Welt welt JUNI - AUGUST 2018 C 51 78 - Generationen - Nordkirche weltweit
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Schwerpunkt Eines Tages, Baby Aus dem Inhalt Editorial Jugend von heute – Träume von einer Kirche Eines Tages, Baby, da werden wir alt sein, was heißt das? als Ort der Hoffnung 5 20 Liebe Leserin, lieber Leser, Ohh, Baby werden wir alt sein, Jannika Baars entdeckt bei Welche Bedeutung haben Chri- Fotos: C. Plautz (2), C. Wenn (1), Freiwilligenprogramme (1), Camp Vanagai (1), J. Henschen (1), H. Gafga (1), iStock (1), M. Roselowsky (1), M. Tuve (1), gemeinfrei (1), IKG (1), ZMÖ-Bildarchiv (1) Und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können. der Beschreibung ihrer stentum und Kirche heute für wie sieht es aus zwischen den Gene- Und ich denke zu viel nach. Ich warte zu viel ab. Generation Facettenreichtum junge Menschen? Gedanken von rationen? Was können die Jüngeren Ich würd‘ gern so vieles sagen, aber bleibe meistens still, und Widersprüchliches. Johannes Davi und Kira Schall. von den Alten lernen und was die weil wenn ich das alles sagen würde wär das viel zu viel, Alten von den Jungen? Was denken Ich würd‘ gern so vieles tun, meine Liste is so lang, Kehrt nicht zurück zu Keine Alibi- sie über die eigene Generation, und aber ich werd‘ eh nie alles schaffen, also fang‘ ich gar nicht an. alten Denkmustern! Jugendlichen wie erleben sie die Generationen vor ihnen? Natürlich gibt es nicht die alte oder die junge Stattdessen häng‘ ich planlos vorm Smartphone, wart‘ bloß auf den nächsten Freitag Gemach! das mach‘ ich später — die Baseline meines Alltags 8 Im Interview mit ihrer Oma erfährt Sophie Plautz, Jens Haverland hat sich schon früh in der Kirche engagiert 22 Generation. Dazu sind die Lebensumstände zu verschieden. Das zeigen die facettenreichen Beiträge der jungen Auto- welchen Wert Geschichts- und fordert intergenerationel- rinnen und Autoren dieses Heftes. In Deutschland gehören Unser Leben ist ein Wartezimmer, niemand ruft uns auf, bewusstsein hat. le Leitungen. sie zur „Generation Y“ und damit zu der Generation, die unser Dopamin das spar‘n wir immer falls wir’s nochmal brauchen, behütet aufgewachsen und gut ausgebildet ist. Nie zuvor und wir sind jung und haben viel Zeit, warum soll‘n wir was riskier‘n? Wir sind unseren En- Zusammen können war eine Generation so international vernetzt wie die der Wir woll‘n doch keine Fehler machen, woll‘n doch nichts verlieren keln unser Alter schuldig wir mehr erreichen „Digital Natives“. Für sie scheint alles möglich bei und es bleibt so viel zu tun. Unsere Listen bleiben lang, 25 10 gleichzeitigem Druck zur permanenten Selbstoptimierung. und so geht Tag für Tag ganz still ins unbekannte Land. Fulbert Steffensky denkt In Kenia verändert sich das Im Gegenzug wünschen sich viele aus dieser Generation darüber nach, was Groß- Verhältnis zwischen Jung eine Berufswelt, die mehr im Einklang mit eigenen Bedürf- Und die Geschichten, die wir dann statt dessen erzählen, eltern ihren Enkeln heute und Alt rasant, erfährt werden traurige Konjunktive sein. nissen steht. „Wir wollen eine Arbeit, die Sinn macht und eigentlich geben können. Emmaculate Okwach. erfüllend ist“, schreibt Diego Grützmann, der seinen Stu- Lass uns doch Geschichten schreiben, die wir später gern erzählen, lass uns nachts lange wachbleiben, aufs höchste Hausdach dienplatz für eine Ausbildung zum Gesundheits- und der Stadt steigen, lachend und vom Takt frei die allertollsten Wie finde ich meinen Power, das Land zu Krankenpfleger eingetauscht hat. Wie seine Altersgenossen Lieder singen. Sinn im Leben? verändern schätzt auch er den Austausch mit der älteren Generation Lass uns Feste wie Konfetti schmeißen, sehn wie sie zu Boden reisen 12 26 und die gefall‘nen Feste feiern, bis die Wolken wieder lila sind. sehr, nicht nur in Orientierungsphasen. Jannika Baars hat Nach der Schule fragen sich Marius Blümel erlebt in Süd- Und lass mal an uns selber glauben, ist mir egal ob das verrückt ist, allerdings beobachtet, dass hierzulande die Grenzen zwi- viele: Was mache ich jetzt? afrika den Kampf der „Born und wer genau guckt sieht, dass Mut auch bloß ein Anagramm‘ schen den Generationen immer mehr verschwimmen. Sie von Glück ist. Lucie Wank weiß dabei den Free“-Generation für eine sieht nicht nur Vorteile darin, wenn Eltern lieber „beste Und wer immer wir auch waren, lass mal werden, wer wir sein wolln. Rat von Eltern zu schätzen. offene und faire Gesellschaft. Freundinnen oder Freunde“ ihrer Kinder sein wollen. Das Wir haben schon viel zu lang‘ gewartet, lass mal Dopamin vergolden. ist in anderen kulturellen Kontexten anders. Dort, wo die Der Sinn des Lebens ist leben. – Das hat schon Casper gesagt. Let’s make the most of the Night – Das hat schon Kesha gesagt Umwege machen das Der Rat der Alten ist ältere Generation wie in Kenia noch eine besondere Auto- Lass uns möglichst viele Fehler machen leben erst lebendig sehr gefragt rität hat, „braucht die Begegnung zwischen Jung und Alt und möglichst viel aus ihnen lernen, ebenso viel Verständnis wie die zwischen zwei Kulturen“, lass uns jetzt schon Gutes säen, damit wir später Gutes ernten. 14 Diego Grützmann lernt von In Papua-Neuguinea leben 28 meint Emmaculate Okwach. Zugleich ist sie überzeugt, Lass uns alles tun weil wir können und nicht müssen, Älteren, dass ein gelungenes Kinder und Jugendliche in zwei dass man gemeinsam mehr erreicht und orientiert sich an Weil jetzt sind wir jung und lebendig und das soll ruhig jeder wissen Leben nicht aus graden Welten, im Heimatdorf und am und unsre Zeit die geht vorbei. Das wird sowieso passieren, der Weisheit der Alten: „Allein läuft ein Junger schnell, mit Linien besteht. Schulort, weiß Maiyupe Par. einem Älteren langsam, aber zusammen gehen sie weit“. und bis dahin sind wir frei, und es gibt nichts zu verlieren. Lass uns uns mal demaskieren und dann seh‘n wir sind die Gleichen, und dann könn‘ wir uns ruhig sagen, dass wir uns viel bedeuten, „Enkel für Ungerech- Spiritualität ist der letti- Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen denn das Leben, was wir führen wollen, das können wir selber wählen. tigkeit sensibilisieren“ schen Jugend wichtig 30 Ihre Also: Los! Schreiben wir Geschichten, die wir später gern erzählen! 16 Was prägt junge und ältere Frauen in der Kirche? Ein Ins christliche Jugendcamp nach Vanagai, das Liudas Miliauskas Gespräch zwischen Elke gegründet hat, kommen jährlich P.S. Ihre Meinung interessiert uns, darum schreiben Sie uns gern! Julia Engelmann (26), Poetry-Slammerin, Sängerin und Schauspielerin, Auszüge aus ihrem Beitrag „Eines Tages, Baby“ (2014) Wrage und Flora Mennicken. 500 Teilnehmende. weltbewegt-Post-Anschrift: Zentrum für Mission und Ökumene – Nordkirche weltweit, Postfach 52 03 54, 22593 Hamburg, Telefon 040 88181-0, Fax -210, E-Mail: info@nordkirche-weltweit.de IMPRESSUM: weltbewegt (breklumer sonntagsblatt fürs Haus) erscheint viermal jährlich. HERAUSGEBER UND V ERLEGER: Zentrum für Mission und Ökumene DRUCK, VERTRIEB UND VERARBEITUNG: Druckzentrum Neumünster, JAHRESBEITRAG: 15,– Euro, SPENDENKONTO: IBAN DE77 5206 0410 0000 1113 33 – Nordkirche weltweit, Breklum und Hamburg. Das Zentrum für Mission und Ökumene ist ein Werk der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. EVANGELISCHE BANK, BIC GENODEF1EK1. Mit Namen gekennzeichnete Artikel geben die Meinung des Autors/der Autorin und nicht unbedingt die Ansicht des DIREKTOR: Pastor Dr. Klaus Schäfer (V.i.S.d.P.), REDAKTION: Ulrike Plautz, GESTALTUNG: Christiane Wenn, KONZEPT: Andreas Salomon-Prym, SCHLUSS herausgebenden Werkes wieder. Die Redaktion behält sich vor, Manuskripte redaktionell zu bearbeiten und gegebenenfalls zu kürzen. Gendergerechte Sprache KORREKTUR: Hedwig Gafga, ADRESSE: Agathe-Lasch-Weg 16, 22605 H amburg, Telefon 040 88181-0, Fax: 040 88181-210, w ww.nordkirche-weltweit.de. wenden wir in dieser Publikation an, indem wir u. a. abwechselnd die männliche und weibliche Form benutzen. Gedruckt auf TCF – total chlorfrei gebleichtem Papier. 2 weltbewegt weltbewegt 3
Schwerpunkt Jugend von heute – was heißt das eigentlich? Was sagen junge Menschen selbst über ihre Generation? Wie sehen sie ihr Verhältnis zu den Älteren? Jannika Baars N eulich las ich in der Zeitung wieder etwas von der heutigen „generationslosen Generation“, zu Eltern wollen keine Autorität sein, sondern auf einer Stufe digung ihrer Grundbedürfnisse machen. Viele von uns sind bestens ausgebildet, haben studiert und mit ihren Kindern stehen der man mich, 1998 geboren, wohl bereits in jungen Jahren durch Reisen auch zählen würde. In dem Artikel Dass die Bedeutung der Abgren- mit den Eltern oder später durch ging es im Wesentlichen darum, zung abgenommen hat, liegt auch an Austausch- und Freiwilligenpro- dass der sogenannten Generation Y, den Eltern, die heutzutage mehr um gramme viel von der Welt gesehen. die in etwa die Jahrgänge 1980 bis ein gutes und sogar freundschaft- Mit lässiger Wischbewegung über 2000 umfasst, eine Identität fehlt liches Verhältnis zu ihren Kindern Tablett oder Smartphone scheint und sie sich von den Jugendlichen bemüht sind. Viele moderne Eltern man heute mühelos vieles erreichen aus vorherigen Jahrgängen abhebt. wollen für ihre Kinder keine Autori- oder ändern zu können: Filme, Mu- Heutige Teenager seien weniger re- tätsperson verkörpern, sondern lie- sik, Beziehungen, und sogar Freunde. bellisch, heißt es da, weniger be- ber ihre besten Freundinnen oder Anstrengend klingt das nicht. Wir strebt, sich von den eigenen Eltern Freunde sein und emotional auf wissen nicht, wie es sich anfühlt zu abzugrenzen, etwa durch Musik, einer Stufe mit ihren Sprösslingen hungern oder zugebombt zu werden, Drogen oder Szenekleidung. Das sei stehen. Diese fehlende Distanz zu sondern leben in einigermaßen sta- früher anders gewesen. den Eltern bringt sowohl Vor- als bilen Verhältnissen. Der Mehrzahl Im Zuge der 68er-Bewegung gab auch Nachteile mit sich: Zwar ist der Jugendlichen fehlt es nicht an es den Aufstand gegen die Eltern- eine harmonische Beziehung zwi- materiellen Dingen, weshalb auch generation, gegen Autoritäten und schen beiden Seiten natürlich sehr der Drang zur Veränderung oft aus- Obrigkeiten, die per se misstrauisch angenehm, erschwert es Jugendli- bleibt. Schnell wird die eigene Le- beäugt wurden. Daneben verschie- chen allerdings gleichzeitig, ihren benssituation für selbstverständlich dene Jugendkulturen, die viel deut- eigenen Weg zu finden und sich vom gehalten, was eine gewisse Maß- licher als heute voneinander abge- Elternhaus abzunabeln. Dies kann losigkeit befördert und gleichzeitig grenzt waren. Es machte einen Un- ich auch aus eigener Erfahrung be- die Dankbarkeit für kleine Dinge terschied, ob man Anhänger der stätigen. So ist es bei Mama zuhause verringert. Rolling Stones oder der Beatles war. einfach immer noch am schönsten, Aus Geschichten meiner Mutter über wohingegen das Alleinwohnen an- Vielleicht ist die Notwendig- ihre Jugend kenne ich noch die Kate- strengender und mit weniger „Ser- keit, etwas ändern zu müs- gorisierungen in Popper, Yuppies vice“ wie Wäsche waschen, Kochen sen, nicht so offensichtlich? oder „Müslis“, was ich so in meiner und Putzen verbunden ist. eigenen Umgebung nicht wieder- Dass die Teenager heute weniger Auch für politische Ideale einzuste- finde. Natürlich gibt es auch heute aufsässig sind als früher, mag auch hen ist weniger angesagt als noch noch Subkulturen wie Hip Hop, daran liegen, dass wir weder den vor einigen Jahrzehnten. Die Wahl- Fußballfans, Cosplayer, „Ökos“ oder Krieg noch die Nachkriegszeit direkt beteiligung und generell das poli- „Hipster“ sowie viele der alten mitbekommen haben. Im Großen tische Interesse junger Leute sinkt. Jugendkulturen. Allerdings scheinen und Ganzen ist die heutige Jugend Auch dies ist ein Fakt, den ich an die Grenzen viel verschwommener wohlbehütet mit einem Dach über mir selbst beobachten kann: Auch und die Einteilung in verschiedene dem Kopf und genug zu essen wenn mich an unserem Wirt- Foto: LWB (1) Gruppen nicht mehr so wichtig oder aufgewachsen und muss sich keine schafts- und Gesellschaftssystem ei- offensichtlich zu sein. großen Gedanken über die Befrie- niges stört, ist es mir doch zu müh- 44 weltbewegt weltbewegt weltbewegt 5
Schwerpunkt Generation Y Zur Generation Y gehört die Bevölkerungsgruppe, die (je nach Auslegung) im Zeitraum von 1980 bis 2000 geboren wurde und auf die Generation X folgt. Der Begriff tauchte zum ersten Mal 1993 in einer Marketingzeitschrift auf. Diese Generation wird je nach Quelle auch als „Millennials“ bezeichnet. Die Generation Y gilt im Allgemeinen als gut ausgebildet, meist mit Hochschulabschluss, und gehört zu den Digital Natives, zur ersten Generation, die in einem Umfeld von Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen ist. Sie ist stärker international vernetzt und vielsprachiger sam, mich in die Materie wirklich pitalistische System auf. Wir haben für die Rente von immer mehr alten schärfer hervor, in Anbetracht der übertragbar und können auch für als frühere Generationen. Die Wirtschafts- einzuarbeiten und meine Stimme keine Kriegszeiten miterlebt, sind Menschen aufkommen zu können. gegenseitigen Entfremdung durch uns sehr hilfreich sein. Zudem ist ein journalistin Kerstin Bund versucht, das Arbeits- laut zu machen. Vielleicht ist die dafür aber als „Digital Natives“ im Darunter leidet auch die Genera- die räumliche Distanz. Hier ist die Gespräch mit den eigenen Vor- verhalten der Mitglieder dieser Generation in Generation Y tatsächlich resignier- Zeitalter des Internets geboren. tionengerechtigkeit, da beide Seiten Hemmschwelle zum einen durch fahren eine kostbare Möglichkeit, Deutschland zu beschreiben, wobei sie sich ter als vorangegangene Jahrgänge, unzufrieden sind: Die Jungen müssen den fehlenden regelmäßigen Aus- etwas über unsere eigenen Wurzeln teilweise auf die Shell Jugendstudie stützt. Kommunikation weil sie keine Perspektive sieht, Viele junge Leute haben viel arbeiten und die Alten bekommen tausch miteinander und zum ande- und unsere Herkunft zu erfahren. Demnach fordert diese Generation eine Berufs- jedes Mal etwas grundlegend verändern zu kaum noch regelmäßigen deutlich weniger Rente: Nach einer ren durch die ganz verschiedenen Darüber, wie es „vor uns“ in der Welt welt, die mehr im Einklang mit ihren Bedürfnissen anders. können oder auch die Notwendig- Kontakt zu älteren Menschen aktuellen Studie des Deutschen Lebensrealitäten sehr hoch. Beider- aussah, wie die Menschen damals steht. Ihre Lebensläufe sind weniger gradlinig, was keit dafür nicht so offensichtlich Instituts für Wirtschafts-forschung seits ist die Beziehung häufig von gedacht und welche Werte sie zu mehr Stress, aber auch zu mehr Freiheit führt. (Fotos v. l. n. r.) vorhanden ist. Uns geht es dafür Die Welt meiner Großmutter ist wird im Jahr 2036 jeder und jede Unverständnis und Unsicherheit ge- geprägt haben. Die Älteren wie- So sei den Jungen die Freude an der Arbeit 1968 war das vielleicht noch einfach „zu gut“ im eine ganz andere. Mit einem offen- fünfte 67-Jährige von Alters- prägt, was ich selbst sehr schade derum können von der Weltoffen- wichtiger als der Status. Sie wollen einen Beruf, Jahr der Stu- Konsumparadies. Zwar besteht heu- sichtlichen Wertewandel der Gene- armut betroffen sein. Andererseits finde. heit und Neugier der Jugend pro- der Sinn macht und ihm nicht mehr alles dentenrevolten te eine enorm umfassende Band- rationen hat sich auch das Verhält- werden ältere Menschen durch eine Denn ich denke, dass die Gene- fitieren und durch sie auf dem unterordnen. Sie wünschen sich die Möglichkeit und der enga- breite an Initiativen und Projekten, nis zwischen Alt und Jung geändert: längere Lebensspanne auch gleich- rationen eine ganze Menge vonein- Laufenden bleiben. Es ist völlig zur Selbstverwirklichung sowie mehr Zeit für gierten Diskus- für die man sich engagieren kann. Viele junge Leute haben kaum noch zeitig mehr Zeit für Dinge haben, die ander lernen können und beidseitig natürlich, dass das eigene Weltbild Familie, Freunde und Freizeit. Viele seien heute . sionen zwi- Jedoch wirkt gerade die Fülle dieses einen regelmäßigen Kontakt zu nicht in den vollen Terminkalender sehr wertvolles Wissen bereithalten mit zunehmendem Alter festge- mehr an der Sache interessiert als an der Macht. schen Studie- Angebots gleichzeitig auch überfor- älteren Menschen. Die Großeltern der Jungen passen. Gleichzeitig bleibt – vor allem der Erfahrungsschatz der fahrener und unflexibler wird – da So arbeite diese Generation lieber in Teams statt renden und dernd. Man müsste sich mit jedem gehören in den meisten Fällen nicht mehr Zeit für gegenseitigen Aus- Alten ist unbezahlbar: So haben kommen etwas frischer Wind und in ausgeprägten Hierarchien. Das bedeute aber . Politikern. einzelnen Thema intensiv beschäfti- mehr zum direkten Familienumfeld tausch und Begegnungen. Wenn die Zeitzeugenberichte, etwa aus der neue Perspektiven und Ideen, die nicht, dass die Generation weniger leistungsbereit gen, um herauszufinden, welche wie früher oder wie heute noch in geschenkten Jah-re also nicht nur als NS-Zeit, eine ganz andere, viel per- Welt zu gestalten, gerade recht. sei. Soziologen beobachten sogar, dass Tugenden Die Generation Form des Engagements denn die vielen anderen Kulturen. Die Freizeit ausgelebt, sondern auch zu sönlichere und eindringlichere Wir- Ein Austausch ist also dringend wie Fleiß und Ehrgeiz seit Mitte der 90er Jahre . Y ist immer richtige für einen ist, welches Anlie- Wohnformen haben sich im letzten einer sozialen Zeit werden, kann es kung als es der Geschichtsunterricht nötig – bevor wir die Möglichkeit enorm an Bedeutung gewonnen haben. Leistung online. Sie gen überhaupt das persönlich wich- Jahrhundert stark verändert. Viele auch als Glücksfall für die jüngere je vermitteln könnte. Viele Weishei- von gegenseitigen Zeitzeugenbe- wird jedoch nicht mehr nur an beruflichen Erfolgen gehört zu den tigste ist, und sich dann für einige junge Familien leben und arbeiten Generation angesehen werden. ten und Fähigkeiten unserer Groß- richten aus verschiedenen Welten bemessen, sondern auch an anderen Lebens- „Digital Nati- wenige Projekte entscheiden. Dies in der Stadt, wo sie sich nur kleine eltern sind auch auf heutige Zeiten nicht mehr wahrnehmen können. leistungen. Natürlich gehören zur Generation Y ves“, zur ersten kostet natürlich Zeit und manch Wohnungen leisten können. Statt Von Großeltern mehr über die nicht alle nach 1980 Geborenen. Es sind vor allem Generation, die einer fühlt sich von den immensen mit ihren Kindern und Enkeln eigenen Wurzeln erfahren Fotos: Wikimedia (1), AdobeStock (1), iStock (1), C. Wenn (1) jene gut Ausgebildeten, die behütet und relativ mit mobiler Möglichkeiten schlichtweg erschla- unter einem Dach zu wohnen, wer- begütert aufgewachsen sind. Die Charakteristika Kommunikation gen, weshalb man dann vielleicht den heute also viele ältere Menschen Wie also steht es nun um die Gene- der Generation Y treffen also nur auf einen Teil der und Internet stattdessen gar nichts tut. in Seniorenunterkünften betreut. ration Y und um das Verhältnis Jannika Ba jungen Erwachsenen zu, so wie in der Generation ars (20) studiert Um aufgewachsen Das alles soll nicht heißen, dass Hinzu kommt der demogra- zwischen Jung und Alt im Jahr welt- der „68er“ nicht alle typische 68er waren. wissenschaf sind. keine starken und sehr aktiven Ju- phische Wandel: Die Menschen 2018? Einerseits sind heute die ten in Soziologen sehen die große Chance, dass Lüneburg. V gendbewegungen und -initiativen werden wegen des medizinischen Grenzen zwischen den Generati- on 2016 privilegierte Vertreter der Y-Generation in der bis 2017 hat Nie zuvor waren existieren, die ich auch gerade in Fortschritts immer älter, während onen in der Zeit des Aufwachsens sie ein Berufswelt Standards zu setzen könnten, von der Freiwilliges Öko- so viele junge meinem studentischen Umfeld an- immer weniger Babys geboren werden. verschwommener und das Verhält- logisches Ja später auch weniger Privilegierte profitieren. Dann hr im Menschen treffe. Aber die breite Masse be- Auf Dauer führt dies dazu, dass nis zwischen Kind und Erwach- Zentrum fü könne ein Elitephänomen zu einer Breitenbewegung r Mission international so gehrt nicht gegen ihre Eltern, poli- künftige Generationen mehr arbeiten senem ein anderes als früher. Ande- und Ökume werden, die immer mehr Bereiche umfasst. ne vernetzt. tische Entscheidungen oder das ka- müssen, um so rechnerisch gesehen rerseits treten diese Grenzen später absolviert. 6 weltbewegt weltbewegt 7
Schwerpunkt Kehrt nicht zurück zu alten Denkmustern! Aus Erzählungen der Großeltern können Enkel viel Was können die Jungen von älteren Generationen lernen und umgekehrt: die Älteren lernen: zum Bei- spiel wie man für von den Jungen? Sophie Plautz hat darüber mit ihrer Oma gesprochen. Werte kämpft, weil diese Generation noch genau weiß, was es heißt, in einem Unrechts- staat zu leben. W ie jeden Donnerstagnachmittag sitze ich bei meiner Oma in Pinneberg im Wohnzimmer. Wir essen Kuchen und trinken eine Tasse Kaffee. was sie hat. Dies wertzuschätzen, genug Essen auf dem Teller, eine warme Wohnung zu haben und ein Leben in Frieden zu führen, das findet sie hat. Sie sieht es positiv, dass sich vor allem auch Frauen scheiden lassen können, ohne dass es zu großen finanziellen Problemen kommt oder sie gen, die uns ungerecht vorkommen, auf die Straße zu gehen. Wir müssen lernen, dass durch Nichts- tun nichts erreicht wird. Im Moment kommt es mir Dabei unterhalten wir uns öfter mal über aktuelle besonders wichtig. Die junge Generation solle mit gesellschaftlich verachtet werden. Erstrebenswert manchmal vor, als wenn sich meine Generation politische und gesellschaftliche Themen. „Ich habe diesem materiellen Wohlstand auch umsichtig sei eine Scheidung ihrer Meinung nach aber nicht. darauf ausruht, was die Älteren für uns erreicht letztens in der Zeitung eine aktuelle Wahlumfrage umgehen. Ihrer Meinung nach bestehe die Gefahr Deshalb wünscht sie (sich), dass die Ehe wieder haben. Ich sehe noch zu wenig politisch-enga- gelesen. Hast du gehört, wie viel Prozent die AfD einer „Wegwerfgesellschaft“. „Man sollte lieber eine mehr geschätzt werde und Ehepartner erst einmal gierte oder zumindest politisch-denkende junge heute bundesweit erreichen würde?“, frage ich qualitativ hochwertige und fair gehandelte Jeans alles dafür tun sollten, um eine Trennung zu Leute, die sich über schlechte Entwicklungen auf- meine Oma. „Ja, laut Prognose liegt sie im zwei- kaufen, die zehn Jahre hält, statt sich jeden Monat vermeiden. Denn nicht umsonst hieße es vor der regen. Bei Amazon wird gekauft, weil es billiger stelligen Bereich. Um Himmels Willen, warum sind eine billige Discounterhose zu kaufen, die dann Eheschließung „wie in guten, so in schlechten und bequemer ist, obwohl jeder weiß, dass es klei- die Menschen heutzutage so unzufrieden, dass sie weggeschmissen wird. Geiz ist NICHT geil.“ Zeiten“. ne Läden zerstört. Wenn eine Eilmeldung von die AfD wählen?“, fragt sie zurück, um dann gleich Meiner Oma ist auch wichtig, dass die Jungen Während meine Oma sich überwiegend damit Spiegel Online auf dem Smartphone erscheint, die fortzufahren: „Wenn ich überlege wie ich damals von den Älteren lernen, Achtung vor Senioren zu beschäftigt hat, was sie sich von der jungen Gene- beinhaltet, dass die deutsche Regierung Waffen aufgewachsen bin und den Krieg miterleben muss- haben. Früher sei das „richtige Benehmen“ durch ration wünscht, habe ich nun meinen Fokus auf die nach Syrien verkauft, dann ist spätestens nach te... Hätten die heutigen AfD-Wähler das Ganze strenge Erziehung vermittelt worden. Dass das Frage gelegt, was ich als Angehörige der jungen dem nächsten niedlichen Katzenvideo die Aufre- miterlebt, dann würden sie jetzt anders denken“. heute milder abläuft, finde sie gut. Dennoch solle Generation von den Älteren lernen kann. gung darüber verpufft. Vielleicht ist den jungen Sie bedauert, dass der Bezug zu unserer Geschich- Kindern Höflichkeit und ein respektvoller Umgang Leuten egal, was in der Welt passiert, solange es te oftmals verloren gegangen ist. „Schade, dass gegenüber ihren Mitmenschen beigebracht werden. Von Älteren kann ich lernen, gegen Unge- sie nicht selbst betrifft. Vielleicht fehlt auch einfach viele, die sich gesellschaftlich abgehängt fühlen Außerdem sollten Ehrenämter viel stärker gewürdigt rechtigkeit auf die Straße zu gehen die Motivation, etwas zu tun, weil es einem selbst und teilweise um ihre Existenz fürchten müssen, werden. „Oft sind ehrenamtliche Tätigkeiten wie gut geht. Vielleicht weiß unsere Generation auch glauben, dass ihnen ausgerechnet die AfD helfen richtige Berufe, nur ohne Bezahlung“, meint sie. So schließe ich mich den Wünschen meiner Oma gar nicht, wie man sich wirklich für etwas einsetzt, . kann. Die Schuld für Armut bei den Ausländern zu Schließlich hat meine Oma eine politische Er- für uns Jüngere grundsätzlich an. Ich würde sie weil sie es noch nie musste. Was uns aber bewusst suchen, ist doch absurd!“, sagt sie entrüstet. „Es wartung an junge Leute: Nach dem Zweiten allerdings noch erweitern. Auf jeden Fall sollten wir sein sollte: Unser Leben kann sich ganz schnell ist gut, dass Deutschland heute ein Einwande- Weltkrieg habe ihre Generation sich – erst unter der wertschätzen, in was für eine wertvolle Welt mit verändern, wenn wir die Entwickung nicht im Blick . rungsland ist. In meiner Kindheit war es umge- Führung der Alliierten und später eigenständig – guten Bedingungen wir hineingeboren wurden. Wir behalten und wir nichts gegen Ungerechtigkeiten kehrt, da waren wir Flüchtlinge und froh, dass wir bemüht, eine internationale politische Ausrichtung haben bürgerliche Freiheits- und Menschenrechte, unternehmen. Durch dauerhaftes Verdrängen und aufgenommen wurden.“ zu etablieren. Die EU wurde gegründet, Grenzen eine funktionierende Wirtschaft und eine stabile Wegsehen kann langsam ein Schaden entstehen, . wurden abgeschafft, Regelungen wurden interna- Bundespolitik. Uns wurde der Grundstein für ein den man nicht mehr rückgängig machen kann. Das Die junge Generation sollte sorgsam mit dem tional verankert und es entstand ein weltoffenes gutes Leben gelegt und wir haben im Vergleich zu alles können wir aus der Geschichte und von umgehen, was sie hat Deutschland. Nun liege es an der jungen Generation, anderen Generationen wahrscheinlich die größten Erzählungen der Generationen lernen, die das auf dieser Basis das Land und die Welt weiter zu Möglichkeiten, unser persönliches Leben best- schon einmal erleben mussten. Ich gebe meiner Oma recht und frage dann, was gestalten, so meine Oma. Der Trend zu einem neu möglichst zu gestalten. Dadurch haben wir sie sich eigentlich von der jungen Generation erstarkenden Nationalgedanken müsse dabei allerdings auch eine gewisse Verantwor- wünscht: „Ihr gebt die Verantwortung ja langsam besonders kritisch gesehen werden. Ihr klarer Appell tung. Sie besteht darin, unsere Freiheiten an uns ab. Wir müssen jetzt unser Land und die an die Jungen: Geht nicht zurück zu alten Gedan- und Werte, die die älteren Generationen für Gesellschaft gestalten. Was sollten wir von euch kenmustern! uns erkämpft haben, zu sichern und viel- lernen und was erwartest du von uns?“ Es gibt aber auch Dinge, die sie selbst von der leicht sogar zu verbessern. Was wir des- Sophie Pla utz (21) Fotos: C. Plautz (2) Zu dieser Frage hat sich meine Oma viele jüngeren Generation gelernt hat. Zum Beispiel, dass halb von den älteren Generationen lernen studiert Po litik wis- Gedanken gemacht. Ein Punkt lag ihr besonders am Homosexualität als etwas Normales angesehen können ist, für unsere Rechte und unsere senschafte n und Herzen. Die junge Generation solle dankbar für ihr wird. Auch begrüßt sie, dass eine Scheidung nicht Forderungen an die Politik zu kämpfen. Geschichte in Kiel jetztiges Leben sein und sorgsam mit dem umgehen, mehr den starken negativen Stellenwert von früher Von den Älteren können wir lernen, bei Din- und war Pra ktikantin im Zentrum für Mission und 8 weltbewegt weltbewegt 9 Ökumene.
Schwerpunkt ffensk y Fulbert Ste riftsteller (84) ist Sch erter und emeriti r fü r Religi- Professo gik an der onspädago Hamburg. Universität D u te in Luzern. er Brief einer Freundin, sie hat ein Enkelkind: „Als und Großeltern. Im Gegensatz zu früher erleben viele genügt nicht, dass wir in schwächlichem Harmoniebe- Er lebt he ich einmal das Glück hatte, mit Paul ein paar Stun- Großeltern von heute ihre Enkel 20 oder gar 30 Jahre – also dürfnis jeden Konflikt ersticken. Vielleicht steckt ein den allein zu sein“, schreibt sie, „waren das wirkliche fast ein Drittel ihrer eigenen Lebenszeit sind sie Großeltern. Stück Todesangst darin, dass wir immer und unter allen Sternstunden. Ich durfte mit ihm auf seiner riesigen Enkelkinder machen ihre Großeltern jünger, alberner und Umständen von den Enkeln geliebt werden wollen. Matratze Mittagsschlaf halten. Ich tat, als ob ich schlief. verliebter. Als ich vielleicht 55 Jahre alt war, sagte eine Mit seinem Betttuchzipfel spielte er in meinem Gesicht, Schaffnerin im Zug zu mir: „Opa, sie haben sicher eine Wir lehren, was Vergänglichkeit ist zarter als zart, es kitzelte. Dann spürte ich plötzlich ein Seniorenkarte.“ Es gab mir einen Stoß. Am nächsten Tag feuchtes kühles Küsschen auf meinem Mund. Da bleib ging ich mit meinem dreijährigen Enkel spazieren, und wir Wir lehren unsere Enkelkinder, was Vergänglichkeit ist. mal ruhig!“ Wenn dies keine Liebesgeschichte ist! Jeder alberten herum. Eine Dame fragte: „Wie alt ist Ihr Sohn Sie sehen, wie unser Gehör und unsere Augen schlechter Wir sind unseren Enkeln Großvater, jede Großmutter kennt die Lust, Geschichten eigentlich?“ Mein Gleichgewicht war wieder hergestellt. werden; wie wir dieses und jenes nicht mehr essen dür- von den Enkeln zu erzählen. Großeltern sind Angeber fen; dass wir vergesslich werden (diese große Unver- und Übertreiber, und das ist das beste Zeichen ihrer Es genügt nicht, wenn wir im Harmonie- schämtheit, die uns angetan wird!); dass wir unseren unser Alter schuldig Liebe. Bei meiner Frau und mir gab es eine Art Wettstreit der Liebe. Wenn sie eine Geschichte erzählte, sagte ich bedürfnis jeden Konflikt ersticken ersten Schlaganfall haben und schließlich, dass wir ster- ben. Welche illusorische Welt wäre es, wenn unsere manchmal: das ist meine Geschichte, und ich habe das Ich befragte auch meine damals fünfjährige Enkelin: Enkel nur die Welt der Jungen, Starken, Berufstätigen, Was Enkel und Großeltern einander geben können mit den Kindern erlebt! Und ihr ging es genauso. „Charlotte, was meinst du, wozu braucht man überhaupt Lebenstüchtigen und Schönen erlebten. Unsere Hinfäl- Großeltern?“ „Um sie lieb zu haben!“, antwortete sie. Ich: ligkeit ist die letzte Lehre, die wir den Enkeln geben. Es Warum werden die Großeltern von der Gesell- „Wie sollen Großeltern eigentlich sein?“ Sie sagte: „So wie ist keine leichte Lehre, wie den Tod zu lernen, keine Fulbert Steffensky schaft plötzlich entdeckt? du! Und jetzt lass die albernen Fragen und spiel mit mir leichte Lehre ist. Mensch-ärger-dich-nicht!“ Was ich Als ich über das Verhältnis von ge-tan habe! Sie behandelte mich wie „Welche Großeltern und Enkeln nachzuden- ihresgleichen, und ich ließ mich so illusorische Welt ken begann, hatte ich angenommen, behandeln. Es ist einerseits schön, dass wäre es, wenn dass die Zeit der Großeltern vorbei die Rollen so durchbrochen sind. unsere Enkel nur sei; dass der Bruch der Traditionen Andererseits: Bin ich nicht manchmal die Welt der auch den Bruch in der Generati- meinen Enkeln mein Alter schuldig? Jungen, Starken, onenkette zur Folge hätte. Ich hatte Vor einigen Jahren traute ich eine Berufstätigen, angenommen, dass in der Welt der Freundin unserer Familie, und wäh- Lebenstüchtigen Klein- und Zweigenerationenfamilie rend des Gottesdienstes sah ich, dass und Schönen die Großeltern unsichtbar würden. unser Enkel Miguel, im Teenageralter, erlebten.“ Dann schaute ich ins Internet, und es in einem Buch las. Ich fragte ihn spä- war atemberaubend, was mir an ter, was er da gelesen habe. „Einen Großeltern-Enkel-Themen und An- Krimi!“, sagte er. Ich lächelte gequält, geboten entgegenpurzelte: Ratgeber- liberal und ergeben, und ich schwieg. Fotos: epd (1), Bundesarchiv, Bild 183-46103-0002 / CC-BY-SA 3.0 (1), Shutterstock (1) bücher, Handbücher für Großeltern, Später fragte ich mich: Was tue ich Tagungen für Großeltern, Ferienan- eigentlich dem jungen Mann an, wenn gebote für Großeltern und ihre En- ich ihm meine Meinung vorenthalte? kel, Diskussionen über die Rechte Ich sprach mit ihm: „Migu, ich finde der Großeltern. Hat die Zeit der es feige und respektlos, wenn du wäh- Großeltern erst angefangen? Warum rend des Gottesdienstes einen Krimi werden sie von der Gesellschaft liest. Respektlos: Du respektierst nicht, plötzlich entdeckt? Und was war frü- was anderen wichtig ist. Feige: du „Im Gegensatz her anders? wagst es nicht wegzubleiben, wenn dir . zu früher erle- Meine Großeltern, geboren 1845 dieser Gottesdienst nichts bedeutet.“ ben Großeltern und 1864, hatten 59 Enkelkinder. 59! Er sagte, er habe ja nicht während mei- ihre Enkel Mit Matratze, Mittagsschlaf und Küss- ner Predigt gelesen. Ein geringer Trost. . heute 20 oder chen war da nicht viel. Außer- Irgendwann sagte er: „Opa, ich muss gar 30 Jahre.“ dem kam dazu, dass die Leute damals mit dir reden. Du hast mich feige und unendlich viel gearbeitet haben. Weder respektlos genannt. Es hat mich sehr . Das Foto für ihre Kinder noch für die Enkel blieb getroffen, und du hast recht.“ Dieses entstand in der viel Zeit. Geborgen war man in der Gespräch hat uns einander sehr nahe Gemeinde Wärme des Rudels, dazu gehörten die gebracht. Was hätte ich ihm vorenthal- Barnstedt 1957. Geschwister fast mehr als die Eltern ten, wenn ich geschwiegen hätte! Es 10 weltbewegt weltbewegt 11
Schwerpunkt Ich stehe heute vor ganz anderen Entschei- Beurteilen habe ich allerdings von Wie finde ich meinen Sinn dungen als meine Eltern damals meinem Vater mitbekommen, worü- ber ich sehr froh bin. Diese Denkweise, nicht immer im Leben? k (19) Wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, war sie alles hinzunehmen, mag auch ein Grund sein, der Lucie Wan dann richtig? Fragen über Fragen. In so einer Situati- nicht immer alles einfacher macht, wenn es zum Bei- r eit ihr Z absolviert zu on bitten viele um elterlichen Rat. Also tat ich das spiel um die Wahl meines Studiums geht. Doch gera- s Ö kologi- Freiwllige in der auch. Meine Eltern haben beide nicht studiert, also de für die richtige Entscheidung mag diese Eigen- sches Jahr Viele stehen nach dem Abitur vor der Frage: Was mache K lima- können sie mir keine direkten Tipps für mein Studium schaft hilfreich sein. Ich habe das Bedürfnis, später Infostelle htig ke it im ich jetzt? Die Möglichkeiten scheinen unendlich, alle geben. Aber dennoch mussten beide, als sie in einen Beruf mit Sinn auszuüben. Er soll sowohl sinn- gerec fü r M is sion meinem Alter waren, den gleichen Weg gehen. Sie voll für mich sein als auch für andere Menschen – Zentru m ne. wollen die richtige Wahl treffen. In der Situation ist der und Öku e m standen an derselben Kreuzung wie ich gerade – und die Umwelt. Andere in meinem Alter setzen da Rat der Eltern wieder gefragt, meint Lucie Wank. und waren eventuell genauso ratlos. Doch es scheint, eventuell andere Prioritäten. Für sie wäre es vielleicht als seien meine Eltern und ich in so verschiedenen die größte Erfüllung, Chef eines angesehenen Unter- Generationen aufgewachsen, dass die Lage nicht nehmens zu werden. Doch ehrlich gesagt kommt vergleichbar ist. In den letzten Jahren hat die Zahl auch mir, als alternativ denkende und gesellschafts- der Studiengänge und Ausbildungsberufe enorm kritische Person, der Gedanke: ich sollte mit meinem D ie Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich jeder Mensch mindestens einmal im Leben. Wenn nicht sogar regelmäßig. Doch die Frage, die erfolgreicher „Business-Marke-ting-Education-Mana- ger“ werden möchte, dann scheint er auf dem richtigen Weg zu sein. Doch die meisten in meinem Alter haben zugenommen. Bei meinen beiden Elternteilen hat sich zudem die Berufswahl weniger interessenbezo- gen, sondern vielmehr zweckmäßig ergeben. Meine Beruf genug Geld verdienen. Mein Job muss mich nicht reich machen, aber er sollte zum Leben rei- chen. Stehe ich zu dem, was ich kann und wofür ich ich mir gerade stelle, lautet: Wie finde ich meinen noch keine so klaren Vorstellungen. Doch man sollte Mutter ist früh von zu Hause ausgezogen und begann brenne, oder suche ich mir einen Job, mit dem ich Sinn im Leben? Im letzten Jahr habe ich Abitur sich nicht von dem fast überfordernden Angebot eine Ausbildung, um ihren Lebensunterhalt zu finan- später gut verdienen kann und der mir die besten gemacht und im Sommer endet mein freiwilliges entmutigen lassen. Das Wichtigste ist, sich erstmal zieren. Mein Vater hat das Abitur nicht geschafft, Aufstiegsmöglichkeiten gibt? Im besten Fall kann er ökologisches Jahr, da frage ich mich: Wie geht es einen Überblick zu verschaffen und dann einzugrenzen: wofür er sich jahrelang Vorwürfe machte. Doch rück- mir beides geben. weiter? Zunächst stand fest, dass ich nicht direkt was sind meine Interessen und Stärken? Wir besuchten blickend stellt er fest, dass er für sich die richtige studieren möchte. Also absolvierte ich zunächst unzählige Messen und Veranstaltungen, um hinterher Berufswahl getroffen hat und damit glücklich ist. Ich möchte einen sinnvollen Beruf, der Spaß Fotos: C. Wenn (1), L. Wank (1) einen Freiwilligendienst. Ein Jahr eine sinnvolle Tätig- über die vielen Möglichkeiten staunen zu können. Aber Seine Eltern haben immer gewollt, dass er Arzt oder macht – und nebenbei noch die Welt retten keit in einem Themenbereich ausüben, der einen was wir danach nicht sagen konnten: Super, nun weiß Rechtsanwalt wird, doch er selbst bezweifelt, dass interessiert. Das scheint eine gute Voraussetzungen ich, was ich mache. Die Frage nach dem „was“ bleibt. er damit glücklich geworden wäre. Meine Eltern Meine Eltern können mir vielleicht keine praktischen zu sein, um sich bei der Wahl eines geeigneten Die Frage nach dem „was“ heißt für mich nicht nur haben mir schon immer die Freiheit gegeben, mich Ratschläge für das Studium geben. Ich weiß aber, Berufsfeldes besser orientieren zu können. Doch das „was lerne ich?“, sondern auch ein Stück weit „was frei zu entwickeln. Auch mein Interesse für den Um- dass sie mich auf meinem Weg unterstützen und mir Jahr ist bald um und ich weiß immer noch nicht wirk- möchte ich mit meinem Leben machen?“ Obgleich ich weltschutz und Fragen rund um den Klimawandel tatkräftig zur Seite stehen werden, wie sie es die lich weiter. Da ich mir in zwölf teils nervenzerrei- noch jung bin, stelle ich mir diese große Frage schon kamen von mir. Das kritische und hinterfragende letzten Jahre auch getan haben. Ich bin froh, dass ßenden Jahren meine Hochschulzulassungsberech- jetzt. Der Grund ist wohl eine große Ungewissheit. Die meine Eltern mir freie Entfaltungsmöglichkeit geben, tigung verdient habe, ist klar, dass ich studiere. Ungewissheit darüber, was auf mich zukommt. anstatt mir wärmstens ans Herz zu legen, „auch Mache ich es mir so einfach und wähle das Offen- Rechtsanwalt wie der Papa zu werden“. Ich habe sichtliche, das Studium? Eine interessante Ausbil- das große Los der freien Entscheidung gezogen und dung wäre auch eine Möglichkeit. Mit Abitur damit auch: Ratlosigkeit. Doch es gibt Hoffnung: In stehen mir quasi alle Türen offen. Ich muss letzter Zeit treffe ich immer wieder auf Leute, die nun zugeben: das ist schon ein tolles Gefühl. Ich schon länger im Berufsleben stehen und deren habe freie Wahl zwischen unterschiedlichsten Tenor lautet: Letztendlich hat jeder irgendwie seinen Studiengängen und dazu noch einen bunten Weg gefunden und ist über Umwege ganz woanders Strauß an unzähligen Ausbildungsberufen. gelandet als anfangs geplant. Das beruhigt mich. Sollte ich mich doch freuen, diese Möglich- Bis dahin höre ich auf mein gutes altes Bauchgefühl keiten zu haben! Doch genau hier hört es auf: und treffe meine Entscheidung für ein Studium. Ich Es sind zu viele Möglichkeiten. Hinzu kommt, lasse die Dinge auf mich zukommen und sollte ler- dass ich mich für diverse Dinge interessiere. nen demütiger zu sein. Ich kann nicht alles vorherse- Es hilft, wenn Was fällt dann weg? Ich fühle mich fast erschla- hen und die Welt auch nicht an einem Tag ändern. . man das Gefühl gen von all den Angeboten und Möglichkeiten. Ich kann aber meinen Beitrag leisten und Teil einer hat, dass man Damit bin ich nicht allein. Spreche ich mit großen Bewegung sein. In diesem doppelten Sinne nicht allein ist: anderen 19-Jährigen darüber, dann fällt auf: sie heißt das: Ich bin nicht allein. Sowohl was meine . Ich kann die Welt sind genauso ratlos. Ich kann behaupten, dass ich aktuelle Planlosigkeit für die Zukunft angeht, als nicht von einem im Allgemeinen ziemlich genau weiß, was ich auch in Bezug auf die Rettung der Welt. Ich stehe auf den anderen möchte, was meine Interessen und meine Stärken nun vor der Herausforderung eine Arbeit zu finden, . Tag ändern. Ich sind. Von Jugendlichen in meinem Alter wird mit der es Spaß macht, meinen Sinn im Leben zu kann aber Teil erwartet, schon genau zu wissen, was sie wollen. erfüllen und möchte ganz nebenbei noch die Welt zu einer großen Wenn ein Abiturient stolz sagen kann, dass er BWL retten. Puh. Da habe ich mir aber was vorgenom- Bewegung sein. studieren und dann in der Firma seines Vaters men… 12 weltbewegt weltbewegt 13
Schwerpunkt Umwege machen das Vergleiche lenken nur von dem ab, worum es wirklich geht mir eine Auszeit genommen und machte eine Wan- dertour auf dem Jakobsweg. Danach hatte ich den le besuchen und später studieren zu können. Familien haben in Bra- nötigen Abstand und konnte klarer sehen. Ich habe silien auch heute noch eine weit Leben ja erst lebendig Außerdem leben wir in einer Welt, die sich rasant entwickelt und ständig an Komplexität gewinnt. den Schnitt gewagt und eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger begonnen. Damit bedeutendere Rolle als in Deutschland, deshalb haben dort Auch die Werte sind nicht mehr eindeutig. Ich denke bin ich heute sehr zufrieden. Täglich habe ich mit die Älteren noch mehr Einfluss. Wie kann man es schaffen, seinen Weg im manchmal, es gewinnt gerade das an Wert, was Menschen zu tun und das Gefühl, etwas zu tun, das Aber das ändert sich. Brasilien man nicht hat. Für Menschen, die den Krieg oder die sinnvoll ist. Allen, die in einer ähnlichen Situation entwickelt sich auch in dieser Leben zu finden? Ältere können dabei ein Nachkriegszeit noch erlebt haben, ist Sicherheit ein stehen und sich entscheiden müssen, kann ich nur Hinsicht in die gleiche Richtung Vorbild sein, findet Diego Grützmann. hohes Gut. Heute, wo viele meiner Generation in raten: Fangt einfach an. Geht los. In vielen Berufen wie Deutschland, wenn auch langsamer. In Diego Grü tzmann Deutschland genug zum Leben haben, wollen wir kann man weit mehr von seinen Fähigkeiten ein- Deutschland habe ich manchmal das Gefühl, dass (23) ist in B rasilien nicht nur für unseren Lebensunterhalt arbeiten. Wir bringen, als man zunächst denkt. So ist in meinem ältere Menschen sich eine Autorität erst erarbeiten geboren un d le heute in Ham bt wollen eine Arbeit, die Sinn macht und erfüllend ist. Beruf neben Feingefühl im menschlichen Kontakt müssen. Da fehlt der Grundrespekt. In Brasilien burg. Er macht d Ich habe mit vielen Leuten geredet, die mit dem was auch viel Kreativität und Organisationstalent gefragt. erlebe ich es anders. Dort gibt es zum Beispiel in erzeit eine Ausbild sie tun, unzufrieden sind, denen es aber schwer fällt, Die Angst vor Konsequenzen führt oft dazu, passiv Supermärkten sogenannte Prioritätskassen, an u ng zum Gesun sich von Ihrer Tätigkeit loszueisen. Man hat oft ein zu werden. Da hilft nur der Mut, auch Fehler zu denen Schwangere und ältere Menschen bevorzugt dheits- und Kranke H npfle- eute wird uns oft vermittelt, dass unserer Ge- Idealbild vom Leben und davon, was man machen machen. Wenn meine Entscheidung nicht gradlinig behandelt werd en. Natürlich sollte sich der Respekt ger. Er ist u .a. Mit- neration alle Türen offen stehen. Dass wir alles will. Dabei wird man hineingezogen in die Konsum- zum Ziel führt, na und? Dann ist das eben ein Umweg. nicht nur an der Supermarktkasse zeigen, sondern glied im Lat einame- machen können, wenn wir nur wollen. Auch wenn welt, in das wiederkehrende Versprechen von im persönlichen Umgang. rikaausschu ss des das natürlich nicht stimmt, diese Freiheit beflügelt. Zufriedenheit durch den nächsten Kauf. Es findet Ich habe Respekt gegenüber Älteren, unabhängig Zentrums fü Vor Entscheidungen lerne ich von der r Aber sie ist auch überfordernd. Gleichzeitig wird zusätzlich noch ein ständiger Abgleich mit unseren von ihrer Leistung. Ich habe Achtung vor ihrer Lebens- Mission und Gelassenheit der Älteren Ökumene. suggeriert, dass man sich immer weiter verbes- Mitmenschen statt. Social Media befördert dies erfahrung und davor, dass sie uns aufgezogen haben. sern muss, um bestehen zu können. Man muss enorm, da findet der Vergleich nicht nur mit dem Meine Eltern, die jetzt wieder in Brasilien leben, Wie viel ich von Älteren lerne, merke ich außerdem bei absolut fit sein, im Kopf wie im Körper. Dieser Nachbarn statt, sondern auch über Kontinente hin- haben mir übrigens für alle Entscheidungen ihren wichtigen Lebensentscheidungen oder beim Umgang Selbstoptimierungswahn hat inzwischen fast alle weg. Die Grenze nach oben wird immer unerreich- Segen gegeben. Das hatten sie selbst noch anders mit Krisen. Aus ihrer Warte können sie einem ganz Bereiche erfasst. In der Werbung, den Medien und barer, und man wird immer unzufriedener – wenn erlebt. Mein Vater war als zweitjüngster von acht andere Dinge raten und anders zur Seite stehen als sozialen Netzwerken wird vermittelt, dass das, was man sich mitziehen lässt. Möchte ich den neuesten Kindern in Brasilien auf einem Bauernhof aufge- Gleichaltrige. Sie strahlen eine besondere Gelassen- man zu bieten hat, nicht reicht. Es scheint, als ob Status, das neueste Smartphone, die coolste Reise wachsen. Dort war klar, dass der Älteste den Hof heit und Weitsicht aus und können helfen, Prioritäten das Leben eine Rolltreppe ist, auf der man in und die bestbezahlten Jobs? Dabei lenken diese bekommt. Den beiden jüngsten wurde dafür ein vielleicht auch einmal anders zu setzen. Dadurch Gegenrichtung hochläuft, und man sich immer Vergleiche doch nur von dem ab, worum es wirklich Studium finanziert. Das galt als Privileg, das man haben sie Einfluss, ohne dass sie sich direkt in meine anstrengen muss, damit es nicht abwärts geht. Die geht. nutzen musste und nicht groß hinterfragt wurde. Entscheidungen einmischen. So ist mein Vater auch gesellschaftlichen Erwartungen – auch an uns Meine wichtigste Frage lautet: Wie finde ich Der Einsatz für Bildung war hoch. Mein Vater war für mich ein Vorbild, wenn es darum geht, sich mit selbst – sind also sehr vielschichtig. Alles scheint meinen Weg? Was kann ich sinnvolles tun? Das hatte bereits als Kind mit dem Pferd mehrere Kilometer Energie für ein Ziel einzusetzen. Von Älteren kann ich möglich und gleichzeitig gibt es viel Druck. Gerade ich auch gefragt, als mich mein Sozialökono- zur Schule geritten und später mit 12 Jahren von vor allem lernen, dass ein gelungenes Leben nicht aus weil die Freiheit so groß ist und wir so viele Wahl- miestudium immer unzufriedener machte. Ich hatte zuhause ausgezogen, um die weiterführende Schu- geraden Linien besteht, die alle direkt zum Ziel führen, möglichkeiten haben, liegt die sondern aus vielen Umwegen. Gera- ganze Verantwortung für die Kon- de das führt dazu, dass ein Leben sequenzen einer Entscheidung auch lebendig ist. bei uns selbst. Wenn wir eine Wahl Von uns können die Älteren hin- treffen, entscheiden wir uns immer gegen Flexibilität oder Aufgeschlos- gegen etwas anderes. Die Angst, senheit lernen, auch gegenüber der sich falsch zu entscheiden, ist Digitalisierung. Eigentlich müssten stark. Bei mir kommt hinzu, dass sich alle Generationen noch viel . ich in Brasilien geboren und in mehr füreinander öffnen. Das Von- Fotos: PantherMedia/zentilia (1), Grützmann (1) Deutschland aufgewachsen bin. einanderlernen ist keine Einbahn- Ich war zudem ein Jahr in Südafri- strasse. Mein Leben und das vieler . „Heute wird uns ka und habe eine Freundin, die anderer ist voller Reichtum. Das vermittelt, dass aus den USA kommt. Ich habe meine ich jetzt nicht im materiellen unserer Generation erfahren, dass ich mich an ver- Sinn. Nun geht es darum ihn zu ver- . alle Türen offen schiedenen Orten und in anderen teilen, in dem Rahmen, in dem es stehen. Diese Welten zuhause fühlen kann. Das mir möglich ist. Wir haben alle Erfah- Freiheit beflügelt. macht die Entscheidung, wo ich rungsschätze, die wir weitergeben Aber sie ist auch später leben und arbeiten will, können. überfordernd.“ natürlich nicht leichter. Protokoll: Ulrike Plautz 14 weltbewegt weltbewegt 15
Schwerpunkt „Ich versuche meine Enkel für Ungerechtigkeiten zu sensibilisieren“ Was prägt das Verhältnis von jungen und älteren Frauen der Kirche? Darüber haben Flora Mennicken, vom Frauenwerk und Elke Wrage, seit Jahrzehnten ehrenamtlich in der Kirche aktiv, gesprochen. Elke Wrage (72) Eines Ihrer Seminare beim Frau- der Frau. Und nun protestieren wir es gibt auch die Was ist in der Töchter- und Enkel- arbeitet in kirchli- enwerk heißt „Da muss ich wider- gegen §219a, der Werbung für Christen in der AfD. generation anders als bei den chen Gruppen und sprechen“. Wann widersprechen Abtreibung verbietet. Wir sehen es Leider verdrängen Älteren? Wo hat sich die Gremien. Mit 48 Sie? so, dass Frauen dadurch die Mög- wir oft die Wider- Mennicken: Wenn ich anfan-ge, Wrage: Sie sehen und denken die Perspektive der Fotos: Bundesarchiv, B 145 Bild-F079098-0013 / CC-BY-SA 3.0, Jahren beendete sie Flora Mennicken: Oft werden wir lichkeit genommen wird, sich zu sprüchlichkeiten und denken, in von der Kirche zu reden, bin ich Dinge neu. In der Südafrika-Arbeit jungen Generation ihre Tätigkeit als angegangen: Braucht es Eure Arbeit informieren. Gerade Frauen in länd- Kirche müssten sich alle liebhaben. ganz schnell unzufrieden. Dann ver- fiel mir auf, dass wir Älteren durch gegenüber der der Büroangestellte zu- überhaupt noch? Es ist doch alles lichen Gebieten wissen oft nicht, an Wir streiten uns zu wenig. Wir gesse ich, dass alles, was ich die lange Zeit der Partnerschaft älteren Gene-ration „In der Kirche gunsten ihres frei- erreicht. Da kommen Frauenbilder wen sie sich wenden können. sollten stärker kontroverse Themen mache, auch Kirche ist, und starke immer aus ein- und derselben Per- verändert? sollten wir stärker willigen Engage- zutage, die ich nicht teile. Dann Mennicken: In der Bundestags- ansprechen und Beschlüsse aus- Kirche. Wenn in Rostock eine spektive auf die Probleme schauten. Mennicken: Lange Zeit lag der kontroverse ments. Zehn Jahre muss ich widersprechen. Das Se- debatte stellten es Abgeordnete so handeln. Gegendemo gegen Rechtspopulis- Zum Beispiel hatte ich mich intensiv Fokus auf der Gleichstellung der Themen an- gemeinfrei (1), H. Gafga (1), M. Tuve (1) leitete sie den Kir- minar bieten wir an, um Frauen dar, als würden Frauen, weil sie sich mus stattfindet, fängt sie in diesem mit Aids, mit Behandlungsmög- Geschlechter. Für mich wird es sprechen“ chenvorstand der sprachfähig zu machen gegen von Werbung beeinflussen lassen, Wo sollte sich Kirche stärker öffent- säkularen Umfeld mit einer lichkeiten und Aufklärung beschäf- spannend, wenn es um die Dekon- Flora Mennicken Paul-Gerhardt- Antifeminismus und Rechtspopu- zur Abtreibung rennen. Was für ein lich zeigen? interreligiösen Andacht an. Wir vom tigt. Die Jungen, die als Freiwillige in struktion von Geschlechterbildern Gemeinde in Altona. lismus. Frauenbild steckt hinter solchen Wrage: Seit einiger Zeit gibt es in Frauenwerk haben Banner drucken Südafrika waren, fragten nach den geht, um Gender. Also dahinter- (v.l.n.r.: Demon- Sie kämpft bei der Äußerungen? Ich kenne solche Hamburg montags eine Demo von lassen, damit wir draußen sichtbar Kindern der Aidstoten und den Wai- gucken, wie wir eigentlich zu dem stration gegen den „Aktion Bundes- Welche Frauenbilder meinen Sie? Frauen nicht. Rechts, die Pegida ähnlich ist. Ich sind. Es geht aber nicht immer ums senhäusern. Das brachte uns im gemacht werden, wer wir sind. Die § 218, Plakat für schluss“ für Gerech- Mennicken: Hinter Sätzen wie wünschte, dagegen wäre ein Schrei Laut sein, sondern auch darum, mit Netzwerk Südafrika neu zusammen. Mechanismen herauszufinden, wie Frauenwahlrecht tigkeit in Südafrika, „Frauen sollten Kinder haben“ oder Gibt es dazu innerhalb der Kirche zu hören: So geht es nicht! anderen ins Gespräch zu kommen. wir zu unseren sozialen Regeln zum Internationa- und ist u. a. Mitglied „Frauen sind für die Kinder eine einheitliche Haltung? Was hat Sie angetrieben, sich kommen, die wir alle kennen, aber len Frauentag im Landesfrauenrat zuständig“ stehen Bilder, wie Frau Mennicken: Die Meinungen darü- über Jahrzehnte für ein anderes nie aussprechen. 1914, Parament in Hamburg. und Mann sein sollen. Oft unbe- ber gehen auseinander. Südafrika einzusetzen? Wrage: Mich beschäftigt, dass in aus Südafrika zum wusst. Wenn Paare Kinder bekom- Wrage: Kirche war früher wesentlich Wrage: Die Buren sagten, sie seien den unteren Lohngruppen selbst Thema AIDS). Flora Mennicken men, schwenkt das Verhältnis politischer. Jetzt ist sie oft sehr das auserwählte Volk Gottes. Ich bei Staat und Kirche immer noch (24) Soziologin, zwischen ihnen häufig in alte Muster zurückhaltend, wohl auch aus wusste, das steht nicht in der Bibel. überwiegend Frauen beschäftigt arbeitet beim Frau- zurück. Das geht oft mit einer Angst, angegriffen zu werden. Es Mir ist wichtig, dass alle Menschen, sind. Wir müssen darauf hinarbeit- enwerk der Nord- großen Unzufriedenheit einher. Ich heißt ja immer: Kirche darf nicht ob schwarz, weiß oder gelb, von en, dass die Verteilung von Frauen kirche in Rostock. finde es wichtig, dass sich Väter politisch sein. Gott geschaffen sind. Wenn ein Volk und Männern in den verschiede- Dort leitet sie das auch um Kinder kümmern und Mennicken: In Jesus Nachfolge zu behauptet, sie seien auserwählt und nen Lohngruppen gleich ist. Auch Referat Gesell- Frauen auch Regale aufbauen stehen heißt doch nichts anderes müssten andere unterdrücken, geht frauengerechte Sprache ist mir schaftliche Fragen können dürfen. als politisch zu sein. Jesus und die das für mich nicht. Deswegen habe wichtig. Ich singe nie mehr im Got- aus Frauensicht. Sie Menschen, die sich zu ihm hielten, ich mit anderen über Jahre alle 14 tesdienst „Herr“, und habe schon entwickelt Seminare Frau Wrage, wann mussten Sie das war doch eine subversive Tage vorm südafrikanischen Konsu- mehrmals die Kirche verlassen, und Workshops, widersprechen? politische Bewegung. Gleichzeitig lat gestanden, unten an der Alster. wenn dauernd nur die männliche darunter das Semi- Elke Wrage: Gegen den §218 bin ist es eine Chance, dass wir in der Mennicken: Das Auserwähltsein Form benutzt wurde. nar „Da muss ich ich auf die Straße gegangen. Immer Kirche eine Vielfalt von Meinungen ist dann problematisch, wenn es Mennicken: Die Genderdebatte widersprechen“ und wieder. Letztendlich haben wir haben, keine Top-Down-Hierarchie. anderen abgesprochen wird. Die geht darüber hinaus. Gender ist das die Werkstatt Frauen eine Gesetzesänderung er- Das Frauenwerk kommt zu anderen christliche Perspektive ist, dass englische Wort für das soziale Ge- Fortsetzung Spiritualität. reicht. Für mich ein Stück Befreiung Beschlüssen als die Synode, und der Weg zu Gott allen offensteht. schlecht, all das, was mich zur Frau Seite 18 16 weltbewegt weltbewegt 17
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