Inklusion mit medien - ein gewinn für alle - Blick auf bundesweite Projekte und Aktionen
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INFORMATIONSDIENST LANDESARBEITSGEMEINSCHAFT LOKALE MEDIENARBEIT NRW E.V. (LAG LM) 01/2014 Blickrichtung Inklusion Wissenschaft und Praxis im Fokus Treffen, Vernetzen und Perspektiven schaffen Rückblick auf den 3. Fachtag zur Inklusiven Medienarbeit Inklusion mit Medien – Ein Gewinn für Alle Blick auf bundesweite Projekte und Aktionen : thema ive Inklus d i e n a rbeit Me
Inhalt Dr. Christine Ketzer Geschäftsführerin 02 >> Editorial Liebe Kolleginnen und Kollegen, >> hintergrund das Thema Inklusive Medienarbeit beschäftigt uns an die Rubrik Hintergrund einige Projektideen von 04 Blickrichtung Inklusion nun schon seit einigen Jahren und in Kooperation Kolleginnen und Kollegen aus NRW. Und bei den Be 2 Prof. Dr. Saskia Schuppener mit der Technischen Jugendfreizeit- und Bildungs richten sind es diesmal die Regionalen Workshops, Facebookgruppe gesellschaft (tjfbg) gGmbH haben wir bereits einiges die wir im Projekt NIMM! vor Ort durchgeführt ha- 08 Inklusion mit Medien – Ein Gewinn für alle 2 Thomas Tekster in Sachen Inklusiver Medienbildung in NRW errei ben, um zu ermöglichen, dass Interessierte zu spezi- Inklusive chen können. Grund genug, in der aktuellen Ausga ellen Themen der Inklusion Wissen erwerben. 12 Treffen, Vernetzen und Perspektiven schaffen Rückblick auf den 3. Fachtag zur be der InterAktiv noch einmal das Thema zu fo- Die gute Nachricht: NIMM! – Das Netzwerk Inklu Medienarbeit – Inklusiven Medienarbeit 2 Carola Werning kussieren und es von unterschiedlichen Seiten zu sion mit Medien, geht weiter – als NIMM 2.0! Dafür >> projekte beleuchten. Informationen und Anregungen kann möchten wir uns beim Ministerium für Familie, Kin- Diskutieren man schließlich nie genug haben! der, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW be- 17 Inklusion in der Kinder- und Jugendförderung Daher beginnen wir die InterAktiv mit einem danken. Wir freuen uns, dass unsere Weiterbildung Sie mit! Stadt Gütersloh nimmt am Modellprojekt des Artikel von Professorin Dr. Saskia Schuppener, die Anfang Juni in die dritte Runde geht und auch die Landes NRW teil 2 Lena Bökenhans in ihrem Text ein Plädoyer für eine differenzfreund- Regionalen Workshops wieder stattfinden können. 20 vibelle.de: Informations- und eLearning-Portal liche Pädagogik und für Bildungsgerechtigkeit hält. Neu in der Version 2.0 sind u. a. die Methodenkarten Unter dem Motto „Austausch, Diskussion, Neue Medien bieten neue Bildungschancen Inklusion ist für sie ein Prozess und eine Aufgabe, zur Inklusiven Medienarbeit, die praxiserprobte Me- Vernetzung“ hat die LAG Lokale Medienar- für gehörlose und hochgradig schwerhörige die niemals abgeschlossen sein kann, sondern im- thoden für Fachkräfte aufbereiten und im wahrsten beit, gemeinsam mit den Kolleginnen und Menschen. 2 Dr. Florian Kramer mer wieder unserer Reflexion bedarf und in unseren Sinne des Wortes greifbar machen. Bitte informie- Kollegen der Technischen Jugendfreizeit- und 23 „Lieblingsorte in Münster“ von Menschen Köpfen beginnt. ren Sie sich auf www.inklusive-medienarbeit.de. Bildungsgesellschaft gGmbH, die Facebook- mit Down-Syndrom 2 Nadja Zaynel Wie weit dieser Prozess in anderen Bundeslän- Die Landesarbeitsgemeinschaft Lokale Medien gruppe Inklusive Medienarbeit gegründet. >> berichte dern ist und was sich in punkto Inklusiver Medien- arbeit NRW e.V. wird in diesem Jahr 35 Jahre alt! Wir Derzeit diskutieren über 160 Mitglieder bildung in Deutschland tut, das hat unser ehemali- haben uns ein paar Dinge einfallen lassen, um dieses zum Thema Inklusion und Medien. Schauen 26 Unterstützende Computertechnologien ger Kollege Thomas Tekster recherchiert. Dabei sind Jubiläum zu begehen. Als Beispiel möchte ich Ihnen Sie doch mal vorbei – wir freuen uns über Workshop bei barrierefrei kommunizieren! 2 Birgitt Nehring und André Naujoks einige interessante Projekte zusammengekommen, unser Vernetzungstreffen und die Mitgliederver- Meinungen, Hinweise und Informationen zum nur wenige allerdings, die sich konkret dem Thema sammlung plus ans Herz legen, die am 30. Oktober in Thema Inklusive Medienarbeit. 28 Wie und warum? Untertitelung bei Filmen Medien verschrieben haben. Der Text auf Seite 8 gibt Düsseldorf stattfinden wird. Mehr dazu finden Sie un- Workshop im Bennohaus 2 Maria Frahling einen Überblick und stellt heraus, dass Inklusion mit ter Termine. Im Namen des Vorstands und des Teams 30 Inklusiv arbeiten mit Fotografie und Medien ein Gewinn für alle sein kann. der Geschäftsstelle lade ich Sie herzlich dazu ein. Trickfilm Workshop bei Die Welle gGmbH Diesen Eindruck hatten wir auch auf unserem 2 Zbigniew Pluszynski mittlerweile dritten Fachtag zur Inklusiven Medien- 32 Spielen ohne Grenze Workshop beim Gefördert vom arbeit, den wir im März dieses Jahres in der Jugend- ComputerProjekt Köln e.V. 2 Daniel Heinz herberge Düsseldorf durchgeführt haben. Die Ver- >> Beteiligung netzung und das Lernen voneinander standen hier im Mittelpunkt. Der Artikel von Carola Werning, S. 12, Impressum Auflage: 400 34 Wünschen Sie sich was! Zum 35-jährigen Jubiläum der LAG Lokale Medienarbeit NRW e.V. fasst die Tagung zusammen. Herausgeberin: Landesarbeitsgemeinschaft V.i.S.d.P.: Arnold Hildebrandt Wir meinen: Es ist ermutigend und inspirierend Lokale Medienarbeit NRW e.V. (LAG LM) Redaktion: Arnold Hildebrandt, Dr. Christine Ketzer 2 Dr. Christine Ketzer Emscherstr. 71, 47137 Duisburg zu sehen, wie andere es machen, die sich auch auf Tel. 0203 / 41058 - 10, Fax 0203 / 41058 - 20 Korrektur: Irina Ditter 35 Jugendforum NRW auf der gamescom info@medienarbeit-nrw.de, www.medienarbeit-nrw.de 2 Dr. Christine Ketzer den Weg gemacht haben, Inklusion in ihrer Arbeit Layout: Alessandro Riggio sichtbar zu machen. Daher finden sich im Anschluss Kosten: Jahresabonnement 7,00 EUR, Einzelnummer 2,50 EUR 35 >> Termine & Impressum 2 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 3
hintergrund Blickrichtung Inklusion 2 Prof. Dr. Saskia Schuppener „Egal, wie ein Kind beschaffen ist, es hat das Recht, alles Wichtige über die Welt zu erfahren, weil es in dieser Welt lebt.“ Feuser 1998, 19 D ieses Zitat zeigt eigentlich sehr eindring- verstehen bzw. an diese gekoppelt. Im Gegenteil: lich, dass es beim Thema Inklusion in der Das Ziel der Realisierung von Chancengleichheit Pädagogik um den Anspruch einer BILDUNGS- bedeutet eine explizite Berücksichtigung von Dif- GERECHTIGKEIT geht. Wesentlich ist es, Kindern un- ferenz und Ungleichheit. Die Verschiedenheit von abhängig von unterschiedlichen Voraussetzungen, Sozialisations- und Entwicklungsbedingungen ist Merkmalen oder Lebenssituationen gleiche Chancen demzufolge beim Verständnis von Chancengleich- im Bereich des Zugangs zu Bildung zu ermöglichen, heit nicht nur mitgedacht, sondern steht im Fokus, um ihnen daraufhin individualisierte und differen- wenn es um barriere- und diskriminationsfreie Zu zierte Bildungsangebote in gemeinsamen heteroge- gänge zu Bildung geht (Schuppener, Bernhardt, Hauser nen Lerngemeinschaften machen zu können. & Poppe 2014). Der notwendige Zusammenhang von Chancen In Deutschland werden gegenwärtig nach wie gleichheit und Inklusion im Bereich von Schule und vor primär Barrieren und Hemmnisse im Hinblick Bildung ist offenkundig. Er wird u. a. in der UN-Be- auf das Thema Chancengleichheit im Kontext von hindertenrechtskonvention grundgelegt: „Die Ver- Bildung identifiziert. Daher lässt sich realitätsange- tragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen passt eher vom Ziel einer Verbesserung der Bildungs- mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht chancen für benachteiligte Personen sprechen: ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der „Insbesondere die Gruppen unter den Bildungs- Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten teilnehmern, die bisher in ihren Bildungschancen die Vertragsstaaten ein inklusives Bildungssystem benachteiligt sind, müssen bevorzugte Adressaten auf allen Ebenen ...“ (UN-BRK, Artikel 24(1), 35). Die eines individuellen Bildungsmanagements sein, um Realisierung gleicher Bildungschancen in Form von ihre Bildungschancen zu verbessern“ (Bildung in gleichen Zugangs- und Partizipationsrechten für Deutschland 2012, 13). Das lässt sich auch mit einem ALLE verkörpert gleichsam Voraussetzung und Ziel allgemeinen Verständnis von „Inklusiver Pädago- für den immer wieder reflexionsbedürftigen Weg gik“ ausdrücken: „Inklusive Pädagogik bezeichnet zur Schaffung einer inklusiven Lern- und Lebens- Theorien zur Bildung, Erziehung und Entwicklung, welt. Der Begriff der Chancengleichheit ist hier nicht die Etikettierungen und Klassifizierungen ableh- im Sinne einer Gleichheit von Voraussetzungen zu nen, ihren Ausgang von den Rechten vulnerabler 4 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 5
hintergrund hintergrund >> Von einer Chancengleichheit Notlage auf. Vor dem Hintergrund des nachgewie um die Frage der Haltung, der Einstellung und des Begehren verstehen und dadurch auch eine selbst- und Bildungsgerechtigkeit senen Zusammenhangs zwischen familiärer Le- Menschenbildes. Die Reflexion und Beantwortung verständliche Wirkung entfalten können: benssituation und Bildungserfolg haben demzu- der Frage nach der eigenen Haltung, der eigenen sind wir in Deutschland nach folge ca. ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen Einstellung und des verinnerlichten Menschenbil- wie vor weit entfernt. erhebliche Nachteile im Hinblick auf Bildungschan- cen und qualifizierende Schulabschlüsse. Von einer des verkörpert die Basis und den zentralen Zugang zu einer inklusiven Praxis. >> „Das Anderssein des anderen Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit sind „Inklusion ist kein einmal errungener und immer als Bereicherung des eigenen und marginalisierter Menschen nehmen, für deren wir in Deutschland also nach wie vor weit entfernt bestehen bleibender Zustand“, sondern ein stetiger Partizipation in allen Lebensbereichen plädieren (Schuppener, Bernhardt, Hauser & Poppe 2014). Ins- Reflexionsanspruch und Reflexionsprozess. Es gilt, Seins zu begreifen; sich und auf strukturelle Veränderungen der regulären besondere Familien in marginalisierten Lebensla- die Willkommensstrukturen bei sich selbst, bei den Institutionen zielen, um der Verschiedenheit der gen erfahren zu wenig individuelle Unterstützung Angeboten, die man macht, und bei der Einrichtung, verstehen, sich verständigen, Voraussetzungen und Bedürfnisse aller Nutzer/in- durch das System Schule und durch außerschulische in der man arbeitet (z. B. Schule), ständig neu zu ana- nen gerecht zu werden“ (Biewer 2010, 193). Strukturen, um dem Anspruch auf Chancengerech- lysieren und zu verändern. „JEDER ist willkommen“ miteinander vertraut werden, Der aktuelle Bildungsbericht von 2012 weist tigkeit im Bereich von Bildung (vgl. Chancenspiegel bedeutet, dass ich mich als Gegenüber bzw. mit mei- noch mal deutlich auf die Problematik hin, dass 2012) Rechnung zu tragen. Daher sollten sich alle ner Angebots- und Einrichtungsstruktur auf jeden darin liegt die Zukunft der trotz steigender schulischer Integrationsquoten schulischen und außerschulischen Einrichtungen, einstelle, der kommt. Und es bedeutet auch, zu hin- „in den meisten Ländern keine Verringerung des Vereine, Träger etc. fragen, wie sie Strukturen eines terfragen, wen ich mit meinen Angebotsstrukturen Menschheit.“ Lothar Arabin Förderschulbesuchs“ (7) stattgefunden hat. Auch humanen, entwicklungs- und leistungsförderlichen bisher (noch) nicht erreiche und warum das so ist: Wo der Anteil an Schulanfängerinnen und Schulanfän- Umgangs mit Diversity (vgl. Prengel 2012) (weiter) gibt es Informations- und Kommunikationsbarrie- ger, die direkt in einer Sonder-/Förderschule einge- entwickeln und etablieren können. ren? Für wen ist der Zugang nicht oder nur erschwert schult werden, wird als weiterhin hoch identifiziert. Die folgenden Aspekte können hierbei eine Art möglich? Wie kann ich es schaffen, eine gleichbe- l i t e r a t u r 29% aller Kinder wachsen in einem bildungsfernen „Anker- und Prüffunktion“ haben: „Inklusion beginnt rechtigte Teilhabe- und Teilnahmechance für ALLE zu DIPF (2012): Deutscher Bildungsbericht. Online unter: www.bildungsbericht.de. Elternhaus, einer finanziellen oder einer sozialen im Kopf“. Es geht beim Thema Inklusion zunächst gewährleisten? Wie können alle Kinder, Jugendlichen Bertelsmann Stiftung, Institut für Schulentwicklungsfor- und Erwachsenen dort lernen, wo alle lernen? schung (Hrsg.) (2012): Chancenspiegel. Zu Chancengerech- tigkeit und Leistungsfähigkeit der deutschen Schulsys- „Inklusion ist ein Menschenrecht“. Dieses Men- teme. Verlag Bertelsmann Stiftung, 2. Auflage. schenrecht gilt es besonders dort einzufordern, wo Biewer, G. (2010): Grundlagen der Heilpädagogik und es noch verletzt wird. Eine „Pädagogik der Vielfalt“ Inklusiven Pädagogik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, UTB, 2. Auflage. (Prengel 2006) sollte daher auch immer besonders Feuser, G. (1998): Gemeinsames Lernen am gemeinsamen die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen im Blick Gegenstand. In: A. Hildeschmidt & I. Schnell (Hrsg.): Inte- grationspädagogik. Auf dem Weg zu einer Schule für alle. haben, deren (Bildungs)Rechte aktuell noch unein- Weinheim: Juventa, 19–36. gelöst oder nicht vollständig eingelöst sind. Prengel, A. (2006): Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit Wir sollten Differenzerfahrungen wertschätzen und Gleichberechtigung in interkultureller, feministischer und integrativer Pädagogik. Wiesbaden: VS Verlag für und Ausgrenzungserfahrungen strukturell durch Sozialwissenschaften, 3. Auflage. eine „Differenzfreundliche Pädagogik“ aktiv ent- Prengel, A. (2012): Humane entwicklungs- und leistungs- gegenwirken. Wir sollten eine Willkommenskultur förderliche Strukturen im inklusiven Unterricht. In: V. Moser (Hrsg.): Die inklusive Schule. Standards für die leben, die durch eine Atmosphäre von gegenseiti- Umsetzung. Stuttgart: Kohlhammer, 175–183. gem Vertrauen, Anerkennung und Wertschätzung Schuppener, S., Bernhardt, N., Hauser, M. & Poppe, F. (Hrsg.) (2014): Inklusion und Chancengleichheit. Diversity im Spie- geprägt ist. gel von Bildung und Didaktik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Inklusion darf kein leerer Signifikant sein. Er Seitz, S. (2004): Forschungslücke inklusive Fachdidaktik – darf nicht zu einem falsch verwendeten oder gar ein Problemaufriss. In: Sander, A. & Schnell, I. (Hrsg.): Inklusi- ve Pädagogik. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 215–231. missbrauchten Begriff werden. Er sollte sich als UN-Behindertenrechtskonvention. Übereinkommen über Anspruch und gesellschaftliches sowie politisches die Rechte von Menschen mit Behinderungen. 6 InterAktiv 01|14 InterAktiv 1|13 7
hintergrund hintergrund Inklusion mit Medien Inklusion … Inklusiv zu arbeiten heißt, Verantwortung auf vie- NIMM! – Über das Projekt Als NRW-weites Netzwerk Inklusion mit Medien Ein Gewinn für alle len Schultern zu verteilen. Ganz wichtig für eine erfolgreiche Projektumsetzung ist die Ergänzung der eigenen Kompetenzen durch Dritte und ge- (NIMM!) verstetigen die Projektpartner, die LAG Lo kale Medienarbeit NRW e. V. und die Technische Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg) Aktuelles 2 Projekt Thomas Tekster der LAG Lokale Medienarbeit NRW e. V. und der nügend (Fach-)Personal. Denn niemand kann von gGmbH, ihr langjähriges Engagement rund um das Anfang an alles leisten. Inklusiv zu arbeiten heißt Thema Inklusive Medienarbeit. Ziel des Projekts ist, tjfbg gGmbH rund um Inklusive Medienpädagogik in NRW! immer, Ausgrenzungserfahrungen zu vermeiden diejenigen, die inklusive Medienprojekte umsetzen und Wahlmöglichkeiten für alle zu ermöglichen. Es (wollen), noch besser zu vernetzen und zu qualifi- D er 3. Fachtag zur Inklusiven Medienarbeit auszuprobieren und von einer Defizitperspektive gilt, voneinander zu lernen. So kann aus Verschie- zieren mit dem Ziel, Inklusive Medienarbeit in NRW ist für alle Beteiligten mit vielen neuen abzurücken sowie die Fähigkeit, unterschiedliche denheit Gewinn für alle gezogen werden. Inklusion voranzubringen und zu etablieren. Eindrücken und Anregungen erfolgreich Begabungen und Stärken zu erkennen und in die je- ist deshalb kein Zugeständnis an vermeintlich be- zu Ende gegangen. Zurück bleibt die Erkenntnis, weiligen Projektkontexte einzubinden. Dazu ist ein nachteiligte soziale Gruppen, sondern ein Gewinn dass Inklusion ein Lern- und Erkenntnisprozess ist, kontinuierlicher Austausch über Schwierigkeiten für die ganze Gesellschaft. Qualifizieren der alle betrifft. Dazu gehört die ständige Bereit- und Lösungswege (anderer) notwendig, um dem Ge- schaft, über die eigene Arbeit nachzudenken, Neues fühl der Überforderung vorzubeugen. Im Sinne der Nachhaltigkeit startete im Mai 2013 die … mit Medien 2. Weiterbildung zur Inklusiven Medienpädagogik, die mit einer Präsentation der Praxisprojekte im Rahmen Medienprojekte eignen sich hervorragend für inklu- der Abschlussveranstaltung von NIMM! im März 2014 sive Gruppen, weil (fast) alle Kinder und Jugendli- in Düsseldorf erfolgreich zu Ende ging. Als wichtige chen mit Medien Spaß und gemeinsame Interessen Ansprechpartner in der Region wurden darüber hin- verbinden. Es geht nicht um therapeutischen Nut- aus vier regionale Kompetenzzentren für Inklusion zen oder Leistungsdruck, sondern darum, sich einer mit Medien in Köln (ComputerProjekt Köln e.V.), Bonn Aufgabe motiviert zuzuwenden. Medienprojekte (barrierefrei kommunizieren!), Münster (Bürgerhaus bieten vielfältige Zugänge und Möglichkeiten, sich Bennohaus) und Remscheid (Die Welle gGmbH) ge- einzubringen, sodass es für jeden entsprechend sei- gründet. Zusammen mit den Inklusions-Scouts ver- ner Neigungen und Fähigkeiten garantiert eine Auf- breiten sie die Ideen der Inklusiven Medienarbeit in gabe gibt. Wer Schreibschwierigkeiten hat, macht NRW. Die Auftaktworkshops in den Kompetenzzentren Audioaufnahmen, wer keine Interviews führen will, zeigen, wie Inklusive Medienarbeit gelingen kann, ma- fotografiert, führt Regie oder kümmert sich um die chen aber auch deutlich, dass es aufgrund der Vielzahl Beleuchtung. Eine kinderleicht zu bedienende Tech- unterschiedlicher Zielgruppen mitunter schwierig ist, nik (z. B. Tablets, Easy-Speak-Mikrofone etc.) macht einen gemeinsamen Nenner zu finden. Hier hilft der es möglich, dass wirklich jeder dabei sein kann. kollegiale Austausch, um Lösungen zu finden. Überdies ergab eine Studie der Aktion Mensch aus dem Jahr 2011, dass Menschen mit Behinderung das Internet überdurchschnittlich häufig und intensiv Vernetzen nutzen und im Vergleich zur Gesamtbevölkerung internetaffiner sind. Inklusive Medienprojekte kom- Um das Netzwerk weiter mit Leben zu füllen, in- men da wie gerufen. formiert die Website inklusive-medienarbeit.de re- 8 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 9
hintergrund gelmäßig über Neuigkeiten rund um Inklusion mit … und auf Bundesebene Medien und gibt Gastautoren Gelegenheit, über ihre Arbeit zu berichten und Projekte bekannt zu machen. Der Stand der außerschulischen Inklusiven Medien- Mehr als 40 Autorinnen und Autoren haben davon arbeit ist in einzelnen Bundesländern unterschied- bereits Gebrauch gemacht. Dem mehr informellen lich weit vorangeschritten. In der Mehrzahl der Austausch dient die kürzlich gegründete Facebook- Bundesländer existieren nach einer bundesweiten gruppe Inklusive Medienarbeit, die mit Vertretern Recherche im Rahmen von NIMM! aktuell (Stand: von Bürgermedien, Landesmedienzentren, Landes- März 2014) weder gebündelte Vorhaben noch gibt medienanstalten, Wissenschaft sowie Trägern der es größere Medienprojekte, die einen explizit inklu- Kinder- und Jugendhilfe ein buntes Bild der Inklusi- siven Ansatz verfolgen. Häufig sind es die lokalen ven Medienarbeit auf Bundesebene widerspiegelt. Bürgermedien, die Inklusive Medienarbeit leisten und Projektideen vor Ort realisieren. Als Schwer- hinaus wurde in Thüringen die interministerielle Ar- die möglicherweise irgendwann auch in beruflichen punktthema ist Inklusion in jüngster Zeit öfter im beitsgruppe „Stärkung und Weiterentwicklung der Kontexten relevant werden können. Inklusive Medi- Inklusive Medienarbeit in NRW … Rahmen von Schulkinowochen (z. B. SchulKinoWo Vermittlung von Medienkompetenz in Thüringen“ enprojekte können neue Perspektiven eröffnen und che Rheinland-Pfalz 2013), Filmfestivals (z. B. Abge (IMAG) eingerichtet, die in ihre Überlegungen u. a. jungen Menschen Anstöße geben, an ihre im Frei- Auf inklusive-medienarbeit.de sind aktuell über 30 dreht – das Ahauser Filmfest 2013), Fachtagungen auch Fragen zur außerschulischen (inklusiven) Me- zeitbereich erlangte Selbstständigkeit anzuknüpfen Einrichtungen aus NRW dokumentiert, die im Be- (z. B. 10. IMedia oder Stuttgarter Kinderfilmtage dienbildung einbezieht und künftig die Projekt- und und Wege in die professionelle Medienarbeit zu fin- reich Inklusion mit Medien aktiv sind. Dass es nicht 2013) oder Preisverleihungen anzutreffen. In eini- Vernetzungsarbeit intensivieren will. den. Ermutigende Beispiele für diese berufliche Va- noch mehr sind, liegt daran, dass trotz intensiver Re- gen Bundesländern nehmen sich auch die Landes- riante einer Inklusiven Medienarbeit sind noch rar, cherche Projekte „unentdeckt“ geblieben sind, weil medienanstalten des Themas Inklusion an. aber es gibt sie. Beispielsweise das Hamburger Pro- sie entweder in Planung sind oder über keine Online- Beispiel Bremen jekt barner 16 (www.barner16.de). Als Betriebsstätte Präsenz verfügen. Träger dieser Projekte sind im We- der alsterarbeit gGmbH ist barner 16 ein inklusives sentlichen Vereine, gemeinnützige GmbHs, Einrich- Beispiel Thüringen Im Bundesland Bremen vernetzt beispielsweise die Netzwerk professioneller Kulturproduktionen von tungen der Wohlfahrt, Stiftungen oder Kommunen, (bre(ma, die Bremische Landesmedienanstalt, als rund 80 festen und freien Künstlern mit und ohne die in Kooperation mit lokalen Partnern Inklusive In Thüringen realisieren beispielsweise die Landes Koordinationsstelle für Medienkompetenzprojekte Handicaps, die dort sozialversicherungspflichtig be- Medienprojekte durchführen. Beispielhalt ist die medienanstalt (TLM) und die regionalen Bürger- im Land Bremen medienpädagogisch arbeitende Ein- schäftigt sind. Im Kontext unterschiedlicher Projek- langjährige Kooperation von barrierefrei kommuni medien bereits seit mehreren Jahren unterschied- richtungen miteinander und setzt durch eine regel- te entstehen dort Kurzfilme, Musikvideos, Trickfilm- zieren! in Bonn mit dem Bonner Kinder- und Jugend liche Projekte zur Inklusiven Medienpädagogik. Im mäßig stattfindende Medienkompetenzmesse Im- videos etc. Des Weiteren befindet sich in Sachsen der zentrum HiP, dessen Medienarbeit durch Technik, Rahmen des Thüringer Themenjahres 2013, „Ge- pulse – auch zum Thema Inklusion. Auf Projektebene Mediendienst KAMERA-INKLUSIV (www.kamera-in- Personal und Know-how unterstützt wird. meinsam leben. Miteinander lernen“, hat die TLM bietet die (bre(ma aktuell das Video-Projekt Go/NoGo klusiv.de) im Aufbau, eine inklusive Medienagentur, Auf kommunaler Ebene startete 2013 das Mo- gemeinsam mit den Thüringer Bürgermedien und zum Thema Scripted Reality an, das 2014 zwei Mal mit die künftig Redaktionen mit Texten, Fotos, Ton- und dellprojekt Inklusion in der Kinder- und Jugendför weiteren Kooperationspartnern unter dem Motto inklusiven Gruppen durchgeführt wird. Zurzeit über- Videomaterial beliefern will. Ziel ist es, Menschen derung 2013 – 2015, das vom Land NRW über den „BUNT – statt Schwarz-Weiß-Denken“ vielfältige prüft die (bre(ma alle ihre bestehenden medienpäda- mit Behinderung zu professionellen Mediendienst- Kinder- und Jugendförderplan finanziert und von Aktionen und Projekte zur Inklusiven Medienpäda- gogischen Angebote auf Barrierefreiheit, um künftig leistern zu qualifizieren, um langfristig das „Behin- den Landesjugendämtern Westfalen-Lippe und gogik in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, wie alle Projekte inklusiv durchführen zu können. dertenbild“ in der Öffentlichkeit zu beeinflussen Rheinland fachlich begleitet wird. Beteiligt sind beispielsweise eine inklusive Radiosendung beim und mitzubestimmen. Spannend ist auch das Kieler die Jugendämter der Städte Bonn, Dortmund, Gü- Wartburg-Radio oder eine inklusive Sendereihe im Projekt Inklusive Bildung (www.inklusive-bildung. tersloh, Köln, Siegen sowie Oberbergischer Kreis. In Geraer Bürgerfernsehen. Überdies vergibt die TLM Ausblick org), das Inklusion als Thema in der Bildungsarbeit Kooperation mit freien Trägern und Behinderten- im Rahmen der Preisverleihung Geschichten der verankern will und hierzu Menschen mit Behinde- verbänden entwickeln die Jugendämter gemeinsa- Vielfalt 2014 den Sonderpreis „Inklusion und Medi- Inklusion mit Medien bietet für junge Menschen rung für die Lehre an Fach- und Hochschulen qualifi- me Strategien zur Umsetzung einer inklusiven Ju- en“. Auch der Rundfunkpreis Mitteldeutschland lobt vielfältige Möglichkeiten, sich auszuprobieren und ziert – mit dem Ziel der Schaffung langfristiger und gendarbeit über konkrete Praxisprojekte. für 2014 einen Sonderpreis „Inklusion“ aus. Darüber im Umgang mit Medien Kompetenzen zu erlangen, sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze. 10 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 11
hintergrund hintergrund >> Man muss wirklich sehen, dass es ein Prozess ist, […]insofern ist es gut, wenn man sich austauscht und darüber spricht, was es für Probleme gibt. Die beiden Projektleiterinnen stellten anschließend [i:si] – Raum für Medien im Bürgerhaus Benno- Inhalte und Intentionen des Projekts NIMM! vor: die haus Münster und Inklusions-Scout für das Projekt Weiterbildung, die Workshops in den regionalen NIMM!. Kompetenzzentren für Inklusion mit Medien, das Prof. Schuppener, die im Gespräch die Perspekti- Treffen, Vernetzen Netzwerk der Inklusions-Scouts und nicht zuletzt die Plattform inklusive-medienarbeit.de sowie die Facebook-Gruppe Inklusive Medienarbeit. Christine ve der Wissenschaft vertrat, betonte, dass Inklusion grundsätzlich im Kopf beginne und die Vorausset- zung eine grundlegende Offenheit für alle sei, auch und Perspektiven Ketzer betonte noch einmal den Prozesscharakter der Umsetzung von mehr Inklusion: „Man muss für diejenigen mit komplexem Unterstützungsbe- darf. Auch sie betonte, dass Inklusion ein Prozess sei, schaffen wirklich sehen, dass es ein Prozess ist, […]insofern der immer wieder auch kritisch hinterfragt werden 2 Carola Werning ist es gut, wenn man sich austauscht und darüber müsse. Chancengleichheit, Chancengerechtigkeit spricht, was es für Probleme gibt. Es ist ein Prozess und gleichberechtigte Mitwirkungsmöglichkeiten und wir sind auf dem Weg, aber wahrscheinlich für alle seien die Essenz des Inklusionsprozesses. Rückblick auf den 3. Fachtag zur Inklusiven Medienarbeit wird dieser Prozess niemals beendet sein.“ Sie betonte auch den Perspektivwechsel, der mit Wie wichtig der Austausch unterschiedlicher der UN-Behindertenrechtskonvention für Men- Z um mittlerweile 3. Mal trafen sich die Netzwerk- Engagement der Absolventinnen und Absolventen Sichtweisen auf Inklusion ist, zeigte auch das nach- schen mit Behinderungserfahrungen einhergehe: mitglieder des Kooperationsprojekts NIMM! der Weiterbildung, die sich berufsbegleitend weiter- folgende Expertinnen-Gespräch zwischen Prof. Dr. Jetzt gehe es nicht mehr um die „Qual der Wahl“ und Praktikerinnen und Praktiker aus den gebildet und inklusive Medienprojekte geplant und Saskia Schuppener, Professorin für Geistigbehin- zwischen Angeboten, die offen sind für alle, und Bereichen Inklusion und Medien in der Jugendher- durchgeführt haben. Das Projekt NIMM! bezeichne- dertenpädagogik an der Universität Leipzig, Sandra speziellen „Sonder-Angeboten“, sondern die Pers- berge Düsseldorf, um die Abschlussprojekte der Ab- te sie als herausragendes Beispiel, um Wissen und Meinert vom Kompetenzzentrum Selbstbestimmt pektive müsse sein: Wie müssen Angebote und Ein- solventinnen und Absolventen der 2. Weiterbildung Erfahrungen rund um Inklusion mit Medien in die Leben Rheinland und Maria Frahling, pädagogische richtungen gestaltet sein, dass sie auch wirklich für Inklusive Medienpädagogik zu würdigen, sich über Breite zu geben. Vor allem den Vernetzungscharak- Co-Leiterin im medienpädagogischen Fachbereich alle zugänglich sind? bundesweite inklusive Medienprojekte zu informie- ter des Projekts, z. B. durch die vier Kompetenzzen- ren und über ihre Arbeit auszutauschen. So vielfäl- tren für Inklusive Medienarbeit und das Netzwerk tig wie die Themen, so vielfältig das Publikum – und der Inklusions-Scouts, nannte sie einen hervorra- so war ein interessantes Programm für die über 100 genden Ansatz, das Thema Inklusion mit Medien Teilnehmenden des 3. Fachtags garantiert. nachhaltig in der Breite zu verankern. Frau Anke Mützenich vom Ministerium für Fa- Gemeinsam mit Dr. Christine Ketzer, Geschäfts- milie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes führerin der LAG Lokale Medienarbeit NRW e. V., NRW eröffnete mit einem Grußwort die Veranstal- und Susanne Böhmig, Leiterin von barrierefrei kom- tung. Sie lobte die Potenziale von Medienprojekten, munizieren!/tjfbg gGmbH, den beiden Leiterinnen die gemeinsame Aktionen zwischen Heranwach- des Kooperationsprojekts NIMM! überreichte Frau senden mit unterschiedlichen Voraussetzungen Mützenich im Anschluss unter großem Applaus die fördern und damit auch einen Beitrag zum Voran- Abschlusszertifikate an die Absolventinnen und Ab- bringen von Inklusion im gesamten Bildungssystem solventen der Weiterbildung Inklusive Medienpäda leisten. Sie würdigte in ihrer Ansprache das große gogik. 12 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 13
hintergrund hintergrund >> Wie können Ausgrenzungserfahrungen vermieden werden Visitenkarten zu verteilen und im besten Falle Ko- und wie können wir Verschiedenheit annehmen und frucht- operationspartner für neue Projekte zu finden. Die neu geknüpften Kontakte konnten anschließend bar werden lassen? Wie können wir eine Willkommenskultur bei der Mittagspause Plus vertieft werden. Das Plus stand hierbei für die Präsentation der entwickeln, die auf Vertrauen und Anerkennung basiert, Praxisprojekte der Weiterbildungsabsolventinnen und -absolventen. An den elf kreativ dekorierten gegenüber uns selbst und gegenüber allen Teilnehmenden? Projektständen konnte sich das Publikum einen überzeugenden Eindruck von der Vielfalt der Ab- chen, Medientage, inklusive Ferienbetreuung, Foto- schlussprojekte verschaffen und mit den Absolven- workshops, Theater- und Tanzworkshops und Com- tinnen und Absolventen ins Gespräch kommen. „Wie können Ausgrenzungserfahrungen vermie Betroffenheit waren die Schlagworte ihrer Rede: puter- und Internetkurse. Im letzten Jahr wurden Der Nachmittag stand dann ganz im Zeichen den werden und wie können wir Verschiedenheit Das Prinzip des Peer-Counseling, Menschen mit Be- über 700 Heranwachsende erreicht. Inklusion be- der Praxisforen. Eingeladen waren interessante Ak- annehmen und fruchtbar werden lassen? Wie kön- hinderung beraten Menschen mit Behinderung, ist inhalte neben der sozialen durchaus auch die me- teure und Projekte aus ganz Deutschland, sich und nen wir eine Willkommenskultur entwickeln, die leitend für die Arbeit des Kompetenzzentrums bzw. diale Teilhabe, damit gehen Lernprozesse für alle ihre Inklusive Medienarbeit vorzustellen. auf Vertrauen und Anerkennung basiert, gegenüber der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung überhaupt. einher: die Auseinandersetzung mit den eigenen Welche Möglichkeiten haben Einrichtungen der uns selbst und gegenüber allen Teilnehmenden?“, „Wir möchten als selbst betroffene Experten als Unsicherheiten und die Bereitschaft, sich auf Neu- Offenen Jugendarbeit, inklusiv zu arbeiten? So die so die zentralen Fragen von Prof. Schuppener. Vorbild zur Seite stehen und zeigen, man kann auch es einzulassen. Ganz wichtig sei die Ergänzung der Leitfrage von Praxisforum I. Medienprojekte und An zwei Beispielen, dem integrativen Kunstfestival in einer schwierigen Lebenssituation Lösungen eigenen Kompetenzen durch Dritte, niemand kön- Medienarbeit sind eine Möglichkeit, exemplarisch Ohne Wenn und Aber sowie dem Kulturführer Ein- finden… Öffentlichkeitsarbeit ist ein weiterer wich- ne von Anfang an alles leisten. Medienarbeit sei dafür ist die Kooperation von barrierefrei kommu- fach Leipzig, zeigte sie Beispiele, wie die Uni Leipzig tiger Punkt: Wir versuchen, das Bild behinderter ideal geeignet, Heranwachsende mit den verschie- nizieren! (Bonn) mit dem HiP, einem Jugendzentrum diesem Ziel einen Schritt näher kommen will. Inte- Menschen in der Öffentlichkeit zu verändern, auf densten Voraussetzungen mitzunehmen, da in des Trägers Kleiner Muck e. V. im Bonner Stadtteil ressant auch der Verweis auf das Trinity College in Stärken hinzuweisen […]. Dadurch, dass wir selbst in Medienprojekten so viele verschiedene Aufgaben Neu-Villich. barrierefrei kommunizieren! unter- Dublin: Hier gibt es auch für Menschen ohne Abitur der Öffentlichkeit auftreten, ergibt sich ein anderes anfielen – vom Storyboard schreiben bis zum Ku- stützt seit Längerem durch Technik, Personal und die Möglichkeit zu studieren – eine Perspektive, die Bild von behinderten Menschen.“ lissenbau –, dass garantiert für jeden etwas dabei Know-how die Medienarbeit des HiP und trägt auf momentan für Deutschland noch weit entfernt zu Auch Sandra Meinert betonte die Bedeutung sei. Das fertige Medienprodukt stünde dabei nur diesem Weg dazu bei, das inklusive Profil der Ein- sein scheint. der UN-Konvention, gleichzeitig mahnte sie an, wie auf den ersten Blick im Vordergrund: „Wenn ich ein richtung zu schärfen. Eine andere Strategie ist, den Frau Meinert vom Kompetenzzentrum Selbst- viel noch passieren müsse: Auch nach 5 Jahren UN- Medienprojekt erstelle, brauche ich Teamarbeit, ich jugendlichen Besucherinnen und Besuchern einer bestimmt Leben Rheinland stellte die Aufgaben Konvention sei der Inklusionsprozess noch ganz am brauche Kommunikationsfähigkeit und die Fähig- Einrichtung selbst viel Verantwortung zu übertra- des Kompetenzzentrums vor, in dessen Fokus die Anfang, immer noch fänden zu häufig Standortbe- keit, in einer großen Gruppe zusammenzuarbeiten. gen, auch denjenigen mit einer Behinderung. Ein- Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention stimmungen statt oder würde der Begriff einfach Das ist ein Training von sozialen Kompetenzen, das drucksvoll demonstrierte diesen Weg Anne Skribbe, durch Beratung, Interessenvertretung und Öffent- synonym, aber entgegen der eigentlichen Bedeu- total wichtig ist. Das Beste zum Schluss: Wir arbei- Leiterin des Café Leichtsinn aus Bergisch-Gladbach, lichkeitsarbeit steht. Unabhängigkeit, Parteilich- tung für Integration benutzt. Modellprojekte wie ten beim Film mit einem Medium, wo Jugendliche keit, Ganzheitlichkeit, Emanzipation und eigene NIMM! und die Ausbildung und die Erweiterung des unglaublich motiviert sind, das ist deren Ding. […] Netzwerks der Inklusions-Scouts seien enorm wich- Auf der anderen Seite ist das kreative Arbeiten auch ! Weitere Infos zum Projekt Netzwerk Inklusion tig, um nächste Schritte in der Praxis zu gehen. losgelöst von Noten und Leistungsdruck, das birgt mit Medien (NIMM!), zur Weiterbildung Inklusi- Maria Frahling stellte ihre Sicht auf Inklusion als eine ganz andere Qualität.“ ve Medienpädagogik, zu den Kompetenzzent- Medienpraktikerin dar: Das Bennohaus in Münster Im Anschluss daran fand das allseits beliebte ren für Inklusive Medienarbeit, den Inklusions- hat in diesem Bereich bereits seit 2007 Erfahrung Speed-Dating statt: Hier hatte das Fachtagspubli- Scouts und viele weitere Infos mehr finden Sie und führt jedes Jahr eine beeindruckende Bandbrei- kum Gelegenheit, mit den anderen Fachtagsteilneh- auf www.inklusive-medienarbeit.de. te an inklusiven (Medien-)Projekten durch, z. B. Film menden ins Gespräch zu kommen, sich über die In- und Fernseh-AGs, medienpädagogische Projektwo teressen und Arbeitsschwerpunkte auszutauschen, 14 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 15
projekte projekte Inklusion 2 Lena Bökenhans in der Kinder- und Jugendförderung: Stadt Gütersloh nimmt am Modellprojekt des Landes NRW teil J eder Mensch hat das Recht auf Inklusion, also darauf, Inklusion ist ein lebendiger Prozess ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. in dem auch inklusive Medienprojekte zunehmend Sehbehinderung ging. Zumeist müssen die Akteure Dies zu realisieren, hat sich auch die Stadt Gütersloh Das Übereinkommen der Behindertenrechtskon- eine wichtige Rolle spielen. kaum vom Wert der Filmarbeit überzeugt werden, zum Ziel gesetzt und startet mit dem Fachbereich Jugend vention aus dem Jahr 2006 verlangt, dass alle Men- In Praxisforum II diskutierten Blickwechsel e. V., wichtig ist jedoch in jedem Fall genug (Fach-)Perso- und Bildung eine Weiterentwicklung auf diesem Gebiet. schen gleich behandelt werden und die gleichen Medienblitz e. V. und Die Welle gGmbH, wie inklusi- nal, um die Projekte erfolgreich umzusetzen. Als eine von sechs Kommunen nimmt sie in den kom- Rechte haben: „Jeder Mensch erhält die Möglich- ve Medienprojekte produktiv im Offenen Ganztag Praxisforum IV mit den Diskutanten Daniel Heinz menden zwei Jahren an dem Modellprojekt Inklusion in keit, sich vollständig und gleichberechtigt an allen eingesetzt werden können, um inklusive Prozesse von Spieleratgeber NRW e. V., Dirk Poerschke vom LVR der Kinder- und Jugendförderung des Landes Nordrhein- gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen – und zu fördern. Wie können Kooperationen mit dem Ak- Zentrum für Medien und Bildung und Annette Bauch, Westfalen teil. Nachdem in der Vergangenheit der Blick der zwar von Anfang an und unabhängig von individu- teur „Schule“ gelingen? Die Praxisforisten brachten Entwicklerin einer Autismus-App, war deutlich kon- Inklusionsarbeit fast ausschließlich auf das Setting Schule ellen Fähigkeiten, ethnischer wie sozialer Herkunft, es auf die Formel „Engagement plus Marketing plus troverser angelegt, weil, wie Moderatorin Susanne gerichtet wurde, rückt nun die Jugendarbeit verstärkt in Geschlecht oder Alter“ (vgl. § 13 SGB VIII „Jugendso- die Königin einer Schule überzeugen, dass Medien- Böhmig anmerkte, „Computerspiele und soziale Netz- den Fokus. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Arbeit in zialarbeit“). Dabei stehen die Interessen und Bedürf- arbeit etwas Tolles ist.“ werke immer zwei Seiten haben, die man nicht beide Praxisprojekten, mit denen versucht wird, neue Ansätze nisse von Menschen mit Behinderungen besonders In Praxisforum III ging es ganz konkret um das vorbehaltlos lieben kann“. Wichtig sei in jedem Fall, zu entwickeln und diese zu erproben. Der Prozess wird be- im Fokus, um ihnen die gleichen Chancen zu ermög- Medium Film. Welche Möglichkeiten bietet film- unabhängig von einem bestimmten „Mode-Netzwerk“, gleitet durch Qualifikationsmaßnahmen, Reflexionen und lichen. „Inklusion kann überall anfangen, hört aber basierte Medienarbeit, Heranwachsende mit den die Grundlagen zu vermitteln: Was mache ich mit den Evaluationen. nie auf“ (vgl. Montag Stiftung 2012, S. 19). Sie ist ein unterschiedlichsten Voraussetzungen und Ein- Daten, wie gebe ich Informationen weiter, wie gehe schränkungen anzusprechen? Maria Frahling vom ich mit der Kommunikation im Netz um? Außerdem sei Bennohaus präsentierte ein Filmprojekt mit hörbe- wichtig, die Vorlieben der Heranwachsenden für Com- hinderten Heranwachsenden, in dem viel Wert auf puterspiele und soziale Netzwerke nicht zu negieren, die Herausbildung einer starken Körpersprache, un- sondern aufzugreifen und kreativ anzuverwandeln: terstützt durch theaterpädagogische Übungen, ge- Warum nicht aus Computerspielen Live-Rollenspiele legt wurde. Claudia Ziegenfuß und Christian Coes- machen und damit quasi Theater spielen? feld vom doxs!-Projekt Wir zeigen es allen! stellten ebenfalls zwei spannende Filmprojekte vor. Einmal Filmarbeit mit Dokumentarfilmen in verschiedenen Schulen mit den Förderschwerpunkten Lernen und ! Eine Übersicht über die Praxisprojekte der Absol- ventinnen und Absolventen der Weiterbildung Inklusive Medienpädagogik finden Sie auf der Geistige Entwicklung, und zum anderen ein Film- Projektwebseite www.inklusive-medienarbeit. projekt, bei dem es um die Erstellung von Audiode- de unter „Weiterbildung“. skriptionen mit Heranwachsenden mit und ohne 16 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 17
projekte projekte lebendiger Prozess, aber auch eine persönliche Ein- dabei ist die Einrichtung einer barrierearmen On- stellung/Haltung, die sich in unserem Denken und line-Anmeldung. Durch die Anmeldung via Inter- Handeln widerspiegelt. net ist es derzeit nicht allen Güterslohern möglich, Das Projekt Inklusion in der Kinder- und Jugend an den Angeboten teilzunehmen, sei es aufgrund förderung in der Stadt Gütersloh besteht aus den eines nicht vorhandenen Computers oder durch Bausteinen Sensibilisierung, Bestandsaufnahme, fehlende unterstützende Maßnahmen wie speziel- Praxisprojekten und Evaluation. Angesprochen wer- le Programmierregeln für ein barrierefreies HTML. den sollen damit Jugendliche mit – aber ebenso auch Ein weiteres Teilziel ist die Schulung der Mitarbei- ohne – Beeinträchtigungen, Fachkräfte in der Kinder- terinnen und Mitarbeiter der Angebote, sodass die und Jugendförderung sowie Träger der Jugendhilfe. Teilnahme von mehr Jugendlichen und Kindern mit Einschränkungen erreicht wird. rungsdruck zu verringern. In der dritten Dimension und anschließend ausgewertet werden. Die Ergeb- Bei dem Projekt Rap ‘n‘ Jam setzen sich Jugend- Baustein: Sensibilisierung steht die Gestaltung von Praktiken im Vordergrund, nisse sollen dann als Handlungsempfehlungen in liche mit und ohne Beeinträchtigungen in einem die die inklusiven Strukturen und Kulturen wider- den „Kommunalen Kinder- und Jugendförderplan der Jugendtreff mit dem Thema Hip-Hop auseinander. Im ersten Baustein werden verschiedene Sensibili- spiegeln (vgl. Boban, Ines/Hinz, Andreas 2003 und Stadt Gütersloh 2016 – 2020“ eingehen, um die Inklusi- Bei der Erstellung von Texten und Musik werden sie sierungs- und Qualifizierungsmaßnahmen durchge- Montag Stiftung 2012). on auch nachhaltig in den Standards zu verankern. gecoacht, sodass eigene Lieder geschrieben und im führt. Als Erstes fand im November des vergangenen Gestartet wurde bei den ersten Fortbildungsta- eigenen Tonstudio aufgenommen werden können. Jahres eine Auftaktveranstaltung für die Fachkräfte gen auf der sogenannten „Ich-Ebene“ (Person/Indi- Parallel dazu entsteht ein Musikvideo. Ziel ist es, ein der Jugendförderung und deren kooperierenden viduum), auf der es um die eigenen Einstellungen, Baustein: Praxisprojekte Gefühl des Miteinanders zu entwickeln und weiter Bereichen statt. In verschiedenen Fachvorträgen persönliche mentale Modelle und Sichtweisen auf zu fördern sowie Toleranz gegenüber anderen Al- wurden zahlreiche Grundinformationen über das die Welt sowie Annahmen, Urteile und Vorurteile Im dritten Baustein werden zwölf Praxisprojekte tersklassen, Kulturen und natürlich Menschen mit Thema Inklusion vermittelt. geht, also um die Bereitschaft zur Entwicklung ei- durchgeführt. Die Projekte werden entweder in Behinderung. Zudem steht die Begegnung junger Der andere Bereich des Bausteins richtet sich ner inklusiven Haltung. Im Weiteren folgen dann die städtischen Einrichtungen durchgeführt, von freien Menschen mit und ohne Behinderung in dem Jugend- speziell an die Personen, die die Praxisprojekte Ebenen „Sozialraum/Nachbarschaft“ („Ich mit dir“), Trägern oder liegen im Bereich der Behindertenhilfe. zentrum im Fokus des Projekts. Gewünscht ist selbst- durchführen. Sie bilden über den ganzen Projekt- „Einrichtung/Organisation/Initiative“, „Vernetzung“ Dies sind zum Beispiel eine inklusive Streetsoccer- verständlich, dass die Menschen mit Beeinträchti- zeitraum eine Arbeitsgruppe, die den gesamten Im- und die „kommunale/politische Ebene“. Dabei ist be- Liga, ein inklusiver Jugendtreff, Angebote im Sport- gungen, welche an dem Projekt teilnehmen und in plementierungsprozess begleitet und mitgestaltet. sonders zu beachten, dass die Basis der inklusiven und Hobbybereich oder auch eine Theatergruppe, dessen Rahmen die Angebote des Jugendzentrums Außerdem werden sie durch spezifische Schulun- Gestaltung die Tragfähigkeit der ersten Ebene ist: in der beeinträchtigte und nicht beeinträchtigte kennenlernen, dieses auch im Anschluss besuchen. gen unterstützt, deren Aufbau sich an der Systema- die Klarheit über die eigenen Handlungsmotive, die Menschen zusammen auf der Bühne stehen. In ei- Gestärkt mit dem neuen Wissen und vielen Er- tik des „Index für Inklusion“ und des „Kommunalen Werte und Haltungen (vgl. Montag Stiftung 2012). ner projektbegleitendenden Arbeitsgruppe werden fahrungen gehen die Mitarbeiter in den Projekten Index für Inklusion“ orientiert. Dabei wird auf drei die Projekte reflektiert und Standards von Inklusi- in die Praxis, denn vieles lässt sich nicht nur aus Dimensionen des Index eingegangen: „Inklusive on in der Kinder- und Jugendförderung erarbeitet, Büchern lernen, wenn die Realität mit plötzlich auf- Kulturen schaffen“, „Inklusive Strukturen etablie- Baustein: Bestandsanalyse sodass die Mitglieder für die Thematik sensibilisiert tretenden Ereignissen eine ganz andere ist. Und so ren“ und „Inklusive Praktiken entwickeln“. Die erste und qualifiziert werden. stehen weiterhin viele Aufgaben bevor, denn Inklu- Dimension zielt darauf ab, eine gut zusammenarbei- Der zweite Baustein ist eine Bestandsanalyse, in der Ein Beispiel ist das Projekt Ferienspiele – inklu sion lässt sich nicht einfach abschließen, sondern tende Gemeinschaft zu schaffen, in der jedes Mit- zahlreiche vorhandene Einrichtungen und Angebote siv. Die Ferienspiele bieten jährlich rund 5000 Kin- ist ein immer weiter laufender Prozess. glied respektiert und geschätzt wird. Dafür sollen der Kinder- und Jugendförderung untersucht werden. dern und Jugendlichen vielfältige Möglichkeiten q u e l l e n gemeinsame inklusive Werte entwickelt und weiter So soll beispielsweise erschlossen werden, welche der aktiven Freizeitbeschäftigung in den Oster- und vermittelt werden. Die Dimension „Inklusive Struk- Kinder mit Behinderungen die Angebote nutzen oder Sommerferien. Das Angebot soll nun vermehrt dem z § 13 SGB VIII „Jugendsozialarbeit“ turen etablieren“ soll absichern, dass Inklusion alle warum einige nicht erreicht werden. Dafür wurde ein Bedarf von Menschen mit Beeinträchtigungen ge- z Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft: Inklusion vor Ort, der kommunale Index für Inklusion – ein Praxishandbuch Strukturen durchdringt, um dadurch die Teilhabe Fragenkatalog entwickelt, mit dem leitfadengestützte recht werden, dabei wird sowohl an den Strukturen z Boban, Ines/Hinz, Andreas (Hrsg.) (2003): Index für Inklusion. aller zu ermöglichen und Tendenzen zu Aussonde- Interviews geführt werden, deren Daten protokolliert als auch an den Angeboten gearbeitet. Ein Teilziel Lernen und Teilhabe in der Schule der Vielfalt entwickeln 18 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 19
projekte projekte vibelle.de Informations- H örbehinderte Menschen unterliegen einer vibelle.de (Visuelles zu Beruf, Leben und Lernen). Vi besonderen Bildungserwerbssituation. Infol belle ist das deutsche Internetportal für berufsrele- und eLearning-Portal ge der Hörschädigung ist Gehörlosen und hochgradig Schwerhörigen, die in ihrer Kommunika tion ganz oder teilweise auf den Gebrauch von vantes Wissen und eLearning in Gebärdensprache. In einem früheren Projekt, dem Aachener Test verfahren zur Berufseignung von Gehörlosen (ATBG), für Gehörlose 2 Dr. Florian Kramer Gebärdensprache angewiesen sind, nicht nur die Wahrnehmung von Lautsprache verwehrt, sondern auch der Schriftspracherwerb unterscheidet sich haben wir psychologische Testverfahren in Ge- bärdensprache entwickelt. Mit dem ATBG konnten über 1.000 Gehörlose und Schwerhörige barrierefrei Neue Medien bieten neue Bildungschancen für gehörlose grundsätzlich von dem Hörender. Der Erwerb von erfahren, für welche berufliche Branche sie beson- Schriftsprache ist bei Gehörlosen am ehesten mit ders geeignet sind. Dabei haben wir unter anderem und hochgradig schwerhörige Menschen dem Erwerb einer Zweitsprache zu vergleichen (Lou- herausgefunden, dass Gehörlose und Schwerhörige is Nouvertné 2001). Somit verfügen Gehörlose und zwar im Durchschnitt über eine vergleichbare intel- hochgradig Schwerhörige im Vergleich zu nicht hör- lektuelle Leistungsfähigkeit gegenüber Hörenden behinderten Menschen über eine im Mittel niedrigere verfügen, bei gelerntem Wissen aber häufig hinter Schriftsprachkompetenz. Das bedeutet, dass sie von ihren Möglichkeiten zurückbleiben (Kramer 2003). lautsprachlichen (Radio, Fernsehen, Schulunterricht, Das hat sicher viele Ursachen, eines aber ist sicher: Lern-DVDs) und schriftsprachlichen Informations- und Gehörlose und Schwerhörige haben kaum die Mög- Bildungsangeboten (Lehrbücher, Zeitung, Internet) lichkeit, Informationen oder Lernmaterialien in ihrer nicht in gleicher Weise profitieren können, wie das Sprache, der Gebärdensprache, zu nutzen. Es gibt hörenden Menschen möglich ist. Inklusive Bildungs- bis heute einfach viel zu wenig Lern- und Informa arbeit muss dies berücksichtigen und barrierefreie tionsangebote in Gebärdensprache. So kamen wir Bildungsangebote für diese Zielgruppe anbieten. auf die Idee, ein Internetportal zu entwickeln, das Informationen und Lernangebote durchgängig in Gebärdensprache und Schrifsprache (Untertitel oder Barrierefreie Anwendungen Begleittext) anbietet. für Neue Medien Im SignGes, dem Kompetenzzentrum für Gebär Barrierefreie Informationen densprache und Gestik an der RWTH Aachen, wer- für gehörlose und schwerhörige den von einem interdisziplinären Team, das sich User paritätisch aus gehörlosen und hörenden Wissen- In Vibelle-Info, einem der zwei großen Bereiche des schaftlern zusammensetzt, neben der Lehre der Portals, liegt der Schwerpunkt auf der barrierefrei- Deutschen Gebärdensprache für Studenten und en Vermittlung von Wissen über die „Arbeitswelt“. der Erarbeitung von Grundlagenforschung zur Ge- Hier kann der gehörlose und schwerhörige User bärdensprache auch barrierefreie Anwendungen sich über Berufe, Verträge, Rechte und Pflichten Neuer Medien entwickelt. Diese Anwendungen för- im Arbeitsleben oder aber über Aus- und Weiterbil- dern den Bildungsprozess Gehörloser und hochgra- dung und vieles mehr informieren. dig Schwerhöriger und leisten so einen Beitrag zur Im Bereich Vibelle-eLearning können Gehörlo- inklusiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben se und Schwerhörige für den Beruf wichtige Fer- (mehr Informationen unter www.gebaerdenspra- tigkeiten wie Deutsch, Mathematik, Englisch oder che.de). Eine solche Anwendung ist das gebärden- BWL auffrischen. Ein Kurs zum Themenkomplex sprach-basierte Lern- und Informationsportal www. „Mensch & Gesellschaft“ ergänzt dieses Angebot 20 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 21
projekte projekte Das beliebteste Format auf Vibelle ist unsere Web- TV-Sendung VibelleTV. Bisher haben wir über 100 Sendungen mit einer Dauer von 10 bis maximal 20 Lieblingsorte Minuten veröffentlicht. In VibelleTV berichten wir von Veranstaltungen und beleuchten für Gehörlose und Schwerhörige interessante Themen aus unter- in münster schiedlichen Blickwinkeln. Gastmoderatoren ergän- zen unser Moderatorenteam. VibelleTV-Sendungen liefen bereits in Sport1 und werden in regelmäßigen von menschen mit Abständen von unserem Kooperationspartner Spec trum 11 wiederveröffentlicht. Zusätzlich zu diesen Kanälen veröffentlichen wir die meisten Sendun- Down-Syndrom um gesellschaftliche Aspekte. Die über 12.000 Ge- gen auch auf YouTube, wo ausländische Interes- Unterstützende Techniken für Kinder und Jugendliche 2 Nadja Zaynel bärdensprachvideos auf Vibelle werden bilingual sierte sich die Untertitel übersetzen lassen können. S von Texten oder Untertiteln flankiert. Vibelle ist User aus 69 verschiedenen Ländern haben diese chon lange beschäftige ich mich theoretisch am Anfang vor vielen Fragen und konnte auf wenig das Ergebnis des Forschungsprojekts Aachener In Möglichkeit bereits genutzt. mit der Frage, wie man Menschen mit Down- bereits Vorhandenes zurückgreifen. Klar war, dass ak- ternet-Lernsoftware zur Berufsqualifizierung von Syndrom die Nutzung des Internets erleichtern tiv gearbeitet werden soll und eigene Inhalte generiert Gehörlosen (AILB), das seit 2003 entwickelt wurde. l i t e r a t u r kann. Dabei habe ich schon einige Gespräche mit Eltern werden sollen. Schnell bin ich auf die Idee gekommen, Doch nicht nur die sprachliche Ausrichtung von z Louis-Nouvertné, U. (2001): Muss man hören können, um zu von Kindern mit Down-Syndrom als Experten geführt einen Blog ins Leben zu rufen. Durch die mittlerweile lesen? Probleme des Schriftspracherwerbs Gehörloser. In: Vibelle haben wir an die Bedürfnisse Gehörloser und mir einige Gedanken dazu gemacht, wie man Per- nutzerfreundlichen Blog-Plattformen ist die Erstellung Ludwig Jäger (Hrsg.): Themenheft Gebärdensprache der Zeit- und Schwerhöriger angepasst. Auch die visuelle, schrift Sprache und Literatur (SuL) 88 sonen mit Down-Syndrom die Struktur und Komplexi- eines eigenen Blogs relativ leicht, da man keine Ah- z F. Kramer (2007): Kulturfaire Berufseignungsdiagnostik bei technische und didaktische Umsetzung des Portals Gehörlosen und daraus abgeleitete Untersuchungen zu den tät des Internets vermitteln kann. Trotzdem stand ich nung von Programmiersprache haben muss. bedurfte spezieller Lösungen. Schauen Sie mal rein: Unterschieden der Rechenfertigkeiten bei Gehörlosen und Hörenden. Dissertation an der RWTH-Aachen, http://darwin. www.vibelle.de. bth.rwth-aachen.de/opus3/volltexte/2007/1929/ Weitere Beschreibungen des Projekts Vibelle z F. Kramer, S. Kortlepel (2008): Vibelle-eLearning. In: Hörgeschä- eLearning im Stile von Edutainment digten Pädagogik 62/4, S. 159–162 z K. Grote, F. Kramer, S. Kortlepel (2009): Vibelle. Das multimedia- le interaktive Informations- und Lernportal für Gehörlose. In: DAS ZEICHEN 81 – Zeitschrift für Sprache und Kultur Gehör- Mit Vibelle-eLearning haben wir ein videobasiertes, loser, S. 66–77 neues eLearning-Format entwickelt, das im Stile von z K. Grote, D. Raabe-Driesen, K. Knoerzer, E. Karar, F. Kramer (2009): www.vibelle.de, Visuelles zu Beruf, Leben und Lernen. Edutainment Lernen (Education) und Unterhaltung In: Lesen statt Hören. Zeitschrift für Gehörlosenkultur 17/1, (Entertainment) miteinander verknüpft. In diesem S. 3–5 Format haben wir eLearning-Kurse für die Bereiche „Englisch“, „Deutsch schreiben“ und „Mensch & Ge- sellschaft“ umgesetzt. Die Kurse haben wir durch k o n t a k t Wissensfragen ergänzt, mit denen der User seinen Lernfortschritt überprüfen kann. SignGes Kompetenzzentrum Die durchweg positiven Rückmeldungen seitens für Gebärdensprache und Gestik RWTH Aachen der Gehörlosen-Community bestätigten diesen An- Theaterplatz 14 · 52062 Aachen satz. Vibelle-eLearning wird inzwischen an verschie- Dr. Florian Kramer · Tel. 0241-8095837 denen Schulen als unterstützendes Unterrichtsma- Email f.kramer@isk.rwth-aachen.de terial eingesetzt. Skype rwth_aachen 22 InterAktiv 01|14 InterAktiv 01|14 23
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