Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68

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Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
thematische synthese ts3

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                           Eine Bodenagenda für
                           die Raumplanung

                           Adrienne Grêt-Regamey   Sander Kool   Lukas Bühlmann Samuel Kissling
Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
Eine Bodenagenda für die Raumplanung

Thematische Synthese TS3 des Nationalen Forschungsprogramms
«Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden» (NFP 68)
Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
Vorwort

Eine haushälterische Nutzung des Bodens ist das primäre Ziel des schweizerischen Raum-
planungsgesetzes. In die heutige Zeit übersetzt bedeutet dies nichts anderes als eine
nachhaltige Nutzung. In der Umsetzung haben sich die politischen Akteure in den letzten
vierzig Jahren hauptsächlich auf die quantitative Dimension, die Fläche, konzentriert,
da in erster Linie die Eignung des Bodens als Bauland interessierte. Mehrfach wurde fest-
gestellt, dass die Raumentwicklung in dieser Form nicht nachhaltig erfolgt. Andere
Qualitäten des Bodens – etwa seine Eignung als Kulturland in der Landwirtschaft oder
seine Fähigkeit, Wasser zu filtern und Treibhausgase zu speichern – waren für die Raum-
planung von untergeordnetem Interesse. Einzig den wertvollsten Ackerbauflächen
wurde mit dem Schutz der Fruchtfolgeflächen die notwendige Aufmerksamkeit zuteil.

Es ist eines der Grundanliegen des Nationalen Forschungsprogramms «Nachhaltige
Nutzung der Ressource Boden» (nfp 68), die qualitativen Aspekte des Bodens so fass-
bar zu machen, dass sie in angemessener Weise bei raumplanerischen Entscheiden
berücksichtigt werden können. Mit den Bodenindexpunkten schlagen die Autorin und die
Autoren der thematischen Synthese 3 «Eine Bodenagenda für die Raumplanung» des
nfp 68 einen Ansatz vor, mit dem sich diese grosse Herausforderung bewältigen lässt.
Entsprechend bedeutet dieses Instrument einen grossen Schritt hin zu einer Raum­
planung, die der Bodenqualität gebührend Beachtung schenkt. Das Autorenteam zeigt
aber auch, dass die Bodenqualität in einem vielfältigen Spannungsfeld zu betrachten
ist. Eine einseitige Optimierung kann beispielsweise die Zersiedlung weiter fördern und
eine nachhaltige Raumentwicklung beeinträchtigen. Die Darstellung der vom Boden
erbrachten Ökosystemleistungen hilft, die verschiedenen Interessen explizit zu machen,
und ermöglicht so eine fundierte Abwägung. Aus Sicht des Autorenteams gilt es deshalb,
die Interessenabwägung auch in der Gesetzgebung angemessen zu gewichten und
insbesondere die Bodenqualität dabei zu berücksichtigen. Um nicht noch mehr Boden
von hoher Qualität zu verlieren und beispielsweise mit dem angedachten Planungs­
ansatz die entsprechenden Handlungsspielräume zu öffnen, ist keine Zeit zu verlieren.
Möglichkeiten, grundlegende Entscheide zu fällen, bieten sich mit der anstehenden
Revision 2 des Raumplanungsgesetzes. Es gilt sie zu nutzen!

Prof. Dr. Emmanuel Frossard

Präsident der Leitungsgruppe des Nationalen Forschungsprogramms
«Nachhaltige Nutzung der Ressource Boden» (NFP 68)

NFP 68 Thematische Synthese 3   Eine Bodenagenda für die Raumplanung
Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
Inhaltsverzeichnis

      Vorwort ➞ 5

      Inhaltsverzeichnis ➞ 6

      Zusammenfassung ➞ 8

1.    Funktionen und Leistungen der Ressource Boden ➞ 11

1.1   Ziele eines nachhaltigen Umgangs mit der Ressource Boden ➞ 11

2.    Wie geht es dem Boden in der Schweiz? ➞ 16

2.1   Verlust an Kulturland ➞ 16

2.2   Verlust an qualitativ hochwertigen Böden und fehlende Bodendaten ➞ 20

2.3   Treiber des Flächenverbrauchs ➞ 23

2.4   Fazit: Unzureichende Berücksichtigung der Bodenqualität ➞ 24

3.    Bodenrelevante Handlungsfelder der Raumplanung ➞ 25

3.1   Zwillinge Raumplanung und Eigentum ➞ 25

3.2   Öffentliches Recht über den Boden und raumplanerisches Instrumentarium ➞ 28

3.3   Handlungsfelder im Umgang mit dem Boden ➞ 31

3.4   Institutionelle Elemente, Methoden und Prozesse der Raumplanung ➞ 35

3.5   Fazit: Noch kein nachhaltiger Umgang mit der Ressource Boden ➞ 38

4.    Vorschläge zur Integration von Bodenqualität in die Raumplanung ➞ 40

4.1   Bodendaten, Prognosen und Monitoring ➞ 41

4.2   Instrumente zur Steuerung der Bodennutzung ➞ 47

4.3   Bodenqualität in der Interessenabwägung ➞ 60

4.4   Fazit: Die Zeit drängt ➞ 66

5.    Eine Bodenagenda für die Raumplanung ➞ 68

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Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
Anhang ➞ 71

A1      Ökosystemleistungen (ösl), für die der Boden relevant ist ➞ 71

        Das Nationale Forschungsprogramm «Nachhaltige Nutzung
        der Ressource Boden» (nfp 68) ➞ 72

        Die Forschungsprojekte des nfp 68 ➞ 74

A2      Abbildungsverzeichnis ➞ 78

        Tabellenverzeichnis ➞ 79

        Glossar ➞ 80

        Abkürzungsverzeichnis ➞ 83

        Literatur ➞ 84

        Dank ➞ 89

Impressum ➞ 90

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Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
Zusammenfassung

Besonders im Schweizer Mittelland ist der Boden starkem Nutzungsdruck ausgesetzt,
wobei vor allem das landwirtschaftliche Kulturland leidet. Die vorliegende thematische
Synthese des nfp 68 präsentiert Konzepte und Strategien, wie die Ressource Boden
und ihre Funktionen und Ökosystemleistungen langfristig gesichert werden können.

Böden sind für das Wohlergehen unserer Gesellschaft von zentraler Bedeutung. Che-
mische, physikalische und biologische Bodeneigenschaften und -prozesse sind verant-
wortlich für eine Vielzahl von Bodenfunktionen und Ökosystemleistungen (ösl) wie den
Schutz vor Naturgefahren, die landwirtschaftliche Produktion oder die Speicherung von
Kohlenstoff. Die Versiegelung von Böden und weitere Belastungen wie deren Verdich-
tung, Schadstoffeinträge und Erosion verringern aber zunehmend ihr Potenzial, wichti-
ge Funktionen zu erfüllen und ösl zu erbringen. Da in menschlichen Zeitmassstäben die
Ressource Boden nicht erneuerbar ist, stellt eine nachhaltige Nutzung des Bodens unse-
re Gesellschaft somit vor grosse Herausforderungen.

Landwirtschaftliches Kulturland unter starkem Nutzungsdruck

Aufgabe der Raumplanung ist es, die raumwirksamen Tätigkeiten zu koordinieren. Sie
bestimmt somit die Spielregeln der Bodennutzung. Besonders im Schweizer Mittelland ist
der Boden starkem Nutzungsdruck ausgesetzt. Nach wie vor leidet vor allem das landwirt-
schaftliche Kulturland (Glossar, S. 81) unter den Nutzungsentscheidungen. Mit der ers-
ten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (rpg 1) wurde der Flächenverbrauch
durch das Ausscheiden neuer Bauzonen gebremst. Dennoch nimmt der Kulturlandverlust
weiterhin zu, insbesondere durch die Bautätigkeit ausserhalb der Bauzone. Sie findet zu-
dem vorwiegend auf den für die Landwirtschaft geeignetsten Böden statt. Bislang neh-
men wir aber bei der Beanspruchung des Bodens kaum Rücksicht auf die Qualität des Bo-
dens – also sein eigentliches Potenzial zur Erfüllung seiner diversen Funktionen und ösl.
Das nfp 68 (S. 72) macht die Bodenqualität deshalb zur Schlüsselgrösse für den nachhal-
tigen Umgang mit der Ressource Boden.

Bodenqualität in Nutzungsentscheidungen integrieren

Die vorliegende thematische Synthese des nfp 68 präsentiert Konzepte und Strategien für
die Schweiz, wie die Ressource Boden und ihre Funktionen und ösl langfristig gesichert
werden können. Dazu muss vor allem die Datengrundlage verbessert werden, denn die
Bodeneigenschaften sind nur lückenhaft erfasst, sodass auch die daraus abgeleiteten Bo-
denfunktionskarten mangelhaft sind. Die nfp 68-Projekte haben Methoden erarbeitet, um
Bodeneigenschaften zu kartieren, die verschiedenen Funktionen und ösl des Bodens zu
bewerten und die Bodenqualität damit sichtbar zu machen. Um zu verhindern, dass die
Ressource Boden übernutzt wird, müssen zudem gesellschaftliche Ziele gesetzt werden.
Die Politik ist gefordert, Grenzwerte für den Verlust an Bodenqualität festzulegen. Die Bo-
denforschung muss die dazu notwendigen Entscheidungsgrundlagen bereitstellen.

Dies reicht jedoch noch nicht: Damit die Bodenqualität in der Raumplanung berücksichtigt
wird, bedarf es einer neuen gesetzlichen Grundlage, welche die Bodenqualität in die Inte-
ressenabwägung miteinbezieht. Es ist Aufgabe der Behörden, starke Planungsinst-

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Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
rumente einzuführen, die die Siedlungsentwicklung nach innen (künftig: Innenent­
wicklung) fördern und die künftige Bautätigkeit möglichst auf weniger wertvolle Böden
lenken. Entscheidungsträgerinnen und -träger sind gefordert, die Funktionen und ösl
der Böden innerhalb des Siedlungsgebiets – beispielsweise als Erholungsräume oder zum
Schutz vor Überschwemmungen – vermehrt zu berücksichtigen.

Um einen weiteren erheblichen Verlust an Böden mit hoher Qualität zu verhindern,
müssen möglichst bald Massnahmen ergriffen werden. Auch wenn im Alltag immer we-
niger Menschen direkten Kontakt zum Boden haben, spielen seine Funktionen und ösl
stets eine entscheidende Rolle für das Wohlergehen unserer Gemeinschaft und jenes der
nächsten Generationen.

Überblick über die Synthese

Das erste Kapitel der TS3 beschreibt die Ressource Boden und seine Funktionen und ösl,
die in Abbildung 1 (S. 10) in der oberen Hälfte der Sanduhr durch die sechs Bodenfunk-
tionen dargestellt werden. Die Ziele zum Schutz der Bodenqualität und zur Begrenzung
des Flächenverbrauchs werden erläutert.

Das zweite Kapitel geht auf den Bodenzustand und den fortschreitenden Verlust an Kul-
turland (Glossar, S. 81) und anderen qualitativ hochwertigen Böden ein, symbolisiert in
Abbildung 1 durch den Sand, der in die untere Hälfte der Sanduhr rinnt. Es zeigt sich,
dass überwiegend die qualitativ wertvollsten Böden verbraucht werden. Dabei wird auch
ein Blick auf das nfp 22 «Nutzung des Bodens in der Schweiz» und die damals, vor rund
25 Jahren, formulierten Ziele geworfen.

Das dritte Kapitel beschreibt die entscheidende Rolle der Raumplanung für einen haushäl­
terischen Umgang mit der Ressource Boden anhand der bodenrelevanten Handlungsfel-
der, dargestellt durch die blauen Ringe in Abbildung 1. Auf dem inneren Ring befinden sich
die operativen Elemente, die Steuerungsinstrumente der Bodennutzung. Anschlies­send
folgen die übergeordneten Handlungsfelder im Umgang mit Boden und schliesslich die
institutionellen Elemente und Prozesse27. Das bestehende Instrumentarium schränkt un-
ter Berücksichtigung der ersten Etappe der Revision des Raumplanungsgesetzes (rpg 1)
insbesondere den Flächenverbrauch ein. Lücken werden vor allem beim Bauen ausser-
halb der Bauzone (BaB) und bei der Berücksichtigung der Bodenqualität ausgemacht.

Im vierten Kapitel werden Lösungsansätze aus den nfp 68-Projekten aufgezeigt, die am
bestehenden Instrumentarium der Raumplanung ansetzen. Die Ansätze bieten ein breites
Spektrum an Denkanstössen mit der entscheidenden Gemeinsamkeit, das Thema «Boden-
qualität» in der Raumplanung zu verankern. Die berücksichtigten Projekte werden im
Konzept durch rosa Punkte dargestellt. Im Text werden jeweils Abkürzungen verwendet,
um auf die Projekte zu verweisen. Im Anhang (S. 76) findet sich eine vollständige Liste
der nfp 68-Projekte.

Das fünfte Kapitel schliesslich schlägt eine Bodenagenda für die Schweiz mit konkreten Um-
setzungsmassnahmen vor. Sie sollen den künftigen Flächenverbrauch und insbesondere

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den Verlust an qualitativ hochwertigen Böden begrenzen und werden in Abbildung 1
                                        durch die gelben Pfeile symbolisiert.

Abbildung 1
Konzept der thematischen
Synthese TS3

Illustration: Sander Kool, eth Zürich

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Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
1   Funktionen und Leistungen der Ressource Boden

    Die Ressource Boden ist mehr als Träger        siegelung und weitere Belastungen wie
    von Gebäuden und Infrastrukturen. Sie          Bodenverdichtung, Schadstoff­einträge und
    ist für eine Vielzahl lebenswichtiger Funk-    Erosion gefährden die Bodenfunktio­    nen
    tionen verantwortlich. Boden ist unent-        und die durch den Boden erbrachten Öko­
    behrliche Produktionsgrundlage und Nähr-       systemleistungen (ösl)7–10.Technische Mass-
    stofflieferant für die Lebensmittelproduk-     nahmen können den Verlust von ösl unter
    tion. Rund sechzig Prozent des Schweizer       Umständen kompensieren. Allerdings sind
    Nahrungsmittelverbrauchs konnten in den        sie stets mit hohen Kosten verbunden,
    letzten zwanzig Jahren mit inländischen        etwa wenn verschmutztes Trinkwasser
    Produkten gedeckt werden. Dank frucht-         aufwendig aufbereitet oder ein zu gerin-
    barem Boden erzielt die Landwirtschaft         ges Wasserspeichervermögen mit kost-
    eine jährliche Bruttowertschöpfung von         spieligen Hochwasserschutzmassnahmen
    3,87 Milliarden Schweizer Franken1. Zu-        kompensiert werden muss. Angesichts
    dem wachsen auf Schweizer Böden jähr-          der existenziellen Bedeutung des Bodens
    lich 9,7 Millionen Kubikmeter Holz2. Ein       und der hohen Kosten kompensatorischer
    Blick unter die Oberfläche wirft ein Licht     Massnahmen steht die Gesellschaft vor
    auf Milliarden von Organismen, denen der       der Herausforderung, zu entscheiden, wie
    Boden Lebensraum bietet. So lebt ein           der Boden künftig genutzt werden soll.
    Viertel aller Arten weltweit im Boden und
    ist für Prozesse verantwortlich, die we-       Die Raumplanung hat die Aufgabe, die
    sentlich zu den vielfältigen Bodenfunktio-     Raumansprüche der verschiedenen Ak-
    nen beitragen3. Sie zerlegen Pflanzenres-      teurinnen und Akteure und der verschie-
    te in ihre Grundbestandteile und stellen       denen Politikbereiche zu koordinieren. Sie
    diese als Nährstoffe wieder für Tiere und      nimmt dadurch eine Schlüsselrolle ein bei
    Pflanzen zur Verfügung. Zudem filtert          der «haushälterischen Nutzung des Bo-
    und speichert der Boden in seinen Po-          dens und der geordneten Besiedlung des
    ren Wasser. Vor Seen und Gletschern ist        Landes», wie dies die Bundesverfassung
    das Grundwasser der grösste Wasserspei-        verlangt (Art. 75 BV).
    cher der Schweiz4. Im Weiteren leistet der
    Boden als Kohlenstoffspeicher einen be-        1.1 Ziele eines nachhaltigen Umgangs
    achtlichen Beitrag zum Klimaschutz. Im         mit der Ressource Boden
    Humus der Schweizer Waldböden ist dop-
    pelt so viel Kohlenstoff (C) gebunden, wie     Die vorliegende thematische Synthese lie-
    in der Atmosphäre über der Schweiz vor-        fert Grundlagen und Strategien zur nach-
    handen ist5 (Exkurs «Böden und ihr Bei-        haltigen Nutzung der Ressource Boden
    trag zu Ökosystemleistungen», S. 12).          unter Einbezug der durch den Boden bereit-
                                                   gestellten Funktionen und ösl. Dies ist ein
    Menschen nutzen und bewirtschaften den         zentrales Ziel des Nationalen Forschungs-
    Boden seit Tausenden von Jahren und ha-        programms 68 «Nachhaltige Nutzung der
    ben seinen heutigen Aufbau mitgeprägt.         Ressource Boden» (nfp 68). Der Umgang
    Sie rodeten, entsteinten, pflügten, düngten    mit der Ressource Boden ist nur dann nach-
    und säten Jahr für Jahr. Böden sind auch ein   haltig, wenn folgende zwei Bedingungen
    Produkt dieser enormen Kulturleistung6.        erfüllt werden: Die vielfältigen Ansprüche
    Gleichzeitig stellt die übermässige Nut-       an den Boden von verschiedenen Akteu­
    zung des Bodens durch den Menschen eine        rinnen und Akteuren müssen ausführlich
    Bedrohung für die Ressource dar. Die Ver-      abgewogen und aufeinander abgestimmt

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Eine Bodenagenda für die Raumplanung - 3t - NFP 68
werden, und das öffentliche Recht muss                    dass der Boden nicht über seine Regene­
                           dafür sorgen, dass die Ressource nicht                    rationsfähigkeit hinaus genutzt wird, damit
                           übernutzt wird (Kapitel 3.2., S. 28)18,20. Der            er seine Funktionen und ösl langfristig
                           hier beschriebene Ressourcenansatz be-                    erbringen kann18,21. Die Bundesverfassung
                           trachtet die Ressource Boden als Kapi­tal,                verlangt eine Nutzung des Bodens, die «ein
                           aus dem als Ertrag die Funktionen und                     auf Dauer ausgewogenes Verhältnis zwi-
                           ösl des Bodens hervorgehen. Eine nach-                    schen der Natur und ihrer Erneuerungs-
                           haltige Raumplanung muss dafür sorgen,                    fähigkeit einerseits und ihrer Beanspru-

Exkurs                     Böden erfüllen eine Vielzahl verschiedener Funktionen, die sich systematisch in sechs Hauptfunktionen
Böden und ihr Beitrag zu   und zahlreiche Teilfunktionen unterteilen lassen (Abb. 1, S. 10), 12,13:
                           I Produktionsfunktion: z.B. Bodenfruchtbarkeit und Produktion von Biomasse
Ökosystemleistungen11
                           II Lebensraumfunktion: z.B. Lebensraum für Bodenmikroorganismen
                           III Regulierungsfunktion: z.B. Regulierung des Wasser- und Nährstoffkreislaufs
                           IV Archivfunktion: z.B. Erhalt von archäologischen Kulturschätzen
                           V Trägerfunktion: z.B. Basis für Infrastrukturen und Gebäude
                           VI Rohstofffunktion: z.B. Quelle für Kies, seltene Erden oder Trinkwasser

                           Für die Bereitstellung dieser Funktionen spielen die chemischen, physikalischen und biologischen Bodeneigen-
                           schaften und -prozesse eine Rolle, beispielsweise die Säurepufferung oder der Nährstoffhaushalt. Die aus Bo-
                           deneigenschaften abgeleiteten Bodenteilfunktionen und Bewertungskriterien sind in der thematischen Syn-
                           these TS4 des nfp 68 «bodeninformations-Plattform Schweiz (bip-ch)» detailliert beschrieben. Sie bilden zu-
                           sammen mit den sozio­ökonomischen Rahmenbedingungen die Grundlage für eine Vielzahl von Ökosystemleis-
                           tungen (ösl). Die ösl des Bodens beschreiben den Beitrag des Ökosystems Boden zum menschlichen Wohl-
                           ergehen. Das Konzept der ösl schlägt eine Brücke zwischen den Bodenfunktionen und ihrem Nutzen für den
                           Menschen und somit der Inwertsetzung des Bodens. Das Bundesamt für Umwelt (bafu) geht von insgesamt
                           23 ösl aus14. Manche Bodenfunktionen sind gemäss der nfp 68-Fokusstudie bodenindikatoren direkt oder
                           indirekt mit dem Öko­system Boden verknüpft (Tab. 2 in Anhang 1, S. 71), beispielsweise die Erholungsleistung
                           durch städtische Grün- und Freiräume sowie Nah- und Fernerholungsräume, die Speicherung von Kohlenstoff-
                           dioxid zum Klimaschutz oder fruchtbare Böden für die landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Nutzung.
                           In der vorliegenden Synthese wird in diesem Zusammenhang der Begriff «Bodenqualität» verwendet, die defi-
                           niert wird als das Potenzial eines Bodens, die beschriebenen Funktionen und ösl bereitstellen zu können15,16.

                           Boden ist eine Basisressource der Landschaft: Boden ist somit direkt oder indirekt für eine Vielzahl von Funk-
                           tionen und ösl der Landschaft mitverantwortlich17. Deutlich wird die Überschneidung der ösl des Bodens mit
                           denjenigen der Landschaft unter anderem am Beispiel der Erholungsleistung städtischer Grün- und Freiräume,
                           die auch als Landschaft wahrgenommen werden.

                           Gewisse Funktionen und ösl des Bodens lassen sich direkt einer Eigentümerin oder einem Eigentümer zu­
                           weisen, beispielsweise Boden als Ressource im Kiestagebau oder Boden als Träger baulicher Nutzungen.
                           Bei anderen Funktionen und ösl des Bodens ist dies nicht der Fall18, bei den Bodenfunktionen vor allem bei
                           den ökologischen Funktionen «Lebensraumfunktion», «Regulierungsfunktion» und «Produktionsfunktion».
                           Sie sind besonders durch die Übernutzung gefährdet (Kapitel 1.1, S. 11).

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Menschliches Wohlergehen

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                                                                                           sunter-                       Erholungs
                                                                                     uktion                                        le
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                                                                                Prod ung: Abbau                                     n
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                                                W1           our                                                                   B
                                                                                                                        bachten w eo-
                                                        Ress mi-                  bzw. eststoffen                                  i                   dur olun
                                                      e
                                                    ch ch
                                                            e                      von
                                                                                       R                                lebender ld                            g
                                                                                                                                                      Grü ch st sle
                                                                                                                                  Arten
                                               e tis d bio toffe                                                                                    räu n- un ädti istu
                                             n n k
                                           Ge n u Wir
                                                          s                                                                                        Na me s d Fr sche ng
                                             ce he                                                                                                hol h- un owie ei-
                                                sc                                                                                                   un d F v
                                                                                                                                                        gs er on
                                                                                                                                                          räu ne

                                                                                                                                                                                   Er rch W ten
                                                                                                                                                             me r-
                          zie die k ndsc - un -

                                                                                                                                                                                     ho E oh u.a
                                                                                                                                                                                     du e im (Gär
                           für turla atur wert

                                                                                                  mleistungen des Bo
                               ris un r- n
                         im lle Nu omm haf d

                                                                                                                                                               n
                                                                                            syste

                                                                                                                                                                                       G3
                            Tou tz e te
                                          W7

                                                                                                                                                                                       lun rho num .)
                                                                                                                                                                                       m ld
                                                                                                                     den
                                                                                        Öko

                                                                                                                                                                                         fe
                                                                                                                        s
                             Kul en N an

                                                                                                                                                                                          gs lun -
                                                                                                 mis che Rahmenbe

                                                                                                                                                                                            lei gsr
                                                                                                o
                                   mu g

                                                                                                                  d
                                       t

                                                                                              n                    in
                              vol ebo

                                                                                          ök o                       gun

                                                                                                                                                                                               stu äu-
                                     s

                                                                                       zio          nsraumfunktion       ge
                                                                                     So
                               Ang

                                                                                               Lebe                        n

                                                                                                                                                                                                  ng
                                 l
             forstwirtsc s für die
             Nutzung aftliche

                                                                                                                                                                                                       Loka lationsleistung
                                                                                                                                                                                                        regu h Ökosysteme
                                                                                                                                                                                                         durc

                                                                                                                                                                                                           le Mik

                                                                                                                                                                                                                              G5
        W5

                        h
                        h

                                                                                                             unktion
                                                                                                         denf
             Holzzuwac

                                                                                                                    en
                                                                                                       Bo

                                                                                                                                                                                                                  roklima-
                                                                                                                                                       Regu
                                                              uktionsfunktion

                                                                                                                                                           lierungsfunktion
                                                                                                        Bodeneigen-
                                                                                                          schaften
                                                                                                        und Boden-

                                                                                                                                                                                                       Vege ängen durch
                                                                                                                                                                                                         vor L tzleistung
                                                                                                         prozesse

                                                                                                                                                                                                        Murg schlag und
             Futterpfla
             und orga el für
             Düngemi
             die landw ng
              liche Nutz

                                                                                                                                                                                                        Stein awinen,
                                                          Prod

                                                                                                                                                                                                      Steil tation an
                                                                                                  Bo
                                                                                                                                     en

                                                                                                                                                                                                                 n
                                                                                                       de
                                                                                                            n i n f o r m a ti o n

                                                                                                                                                                                                           hänge
                                                                                                                                                                                                           Schu

                                                                                                                                                                                                                              S1
                      nisch
        W4

                       tt

                       nzen
                        irtsch
                         u

                             e

                                                                                      Ro
                               aft-

                                                                                fu       hs
                                                                                     n k to ff-                                              -
                                                                                                                                         hiv

                                                                                                                                                                                se erde berf ebiet ng
                                                                                        tio                                          A rc i o n
                          Fru den f d fo he

                                                                                                                                                                              kö r zu n o lute e,
                                                                                                                                                                                  w e ü G istu
                                                                                                         Träger-

                                                                                                                                                                                           alt s-
                                                                                            n
                           Bo d- un aftlic

                                                                                                                                          k t
                             lan tsch

                                                                                                                                      fun

                                                                                                                                                                                   en ckh r Wa
                                                                                                                                                                                nn rü de t
                              cht ür rs
                               wir tzung

                                                                                                                                                                                    di urch tzle

                                                                                                                                                                                              en
                                                                                                        f u n k tio n
                                Nu

                                 ba die t-

                                                                                                                                                                                      d chu
                                    rer

                                                                                                                                                                                        S

                                                       N
                                                     A a tü
                                                   du nge rlich
                                                                                                                                                                                  S2
                                           W3

                                                st kt bot es
                                              ge ützu ions an P
                                            u n: ng un ro-
                                          be nd S Bes slei ter-       Natü
                                            kä ch täu stun           gebo rliches An-                                                                               ng
                                              mp äd bu -
                                                  fu n li n g ng    und t an Trink-                                                                              eru
                                                                                                                                          li-                 ich
                                                      g s-              B
                                                                   ser a rauchwas-                                                  natür                    e
                                                                                                                                                           Sp CO 2
                                                                                                                          Existenz lt auf
                                             W2
                                                                  Grun us nutzbarem                                       cher Vielfa
                                                                                                                                            n,              von        S3
                                                                 fläch d- und Ober-                                                  r Arte
                                                                      enwas                                               Ebene de systeme
                                                                             ser                                          Gene, Ök   o

                                                                                         W1                                               V1
Abbildung 2
Die Bodenfunktionen und Öko­
systemleistungen des Bodens.
Die Ökosystemleistungen ent-
                                                                                                                                                                                         G – Gesundheit/Wohlbefinden
sprechen der Kategorisierung
gemäss bafu14.                                                                                                                                                                           S – Sicherheit
                                                                                                                                                                                         V – Natürliche Vielfalt
Angepasst nach19                                                                                                                                                                         W – Wirtschaftliche Leistungen14

                                                  NFP 68 Thematische Synthese 3                              Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  13
chung durch den Menschen anderseits»                    Bislang hat die Politik keine Grenzwerte
                           anstrebt (Art. 73 BV). Die heutigen Böden               hinsichtlich der Bodenqualität festgelegt,
                           sind jedoch ein Produkt jahrtausendelan-                die eingehalten werden müssten, um die
                           ger natürlicher und anthropogener Prozes-               Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Auch
                           se22 und in menschlichen Zeitmassstäben                 die Forschung beginnt erst zu verstehen,
                           nicht reproduzierbar. Bauliche Eingriffe                ab welchem Versiegelungsgrad gewis-
                           oder andere Belastungen wie Bodenver-                   se Funktionen und ösl nicht mehr ausrei-
                           dichtung, Schadstoffeinträge und Erosion                chend erfüllt werden können26. Ziel muss
                           sind in der Regel mit der Zerstörung des Bo-            es jedoch sein, Grenzwerte für den Verlust
                           dens und seiner Funktionen und ösl ver-                 von Bodenqualität festzulegen, die länger-
                           bunden. Der Substitution dieser Funktio-                fristig und gesamthaft nicht überschritten
                           nen und ösl durch technische Massnahmen                 werden. Die Festlegung muss sich dabei
                           sind Grenzen gesetzt (Kapitel 1, S. 11 ff.).            auf die Schwellenwerte der Übernutzung
                                                                                   der Funktionen und ösl des Bodens be-
                           Die «Agenda 2030» der Vereinten Natio­                  ziehen. Dies ist zwar ein aufwendiger und
                           nen formuliert globale Ziele für eine                   komplexer Prozess, für den nachhaltigen
                           nach­haltige Entwicklung, zu denen sich                 Umgang mit der Ressource Boden aber
                           auch die Schweiz bekannt hat. Nach ihnen                unabdingbar.
                           richtet sich die nationale «Strategie der
                           nachhaltigen Entwicklung 2016–2019»                     Die nachhaltige Nutzung des Bodens in
                           des schweizerischen Bundesrats23,24. Die                der Schweiz kann nicht losgelöst von jener
                           Mehrzahl der 17 Nachhaltigkeitsziele der                im Ausland betrachtet werden. Der Bo-
                           «Agenda 2030» stehen direkt oder indi-                  den, der zur Versorgung der Schweizer
                           rekt in Beziehung zum Boden und sei-                    Bevölkerung auf irgendeine Weise ge-
                           nen Funktionen und ösl (Exkurs «Nach-                   nutzt wird, liegt überwiegend im Aus-
                           haltigkeitsziele der Vereinten Nationen mit             land. Nach Studien des Bundesamtes für
                           direktem oder indirektem Bezug zum Bo-                  Umwelt (bafu) fallen so über 70 Prozent
                           den», unten)25.                                         der durch den Schweizer Konsum verur-
                                                                                   sachten Umweltbelastungen im Ausland

Exkurs                     Ziel 1
Nachhaltigkeitsziele der   Armut beenden, Zugang zu Ressourcen sichern und Landeigentum ermöglichen.
                           Ziel 2
Vereinten Nationen mit
                           Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige
direktem oder indirek-     Landwirtschaft fördern.
tem Bezug zum Boden24      Ziel 3
                           Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern.
                           Ziel 12
                           Für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sorgen.
                           Ziel 15
                           Terrestrische Ökosysteme schützen, wiederherstellen und ihre nachhaltige Nutzung fördern, Wälder nachhaltig
                           bewirtschaften, Wüstenbildung bekämpfen, Bodenverschlechterung stoppen und umkehren und den Biodiver-
                           sitätsverlust stoppen.

                           NFP 68 Thematische Synthese 3 Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  14
Es ist folgendes Ziel zu          an27. Beispielsweise müssen Nahrungs-           Die temporär Angestellten verloren so-
  verfolgen:                        mittel, deren Nachfrage die inländische         wohl ihre Arbeit als auch einen guten Teil
  Der Verlust an qualitativ hoch-   Landwirtschaft nicht zu decken vermag,          ihrer früheren Subsistenzgrundlage. Pro-
  wertigen Böden begrenzen,         anderswo produziert werden. Auf diese           jekte und Investitionen im Ausland stellen
  indem                             Weise beeinflussen der Konsum und die           aber auch eine Chance dar, den globalen
– der Flächenverbrauch durch        Nutzung des Bodens in der Schweiz die           Fussabdruck der Schweizer Gesellschaft
  bauliche Nutzungen reduziert      Entwicklung im Ausland. Im globalen Sü-         zu verringern, indem zum Beispiel Re­kul-
  wird und                          den werden zudem grossflächige Landin-          tivierungen degradierter Böden oder Aus-
– die Bodenqualität zu einer        vestitionen getätigt, die erhebliche positi-    gleichsflächen finanziert werden. Diese
  wichtigen Entscheidungs-          ve, aber auch negative soziale, wirtschaftli-   Wechselwirkungen gilt es vermehrt in Dis-
  grösse der Raumplanung            che und ökologische Folgen haben, wie die       kussionen um die Bodennutzung in der
  wird.                             nfp 68-Projekte land grabbing und land-         Schweiz einzubeziehen.
                                    nutzungsentscheide zeigen. Das Projekt
                                    land grabbing gibt Einblick in die Aus-         Eine nachhaltige Raumplanung hat die
                                    wirkungen der durch Investoren mit Sitz         unterschiedlichen Nutzungsansprüche an
                                    in der Schweiz finanzierten Biotreibstoff-      den Boden zu berücksichtigen. Dabei soll
                                    produktion in Sierra Leone. Biotreibstoffe      künftig insbesondere denjenigen Funk­
                                    werden gewöhnlich als positiver Beitrag         tionen und ösl des Bodens grösseres Ge-
                                    zur Nachhaltigkeit betrachtet. Im unter-        wicht zukommen, die, wie die Kohlenstoff-
                                    suchten Fall führen sie neben der Er-           speicherung oder die Erholungsleistung,
                                    höhung der Einkommenschancen eines              bisher unzureichend in raumplanerische
                                    erheblichen Anteils der lokalen Bevölke-        Entscheidungen eingeflossen sind. Auf
                                    rung aber auch zur grossflächigen Zerstö-       Basis dieser Funktionen und ösl sollen
                                    rung wertvoller Landschaften. Angesichts        vorausschauend Auseinandersetzungen
                                    der Abhängigkeit der Menschen von die-          und Verhandlungen geführt werden, die
                                    sen Landschaften hat deren Verwundbar-          eine kreative Neuordnung der Boden-
                                    keit stark zugenommen28. Im untersuch-          nutzung unter Berücksichtigung der Bo-
                                    ten Fall wurde die Produktion aufgrund          denqualität fördern.
                                    stark sinkender Energiepreise eingestellt.

                                    NFP 68 Thematische Synthese 3   Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  15
2                                  Wie geht es dem Boden in der Schweiz?

                                   Bereits vor rund 25 Jahren hat sich ein       2.1 Verlust an Kulturland
                                   nfp mit dem Boden in der Schweiz be-
                                   fasst. Das nfp 22 «Nutzung des Bodens         Unter der Landnutzungsänderung zwi-
                                   in der Schweiz» (1983–1991) formulierte       schen 1985 und 2009 hat bekanntermas-
                                   im Schlussbericht Massnahmen, um die          sen das Kulturland am stärksten gelitten.
                                   Bodenfruchtbarkeit zu erhalten, den Ver-      Insgesamt sind in 24 Jahren 85 000 Hek-
                                   lust an wertvollen, über Jahrtausende         taren beziehungsweise fünf Prozent des
                                   gewachsenen Böden zu verringern und           1985 noch vorhandenen Kulturlands ver-
                                   die Bodennutzung besser zu verteilen28.       loren gegangen, was etwa der Grösse des
                                   Als zentrale Probleme wurden unter an-        Kantons Jura entspricht29. Die Ausweitung
                                   derem der Flächenverbrauch durch Un-          der überbauten Fläche ist für zwei Drit-
                                   ternutzung von Grundstücken und einzel-       tel des Kulturlandverlusts verantwort-
                                   nen Gebäuden, das planlose Wachstum in        lich, und dies überwiegend im Mittelland
                                   Gebieten mit günstigem Bauland und die        (zwischen Jurakette und Alpen) und in
                                   sozialen Folgen steigender Bodenprei-         den Talgebieten. Aufgrund der Topogra-
                                   se an zentralen Lagen bezeichnet. Was ist     fie, des Waldes und weiterer Flächen wie
                                   seither geschehen und welche Ziele wur-       beispielsweise der Gewässer sind in der
                                   den erreicht? Kapitel 2 beleuchtet die Ent-   Schweiz rund dreissig Prozent der Landes-
                                   wicklung des Bodens in den letzten dreis-     fläche für Siedlungen geeignet (Abb. 3, un-
                                   sig Jahren und wagt erste Prognosen für       ten)30. Auf einem Drittel der Landesfläche
                                   die Zukunft.                                  spielen sich daher die grössten Nutzungs-
                                                                                 konflikte ab, denn nicht nur die Bevölke-
                                                                                 rung, sondern auch das produktivste Kul-

Abbildung 3
Besiedelbare Fläche und über-
baute Fläche der Schweiz im
Jahr 2010. Auf einem Drittel der
Landesfläche spielen sich die
grössten Nutzungskonflikte ab.

Angepasst nach31

    Besiedelbare Fläche/
    besiedelbares Kulturland
    Überbaute Fläche

                                   NFP 68 Thematische Synthese 3 Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  16
turland und die dynamischsten Entwick-            Drittel des Gesamtverlusts an Kulturland
                                  lungen der Wirtschaft konzentrieren sich          verantwortlich. Betroffen von der Vergan-
                                  auf diesen knappen Raum.                          dung sind vor allem Sömmerungswei-
                                                                                    den und Maiensässe. Ausserdem führt die
                                  Die jüngste Erhebung der schweizerischen          Vergandung – im Gegensatz zur Versiege-
                                  Arealstatistik wurde für die Westschweiz          lung – zu einer Transformation und nicht
                                  (Kantone Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt,        zum Erliegen der ökologischen Boden-
                                  Basel-Landschaft, Waadt, Neuenburg, Genf          funktionen. Dieses Thema wird daher im
                                  und Jura) bereits abgeschlossen. Ihre Er-         Rahmen der Synthese nicht weiter vertieft.
                                  gebnisse deuten auf eine weitere erheb-
                                  liche Ausweitung der überbauten Flä-              2.1.1 Kulturlandverlust durch Überbauung
                                  che innerhalb der letzten neun Jahre hin,
                                  wenn auch das Tempo etwas nachzulas-              Mit 63 Prozent beziehungsweise knapp
                                  sen scheint32. Der Verlust von Kulturland         54 000 Hektaren ist die Zunahme der über-
                                  durch bauliche Nutzungen kann als ir-             bauten Fläche hauptverantwortlich für
                                  reversibel betrachtet werden, da es nur           den Verlust von Kulturland (Abb. 4, unten)
                                  teilweise und unter erheblichen Kosten            zwischen 1985 und 2009. In dieser Zeit ist
                                  möglich ist, versiegelte Flächen zu rekul-        damit Kulturland in der Grös­se des Boden-
                                  tivieren (Kapitel 4.2.1, S. 49).                  sees überbaut worden. Mit knapp 70 Pro-
                                                                                    zent machen Gebäudeareale den Haupt-
                                  Auch der Wald hat zum Verlust an Kultur-          teil des Verlustes aus, die vor allem zum
                                  land beigetragen. Waldzuwachs und Ver-            Wohnen beansprucht wurden. Infrastruk-
                                  buschung (Vergandung) sind für einen              turen sind für knapp einen Viertel des

Abbildung 4                       Wachstum auf Kosten des Kulturlands
Bilanz des Kulturlandverlusts     in 1000 Hektaren
gemäss Arealstatistik zwischen
                                  90
1985 und 2009. Die Zunahme
der überbauten Fläche ist für     80
knapp zwei Drittel des Kultur-    70
landverlusts verantwortlich.      60
Für eine vollständige Übersicht
                                  50
über die 72 Klassen der Areal­
statistik siehe Lit.33.           40
                                  30
Datenquelle: Lit.31
                                  20
                                  10
                                   0
                                           Kulturlandverlust total          davon Gebäudeareale          davon Wohnareale
                                           Unproduktive Flächen: 18,8%      Erholungs- und Grün-         Restliche Gebäude-
                                           (v.a. Gebüsch und Strauch-       flächen: 9,1%                areale: 4,6%
                                           vegetation, unproduktive Gras-   Infrastrukturen: 22,8%       Industrie- und Gewer-
                                           und Krautvegetation)             (Verkehrsflächen und         beareale: 10,2%
                                           Bestockte Flächen: 17,8%         besondere Siedlungs-         Landwirtschaftliche
                                           Überbaute Flächen: 63,4%         flächen)                     Gebäudeareale: 10,5%
                                                                            Gebäudeareale: 68,1%         Wohnareale: 42,7%

                                  NFP 68 Thematische Synthese 3   Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  17
Kulturlandverlusts verantwortlich, und je     Umweltverbänden angefochten werden.
ein Zehntel wird durch landwirtschaft­        Die Kontrolle darüber, ob die strengen Vo-
liche Gebäudeareale sowie Industrie- und      raussetzungen für Neueinzonungen tat-
Gewerbeareale verursacht. Die beschrie-       sächlich eingehalten werden, wurde da-
bene Zunahme der überbauten Fläche            mit erheblich verschärft.
hat sowohl innerhalb als auch ausserhalb
der Bauzone stattgefunden. Anhand der         Der Schlussbericht des nfp 22 hat Mass-
zur Verfügung stehenden Datengrundla-         nahmen vorgeschlagen, um das Wachs-
gen können jedoch (BaB) nur beschränkt        tum der überbauten Fläche zu stoppen.
Aussagen gemacht werden (Kapitel 2.1.4,       So wurde empfohlen, ein schweizweites
S. 19).                                       Maximum an Siedlungsgebiet festzulegen
                                              und auf die Kantone aufzuteilen28. Diese
Die überbaute Fläche ist zwischen 1985        Massnahme, die nicht umgesetzt wurde,
und 2009 schneller gewachsen als die Be-      hätte einer Verfassungsänderung bedurft,
völkerung. Schweizweit ist die überbaute      da die Raumplanung Sache der Kantone
Fläche pro Einwohnerin und Einwohner          ist. Die Kantone steuern die Entwicklung
um fünf Prozent, von 387 auf 407 Qua­         ihres Siedlungsgebiets über den Richtplan
dratmeter, gestiegen34. Es zeigen sich je-    (Art. 8a rpg). Dem Vorschlag des nfp 22
doch erhebliche regionale Unterschiede.       ist das rpg 1 mit der Ausrichtung der
In zentralen urbanen Lagen wie Zürich         Siedlungsentwiclung nach innen jedoch
und Genf, wo die Innenentwicklung vor-        weitgehend nachgekommen (Kapitel 3.3.1,
angetrieben wurde, ist gar ein Rückgang       S. 31). Die Anforderungen an die Aus-
der beanspruchten überbauten Fläche pro       scheidung neuer Bauzonen wurden ver-
Kopf feststellbar.                            schärft (Art. 15 rpg), und Massnahmen
                                              zur Baulandmobilisierung müssen durch
2.1.2 Künftig weniger neue Bauzonen           die Kantone ergriffen werden (Art. 15a
                                              rpg). Zusätzlich wurde die Abschöpfung
Mit der ersten Revisionsetappe des Raum-      des Mehrwerts bei Wertsteigerungen von
planungsgesetzes von 2012 (rpg 1) sind die    Grundstücken (Mehrwertausgleich) mit
Anforderungen an die Ausscheidung neu-        einem minimalen Prozentsatz (Mindest-
er Bauzonen stark gestiegen (Kapitel 3.3.1,   regelung) und Sanktionsmöglichkeiten bei
S. 31). Generell wird es zwar auch nach der   Nichtbefolgung präzisiert (Art. 5 rpg; Ka-
Umsetzung des rpg 1 möglich sein, neue        pitel 3.1.3, S. 26).
Bauzonen auszuscheiden, häufig wird dies
aber geschehen sein. Neueinzonungen un-       Das Verhältnis der Investitionen in Neu-
terliegen strengen Voraussetzungen. Vorab     bau- und Umbautätigkeiten ist seit den
müssen unter anderem die inneren Nut-         frühen 1990er-Jahren stabil. Nach wie vor
zungsreserven mobilisiert werden, und         werden im Hochbau auf privater Seite
die Verfügbarkeit des einzuzonenden Lan-      rund siebzig Prozent in den Neubau (inkl.
des muss rechtlich sichergestellt sein.       Ersatzneubau) und nur rund dreissig Pro-
Das Bundesgericht folgt bei der Überprü-      zent in den Umbau investiert35. Es ist
fung dieser Anforderungen einer strengen      jedoch noch zu früh, die Wirkung des
Linie. Künftig können Einzonungen nicht       revidierten rpg zu beurteilen. Im Zuge
nur von Privaten und Behörden – den           der Innenentwicklung dürfte sich dieses
Bundesämtern für Raum­entwicklung und         Verhältnis verstärkt in Richtung Umbau
Landwirtschaft –, sondern auch von den        verlagern. Dazu müsste aber auch genau-

NFP 68 Thematische Synthese 3 Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  18
er untersucht werden, wie hoch der Anteil      zungsverschiebungen zwischen Wohnge-
von Ersatzneubauten an der Gesamtzahl          bäuden und solchen ohne Wohnnutzun-
der Neubauten liegt.                           gen sind daher kaum Aussagen möglich.
                                               Einige Kantone haben jedoch ein weit ge-
2.1.3 Verteilung der bestehenden               naueres Monitoring zum BaB aufgebaut.
Bauzonenreserven
                                               Die überbaute Fläche ausserhalb der Bau-
Im Schweizer Durchschnitt beträgt der          zonen beträgt rund 38 Prozent der gesam-
Anteil der Bauzonenreserven zwischen           ten überbauten Fläche der Schweiz; 11,3
12 und 18 Prozent des Gesamtbestands           Prozent aller Gebäude mit Wohnnutzung
der Bauzonen, wobei erhebliche kantona-        stehen ausserhalb der Bauzonen38,39. Zwi-
le Unterschiede bestehen36. Dynamische         schen 2001 und 2010 entstanden zudem
urbane Zentren und deren Einzugsgebie-         pro Jahr rund 500 Neubauten mit Wohn-
te verfügen tendenziell über wenig freies      nutzung ausserhalb der Bauzonen39. Auch
Bauland, während in peripheren Gemein-         die Bautätigkeit ausserhalb der Bauzone
den mit geringerer Nachfrage ein Überan-       konzentriert sich vorwiegend auf Talge-
gebot besteht. Solche Überangebote för-        biete und das Mittelland (Abb. 3, S. 16).
dern die Zersiedelung und die nicht nach-
haltige Nutzung der Ressource Boden. Sie       Verkehrsareale waren in der Vergangen-
führen zu hohen Folgekosten für die Er-        heit für den Kulturlandverlust nicht von
schliessung und für Infrastrukturen (Ka-       primärer Bedeutung. Sie machten (inner-
pitel 2.3, S. 23)37. Die Redimensionierung     halb und ausserhalb der Bauzone) knapp
dieser Bauzonen aufgrund des revidier-         16 Prozent des Flächenverlusts aus (Abb.
ten rpg beschäftigt derzeit viele Kantone      4, S. 17). Nationale Verkehrsinfrastruktu-
(Art. 15 rpg). Die Befürchtung, im Falle       ren, für die der Bund zuständig ist, ver-
von Rückzonungen hohe Entschädigun-            ursachten rund zwei Prozent des Kultur-
gen zahlen zu müssen, sind bei deutlich        landverlusts40. Aufgrund der schärferen
zu grossen Bauzonen häufig unbegründet.        Vorschriften des rpg für das Ausscheiden
Diese werden grundsätzlich als Nichtein-       neuer Bauzonen wird der Anteil der Infra-
zonungen qualifiziert und können in der        strukturbauten für den Kulturlandverlust
Regel entschädigungslos rückgezont wer-        in Zukunft jedoch zunehmen. Gleichzeitig
den (Kapitel 3.1.3, S. 26).                    lässt sich eine Zunahme weiterer Ansprü-
                                               che an den Raum ausserhalb der Bauzone
2.1.4 Flächenverbrauch durch Bauen             beobachten, beispielsweise durch diverse
ausserhalb der Bauzone                         nichtlandwirtschaftliche Nutzungen (etwa
                                               alternative Energiequellen, Agrotourismus
Die verfügbare gesamtschweizerische Da-        oder Pensionspferdehaltung)38.
tengrundlage zum BaB lässt keine vertief-
ten Analysen zu. Ein flächendeckender          Zum fortschreitenden Flächenverbrauch
Datensatz zu den Bauzonen liegt bisher         ausserhalb der Bauzone trägt die Land-
nur für das Jahr 2012 vor, weshalb sich kei-   wirtschaft selber nicht unwesentlich bei.
ne Zeitreihen ermitteln lassen. Das eid-       Als Folge des Strukturwandels in der
genössische Gebäude- und Wohnungsre­           Landwirtschaft hat die Zahl der Bauern-
gister (gwr) erfasst Ökonomiegebäude           höfe seit Jahren drastisch abgenommen.
ausserdem nur unvollständig. Zu Gebäu-         Seit der Jahrtausendwende sind mehr als
den ohne Wohnnutzungen und zu Nut-             16 000 Landwirtschaftsbetriebe verschwun-

NFP 68 Thematische Synthese 3   Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  19
den, überwiegend kleinere Betriebe mit        Basel-Landschaft schliesst mit der Er-
einer Grösse bis zu zwanzig Hektaren.         kenntnis, dass bei gleichbleibender Bau-
Heute gibt es in der Schweiz noch rund        entwicklung ausserhalb der Bauzone trotz
54 000 Bauernhöfe41. Die Entwicklung geht     neuem rpg die Zersiedelung zügig voran-
in Richtung grössere Betriebe, was Folgen     schreiten wird. Die Kantone haben es teil-
für den Raum hat. In der Tendenz wer-         weise mit sehr unterschiedlichen Situati-
den grössere Stall- und Lager­kapazitäten     onen zu tun. Im Kanton Zürich betreffen
beansprucht. Aufgrund des beschriebe-         fast zwei Drittel aller Baubewilligungen
nen Strukturwandels und sich ändern-          ausserhalb der Bauzone nichtzonenkon-
der Rahmenbedingungen wie der ver-            forme Bauten38. Das Verhältnis zwischen
schärften Tierschutzverordnung werden         zonenkonformen und nichtzonenkonfor-
zunehmend flächenintensivere und vo-          men Bewilligungen (Ausnahmebewilli-
luminösere Betriebsgebäude erstellt. Die      gungen) ist demnach genau umgekehrt
nicht mehr benötigten landwirtschaftli-       wie im Kanton Basel-Landschaft.
chen Gebäude werden nur selten abgeris-
sen, sondern anderweitig – zum Wohnen,        2.2 Verlust an qualitativ hochwertigen
als Geräteschuppen usw. – genutzt, was we-    Böden und fehlende Bodendaten
sentlich zur Zersiedelung ausserhalb der
Bauzonen beiträgt38. Trotz der unvollstän-    Das Kulturland ist durch die bestehende
digen Daten lässt sich festhalten, dass die   Gesetzgebung unzureichend geschützt40.
absolute Anzahl der Gebäude ausserhalb        Im Vergleich zu anderen schützenswerten
der Bauzone kontinuierlich zunimmt38.         Gebieten wie Mooren und Wald bestehen
                                              beim Kulturland weniger spezifische ge-
Der Kanton Basel-Landschaft betreibt seit     setzliche Schutzziele. Es gilt einzig eine Vor-
2001 ein Monitoring zum BaB38. Baube-         gabe über den Mindestumfang an acker-
willigungen ausserhalb der Bauzone ma-        fähigem Land, die sogenannten Frucht-
chen etwa sieben Prozent der gesamten         folgeflächen (fff). Sie umfassen knapp
Baubewilligungen aus. Bei 37 Prozent der      einen Drittel der gesamten landwirtschaft­
Baubewilligungen ausserhalb der Bauzo-        lichen Flächen (Kapitel 3.3.3, S. 34). Die
ne handelt es sich um Neubauten, bei 41       restlichen zwei Drittel des Kulturlands
Prozent um Erweiterungen. Abbruch und         bleiben in der Interessenabwägung weit-
Neubau machen nur fünf Prozent aus. Die       gehend unberücksichtigt. Zudem wird als
restlichen 17 Prozent verteilen sich auf      Kriterium für fff ausschliesslich die land-
Umbauten, Umnutzungen und Terrainver-         wirtschaftliche Produktionsfunktion des
änderungen. Zwei Drittel dieser Bewilli-      Bodens betrachtet13. Die vielfältigen Regu-
gungen betreffen zonenkonforme Bauten         lierungs- und Habitatfunktionen, wie sie in
und Anlagen. 87 Prozent der zonenkon-         der thematischen Synthese TS4 des nfp 68
formen Bauten und Anlagen entfallen auf       «Bodeninformations-Plattform Schweiz
die Landwirtschaft und den Gartenbau. Ein     (bip-ch)» aufgezeigt werden, und die ösl
Drittel aller Baubewilligungen ausserhalb     dieser Böden werden nicht berücksich-
der Bauzon betreffen nichtzonenkonforme       tigt. Wie es um die Funktionen und ösl der
Bauten und Anlagen (Ausnahmebewilli-          Böden steht, ist wenig bekannt, fehlen
gungen). Bei den Ausnahmebewilligungen        doch bis heute für die Schweiz flächen­
fällt mit 38 Prozent der grösste Anteil auf   deckende Bodenkar­tierungen und damit
nichtlandwirtschaftliches Wohnen und          für die Raumplanung nutzbare Bodenin-
Gewerbe. Das Monitoring des Kantons           formationen, um die Bodenfunktionen ab-

NFP 68 Thematische Synthese 3 Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  20
Abbildung 5                         35%
Zunahme des Versiegelungs-
                                    30%
grads in Prozent im Vergleich zur
Zunahme der überbauten Flächen      25%
zwischen 1985 und 2009. Die Ver-
siegelung der Böden hat stärker     20%
zugenommen als die Zunahme der
                                    15%
überbauten Fläche vermuten lässt.
                                    10%
Datenquelle: 29,42
                                     5%
    Zunahme Versiegelungsgrad:
    31%                              0%
    Zunahme überbaute Flächen:
    23%

                                    leiten zu können. Eine umfassende Inte­         überwiegend auf den landwirtschaftlich
                                    ressenabwägung unter Einbezug aller             wertvollsten Böden stattfinden wird, sofern
                                    Funktionen und ösl dieser Böden ist des-        das Kriterium «Bodenqualität» nicht in
                                    halb heute nicht möglich.                       raumplanerische Nutzungsentscheidun-
                                                                                    gen einfliesst (Kapitel 4.1.2, S. 45). Mass-
                                    Bereits der Schlussbericht des nfp 22           nahmen zur Begrenzung des Verlusts an
                                    empfahl den Aufbau einer nationalen Ani-        qualitativ hochwertigen Böden müssen
                                    mations- und Koordinationsstelle für den        möglichst innerhalb der nächsten zehn
                                    Bodenschutz28. Mit der Motion Müller-           Jahre greifen, wenn ein erheblicher zusätz-
                                    Altermatt für ein nationales Kompetenz-         licher Kulturlandverlust verhindert wer-
                                    zentrum Boden vom 14. Dezember 2012             den soll (Kapitel 4.1, S. 41).
                                    ist diese Forderung nach wie vor aktuell
                                    (12.4230, «Nationales Kompetenzzentrum          2.2.1 Versiegelung und Aushubarbeiten
                                    Boden als Gewinn für Landwirtschaft,            beeinträchtigen die Bodenqualität
                                    Raumplanung und Hochwasserschutz»).
                                    Mit der Annahme der Motion durch den            Unter versiegelten Oberflächen kann kaum
                                    Nationalrat (2014) und den Ständerat            mehr Leben stattfinden; beinahe alle Fun-
                                    (2015) hat die Bundesversammlung die            ktionen und ösl des Bodens kommen zum
                                    Bedeutung von Bodeninformationen be-            Erliegen. Gemäss Arealstatistik sind knapp
                                    stätigt und den Bundesrat zur Umsetzung         fünf Prozent der Schweizer Böden versie-
                                    der Motion verpflichtet (Kapitel 4.1, S. 41).   gelt42. Zwischen 1985 und 2009 hat die Bo-
                                                                                    denversiegelung um 31 Prozent zugenom-
                                    Das Fehlen von Daten erlaubt keine Aus-         men, die überbaute Fläche dagegen nur um
                                    sage darüber, in welchem Ausmass das            23 Prozent (Abb. 5). Der Verlust an Boden-
                                    Wachstum der überbauten Flächen in der          qualität findet damit auch innerhalb der
                                    Vergangenheit die Funktionen und ösl            überbauten Fläche statt, was bei der In-
                                    des Bodens beeinträchtigt hat. Simula­          nenentwicklung künftig vermehrt Beach-
                                    tionen der nfp 68-Projekte zersiedelung         tung finden muss.
                                    und lastenausgleich zur künftigen Ent-
                                    wicklung weisen jedoch auf einen erheb-
                                    lichen Rückgang der Bodenqualität hin.
                                    Die Projekte prognostizieren, dass die
                                    künftige Zunahme an überbauten Flächen

                                    NFP 68 Thematische Synthese 3   Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  21
Die Aushubarbeiten, die im Zuge der Bau-    Aussenentwicklung und Bauen ausser-
                                        tätigkeit durchgeführt werden, zerstören    halb der Bauzone: Je näher Kulturland an
                                        zudem in kürzester Zeit wertvolle, über     bestehenden Siedlungen liegt, desto eher
                                        Jahrtausende gewachsene Böden. Jähr-        ist es für den Ackerbau geeignet. Die Be-
                                        lich fallen in der Schweiz 60 bis 80 Mil-   wirtschaftung der Ackerböden im Umfeld
                                        lionen Tonnen Bauaushub an43. Dies ent-     von Betrieben und Dörfern hat über Jahr-
                                        spricht umgerechnet dem Volumen von         tausende den Bodenaufbau mitgeprägt
                                        rund fünfzehn Cheops-Pyramiden. Etwa        (Kapitel 1, S. 11 ff). Gleichzeitig haben sich
                                        ein Drittel davon wird für Terrainverän-    Dörfer und Betriebe dort erfolgreich ent-
                                        derungen verwendet, die wiederum einen      wickelt, wo der Boden dies zuliess. Das
                                        Einfluss auf die darunterliegenden Böden    nfp 68-Projekt lastenausgleich bestätigt,
                                        haben. Für den Rest muss die Raumpla-       dass bestehende Siedlungen von quali-
                                        nung Deponiestandorte finden.               tativ hochwertigen Böden umgeben sind
                                                                                    (Abb. 6). Neue bauliche Nutzungen rund
                                        2.2.2 Bauliche Nutzungen beanspruchen       um bestehende Siedlungen können daher
                                        die besten Böden                            erhebliche Verluste an Bodenqualität zur
                                                                                    Folge haben.
                                        Die Zunahme der überbauten Fläche
                                        durch Bautätigkeit und die Bodenversie-     Ein ähnliches Muster gilt für das raum-
                                        gelung spielt daher die Hauptrolle bei      planerische Ziel, die Siedlungsentwick-
Abbildung 6
Links
                                        der Verminderung von Bodenqualität. Die     lung auf bestehende Haltestellen des
Bodenqualität des Kulturlands           Raumplanung sieht sich mit verschie-        öffentlichen Verkehrs mit einer hohen Er-
gemäss squid-Index                      denen Zielkonflikten konfrontiert, die      schliessungsgüte zu konzentrieren. Die
(Kapitel 4.1.1, S. 43)                  sich in komplexen Abwägungsprozessen        Haltestellen liegen jedoch mehrheitlich
Bestehende Siedlungen sind von
                                        den Entscheidungsträgerinnen und -trä-      im Talboden und sind damit von bestem
qualitativ hochwertigen Böden
umgeben. Neue bauliche Nutzun-
                                        gern stellen.                               Ackerland umgeben.
gen rund um bestehende Sied­
lungen können daher erhebliche
Verluste an Bodenqualität zur
Folge haben.

Fokusstudie bodenindikatoren

Tief                             Hoch

Rechts
Distanz des Kulturlands zum
Siedlungsrand.

nfp 68-Projekt lastenausgleich

Tief                             Hoch

                                        NFP 68 Thematische Synthese 3 Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  22
Innenentwicklung: Im Zuge der Innen-          Raums gefördert werden49. Auch der
entwicklung steigt tendenziell der Druck      Schlussbericht des nfp 22 empfahl eine bes-
auf unversiegelte Böden und deren Funk-       sere Koordination von Siedlung und Ver-
tionen und ösl wie Grün- und Freiräu-         kehr und die Verteuerung der Mobilität28.
me44–46. Gleichzeitig bildet die Innenent-    Sowohl die Erreichbarkeit als auch die Zer-
wicklung eine Chance zur Steigerung der       siedelung sind nicht von Gemeinde- und
Attraktivität der Lebensräume für Woh-        Kantonsgrenzen abhängig. Die regions­
nen und Arbeiten. Ihre Auswirkungen auf       spezifischen Agglomerationsprogramme
die Bodenqualität innerhalb des überbau-      «Siedlung und Verkehr» des Bundes sind
ten Gebiets sind noch nicht ausreichend       deshalb ein wichtiger Schritt in die Rich-
erforscht – eine Lücke, die es zu schlies­    tung, die räumliche Entwicklung über meh-
sen gilt.                                     rere Gemeinden einer Region hinweg, die
                                              zusammen einen funktionalen Raum bil-
2.3 Treiber des Flächenverbrauchs             den, zu steuern (Kapitel 3.4.3, S. 38).

Wirtschaftliche, gesellschaftliche und po-    Auch wirtschaftliche Faktoren haben ei-
litische Prozesse tragen in unterschied-      nen erheblichen Einfluss auf die Zersie-
lichem Ausmass zum Flächenverbrauch           delung. Konventionelle Geldanlagen ver-
bei. Sie bilden Ansatzpunkte für künftige     lieren zunehmend an Attraktivität, weil
Massnahmen. Seit den 1960er-Jahren hat        ihre Zinsen gegen null oder gar darunter
der Ausbau des nationalen Strassen- und       sinken. Der Druck von Investoren auf den
Schienennetzes die Siedlungsentwicklung       Immobilienmarkt nimmt daher zu. Die Ka-
massgeblich beeinflusst. Gemäss dem           pitalanlage Boden, die Sicherheit und Ren-
nfp 68-Projekt zersiedelung wird der Ein-     dite verspricht, fördert die Zersiedelung6.
fluss der Erreichbarkeit auf das Ausmass      Wohlhabende Gemeinden an attraktiven
der Zersiedelung nach wie vor unter-          Lagen mit tiefem Steuerfuss ermöglichen
schätzt47. Ihm zufolge schwächt sie gar den   gemäss dem nfp 68-Projekt zersiedelung
Einfluss anderer Treiber. Das Muster der      eine flächenintensive Bauweise mit tiefer
Siedlungsentwicklung in den fünf Metro-       Nutzungsdichte, wie dies teilweise am Zü-
politanregionen Zürich, Bern, Basel, Genf-    rich- oder Genfersee zu beobachten ist.
Lausanne und Tessin wird durch die Er-        Über die Nutzungsplanung steuern die
reichbarkeit bestimmt. In Zukunft muss        Gemeinden das Ausmass des verfügba-
vor allem in denjenigen Regionen mit ei-      ren Baulands. In der Vergangenheit ist
ner Zunahme der Zersiedelung gerechnet        besonders in peripheren Gemeinden ein
werden, die eine hohe Erschliessungsgunst     Überangebot an Bauland entstanden (Ka-
und Entwicklungsspielraum in der Fläche       pitel 2.1.2, S. 18). Zusammen mit dem Bo-
aufweisen. Dies betrifft überwiegend Ag-      denpreisgefälle zwischen Zentrum und
glomerationen48. Gleichermassen geht ge-      Peripherie heizt das Baulandüberangebot
mäss dem nfp 68-Projekt zersiedelung eine     in diesen Regionen die Zersiedelung an6.
Erhöhung der Erreichbarkeit – gerade in
zentralen, hocherschlossenen Lagen – oft      Das nfp 22 hat eine Besteuerung von
auch mit einer Erhöhung der Nutzungs-         Zweitwohnungen empfohlen, was in der
dichte einher. Mit der Steuerung der Sied-    Schweiz nie national umgesetzt wurde28,50.
lungsentwicklung und der Verbesserung         Mit einem Verfassungsartikel wurde al-
der Erreichbarkeit kann somit auch eine       lerdings 2012 der Anteil Zweitwohnungen
effizientere Nutzung des verfügbaren          am Gesamtbestand der Wohnungen einer

NFP 68 Thematische Synthese 3   Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  23
Das Ziel, den Verlust qualitativ      Gemeinde auf höchstens zwanzig Prozent        nannten Referenzszenario bis 2045 mit
    wertvoller Böden zu begrenzen         begrenzt (Art. 75b BV).                       einem weiteren Anstieg des Bevölke-
    (Kapitel 1.1, S. 11), gliedert sich                                                 rungsanteils der 65-Jährigen und Älteren
    in folgende Unterziele:               Trotz der grundsätzlichen Trennung von        von 18 auf über 26 Prozent54.
–    Die notwendigen Bodeninfor-          Bau- und Nichtbaugebiet ist der Boden
    mationen für die Bewertung            ausserhalb der Bauzone von der Zersiede­      2.4 Fazit: Unzureichende Berücksichtigung
    der Bodenfunktionen und ösl           lung betroffen (Kapitel 2.1.4, S. 19). Der    der Bodenqualität
    des Bodens werden erhoben             durch diese Trennung verursachte Unter-
    und für die Raumplanung ver-          schied bei den Bodenpreisen bildet den        Die Ressource Boden wird in der Schweiz
    fügbar gemacht (Kapitel 2.2,          zentralen Treiber für diesen Prozess51.       nicht nachhaltig genutzt. Gleichzeitig
    S. 20).                               Zudem werden Probleme im Vollzug für          wird der Nutzungsdruck nicht nachlas-
–    Das Bauen ausserhalb der             die Entwicklung verantwortlich gemacht.       sen. Mit der ersten Etappe der Revision
    Bauzone wird begrenzt                 Dies trifft auch für das Baugebiet zu.        des rpg (rpg 1) und der damit verstärk-
    (Kapitel 2.1.4, S. 19).               Die Planungsautonomie der Gemeinden           ten Konzentration der Siedlungsentwick-
–    Bei künftigen baulichen Nut-         und die ungenügende Aufsicht durch die        lung nach innen wurde ein grosser Schritt
    zungen wird die Bodenqua-             Kantone haben in der Vergangenheit dazu       in Richtung Drosselung des Flächenver-
    lität in den Entscheidungs-           geführt, dass zu wenig wirksame Instru-       brauchs gemacht. Das BaB sowie Infra-
    ­prozessen berücksichtigt             mente geschaffen und Massnahmen gegen         strukturbauten tragen jedoch zunehmend
    (Kapitel 2.2.2, S. 22).               die Zersiedelung ergriffen wurden. Kapazi-    zum Flächenverbrauch bei. Zudem sind
–    Das Überangebot an Bauzo-            tätsengpässe auf kommunaler Ebene im Be-      die Böden innerhalb der Bauzonen durch
    nen in peripheren, schlecht           reich ausgebildeter Planerinnen und Pla-      die Innenentwicklung stärker von der Ver-
    erschlossenen Lagen wird ab-          ner sowie knappe Finanzen haben auch          siegelung bedroht. Wird die Bodenqua-
    gebaut (Kapitel 2.1.3, S. 19).        dazu beigetragen52.                           lität bei Nutzungsentscheidungen nicht
–    Die Versiegelung im Zuge der                                                       berücksichtigt, werden die künftigen bau-
     Innenentwicklung wird mini-          Das Bevölkerungswachstum allein kann          lichen Entwicklungen überwiegend auf
     mal gehalten, und Bodenfunk-         die Zersiedelung nicht erklären47. Dies       den besten Böden stattfinden. Die the-
     tionen und ösl des Bodens            wird auch von den Daten zum steigenden        matische Synthese TS4 des nfp 68 «Boden­
     innerhalb der Bauzonen wer-          Anteil überbauter Fläche pro Einwohne-        informations-Plattform Schweiz (bip-ch)»
     den gefördert (Kapitel 2.2.2,        rin und Einwohner bestätigt (Kapitel 2.1.1,   zeigt Wege auf für eine landesweite Kartie-
     S. 22).                              S. 17). Dafür hat sich der steigende Wohn-    rung der Böden und die Erstellung eines
                                          flächenanspruch in der Entwicklung nie-       nationalen Bodenatlas Schweiz, um flächen­-
                                          dergeschlagen. Dieser scheint in den letz-    deckend einheitliche Planungsgrundlagen
                                          ten Jahren jedoch eine Sättigung erreicht     für Bodenfunktionskarten und ösl des
                                          zu haben, hat sich der Wert doch seit dem     Bodens zu schaffen. Diese Grundlage er-
                                          Jahr 2000 bei etwa 45 Quadratmetern pro       laubt, die Bodenqualität in raumplaneri-
                                          Person stabilisiert53.                        sche Entscheidungen einzubeziehen (Ka-
                                                                                        pitel 2.2, S. 20).
                                          Sinkende Haushaltsgrössen (gemessen am
                                          Anteil der Einzelhaushalte) und die demo-
                                          grafische Entwicklung (gemessen am An-
                                          teil der Altersgruppe der über 65-Jährigen)
                                          sind weitere Treiber der Zersiedelung47.
                                          Die Anteile der beiden betrachteten Ge-
                                          sellschaftsgruppen sind stark gestiegen
                                          und haben damit den Flächenverbrauch
                                          beschleunigt. Der Bund rechnet im soge-

                                          NFP 68 Thematische Synthese 3 Eine Bodenagenda für die Raumplanung 	  24
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