Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg

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Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg
MAI 2020                          + + + C O R O N A : E I N S C H R Ä N K U N G E N U N T E R W W W. T I E R G A RT E N . N U E R N B E R G . D E + + +                                                AUSGABE 20

                                                                          Herausgegeben vom Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg und dem Tiergarten Nürnberg

Flinker Jäger mit Biss
                                                                                                                                                                                                    DIE KINDERSTUBE
                                                                                                                                                                                                       DER GORILLAS

                                                                                                                                                                                                                   SEITE 3
                                                                                                                                                                                   DAS GROSSE FRESSEN:
                                                                                                                                                                                   SALAT, FLEISCH UND FISCH

                                                                                                                                                                                                                   SEITE 5
                                                                                                                                                                                               TIERISCHE REKORDE:
                                                                                                                                                                                                HÖHER , SCHNELLER ,
                                                                                                                                                                                                  STÄRKER , WEITER

                                                                                                                                                                                                                 SEITE 12

Fischotter wirken verspielt, können aber auch ihre spitzen Zähne zeigen und kräftig zubeißen. Mehr dazu auf Seite 4.                                  Foto: Michael Matejka

Forscher, Fotograf und Freund klarer Worte
Nach fast 30 Jahren an der Spitze des Tiergartens geht Helmut Mägdefrau in den Ruhestand

S     eine braune Tontasse mit der Ech-
      se nimmt er mit nach Hause, wenn
      er im Juni in Rente geht: Helmut
Mägdefrau hatte das Trinkgefäß zum
Dienstbeginn im Nürnberger Tiergarten
                                                 „Das Wissen kam mir später in der Ar-
                                              beit zugute“, meint der stellvertretende
                                              Zoo-Chef, der am Schmausenbuck nicht
                                              nur spektakuläre Zuchterfolge einiger
                                              Schützlinge feiern konnte, sondern auch
                                                                                         heute ist es noch mitunter nötig, den
                                                                                         Menschen zu erklären, warum man im
                                                                                         Tiergarten Huftiere aufzieht, um sie dann
                                                                                         den Raubkatzen zum Fraß vorzuwerfen.
                                                                                         „Wir wollen nicht ins Fortpflanzungsver-
                                                                                                                                     war und von den Raubkatzen mit einem
                                                                                                                                     Biss ins Genick getötet worden war.
                                                                                                                                        Zu den glücklichen Momenten zählt
                                                                                                                                     der 65-Jährige den Nachwuchs von Eis-
                                                                                                                                     bärin „Flocke“, die vor kurzem im franzö-
                                                                                                                                                                                  hört Mägdefrau nur noch selten: „Die
                                                                                                                                                                                  Klagen gehen gegen Null. Früher haben
                                                                                                                                                                                  manche Besucher sogar ihr Eintrittsgeld
                                                                                                                                                                                  zurückverlangt.“ Das Bewusstsein für die
                                                                                                                                                                                  Aufgaben der Zoos sei gewachsen.
1991 von Mitarbeitern geschenkt be-           mit schwierigen Situationen zurecht-       halten eingreifen, aber wir müssen den      sischen Antibes erneut Mutter – diesmal
kommen. „Das ist mein kleines Heilig-         kommen musste. Er war einer der ersten     Überschuss an Nachwuchs bewältigen“,        von Drillingen – geworden ist. Außeror-      Die Zoos tauschen bis
tum“, meint der stellvertretende Tiergar-     Wissenschaftler in einem deutschen Tier-   sagt der Kurator.                           dentlich zufrieden äußert er sich über die   der Partner passt
ten-Direktor verschmitzt. „Die Tasse darf     garten, der offen die Verfütterung von        Schwere Momente waren für ihn,           „Beseitigung aller Schandflecken bei der
nur ich waschen und benutzen.“                Zootieren verteidigte. Im Herbst 1998      als ein Unbekannter vier Eisbären im        Tierhaltung“: Die Gehege der Gorillas           Zu Mägdefraus Aufgaben gehört
  Lebende Echsen hat er zwar in seinem        hatte man den Löwen einen Kaffernbüf-      März 2000 freigelassen hatte und man        und der Eisbären seien aufwendig um-         auch, das Zuchtbuch für die Europä-
Haus in Lauf genug, sicherlich um die 20      fel aus eigener Aufzucht vorgelegt.        die Raubtiere letztlich erschießen muss-    gebaut worden, in den anderen Revieren       ische Erhaltungszucht von insgesamt
Tiere, doch das Exemplar aus Ton ist für         Mägdefrau stellte sich den Debatten     te. Als bedrückend empfand Mägdefrau        gebe man den Tieren ausgiebig Rück-          60 Schabrackentapiren zu führen. Leider
ihn etwas Besonderes: Es ist ein Zeichen      in TV-Shows, Zeitungsinterviews und        auch den Suizid eines Studenten, der        zugsmöglichkeiten. Die Beschwerde, dass      lassen die Zuchterfolge zu wünschen üb-
für das gute menschliche Miteinander          Gesprächen mit Zoobesuchern. Auch          nachts ins Löwengehege eingedrungen         man deswegen zu wenige Tiere sieht,          rig. „Sie sind bei ihren Partnern sehr wäh-
im Tiergarten.                                                                                                                                                                    lerisch, da klappt es mit dem Nachwuchs
                                                                                                                                                                                  nicht so, wie wir es gern hätten“, meint
Kreuzottern im                                                                                                                                                                    der Biologe. Daher müsse man Tapire mit
Kinderzimmer                                                                                                                                                                      anderen Zoos tauschen, bis es endlich
                                                                                                                                                                                  passt. Das Nürnberger Paar ist seit über
   Tiere haben den gebürtigen Münchner                                                                                                                                            vier Jahren zusammen, ohne dass sich et-
schon als Kind fasziniert – kein Wun-                                                                                                                                             was tut. Aber mit dem Problem muss sich
der, sein Vater war Biologe und hat das                                                                                                                                           Mägdefraus Nachfolger befassen.
Interesse gefördert. Der kleine Helmut                                                                                                                                               Der Rentner in spe wird zwar auch
hielt neben Goldhamstern und Wellen-                                                                                                                                              künftig in den Tiergarten kommen, aber
sittichen auch Echsen, Frösche und                                                                                                                                                ganz ohne Pflichtaufgaben und ohne
Salamander zu Hause. Dass er Kreuzot-                                                                                                                                             Zeitdruck: Vier Stunden vor einem
tern in seinem Zimmer herumkrabbeln                                                                                                                                               Gehege zu sitzen und auf den entschei-
ließ, war seiner Mutter dann doch zu                                                                                                                                              denden Moment zum Fotografieren zu
viel. Ihre Drohung, dass sie deswegen                                                                                                                                             warten, davon hat er bisher nur träumen
sein Zimmer nicht mehr putzen werde,                                                                                                                                              können. Mit seiner Frau (ebenfalls Biolo-
falls die Schlangen bleiben, verfehlte ihre                                                                                                                                       gin) und einer seiner beiden Töchter (die
Wirkung: Dem Heranwachsenden war                                                                                                                                                  Biologie studiert hat) kann er weiterhin
es ganz recht, dass die Mutter nicht in                                                                                                                                           Fachfragen diskutieren. Auch für seine
seinem „Reich“ herumstöberte.                                                                                                                                                     Hobbys Radfahren und Klettern in der
   Biologie hat Helmut Mägdefrau inten-                                                                                                                                           Fränkischen Schweiz hat er mehr Muße.
siv studiert: Seine 25 Semester an der                                                                                                                                            Nein, langweilig wird es ihm nicht.
Münchner Universität (einschließlich
der Promotion) galten als rekordver-                                                                                                                                              Text: Hartmut Voigt
dächtig lang.                                 Der Tiergartenvizedirektor Helmut Mägdefrau weiß: Schabrackentapire sind bei der Partnersuche wählerisch.                           Foto: Michael Matejka
Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg
SEITE 2                                                                           T I E R G A RT E N Z E I T U N G            NO. 20                                                                           MAI 2020

  Liebe Leserinnen und Leser,

   diese Zeilen schreibe
ich am 22. März 2020,
wahrscheinlich zwei
Tage vor dem Inkraft-
treten eines Pande- Foto: VDZ
mie-Notfallplans, am
zweiten Tag der Ausgangssperre in
Bayern. In einer Zeit, an die wir viel-
leicht sehnlich zurückdenken, wenn
wir die Tiergarten-Zeitung aktuell in
Händen halten.
   Es ist eine Zeit, in der ökonomi-
sche und gesellschaftliche Paradig-
menwechsel stattfinden, deren Wirk-
kraft unsere Gesellschaften stärker
verändern können als alles, was von
Wissenschaftlern, Interessengruppen,
politischen Parteien jemals in Summe
als zumutbare Veränderungen für ein
dauerhaftes Überleben auf unserem
Planeten gefordert wurde.
   Unsere Welt ist viel verletzlicher als
es gestern noch vorstellbar gewesen
wäre, es ist aber offenbar auch ein Viel-
faches dessen möglich, was wir noch
gestern für vollkommen unmöglich
angesehen hätten. Der Vielfalt an mög-
lichen Katastrophen steht eine Vielfalt     Mit der Haltung von Asiatischen Löwen trägt der Tiergarten wesentlich zum Fortbestand der Art bei.
an möglichen Strategien gegenüber,

                                            Nur ein notwendiges Übel?
diese abzuwehren.
   Mit dieser Ausgabe unterbrechen
wir die Herausgabe der Tiergarten-Zei-
tung, obwohl wir sie für ein Erfolgsmo-
dell halten. Aber wir benötigen eine
Denkpause, um uns zu orientieren,
wie und wo wir Sie und andere mit           Seit jeher streiten Tierrechtler und Tiergärten um artgerechte Haltung – sie werden sich nie einigen
Sachlichkeit, Fachlichkeit und demo-
kratischer Debattenkultur erreichen
können. Seien Sie mit uns neugierig,
wie wir uns in Nachfolgemodellen der
Tiergarten-Zeitung wiedertreffen.
   Mein herzlicher Dank für die jahre-
lange Erfolgsgeschichte der Tiergar-
                                            A        ls 2018 im Nürnberger Tiergar-
                                                     ten die betagte Asiatische Löwin
                                                     Keera eingeschläfert werden
                                            musste, meldete sich die Tierrechtsorga-
                                            nisation Peta zu Wort: Sie forderte den
                                                                                         ein vermeintlich besseres Leben ermög-
                                                                                         lichen. Vereine wie Peta oder „Menschen
                                                                                         für Tierrechte“ grenzen sich auch vom
                                                                                         traditionellen Tierschutz ab, da dieser
                                                                                         zwar Leid minimieren möchte, aber die
                                                                                                                                      atischen Löwen komme hinzu, dass es in
                                                                                                                                      Indien schwierig sei, noch mehr Tiere im
                                                                                                                                      Freiland anzusiedeln, ohne Menschen zu
                                                                                                                                      gefährden. „Der Zoo ist einer der besten
                                                                                                                                      Orte, um Reservepopulationen zu hal-
                                                                                                                                                                                   Bakterien haben. Die großen Tiere tragen
                                                                                                                                                                                   wahnsinnig Biomasse in ihren Lebens-
                                                                                                                                                                                   raum. Nach dem Aussterben des Riesen-
                                                                                                                                                                                   faultiers in Brasilien ist die Vegetation to-
                                                                                                                                                                                   tal verarmt, weil die Kadaver weggefallen
ten-Zeitung geht an die Autoren, stell-     Tiergarten auf, den freigewordenen Platz     Legitimität der Verantwortung des Men-       ten, weil Zoolöwen wirklich in den sel-      sind und sich dadurch die Nährstoff-Zu-
vertretend ihre Projektleiterin Petra       zu nutzen, um einer Großkatze aus ei-        schen über das Tier nicht infrage stellt.    tensten Fällen Menschen fressen.“            sammensetzung des Bodens verändert
Nossek-Bock, an die Azubis der Druck-       nem Zirkusbetrieb „ein neues Zuhause“           Die Grundidee lautet, dass Tiere –                                                     hat“, erklärt Encke.
werkstatt unter der Leitung von Ernst       zu bieten. Peta wies darauf hin, „dass die   wie Menschen – fundamentale Rechte           Jedes noch so kleine                            Er führt noch ein weiteres Argument
Sommerfeld und an die Koordinatorin         Aufnahme geretteter Löwen dem Zoo            haben. Für Dag Encke und Lorenzo von                                                      an: „Die großen Raubtiere stehen an der
                                                                                                                                      Insekt zählt
des Projekts Dr. A. Nicola Mögel.           Sympathien und gesteigertes Besucher-        Fersen, wissenschaftlicher Mitarbeiter                                                    Spitze der Nahrungskette und sind damit
   Ich grüße Sie herzlich und wünsche       interesse einbringen würde“.                 des Tiergartens, steht dagegen der Ar-          Philosoph Richard David Precht            für das Ökosystem Indikatoren. Wir wis-
Ihnen viel Freude bei der Lektüre der          Tiergartendirektor Dag Encke erteilt      tenschutz im Fokus. „Da kann es durch-       spricht in seinem Buch „Tiere denken“        sen, wenn der Tiger überlebt, ist auch auf
vorerst letzten Ausgabe der Tiergar-        solchen Appellen eine kategorische Ab-       aus sein“, sagt von Fersen, Chef und         in Bezug auf Tierschutz, Tierrecht und       den unteren Ebenen eine ganze Menge
ten-Zeitung.                                sage: „Das ist überhaupt nicht unsere        Gründer der Artenschutzorganisation          Artenschutz von einem „unversöhn-            okay. Wenn die Pyramide dagegen den
                                            Aufgabe, einen Zirkuslöwen aufzuneh-         Yaqu Pacha, „dass für das Überleben der      lichen Triumvirat“. An den Zoos kritisiert   Tiger nicht mehr ernähren kann, ist sie
  Ihr                                       men, wir sind kein Tierheim. Wir sind        Art einzelne, überzählige Tiere getötet      er, dass es bei der Haltung von Löwen        nachhaltig gestört.“
  Dag Encke                                 eine Organisation, die dem Artenschutz       werden müssen“.                              oder ähnlichen Raubtieren gar nicht um          Die Schönheit der großen Raubtiere,
                                            dienen soll. Nicht, dass wir das immer          Encke erläutert das anhand der Prinz-     Erhalt von Arten oder eines Ökosystems       auf die Precht verweist, sei dennoch
IMPRESSUM                                   schaffen, aber das ist das Ziel.“ Deswe-     Alfred-Hirsche. Im Schnitt halte man         gehe, sondern um Ästhetik. Encke ver-        nicht unwichtig: „Schönheit ist ein
                                            gen sei ein Löwe, dessen Herkunft dem        fünf Tiere, überzählige Männchen wür-        steht das Argument. „Ich habe auch sehr      Schlüssel, um Menschen zu erreichen.
Tiergartenzeitung
                                            Tiergarten unbekannt ist, buchstäblich       den verfüttert. Man könnte auch ein-         lang die Auffassung vertreten, der Tiger     Wenn wir das ästhetische Empfinden
Jahrgang 11 / Ausgabe 20,
                                            die Katze im Sack: „Das ist eine gene-       geschlechtliche Gruppen halten, aber         darf aussterben, die Ameise nicht. Denn      der Menschen berühren, können wir für
Mai 2020; Herausgeber:
                                            tische Falle, in die wir nicht reintappen    Weibchen, die sich zu lange nicht ver-       den Tiger ersetze ich durch einen Jäger      Biodiversität werben. Durch Ästhetik
Verein der Tiergartenfreunde
                                            werden“, sagt Encke. Der Tiergarten          paaren, „werden unfruchtbar“. Deswe-         im Wald, der den Hirsch rausschießt.“        entscheidet sich, ob jemand dafür oder
Nürnberg e.V.
                                            holte stattdessen das Löwenmännchen          gen erfolge die Tötung der Männchen             Doch inzwischen halte er diesen           dagegen ist.“
Kontakt: Tiergarten Nürnberg
                                            Subali nach Nürnberg, um mit ihm und         nicht nur aus Platzgründen, sondern          Standpunkt für komplett falsch. „Die
         Am Tiergarten 30
                                            der zuvor schon hier lebenden Aarany         auch, „um die Population vital zu halten“.   Megafauna hat genauso Bedeutung wie          Text: Marco Puschner
         90480 Nürnberg
                                            Nachwuchs zu züchten.                           Für Encke ist der Prinz-Alfred-Hirsch     sie die kleinen Vertreter wie Insekten und   Fotos: Michael Matejka
Redaktion: Petra Nossek-Bock                                                             ein gutes Beispiel dafür, wie in Tiergär-
(verantwortl.), Hartmut Voigt,              Konträre Sichtweisen                         ten Artenschutz betrieben werden kann.
Christina Merkel, Dr. Nicola A. Mögel,
                                            prallen aufeinander                          Die Heimat dieser Tiere, der Regenwald
tiergartenzeitung@googlemail.com                                                         auf den Philippinen, sei „bis auf ein
                                               Der Asiatische Löwe ist in der freien     Prozent vernichtet worden“, berichtet
Fachl. Beratung Tiergarten:
                                            Wildbahn enorm gefährdet, sagt Encke.        der Zoodirektor. „Deswegen ist in den
Dr. Dag Encke,
                                            „Es gibt nur noch ein paar Hundert Tie-      1990er Jahren die Entscheidung gefal-
Dr. Helmut Mägdefrau
                                            re, die alle in einem bestimmten Gebiet      len, Exemplare nach Europa zu schicken,
Gestaltung, Illustrationen und              in Indien leben. Das bedeutet, dass wir      weil unklar ist, ob die Art auf diesem
Produktion: Techn. Ausbildung               in Zoos unbedingt eine zweite oder drit-     kleinen Lebensraum überleben kann.“
Verlag Nürnberger Presse,                   te Population vorhalten müssen, um für       Mittlerweile werden laut Encke 120 bis
Nico Dasenbrock, Anna-Lena Exner,           einen Katastrophenfall gewappnet zu          150 dieser Hirsche weltweit in Zoos ge-
Yannick Scharf                              sein.“ Peta dagegen lehnt die Haltung        halten. „Das ist eine reine Reservepopu-
Druck: Verlag Nürnberger Presse,            der Löwen in Zoos eigentlich ab. In der      lation für die Philippinen.“
Druckhaus Nürnberg GmbH & Co. KG            erwähnten Stellungnahme ist ausdrück-           Ob bei Asiatischen Löwen oder Prinz-
                                            lich die Rede davon, dass Großkatzen         Alfred-Hirschen: Encke hält die Haltung
Auflage ca. 186.600 Exemplare               generell „nicht mehr in Gefangenschaft       der Tiere in Zoos für „unabdingbar“,
Mit freundlicher Unterstützung von:         gehalten werden dürfen“. Der Zoo ist         wenn die Art überleben soll. Während
                                            gegenüber dem Zirkus aus der Perspek-        die Zoo-Verantwortlichen betonen, dass
                                            tive der Tierrechtsorganisation nur das      man mit Tierschützern zusammenarbei-
                                            kleinere Übel.                               ten könne, werfen sie Tierrechtsorganisa-
                                               An der Debatte um die Löwenhaltung        tionen Passivität vor: Sie gingen von der
                                            werden unterschiedliche Sichtweisen          Würde des Einzeltieres als „unverhan-
                                            deutlich: Tierrechtsorganisationen, als      delbares Gut“ aus. Deswegen dürfe kein
                                            deren philosophische Gewährsmänner           Mensch über ein Tier verfügen. Aber
                                            der Australier Peter Singer („Animal         dies bedeute, dass man auch nichts für
                                            Liberation“, 1975) und der US-Amerika-       die Erhaltung der Arten tun dürfe. „Wir
                                            ner Tom Regan („The Case for Animal          hätten keine Verantwortung für das Tier,
                                            Rights“, 1983) fungieren, haben primär       außer, es in Ruhe zu lassen. Das finde ich
                                            das Wohl von Tierindividuen im Auge.         ethisch bedenklich, weil es eine Unterlas-
                                            Deswegen wollen sie dem Zirkuslöwen          sungssünde ist“, sagt Encke. Bei den Asi-    Die Prinz-Alfred-Hirsche gelten als Reserve für die Population in der Wildbahn.
Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg
MAI 2020                                                                           T I E R G A RT E N Z E I T U N G           NO. 20                                                                         SEITE 3

Alle lieben
Klein-Kato
Was Kinder für die Tierwelt bedeuten, zeigt sich
beim ersten Gorillanachwuchs seit 40 Jahren

I   m Affenhaus herrscht Trubel. „Schau
    mal, Mama!“, rufen Kinder von allen
    Seiten. Und auch die Herbeigerufe-
nen sind entzückt, sobald sie vor der di-
cken Glasscheibe stehen und ihr Blick in
                                             Vergleich zum Vorjahr freuen. Mutter
                                             Habibu lässt ihr Erstgeborenes nicht aus
                                             den Augen. Sie trägt es umher, legt es
                                             zum Wärmen auf den Bauch, und stillt –
                                             wohl noch die nächsten vier Jahre. Doch
die Ecke gleitet. Dort sitzt Kato. All die   nicht nur sie, auch die anderen drei er-
Aufmerksamkeit gilt ihm.                     wachsenen Tiere kümmern sich liebevoll
   Das pechschwarze Gorillajunge mit         um Kato.
den großen, dunklen Augen zeigt sich            Langeweile ist passé, der Nachwuchs
unbeeindruckt ob der Aufregung um            ist ein Spaß für alle. „Nichts beschäftigt
ihn. Er spielt lieber mit einem Stecken.     eine Tiergruppe mehr als ein Jungtier“,
Dabei ist er über und über mit Halmen        weiß Tierärztin Katrin Baumgartner.
bedeckt – von dem Stroh, das seine           Ihm werde die gesamte Aufmerksam-
Mama Habibu ihm als Bett bereitet            keit zuteil. Schließlich gehe es um nichts
hat. Kato greift den dünnen Ast, zieht       Geringeres als den Arterhalt. Kato ist
ihn zwischen seinen Lippen hindurch.         der erste Zuchterfolg bei den Gorillas in
So wie es die Großen tun. Menschen-          Nürnberg nach 40 Jahren.
affen lieben es, die Rinde von Ästen            Der Nachwuchs wirbelt die kompli-
abzufressen.                                 zierte Hierarchie, die das Zusammen-
   Kato hat gerade Schneidezähne be-         leben der Flachlandgorillas bestimmt,
kommen, seitdem lutscht er an allem,         ganz schön durcheinander. Noch acht,
was er in die Hände bekommt. Nur Ei          neun Jahre, dann wird Kato in die Puber-
mag er nicht so. Eines hat er letztens von   tät kommen und sich mit seinem Vater
den Pflegern zum Probieren bekommen.         Thomas messen wollen.                        Gorillajunge Kato hat die Herzen der Besucher und Zoo-Mitarbeiter erobert.
Chicorée frisst er umso lieber – eine bei       Auch Louna reagiert positiv auf Kato.
allen Gorillas beliebte Speise.              Dabei hatte das Gorillaweibchen ei-          stark ableckte – mit fatalen Folgen. Vie-   kaum leisten könne. Eine Handaufzucht       zu untersuchen. „Solange es auch so gut
    „Kato ist einfach pfiffig,“ sagt Re-     nen Tag vor dessen Geburtstag, dem           le Mütter benötigten mehrere Anläu-         soll außerdem immer möglichst vermie-       klappt, sind wir da sehr zurückhaltend.“
vierleiterin Ramona Such und lächelt         2. November 2019, selbst eine Geburt –       fe, bis es mit Geburt und Nachwuchs         den werden.                                    Und dennoch: Die Verantwortlichen
liebevoll. Sie ist unter anderem für das     mit traurigem Ausgang. Das Jungtier war      problemlos klappt.                            Welche Rolle nehmen die Pfleger beim      seien auf alle möglichen Notsituationen
Affenhaus zuständig und kann sich gera-      eine Frühgeburt. Es starb nach ein paar         Ähnlich wie bei dem Emu-Pärchen,         Tiernachwuchs also ein? „Eine Mut-          vorbereitet, sagen sie. Für jedes Szena-
de vor Medienanfragen kaum retten. Das       Stunden. Louna trug das tote Junge noch      das seit kurzem im Nürnberger Zoo lebt      terrolle jedenfalls nicht“, erklärt Such.   rio gebe es eine Art Regelkatalog, in
Jungtier gedeihe prächtig, bekomme           vier Tage lang mit sich herum – bis die      und dessen Weibchen begonnen hat            Natürlich habe sie eine Verbindung zu       dem festgelegt ist, was zu tun ist. „Das
mehr und mehr Kraft, um sein Umfeld          Pfleger es entfernen mussten, weil es an-    zu legen. „Die liegen an verschiedenen      Kato und der Gruppe aufgebaut, „aber        gibt Sicherheit.“ Ein solcher Notfallplan
zu erkunden.                                 fing, sich aufzublähen. Bei rund 50 Pro-     Stellen.“ Doch im Winter seien die Eier     ich habe keine Muttergefühle“. Nichts-      kam vor Jahren bei einem Giraffenjun-
                                             zent liegt die Wahrscheinlichkeit, dass      draußen einfach nicht überlebensfä-         destotrotz: Such hat ihre Wohnung über      gen zum Einsatz, als die Mutter keine
Das Jungtier entwickelt                      bei erstgebärenden Gorillas der Nach-        hig. Die großen Laufvögel müssten erst      dem Affenhaus, kümmert sich auch mal        Milch geben konnte. „Das mussten wir
sich schnell                                 wuchs auch überlebt.                         einmal lernen, so Baumgartner, wo sie       nachts um ihre Schützlinge. Auf dem         dann wohl oder übel mit der Hand auf-
                                                Mit Kato hat Louna nun eine neue          brüten können.                              iPad hat sie die Aufzeichnungen der         ziehen“, erzählt Such, die seit 35 Jahren
   Als Faustregel gilt: Ein Gorillajunge     Aufgabe: Tante sein. Eine gute Übung,                                                    Überwachungskameras in den Gehegen          Tierpflegerin ist. So habe sie viel über
altert doppelt so schnell wie ein Men-       falls neuer Nachwuchs ansteht. In etwa       Nicht aus jedem Ei wird                     immer im Blick.                             die Entwicklung der Tierart lernen kön-
schenkind. Und ein weiteres Naturge-         einem Jahr sollte es wieder so weit sein,    ein Küken                                     Einschreiten mussten sie und ihr Team     nen – aber noch etwas viel Wertvolleres
setz lautet: Babys üben von allen Tieren     schätzt Tierpflegerin Such.                                                              bei dem Affenbaby bisher nicht. Such        erfahren: „So ein zahmes Tier war schon
die größte Anziehungskraft aus. Auch            Die geborene Mutter gibt es im Tier-        Die Eier werden nun verfüttert. Eine      hat Kato auch nur durch die Gitter hin-     auch toll. Mit dem konnte ich rumdad-
deshalb verzeichnete der Tiergarten im       reich nicht: Gerade bei Erstgebärenden       Handaufzucht wäre viel zu aufwendig,        durch berührt – als die Mutter es zuließ.   deln und rumschmusen.“
Dezember 2019 einen Besucherrekord.          passieren immer wieder tödliche Feh-         erklärt die Veterinärin. Die Tierart müs-   Mehr Nähe brauchte es zu dem Wildtier
Im Januar durfte er sich ebenfalls über      ler, sagt Baumgartner. Sie erinnert sich     se immer in Bewegung bleiben – daher        bisher nicht. Auch die Zootierärztin sah    Text: Meike Kreil
einen Zuwachs von rund 20 Prozent im         an eine Antilope, die ihr Junges viel zu     der Name Laufvogel –, was ein Pfleger       noch keinen Anlass, Kato eingehender        Foto: Ramona Such

                                                                                  Buchbesprechungen
In seinem schmalen                           Was haben das Klima und das Wetter           Spätestens seit dem                         Ebenfalls im Bienenschwerpunkt des          Auch wenn der Ti-
Bändchen         vereint                     miteinander zu tun? Die Klimaforscherin      Bienen-Volksbegeh-                          Haupt-Verlags erschienen ist das Buch       tel des Buches „Die
der       amerikanische                      Friederike Otto und ihr Team haben den       ren in Bayern sind                          „Die Bienenkönigin. Was jeder Hob-          fabelhafte Welt der
Schriftsteller und Na-                       Zusammenhang gefunden. Es geht um            hierzulande die Bie-                        byimker wissen muss“. Die Autorin           fiesen Tiere“ eher an
turschützer Jonathan                         die Wahrscheinlichkeit, mit der extreme      nen die Botschaf-                           Hilary Kearney ist die Gründerin eines      Klamauk denken lässt,
Franzen zwei Essays                          Wetterphänomene aufgrund des Klima-          terinnen für den                            Bienenzuchtunternehmens, das jedes          geht es dem Biologen
zur aktuellen Klima-                         wandels auftreten. Den Wissenschaftlern      heimischen Arten-                           Jahr Hunderte von Imkerinnen und Im-        Frank Nischk um die
debatte. Neben dem                           ist es gelungen, den Einfluss des Klima-     schutz. Und das                             ker ausbildet. Folglich könnte man ihr      bedrohte      Insekten-
titelgebenden       Text                     wandels aufs Wetter zu berechnen. So         ungeachtet der Tat-                         Buch auch als eine Art Lehrbuch für den     welt und deren oft-
„Wann hören wir end-                         ist eine Hitzewelle, wie sie Deutschland     sache, dass die weit-                       Imkernachwuchs auffassen. Auf 48 im         mals im Verborgenen
lich auf, uns etwas vorzumachen?“ gibt es    2018 erlebt hat, durch den Klimawandel       hin bekannte Honigbiene gar nicht vom       Buch eingebundenen, großformatigen          schlummernde Schönheit. Die über alle
noch den Beitrag „Das Spiel ist aus. Der     mindestens doppelt so wahrscheinlich         Aussterben bedroht ist. Es sind viel-       Suchbildern können alle Bienenfreunde       Seiten des Buches verteilten Sechsfüßer
Petro-Kommunismus hat gewonnen“.             wie früher.                                  mehr die Wildbienen, denen das Leben        schon mal üben, die Bienenkönigin zu        wie auch die über einen QR-Code einge-
In einem umfangreichen Vorwort ordnet        Otto beschreibt ihr Modell und des-          schwer gemacht wird. Ihnen widmen           finden. Besonders bei den 18 als schwer     fügten Klangbeispiele singender Grillen
Franzen seine Gedanken in den öffentli-      sen zunehmende Verfeinerung sehr             sich die Landschaftsökologin Janina         eingestuften Suchbildern ist das eine       machen das Buch lebendig. Als Nach-
chen Diskussionsprozess ein. Eigentlich      anschaulich und beinahe mitreißend.          Voskuhl und der Biologe Herbert Zucchi      wirkliche Herausforderung.                  wuchsforscher widmete sich Nischk fast
ist mit dem Untertitel des ersten Essays     Wer immer schon Argumente suchte             in ihrem Band „Wildbienen in der Stadt.     Kearney beschreibt das Bienenleben          ehrfürchtig der Deutschen Schabe, sprich
auch bereits alles Wesentliche gesagt:       gegen Klimawandelleugner und -ver-           Entdecken, beobachten, schützen“.           im Honigbienenstock, das Leben der          der eher wenig renommierten Kakerla-
„Gestehen wir uns ein, dass wir die Kli-     harmloser, wird in diesem gut belegten       Biologisch fundiert fächern die Au-         Bienenkönigin und deren Erkennungs-         ke. In der weiteren Forschung wechselte
makatastrophe nicht verhindern können.“      Buch auf jeden Fall fündig.                  toren das Thema von den Insekten            merkmale. Wer mit dem Gedanken              Nischk in die Bioakustik. Hierfür begab er
Das ist ganz praktisch gemeint: keine fal-   Durch Ottos Forschungsergebnisse             zu Wissenswertem über Bienen, de-           spielt, selbst in die Imkerei einzustei-    sich auf akustische Grillenjagd. Geradezu
schen Hoffnungen auf Rettung nähren.         können Klimaveränderungen auch auf           ren Entdecken und Schützen in der           gen, findet in diesem Buch – am Besten      ehrfürchtig erkennt er im Grillenklang den
Vielmehr plädiert Franzen dafür, endlich     konkrete Verursacher zurückgeführt           Stadt bis zu Wildbienenprojekten            in Kombination mit dem oben beschrie-       Sound eines Streichinstruments.
die Tatsache des Klimawandels zu ak-         werden. So sollte es möglich sein,           für Schulen, Kitas und Familien auf.        benen Wildbienenbuch – einen prima          Letztlich schafft es der Autor mit seiner
zeptieren und „drakonische Naturschutz-      Unternehmen oder Länder in die               Der 256 Seiten umfassende Band ist          Einstieg in sein neues Hobby.               Bewunderung für die weithin verborgene
maßnahmen“ zu ergreifen. Als ersten          Haftung zu nehmen, sprich vor Gericht        umfangreich bebildert und richtig                                                       Welt der Insekten auch beim Leser Neu-
Ansatzpunkt sieht Franzen die sofortige      zu bringen oder zum Umdenken zu              praktisch, um im es beim täglichen          Kearney, Hilary                             gierde und Interesse zu wecken. Sein Plä-
Verringerung des CO2-Ausstoßes.              zwingen.                                     Arbeiten mit nach Draußen zu nehmen.        Die Bienenköni-                             doyer für die Rettung der Vielfalt seiner
                                                                                                                                      gin. Was jeder                              Lieblingstiere überzeugt auf der ganzen
Jonathan Franzen, Wann hören wir auf,        Friederike Otto,                             Voskuhl, Janina /                           Hobbyimker                                  Linie.
uns etwas vorzumachen?                       Benjamin von Brackel                         Zucchi, Herbert                             wissen muss
Rororo, rowohlt Verlag, Hamburg 2020         Wütendes Wetter.                             Wildbienen in der Stadt. entdecken,         Haupt Verlag                                Frank Nischk
ISBN: 978-3-499-00440-7                      Ullstein Verlag, Berlin                      beobachten, schützen                        Bern, 2020                                  Die fabelhafte Welt der fiesen Tiere.
übersetzt von: Bettina Abarbanell;           2019                                         Haupt Verlag, Bern 2020                     ISBN: 978-3-                                Ludwig, München 2020
Wieland Freund                               ISBN: 9783550050923                          ISBN: 978-3-258-08195-3                     258-08171-7                                 ISBN: 978-3-453-28114-1
Preis: 8 Euro                                Preis: 18 Euro                               Preis: 29,90 Euro                           Preis: 22 Euro                              Preis: 20 Euro
Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg
SEITE 4                                                                            T I E R G A RT E N Z E I T U N G            NO. 20                                                                          MAI 2020

                                                                                                                                                                                        Dass Fischotter große Strecken zurück-
                                                                                                                                                                                     legen, zeigt ein Vorfall aus der Nürnber-
                                                                                                                                                                                     ger Innenstadt. Auf Höhe der Naturhis-
                                                                                                                                                                                     torischen Gesellschaft (NHG) war vor
                                                                                                                                                                                     einigen Jahren ein Exemplar auf dem
                                                                                                                                                                                     Altstadtring von einem Auto überfahren
                                                                                                                                                                                     worden. Es war wohl auf der Suche nach
                                                                                                                                                                                     einem neuen Revier über die Pegnitz
                                                                                                                                                                                     gekommen. Die Tiere schwimmen nur
                                                                                                                                                                                     unter Brücken durch, wenn es dort einen
                                                                                                                                                                                     Uferstreifen gibt. Fehlt dieser, wie auf
                                                                                                                                                                                     Höhe der NHG, nehmen sie notfalls auch
                                                                                                                                                                                     den gefährlichen Weg über Straßen.
                                                                                                                                                                                        Tim und Paulinchen fungieren als
                                                                                                                                                                                     „Botschafter“, sagt Tiergarten-Revier-
                                                                                                                                                                                     leiter Torsten Krist. Die sympathischen
                                                                                                                                                                                     Tiere werben nicht nur für den Erhalt
                                                                                                                                                                                     der Fischotter-Bestände, sondern auch
                                                                                                                                                                                     anderer bedrohter Arten sowie der Ge-
                                                                                                                                                                                     wässer in Bayern. Während der täglichen
                                                                                                                                                                                     Fütterung um 14.15 Uhr informieren die
                                                                                                                                                                                     Pfleger über ihre Lebensweise. „Wenn wir
                                                                                                                                                                                     die Bevölkerung für Wiederansiedlungs-
                                                                                                                                                                                     projekte begeistern und gewinnen, profi-
Die Fischotter im Tiergarten sind gute Botschafter ihrer Art. Besucher finden die kleinen Nager im Aquapark.                                                                         tieren auch Wasservögel, Flusskrebse und
                                                                                                                                                                                     Amphibien“, betont Krist.

Verspielter Räuber
                                                                                                                                                                                        Um Fischzüchter mit dem tierischen
                                                                                                                                                                                     Konkurrenten zu versöhnen, gibt es in
                                                                                                                                                                                     Bayern einen Fischotter-Management-
                                                                                                                                                                                     plan. Er sieht die Förderung von Prä-
                                                                                                                                                                                     ventionsmaßnahmen vor, wie den Bau
                                                                                                                                                                                     von Zäunen um bewirtschaftete Teiche,
Fischotter galten in Deutschland als ausgestorben und kehren erst nach und nach zurück                                                                                               sowie Entschädigungszahlungen, wenn
                                                                                                                                                                                     der Otter nachweislich größeren Scha-
                                                                                                                                                                                     den angerichtet hat. Langfristig ist für

M           an muss ein bisschen Glück
            haben, um sie in ihrem Ge-
            hege zu sehen. Aber wenn sie
sich zeigen, bezaubern sie die Besucher.
Sie keckern, murren, pfeifen und balgen
                                             Denn in den 1990er Jahren galt die Art
                                             in Deutschland als fast ausgerottet. Die
                                             Tiere waren über Jahrhunderte gnaden-
                                             los gejagt worden. Der Staat zahlte sogar
                                             Prämien für jedes erlegte Tier. Auch sein
                                                                                          beigetragen. Jetzt ist der Fischotter wie-
                                                                                          der da und schon regt sich Ärger bei Fi-
                                                                                          schereivereinen und Teichbesitzern. In
                                                                                          Österreich und vereinzelt auch hierzulan-
                                                                                          de wird schon nach einer Aufhebung der
                                                                                                                                       die vom Otter-Zentrum Hankens-
                                                                                                                                       büttel kam, eine neue Partnerin
                                                                                                                                       bekommen. Paulinchen hat dort er-
                                                                                                                                       folgreich Junge aufgezogen. Laut Er-
                                                                                                                                       haltungszuchtprogramm für Fisch-
                                                                                                                                                                                     das Überleben der Art eine Vernetzung
                                                                                                                                                                                     der Lebensräume in Spanien, Frankreich,
                                                                                                                                                                                     Tschechien und Polen wichtig, damit
                                                                                                                                                                                     der genetische Austausch gewährleistet
                                                                                                                                                                                     ist. Dabei spielt die Population in Süd-
miteinander, jagen sich im Spiel durch die   wertvoller, dichter Pelz machte den Otter    Schonzeit gerufen.                           otter passen Tim und Paulinchen gene-         deutschland eine wichtige Rolle.
Anlage und fressen ungeniert schmatzend      zu einer begehrten Beute.                      Tim, der Fischotter im Nürnberger          tisch bestens zueinander. Und sie harmo-         Experten setzen ihre Hoffnung darauf,
ihre Fischmahlzeit. Otter sind extrem ver-      Unter anderem im Bayerischen Wald         Tiergarten, wurde 2007 als Wildtier in       nieren auch sonst sehr gut. Im Tiergarten     dass sich der bayerische Bestand nach
spielt, sagt Helmut Mägdefrau, Kurator       und an der deutsch-tschechischen Gren-       Tschechien geboren. Als seine Mutter         hofft man auf Nachwuchs.                      Westen ausdehnt und Verbreitungslücken
im Zoo am Schmausenbuck. „Es ist eine        ze haben zum Glück kleine Restbestän-        überfahren wurde, kam der gerade ein-           Bei Fischottern handelt es sich nach       geschlossen werden. Vielleicht werden
Freude, ihnen zuzusehen.“                    de diese gnadenlose Hatz überlebt. Und       mal vier Wochen alte Winzling in eine        dem Dachs um die zweitgrößte Marderart        auch Tim und Paulinchen ihren Beitrag
   Die Tierart war ursprünglich mit Aus-     langsam hat sich die Marderart im Frei-      Auffangstation, wo er mit der Hand auf-      in Mitteleuropa. Sie leben in ausgedehn-      leisten. Wenn sie Jungtiere bekommen,
nahme von Island und den Mittelmeer-         staat – dank der Einführung einer ganz-      gezogen wurde. In Nürnberg bekam er          ten Revieren mit rund 20 Kilometern           könnten diese später ausgewildert wer-
inseln in ganz Europa verbreitet. Heute      jährigen Schonzeit – wieder ausgebreitet.    ein endgültiges Zuhause. Hier hat er mit     Uferlänge und können sehr lange unter         den. Denn spätestens nach zwei Jahren
sind Fischotter sehr selten und streng ge-   Auch das Bemühen, die Wasserqualität         seiner Partnerin schon mehrere Jungtiere     Wasser bleiben. Normale Tauchgänge            müssen sie zuhause ausziehen. „Sonst“, so
schützt. In Bayern leben laut Schätzungen    in den heimischen Flüssen, Bächen und        gezeugt. Der Nachwuchs wurde ausge-          dauern bis zu zwei Minuten, aber auch         Mägdefrau, „fliegen die Fetzen.“
maximal 250 Individuen.                      Seen zu verbessern sowie Maßnahmen           wildert oder ging in Zoos.                   acht Minuten wurden schon beobachtet.
   Doch selbst über diese bescheide-         zur Renaturierung begradigter oder be-         Nach dem Tod seines ersten Weib-           Sie fressen Fische, Krebse, Amphibien,        Text: Alexandra Voigt
ne Zahl sind Naturschützer glücklich:        tonierter Gewässer hat zur Vermehrung        chens hat Tim jetzt mit Paulinchen,          Insekten und Muscheln.                        Foto: Michael Matejka

Mit dem Klimawandel kommen neue Insekten
Andere Arten von Wanzen, Bienen und Käfern als früher besiedeln inzwischen den Schmausenbuck

D         ie Folgen des Klimawandels
          spürt auch der Tiergarten:
          Bäume sterben, der Insekten-
bestand verändert sich. Seit langem be-
schäftigt das Baumsterben Forstwirte
                                             darunter der ebenfalls eingeschleppte
                                             Asiatische Laubholzbockkäfer. Behei-
                                             matet war er ursprünglich in Asien, in-
                                             zwischen kommt der Holzschädling im-
                                             mer öfter auch in Europa vor.
                                                                                          dass einige Exemplare mit Frachtflie-
                                                                                          gern von Amerika nach Europa kamen
                                                                                          und sich hier vermehrt haben. Um den
                                                                                          Winter zu überstehen, verkriechen sie
                                                                                          sich gerne in beheizten Gebäuden. Auch
                                                                                                                                       men“ sei der Tiergarten, sagt Beckmann.
                                                                                                                                       Unterschiedliche Bäume und Sträucher
                                                                                                                                       sind auf dem Areal zu finden, Totholz,
                                                                                                                                       Wiesen, Gewässer. Solche strukturrei-
                                                                                                                                       chen Landschaften sind ökologisch oft
                                                                                                                                                                                     Die Bemühungen des Tiergartens um
                                                                                                                                                                                     Artenvielfalt scheinen sich auszuzahlen:
                                                                                                                                                                                     Immer wieder werden auf dem Areal
                                                                                                                                                                                     neue Insekten- und Spinnenarten ent-
                                                                                                                                                                                     deckt. „Insgesamt wurden auf dem Tier-
und Naturschützer. „Das passiert bei            „Es wird streng darauf geachtet, dass     in Beckmanns Büro im Verwaltungs-            sehr wertvoll und bieten verschiedens-        gartengelände über 3.000 Insektenarten
uns im Tiergarten Nürnberg genauso           seine Ausbreitung eingedämmt wird“,          gebäude des Tiergartens krabbeln die         ten Arten Raum zum Leben. Für Wild-           nachgewiesen“, sagt Helmut Mägdefrau,
wie draußen“, sagt der stellvertretende      sagt Jörg Beckmann. Wälder, in denen er      Wanzen herum. „Bisher wurden sie in          bienen und Laufkäfer gibt es im Tiergar-      Tiergartenvizedirektor. „Aber wir wer-
Zoologische Leiter Jörg Beckmann.            sich festgesetzt hat, würden rigoros gero-   Deutschland nicht als Schädlinge wahr-       ten eine Sanddüne. Schon seit Jahren ist      den in den nächsten zehn bis 20 Jahren
Vor allem Trockenheit, Forstschädlin-        det, um den gefräßigen Käfer zu stoppen.     genommen, in Nordamerika, ihrer ur-          der Zoo darauf bedacht, die Situation         eine Verschiebung erleben.“ In welche
ge und zahlreiche Stürme setzten den         Im Nürnberger Tiergarten wurde der           sprünglichen Heimat, jedoch schon“,          der Insekten ins Bewusstsein der Men-         Richtung diese Verschiebung geht, kön-
Bäumen zu. Während die einen ster-           Laubholzbockkäfer bisher nicht gesich-       sagt er. Die Kiefernwanze sauge gerne        schen zu rücken – zum Beispiel mit der        ne derzeit niemand vorhersehen.
ben, blühen die anderen richtig auf:         tet. Ein weiteres Beispiel für eine „neue    an den Zapfen von Kiefern – einer der        Mistkäferhaltung im Wüstenhaus. Sie
Totholz und geschwächte Bäume im             Art“ jedoch schon, die Amerikanische         häufigsten Baumarten in Nürnberg. Ein        macht darauf aufmerksam, welche wich-         Text: Philipp Demling
Wald bieten nahezu perfekte Brutbedin-       Kiefernwanze. Jörg Beckmann vermutet,        „Mosaik aus verschiedenen Lebensräu-         tige Rolle die Käfer für die Natur spielen.   Fotos: Michael Matejka
gungen für viele Insekten, zum Beispiel
für diverse Bock- und Borkenkäfer-
arten. Dadurch steigt die reine Bio-
masse an Insekten kurzfristig an. Dem
Insektensterben an sich wirkt dies aber
nicht entgegen.
   Durch den Klimawandel werden
manche Insektenarten seltener werden
Dafür kommen andere dazu, die früher
ausschließlich in südlichen Regionen
zu Hause waren. Ein Beispiel dafür ist
die blaue Holzbiene, die einer Hummel
ähnelt. Ihr auffälligstes Merkmal sind
ihre blau schimmernden Flügel. Auch
sie fühlt sich im Totholz wohl. Bis vor
einigen Jahrzehnten lebte die Blaue
Holzbiene vor allem in Südeuropa. In
Deutschland kam sie allenfalls in der
klimatisch milden Oberrheinebene vor.
Inzwischen ist sie auch in Bayern, Hes-
sen, Ost- und Norddeutschland keine
Seltenheit mehr. Doch auch Schädlinge        Borkenkäfer vermehren sich derzeit rasant, dem Insektensterben an sich wirkt              Jörg Beckmann neben einer abgestorbenen Fichte im Tiergarten, vielen Arten
werden in unseren Breiten heimisch -         dies aber nicht entgegen.                                                                 dient sie jetzt als Lebensraum.
Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg
MAI 2020                                                                          T I E R G A RT E N Z E I T U N G          NO. 20                                                                        SEITE 5

Die Vorratskammer muss voll sein
Futtermeister Gerd Schlieper sorgt dafür, dass alle Tiere satt werden – vieles stammt aus der Region und aus eigenem Anbau

G        erd Schlieper muss regelmäßig
         6.414 hungrige Mäuler stopfen.
         „Das ist kein Hexenwerk“, meint
der Futtermeister im Tiergarten Nürn-
berg. Damit hat er sicher recht. Denn
der Landwirt ist ein kühler Rechner und
ein erfahrener Logistiker. Seit Sommer
2012 sorgt der Chefeinkäufer dafür, dass
die Tröge in den Gehegen immer gut
gefüllt sind. Dabei greift er auf Ware zu-
rück, die er aus ganz unterschiedlichen
Quellen bezieht. Schlieper ist stolz dar-
auf, dass der Tiergarten über eine eige-
ne Futterproduktion im Gut Mittelbüg
verfügt und dadurch sehr nachhaltig
wirtschaftet.
   Vor allem frisches Gras stammt aus
dem nur sieben Kilometer entfernten,
landwirtschaftlichen Betrieb der Stadt
Nürnberg. Es war ein Glücksfall, dass
dieses früher ganz unterschiedlich ge-
nutzte Anwesen bereits vor Jahrzehnten
dem Tiergarten zugeschlagen wurde.
Schlieper und sein Team planen lang-
fristig und verfügen damit über regel-
mäßigen Nachschub.
   Das ist wichtig, denn manche Be-
wohner des Tiergartens sind absolute
Feinschmecker und verschmähen das
Gras, wenn es nicht die richtige Kon-
sistenz hat. Das kann passieren, wenn
das Futter einen zu langen Transport-
weg hat. Bei 90 Prozent des gesamten
Volumens an Heu für die Fütterung
im Tiergarten ist das nicht der Fall:
Es stammt aus eigenem Anbau. Die
Landwirtschaft in Mittelbüg ist „Bio“
zertifiziert und somit von hoher Qua-
lität. Bei der Weltleitmesse „Biofach“
im Februar 2020 war der Tiergar-
ten offizieller Botschafter der „Bio-        Gerd Schlieper kauft größere Mengen an Grünfutter, wie den Endiviensalat, am liebsten aus der näheren Umgebung.
stadt Nürnberg“. An einem größeren
Stand wurde den Besuchern die Bewirt-        Dabei stellt er ganz besondere Ansprü-      Das gilt auch für exotische Sachen wie     Herde wie viel frisst, ist schwer zu kon-   Naturalien bei. Die Säcke mit getrock-
schaftung vorgestellt. „Viele in Nürn-       che. Die Fische müssen mager sein. Er       Kolibrinektar. Den findet Schlieper in     trollieren. „Sie grasen, grasen, grasen“,   netem Brot hat der Tiergarten seit län-
berg wissen gar nicht, dass wir hier ein     weiß genau, wann die Fänge aus wel-         Holland. Häufig werden die Futtersor-      verdeutlicht Baumgartner. Auch ein          gerem vom Eingang verbannt, weil die
Vorzeigebetrieb sind“, vermutet der          chen Fanggründen entsprechend aus-          ten gemischt, um den Bedürfnissen der      Raubtier muss sich vollfressen können.      Gefahr des Schimmelns zu groß ist.
Futtermeister.                               fallen und kauft dann im Voraus gleich      Tiere gerecht zu werden.                   Aber dafür gibt es zwei Mal in der Wo-      Auch die abgegebenen Christbäume
                                             große Mengen ein. 70 bis 90 Tonnen             Wer welches Nahrungsmittel erhält,      che gar kein Futter.                        rund um Weihnachten sind mehr Spiel-
Selbst der Kot wird                          Fisch sind es im Durchschnitt pro Jahr.     das legt Tierärztin Katrin Baumgart-          Manchmal wächst ein besonderer           zeug als Futter. Hierfür eignen sich viel-
                                             Wegen der Delphin- und Seelöwenhal-         ner zusammen mit den Revierleitern         Leckerbissen gleich um die Ecke, wie        mehr Pellets, die häufig mit Mineral-
wiederverwendet
                                             tung hat Nürnberg einen hohen Bedarf.       fest. Regelmäßig werden die Futter-        etwa Akazienäste. Die Bäume befinden        stoffen angereichert sind. Futtermeister
   Sogar die Hinterlassenschaften der           Die gefrorenen Fische lagern beim        listen überprüft und angepasst. Als        sich in dem Gebiet des Reichswalds, für     Schlieper bezieht diese bevorzugt von
Tiere werden genutzt, indem das Stroh        Händler auf Abruf. Zurzeit wird eine        Richtschnur gilt ein Bodyscoring, das in   das der Tiergarten zuständig ist. Daher     einem kleineren Betrieb in Emskirchen.
aus den Ställen in Mittelbüg kompos-         neue Futterhalle gebaut und damit die       Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für       kommt es vor, dass manchmal ganze           Er geht wegen der kurzen Transportwe-
tiert und zur Düngung eingesetzt wird.       Lagerfläche deutlich vergrößert. Das        Tiermedizin in Zürich überwacht wird.      Baumkronen in den Gehegen landen.           ge gerne in der Umgebung auf die Suche
Auf diese Weise schließt sich der Kreis-     freut den Futtermeister, denn dadurch       Die Durchschnittswerte seien „gut          Sehr zur Freude der Besucher. Sie foto-     nach Nahrung für seine Schützlinge.
lauf der Nährstoffe. Natürlich schlägt       wird er flexibler. Wenn er mal ein bis      geeignet, die Tiere weder mit Überge-      grafieren gerne während der Fütterung          Wenn der Tiergarten einen größeren
es sich auch auf der Kostenseite posi-       zwei Tonnen Fisch zu viel eingekauft        wicht noch unterernährt zu halten“, be-    und wissen ein ungewöhnliches Mo-           Teil der benötigten Futtermengen in
tiv nieder, wenn 40 Tonnen Runkelrü-         hat, „verkaufe ich es weiter“, sagt er.     kräftigt die Tierärztin.                   tiv zu schätzen. Das kann der stellver-     der Region einkauft, ist das nicht nur
ben, zehn Tonnen Weizen, 7,5 Tonnen          Schwieriger sei es, wenn er zu wenig ge-                                               tretende Direktor Helmut Mägdefrau          für die Ökobilanz gut, sondern macht
Grünmais und drei Tonnen Hafer – um          ordert hat. Aber gehungert hat deswe-       Ein Raubtier muss sich                     verstehen. Dennoch wolle man sich ein       sich auch positiv im Budget bemerkbar.
nur die größten Posten zu nennen –           gen noch kein Tier.                         vollfressen können                         Stück von den festen Fütterungszeiten       Schließlich ist es den Tieren egal, ob das
dort selbst angebaut werden.                    Manchmal geht es auch schlicht um                                                   verabschieden, sagt er. Bei den Men-        Obst so aussieht wie in der Werbung.
   Da Nürnberg bekanntlich nicht am          eine Extraportion. Giraffen lieben bei-       Natürlich kennt sie noch andere In-      schenaffen hat der Tiergarten schon in      Ihnen schmeckt eine krumme Möhre
Meer liegt, aber etliche Bewohner            spielsweise getrocknete Himbeerblät-        dikatoren für eine zu gute Ernährung.      den 1980er Jahren umgestellt und bei        oder ein kleiner Apfel ebenso.
am Schmausenbuck leben, die gerne            ter. Die besorgt Schlieper ebenso selbst-   Bei den Huftieren setzt sich Fett zum      den Raubtieren sollte es ebenso sein.
und regelmäßig Fisch fressen, muss           verständlich wie spezielle Leckerli für     Beispiel im Mähnenkamm ab. Egal, ob           Zur Versorgung der Tiere tragen die      Text: Petra Nossek-Bock
Schlieper jede Menge davon einkaufen.        die Affen, die es in der Schweiz gibt.      Esel, Zebras oder Pferde: Wer in der       Besucher übrigens immer weniger mit         Fotos: Tilmann Grewe

Bei dem Gemüse zum Verfüttern handelt es sich oft um zweite Wahl. Fische werden in Blöcken als Tiefkühlware eingelagert. Für Fleisch gibt es verschiedene Bezugsquellen.
Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg
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Brillenbären, Elefanten, Nilpferde und Iberische Wölfe zieren die Ahnengalerie des Tiergartens. Giraffen, Seekühe, Fischkatzen, Mistkäfer, Paviane und Bartgeier verdeutlichen ein modernes Zoomanagement.

Wer geht, wer bleibt, wer kommt? Welche Tiere werden ausgewählt?
Über die Zusammensetzung des Bestands entscheiden viele Kriterien – heute werden andere Arten berücksichtigt als vor 50 Jahren. Das europäische Erhaltungszuchtprogramm ist ein wesentlicher Faktor – das Publikum
würde häufig für andere Tiere plädieren. Durch veränderte Ansprüche an Größe und Ausgestaltung der Gehege sind frühere Bewohner nicht mehr so einfach wieder anzusiedeln.

W            elche Tiere erwarten Zoo-
             Besucher in Nürnberg –
             und welche passen zur Idee
des Tiergartens? Wieso sitzen Bartgei-
er in einem Gehege, in dem zuvor ein
                                             ten – ob Delphine oder Elefanten – hier-
                                             zulande Menschen für Themen erreiche,
                                             die beispielsweise in Afrika von Belang
                                             sind. „Kein Mensch würde sich für Ele-
                                             fanten interessieren, wenn sie durch ihre
                                                                                          linge im Manati-Haus: Sie sind als
                                                                                          Bestäuber in den Tropen essentiell.
                                                                                          Doch wie attraktiv sind sie etwa
                                                                                          gegenüber Nilpferd oder Braunbär?
                                                                                              Dag Encke überlegt keine Sekunde.
                                                                                                                                            Die Beweggründe und Entschei-
                                                                                                                                         dungskriterien für tierische Ein- und
                                                                                                                                         Auszüge am Schmausenbuck sind äu-
                                                                                                                                         ßerst vielschichtig und als Kurzinforma-
                                                                                                                                         tion für Besucher kaum zu transportie-
                                                                                                                                                                                        Will man im Zoo etwas Spezifisches
                                                                                                                                                                                     mit Erinnerungswert präsentieren,
                                                                                                                                                                                     braucht man Überraschungseffekte.
                                                                                                                                                                                     Käfer etwa: „Es gibt keinen Zoo, der
                                                                                                                                                                                     Pillendreher züchtet. Niemand weiß,
                                                                                                                                                                                                                                 haltung“, erläutert der 54-Jährige. „Wir
                                                                                                                                                                                                                                 mussten das Gehege also erst mal sinn-
                                                                                                                                                                                                                                 voll füllen. Und angeblich soll es nun
                                                                                                                                                                                                                                 eine der besten Fischkatzenanlagen
                                                                                                                                                                                                                                 sein, die es gibt.“
                                                                                                                                                                                                                                                                            pulation der ursprünglich gewünschten
                                                                                                                                                                                                                                                                            Art schrumpfen sollte, um Platz für eine
                                                                                                                                                                                                                                                                            weitere Art freizugeben.“
                                                                                                                                                                                                                                                                               So gab man im Nürnberger Tiergarten
                                                                                                                                                                                                                                                                            die Mayotte-Makis ab, die sich in einer
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         muss zum Charakter des Zoos auf lange
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Sicht passen“, verweist er auf die – auch
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         durch Politiker – immer wieder auffla-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         ckernde Diskussion über ein neues Ele-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         fantenhaus. „Wir haben damals vieles
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Vom Tier zum Lebensraum
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Mit einzelnen Tierarten können weder            Auch im Mediterraneum zog 2010 mit
Braunbär gelebt hat? Weshalb sind Ele-       Präsenz nicht auch Teil unserer Kultur       „Wenn man gut ist, kann man jedes Tier         ren. „Es wäre zu einfach zu sagen, man      wie man sie gezielt vermehren kann,           Aus einem ähnlichen Grund                genetischen Studie als Hybride und nicht     geprüft und uns die Entscheidung nicht          Zoos noch Naturschutzverbände die Arten-        den Berberaffen eine Tierart aus und eine
fanten vorerst kein Thema in Nürnberg?       geworden wären; denn die Empathie für        attraktiv präsentieren. Das Letzte, wor-       hätte etwa die Elefanten nur abgeschafft,   das wollen wir hier herausfinden. Für       wurden die Berberaffen mit den Gorillas    als Unterart entpuppten. „Stattdessen ha-    leicht gemacht.“                                vielfalt retten. Wurden früher einzelne Tiere   Vielzahl neuer Tierarten ein. Das sind etwa
Auch Wölfe, Nilpferde oder Brillenbären      Lebewesen sinkt mit dem physischen           an ich bei Bestandsänderungen denke,           weil das Haus zu klein geworden war“,       dieses rein fachliche Ziel werden die       vergesellschaftet: In das für sie nicht    ben wir nun Kronenmakis, entsprechend                                                        oder Tierarten gezeigt, versuchten die Zoos     Ziesel, drei Schildkrötenarten, eine Echsen-
sind passé, während Pillendreher, Strei-     Abstand.“                                    ist, ob sie für die Besucher attraktiv sind.   verdeutlicht Encke.                         Käfer aber so ungewöhnlich präsen-          erweiterbare und damit untaugliche         dem Bedarf für Lemuren im Europäischen       Weltweiter Austausch                            schon vor Jahrzehnten durch Vergesellschaf-     art namens Scheltopusik und Perleidechsen.
fenwiesel oder Kronenmakis Einzug                                                         Denn es liegt an uns, Tiere attraktiv zu                                                   tiert, dass sie plötzlich zu einem Al-      Gehege (heute Mediterraneum) zogen         Raum.“ Strategien, die entscheidend sein     von Tieren                                      tung verschiedene Tierarten gemeinsam zu        Im 2011 eröffneten Manatihaus leben gar 55
halten. Läuft das Besucherinteresse dem      Kleine Tiere haben                           präsentieren.“ Zudem sei Nürnberg „an          Forschung für die                           leinstellungsmerkmal unseres Zoos           Ziesel und Reptilien ein.                  können – und die Bedeutung der Zoos auf                                                      halten. Und seit etwa zehn Jahren gestaltet     Tierarten zusammen unter einem Dach. Da-
Interesse des Zoos für Arterhalt und         riesige Wirkung                              Großtieren kaum zu übertreffen“, betont        freie Wildbahn                              werden.“                                                                               eine ganz andere Ebene heben.                  Encke lässt sich in die Sessellehne           der Tiergarten Nürnberg wenn möglich            runter sind Seekühe, Affen oder Fledermäu-
Forschung vielleicht sogar entgegen?                                                      der Zoochef. Kamele, Tiger, Löwen,                                                            Oder Bartgeier: „Sie waren hier im-      Mitentscheidend ist                           „Die heute in den Zoos befindlichen       zurückfallen – und stellt klar: „Wir se-        neue Tiergehege nach dem Vorbild von Le-        se wie auch Vögel – drei Entenarten, Tauben,
   Tiergartendirektor Dag Encke atmet           2008 analysierte man in Nürnberg den      Menschenaffen, Panzernashörner, meh-              „Haben wir ein Zuchtprogramm für         mer ein Schwerpunkt – die Zucht ist         die Landschaft                             Kattas, auch sie gehören zur Gruppe der      hen unseren Tierbestand als Teil von            bensräumen.                                     Organisten, Naschvögel oder Tangare – und
tief durch. Ein Riesenthema! Und per-        Tierbestand. Das Ergebnis überraschte:       rere Großrinderarten, Delphine, Mana-          Afrikanische Elefanten, ist das für sich    hoch erfolgreich. Ich weiß nicht, wie                                                  Lemuren, werden weltweit die letzten         Populationen, die es weltweit aufzu-               Nachdem die Nilpferde ausgezogen wa-         Reptilien wie Leguane, Geckos, Schildkrö-
manent aktuell. „Wir müssen uns fragen,      „Wir erkannten, dass wir einen enormen       tis, Giraffen, Malaiische Tapire, je zwei      gesehen noch kein Beitrag für die Wild-     viele Tiere wir nach Süd-Spanien, in          Eine weitere Facette bei Neubele-        sein. Wir haben einen Überschuss und         bauen gilt.“ Dazu gehört auch, dass             ren, kam in das heutige Wüstenhaus eine         ten und Anolis. Im Wasser tummeln sich vier
was wollen wir den Menschen geben?           Überhang an Großtieren haben und             Zebra- und Wildesel-Arten...                   population, da diese im südlichen Afrika    den Alpenraum und Korsika ausge-            gungen bilden die Zielsetzungen der        wissen, dass wir die Art für Madagaskar      Tiere nach der Empfehlung von Experten          Tropenhalle mit einer beachtlichen Tierviel-    Fischarten und in der Luft schweben Falter
Kann ich sie überraschen? Können wir         ganze Tier-Klassen fast nicht repräsen-         „Doch es ist wie im Museum“, meint          noch gesichert ist. Doch konnten wir mit    wildert haben. Wir konnten Bestände         EU-Zoovereinigung für die Welt-Po-         erhalten können. In den nächsten Jahr-       zum Zweck der Vermehrung in andere              falt. Das Sandsteingebäude vertrug jedoch       aus 15 bis 30 Schmetterlingsarten.
Tiere gut halten, auch in ethischer Hin-     tieren: Vögel, Reptilien, Amphibien und      Encke schmunzelnd. „Wann bin ich be-           diesen Elefanten so viel Forschung be-      stabilisieren! So etwas macht einfach       pulationen bestimmter Arten. „Diese        zehnten muss aber erst wieder ein gesi-      Zoos reisen, Eisbären etwa. „Manche tun         die Feuchtigkeit nicht. In dem nun als Wüs-        In der Bartgeiervoliere am Standort der
sicht begründen, warum wir sie halten        Insekten. Also haben wir die Schwer-         deutend? Wenn ich einen Picasso habe!          treiben, dass wir mit den Methoden, die     Freude.“ Oder Fischkatzen...                Ziele basieren auf einer Analyse der       cherter Lebensraum geschaffen werden,        das auch mit Freuden“, sagt Encke la-           tenterrarium genutzten Bau bewegen sich         früheren Braunbärenanlage finden sich die
und welches Ziel wir verfolgen? Nützt        punkte gezielt auf kleinere Tiere verla-     Und der Elefant ist eben ein Picasso,          in Zoos entwickelt wurden, in die freie        Für ihren Einzug ins einstige Brillen-   Zoo-Populationen. Vom Prinzip her          bevor wir in die Auswilderung gehen.“        chend. „Eisbär ,Felix‘ ist begeistert in jede   die Besucher zwischen vielen Tierarten. Das     neben Bartgeiern auch Steinhühner, Tan-
das den Tieren? Wissen wir genug über        gert, die in ihrer ökologischen Wirkung      wie auch Delphin, Menschenaffe oder            Wildbahn gehen können; beispielsweise       bärgehege gab es einen ganz banalen,        nimmt man eventuell eine andere Tier-         Mitentscheidend bei Tierbestand-          Kiste gerannt.“                                 sind Säugetiere wie Kurzohr-Rüsselspringer      nenhäher oder Alpenkrähen und Steppen-
sie, und wie soll sich die Population ent-   aber als Riesen zu bezeichnen sind.“         Eisbär. Geht es um den Ruf, sollte man         bei Krankheitsbekämpfung, Transport,        doch essentiellen Grund: „Bei einer         art als ursprünglich gewünscht, die sich   Überlegungen in Nürnberg sei die Land-                                                       und Fette Sandratte, drei Vogel- und sieben     murmeltiere. Außerdem nutzen viele heimi-
wickeln? Wir müssen hier länderüber-            Der Tannenhäher etwa spielt für           schon einen Picasso haben – damit wird         Narkotisierung, Befruchtung. So können      Fortführung der Großbärenhaltung            unter den gleichen Haltungsbedingun-       schaft: „Ein Kleinod!“ Enckes Augen          Text: Anabel Schaffer                           Reptilienarten, darunter Agamen oder Har-       sche Tierarten die Anlage mit der Anmutung
greifend denken!“                            die Ausbreitung der Zirbelkiefer in          die Erwartungshaltung der Besucher             wir etwa genetisches Material vom Bullen    hätten wir komplett neu denken und          gen wohlfühlt, weil deren Gesamt-          leuchten. „Auf sie baut alles auf, auch      Fotos: Uwe Niklas (4),                          dune, und insgesamt vier Käferarten. Die        eines eurasischen Gebirgsraums.
   Ein entscheidender Punkt sei, dass        den Schutzwäldern der Schweiz eine           scheinbar erfüllt. Doch eigentlich ist der     zur Kuh bringen, ohne die Tiere transpor-   bauen müssen, denn sie ist ähnlich          Population langfristig wachsen muss,       unsere Schwerpunkte: Lebensraum Wüs-         Tilmann Grewe (2), TGN                          bekanntesten Käfer sind die Skarabäen oder
man über Tiere aus anderen Kontinen-         große Rolle. Oder die Schmetter-             Picasso nur ein Schlüsselreiz.“                tieren zu müssen.“                          anspruchsvoll wie die Menschenaffen-        um stabil zu werden, während die Po-       te, Wasser und Wald. Was wir hier bauen,     Montage: Yannick Scharf                         auch Mistkäfer genannt.                         Text: Nicola A. Mögel
Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg
SEITE 8                                                                          T I E R G A RT E N Z E I T U N G            NO. 20                                                                        MAI 2020

Seehunde sind durch eine gefährliche Viruserkrankung bedroht. Soll der Mensch ihnen bei der Bekämpfung aktiv zur Seite stehen?

Virenschutz für alle Seehunde
Nach gründlicher Abwägung impfen Wissenschaftler Robbenbestände, um der Gefahr einer Epidemie vorzubeugen

D         er Begriff Wildtiermanagement
          ist ein Widerspruch in sich.
          Entweder lebt ein Tier in der
Wildnis, wo es nur den Gesetzen der
Natur gehorcht, oder es wird von einem
                                             schaftswaldes wird in hohem Maße
                                             vom Menschen reguliert. Dies betrifft
                                             nicht nur Rehe und Hirsche, die ein
                                             Förster über den Winter füttert, durch
                                             Zäune von Jungbäumen fernhält und
                                                                                        impfung für Füchse. Von 1983 bis 2008
                                                                                        wurden in Deutschland Köder mit dem
                                                                                        Impfstoff gegen Tollwutviren ausgelegt.
                                                                                        Seither gilt Deutschland offiziell als
                                                                                        „tollwutfrei“. Die Infektionskrankheit,
                                                                                                                                     kurz vor dem Aussterben standen. Für
                                                                                                                                     alle anderen Wildtiere galt lange Zeit
                                                                                                                                     das ungeschriebene Gesetz der Tierfil-
                                                                                                                                     mer: „Nicht anfassen, nicht eingreifen!“-
                                                                                                                                     Doch langsam wird uns bewusst, dass
Manager – das ist der Verwalter eines        zuletzt nach festgeschriebenen Regeln      die meist durch einen Biss übertragen        wir bereits im Anthropozän leben, dem
ökonomisch ausgerichteten Unterneh-          abschießt.                                 wird, endet für Mensch und Tier in der       vom Menschen beeinflussten Erdzeit-
mens – in seinem Dasein eingeschränkt.          Jeder Baum, der ins Sägewerk abtrans-   Regel tödlich. Zwar können alle Säuge-       alter. Umweltverschmutzung, Lebens-
   Zootiere sind keine Haustiere, son-       portiert wird, fehlt unzähligen Insek-     tiere und sogar Vögel erkranken, doch        raumverlust und Klimawandel führen
dern Wildtiere, deren Körperbau, Phy-        tenarten, Vögeln und Fledermäusen als      die größte Gefahr für den Menschen           immer schneller zu einem dramatischen
siologie und Verhalten so weit wie mög-      Lebensraum und Nahrungslieferant. An       geht vom Haushund aus, der von ei-           Rückgang von immer mehr Tierarten.
lich erhalten bleiben soll, damit man sie    dem geringen Anteil von Totholz lässt      nem infizierten Fuchs gebissen wurde.           Sollte der Mensch, der für diesen
bei Bedarf auswildern kann.                  sich leicht ablesen, wie weit der Forst    Die Bestandsregulierung und Impfung          Rückgang verantwortlich ist, dazu
   Wenn ein Zoomitarbeiter ein Gehege        von einem naturnahen Wald oder einem       der Füchse diente in erster Linie dem        übergehen, bedrohte Spezies in freier
einrichtet, Futter zusammenstellt, den       echten Urwald entfernt ist.                Schutz des Menschen.                         Wildbahn zu managen? Prophylaktisch?
Tagesrhythmus bestimmt und für eine             Waldbesitzer und Förster waren                                                       Indem er etwa einen Meeressäuger ge-        Charles Littnan hat ein Programm zur
stressfreie Gruppenstruktur sorgt, in-       schon immer Wildtiermanager, der Be-       Drastischer Rückgang                         gen einen gefährlichen Virus impft,         Impfung von Robben durchgesetzt.
dem er zum Beispiel überzählige Männ-        griff wurde aber erst in jüngster Zeit                                                  obwohl die Krankheit bei dieser Tier-
                                                                                        vieler Tierarten
chen tötet, dann managt er diese Tierart     mit dem Auftreten längst ausgerotteter                                                  art noch gar nicht ausgebrochen ist?        obwohl das Virus gar nicht aktiv ist.
aufs Äußerste. Und niemand wird be-          Tierarten populär. In Bayern entwickelt       Wildtiermanagement war und ist            Charles Littnan, Leiter des Hawaiian           So gelang es einem Team aus amerika-
streiten, dass bei der Frage, welche Tier-   die Arbeitsgruppe „Große Beutegreifer“     überall dort gängige Praxis, wo Wild-        Monk Seal Research Program (HMS-            nischen Tierärzten einen für Frettchen
arten im Zoo wie präsentiert werden,         Managementpläne für Luchs, Wolf und        tiere gehalten oder genutzt werden oder      RP), eines Instituts zur Erforschung der    entwickelten Totimpfstoff gegen Mor-
auch wirtschaftliche Überlegungen eine       Bär. Ein Ausgleichsfonds entschädigt       mit dem Menschen im Interessenskon-          Hawaii-Mönchsrobbe, hatte diese Op-         billiviren an fünf Seehunden zu testen,
Rolle spielen.                               Landwirte, deren Nutztiere gerissen        flikt stehen. Und natürlich gibt es einige   tion bereits in Erwägung gezogen, als       die im SeaWorld-Park in San Diego ge-
   Noch bedeutsamer wird der ökono-          oder verletzt werden.                      Beispiele von Tierarten, denen aus ethi-     2010 ein Longman-Schnabelwal auf der        halten wurden. Der Versuch war erfolg-
mische Aspekt in der Forstwirtschaft.           Ein Beispiel für erfolgreiches Wild-    schen Gründen und ohne ein ökonomi-          hawaiianischen Insel Maui strandete,        reich und wurde 2013 veröffentlicht. Er
Die Tierwelt des heimischen Wirt-            tiermanagement ist die Tollwut-Schutz-     sches Interesse geholfen wurde, weil sie     der mit einem Virus infiziert war.          zeigt, wie wichtig es ist, Tiere in Men-
                                                                                                                                        Littnan wusste, dass dieses Virus in     schenobhut veterinärmedizinisch zu er-
                                                                                                                                     der Arktis, im Atlantik, dem Mittelmeer     forschen, um ihren Verwandten im Frei-
                                                                                                                                     und dem Nordpazifik schon Zehntau-          land helfen zu können.
                                                                                                                                     sende Robben und Delphine getötet
                                                                                                                                     hatte. Sein Auftreten im Zentralpazifik     Gut die Hälfte der
                                                                                                                                     stellte eine unmittelbare Gefahr für die    Population erreicht
                                                                                                                                     letzten etwa 1400 Hawaii-Mönchsrob-
                                                                                                                                     ben dar, von denen nur sieben in Men-          Charles Littnan begann 2016 mit der
                                                                                                                                     schenobhut leben. Denn die Robben           Impfung von Hawaii-Mönchsrobben
                                                                                                                                     mit dem schönen Namen Neomachus             an ihren Liegeplätzen. Stand Febru-
                                                                                                                                     schauinslandi hatten noch keinen Kon-       ar 2020 hat das Team aus Veterinären,
                                                                                                                                     takt mit dem Morbillivirus und folglich     Zoo-Mitarbeitern und Dutzenden von
                                                                                                                                     keine Immunabwehr. Ihre geringe gene-       saisonalen Freilandforschern bereits 764
                                                                                                                                     tische Diversität machte sie außerdem       der circa 1.400 Tiere zählenden Gesamt-
                                                                                                                                     besonders anfällig für eine tödliche Epi-   population geimpft.
                                                                                                                                     demie. Doch Littnan wusste auch, dass          Die Kosten belaufen sich auf 30
                                                                                                                                     er von den amerikanischen Behörden          US-Dollar pro Tier. „Wir haben
                                                                                                                                     niemals die Genehmigung bekommen            wahrscheinlich bei einigen Teilpopu-
                                                                                                                                     würde, die Tiere aktiv zu impfen. Denn      lationen 60 bis 90 Prozent der Tiere
                                                                                                                                     dies hätte bedeutet, einen abgeschwäch-     geimpft und damit in vielen Teilen des
                                                                                                                                     ten Krankheitserreger als Lebendimpf-       Verbreitungsgebietes eine Immunität ge-
                                                                                                                                     stoff in die „unberührte Natur“ einzu-      gen das Virus erreicht“, erklärt Littnan.
                                                                                                                                     bringen.                                    Das Impfprojekt sei das erste an einer
                                                                                                                                        Das Dilemma konnte nur mit mole-         Wildtierpopulation mariner Säugetiere
                                                                                                                                     kulargenetischen Methoden gelöst wer-       weltweit.
                                                                                                                                     den. Mit der Gentechnik lassen sich „re-
                                                                                                                                     kombinante Impfstoffe“ herstellen, die      Text und Foto: Mathias Orgeldinger
Stacie Robinson impft eine schlafende Hawaii-Mönchsrobbe am Strand.                                                                  im Körper eine Immunabwehr auslösen,        Weitere Fotos: HMSRP, NOAA
Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg Flinker Jäger mit Biss - Tiergarten Nürnberg
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