renden wirken nicht naiv; sie wissen,

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was sie erreichen können. Und was           porter über gemeinsame Freunde schon       schuh. Ein Stofftaschentuch ist nir-
nicht. »Wir retten mit unseren Ta-          früher kannte und die er jetzt zum In-     gendwo auszumachen. Lisa Brucia und
schentüchern nicht die Welt«, sagt Kolja    terview erneut traf.                       Kolja de Cuveland radeln nach Hause,
de Cuveland und lacht. »Aber vielleicht        Dazu passt auch, dass sie einen Teil    in ihre WG-Zimmer mit den gebrauch-
schaffen wir bei ein paar Menschen ein      der Einnahmen an »MoorFutures«             ten Nähmaschinen. Und der Reporter
Bewusstsein für Nachhaltigkeit – das        spenden – ein Projekt, das sich für die    überlegt einen Augenblick lang ganz
wäre doch auch schon was!« Wo es kein       Renaturierung von Mooren einsetzt.         ernsthaft, ob es für Donald Duck noch
Geschäftsmodell gibt, kann das auch         Lisa Brucia sagt: »Unsere Taschentü-       ein Comeback gibt.
nicht scheitern.                            cher sollen vor allem nachhaltig sein.
   Dazu passt, dass der Preis bis kurz      Deshalb produzieren wir sie und des-
vor Verkaufsstart noch nicht feststand      halb sollte man sie auch kaufen.« Wo-
– und dann vorerst auf 4,50 Euro für        bei sie sich für ihre Käufer auch rech-
ein kleines sowie 5 Euro für ein gro-       nen können: Denn Papiertaschentücher
ßes Taschentuch festgelegt wurde. »Wir      braucht man ständig neue, Stoffta-
wollen ihn möglichst niedrig halten;        schentücher nur so viele, dass man stets
unser Ziel ist nicht, dass wir daran ver-   ein sauberes in der Hosentasche hat.
dienen«, sagt Kolja de Cuveland. Ihr        Auch das spräche gegen ihr Geschäfts-
Studium finanzieren alle im Team mit        modell – wenn es das gäbe.
anderen Nebenjobs – »änkerchief« ist           Im Kieler Innenstadt-Park flattern
ein Engagement für sie, kein Job. »Und      einige Papiertaschentücher über die
so soll es auch nach der Uni bleiben«,      Wiese, und neben einem Mülleimer
sagt Lisa Brucia, die der HEMPELS-Re-       – nicht darin – liegt ein Plastikhand-

                                  Zum Interview kommen die Kieler Studierenden Lisa Brucia und Kolja de Cuveland mit dem Fahrrad.

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Schleswig-holstein sozial

   »Am Ende sind die Selbst-
    hilfekräfte erschöpft«
                 Warum verlieren Menschen ihre Wohnung?
      Und wie kann man das verhindern? Jutta Henke, Geschäftsführerin
         der Bremer Gesellschaft für innovative Sozialforschung und
             Sozialplanung (GISS), hat dazu bundesweit geforscht

                                                   INTERVIEW: BASTIAN PÜTTER

   Wohnungslose sind häufig mit Un-             Als erstes haben wir eine Onlinebe-        verschieben. Wie soll das aussehen?
verständnis und Schuldzuschreibun-           fragung bei einem repräsentativen Aus-           Indem man die Hilfen für Menschen
gen konfrontiert: »Wohnen kann doch          schnitt an Kommunen gemacht und dort          auf der Straße ausbaut, verliert man aus
jeder.«                                      die Verwaltungen, aber auch alle freien       den Augen, wo die Problemlösung liegt.
   Man glaubt, bei Wohnungslosen müs-        Träger und alle Jobcenter befragt. Daraus     Einer unserer Befunde ist, dass die prä-
se etwas ganz anders sein als bei mir oder   können wir ganz gut schließen, wie sich die   ventiven Hilfesysteme viel weniger sicht-
dir, das stimmt aber nicht. Tatsächlich      Hilfeangebote und die Notlagen verteilen.     bar sind, als sie selbst glauben. Dort glaubt
sind bei ihnen überaus ungünstige Fak-       Der zweite Schritt war eine Vertiefungs-      man, die Leute warten und verlieren Zeit.
toren so zusammengetroffen, dass es am       studie, in der wir zwölf Hilfesysteme de-     Das stimmt nicht. Sie wissen oft nicht,
Ende keine Optionen mehr gab und der         tailliert angeschaut haben. Wir haben mit     welche Hilfe es wo gibt. Das heißt für das
Wohnungsverlust unausweichlich wur-          allen Akteuren vor Ort gesprochen und         System, es muss sich erstens so sichtbar
de. Materielle Ursachen sind ein Haupt-      uns Verfahren, Abläufe und Strukturen         wie möglich machen. Es muss deutlich
grund: 80 Prozent der Betroffenen ver-       erklären lassen. Denn ein wichtiges Ziel      gemacht werden, dass eine Stadt Woh-
lieren ihre Wohnung, weil sie die Miete      der Untersuchung war es, Ansatzpunkte         nungslosigkeit verhindern will. Das muss
nicht zahlen können. Großen Einfluss         für Verbesserungen zu finden.                 sie zeigen, dafür muss sie eine Homepage
hat, wie erreichbar und wie sichtbar das        Der dritte Teil bestand aus Interviews     haben, Anzeigen schalten, Flyer drucken,
Hilfesystem ist, und wie präventiv es        mit Menschen, die wohnungslos waren           das volle Programm.
arbeitet. Und dann sind es persönliche       und solchen, die ihre Wohnungslosigkeit          Das zweite ist: Sie muss ihre Inst-
Faktoren, die zum Beispiel gesundheitli-     überwunden hatten – mit dem gleichen          rumente nutzen. Ein Ergebnis der Un-
cher Art sein können. Am Ende sind die       Ziel: Wir wollten wissen, was hat bei der     tersuchung war, dass der Einsatz von
Selbsthilfekräfte erschöpft. Solange die     zweiten Gruppe funktioniert, das bei          persönlicher Unterstützung zur Woh-
Menschen eine Wahl haben, treffen sie        anderen nicht geklappt hat. Wir halten        nungssicherung längst nicht in dem
die vernünftigsten Entscheidungen, die       es für einen Fehler, nur auf die sichtbare    Umfang genutzt wird, wie es möglich
man in einer schwierigen Lage treffen        Problematik zu gucken, weil die Prob-         wäre. Es gibt beispielsweise das Betreute
kann. Wohnungslosigkeit tritt ein, wenn      lemlösungen dort genau nicht gefunden         Wohnen, doch das wird häufig nur nach-
keine Wahl mehr da ist.                      werden. Lösungen findet man vor dem           gehend, also nach dem Wohnungsverlust
   Ihr Forschungsprojekt hat so etwas        Wohnungsverlust oder danach: z. B. in         eingesetzt. Viel wirkungsvoller wäre es,
wie einen Gesamtüberblick über die           der Wohnungsversorgung und langfristi-        diese Leistung schon im Vorfeld zu ins-
Situation der Wohnungslosenhilfe in          gen Absicherung.                              tallieren, um den Wohnungsverlust abzu-
Deutschland erstellt. Wie sind Sie vor-         Sie fordern, den Fokus auf die Ver-        wenden. Unvermeidbare Wohnungsver-
gegangen?                                    meidung von Wohnungslosigkeit zu              luste gibt es viel weniger, als man glaubt.

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Foto: Pixabay

     80 Prozent der Betroffenen haben ihre Wohnung verloren, weil sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten: In Deutschland besitzen laut
                      einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe rund 678.000 Menschen keine eigene Wohnung.

   Sie betonen in Fragen der Prävention        gischerweise zuerst an die Stelle, die für    Anzeige einer gravierenden Notlage. In so
besonders die Rolle der Jobcenter.             ihr Einkommen zuständig ist, und das          einem Fall gehen die Leute unverrichteter
   Ein wirklich überraschender Befund          sind die Jobcenter. Die Betroffenen ken-      Dinge und denken, es gibt keine Möglich-
in der Untersuchung war, dass die Job-         nen aber die Verfahren nicht, und deshalb     keit der Problemlösung.
center die Institutionen sind, die als erste   sagen sie nicht: »Ich möchte einen Antrag        Die Kommunen müssen sich mit den
von den Menschen selbst über die Notlage       auf Übernahme meiner Mietschulden             Jobcentern über Wege des Informations-
erfahren. Da ist ein echter Knackpunkt.        stellen.« Sondern sie sagen: »Ich kann        austauschs verständigen. Informationen
Wir haben das auch in vielen Interviews        meine Miete nicht zahlen, ich hab‘ kein       dürfen dort nicht versickern. Wir raten
gehört. Die Menschen, vor allem wenn sie       Geld.« Das wird im Gespräch möglicher-        darüber hinaus dazu, dass die Jobcenter
im Leistungsbezug sind, wenden sich lo-        weise wahrgenommen, aber oft nicht als        einen präventiven Auftrag bekommen.

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Schleswig-holstein sozial

                                                                                                 für Männer sind die Notunterkünfte,
                                                                                                 deren Nutzung oft die Bedingung ist,
                                                                                                 um weitere Hilfen zu bekommen.
                                                                                                    Sammelunterbringung ist von allen
                                                                                                 Formen der Versorgung die schlechteste.
                                                                                                 Wir hoffen, dass die Kommunen aus der
                                                                                                 Pandemie die Lehre ziehen, sich stärker
                                                                                                 in Richtung Einzelunterbringung zu ori-
                                                                                                 entieren.
                                                                                                    Schaut man auf das »Danach« von
                                                                                                 Wohnungslosigkeit, stößt man unwei-
                                                                                                 gerlich auf die sich weiter schließenden
                                                                                                 Wohnungsmärkte. Zur Beendigung von
                                                                                                 Wohnungslosigkeit braucht es nun mal
                                                                                                 Wohnungen.
                                                                                                    Eine erfolgreiche Strategie ist eine
                                                                                                 Eins-zu-Eins-Vermittlung. Die Bun-
                                                                                                 desagentur für Arbeit und die Jobcenter
                                                                                                 machen das bei der Jobsuche unter dem
                                                                                                 Stichwort »bewerberorientierte Vermitt-
                                                                                                 lung«. Die gilt Menschen, die besonders
                                                                                                 viele Hemmnisse haben und bei denen
                                                                                                 klar ist: Wenn sich ein Arbeitgeber un-
                                                                                                 ter einer Zahl möglicher Bewerber eine
                                                                                                 Person aussucht, dann nicht diese. Damit
                                                                                                 auch diese Person eine Chance auf dem
                                                                                                 Arbeitsmarkt bekommt, muss man die
                                                                                                 Logik umdrehen und sagen: Ich will ge-
                                                                                                 nau diesen Bewerber oder diese Bewer-
                                                                                                 berin in Arbeit vermitteln. Übertragen
                                                                                                 auf die Wohnraumversorgung heißt das:
                                                                                                 Solange Vermieter am Markt auswählen
                                                                                                 können, entscheiden sie sich zwangsläufig
                                                                                    Foto: GISS

                                                                                                 gegen den Wohnungslosen. Wer will, dass
                                                                                                 sich diese Menschen mit Wohnraum ver-
                                                                                                 sorgen können, muss Energie hier inves-
                                                                                                 tieren: bürgen, absichern, begleiten. Man
»Dass Wohnungssicherung Vorrang hat, sollte im Gesetz stehen«: Jutta Henke, Geschäfts-           unterschätzt schnell, wie viel Wohnraum
führerin der Bremer Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung.
                                                                                                 auf diese Weise erschlossen werden kann.
                                                                                                 Durch aktive Begleitung, Intervention
Dass Wohnungssicherung Vorrang hat,          Hilfen verzichten. Das muss man ändern.             und im Zweifel auch Unterstützung des
sollte im Gesetz stehen. Auf keinen Fall     Bei den Männern liegt die Ungleichbe-               Vermieters lässt sich oft erreichen, dass
kann man diese Chance aus der Hand ge-       handlung bei der Prävention. Ihnen wird             eine bestimmte Person einen Mietvertrag
ben.                                         mehr zugetraut, aber auch mehr zugemu-              erhält.
   In Ihrer Studie stellen Sie Ungleich-     tet. Wir halten das für falsch, weil gerade
heiten bei der Versorgung von Män-           die Gruppe der alleinstehenden Männer
nern und Frauen fest.                        hohe Risiken hat. Es ist unbestritten, dass
   Ja. Es gibt insgesamt recht gut ausge-    Frauen einen hohen Schutzbedarf haben.              Die Studie von Jutta Henke ist im Buch-
baute Hilfesysteme für Menschen, die         Sobald man aber den Gedanken umdreht                handel erhältlich: »Wie lässt sich Woh-
bereits wohnungslos geworden sind. In        und sich fragt, ob Männer etwa keinen               nungslosigkeit verhindern? Ein Plä-
diesen Systemen fehlen aber spezielle An-    Schutzbedarf haben, wird einem klar:                doyer.« Soziale Arbeit Kontrovers 23.
gebote für Frauen, was dazu führt, dass      Das stimmt nicht.                                   Deutscher Verein für öffentliche und
Frauen auf die Inanspruchnahme von              Ein Aspekt dieser »Zumutungen«                   private Fürsorge | 64 S. | 9 Euro

24 | Schl e s wig - hol s t ein s ozi a l                                                                             Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
Freiheit ist
                                      kein Selbstläufer

             Corona hat uns gezeigt, wie zerbrechlich unser Leben ist, wie kostbar unser
          Leben ist, dass Freiheit und Verantwortung zusammengehören und dass Freiheit,
         eine freie Gesellschaft nur existieren kann, wenn die Menschen aufeinander achten
                                  und mit Respekt voreinander umgehen.
              Danach wird man sehen: Wer trägt denn die Lasten, wer trägt die Folgen?
            Was bedeutet das für die Zukunft der Arbeit, was bedeutet das für die Zukunft
           derer, die vielleicht jetzt schon schlechte Bildungschancen hatten? Manches wird
          nach oben kommen, und die Ungleichheiten und die Spannungen könnten danach
             steigen. Werden etwa die Ungleichheiten in der Gesellschaft größer werden?

                  Das befürchte ich. Dann kann der Populismus wieder erstarken.
             Die Freiheit ist kein Selbstläufer. Sie kann, auf welchen Wegen auch immer,
          bedroht werden. Dies war nun eine Bedrohung, die wir nicht erwartet haben, eine
           Pandemie. Aber es gibt ja auch andere Bedrohungen der Freiheit. Aber vielleicht
         haben wir gelernt, wie kostbar die Freiheit ist und wie sehr wir uns auch anstrengen
                             müssen, eine Kultur der Freiheit zu bewahren.

                                       KARDINAL REINHARD MAR X, 66, FRÜHE-
                                       RER VOR SITZENDER DER KATHOLISCHEN
                                         DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ

                                               Zitiert aus: Deutschlandfunk
                              Foto: Erzbischöfliches Ordinariat München / Wolfgang Roucka

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                                 Schl e s wig - hol s t ein s ozi a l   | 25
Schleswig-holstein sozial

                                            Radio Aktivität
                    Seit genau zehn Jahren gibt es unser HEMPELS-Radio.
                             Produziert wird es von Michael Boden

                                                TEXT UND FOTO: PETER BRANDHORST

   Man muss nicht lange mit Michael            in den Mittelpunkt zu stellen.« Damals,   dungen später, feiern er und wir ein run-
Boden sprechen, um seine Motivation            im August 2010, war er beim Offenen       des Jubiläum. Das Programm wird jeden
zu erkennen. »Seit dem ersten Tag habe         Kanal Lübeck erstmals mit dem von ihm     ersten Montag eines Monats ab 17 Uhr
ich Heidenspaß an der Aufgabe«, sagt der       moderierten und in ehrenamtlicher Ar-     ausgestrahlt (siehe Infokasten).
52-Jährige dann. Und fügt hinzu: »Heute        beit gestalteten HEMPELS-Radio auf           Dabei war dieser Erfolg zunächst nicht
wie damals ist es wichtig, soziale Fragen      Sendung, heute, zehn Jahre und 120 Sen-   unbedingt absehbar. Boden besaß damals

Seit zehn Jahren ehrenamtlicher Macher unseres HEMPELS-Radios: Michael Boden im Studio vom Offenen Kanal Lübeck.

26 | Schl e s wig - hol s t ein s ozi a l                                                                    Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
keine Erfahrung mit Radioarbeit. Aber er       Bündnisses gegen Rassismus. Und eben-
hatte großes Interesse, nach seinen Vor-       falls seit Mitte 2010 präsentiert er alle
stellungen Radio selbst zu entwickeln.         zwei Wochen die breit gefächerte Musik-     Der Offene Kanal Lübeck
»Die kommerziellen Programme – Musik           sendung Radio-aufStand.by, in der auch
wie redaktionelle Inhalte – waren und          Titel abseits des breiten Geschmacks vor-   ist ein öffentlich zugängliches, regi-
sind mir schon immer viel zu sehr Main-        gestellt werden. Musik ist ihm überhaupt    onales Bürgerradio. Gearbeitet wird
stream«, sagt er dazu, »ich möchte auch        im Leben wichtig, bereits als Kind hat er   ehrenamtlich und selbstverantwort-
die Themen behandeln, die dicht an den         Heimorgel gespielt und später Gitarre ge-   lich. Wer Lust hat seine eigene Ra-
Nöten vieler Menschen sind.«                   lernt.                                      diosendung zu moderieren, kann sich
                                                  Seine Sendungen versteht Boden als       beim OK in der Kanalstraße 42-48 in
                                               anspruchsvoll, immer versucht er sich       Lübeck melden. Telefon: (04 51) 7 05
                                               sozialen Themen auch investigativ zu        00 20.
     Rückmeldungen zeigen                      nähern. Im HEMPELS-Radio beispiels-         Zu empfangen ist das HEMPELS-
                                               weise liest er nicht nur einzelne Beiträ-   Radio im Offenen Kanal jeden ersten
     Michael Boden, dass er                    ge aus dem jeweils aktuellen Heft ein, er   Montag im Monat ab 17 Uhr auf 98,8
                                               reichert das Programm auch mit selbst       Mhz über Antenne und auf 106,5 Mhz
         mit seiner Idee von                   recherchierten Themen an. Regelmäßig        im Kabelnetz Lübeck, Bad Segeberg
                                               führt er Interviews mit Thomas Klem-        und Kreis Herzogtum Lauenburg.
    Radioarbeit richtig liegt                  pau, dem Geschäftsführer des Lübecker       Oder online per Livestream auf www.
                                               Mietervereins. Rückmeldungen aus dem        okluebeck.de Wiederholung am darauf
                                               Bekanntenkreis zeigen ihm, dass er mit      folgenden Dienstag ab 10 Uhr. In der
                                               seinen Vorstellungen von Radioarbeit        Sendung am 3. August ab 17 Uhr zum
   Als Boden mit dieser Arbeit begann,         richtig liegt. »Immer wieder wird mir       zehnjährigen Jubiläum kommen auch
befand er sich selbst in einer persönlichen    gesagt, dass ich mit einem Thema einen      mehrere Mitarbeiter und Verkäufer
Krise. Der gelernte Elektromechaniker          Nerv getroffen habe.«                       von uns zu Wort. pb
war zunächst arbeitslos geworden und              Und jetzt, nach zehn Jahren Arbeit
hatte drei Mal die Wohnung verloren und        beim Offenen Kanal, was wünscht er
musste vorübergehend in einer Notun-           sich für die Zukunft? »Viele weitere er-    ne selbst Radio machen, aber trauen sich
terkunft leben. »Aber dann ging es dank        folgreiche Jahre«, antwortet der Radio-     das leider nicht zu.«
der Radioarbeit wieder aufwärts«, sagt er.     macher, »und dass wir die Reichweite           Dass es funktionieren kann, zeigt sein
Längst ist er hauptberuflich im S.O.S. e. V.   noch stärker verbreitern können.« Eini-     Beispiel. Und sollte sich jetzt die eine oder
beschäftigt, der im Café WUT ansässigen        ge Erfolge hat er auf diesem Weg bereits    andere Person angesprochen fühlen – wir
Lübecker Selbsthilfeorganisation für So-       erzielen können. Das HEMPELS-Radio          vermitteln gerne einen Kontakt zu ihm,
ziales, und berät dort bedürftigen Men-        und der Zeckenfunk werden inzwischen        zu Michael Boden, dem Macher unseres
schen in Sozialfragen.                         auch über das Freie Sender Kombinat         HEMPELS-Radios.
   Beim Offenen Kanal Lübeck ist Mi-           (FSK) in Hamburg ausgestrahlt sowie
chael Boden für insgesamt drei wichtige        über Freies Radio Neumünster, Radio
Programmpunkte verantwortlich. Neben           Fratz Flensburg sowie die Offenen Ka-
dem monatlichen HEMPELS-Radio ver-             näle Kiel und Westküste. »Eine weitere
antwortet er, auch seit zehn Jahren, den       Verbreitung wäre wünschenswert«, sagt
Zeckenfunk, ein bereits seit 1992 exis-        Boden, »aber das erfordert zusätzliche
tierendes Radioprogramm des Lübecker           Mitarbeit. Viele Menschen würden ger-

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                                                             Schl e s wig - hol s t ein s ozi a l | 2 7
Schleswig-holstein sozial

             noch 6 Monate bis zum
                         25-jährigen Jubiläum
Im Februar 2021 feiern wir unser 25-jähriges Bestehen. Dann 25 Jahre, in de-
nen sich nicht nur die Zeitschrift zu einer aus der schleswig-holsteinischen Me-
dienlandschaft nicht mehr wegzudenkenden Stimme entwickelt hat, zu einer
Stimme derer, die allzu oft nur am Rande wahrgenommen werden. Längst sind
wir noch mehr – wir mahnen und fordern nicht nur, wir handeln. Zulaufend
auf unser Jubiläum stellen wir an dieser Stelle unsere Stiftung »HEMPELS hilft
wohnen« in den Mittelpunkt, die Wohnraum für Wohnungslose schafft. Jeden
Monat lassen wir eine Persönlichkeit zu Wort kommen, die die Bedeutung un-
serer Stiftungsarbeit unterstreicht. Denn gerade auch in dieser durch Corona
geprägten Zeit wird deutlich, wie wichtig ein Dach über dem Kopf für jeden
Menschen ist.

das problem                                                     So können Sie helfen
Es sind erschreckende Zahlen: Etwa 678.000 Menschen wa-         HEMPELS hat mit Hilfe des Diakonischen Werks Schleswig-
ren 2018 nach einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft     Holstein eine gemeinnützige Treuhandstiftung gegründet.
Wohnungslosenhilfe (BAGW) in Deutschland wohnungslos.           Werden Sie Stifter und unterstützen Sie uns, wohnungslosen
In Schleswig-Holstein geht das Diakonische Werk von 10.000      Menschen eine neue Perspektive zu geben.
wohnungslosen Menschen aus, Tendenz steigend. Die Erfah-
rungen in den HEMPELS-Verkaufsstellen und Tageseinrich-         Konto: Diakonie Stiftung Schleswig-Holstein
tungen bestätigen die Schätzungen und Prognosen.                Stichwort: HEMPELS hilft wohnen
                                                                Evangelische Bank e.G.
                                                                IBAN: DE03 5206 0410 0806 4140 10
Wir besorgen Wohnungen für Obdachlose                           BIC: GENODEF1EK1
Mit unserem Stiftungsprojekt »HEMPELS hilft wohnen« ha-
ben wir Ende 2017 in Kiel für 370.000 Euro ein Haus mit zwölf   Möchten Sie mehr über »HEMPELS hilft wohnen« wissen?
Wohnungen erworben, durch Aus- sowie einen Neubau auf ei-       Fragen Sie HEMPELS-Vorstand Jo Tein
ner angrenzenden Fläche sollen weitere Wohnungen entstehen.     Jo.Tein@hempels-sh.de oder (0 15 22) 8 97 35 35
Möglich wurde der Kauf erst durch Spenden und Zustiftungen
vieler Leserinnen und Leser. Auch in weiteren Städten wollen
wir Wohnraum für Wohnungslose schaffen.

2 8 | Schl e s wig - hol s t ein s ozi a l                                                             Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
MONIKA BAGGER-WULF, LANDESLEITUNG CARITAS:

Ich unterstütze die Stiftung »HEMPELS hilft wohnen«, weil ...

… jeder Mensch ein Zuhause braucht. Die eigene Wohnung gehört zu den
Grundbedürfnissen des Menschen. Sie ermöglicht Schutz, Privatheit, Sicher-
heit und freie Lebensgestaltung. In vielen Städten und Regionen in Schleswig-
Holstein ist bezahlbarer Wohnraum Mangelware. »HEMPELS hilft wohnen«
setzt sich auf vielfältige Weise dafür ein, insbesondere diejenigen Menschen
bei der Durchsetzung ihres Rechts auf Wohnen zu unterstützen, die aus eige-
ner Kraft nur geringe Chancen haben, einen Mietvertrag zu bekommen. Dank
der HEMPELS-Stiftung können auch sie auf ein eigenes Zuhause hoffen.

                                                                                                            Foto: Caritas

                                             Monika Bagger-Wulf, Landesleitung der Caritas im Norden.

He mpe l s # 2 9 1 8/2 02 0                                            Schl e s wig - hol s t ein s ozi a l | 2 9
Wie ich es sehe

                              Nicht so schnell sein
                             mit Schuldzuweisungen

                                                      von hans-uwe rehse

   »China ist schuld!« Der Präsident der USA wusste gleich,           Es wird Zeit, dass wir jetzt endlich damit Schluss machen!
wer für die Ausbreitung der Corona-Infektion verantwortlich        Schuldtheorien und -spekulationen lösen keine Probleme. Sie
war. Er war schnell mit seinem Urteil. Und das, wofür er zu-       schaffen nur neues Leid und neue Ungerechtigkeiten. Insofern
ständig war, blieb dabei außen vor. Allerdings zeigte sich bald,   denke ich: Wir sollten uns sehr zurückhalten mit schnellen
wie zutreffend die alte Weisheit ist, nach der immer mehrere       Schuldzuweisungen. Sie werden niemandem gerecht, weder
Finger auf einen selbst gerichtet sind, wenn man auf andere        China, noch der »Regierung« und schon gar nicht denen, die
Leute zeigt. Schließlich war seine Regierung verantwortlich        an einem Virus erkrankt sind.
für alles, was jetzt im eigenen Land zum Schutz der Bevöl-            Oberflächliche Urteile verwirren eher, als dass sie etwas
kerung zu organisieren war. Dass hier erst mit großer Verzö-       klären oder verändern. Das gilt übrigens auch da, wo man ei-
gerung gehandelt wurde, hat die Ausbreitung der Infektionen        nem einzelnen Menschen vorwirft, er sei »selbst Schuld« an
unglücklicherweise begünstigt.                                     seiner Situation. Besser ist es, selbst Verantwortung zu über-
   Das aktuelle Beispiel macht anschaulich, wie sehr die Su-       nehmen für die Überwindung konkreter Notsituationen, als
che nach einem Schuldigen ablenken kann von den wirklich           mit dem Finger auf andere zu zeigen.
wichtigen Herausforderungen. Natürlich gibt es Situationen,
in denen die Schuldfrage geklärt werden muss. Wenn man
den Ursachen eines Problems auf den Grund kommen will,
dann muss man sehr genau hinsehen. Doch um ein schuld-
haftes Verhalten feststellen zu können, braucht man hand-
feste Beweise. Sonst bleiben nur Verdächtigungen und Ver-
leumdungen.
                                                                                          Hans -Uwe Rehse is t Pas tor im
   In der Krise der vergangenen Monate fehlten genaue In-
                                                                                          Ruhe s tand und war Ge schäf t s -
formationen und Fakten über Ursachen und Verantwortlich-
                                                                                          führer der Vorwerk er Diakonie
keiten. Beweise lagen schon gar nicht vor. Doch nicht nur der                             in Lübeck . SEINE KOLUMNE
amerikanische Präsident hat sich dadurch nicht davon abhal-                               ER SCHEINT JEDEN MONAT
ten lassen, über mögliche Schuldige zu spekulieren. Besonders
fatal waren Verschwörungsgeschichten, die in dem Zusam-
menhang in Umlauf kamen. Sie lenkten davon ab, sich auf das
Wesentliche zu konzentrieren. Statt darüber nachzudenken,
wie der Krise wirksam begegnet werden kann, wurden Per-
sonen und Gruppen beschuldigt, das Virus gezielt verbreitet
zu haben. Leider ist das keine neue Entwicklung. Diese Form
der üblen Nachrede hat in unserem Land eine lange, unselige
Tradition.

30 | Schl e s wig - hol s t e in s ozi a l                                                                   Hempel s # 2 9 1 8/2 02 0
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