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Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg -einblick 3/2019 Waldschutz Wildtierökologie Fernerkundung
2 FVA-einblick 3/2019 Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem Einblick verabschieden wir unseren langjährigen Direktor, Prof. Konstantin von Teuffel. Er hat die FVA fast zwanzig Jahre lang geleitet und in diesen Jahren unserer Forschungseinrichtung mit seinem engagierten und markanten Wesen viel Schwung und neue Richtung gegeben. In dieser Zeit hat die FVA ihre Forschungskapazität in etablierten Feldern deutlich erhöhen können, sie hat aber vor allem auch ganz neue Felder als Wirkungsbereich erschlossen. Dazu zählen etwa die Forschungsgruppen, die sich mit dem Naturschutz im Wald, dem Wildtiermanage- ment sowie mit Wald und Gesellschaft befassen. Sie sind entsprechend der Herausforderungen der letzten Jahre deutlich gewachsen. Auch hier ist die FVA nun zu einem bundesweit gehörten Akteur in der Forschungslandschaft geworden. Konstantin von Teuffel übergibt somit eine in vielen Bereichen gut aufgestellte Versuchsanstalt in neue Hände. Gleichzeitig geht der rasante Wandel, den der Wald, seine Eigentümer, die Forstverwaltung und auch die öffentliche Debatte über die Waldwirtschaft derzeit erfahren, natürlich nicht spurlos an der Aufgabenstellung der FVA vorbei. Wir sind dringend darauf angewiesen, dass unsere Kapazitäten in den neuen, alten Feldern der Klimafolgenforschung, des Waldschutzes, der Waldgenetik oder dem Risikomanagement gestärkt werden. Wir vertrauen hier vor allem auf den Notfallplan und die Waldstrategie 2050 des Landes. Aber auch mit Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit der FVA – unsere wichtige Aufgabe des Wissenstransfers und der Fortbildung – stehen wir vor Herausforderungen. Die Nachfrage nach Expertise zum Wald explodiert geradezu, die Struktur unserer Kunden ist im Umbruch, aber auch die Lesegewohnheiten und der Umgang mit Wissen im berufli- chen Alltag verändern sich. Die Verbesserung der Kommunikation der FVA nach Innen und Außen ist daher eine der ersten Baustellen, die wir eröffnen. Mit Katja Wetz haben wir dafür eine neue Kollegin gewonnen, die mit ihrem Team begonnen hat, diesen Umbau in Angriff zu nehmen. Ein erster Schritt war der Startschuss für unsere neue Homepage. Weitere werden folgen, insbesondere im Bereich der digitalen Kommunikation bzw. der sozialen Medien. Darüber werden wir uns auch von manchem lieb gewonnen Format der Vergangenheit verabschieden. So halten Sie heute die letzte Ausgabe des FVA-einblicks in Händen. Im neuen Jahr werden wir Sie mit neuen Formaten überraschen. Was sich nicht ändern wird ist unser Anspruch, Sie kompetent, engagiert und vor allem wissenschaftlich fundiert zu begleiten und zu unterstützen, wenn es um die Entwicklung des Waldes, seine Nutzung und seinen Schutz geht. Viel Freude mit dem letzten Einblick wünscht Ihnen Ihr Prof. Dr. Ulrich Schraml Impressum Herausgeber Redaktion Auflage Prof. Dr. Ulrich Schraml Dr. Petra Adler 1.700 Exemplare Direktor der Forstlichen Versuchs- und Tobias Beigel Forschungsanstalt Baden-Württemberg Dr. Reinhold John Die Redaktion behält sich die sinnwah- Thomas Weidner rende Kürzung, das Einsetzen von Titeln Adresse Katja Wetz und Hervorhebungen vor. Die Beiträge Wonnhaldestr. 4 müssen nicht unbedingt die Meinung der D-79100 Freiburg Redaktion wiedergeben. Tel.: (07 61) 40 18 - 0 Bildherkunft fva-bw@forst.bwl.de Wenn nicht anders angegeben, stammen Nr. 3, Dezember 2019, Jahrgang 23 www.fva-bw.de die Bilder von den Autorinnen bzw. Autoren. ISSN 1614-7707
FVA-einblick 3/2019 3 Inhalt 4 Fast 20 Jahre Einsatz für die forstliche Forschung – Konstantin von Teuffel feierlich in den Ruhestand verabschiedet von Katja Wetz 7 Borkenkäfer und Konsorten geben keine Ruhe – die aktuelle Waldschutzsituation 2019 von Horst Delb, Jörg Grüner, Reinhold John, Markus Kautz, Gregor Seitz und Jan Wußler 15 Der nordische Fichtenborkenkäfer (Ips duplicatus) – neu in Baden-Württemberg von Reinhold John, Gunnar Stettner und Horst Delb 20 Spürnasen für die Wissenschaft – Hunde als Monitoringmethode von Silja Ramlow und Julia Taubmann 24 Die Waldschnepfe – Erfassung eines heimlichen Waldbewohners von Philip Holderried 29 Statuskolloquium des Projektes Flächendeckende Fernerkundungsbasierte Forstliche Strukturdaten (F³) von Petra Adler, Melanie Kirchhöfer, Philip Beckschäfer und Jörg Ackermann 32 FVA-Nachrichten 35 Kolloquien 2019/20
4 FVA-einblick 3/2019 Fast 20 Jahre Einsatz für die forstliche Forschung – Konstantin von Teuffel feierlich in den Ruhestand verabschiedet von Katja Wetz Professor Konstantin Frhr. von Nach fast zwei Jahrzehnten über- temberg anschloss. Die darauf fol- Teuffel wurde Ende Oktober als gibt von Teuffel den Staffelstab gende – seinerzeit obligatorische Leiter der Forstlichen Versuchs- – Forsteinrichtungszeit leistete er und Forschungsanstalt Baden- Peter Hauk, Minister für Ländlichen im oberschwäbischen Ochsenhau- Württemberg (FVA) in den Ruhe- Raum und Verbraucherschutz, hob sen ab, bevor er als Referent ins stand verabschiedet. bei dem Festakt von Teuffels gro- ministeriale Personalreferat der ßen Einsatz für die forstliche For- Landesforstverwaltung wechsel- schung hervor. „Professor Konstan- te – mit großem Erfolg: von Teuf- tin Freiherr von Teuffel hat in den fel wurde als erster Förster zum letzten Jahrzehnten für die forstli- Führungslehrgang an der 1986 che Forschung in Baden-Württem- neu geschaffenen Führungsakade- berg Großes geleistet. Ihm gebührt mie entsandt. Nach einer kurzen unser besonderer Dank für eine Vorbereitungszeit am Staatlichen herausragende Entwicklung dieses Forstamt Schorndorf übernahm er Forschungszweigs. In seinen rund 1989 die Leitung des Staatlichen 20 Jahren an der FVA baute er die Forstamts Ulm. Später folgte dann Forschung national und internatio- die Leitung der Abteilung Forstpo- nal erfolgreich aus. Vor seiner Le- litik an der Forstdirektion Tübin- bensleistung haben wir allergröß- gen und die Leitung des Referats ten Respekt.“ für Waldbau und Forsteinrichtung Von Teuffel war 38 Jahre im Dienst am MLR, in dessen Ressort auch der Landesforstverwaltung tätig, die letzten zwei Jahrzehnte als Di- rektor an der FVA. Der prall gefüllte Paulussaal in Freiburg war Symbol für die Arbeit Prof. von Teuffels – mit großem Erfolg vernetze er als Direktor die FVA bundesweit sowie über die Ländergrenzen hinweg. Viele Wegbegleiterinnen und Weg- begleiter wohnten dem Festakt sei- ner Verabschiedung Ende Oktober bei. Beispielhafte Karriere im Forst Die Anfänge seiner Karriere leg- te Konstantin von Teuffel mit dem Studium der Forstwissenschaften in Göttingen und Freiburg, an das sich ein Referendariat bei der Lan- desforstverwaltung Baden-Würt- Abb. 1: August Frhr. von Teuffel vom Birkensee
FVA-einblick 3/2019 5 die forstliche Forschung fiel. Nach sechsjähriger ministerialer Tätigkeit wechselte von Teuffel schließlich im Jahr 2000 als Direktor an die FVA in Freiburg. Waldteuffel 2.0 Wald – ganz besonders Waldbau und Forsteinrichtung – sind dem „Waldteuffel 2.0“ eine Herzensange- legenheit. „Ich sehe in der aktiven Gestaltung des Waldes eine tiefe Be- friedigung und kreatives Handeln. Es geht darum, zunächst und vor allem die natürliche Dynamik eines Wal- des zu verstehen. Das hat auch et- was mit Ehrfurcht vor der Natur, ihrer Kraft, Unabhängigkeit und Schönheit Abb. 2: Die voll besetzte Pauluskirche Ende Oktober beim Festakt zu tun. Dann erst geht es darum, ge- staltend in den Wald einzugreifen,“ beschrieb Konstantin von Teuffel in größte Bedeutung auf die konsequen- ierung und Koordination zahlreicher seiner Ansprache seine Begeiste- te nationale und internationale Ver- Verbundprogramme nicht zuletzt auch rung für den Waldbau. Sein großes netzung der Forschungsanstalt, was auf EU-Ebene. Darüber hinaus war er forstliche Engagement fußt auf hand- sich der Reputation der FVA als sehr in zahlreichen Gremien tätig. Beson- festen familiären Wurzeln: schon der zuträglich erwies. „Forstliche For- ders erwähnenswert ist sein Einsatz erste „Waldteuffel“ – Urgroßvater schung kann nur im Wettbewerb mit für den Internationalen Verband Forst- August Frhr. von Teuffel vom Bir- anderen und im Diskurs mit Partnern licher Forschungsanstalten (IUFRO), kensee – hatte sich als Leiter der erfolgreich sein. Die Vernetzung der für den er mehrfach als Koordinator Bezirksforstei Kandern eine überre- FVA im nationalen und internationa- tätig und Mitglied des Boards war. Als gionale Anerkennung erarbeitet und len Kontext war mir daher ein großes Anerkennung hierfür wurde ihm 2017 wurde zum Namenspaten der ersten Anliegen,“ konstatierte von Teuffel. Er der IUFRO Distinguished Services in Baden gepflanzten Douglasie, der engagierte sich tatkräftig in der Initi- Award verliehen. Im forstlichen For- „Teuffelstanne“. Für von Teuffel spielt auch die Wald- genetik eine zunehmend wichtige Rolle. „Ich bin weiterhin fest davon überzeugt – im Zeichen des Klima- wandels umso mehr – dass wald- genetische Fragen in der Forst- wirtschaft, im Artenschutz und der Wildtierökologie an Bedeutung ge- winnen werden.“ Internationale Vernetzung Ein besonders prägendes Element der Arbeit des „Waldteuffels“ an der FVA war darüber hinaus sein besonderes Augenmerk für die Verbindung grund- lagenorientierter Forschung mit an- wendungsorientiertem Wissens- und Technologietransfer. Er legte daher Abb. 3: Prof. Konstantin Frhr. von Teuffel und Minister Peter Hauk MdL
6 FVA-einblick 3/2019 Amtseinführung des Nach- folgers Prof. Dr. Ulrich Schraml Neuen Forschungsfeldern stand Kon- stantin von Teuffel offen gegenüber und förderte sie. Vor einigen Jahren wurde die sozialwissenschaftliche Forschung an der FVA etabliert, de- ren bisheriger Abteilungsleiter die Nachfolge Prof. von Teuffels antritt. „Die Beschäftigung mit den Metho- den der quantitativen und qualitativen Sozialforschung hat der FVA einen Quantensprung an Kompetenz und Wahrnehmung gegeben. Vor diesem Hintergrund freut es mich umso mehr, dass Ulrich Schraml meine Nachfolge antritt.“ Prof. Dr. Ulrich Schraml war bisher Leiter der Abteilung Wald und Abb. 4: Prof. Dr. Ulrich Schraml erhält von Minister Peter Hauk MdL die Gesellschaft an der FVA und hat das Ernennungsurkunde Amt des Direktors ab dem 1. Novem- ber übernommen. „Ich freue mich, schungsnetzwerk NFZ – Nancy-Frei- „Der Klimawandel stellt eine tiefgrei- dass wir einen so erfahrenen und burg-Zürich setzte sich von Teuffel für fende Verschiebung von Ökosystem- kompetenten Nachfolger für dieses grenzüberschreitende Zusammenar- grenzen dar, die mehr als nur ein bedeutende Amt gefunden haben. Ich beit ein und als Mitbegründer der Wis- leichtes Nachjustieren von bisher wünsche ihm im Namen der Landes- sensplattform „waldwissen.net“ war bewährten Verfahrensweisen erfor- regierung, aber auch ganz persön- es ihm ein besonderes Anliegen, sich dert“, merkte er im Oktober an. Für lich, viel Erfolg im neuen Amt“, sagte mit Partnerinstitutionen zusammen zu die Bewältigung dieser Herausforde- der Minister bei der Übergabe der Er- schließen und gesammeltes Wissen rung sieht er die Chance in der Zu- nennungsurkunde. an die Praxis und eine interessierte sammenarbeit: „Die Lösung liegt hier Öffentlichkeit zu vermitteln. in einer gemeinsamen Anstrengung In die Zukunft der Wälder blickt von aller Beteiligten, besonders aber von Teuffel mit gemischten Gefühlen. Forstleuten und Naturschützern.“ Katja Wetz FVA, Direktion Tel.: (07 61) 40 18 - 3 71 Abb. 5: Der zukünftige (links) und der scheidende Direktor katja.wetz@forst.bwl.de
FVA-einblick 3/2019 7 Borkenkäfer und Konsorten geben keine Ruhe – die aktuelle Waldschutzsituation 2019 von Horst Delb, Jörg Grüner, Reinhold John, Markus Kautz, Gregor Seitz, Jan Wußler Abiotische und biotische Schad- Abiotische Schadereignisse Biotische Schadereignisse an faktoren üben alleine oder in Kom- Nadelbäumen bination miteinander einen erheb- Nachdem 2018 bereits ein mar- lichen Einfluss auf die Vitalität und kantes Dürrejahr zu verzeichnen Die Nadelhölzer haben in Südwest- Mortalität in unseren Wäldern aus. war, sind auch 2019 während der deutschland besonders stark unter Sie treten gewöhnlich in jährlich Vegetationszeit überdurchschnitt- Insektenbefall, überwiegend Borken- schwankendem Ausmaß auf. Zu lich hohe Temperaturen und Nie- käfer, gelitten. So ist landesweit bis den wichtigen abiotischen Schad- derschlagsdefizite aufgetreten. Mitte November 2019 eine durch In- faktoren gehören Dürren, Stür- Damit stellte sich nach nur 15 sekten verursachte Schadholzmen- me, Nassschnee und Hagel sowie Jahren jetzt schon zwei Jahre ge von rund 2,2 Mio. Fm angefallen. Frostereignisse. Die biotischen aufeinander eine mit dem soge- Dies liegt deutlich über dem Niveau Schadfaktoren sind vor allem den nannten Jahrhundertsommer 2003 des Vorjahres (Abb. 1). Davon ist mit Insekten und Pilzen zuzuordnen. vergleichbare extreme Witterungs- einem Anteil von 84% besonders die Im Folgenden werden die in der situation ein. Fichte betroffen, gefolgt von der Tan- Vegetationszeit 2019 besonders Die Klimaprognosen gehen davon ne mit 14%. auffälligen Begebenheiten ange- aus, dass sich dies in Zukunft häu- sprochen. figer wiederholen wird. Nachdem Fichte im Januar und Mai noch ausgiebi- ge Niederschläge gemessen wur- In Bezug auf die Borkenkäfer war die den, sind vor allem mit dem be- Ausgangssituation für 2019 im ganzen ginnenden Frühjahr im April und Land sehr bedrohlich. Dies stand in während des Sommers im Juni und Zusammenhang mit den Sturm- und Juli sehr hohe Temperaturen und Schneebruchschäden in 2018 und ausgeprägte Niederschlagsdefizite 2019 sowie einer Reihe trocken-war- aufgetreten. So sind vor allem an mer Jahre und der extremen Dürre Fichten, Tannen, Kiefern, Buchen im Vorjahr 2018. Trotz durchgeführ- aber auch anderen Baumarten so- wie in Kulturen und Jungwüchsen 2,4 Nadelholz Insekten in Mio. Festmeter (Fm) teils gravierende Trockenschäden 2,2 aufgetreten. 2,0 Im Januar 2019 gingen regional gro- 1,8 ße Niederschlagsmengen in Form 1,6 von Schnee nieder. Der Schnee war 1,4 in Lagen von etwa 700 bis 1.000 m 1,2 1,0 ü. NN sehr nass und ist bei wech- 0,8 selnden Temperaturen oft zu Eis ge- 0,6 froren. In der Folge sind vor allem an 0,4 2019 2018 Nadel- aber auch an Laubbäumen 0,2 mit rund 454.000 Festmeter (Fm) 0,0 verbreitet Schnee- und Eisbruch- KW 19 KW 24 KW 29 KW 34 KW 39 KW 44 KW 49 schäden aufgetreten. Zum Jahres- beginn waren mit rund 370.000 Fm Abb. 1: Die mit der Nutzungsursa- Schadholz aber auch wieder Sturm- che „Insekten“ bei Nadelhölzern in Baden-Württemberg angefallenen schäden beispielsweise aufgrund Schadhölzer über alle Waldbesitzarten des Sturmtiefs „Eberhard“ im März im Vergleich der Jahresverläufe 2018 zu verzeichnen. und 2019 (Stand: 18. November)
8 FVA-einblick 3/2019 gen zu einem effektiven Borkenkäfer- Management in Wäldern mit hohem Fichtenanteil auf, die in Newslettern und auf der Homepage der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) verbreitet werden (siehe https:// www.fva-bw.de/daten-und-tools/moni- toring/borkenkaefermonitoring). In der Vegetationsperiode 2019 setzte der erste Schwärmflug in den tieferen La- gen im April ein. Die kühl-feuchte Wit- terung Anfang Mai verzögerte jedoch die Käferentwicklung, so dass in den höheren Lagen erst ab Mitte Mai die Abb. 2: Buchdrucker-Phänologie an verschiedenen Standorten von 102 m Entwicklung einsetzte. Doch sorgte bis 1490 m ü.NN. in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz; dargestellt die im Juni und Juli außerordentlich ist jeweils der Beginn der Entwicklung der F1 (rot), F2 (blau) und F3- trockene und warme Witterung wie- Generation (grün) in 2019 und zum Vergleich im Extremjahr 2018 sowie in den Jahren 2013-2017 (grau unterlegte Box; gestrichelte Box, wenn der für eine rasche Entwicklung der Generation nicht in jedem dieser Jahre angelegt wurde); die gestrichelte Käfer, infolgedessen im Verlauf des vertikale Linie symbolisiert die initialisierte Diapause (Tageslänge
FVA-einblick 3/2019 9 Abb. 4: Schnell handeln lohnt sich: von Buchdrucker befallene Fichten sollten noch bevor sich die Rinde lockert eingeschlagen und abgefahren werden; Sachverhalt im Herbst 2019: befallene Fichte mit grüner Krone (links außen), zahlreiche Brutbilder unter noch anhaftender Rinde (links innen), in den Brutbildern unter der Rinde (rechts innen) oder in der Rinde (rechts außen) überwinternde Buchdrucker mit überlebensfähigen Jungkäfern Flugzeiten der Käfer im Frühjahr und Geschwisterbruten befinden sich die besetzten Überwinterungsbäume mit Sommer auch der Einsatz von Pflan- Tannenborkenkäfer aktuell in Mas- anhaftender Rinde liegen. Dies erfolgt zenschutzmitteln als letztes Mittel in senvermehrungen. Unter diesen durch Kontrolle der Waldbestände, Erwägung gezogen werden. Umständen geht jetzt auch von den Markierung, Aufarbeitung und Abfuhr befallenen Tannen ein hohes Infek- aller von Borkenkäfern befallenen Tanne tionsrisiko für umliegende Bestände Stämme aus dem Wald. Dabei soll- aus. So können in der Nähe weite- ten diese Bäume schnell, noch bevor Auch die Weißtanne zeigt erhebliche re Käfernester entstehen. Häufig ist sich die Rinde lockert, eingeschlagen Schäden durch Borkenkäferbefall auf, auch der Tannenrüssler am Schad- und abgefahren werden (Abb. 4). An- vor allem im Schwäbisch-Fränkischen geschehen beteiligt. sonsten besteht die Gefahr, dass die Wald, im mittleren und südlichen Rinde abfällt oder beim Holzrücken Schwarzwald sowie in der Bodensee- Kiefer abgestreift wird, sodass die Käferbrut region. Die Kronen verfärben sich rot im Wald verbleibt. und die Bäume sterben ab. Nachdem Die Kiefernbestände in der Ober- Allerdings ist die derzeitige Problem- bereits zuvor schon trocken-warme rheinebene leiden seit Jahren unter ei- lage ausgedehnter Borkenkäfer-Ka- Sommer regional zu einem höheren nem komplexen Schadgeschehen. Vor lamitäten infolge von Sturmschäden Schadholzanfall geführt hatten, sind allem in Zusammenhang mit Trocken- und Dürren in den Sommern 2018 und ausgehend von den Sommerdürren in stress im Sommer und danach weiter 2019 großräumig in ganz Europa ge- den Jahren 2018 und 2019 die Schä- bis in den Herbst anhaltend trocken- geben. Dann können die Kontingen- den noch einmal deutlich angestiegen warmer Witterung führte dies bereits te für mechanisch-technische Maß- (Abb. 5). in der Vergangenheit zu vergleichs- nahmen im Rahmen des integrierten Dies erfolgte insbesondere dort, wo weise hohen Mortalitätsraten (Abb. 6). Pflanzenschutzes wie Transportka- die Tannen bereits chronisch vita- Aufgrund der Dürren in 2018 und 2019 pazitäten, Holzabsatz- oder Lager- litätsmindernd intensiv von Misteln ist dies jedoch noch einmal gravie- möglichkeiten, Holzhacker oder parasitiert sind. Die so geschwäch- rend verstärkt worden. Im Wuchsge- Entrindungsmaschinen für das recht- ten Bäume sind besonders oft von biet Oberrheinisches Tiefland lag der zeitige Unschädlichmachen aller mit Borkenkäfern, vor allem dem Kleinen Schadholzanfall bis Mitte November Käferbrut befallenen Stämme knapp und Krummzähnigen Tannenbor- 2019 insgesamt bei rund 140.000 Fm. werden. In dieser Zwangslage muss kenkäfer, befallen. Durch die Aus- Das Diplodia-Triebsterben hat in Ver- zum Schutz der Wälder während der bildung von zwei Generationen und bindung mit der extremen Trockenheit
10 FVA-einblick 3/2019 Hardtwäldern vor einer großen Her- den Vorjahren immer noch viele 0,35 ausforderung. Aber auch andernorts, Bäume mit sehr schütteren Kro- Tanne-Insektenholz in Mio. 0,30 wie zum Beispiel auf wenig wasser- nen vorzufinden. An solchermaßen speichernden Kiesstandorten bei Brei- geschwächten Douglasien wurden Festmeter (Fm) 0,25 sach, stehen die Waldkieferbestän- verstärkt auch weitere Schadorga- 0,20 de flächig vor dem Aus. Die Baumart nismen diagnostiziert. Als pilzliches 0,15 Kiefer scheint in der gesamten Ober- Schwächepathogen vor allem Dip- rheinebene dauerhaft gefährdet zu lodia pinea, das gemeinhin deutlich 0,10 sein. häufiger an Kiefer vorkommt, und 0,05 Im Spätsommer 2019 ist zudem in als weiterer Schaderreger die aus 0,00 der nördlichen Oberrheinebene auf Nordamerika stammenden invasiven ausgedehnten Waldflächen die Kie- Douglasien-Gallmücken (Contarinia 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 2019 fernbuschhornblattwespe in einem spp.). Infolge der Dürren aktuell mit seit langer Zeit nicht mehr beobach- roten Kronen zeichnende Douglasi- Abb. 5. Mit der Nutzungsursache teten Ausmaß und mit erheblichen en weisen gegenwärtig auch Befall „Insekten“ bei der Baumart Tanne in Fraßschäden an den Kiefernnadeln durch Borkenkäfer wie beispielswei- Baden-Württemberg angefallenes aufgetreten. Inwiefern dies ein erstes se Kupferstecher oder Furchenflüg- Schadholz über alle Waldbesitzar- ten; 2003 bis 2018: Jahressummen, Anzeichen ist, dass sich im Rahmen liger Fichtenborkenkäfer auf (Abb. 2019: Stand bis zum 18. November der sich auflichtenden Waldbestän- 7). In vielen Regionen hat auch der de wieder Massenvermehrungen der Lärchenborkenkäfer sehr von der tro- sogenannten Kieferngroßschädlinge cken-warmen Witterung profitiert, so einen deutlichen Anteil an dem aktu- wie Forleule, Kiefernspinner, Kiefern- dass zum Teil erheblicher Stehend- ellen Schadgeschehen. Der Trocken- spanner, Kiefernbuschhornblattwes- befall an Lärchen festgestellt wurde. stress wird oft durch den chronischen pe oder Nonne einstellen könnten, Mistelbefall erheblich verstärkt. Es ist bleibt abzuwarten. Aufgrund der star- zu befürchten, dass in diesem Zusam- ken Vorschädigung der Kiefern durch Biotische Schadereignisse an menhang auch das Ausmaß von Bor- die letzten beiden Dürrejahre ist eine Laubbäumen ken-, Pracht- und Bockkäferbefall in Regeneration der betroffenen Kie- den nächsten Jahren ansteigen wird. fern jedoch in Frage gestellt. In Anbetracht der Massenvermehrung Buche des Waldmaikäfers auf nahezu glei- Douglasie und Lärche cher Fläche steht die Waldwirtschaft Nach dem Laubaustrieb im Frühjahr in der nördlichen Oberrheinebene auf Vielerorts sind nach Befall durch 2019 haben sich in vielen Buchen- den trockenen Sandstandorten in den die Rußige Douglasienschütte in beständen gravierende Schäden ge- zeigt (Abb. 8). Vielerorts sind in den Kronen einzelbaumweise bis flächige Vitalitätsverluste und absterbende Buchen zu beobachten. Doch ist das Ausmaß lokal sehr unterschiedlich. Betroffen sind vor allem Bäume, die auf schlecht wasserversorgten Stand- orten, an Bestandesrändern oder in aufgelichteten Buchenwäldern durch Niederschlagsdefizite, langanhalten- de Hitze und hohe Sonneneinstrah- lung in Verbindung mit einer starken Fruchtbildung 2018 stark in ihrer Vita- lität beeinträchtigt waren. Diese Bäume wiesen im letzten Jahr bereits im August verfärbtes Laub oder oft vollständig entlaubte Kronen auf. Während die Buchen einen hohen Anteil der verfügbaren Energie- und Nährstoffreserven für Abb. 6: Absterbende Waldkiefern im Rhein-Neckar-Kreis, Februar 2019 die Ausbildung einer starken Fruk-
FVA-einblick 3/2019 11 re chronisch schädigend einstellen, wobei vor allem lockere Waldränder und aufgelichtete Bestände gefähr- det sind. Eiche Der Eichenprozessionsspinner ist auf einer Fläche von rund 1.200 Hektar in ganz Baden-Württemberg, mit einem Schwerpunkt im Neckar- land, von anhaltend großer Be- deutung (Abb. 10, links). Von den Brennhaaren der Raupen gehen Gesundheitsgefahren für Mensch und Tier aus. Die Fraßschäden an den Blättern können aber auch zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes des Waldes Abb. 7: Abgestorbene Douglasie mit roter Krone im Stadtwald Freiburg, führen. September 2019 In diesem Zusammenhang ist auch der Schwammspinner zu nennen, tifikation benötigten, erfolgte der Schlauchpilze (z.B. Neonectria, Bis- frühe Verlust an grünen Blättern ent- cogniauxia, Hypoxylon) im Rinden- gegen des üblichen Vorgangs beim gewebe und Ständerpilze (z.B. Ste- Laubabwurf im Herbst weitgehend reum, Bjerkandera, Schizophyllum, ohne Nährstoffrückführung. Aus die- Fomes, Pleurotus) im Holzgewebe sem Grund fehlten den betroffenen diagnostiziert (Abb. 9). Das Holz be- Buchen im Sommer 2018 die Kraft fallener Bäume kann durch Fäulnis zur Ausbildung ausreichend vitaler schnell an Stabilität verlieren und Knospen und im Frühjahr 2019 die führt dann vor allem zu Problemen in benötigten Reservestoffe. Darüber der Arbeits- und Verkehrssicherheit. hinaus deuten in den letzten fünf Auch die Holzqualität lässt infolge Jahren erheblich verkürzte Jahres- der Infektion häufig schnell nach. triebe darauf hin, dass die Vitalität Der gesamte Umfang der Schäden dieser Buchen bereits schon in den wird sich erst nach Beginn der Auf- Vorjahren aufgrund trockener Pha- arbeitung im Herbst detailliert bezif- sen sehr eingeschränkt war. Meist fern lassen. Das Gefährdungspoten- ältere Buchen weisen aktuell abge- tial des in manchen Buchenwäldern storbene und absterbende Kronen beobachteten Kleinen Buchenbor- mit nur noch wenig belaubten Ästen kenkäfers und des Buchenprachtkä- auf. Dort finden sich an exponierten fers darf nach dieser gravierenden Stammpartien auch Sonnenbrand, Schwächung nicht unterschätzt wer- aufplatzende Rinde (Abb. 8), Rin- den. Lange trocken-warme Perioden dennekrosen, Schleimflussflecken wie in 2018 und 2019 können die Ent- und Astabbrüche. wicklungszeiten der Käfer beschleu- Die Schwächung führt in den Kronen nigen und zu einem Anstieg der Po- zur Aktivierung von Pilzen, die bis pulationsdichte führen. Gleichzeitig dato symptomlos im Gewebe vor- sind trockenheitsgestresste und we- handen waren, auf jetzt schädigende nig abwehrbereite Buchen der ideale Weise wachsen und Rindennekro- Lebensraum für diese Rindenbrüter. Abb. 8: Buche mit aufgeplatzter sen bzw. Holzfäulen selbst verursa- Erfahrungsgemäß kann sich vor al- Rinde, abgestorbener Krone und Pilz- chen oder andere Schadpathogene lem der Buchenprachtkäfer nach der- befall im Landkreis Breisgau-Hoch- begünstigen. So werden häufiger artigen Ereignissen noch einige Jah- schwarzwald, Juni 2019
12 FVA-einblick 3/2019 der in diesem Jahr mit rund 400 Hek- tar im Neckarland auf großer Fläche erhebliche Fraßschäden verursacht hat (Abb. 10, rechts). Auch die Ei- chen-Fraßgesellschaft mit Frost- spanner und Eichenwickler ist auf einer Fläche von rund 400 Hektar durch auffällige Blattschäden in Er- scheinung getreten. Mit dem Vorkommen blattfressender Insekten korrespondiert meist auch ein Befall durch den Eichenmehltau, denn der nach Fraß zur Regenera- tion auftretende junge Neuaustrieb wird je nach Witterung im Sommer sehr häufig von diesem Blattpilz be- fallen. Dadurch wird die Assimilati- onsleistung der Bäume über weite Phasen erheblich reduziert. So ver- stärkt sich die durch Raupenfraß und Dürren bedingte Schwächung der Eichen wesentlich. Um Fraßschäden zu verhindern und somit die Eichen zu schützen, wurden im Frühjahr 2019 rund 200 Hektar der betroffe- nen Waldfläche aus der Luft mit ei- nem Bakterienpräparat behandelt. Besonders in der Oberrheinebene Abb. 9: Beispiele für Pilzarten an der Buchenrinde als Wegbereiter für sind lokal wieder hohe Populationen Holzfäule-Erreger des Eichenprachtkäfers vorhanden, der als Folgeschädling nach Dürre und Fraßschäden geschwächte Ei- chen befallen und durch den Larven- fraß unter der Rinde zum Absterben bringen kann (Abb. 11). Esche Das Eschentriebsterben ist nach wie vor eine sehr bedeutende Baum- krankheit, auch wenn in diesem Jahr die in der Krone erkennbaren Schad- symptome des Eschentriebsterbens etwas zurückgegangen sind. Erst in der zweiten Hälfte der Vegetations- zeit wurden frische Blattinfektionen deutlich. Dies hängt mit den ver- gleichsweise schlechten Infektions- bedingungen durch langandauernde sommerliche Trockenperioden in den letzten Jahren zusammen und ist deshalb nur als eine Art Atempause zu werten. Bestehende Triebinfekti- Abb. 10: Meldungen des Eichenprozessionsspinners (links) und des Schwamm- spinners (rechts), Stand August 2019 (Quelle: Digitales Waldschutz-Melde- onen aus vorangegangenen Jahren system Baden-Württemberg) setzen den infizierten Eschenindivi-
FVA-einblick 3/2019 13 duen nach wie vor zu. Das Eschen- Individuen für eine schadensver- Arbeiter, die über mehrere Jahre mit triebsterben bedroht weiterhin alle ursachende Besiedlung. In Baden- dem Häckseln, Entrinden oder Sä- Altersklassen in allen Regionen des Württemberg tritt die Erkrankung gen von Ahornstämmen beschäftigt Landes. Besondere Besorgnis erregt bisher ausschließlich dort auf, wo die waren. das zunehmende Vorkommen von Baumart standortsbedingt einem er- Stammfußnekrosen, insbesondere höhten Trockenstress ausgesetzt ist Esskastanie auf nassen Standorten. Hier kommt oder bereits andere Schadpathogene es oft zusätzlich zu Hallimasch-In- wie z.B. Hallimasch für eine Prädis- Der Esskastanien-Rindenkrebs mit fektionen, welche eine relativ rasche position gesorgt haben. Im Verlauf dem pilzlichen Schaderreger Cry- Stockfäule mit Bruchgefährdung der Krankheitsentwicklung werden phonectria parasitica stellt für die nach sich ziehen. Damit verbunden unter der Rinde großflächige Spo- Esskastanie seit Jahren eine ernst- sind große Herausforderungen bei renlager angelegt, in denen sehr gro- zunehmende Bedrohung dar. Im der Arbeits- und Verkehrssicherung ße Sporenmengen gebildet werden Zusammenhang mit Trockenstress sowie eine rasche Holzentwertung. (Abb. 12). mehren sich regional Meldungen Untersuchungen verschiedener For- Im Zusammenhang mit der Ahorn- zu dieser Erkrankung. Durch einen schungseinrichtungen zeigen jedoch, Rußrindenkrankheit können sich spezifischen Virusbefall können dass ein kleiner Teil der Eschen eine auch für Menschen gesundheitliche die krankheitsauslösenden Pilze offenbar genetisch bedingte Resis- Probleme (Fieber, Reizhusten) v.a. ihre hohe Aggressivität einbüßen, tenz gegen das Triebsterben zeigt. durch Einatmen ergeben, allerdings so dass zukünftig eine Abschwä- Deshalb müssen Bäume, die ohne nur bei langanhaltendem, intensivem chung des Krankheitsverlaufs mög- Ersatztriebe eine ausreichend vitale Kontakt mit den Pilzsporen. Bei den lich ist. Eine weitere Gefahr für die Belaubung und keine Stammfußne- wenigen bislang klinisch dokumen- Esskastanie stellt die Japanische krosen aufweisen, für den Aufbau tierten Patienten handelt es sich um Esskastanien-Gallwespe dar, deren einer künftig gesünderen Generation erhalten bleiben. Bei anstehenden Eingriffen sind bevorzugt anfällige Eschen zu entnehmen, die sowohl anhand des typischen Triebsterbens als auch an Stammfußnekrosen zu erkennen sind. Ahorn Da die Krankheitssymptome des aus Nordamerika stammenden pilzlichen Erregers der Ahorn-Rußrindenkrank- heit (Cryptostroma corticale) nach außergewöhnlich langen und trocke- nen Sommern verstärkt auftreten, wurden sie in letzter Zeit auffälliger. Die Krankheit ist nach dem Dürre- jahr 2018 über 2019 hinweg häufiger auch flächig schadensverursachend in Erscheinung getreten. Vornehm- lich treten hier Schädigungen an Bergahorn auf. Neben der namens- gebenden Erkrankung der Rinde stellen vom Pilz verursachte Holz- fäulen im Verlauf der Krankheits- entwicklung an betroffenen Bäumen einen entscheidenden Faktor für die Holzentwertung und das Absterben dar. Der Pilz ist ein ausgesproche- Abb. 11: Schleimfluss an Eiche (links oben) hervorgerufen durch den Larven- nes Sekundärpathogen und benötigt fraß des Eichenprachtkäfers (Larve links unten, Fraßbild rechts), vorgeschädigte oder geschwächte Oberrheinisches Tiefland, September 2019
14 FVA-einblick 3/2019 ten Elsass ist eine Ausbreitung auch auf die östliche Seite des Oberrhein- grabens denkbar. Abb. 12: Links: Bestätigte Nachweise für den Erreger Cryptostroma corticale aus Beratungsfällen und Untersuchungsbeständen in Baden-Württemberg. Rechts: Befall von Cryptostroma corticale an Bergahorn mit Anlage der sporenbildenen Schicht direkt unter der aufbrechenden äußeren Rinde Ausbreitung nicht mehr aufzuhalten lien freigesetzte, ebenfalls aus China ist. Allerdings geht der Gallwespen- stammende Schlupfwespe (Torymus Dr. Horst Delb befall in den Esskastanienwäldern sinensis) bereits wieder zurück. Auf- FVA, Abteilung Waldschutz im südlichen Alpenraum aufgrund grund bereits bestätigter Nachweise Tel.: (07 61) 40 18 - 2 22 einer Parasitierung durch eine in Ita- dieses Gegenspielers im benachbar- horst.delb@forst.bwl.de Literatur Mensch mit dieser Gefahr leben? Trockenstress der Vorjahre. Wald- Jahrbuch der Baumpflege 2019, schutz-Info 3/2019, 13 S. Baier, P.; Pennerstorfer, J.; Schopf, 23. Jg., S. 201-213 Kautz, M.; Delb, H. (2019): Schwärm- A. (2007): PHENIPS - A compre- Delb, H.; Grüner, J.; John, R.; Kau- und Befallsaktivität nimmt nun hensive phenology model of Ips tz, M.; Seitz, G.; Wußler, J. (2019): deutlich ab. Borkenkäfer-Newslet- typographus (L.) (Col., Scolytinae) Waldschutzsituation. In: Waldzu- ter 03/2019, 5 S. as a tool for hazard rating of bark standsbericht 2019 für Baden- Kautz, M. (2019): Population über- beetle infestation. Forest Ecology Württemberg, S. 28-35 wintert größtenteils mit 2. Genera- and Management, 249 (3): 171- John, R.; Delb, H. (2019): Borkenkä- tion. Borkenkäfer-Newsletter Nord- 186. fer-Management ab Frühjahr 2019. schwarzwald, 07.10.2019, 5 S. Delb, H.; Halbig, P.; Seitz, G.; Wa- Waldschutz-Info 1/2019, 8 S. Seitz, G.; John, R.; Delb, H. (2019): genhoff, E. (2019): Der Eichenpro- John, R.; Grüner, J.; Seitz. G.; Delb, Integriertes Borkenkäfer-Manage- zessionsspinner als Profiteur des H. (2019): Buchen in Südwest- ment - Rindenbrüter an der Weiß- Klimawandels: Müssen Baum und deutschland leiden unter dem tanne. Waldschutz-Info 2/2019, 4 S.
FVA-einblick 3/2019 15 Der nordische Fichtenborkenkäfer (Ips duplicatus) – neu in Baden-Württemberg von Reinhold John, Gunnar Stettner und Horst Delb Im Jahr 2019 wurde in Baden-Würt- Verbreitung Funddaten existieren, liegen für die temberg ein Monitoring des nor- folgenden Länder Belege für das dischen Fichtenborkenkäfers mit Diese boreo-montan verbreitete Art Ips Vorkommen der Art vor: Russland spezifischen Lockstofffallen be- duplicatus (Sahlberg, 1836; Coleopte- (nord-europäischer Teil und Zentral- gonnen. Gleich mit vollem Erfolg, ra, Curculionidae, Scolytinae) wird in russland), Norwegen, Polen, Slove- denn mehrere Hundert Individuen Mittel- und Nordeuropa sowie in Sibi- nien, Schweden, Österreich, Tsche- wurden in den 12 Fallen in östli- rien bis zum Fernen Osten gefunden. chien, Estland, Finnland, Frankreich, chen Landesteilen Baden-Würt- Damit kommt die Art dort vor, wo ihre Deutschland, Ungarn, Lettland und tembergs gefangen. Alle Fundorte Hauptwirtspflanzen Picea abies, Picea Litauen. Schon 1951 fand Horion lagen in unmittelbarer Nähe dreier excelsa und Picea obovata wachsen. Ips duplicatus im Bayrischen Wald Sägewerke, die Fichte in Rinde aus Sie gilt als gemeinhin „selten“, und und vermerkt, dass „dieser Käfer Tschechien importieren. wurde nach Angaben in der Literatur wohl weiter verbreitet sei“. In den Das sind die ersten Nachweise die- ausnahmsweise auch auf Pinus sil- vergangenen Jahren wurden dort ser Art für Baden-Württemberg. vestris und Pinus cembra gefunden. allerdings keine neuen Nachweise Damit ist der nordische Fichten- Während für Island, Albanien, Andor- erbracht. Die Funde in Österreich borkenkäfer in Baden-Württemberg ra, Weißrussland und Belgien keine und im Bayerwald lassen vermuten, angekommen. Eine weite Reise, so könnte man aus dem Zweitnah- men „mongolischer Borkenkäfer“ folgern. Als gäbe es im heimi- schen Wald nicht schon genügend Rinden- und Holzbesiedler. Aber stimmt das wirklich, ist diese Art nun Teil der heimischen Fauna, oder werden alljährlich immer nur wieder neue Individuen der Art mit Holzimporten aus Tschechien (Fichte in Rinde) ins Land getra- gen, ohne dass die Spezies hier Bäume befällt und sich erfolgreich reproduziert? Abb. 1: Ips duplicatus-Weibchen
16 FVA-einblick 3/2019 dass die Art Reliktvorkommen in den liegen für 2019 Belege aus Sachsen, duplicatus, die sich aus historischer Alpen und höheren Mittelgebirgen Bayern und Baden-Württemberg vor. Beschäftigung mit der Art ergeben bildet. Nach der Jahrtausendwende im Rahmen des Monitorings mittels haben. In Zeiten ohne Internet und gab es in Deutschland jedoch nur Lockstofffallen wurde ein Exemplar Datenaustausch war ein Namensab- noch einen gesicherten Fund, die- bei einer Sägemühle in Brandenburg gleich zwischen parallel forschenden ser lag in Sachsen. In Finnland wird gefunden. An befallenen Fichten so- Taxonomen schwierig, daher gab es die Art häufiger in Pheromonfallen wie in mit Buchdruckerpheromonen früher oftmals parallel mehrere Na- nachgewiesen als der Buchdrucker, bestückten Fallen konnten mittels men für eine Art. Folgende Synony- in Polen und Tschechien kommt die genetischer Analyse im Spätsom- me werden aufgeglistet: Bostrichus Art in starken Populationen vor und mer 2018 Ips duplicatus in 6 von 7 duplicatus Sahlberg, 1836, Cyrtoto- wird für Stehendbefall an Picea abi- Regierungsbezirken in Bayern nach- micus rectangulus Ferrari, 1867,Bo- es auf großer Fläche verantwortlich gewiesen werden. Dort wurde das strichus judeichi Kirsch, 1870, To- gemacht. Aus Tschechien ist darüber Monitoring im Jahr 2019 intensiviert, micus infucatus Eichhoff, 1877, hinaus der Befall von Douglasien do- die Ergebnisse sind noch nicht ein- Cumatotomicus duplicatus, Cuma- kumentiert. sehbar. Weitere Bundesländer haben totomicus infucatus, Cumatotomicus In den vergangenen Jahren wur- noch keine Fundmeldungen veröf- judeichi, Cumatotomicus rectangu- de das Monitoring zum Nachweis fentlicht. lus, Cyrtotomicus duplicatus, Cyrto- dieser Art in einigen europäischen tomicus infucatus, Cyrtotomicus ju- Ländern verstärkt. Demnach ist die deichi, Cyrtotomicus rectangulus, Ips Art in allen Landesteilen Österreichs Taxonomie und infucatus, Ips judeichi, Ips rectangu- präsent, in der Schweiz wurden im morphologische Ansprache lus, Tomicus duplicatus. Sankt Galler Rheintal und zudem im Morphologisch ist die Art – mit einiger Fürstentum Lichtenstein einzelne In- Es finden sich eine Reihe von Syno- Erfahrung- durch Spezialisten von dividuen gefunden. In Deutschland nymen zum lateinischen Namen Ips den anderen Ips derselben Gattung zu differenzieren: 4 Zähnchen finden sich am Absturz, der Abstand der beiden Suturalzähnchen (das sind, die obersten, dem Absturz am nächs- ten liegenden Zähnchen) ist kleiner oder so groß wie die Entfernung vom Suturalzähnchen zu Zahn 2. Der Flügeldeckenapex (der Bereich, wo die Flügeldecken caudad enden) ist nach hinten mehr verjüngt, und be- reits nach 3/5 der Länge kräftig bogig verengt. Die Flügeldeckenscheibe ist mit regelmäßigen Reihen ziemlich eng gestellt, kaum streifig vertieft, die dorsalen Zwischenräume sind glänzend, glatt und weitläufig punk- tiert. Sie sind schon vor dem eigent- lichen Absturz der Länge nach leicht gewölbt. Mit 3,2-4,0 mm Größe ist die Spezies deutlich kleiner als der Buchdrucker. Die Fühlerkeulennähte sind charakteristisch ausgeprägt, sie laufen mehr parallel und sind nicht eingebuchtet wie beim Buchdrucker. Entwicklung und Charakteristika Abb. 2: Typische Fühlerkeule von Ips duplicatus, zu beachten sind Das Brutbild vom Nordischen Fich- die charakteristisch geformten Deckennähte auf der Keule tenborkenkäfer ähnelt jenem des
FVA-einblick 3/2019 17 Ips typographus: Es ist geprägt von mehreren in der Stammachse verlau- fenden Muttergängen; auch diese Art ist polygam und ein Männchen kann bis zu 5 Weibchen in seine Rammel- kammer locken. Das Brutbild weist eine deutliche Rammelkammer mit 1 bis 5 Muttergängen auf; diese sind leicht gebogen und etwa 7-10 cm lang. Die Muttergänge wie auch das gesamte entwickelte Brutbild sind jedoch dünner bzw. kleiner als die des Buchdruckers. Sie folgen mehr oder weniger der Faserrichtung, die Rammelkammer ist meist verdeckt. Die Muttergänge verlaufen teilweise etwas wellig und weniger gestreckt. Die Ei-Nischen und die rechtwinke- lig abzweigenden Larvengänge sind regelmäßig angeordnet, bisweilen haben sie eine leicht mäandernde Form. Vorwiegend werden die Brut- bilder in den mittleren Stammpartien und in Wipfeln bzw. in stärkeren Kro- nenästen angelegt, dies begründet sich durch die geringere Körpergröße von Ips duplicatus. Damit könnte sich die Art bei uns zwischen Buchdru- cker und Kupferstecher einnischen Abb. 3: Kopfpartie von Ips duplicatus und eine weitere Gefahr für die Fich- te darstellen. Häufig treten die Bru- ten neben jenen des Ips typographus wurde verwendet und unter Berück- Saltatoria, Curculionidae, Crusta- auf. Die Brutbilder des Ips duplica- sichtigung der Gebrauchsanleitung ceae, Diptera, Silphidae und Histeri- tus sind nur dann leicht von jenen nach jeweils 8 Wochen erneuert. dae gefunden. des Buchdruckers zu unterscheiden, Nur Bestände mit hohen Fichtenan- wenn der Befall nicht sehr dicht ist teilen und Dimensionen ab einem oder solange die Entwicklung nicht BHD von 20 cm wurden berücksich- Einschätzung der weit fortgeschritten ist. Bei starkem tigt. Die Fallen wurden vor einer wirtschaftlichen Bedeutung Reifungsfraß ist eine Unterscheidung Fichtenkulisse so platziert, dass sie sehr schwierig. von mindestens einer Seite frei an- Der nordische Fichtenborkenkäfer fliegbar waren. Die Fallen wurden kann bisher nicht als invasive Art von April bis Mitte September in wö- bezeichnet werden. Der Begriff „in- Die Fundorte in chentlichem Abstand durch Forstkol- vasive Art“ kommt aus dem Natur- Baden-Württemberg legen vor Ort geleert und an der FVA schutzbereich. Er bezeichnet diejeni- nach morphologischen Kriterien aus- gen gebietsfremden Arten, die starke Jeweils 4 Fallen wurden im Abstand gewertet. unerwünschte Auswirkungen auf an- von 100 bis etwa 500 m um drei Sä- Unter den 3.832 Arthropoden der dere Arten, Lebensgemeinschaften gewerke in Bopfingen, Oberrot und bislang ausgewerteten Fänge waren oder Biotope haben. So treten inva- Wolfegg aufgestellt; dabei wurde 2.065 Individuen der Art Ips duplica- sive Arten z. B. mit einheimischen i.d.R. je Himmelsrichtung eine Falle tus; die Art wurde in allen 12 Fallen Arten in Konkurrenz um Lebensraum verwendet. Es wurden die beim Bor- nachgewiesen. Daneben wurden und Ressourcen und verdrängen die- kenkäfermonitoring üblichen Schlitz- weitere Arten der Unterfamilie Sco- se. fallen (Typ Theyson) verwendet. Das lytinae (Ips typographus, Dryocoetes Der nordische Fichtenborkenkäfer Pheromonpräparat mit dem Handels- villosus, Pityogenes chalcographus) ist auch kein Quarantäneschädling. namen „Dupliwit“ der Fa. Witasek bzw. Arten der Gruppen Formicidae, Unter Quarantäne werden Schad-
18 FVA-einblick 3/2019 Art momentan nicht zu, daher ist der Blick auf Bayern bzw. die benachbar- ten Länder Österreich und Tschechi- en zu richten, wo zum Teil langjäh- rige Monitoringzeitreihen und eine größere Erfahrung im Umgang mit dieser Spezies vorliegen. In Tschechien werden derzeit Mas- senvermehrungen des Buchdruckers und des Nordischen Fichtenborken- käfers beobachtet, diese wurden ausgelöst durch die sich verändern- den klimatischen Bedingungen ins- besondere im Hauptschadensgebiet Nordost-Mähren. In Tschechien ist nach Literaturangaben der Buchdru- cker in diesen Massenvermehrun- gen immer die dominantere Art. Nur in wenigen Forstbezirken in Mähren Abb. 4: Pheromonfalle zum Nachweis von Ips duplicatus ist der Nordische Fichtenborkenkäfer der häufigere Borkenkäfer. In der ge- samten Tschechischen Republik ist erreger (Krankheiten und tierische Einfuhr und Ausbreitung der Art im der Schadholzanteil, der nach den Schädlinge) gestellt, die potenti- Land verhindern sollen. Waldschutzmeldungen durch Ips du- ell starke Schäden an bestimmten plicatus verursacht wurde, in allen Pflanzen in einem Gebiet hervorrufen Jahren bis 2017 nicht über 30 % an- können, in dem sie zuvor noch nicht Im Osten und Süden schon gestiegen. aufgetreten oder weit verbreitet sind. länger bekannt In Österreich wurde Ips duplica- Für diese Erreger besteht eine Mel- tus jahrelang zuerst im Bereich depflicht, wenn sie gefunden werden. In den östlich und südlich an von Lagerplätzen holzverarbeiten- Sie unterliegen dann amtlichen Über- Deutschland angrenzenden Län- der Betriebe im nördlichen Öster- wachungs- und Bekämpfungsmaß- dern Tschechien und Österreich ist reich gefunden, seit 2013 wird das nahmen. Diese werden heute in der der Nordische Fichtenborkäfer ver- Vorkommen regelmäßig in Wald- Europäischen Union über Richtlinien breitet. Aktuell werden große Men- beständen abseits von Importholz- und Verordnungen festgelegt und in gen des in Tschechien anfallenden Lagerplätzen dokumentiert. Das Ips- nationale Konzepte umgesetzt. Viele Borkenkäfer-Schadholzes nach duplicatus-Monitoring 2017 zeigte, Quarantäne-Schadorganismen be- Deutschland, insbesondere nach dass Ips duplicatus in allen Bundes- drohen nicht nur die Pflanzen direkt, Bayern, kleinere Mengen aber auch ländern auch in weiterer Entfernung sondern auch die biologische Vielfalt nach Baden-Württemberg eingeführt. zu holzimportierenden Betrieben insgesamt. Dabei handelt es sich Es wurde jetzt aufgezeigt, dass auf vorhanden ist. 2018 wurde der erste immer um invasive Arten, aber nicht diesem Wege der Nordische Fich- starke Stehendbefall in einem Wald- alle invasiven Arten sind zugleich tenborkenkäfer nach Bayern und bestand in Niederösterreich ohne auch Quarantäneschaderreger. Baden-Württemberg (und wohl auch direkten Einfluss durch einen Holz- Vielmehr ist diese Borkenkäferart im nach Sachsen) verschleppt wird. lagerplatz bestätigt. Die Ergebnisse Annex II/B der Direktive 2000/29/EC Aber entstehen dadurch hohe Popu- des ersten Monitorings zeigen, dass als „harmful organism“ gelistet. Die- lationen, die die aktuelle Gradation Ips duplicatus in Österreich weit ver- se als „schädlich“ eingestuften Arten des Buchdruckbesetzen, womit sich breitet ist und sich in Waldbeständen unterliegen bestimmten Regeln: Das die Borkenkäfergefahr verstärken etabliert hat. Vorkommen von Ips duplicatus in würde? Oder kann er sich gegenüber In Bayern wird die vom nordischen 15 europäischen Ländern ist belegt den heimischen Borkenkäferarten Fichtenborkenkäfer ausgehende (s.o.), darüber hinaus gibt es soge- als Brutraumkonkurrent sogar durch- Gefahr teils widersprüchlich einge- nannte „Protected zones“ in Irland, setzen? schätzt: „Der kleine Käfer entfaltet Griechenland und im Vereinigten Die Ergebnisse aus Baden-Würt- in den tschechischen Wäldern nahe Königreich, in denen Schutzmaßnah- temberg lassen eine Einschätzung der polnischen Grenze ein grausi- men durchgeführt werden, die die der wirtschaftlichen Bedeutung der ges Potenzial und schädigt nicht nur
FVA-einblick 3/2019 19 Fichtenwälder, sondern geht dort auch in Kiefern und Lärchen. Weil er fliegen kann, aber auch mit dem importieren Rundholz aus Tschechi- en mittransportiert wird, wird er frü- her oder später im Bayerischen Wald ankommen.“ (Gudula Lermer, Forst- betriebsleiterin Neureichenau). Auf der anderen Seite die Aussage: „Es gibt einen Ips duplicatus-Nachweis für den Bayerwald, der schon über 50 Jahre alt ist. Daher vermuten wir, dass die Käfer schon immer in der Region präsent sind. Wir erwarten im Vergleich zum Buchdrucker kei- ne zusätzlichen Auswirkungen durch Ips duplicatus auf die Fichtenpopu- lation.“ (Prof. Dr. Jörg Müller, Leiter des Sachgebietes Naturschutz und Forschung beim Nationalpark Bay- Abb. 5: Jonas Hinze am digitalen Mikroskop (Foto: FVA / Thomas Weidner) erischer Wald). Solange die For- schungen zu dieser Art noch betrie- ben werden gilt hier die Devise „sich den nächsten Jahren das Monitoring nicht so sehr auf den Nordischen intensiviert werden, das ausgehend Fichtenborkenkäfer zu konzentrie- von den Eintrittspforten (den Säge- ren, sondern in erster Linie weiterhin werken) jetzt auch in die Fläche ge- den Buchdrucker bekämpfen.“(Forst bracht werden muss. & Technik v. 21.10.2018). Letzteres Zitat gilt sicherlich zu- nächst auch für Baden-Württemberg. Hier ist nach aktueller Einschätzung eher eine Gefahr über Verschlep- pungen, weniger durch eine rasche aktive Ausbreitung durch Flugbewe- gungen gen Westen gegeben. Die Erfahrungen aus Österreich machen deutlich, dass es aber durchaus nach Einschleppungen zu Stehendbefall weit abseits der Sägewerke kommen kann. Welche Auswirkungen diese Verschleppungen von Ips duplica- tus in der Zukunft speziell vor dem Hintergrund des Klimawandels hin- sichtlich eines zukünftigen Gefähr- Reinhold John dungspotenzials haben kann, muss FVA, Abteilung Waldschutz Gegenstand weiterer, intensiver Un- Tel.: (07 61) 40 18 - 2 25 tersuchungen sein. Dazu muss in reinhold.john@forst.bwl.de Literatur Knižek, M.; Liška, J. (2019): Borken- - LWF-aktuell 120, S. 48-50. käfer-Massenvermehrung in tsche- Steyrer, G. (2019): Wie weit verbrei- Grüne, S. (1979): Handbuch zur Be- chischen Wäldern, LWF-aktuell tet ist der Nordische Fichtenbor- stimmung der europäischen Bor- 120, S. 44-47. kenkäfer (Ips duplicatus) in Öster- kenkäfer, Verlag Schäper, Hanno- Lemme, H.; Petercord, R. (2019): reich. Forstschutz aktuelle 65, S. ver. Der Nordische Fichtenborkenkäfer 3-13.
20 FVA-einblick 3/2019 Spürnasen für die Wissenschaft – Hunde als Monitoringmethode von Silja Ramlow und Julia Taubmann Artenspürhunde als Monitoring- Bereits in den 1890er Jahren kamen Monitoring Großraubtiere, Rote Liste methode: Wo gibt es Bedarf? Kann Artenspürhunde im wildtierökolo- und Wildtierbericht der Länder. Bei jeder Hund ohne weiteres als Ar- gischen Bereich nachweislich zum jedem Planungsverfahren spielt der tenspürhund ausgebildet werden? Einsatz (Mackay et al. 2008). In- Artenschutz eine wichtige Rolle. Und Wo liegen die Chancen und Her- zwischen gibt es eine breite Palette um die Verbreitung bzw. Ausbreitung ausforderungen? Das sind einige an Tierarten, bei deren Monitoring- gebietsfremder oder invasiver Arten der Fragen, denen im Pilotprojekt Artenspürhunde zum Einsatz kom- zu überwachen, muss ein präventi- „Artenspürhunde im Wildtiermo- men (Taubmann, Böcker 2019). Auch ves und überwachendes Monitoring nitoring“ der FVA nachgegangen an der FVA sind bereits seit einigen stattfinden. wird. Jahren Artenspürhunde im Einsatz. Bei wildtierökologischen Unter- Die Hunde werden in verschiedenen suchungen werden die gängigen Projekten eingesetzt, unter anderem Methoden in direkte und indirekte um Hinweise auf Luchs, Wolf und Au- Untersuchungen eingeteilt. Direkte erhuhn zu erbringen. Weiterführende Untersuchungen sind unter anderem Informationen dazu finden sich im Sichtnachweise, Fotofallen, Markie- Artikel von Felix Böcker in der FVA- rung und Telemetrie, während die einblick Ausgabe 1/2018. indirekten Untersuchungen sich auf die Hinterlassenschaften bzw. Spu- ren der Tiere, wie beispielsweise Artenspürhunde als Kot, Urin, Haare, Federn, Nester, Monitoringinstrument Kratzspuren, Trittsiegel, Nahrungs- reste, Exuvien oder Wasserproben Bei der tier- und pflanzenökologi- konzentrieren. Probleme können schen Forschung bestehen nationale hierbei sein, dass die direkten Un- und internationale Verpflichtungen, tersuchungsmethoden zum Teil ei- die eingehalten werden müssen und nen deutlichen Stress für die Zielart die unter anderem in folgenden Ge- bedeuten, wenn sie wie die Teleme- setzen oder Verordnungen veran- trie durch den erforderlichen Fang kert sind: Bundesnaturschutzgesetz, als invasiv einzustufen sind. Ob nun FFH-Richtlinie, Vogelmonitoring, direkte oder indirekte Arterfassung, Abb. 1: Artenspürhund zeigt Birkhuhn-Gesperre an.
FVA-einblick 3/2019 21 hinzu kommt häufig ein hoher perso- Wolf neller und finanzieller Aufwand und die Frage nach der Effektivität. Die 2016 wurde ein Pilotprojekt des Zielart an sich oder deren Hinwei- WWF zur Etablierung von Spürhun- se sind oft nicht aufzufinden, da es den als effizientes Instrument des sich zumeist um seltene und scheue Wolfsmonitorings in Deutschland Arten handelt, welche oft auch nicht durchgeführt. Das Ergebnis zeigt, direkt identifizierbar sind. Ein Bei- dass ein Großteil der Wolfslosung spiel ist die optische Unterscheidung ohne die Hunde nicht gefunden wor- zwischen Baum- und Steinmarder- den wäre und die Datenerhebung losung. Hier kann der Einsatz von in dem Untersuchungsgebiet durch Artenspürhunden gewinnbringend den Einsatz der Hunde verbessert ins Spiel gebracht werden. Mit ihrer wurde (De Pellegrini & Krummheuer feinen Nase können spezifisch trai- 2016). Bei der Hündin, welche seit nierte Hunde die jeweilige Art direkt 2015 das Monitoring an der FVA als im Feld identifizieren, wodurch der Artenspürhund unterstützt, wurde Anteil an fälschlicherweise gesam- bei Einsätzen in Dänemark und in meltem Probenmaterial deutlich mi- der Lausitz herausgefunden, dass nimiert werden kann. Zudem ist ihr 30% der gefundenen Wolflosungen Einsatz meistens non-invasiv, da der nicht ohne sie gefunden worden Abb. 2: Die Wolfspürhündin der FVA Artnachweis häufig schon indirekt er- wären (Böcker 2016). Bei dieser beim erfolgreichen Aufspüren von Wolflosung. (Foto: Felix Böcker) bracht werden kann. Die Fundraten polarisierenden Tierart kann ein Ar- beispielsweise bei der Losungssu- tenspürhund, je nach Fragestellung, che sind wesentlich höher als ohne durchaus Unterstützung bei der Da- nitoring im Bayrischen Wald, an Hund (Böcker 2016). tenerhebung bieten. Der Hund hilft der FAWF sowie an der FVA aktiv. gegebenenfalls auch bei der Iden- Beispielsweise setzt die FAWF seit tifikation unsicherer Proben bei- 2015 Luchsspürhunde im EU LIFE- Diskutierte spielsweise bei der Unterscheidung Wiederansiedlungsprojekt ein. Die Einsatzmöglichkeiten zwischen Wolf, Hund und Fuchs. Arbeit der Hunde bringe eine Zeiter- Versteckt platzierte Losung, die der sparnis mit sich, erläuterte Michael Im Juli 2019 veranstaltete die FVA Mensch unter normalen Umständen Back während des Experten-Work- im Rahmen des Projektes „Arten- nicht finden würde, kann der Hund shops. Bei Hinweisen auf ein Luchs- spürhunde im Wildtiermonitoring“ dank seines feinen Geruchssinns vorkommen kann ein ausgebildeter einen Experten-Workshop. Dort aufspüren. Zwar sei die Losungssu- Artenspürhund eine gute Ergänzung wurde mit Vertreterinnen und Ver- che auch ohne Hund möglich, kom- zu anderen Monitoringmethoden - tretern des Umweltministeriums, des mentierte Felix Böcker während des wie etwa Wildtierkameras - sein, um Landesjagdverbands, des Jagdge- Experten-Workshops, vorhandene die Anwesenheit des Luchses durch brauchshundeverbands BW, des Hunde mit regelmäßigem, prakti- entsprechende Probenfunde zu be- Nationalpark Schwarzwald, der For- schem Einsatz könnten das Monito- legen. schungsanstalt für Waldökologie ring jedoch optimieren. und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz Auerhuhn (FAWF) und den Wildtierbeauftrag- Luchs ten des Landes Baden-Württemberg Von 2016 bis 2019 wurden an der der aktuelle Bedarf an Artenspür- Auch im Luchsmonitoring wurden FVA im Rahmen des internationalen hunden im baden-württembergi- bereits Artenspürhunde eingesetzt. Forschungsprojektes „Auerhuhn & schen Wildtiermonitoring eruiert. Fe- In Wisconsin beispielsweise kamen Windkraft“ die Reproduktionserfolge lix Böcker und Julia Taubmann von Artenspürhunde bei einem Vergleich des Auerhuhns mit Artenspürhun- der FVA sowie Michael Back von zwischen Spürhunden und anderen den in Schweden untersucht. Dafür der FAWF hielten Vorträge zu un- Monitoringmethoden beim Rotluchs wurden mit Hilfe von Vorstehhunden terschiedlichen Themenkomplexen. (Lynx rufus) zum Einsatz. Dabei er- 0,5 km2 Rasterflächen abgesucht, ge- Daraus resultierend wurden Einsatz- wiesen sich die Artenspürhunde als fundene Raufußhühner artbestimmt möglichkeiten diskutiert, bei denen effektivere Methode als der Einsatz und als Hahn, Henne oder Küken Hunde eine sinnvolle Alternative von Wildtierkameras (Clare et al. eingestuft (Taubmann et al. 2017). oder Ergänzung zu bisherigen Me- 2015). In Deutschland sind derzeit Diese Methode wird in inner- und au- thoden darstellen. Artenspürhunde für das Luchsmo- ßereuropäischen Ländern seit Jahr-
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