Erholsame Landschaft - WSL Berichte Heft 115, 2021 - DORA 4RI
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Heft 115, 2021 WSL Berichte ISSN 2296-3456 Erholsame Landschaft Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL CH-8903 Birmensdorf
Heft 115, 2021 WSL Berichte ISSN 2296-3456 Erholsame Landschaft Redaktion Matthias Bürgi, Silvia Tobias, Marcel Hunziker, Nicole Bauer, Peter Bebi, Felix Kienast Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
2 Forum für Wissen 2021 Das Forum für Wissen ist eine Veranstaltung, die von der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL durchgeführt wird. Aktuelle Themen aus den Arbeitsgebieten der Forschungsanstalt werden vorgestellt und diskutiert. Neben Referenten von der WSL können auswärtige Fachleute beigezogen werden. Gleichzeitig zu jeder Veranstaltung «Forum für Wissen» erscheint eine auf das Thema bezogene Publikation in der Reihe WSL Berichte. Alle Beiträge wurden von zwei Fachpersonen begutachtet. Verantwortlich für die Herausgabe Eidg. Forschungsanstalt WSL Verantwortlich für dieses Heft PD Dr. Matthias Bürgi, Leiter Forschungseinheit Landschaftsdynamik Dr. Silvia Tobias, Leitung Zentrum Landschaft WSL Schriftleitung Sandra Gurzeler Wir danken folgenden Personen, welche sich als Reviewer zur Verfügung stellten, für die kritische Durchsicht der Beiträge und die hilfreichen Kommentare: Nicole Bauer, Peter Bebi, Matthias Buchecker, Matthias Bürgi, Rita Bütler, Marcel Hunziker, Felix Kienast, Nadja Mahler, Christine Neff, Kathrin Röderer, Gilles Rudaz, Matthias Stremlow, Maarit Ströbele, Silvia Tobias, Astrid Wallner, Flurina Wartmann und Brigitte Wolf. Zitierung Bürgi, M.; Tobias, S.; Hunziker, M.; Bauer, N. Bebi, P.; Kienast, F. (Red.), 2021: Forum für Wissen 2021. Erholsame Landschaft. WSL Ber. 115: 76 S. Layout Sandra Gurzeler, WSL Fotos Umschlag von oben: Peter Bebi, Peter Longatti, Nicole Bauer, Silvia Tobias (beide) Bezugsadresse WSL Shop: e-shop@wsl.ch PDF Download: www.wsl.ch/berichte ISSN 2296-3448 (Print) ISSN 2296-3456 (Online) Forschung für Mensch und Umwelt: Die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL überwacht und erforscht Wald, Landschaft, Biodiversität, Naturgefahren sowie Schnee und Eis. Sie ist ein Forschungsinstitut des Bundes und gehört zum ETH-Be- reich. Das WSL-Institut für Schnee und Lawinenforschung SLF ist seit 1989 Teil der WSL. © Eidgenössische Forschungsanstalt WSL Birmensdorf 2021
Forum für Wissen 2021 3 Vorwort Landschaft wird zunehmend als eine gesamtgesellschaftliche Zentralressource er- kannt – nicht zuletzt aufgrund der grossen Bedeutung, die ihr für die Erholung zu- kommt. Dies zeigte sich verstärkt während des pandemiebedingten Lockdowns, als das in die Ferne Schweifen erschwert war und die Landschaft vor der Haustüre – oder zumindest in den nahen Bergen – verstärkt aufgesucht wurde. Schon längst vor COVID-19 war erkennbar, dass Freizeit, Erholung und Sport in Alltagsland- schaften, aber auch in landschaftlich attraktiven Gebieten, die im Rahmen von Tagesausflügen oder Ferien aufgesucht werden, an Bedeutung gewonnen hatten. Dieser Trend hat Ausdruck gefunden in der gesundheitspolitischen Strategie des Bundesrates 2020–2030, wo auf die Bedeutung einer hohen Landschaftsqualität für die Erholung und Gesundheit hingewiesen wird. Und auch im Landschafts- konzept Schweiz wird eine verstärkte Koordination zwischen Bewegungs- und Sportförderung und Landschaftspolitik gefordert. In den Themenblöcken «Landschaft als Erholungsraum», «Landschaft und Gesundheit», «Besucherverhalten unter CORONA» und «Konflikte und Lösun- gen – Besucherlenkung» werden im diesjährigen Forum für Wissen 2021 die neu- esten Forschungsergebnisse, gepaart mit Einblicken in die Praxis und Umsetzung dieser Erkenntnisse durch Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Pra- xis präsentiert. Die Aktualität der Thematik zeigt sich auch darin, dass am 9. März 2022 ein von den vier Bundesämtern BAFU, BASPO, BAG und ARE getragenes Forum zum Thema «Landschaft bewegt die Schweiz» durchgeführt werden wird. Die- ses hat zum Ziel, den Austausch zwischen den verschiedenen betroffenen Akteu- ren aus den Bereichen Bewegung, Sport, Gesundheit, Landschaft und Planung zu fördern. Im Zentrum steht die Frage, wie fachbereichsübergreifend eine qualitäts- volle Landschaft gestaltet werden kann, die gleichzeitig für sportliche Aktivitäten und Bewegung dienlich und attraktiv ist. Das WSL Forum für Wissen und der vorliegende Tagungsband gibt dazu einen breit abgestützten Überblick über die wesentlichen wissenschaftlichen Beiträge zur Frage, was erholsame Landschaften ausmacht und wie die Qualität der Land- schaft und damit ihre erholungsfördernde Wirkung erhalten werden kann. Birmensdorf, 30. November 2021 Matthias Bürgi, Silvia Tobias – Tagungsleitung
Forum für Wissen 2021 5 Inhalt Seite Vorwort 3 Landschaft als Erholungsort – Forschung und Praxis erschliessen 7 neues Wissen Felix Kienast, Matthias Buchecker und Marcel Hunziker Messen wie die Bevölkerung Landschaft für die Erholung nutzt. 13 Erkenntnisse aus dem Programm Landschaftsbeobachtung Schweiz LABES Flurina Wartmann, Felix Kienast und Marcel Hunziker Planung und Gestaltung erholsamer Landschaften im Kanton Zug 17 Martina Brennecke Die Wirkung der Landschaft auf den Menschen: Einfluss auf Stressreduktion 21 und Erholung Nicole Bauer, Mathias Hofmann und Christopher Young Bewegungsförderung und Landschaft – wissenschaftlicher Hintergrund 33 und Fallbeispiele Sonja Kahlmeier und Gisèle Jungo Le comportement de la population en relation avec les espaces verts et 39 ouverts pendant la crise du Coronavirus dans les cantons de Genève et Zurich Manuela Egeter, Andréa Finger-Stich, Lea Ketterer Bonnelame und Dominik Siegrist The woods are calling: Auswirkungen der Corona-Pandemie 49 auf die Schweizer Waldbesuche Anne C. Wunderlich, Boris Salak, Tessa Hegetschweiler, Nicole Bauer und Marcel Hunziker Die Natur als Wildpark und Sportarena. Das Outdoor-Stadium Schweiz 53 gemeinsam planen Matthias Remund Extreme Besucherströme bringen neue Herausforderungen 57 für Schutzgebiete Ute Schnabel-Jung und Sonja Wipf Wildtier-orientierte Besucherlenkung im Schneesport – die Kampagne 63 «Respect Wildlife» und deren Evaluation Marcel Hunziker, Eva Hubschmid und Reto Solèr Abstracts Flashtalks 69
Forum für Wissen 2021: 7–12 7 Landschaft als Erholungsort – Forschung und Praxis erschliessen neues Wissen Felix Kienast, Matthias Buchecker und Marcel Hunziker Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, felix.kienast@wsl.ch Das Thema «Landschaft als Erholungsort» zeigt gut wie Forschung und Praxis ge- individuelle und kulturelle Erfahrun- meinsam neues Wissen generieren können. Die Kultur der Co-Produktion von gen und Bedeutungen dazu, dass Land- Wissen erleichtert es, die «Einbahnstrasse des Wissens» von der Forschung zur schaften individuell und kollektiv an- Praxis zu überwinden. Die Erfahrung zeigt, dass diese Kultur mithilft, theoretisch geeignet und gedeutet werden (Kühne gut untermauerte, tragfähige Lösungen zu realisieren. Verschiedene nationale und 2017). Diese Wertezuordnung führt im internationale Organisationen, in denen sich die WSL aktiv einbringt, pflegen das nächsten Schritt zu Verhaltensweisen, Konzept der Wissensgemeinschaften, so zum Beispiel das FoLAP, die IALE , und was sich schliesslich in Landnutzung IFLA aber auch die Europäische Landschaftskonvention. Der vorliegende Artikel und erwünschten Landschaftsverän- gibt einen groben Überblick über dieses gemeinsame Wissen zu den im «Forum derungen manifestieren. Übereinstim- für Wissen 2021» ausgewählten Themen. Er erhebt nicht den Anspruch, ein breit mend mit diesen theoretischen Über abgestützter Review-Artikel zu sein. Vielmehr schöpft er aus dem reichen Fundus legungen erhebt LABES – als eines der von Wissen, den die WSL zusammen mit ihren Partnern aus Forschung und Praxis wenigen Landschaftsbeobachtungspro- in den letzten Jahrzehnten erarbeitet hat. gramme weltweit – Aspekte sowohl der physischen als auch der wahrge- nommenen und gedeuteten Landschaft (Kienast et al. 2019; Rey et al. 2017). 1 Die Landschaft rückt in und einen gedeuteten Raum gibt. Nach den Fokus der Erholungs- heutigem Kenntnisstand weiss man, forschung dass die Deutungen von Orten eine sehr wichtige Rolle in der Aneignung 2 Welche Landschaft gefällt? Bereits Rachel und Stephen Kap- von Landschaft spielen (Salak et al. lan haben in den 1980er Jahren ver- 2021). Bazrafshan et al. (2021) konnte Bezüglich der wissenschaftlichen Ana- sucht, mit der «Attention Restoration zum Beispiel anhand von Interviews lyse der Landschaftswahrnehmung Theory» (Kaplan und Kaplan 1989) mit Flüchtlingen in städtischen Parks wurde an der WSL Pionierarbeit ge- die Brücke zwischen psychchologi- zeigen, dass physisch unterschiedliche leistet. So konnte unter anderem für al- scher Forschung und der Landschaft Elemente, die aber die gleiche Bedeu- pine Gebiete gezeigt werden, dass bei zu schlagen. In dieser Theorie wurde tung und Funktion wie im Herkunfts- einer Sukzession von offenem Land zu erstmals überzeugend dargelegt, wel- gebiet der Befragten haben, eine Orts- Wald ein mittlerer Grad an Gebüsch- che Landschaftseigenschaften menta- bindung am neuen Ort erleichtern. und Offenwaldstrukturen am positivs- ler Erschöpfung entgegenwirken kön- Die erwähnten theoretischen Über- ten wahrgenommen wird, allerdings nen. Die Kaplan’schen Erkenntnisse legungen sind nicht l’art pour l’art son- mit beträchtlichen Abweichungen zwi- waren lange richtungsweisend in der dern wichtige konzeptionelle Grundla- schen Einheimischen und Touristen, Forschung zur Rolle der Landschaft gen für angewandte Projekte zur Rolle welche u.a. auf die unterschiedlichen bezüglich Erholung, aber auch in der der Landschaft bei der Erholung oder Bedeutungen des Verwilderungspro- Landschaftswahrnehmung. Die Argu- zur Landschaftsbeobachtung (Kienast zesses zurückzuführen sind (Hunzi- mente, dass physische Eigenschaften et al. 2013). Als Beispiel sei das schwei- ker 1995; Hunziker und Kienast 1999; der Landschaft bis zu einem gewissen zerische Landschafts-Monitoringpro- Hunziker et al. 2008). Dass diese all- Grad die Landschaftswahrnehmung gramm LABES erwähnt, das die WSL gemeinen Erkenntnisse zum Gefallen bestimmen, wurden von Tuan (1977) in zusammen mit dem BAFU konzipiert, einer Landschaft auch in der Naher- seinem Buch «Space and Place – The durchführt und forschungsmässig be- holungsforschung wichtig sind und ihre Perspective of Experience» in ersten gleitet. Nebst vielen anderen Themen Gültigkeit haben, zeigen zum Beispiel Ansätzen thematisiert, von Bourassa’s erhebt LABES auch wichtige Erho- die Arbeiten von Buchecker und De- Mettatheorie (Bourassa 1991) auf- lungsaspekte der Landschaft. LABES genhardt (2015), Bögli et al. (2016) genommen und von Hunziker et al. stützt sich unter anderem auf das Kon- oder Degenhardt et al. (2010). Sie (2007) mit neuen Erkenntnissen aus zept, dass physische Landschaften – mündeten in qualitative und quantita- der Umweltpsychologie ergänzt. Da- entsprechend der Kaplan’schen Theo- tive Modelle, in denen Landschaftsei- mit steht heute ein theoretisch gut ab- rie der physiologischen Informations- genschaften mit dem Aufsuchen von gestütztes Konzept zur Verfügung, das verarbeitung des Gehirns – in einem Orten für die Naherholung verknüpft davon ausgeht, dass es einen physi- ersten Schritt wahrgenommen wer- wurden. Diese mit vielen Probanden schen, einen direkt wahrgenommenen den. In einem zweiten Schritt führen geeichten, räumlich expliziten Modelle WSL Berichte, Heft 115, 2021
8 Forum für Wissen 2021 aufgesucht werden (Komossa et al. 2021). Doch will tatsächlich niemand dort sein? Vermutlich gibt es nur sehr wenige Unorte der Erholung, wo der Stress, sich dort aufzuhalten, gross ist – beispielsweise gross-städtische Parks, wo man sich vor Kriminalität fürchten muss (Sreetheran und Van den Bosch 2014), oder Orte mit gesundheitsschä- digendem Lärm. Zu diesem Thema ist kürzlich das Nationalsfonds-Projekt RESTORE (Restorative potential of green spaces in noise-polluted environ- ments) angelaufen, in dem die WSL zu- sammen mit der EMPA untersucht, ob und wie stark urbanes Grün das Lärm- empfinden zu beeinflussen vermag. Erste Hinweise legen nahe, dass alltäg- liches urbanes Grün das Lärmempfin- den um bis zu 6 dB reduzieren kann (Schäffer et al. 2020). Abb. 1. Hügel sind Anziehungspunkte für die Naherholung, da sie die Besucher Fernsicht Umfragen in funktionalen Alltags- und Weite erleben lassen (Foto: M. Buchecker). landschaften belegen, dass diese – trotz ihrer Alltäglichkeit – für die lokale Be- völkerung sehr bedeutsame Orte sein können (Felber Rufer 2006). Sie kön- nen auch durchaus technische An- lagen aufweisen, die eigentlich stö- ren müssten; wenn diese aber positiv konnotiert sind, werden sie akzeptiert oder gar begrüsst. Wir kennen die- ses Phänomen auch aus der Platzie- rung von Energieanlagen. Salak et al. (2021) konnten zum Beispiel zeigen, dass die Akzeptanz von Energieanla- gen sehr stark davon abhängt, welche Bedeutung die Energieinfrastruktur für die Bevölkerung hat. Ähnliche Re- sultate findet man an kleinen Gewäs- sern, zum Beispiel entlang der oberen Glatt (ZH) oder der unteren Wigger (AG) in mit Strassen und Infrastruk- tur extrem belasteten Gebieten. Trotz der Beeinträchtigungen sind diese Ge- biete für die Bewohnerinnen und Be- wohner bedeutsam und Hotspots der Abb. 2. Naherholung am revitalisierten Gewässer (Foto: B. Junker). Erholungsnutzung (Buchecker 2015; Müller et al. 2017). Vergleiche zwi- waren richtungsweisend in der quan- len: Erstens gibt es viel individuelle Va- schen revitalisierten und nicht-revitali- titativen Erfassung der Naherholung: riation, und zweitens legt die konstruk- sierten Abschnitten zeigen zudem, dass Wasser, Aussicht, reich strukturierte tivistische Weltsicht nahe, dass vieles kleine Aufwertungsmassnahmen ei- Landschaften und Wald bekommen – weitgehend auch die Landschaft – ge- nen grossen Effekt hinsichtlich wahr- eine hohe Zustimmung durch die Be- sellschaftliche und individuelle Konst- genommener Attraktivität und Nut- völkerung und einen hohen Erlebnis- ruktionen sind und dass die Verknüp- zungsintensität haben (van den Born wert. Die Erkenntnisse findet man für fung von physischen Eigenschaften mit et al., im Druck). Dies scheint gene- die Praxis gut aufgearbeitet in einem dem Verhalten nicht absolut probabi- rell für Aufwertungen von stark be- Merkblatt der WSL (Buchecker et al. listisch interpretiert werden darf. Dies einträchtigten Landschaften zu gelten, 2013). gilt auch für die von den Modellen vor- in denen kleinste Aufwertungen einen Es ist aber auch Vorsicht geboten ausgesagten Hot- und Coldspots. Letz- maximalen Mehrwert für die Erho- mit solch geo-deterministischen Model- tere sind Orte, die nach Modell kaum lungswirkung haben (Santoleri et al. WSL Berichte, Heft 115, 2021
Forum für Wissen 2021 9 2021). Diese Alltagslandschaften sind – wie das Landschaftsbeobachtungspro- gramm LABES zeigt – für 60 Prozent der Befragten in weniger als fünf Mi- nuten erreichbar. Gemäss Befragung nehmen die Menschen in der Schweiz dieses Angebot in über 190 Tagen im Jahr wahr (LABES Erhebung 2020, in Vorbereitung). Die LABES-Erhebung hat aber auch gezeigt, dass Bewohne- rinnen und Bewohner ihre Wohnumge- bung sehr gut beobachten können. Ihre Landschaftscharakterisierung ist oft so akkurat, dass wir von einem äusserst wertvollen Urteil der Bevölkerung aus- gehen können, ein Wissensreservoir, das in der Landschaftsbeobachtung oder in der konkreten Planung von er- holsamen Landschaften unbedingt bei- gezogen werden sollte. Aber auch der Wald ist ein Erho- lungsort erster Wahl. Wir wissen aus Abb. 3. Glatt-Stettbach (Foto: S. Tobias). dem Waldmonitoring soziokulturell (WaMos), dass mehr als die Hälfte der Schweizer Bevölkerung den Wald von mit ihren Forschungen zu Gesundheit raum sehr bewusst ist, diese unter den Frühling bis Herbst mindestens zwei und Landschaft massgeblich zu einer pandemiebedingten Einschränkungen Mal pro Woche zu Erholungszwecken Differenzierung der pauschalen Aus- vermehrt nutzt(e) und sich der Natur- aufsucht. Im Durchschnitt verweilen sage beigetragen, dass Landschaftsge- vielfalt bewusst wurde (Egeter et al. sie zudem lange, nämlich 90 Minuten nuss per se gesundheits-förderlich ist 2020). Noch etwas genauer untersuchte (Zahlen von 2020; WaMos3-Daten sind (z. B. Bauer et al. 2016; Bauer et al. die WSL die Waldbesuche: Es gab Ver- in Vorbereitung), während die Anreise- 2021). Heute zeigen eine Vielzahl von änderungen der Waldbesuche in zwei zeit mit durchschnittlich 13,5 Minuten Publikationen, dass Grünflächen, eine Richtungen. Dabei fiel auf, dass sich kurz ausfällt. Kein Wunder ist die Zu- Wanderung im Wald oder entlang von die Häufigkeit der Waldbesuche polari- friedenheit mit dem Waldbesuch sehr Wasserflächen mithelfen, Arbeitsbelas- sierte; einerseits gingen sehr viele Per- hoch, gefällt er den Leuten ausseror- tungen zu kompensieren, den Stress zu sonen deutlich seltener in den Wald, dentlich gut und trägt er zu ihrer Ent- vermindern und das Wohlbefinden zu viele aber auch deutlich häufiger. «Ge- spannung bei (Hunziker et al. 2012). erhöhen (Martens et al. 2011; Degen- legentliche» Waldbesuche fanden we- Dabei ist die wahrgenommene Quali- hardt und Buchecker 2012). Diese niger häufig statt, sie waren kürzer und tät des Waldes wiederum sowohl von Erkenntnisse haben unter anderem erfolgten näher zum Wohnort als üb- seinen physischen Eigenschaften als im Landschaftskonzept Schweiz und lich (Wunderlich et al. 2021). Aus ei- auch von den ihm zugewiesenen Be- in der gesundheitspolitischen Strate- ner polnischen Untersuchung entneh- deutungen abhängig (Hegetschweiler gie des Bundesrates 2020–2030 ihren men wir, dass unmittelbar nach dem et al. 2017, 2020). Niederschlag gefunden, wo auf die Be- Lockdown das Bedürfnis nach natur- deutung einer hohen Landschaftsqua- nahem urbanem Grün wie zum Bei- lität für die Erholung und Gesundheit spiel urbanen Wäldern oder renaturier- hingewiesen wird (Landschaftskonzept ten Parkanlagen grösser war als nach 3 Macht uns die Landschaft Schweiz, Ziele 3.A-C, zitiert in BAFU sehr gepflegten Parkanlagen (Grzyb gesund? 2020). et al. 2021). Und wie steht es nun mit der Rolle Eigentlich hätte man sich ob so Leider kann diese Frage nicht pauschal der Landschaft in der epidemiologi- viel nachgefragter Naherholung seitens mit Ja oder Nein beantwortet werden. schen Ausnahmesituation von Co- Landschaftspolitik die Hände reiben Landschaft ist zwar häufig die Bühne, vid-19? Wenn die Gesellschaft in ein können: Was über Jahre die Botschaft auf der körperliche Bewegung oder paar Jahren gelernt hat, mit diesem Vi- war, nämlich das energieintensive in Kontemplation stattfindet, aber sie rus umzugehen, wird man die Auswir- die Ferne schweifen zu reduzieren und bleibt Bühne und ist vermutlich nicht kungen auf das Naherholungsverhal- die Naherholungsgebiete vermehrt der kausale Grund für die Gesundheit, ten abschliessend würdigen können. zu nutzen, traf mit der Covid-Pande- eher schon eine Einladung zur Selbst- Vorerst stehen uns ein paar Untersu- mie ein. Und man war erstaunt, dass heilung (Lee und Maheswaran 2011). chungen zur Verfügung, die nahelegen, nun auch in der Schweiz von Crow- Nicht weniger wichtig ist es aber, diese dass sich die Bevölkerung der Land- ding (Gedränge) die Rede war (Boldt Bühne zu pflegen, und so hat die WSL schaftsqualitäten im Naherholungs- 2021), was punktuell sicher zutraf aber WSL Berichte, Heft 115, 2021
10 Forum für Wissen 2021 hauptsächlich auf die Hotspots redu- flikte nicht primär objektiv-sachlicher nal beachtet und implementiert wird. ziert blieb. In der Alltagslandschaft, wo Natur sind, sondern Ausdruck von auf- Jedes Forschungsprojekt und jede Ta- Naherholung weitgehend stattfindet, einanderprallenden, gegensätzliche gung führt zu neuen Fragen, und auch fand Crowding kaum statt. Dass streng Bedeutungen oder Einstellungen zu die Praxis trägt neue Anregungen und geschützte Naturschutzgebiete Schutz Landschaft und Natur. Damit stellen Anliegen an die Landschaftsforschung – auch vor der Bevölkerung – benöti- wir Besuchermanagement unter das heran. Aus der Tagung «Forum für Wis- gen, macht Sinn. Aber wir sehen seitens grössere Thema «Mensch-Natur-Ver- sen» kristallisieren sich folgende Fra- vieler Schutzorganisationen und auch hältnis». Wir fragen uns also nicht pri- genkomplexe heraus, die unserer Mei- von Kommunen Bestrebungen, die mär, wie Besucherinnen und Besucher nung nach erforscht werden sollten: Naherholungssuchenden auch von we- möglichst effizient zu «lenken» sind, 1. Wie beeinflussen Lebensstile, die niger schützenswerten Gebieten fern sondern versuchen zu verstehen, was sich dauernd verändern, die Land- zu halten. Dies zeigt, dass wir gesell- die Einstellungen gegenüber der Natur schaft und was von ihr erwartet schaftlich einen besseren Umgang mit sind und die Motivationen, sich darin wird? Momentan deckt LABES als den Landschaftsnutzerinnen und -nut- zu bewegen. Rein und Schuler (2019) Monitoringprogramm diese Frage zern entwickeln müssen. Durch den ho- unterscheiden dabei vier an die Cultu- gut und in einem Zyklus von 6–10 hen Stellenwert der Landschaft in der ral Theory von Thompson et al. (2018) Jahren ab. Aber wie steht es mit der Schweizer Wohnbevölkerung (Kienast angelehnte Haltungen zur Natur: Früherkennung von künftigen Le- et al. 2004) wird der schonungsvolle 1. die «strapazierfähige Natur», die bensstilen, und werden die Kantone Umgang mit Landschaft bereits in den eigentlich immer wieder ins Gleich- mit den sich laufend verändernden Schulen geübt und es war lange kaum gewicht kommt, Ansprüchen fertig, angesichts des nötig, ausgereifte Besucherlenkungen 2. die «empfindliche Natur», die, wenn Umstandes, dass die Kantone be- zu haben. Wir können uns deshalb vor- sie einmal aus dem Gleichgewicht reits mit dem Finden von instituti- stellen, dass die Schweiz bezüglich Be- gerät, nicht mehr dorthin zurück onellen Arrangements für die jetzi- sucherlenkung einen Nachholbedarf finden kann, gen Bedürfnisse ausgelastet sind? hat. Es besteht die Hoffnung, dass die- 3. die «in Grenzen tolerante Natur», 2. Wie gelingt es, die Gesundheits- ses Forum für Wissen Gelegenheiten die Eingriffe bis zu einem gewissen leistung der Landschaft mit öko- schafft, im transdisziplinären Dialog Masse toleriert, und nomisch akzeptierten Methoden entsprechende Forschungslücken auf- 4. die «unberechenbare Natur», von als wichtige Landschaftsleistung zudecken. der man überhaupt nicht weiss, in zu quantifizieren und in gesund- welche Richtung sie sich entwickelt. heitsökonomische Modelle einflies- sen zu lassen? Dies wäre eine Vor- Nur eine geringe Anzahl Leute (aus aussetzung, damit Erholung in der 4 Wann kommt es zu Deutschland) sind gemäss Rein und Raum- und Regionalentwicklung Konflikten? Schuler (2019) von einer «strapazier- als vollwertige und nicht nur «nice fähigen Natur» überzeugt. Die meis- to have» Landschaftsleistung aner- Die grössten und offensichtlichsten ten halten sie für «in Grenzen tolerant» kannt würde. Vielleicht helfen die Konflikte entstehen sicherlich dort, wo oder «unberechenbar». Diese Einstel- in der Covid-19-Pandemie durchge- Beeinträchtigungen der Sicherheit oder lungsstudie, von der Rein und Schu- führten Erhebungen bei einer um- der Natur vorkommen, also zum Bei- ler (2019) berichten, ist zwar über 20 weltökonomischen Quantifizierung spiel Bikerinnen gegen Wanderer, oder Jahre alt, und doch zeigt sie wie neuere dieser Leistung. Outdoor-Sporttreibende gegen die Na- Studien auch (z. B. Hunziker und Hub- 3. Wie lässt sich eine an schweizeri- tur in designierten Naturschutzgebie- schmid 2018), dass das Freizeitverhal- sche Gegebenheiten angepasste Be- ten. Eine gute Besucherlenkung ist da- ten in der Natur primär über die Ein- sucherlenkung erreichen, welche her essentiell, wie die Vorträge am Fo- stellung und Bedeutung gesteuert wird. das Verhalten über die Einstellun- rum für Wissen oder auch verschiedene Diese können durch Kampagnen weit gen steuert? Der hohe Stellenwert Begleituntersuchungen zu Kampagnen effektiver beeinflusst werden als durch der Landschaft in der Wohnbevöl- zeigen (bspw. Biker-Hiker, Wintersport Verbote. kerung der Schweiz sollte als Mo- und Wildtiere oder neuerdings SUPs mentum für eine Bildungsoffen- und Gewässerschutz [siehe z. B. Hun- sive «Landschaft und Natur» aus- ziker und Hubschmid 2018; Hunzi- genutzt werden, um zusammen mit ker et al. 2021]). Viele Gebiete haben 5 Ausgewählte Wissens- und den Schulen die Kenntnisse über auch gute Erfahrungen mit Rangern Umsetzungslücken die Schönheiten von Landschaften, gemacht, die sehr oft als Umweltbild- aber auch ihrer Vulnerabilität, zu nerinnen und Umweltbildner wahrge- Wie bereits erwähnt, blickt die WSL stärken. nommen werden und weniger als Na- und generell die Schweizer Land- 4. Welchen Nutzen haben Erholungs- turschutzpolizei (Kanton Aargau 2021). schaftsforschung auf fruchtbare Jahr- landschaften für die Gesellschaft, Doch kehren wir zurück zu den in zehnte der Forschung zu Erholungs- der über die reine Erholung hin- dieser Einleitung gemachten Kommen- landschaften zurück. Zusammen mit ausgeht? Wie bereits erwähnt, ha- taren über die Bedeutung von Land- der Praxis wurde und wird Wissen ge- ben wir viele Hinweise darauf, dass schaften. Wir vermuten, dass viele Kon- schaffen, das international und natio- Landschaften im Allgemeinen und WSL Berichte, Heft 115, 2021
Forum für Wissen 2021 11 Erholungslandschaften im Speziel- Buchecker, M.; Degenhardt, B., 2015: The Hunziker, M., 1995: The spontaneous re- len gute Integratoren über kultu- effects of urban inhabitants’ nearby out- afforestation in abandoned agricultural relle Grenzen hinweg sind. In ihnen door recreation on their well-being and lands: perception and aesthetic assess- spielt die Nationalität keine Rolle, their psychological resilience. J. Out- ment by locals and tourists. Landsc. Ur- und sie ermöglichen ein inklusives door Recreat. Tour. 10: 55–62, https://doi. ban Plan. 31: 399–410. Miteinander. Zu wenig wissen wir, org/10.1016/j.jort.2015.06.007 https://doi.org/10.1016/0169-2046(95)93251-J wie Erholungslandschaften in Zu- Buchecker, M.; Kienast, F.; Degenhardt, Hunziker, M.; Kienast, F., 1999: Potential kunft ausgestattet werden sollten, B.; Widmer, S.; Moritzi, M., 2013: Naher- impacts of changing agricultural activities um möglichst inklusiv zu wirken, holung räumlich erfassen. Merkbl. Prax. on scenic beauty – a prototypical tech- um so zugewanderten Personen aus 51: 8 S. nique for automated rapid assessment. dem In- und Ausland Möglichkeiten Degenhardt, B.; Buchecker, M., 2012: Ex- Lands. Ecol. 14, 2: 161–176, https://doi. der räumlichen Identifikation zu er- ploring the self-regulation in nearby na- org/10.1023/A:1008079715913 möglichen. ture. Determinants, patterns and a frame- Hunziker, M.; Hubschmid, E., 2018: Expe- work of nearby outdoor recreation beha- rimental long-term evaluation of a cam- viour. Leis. Sci. 34: 350–369. paign to reduce freeriding-wildlife con- Degenhardt, B.;Kienast, F.; Buchecker, flicts of snow sports. In: Bauch, K. (ed.), 6 Literatur M., 2010: Einflussfaktoren des Naherho- 6th symposium for research in protec- lungsverhaltens im periurbanen Raum. ted areas. Salzburger Nationalparkfonds. BAFU, Bundesamt für Umwelt (Hrsg.), Schweiz. Z. Forstwes. 161, 3: 75–80, https:// 249–250. 2020: Landschaftskonzept Schweiz. 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Schrif- Hunziker, M.; Felber, P.; Gehring, K.; Bauer, N.; Roe, J.; Martens, D., 2016: Der tenreihe des Instituts für Landschaft und Buchecker, M.; Bauer, N.; Kienast, F., Einfluss von physischer Umwelt auf den Freiraum. OST Ostschweizer Fachhoch- 2008: Evaluation of landscape change by Menschen: Erholung, Wohlbefinden, Ge- schule, Nr. 18. Rapperswil. different social groups. Mt. Res. Dev. 28, sundheit und Lebensqualität. Einführung Felber Rufer, P., 2006: Landschaftsverän- 2: 140–147. in das Schwerpunktthema. Umweltpsy- derung in der Wahrnehmung und Bewer- Hunziker, M.; Von Lindern, E.; Bauer, N.; chologie 20, 2: 3–14. tung der Bevölkerung. Eine qualitative Frick, J., 2012: Das Verhältnis der Schwei- Bazrafshan, M.; Tabrizi, A. M.; Bauer, Studie in vier Schweizer Gemeinden. Bir- zer Bevölkerung zum Wald. Waldmonito- N.; Kienast, F., 2021: Place attachment mensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. ring soziokulturell: Weiterentwicklung through interaction with urban parks: A Grzyb, T.; Kulczyk, S.; Derek, M.; Woz- und zweite Erhebung – WaMos 2. Bir- cross-cultural study. Urban For. Urban niak, E., 2021: Using social media to as- mensdorf, Eidg. Forschungsanstalt WSL. Greening 61, https://doi.org/10.1016/j. sess recreation across urban green spaces 180 S. ufug.2021.127103. in times of abrupt change. Ecosyst. Hunziker, M.; Hubschmid, E.; Soler, R., Bögli, S.; Kienast, F.; Buchecker, M., 2016: Serv. 49, https://doi.org/10.1016/j.eco- 2021: Wildtier-orientierte Besucherlen- Welchen Stellenwert haben Gewässer bei ser.2021.101297 kung im Schneesport – die Kampagne der Naherholung? Eine Untersuchung Hegetschweiler, K.T.; Plum, C.; Fischer, «Respect Wildlife» und deren Evaluation. zur Naherholungsnutzung im suburbanen C.; Brändli, U.; Ginzler, C.; Hunziker, Forum für Wissen. WSL Ber. 115: 63–68. Raum Opfikon. Wasser Energ. Luft 108, M., 2017: Towards a comprehensive so- Kanton Aargau, 2021: Information und Auf- 4: 303–307. cial and natural scientific forest-recrea- sicht. Abgerufen von https://www.ag.ch/ Boldt, A., 2021: Der Sturm nach der Ruhe. tion monitoring instrument – a prototy- de/bvu/umwelt_natur_landschaft/natur- ProNatura Mag. 1, 2021: 34–35. pical approach. Landsc. Urban Plan. 167: schutz/biodiversitaet/organisation_des_ Bourassa, S.C., 1991: The Aesthetics of 84–97, https://doi.org/10.1016/j.landurb- unterhalts_1/information___aufsicht/in- Landscape. London und New York, Bell- plan.2017.06.002 formation_und_aufsicht.jsp am 12.7.2021 haven Press. 168 S. Hegetschweiler, K.T.; Fischer, C.; Mo- Kaplan, R.; Kaplan, S., 1989: The experi- Buchecker, M., 2015: Du côté de la Suisse: retti, M.; Hunziker, M., 2020: Integra- ence of nature: A psychological perspec- le rôle de la population dans la gestion ting data from National Forest Invento- tive. Cambridge, Cambridge University des cours d’eau, conclusions d’études ries into socio-cultural forest monitoring Press. empiriques. In: Rivière-Honegger, A.; – a new approach. Scand. J. For. Res. 35, Kienast, F.; Bürgi, M.; Wildi, O., 2004: Cottet, M.; Morandi, B. (eds), Connaî- 5–6: 274–285, https://doi.org/10.1080/0282 Landscape research in Switzerland: ex- tre les perceptions et les représentations: 7581.2020.1799066 ploring space and place of a multi-ethnic quels apports pour la gestion des mili- society. Belgeo 2–3: 369–383. eux aquatiques? Office National de l’eau https://doi.org/10.4000/belgeo.13782 et des milieux aquatiques ONEMA. 150– 153. WSL Berichte, Heft 115, 2021
12 Forum für Wissen 2021 Kienast, F.; Frick, J.; Steiger, U., 2013: Neue Müller, S.; Buchecker, M.; Gaus, R.; Bu- Schäffer, B.; Brink, M.; Schlatter, F.; Vi- Ansätze zur Erfassung der Landschafts- ser, T.; Bestel, M.; Hackl, S.; Bächli, enneau, D.; Wunderli, J.M., 2020: Re- qualität. Zwischenbericht Landschafts- D.; Kräuchi, N., 2017: Wie soll die Wig- sidential green is associated with redu- beobachtung Schweiz (LABES). Um- ger in der Region Zofingen in der Zu- ced annoyance to road traffic and railway welt-Wissen: 1325. Bern, Bundesamt für kunft gestaltet werden? Sozialräumliche noise but increased annoyance to aircraft Umwelt (BAFU); Birmensdorf, Eidg. Optimierung des planerischen Leitbilds noise exposure. Environ. Int. 143. Forschungsanstalt WSL. durch eine Bevölkerungsbefragung. Was- https://doi.org/10.1016/j.envint.2020.105885 Kienast, F.; Wartmann, F.; Zaugg, A.; Hun- ser Energ. Luft 3: 181–189. Sreetheran, M.; Van Den Bosch, C.C.K., ziker, M., 2019: A review of integrated Rein, H.; Schuler, A. (eds), 2019: Naturtou- 2014: A socio-ecological exploration of approaches for landscape monitoring. rismus. utb GmbH. fear of crime in urban green spaces – Report prepared in the framework of the Rey L.; Hunziker, M.; Stremlow, M.; Arn, A systematic review. Urban For. Urban work program of the Council of Europe D.; Rudaz, G.; Kienast, F., 2017: Wandel Greening 13, 1: 1–18. for the implementation of the European der Landschaft: Erkenntnisse aus dem Thompson, M.; Ellis, R.; Wildavsky, A., Landscape Convention. 53 S. Monitoringprogramm Landschaftsbeob- 2018: Cultural theory. Routledge. https://doi.org/10.1007/s10980-021-01301-y achtung Schweiz (LABES), Bern, Um- Tuan, Y.F., 1977: Space and place: The per- Komossa, F.; Wartmann, F.M.; Verburg, P.H., welt-Zustand Nr. 1641. Bern, Bundes- spective of experience. University of Min- 2021: Expanding the toolbox: assessing amt für Umwelt; Birmensdorf, Eidg. For- nesota Press. methods for local outdoor recreation plan- schungsanstalt WSL. 72 S. van den Born, R.; van Heel, B.; Böck, K.; ning. Landsc. Urban Plan. 212. https://doi. Salak, B.; Lindberg, K.; Kienast, F.; Hun- Buijs, A.E.; Buchecker, M., im Druck: org/10.1016/j.landurbplan.2021.104105 ziker, M., 2021: How landscape-techno- Public perspectives of river restoration Kühne, O., 2017: Landschaftstheorie und logy fit affects public evaluations of rene- projects. In: Cottet, M.; Morandi, B.; Pi- Landschaftspraxis: eine Einführung aus wable energy infrastructure scenarios. A égay, H., Social issues in river restora- sozialkonstruktivistischer Perspektive. hybrid choice model. Renew. Sustainable tion projects: Interdiciplinary perspective Springer-Verlag. Energy Rev. 143. from researchers and practitioners. 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Abstract Landscape as a place of recreation – research and practice develop new knowledge Over the past 20 years WSL has significantly pushed the research agenda on what makes up recreational landscapes. On the one hand this is visible in peer reviewed articles for the scientific community, on the other hand a considerable effort has been made to initiate knowledge co-production projects with practice. Thanks to these efforts, we know exactly what inhabitants expect from the landscape while recreating: Vista, proximity to water bodies, richly structured landscapes and forest. But not only visual featues play a decisive role for recreation and a bonding to a place: noise and sounds, the smell of nature and – what has been suggested in recent research – the meaning of places determines largely how well we are able to relax and feel at home. These meanings are frequently independent of extra-ordinary landscapes: surveys of functional everyday landscapes show that – despite their quotidian nature – they can be significant places of recreation for the local population, if they are able to attach meanings to them. In highly functional landscapes, visitor management is less of a problem than in extra- ordinary high-quality landscapes or nature protection zones. Fortunately research shows that recreational behavior in nature is primarily controlled by attitude and meaning-and this can be influenced far more effectively by campaigns than by rigid restrictions. Key words: recreation landscapes, perception, health, visitor management, landscape meanings WSL Berichte, Heft 115, 2021
Forum für Wissen 2021: 13–16 13 Messen wie die Bevölkerung Landschaft für die Erholung nutzt Erkenntnisse aus dem Programm Landschaftsbeobachtung Schweiz LABES Flurina Wartmann1, Felix Kienast 2 und Marcel Hunziker2 1 School of Geosciences, University of Aberdeen, Aberdeen AB24 3UF, Scotland, flurina.wartmann@abdn.ac.uk 2 Eidg. Forschungsanstalt WSL, Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, felix.kienast@wsl.ch, marcel.hunziker@wsl.ch Landschaften von hoher Qualität sind zentral für die Bevölkerung, sowohl für ziehungsweise grösstenteils neu erar- die aktive körperliche Betätigung als auch die geistige Erholung vom Alltag. Das beitet und in einer Pilotbefragung ge- Programm Landschaftsbeobachtung Schweiz (LABES) misst in regelmässigen testet (Wartmann et al. 2020, 2021). Abständen den Zustand und die Veränderung der Landschaften in der Schweiz Deshalb werden allerdings für diesen (BAFU 2013, 2017). In der Erhebung 2020 wurde die Befragung zum Thema Er- Teil in LABES in der Berichterstat- holung stark ausgebaut. In diesem methodischen Beitrag erläutern wir, wie LA- tung 2022 keine vergleichenden Aussa- BES die Erholungsnutzung der Bevölkerung anhand repräsentativer Umfragen gen zur Befragung aus dem Jahr 2011 erfasst. Hierzu gehören Themen wie Zugänglichkeit von Erholungsräumen und möglich sein. Die Erhebung 2020 er- deren tatsächliche Nutzung (Dauer und Häufigkeit), sowie die unterschiedlichen folgte anhand einer für die Schweiz be- Aktivitäten, die in Erholungsräumen stattfinden. völkerungsrepräsentativen Stichprobe von 2093 Personen mittels einem On- line-Panel. Im Folgenden werden die verschiedenen Aspekte der Erfassung 1 Erholung in der Landschaft den detaillierte sozio-demographische der Zugänglichkeit, Erholungsintensi- am Beispiel LABES Daten der Befragten erhoben, um Aus- tät und Aktivitäten in LABES detail- wertungen beispielsweise nach Ge- lierter beschrieben, sowie beispielhaft Erholung ist eine wichtige Landschafts- schlecht, Alter, Bildungsstand und Be- erste Resultate vorgestellt. Die detail- leistung für die Schweizer Bevölkerung rufstätigkeit durchzuführen. lierten Auswertungen der Befragung (Keller und Backhaus 2017; Kienast Für die Befragung 2020 wurde das werden in die Umweltberichterstattung et al. 2012). Attraktive und zugängli- Thema «Erholung und Landschaft» in 2022 des Bundesamts für Umwelt ein- che Landschaften bieten Raum für ak- der Umfrage erheblich ausgebaut, be- fliessen. tive körperliche Betätigung wie auch die geistige Erholung vom Stress des Alltags. Im Monitoringprogramm Land- schaftsbeobachtung Schweiz (LABES) werden die Aspekte Erholung, Ge- sundheit und Landschaft mittels ei- ner Reihe von verschiedenen Parame- tern gemessen. Es werden sowohl die messbare Verfügbarkeit verschiedener Landschaften für die Erholung als auch die verfügbare Erholungsinfrastruktur als physische Indikatoren erfasst. Diese physischen Indikatoren alleine geben aber noch keine Auskunft darüber, wie die Bevölkerung die Landschaft zur Erholung nutzt. Deshalb wird im Mo- nitoringprogramm auch die Wahrneh- mung der Bevölkerung erfragt. Zu den erfragten sozialen Indikatoren gehören die wahrgenommene Zugänglichkeit zu Grün- und Freiräumen, sowie die Häufigkeit, Dauer und Art der Erho- lungsnutzung in verschiedenen Land- schaften (z. B. Wald, Flusslandschaft, oder Agrarlandschaften). Zudem wer- Abb. 1. Erholung ist eine wichtige Landschaftsleistung für die Bevölkerung. WSL Berichte, Heft 115, 2021
14 Forum für Wissen 2021 2 Erfassung der Zugäng wie Erholungsinfrastruktur abgefragt 10 % der Befragten brauchen über eine lichkeit zu Grün- und (Tab. 1). halbe Stunde, um Wiesen oder Land- Freiräumen wirtschaftsland zu erreichen. Pärke und Grünanlagen, sowie Wald, sind mit Zugänglichkeit zu Grün- und Freiräu- Erste Erkenntnisse zur Zugänglich- fast 40 % der Befragten, die Pärke und men ist ein wichtiger Aspekt, damit keit zu Grün- und Freiräumen Grünanlagen oder Wald innerhalb von diese genutzt werden und damit ihre fünf Minuten Gehzeit erreichen , eben- Erholungsfunktion erfüllen. Räumli- Wiesen und Landwirtschaftsland wa- falls gut zugänglich. che und sozio-kulturelle Unterschiede ren für die Schweizer Bevölkerung am in der Zugänglichkeit zu Grün- und zugänglichsten, was sich aus der Bevöl- Freiräumen gelten deshalb als Ein- kerungsverteilung zwischen Stadt und flussfaktoren auf die Gesundheit (Ek- Land in der Schweiz ergibt. Über zwei 3 Erfassung der Dauer und kel und de Vries 2017). Die Zugäng- Drittel der Befragten gaben an, diese Häufigkeit der Erholungs- lichkeit (zu Fuss) wird in LABES für Landschaften in weniger als fünf Mi- aufenthalte (Erholungsnut- verschiedene Grün- und Freiräume so- nuten zu Fuss zu erreichen. Weniger als zungsintensität) Die Befragung nach der Häufigkeit Tab. 1. Fragen nach der Zugänglichkeit verschiedener Grün- und Freiräume. (Tab. 2) und Dauer (Tab. 3) der Aufent- halte wurde nach verschiedenen Land- «Von da wo ich wohne habe ich zu Fuss Zugang …» schaftsarten aufgeschlüsselt, die für In weniger als 30 min. als 5 min. die Erholung genutzt werden. Zudem In 15 bis In mehr In 5 bis 30 min. 15 min. wird die starke Saisonalität der Erho- lungsnutzung berücksichtigt. Die eher 1 2 3 4 warmen Jahreszeiten Frühling, Som- ... zu Pärken, Grünanlagen, Gemeinschaftsgärten, etc. mer und Herbst werden separat vom ... zum Wald. Winter abgefragt, da sich die Intensi- .... zu Wiesen oder Landwirtschaftsland. tät und Art der Erholungsnutzung zwi- ... zu Seen oder Weihern, Bächen oder Flüssen. schen den kalten und warmen Mona- ... zu Bergen oder Hügeln. ten teilweise erheblich unterscheiden. Diese Unterscheidung erfolgt im Ab- ... zu Spazier-und Wanderwegen. gleich zum Waldmonitoring Sozio- ... zu Aussichtspunkten. kulturell (WaMoS). Durch die Über- nahme der Frage nach der Häufigkeit der Besuche wird ebenfalls ein direk- Tab. 2. Befragung der Erholungshäufigkeit:am Beispiel warme Jahreszeiten. ter Bezug zu WaMoS hergestellt. Wie im WaMoS kann so für LABES neu «Im Frühling, Sommer oder Herbst: Wie oft ein Erholungsnutzungsintensitätsindex Seltener als 1× halten Sie sich in Ihrer Wohngemeinde an berechnet werden, und dies nicht nur Fast täglich vorhanden pro Woche pro Monat pro Monat folgenden Orten auf? (Bitte kreuzen Sie für die Walderholung, sondern auch für 1–2 Mal 1–2 Mal die Antwort an, welche am ehesten auf Ihre andere Landschaften, die für die Erho- Nicht Besuchshäufigkeit zutrifft.)» lung aufgesucht werden. Nie Die Erholungsnutzungsindikato- 1 2 3 4 5 6 ren für die verschiedenen Landschaf- In Wiesen oder Landwirtschaftsland. ten werden wie folgt berechnet: Zuerst In Pärken oder Grünanlagen. wird die Dauer der Besuche (Tab. 3) Im Wald. kategorisiert (1 = weniger als 30 Min. An Seen oder Weihern, Bächen oder Flüssen. = 1, 31 bis 60 Min. = 2, 61 bis 90 Min. Auf Hügeln oder Bergen. = 3, 91 bis 120 min. = 4, alles über 120 Min. = 5). Die Nummer dieser Katego- rie (zwischen 1–5) wird dann mit der durchschnittlichen Besuchshäufigkeit Tab. 3. Fragen nach der Aufenthaltsdauer. (Tab. 2: ebenfalls Kategorien von 1 = nie bis 5 = fast täglich) und aus dem «Im Frühling, Sommer oder Herbst: Und wie lange halten Sie sich normalerweise pro Resultat die Quadratwurzel gezogen. Besuch auf?» Der Erholungsindex bewegt sich so- In Wiesen oder Landwirtschaftsland. Minuten mit in einem Wertebereich 1 bis 5, wo- In Pärken oder Grünanlagen. Minuten bei 1 für eine sehr geringe Nutzungsin- Im Wald. Minuten tensität und 5 für eine sehr hohe Nut- An Seen oder Weihern, Bächen oder Flüssen. Minuten zungsintensität steht (Hunziker et al. Auf Hügeln oder Bergen. Minuten 2012). WSL Berichte, Heft 115, 2021
Forum für Wissen 2021 15 Erste Erkenntnisse zu Dauer und Tab. 4. Frage nach den Erholungsaktivitäten: «Und welche Aktivitäten üben Sie in Ihrer Häufigkeit der Erholungsnutzung Wohngemeinde im Frühling, Sommer oder Herbst aus?». in verschiedenen Landschaften Bitte kreuzen Sie alles Zutreffende an für: in Wiesen Jogging Für alle erfragten Arten von Landschaf- oder Landwirtschaftsland. Radfahren (ohne Mountainbike) ten für die Erholungsnutzung war die Spazieren Nutzungsintensität in den warmen Mo- Wandern naten von Frühling bis Herbst höher als Bitte kreuzen Sie alles Zutreffende an für: in Pärken Jogging in den Wintermonaten. Den höchsten oder Grünanlagen. Radfahren (ohne Mountainbike) Erholungsnutzungsindex weisen Wald Spazieren sowie Wiesen oder Landwirtschaftsland Picknicken/Grillieren auf. Allerdings bestehen erhebliche Un- Bitte kreuzen Sie alles Zutreffende an für: im Wald Jogging terschiede zwischen städtischen und Radfahren (ohne Mountainbike) ländlichen Räumen. In urbanen Räu- Spazieren men sind Pärke und Grünanlagen er- wartungsgemäss intensiver genutzt. Im Wandern städtischen Raum waren Gewässer, ge- Picknicken/Grillieren folgt von Wald, die am intensivsten ge- Mountainbiken nutzten Erholungsräume. Im dichten Bitte kreuzen Sie alles Zutreffende an für: an Seen Jogging periurbanen Raum und im ländlichen oder Weihern, Bächen oder Flüssen. Radfahren (ohne Mountainbike) Raum hingegen sind Wiesen und Land- Spazieren wirtschaftsland am intensivsten für die Wandern Erholung genutzt. Picknicken/Grillieren Mountainbiken Schwimmen Bitte kreuzen Sie alles Zutreffende an für: auf Bergen Jogging 4 Erfassung der Erholungs oder Hügeln Radfahren (ohne Mountainbike) aktivitäten Spazieren Wandern Neben der Erholungsnutzungsintensi- tät werden zudem die Art der Aktivi- Picknicken/Grillieren täten in verschiedenen Grün- und Frei- Mountainbiken räumen abgefragt, ebenfalls getrennt nach den Jahreszeiten Frühling/Som- mer/Herbst (Tab. 4) und Winter. lung, da sie für über zwei Drittel der graphischen Variablen wie Alter, Aus- Befragten in weniger als fünf Minuten bildung, Anzahl Kinder im Haushalt Erste Erkenntnisse erreichbar sind. und weitere Variablen sind geplant, zu Erholungsaktivitäten Die Erholungsnutzungsintensität um die Erholungsnutzung aufzuschlüs- variiert zwischen verschiedenen Land- seln in Unterschiede, die sich zwischen Spazieren ist die mit Abstand häufigste schaften und ist generell für Wald und Landschaften ergeben, und solche, die Aktivität in allen erfragten Landschaf- Landwirtschaftsland am höchsten. Un- durch die Unterschiede zwischen Per- ten. Jeweils über 90 % der Befragten terschiede treten zwischen verschie- sonen zu erklären sind. gaben an, sowohl im Sommer wie auch denen Raumtypen auf. So ist in Städ- Mit den in LABES erfassten Da- im Winter Spazieren zu gehen, gefolgt ten die Erholungsnutzungsintensität ten lassen sich somit einerseits Erkent- von «Wandern», welches von rund der im Sommer am grössten für Gewässer nisse zur Erholung und Landschaft als Hälfte der Befragten als Aktivität im und Wald, in periurbanen und ländli- Momentaufnahme gewinnen. Die Er- Sommer angegeben wurde, und von ei- chen Räumen hingegen für Wiesen und hebung beantwortet damit Fragen zur nem Drittel im Winter. Landwirtschaftsgebiete. Nutzung verschiedener Landschaften Die Befragten gaben Spazieren mit durch unterschiedliche Bevölkerungs- Abstand als häufigste Aktivität an, und gruppen. Anhand der sozio-demogra- zwar für alle unterschiedlichen Erho- phischen Daten lässt sich die Erho- 5 Fazit und Ausblick lungsräume, von Wiesen und Land- lungsnutzung zudem für verschiedene wirtschaftsland, wo über 90 % ange- Gruppen aufschlüsseln. Andererseits Die Zugänglichkeit zu verschiedenen ben, Spazieren zu gehen. Spazieren lassen sich Veränderungen über die Landschaften, die zur Erholung ge- ist auch im Winter die am häufigsten Zeit erfassen, was eine Kernaufgabe nutzt werden können, ist am höchsten angegebene Erholungsaktivität. De- des Landschaftsmonitorings darstellt, für Wiesen und Landwirtschaftsland. tailliertere Auswertungen der Erho- die LABES im Sinne der Europäischen Damit sind diese Räume sehr gut zu- lungsnutzung im Zusammenhang mit Landschaftskonvention erfüllt. gänglich für die Nächst- und Naherho- räumlichen Daten und sozio-demo- WSL Berichte, Heft 115, 2021
16 Forum für Wissen 2021 6 Literatur Abstract How the public perceives landscapes and uses them for outdoor BAFU, 2013: Neue Ansätze zur Erfassung recreation – insights from the Swiss Landscape Monitoring Programme der Landschaftsqualität. Zwischenbericht Landscapes of high quality are central for the Swiss public, both for active physical Landschaftsbeobachtung Schweiz (LA- activity and mental relaxation from stressful everyday life. The programme BES). Landscape Monitoring Switzerland (abbreviates as LABES from the German BAFU, 2017: Wandel der Landschaft. Er- “Landschaftsbeobachtung Schweiz”) measures the status of and changes to kenntnisse aus dem Monitoringpro- landscapes in Switzerland at regular intervals (FOEN 2013, 2017). In the 2020 gramm Landschaftsbeobachtung Schweiz survey, the survey items on recreation were substantially expanded to get more (LABES). detailed information on how and where people use landscapes for outdoor Ekkel, E.D.; de Vries, S., 2017: Nearby recreation. We here explain how LABES captures how the public views and green space and human health: Evalua- uses landscapes for recreation through a nationally representative survey. The ting accessibility metrics. Landsc. Urban survey includes topics such as accessibility of recreational spaces and their actual Plan. 157: 214–220. use (duration, frequency), as well as the different activities that take place in Hunziker, M.; Von Lindern, E.; Bauer, recreational spaces. N.; Frick, J., 2012: Das Verhältnis der Schweizer Bevölkerung zum Wald. In Keywords: outdoor recreation monitoring, cultural ecosystem services, landscape Waldmonitoring soziokulturell: Weiter- monitoring, social science landscape indicators, recreational use, social science entwicklung und zweite Erhebung – Wa- landscape research Mos (Vol. 2). Keller, R.; Backhaus, N., 2017: Landschaft zwischen Wertschöpfung und Wertschät- zung – wie sich zentrale Landschaftsleis- tungen stärker in Politik und Praxis ver- ankern lassen. Kienast, F.; Degenhardt, B.; Weilenmann, B.; Wäger, Y.; Buchecker, M., 2012: GIS- assisted mapping of landscape suitabi- lity for nearby recreation. Landsc. Urban Plan. 105, 4: 385–399. Wartmann, F.M.; Hunziker, M.; Kienast, F., 2020: Programm Landschaftsbeobach- tung Schweiz (LABES): Bericht metho- dische und inhaltliche Weiterentwicklung 2018–2020. Wartmann, F.M.; Stride, C.B.; Kienast, F.; Hunziker, M., 2021: Relating landscape ecological metrics with public survey data on perceived landscape quality and place attachment. Landsc. Ecol. https://doi.org/10.1007/s10980-021-01290-y WSL Berichte, Heft 115, 2021
Forum für Wissen 2021: 17–20 17 Planung und Gestaltung erholsamer Landschaften im Kanton Zug Martina Brennecke Amt für Raum und Verkehr, Aabachstrasse 5, CH-6300 Zug, martina.brennecke@zg.ch Das Bedürfnis nach Naherholung ist nicht erst mit der Corona-Pandemie in den 1 Wer kümmert sich eigent- Fokus gerückt, sondern seit Jahren aufgrund der stetig steigenden Bevölkerungs- lich um die Naherholung? zahlen ein Thema. Nicht von ungefähr spricht man vom Erholungsdruck auf die Landschaft und weniger von den erholsamen Landschaften. Attraktive Land- Nebst den in der Einleitung beschrie- schaften werden durch Erholungssuchende (über)strapaziert, was nach Regulie- benen überlagernden Nutzungen fühlt rung ruft und nach der Verlagerung von Freizeitnutzungen in weniger empfindli- sich in vielen kommunalen und kanto- che Naturräume. Die Planung oder gar Gestaltung erholsamer Landschaften ist nalen Behörden niemand wirklich zu- eine enorme Herausforderung, nicht zuletzt, weil sie unterschiedlichste Nutzun- ständig für Naherholung. Es gibt Fach- gen auf zumeist privatem Grundeigentum ermöglichen soll. Entsprechend auf- stellen für Langsamverkehr, Sportäm- wendig sind die Planungsprozesse, was am konkreten Beispiel eines Naherho- ter, Tourismusbüros und Verbände. lungsgebietes in der Stadt Zug aufgezeigt werden soll. Diese vertreten unzählige Interessen- gruppen, aber nicht die Erholung im übergeordneten und koordinierenden Die Bedeutung der Naherholung ist lichen Hand. Die kommunalen Naher- Sinne. Und wo der politische Auftrag zwar seit langem ein Thema, gewinnt holungsgebiete «werden grundsätzlich fehlt, stellt sich bald die Frage der Le- aber aufgrund des Bevölkerungswachs- landwirtschaftlich respektive forstlich gitimation und des Geldes. Darum sind tums und zuletzt der Einschränkun- genutzt» und «gleichzeitig dienen sie Richtplanaufträge wie der zuvor zi- gen durch die Corona-Pandemie weiter vermehrt der Naherholung», so steht es tierte so wichtig. an Bedeutung. Der kantonale Richt- seit Jahren im Zuger Richtplan (Kan- Im Kanton Zug hat sich schon vor plan (Kanton Zug 2004) weist kom- ton Zug 2004), und «daraus entste- Jahren das damalige Amt für Raum- munale Naherholungsgebiete und kan- hende Beeinträchtigungen» seien ab- planung (heute Amt für Raum und tonale Erholungsschwerpunkte aus, zugelten. Verkehr) dieser Aufgabe angenom- ebenso Wälder mit besonderer Erho- Erholungsnutzung ist fast im- men. Von 2002 datiert der Schlussbe- lungsfunktion. In den entsprechen- mer eine sekundäre Nutzung und tan- richt «Kantonales Konzept Freizeit, Er- den Richtplanaufträgen werden Erho- giert fremdes Eigentum. Dabei ist die holung, Sport und Tourismus» (Baudi- lungskonzepte in diesen Gebieten ge- Schwelle zur Belastung der primären rektion des Kantons Zug et al. 2002). fordert, was folgerichtig bedeutet: Wer Nutzung ein Hauptthema. Erst da- Er analysiert die Naherholungsgebiete der Bevölkerung erholsame Land- raus ergibt sich der Anspruch nach und regionalen Erholungsgebiete, zeigt schaften bieten will, muss diese mög- Lenkung und Konfliktbewältigung: Defizite und Potentiale auf und formu- lichst bedürfnisgerecht planen und ge- «In den Naherholungsgebieten mini- liert für jedes Gebiet Massnahmen. Für stalten. Erst auf den zweiten Blick of- mieren Kanton und Gemeinden un- einzelne Gebiete wurden im Anschluss fenbart sich dabei ein grundsätzliches ter Einbezug der Grundeigentümer- daran vertiefte Studien und konkrete Dilemma. Landschaften sind keine un- schaften die Konflikte zwischen Wald, Projekte lanciert. Als besonders nütz- beschriebenen Blätter, auf denen man Landwirtschaft, Naturschutz und Er- lich erwiesen sich die Entwicklungs- grosszügig neu planen kann. Es besteht holung durch Lenkung der Erho- leitbilder, die für grössere Landschafts- wohl allgemein Einigkeit darüber, dass lungssuchenden und durch die Schaf- räume wie die Maschwander Allmend Landschaft ein öffentliches Gut sei. fung von attraktiven Angeboten an (Baudirektion des Kantons Zug 2008), In der Realität müssen wir jedoch zur wenig sensiblen Orten». So lautet seit den Zugerberg (Baudirektion des Kan- Kenntnis nehmen, dass Landschaften 2018 ein wichtiger räumlicher Leitge- tons Zug 2011) sowie die Lorzenebene immer schon durch Nutzungen besetzt danke im Richtplan. Wer also in Nah- (Baudirektion des Kantons Zug 2012) sind (die sie ja auch wesentlich prägen). erholungsgebieten tatsächlich zuguns- in breit angelegten Mitwirkungsprozes- Ausserhalb der Siedlungen sind dies ten der Erholung planen möchte, sieht sen unter Federführung des Kantons insbesondere die Land- und Waldwirt- sich einer Herkules aufgabe gegen- erarbeitet wurden. schaft. über. Und so positiv Erholung grund- Immer steht in diesen Leitbildern Landschaft umfasst den Raum, die sätzlich konnotiert ist, so auffällig pro- die Erholung an vorderster Stelle. Musik spielt jedoch auf der Fläche. blembezogen kommt sie als Planungs- Selbst wenn es darum geht, im Interesse Dabei wird gerne ausgeblendet, dass aufgabe daher. des Naturschutzes intensive Nutzungen diese Flächen immer jemandem ge- aus besonders sensiblen Gebieten an hören und dies nur selten der öffent- geeignetere Orte zu verlagern, sind die WSL Berichte, Heft 115, 2021
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