FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin

Die Seite wird erstellt Timo Ziegler
 
WEITER LESEN
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
FESTIVAL DER             17.– 26.9.2021
KOOPERATIONEN
         MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS
»DER ELEFANT IM DUNKELN«
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
Festival der Kooperationen
Programm

Im Wort »Zusammenarbeit« steckt das »Zusammen« und die »Arbeit«.
Es geht also nicht um Reden allein. Es geht auch nicht um Ver­
fügen, wie in der Algorithmenwelt: um das Zugänglichmachen von
etwas, das bereits existiert, sondern um »Veränderungsarbeit im
Innern von Menschen und an Dingen«.
Das Pathos, auf Deutsch die »Leidenschaft«, die innere Beteili­
gung der Seele an dem Projekt Kooperation, ist das Gegenteil
einer Phrase. Prüft man im Herzen nach, welche Herausforderungen,
die von den Entgleisungen der Geschichte ausgehen, sich uns
stellen, können wir gar nicht anders antworten, als dass wir
anfangen zu arbeiten, und dies können wir nicht einzeln, sondern
nur zusammen. So buchstabiert das politische Alphabet das Wort
KOOPERATION.

Alexander Kluge
Kernpunkt ist das Wort Kooperation
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
Festivalprogramm                                                         18:00 Uhr     Cinéma Paris      Das Wendejahr 1990 /
Übersicht                                                                                                Mit Jean-Luc Godards
                                                                                                         Allemagne ­année 90 neuf zéro
                                                                         20:00 Uhr     Breitscheid­      Le Soleil brûle
Fr 17.9.                                                                               platz             Parallelprogramm
                                                                                                         beim Kultursommer City West
18:00 Uhr   ARGOS, Brüssel   Alexander Kluge: »Minutenfilme #1 «
                                                                         21:00 Uhr     Cinéma Paris      Trompetenkino
18:30 Uhr   Li-Be            Eröffnung
                             des Festivals der Kooperationen             Mo 20.9.
20:00 Uhr   Li-Be            »Er rettete beim Zirkusbrand das            12:30 Uhr     Berlin            Position beziehen I:
                             Liebste, was er besaß, und zugleich                       ­Charlottenburg   Hildegard Brenner und die alternative
                             eine Nachhut von zwölf Elefanten«                                           Fällt leider wegen Krankheit aus!
21:30 Uhr   Li-Be            Honiggarten I: New York – Berlin – Paris    15:00 Uhr     Li-Be             Honiggarten III:
Sa 18.9.                                                                                                 Übersetzen im Ensemble
                                                                         16:30 Uhr     Li-Be             Honiggarten IV: Das Dialog-Projekt
11:00 Uhr   Li-Be            Wissenschaft ist eine Kunst /
                             Kunst ist eine Wissenschaft                 17:30 Uhr     Li-Be             Honiggarten V: Hagen von Troja –
                                                                                                         Held aus den Ardennen
13:00 Uhr   Li-Be            Die Ausstellung des Festivals
                             »Der Elefant im Dunkeln«                    20:00 Uhr     Rangfoyer         Die Große Oper zwischen Glückssuche
                                                                                       ­Deutsche Oper    und »Götterdämmerung«
14:00 Uhr   Li-Be            Der Glücksfall einer Institutsgründung:
                             Das Wissenschaftskolleg zu Berlin           Di 21.9.
16:00 Uhr   Li-Be            Honiggarten II: Tanz der Gespenster /       12:30 Uhr     Berlin            Position beziehen II:
                             Danse des spectres                                        Charlottenburg    Künstlercafés in Charlottenburg
17:30 Uhr   Li-Be            Kenntnis der Notausgänge / Rettungs-                                        Treffpunkt: Li-Be
                             wege aus der Titanic / Enzyklopädie         14:00 Uhr     Li-Be             Der Weltgeist reitet durchs
                             der Kriege (Jean-Yves Jouannais)                                            ­Brandenburger Tor.
20:00 Uhr   Li-Be            Landung auf der »Membran des                                                 Napoleon und das Jahr 1990
                             ­Lebens« / Das dünne Eis der Zivilisation   15:00 Uhr     Li-Be             Sonic Worldling
So 19.9.    Zwölf Stunden Kinotag                                        & 17:00 Uhr
                                                                         19:00 Uhr     Li-Be             Kontakt- und Konfliktzone Mittelmeer:
10:30 Uhr   Cinéma Paris     Système K.
                                                                                                         Scheitern und Neuerfindung von
12:30 Uhr   Cinéma Paris     Pandemisches Geflüster                                                      ­Kooperation
14:15 Uhr   Cinéma Paris     Schlingensief und der Specht,
                             »Der Darm denkt« und weitere Filme.
                             Minutenfilmprogramm von Alexander
                             Kluge und Lesungen
16:00 Uhr   Cinéma Paris     Orphea

                               2                                                                           3
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
20:30 Uhr   Li-Be          Wie gelingt intersektionale               14:00 Uhr           Li-Be                    Honiggarten VIII:
                           ­Koope­ration? Oder: Macht verlernen in                                                Future imagination and technologies
                            12 Stufen                                                                             to restore the climate

Mi 22.9.                                                             15:30 Uhr           Li-Be                    Kooperative Tiere:
                                                                                                                  Lernen von anderen Arten
12:30 Uhr   Berlin Mitte   Position beziehen III: Hegels Mitte
                                                                     17:00 Uhr           Li-Be                    Symbiotische Erde und Biodiversitäts-
                           Treffpunkt: Hegel-Denkmal
                                                                                                                  verlust: Auswege aus der Zerstörung
                           am Hegelplatz
                                                                     20:00 Uhr           Li-Be                    Planetar handeln:
15:00 Uhr   Li-Be          Kollektives Übersetzen und Schreiben
                                                                                                                  Kooperative Rettungsenergien
16:30 Uhr   Li-Be          Honiggarten VI:
                           Literarische Kooperationspotenziale       So 26.9.
                           zwischen Afrika und Europa                11:00 Uhr           digital                  Honiggarten IX:
18:00 Uhr   Li-Be          Abend mit Film, Musik und Literatur                                                    Korallen – eine Begegnung mit den
                                                                                                                  fluiden Systemen Sprache, Gedächtnis,
Do 23.9.                                                                                                          Unsterblichkeit
12:30 Uhr   Berlin         Position beziehen IV:                     13:00 Uhr           Li-Be                    Die Renaissance als Epoche der
            Tiergarten     Wo ist Discopeter? Auf den Spuren                                                      ­Kooperation?
                           des Lieferroboters
                                                                     15:00 Uhr           Li-Be                    Prélude utopique: Denken nach vorn
                           Treffpunkt: Invalidenstraße 53,
                                                                                                                  und aus dem Futur II zurück!
                           vor »Peter Pane«
15:00 Uhr   digital        Kitchen_Ferm_Lab                          Do 30.9.
18:00 Uhr    Li-Be         Wenn wir teilen.                          18:00 Uhr           BOZAR, Brüssel           Orphea
Durchgehender Einlass      Dialoge über wissenschaftliche und
                           gesellschaftliche Kooperationen

Fr 24.9.                                                             Wetter und Pandemie machen ggf. Änderungen nötig.
                                                                     Bitte erkundigen Sie sich kurzfristig auf unserer Website.
12:30 Uhr   Berlin         Position beziehen V:
            Tiergarten     Tiergarten, Landscape of Transgression
                           Treffpunkt: Statue der Amazone
                           zu Pferde, Floraplatz
16:30 Uhr   Li-Be          Honiggarten VII:
                           Frische Luft bei zunehmender Hitze
18:00 Uhr   Li-Be          Buchvorstellung:
                           Mondnacht – Fünf vor Zwölf
20:00 Uhr   Universität    Wunderkammerkonzert
            der Künste     Bundesallee 1–12, Probensaal

Sa 25.9.
11:00 Uhr   Universität    Wunderkammerkonzert
            der Künste     Bundesallee 1–12, Probensaal

                             4                                                                                       5
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
Räume der Ausstellung
mit Künstler*innen und Institutionen:                                                            Oberes Foyer
                                                                                                 Alexander Kluge
                                                                                                 Gerhard Richter
                                                                      Korallenzimmer             Lynn Margulis
                                                                      Sonia Levy                 Yvonne Roeb
                                                                      mit Martin Savransky       Johann Brandstetter
                                                                                                 Vera Meyer
Kaminzimmer                      Schleuse                                                        Neri Oxman
Alexander Kluge
Jonathan Meese
                                 NASA/Gregor Trierweiler
                                 Alexander Kluge
                                                           2. Etage
Pia Bolognesi/Giulio Bursi
(Atelier Impopulaire)
Thomas Thiede
Hanna Hennenkemper
Daniela Friebel
Mark Dion
Reynold Reynolds
Kollektive: Sea Watch,
Bürgerräte u.a.
Wissenschaftskolleg

         1. Etage
                                                                  Großer Saal                Treppenhaus
                                                                  Alexander Kluge            Johann Brandstetter
                                                                  Sybille Neumeyer           Botanisches Museum Berlin
                                                                  Sarah Morris
                                                                  Franz John
                                                                  Thomas Thiede
                                                                  Hanna Hennenkemper
                                                                  Art & Language
                                                                  NASA
                                   Vestibül/Garderobe             TreeWatchBritz
                                   Alexander Kluge
                                   Thomas Thiede
                                   Marc Bausback
          ↑
       Eingang

                             6                                                         7
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
»Der Elefant im Dunkeln«                                                       Um Festival und Ausstellung zu ermöglichen, haben sehr viele
 Willkommen beim Festival der Kooperationen                                    Menschen zusammengearbeitet, haben miteinander kooperiert,
                                                                               gerungen und Lösungen gefunden. Unser Dank gilt allen Unterstüt­
                                                                               ­
                                                                               zer*innen und Kooperationspartner*innen, die dieses Fest der
»Sie mögen ungewöhnliche Wörter? Sie müssen Sanskrit lernen. Die               Zusammenarbeit möglich gemacht haben. Wir danken ganz besonders
Welt ist erschaffen aus den einzelnen Silben dieser Sprache. Alles stammt      Alexander Kluge und seinem Team von dctp um Jakob Krebs und
von Sanskrit ab, nehmen Sie das Wort Elefant, auf Sanskrit Pilu, wo besteht    Barbara Barnak für die intensive Gemeinschaftsarbeit auf Augen­
denn die Ähnlichkeit werden Sie fragen, folgen Sie mir, nach Iran, dort        höhe. Ein nicht minder herzlicher Dank gilt dem Festivalteam um
wurde daraus Pil, weil die Perser kurze Endvokale ignorierten; im Arabischen   den künstlerisch-wissenschaftlichen Leiter des Festivals Asmus
wurde aus dem Pil ein Fil, denn das Arabische kennt kein P, wie Sie be-        Trautsch und seiner Mit-Kuratorin Annina Lehmann. Und ohne die
stimmt wissen, und die Griechen, die hängten gerne ein -as an alle arabi-      Mitarbeiter*innen des Literaturhauses wäre, wie üblich, nichts
schen Begriffe, gekoppelt mit einer Konsonanentenverschiebung haben            von all dem so wundervoll erdachten Programm in die Praxis umge­
wir schon ein elephas, und von dem ist es nur noch ein etymologischer          setzt worden. Denn Kooperation findet nicht (nur) auf der Bühne,
Katzensprung zum Elefanten, wie Sie ihn kennen«.                               sondern vor allem hinter den Kulissen – im Dunkeln – statt.

Aus dieser kurzen Passage aus Ilija Trojanows Roman »Der Welten­               Wir freuen uns auf alle Mitwirkenden beim Festival der
sammler« lässt sich deutlich herauslesen, wie der Elefant durch                Kooperationen, und ganz besonders freuen wir uns auf Sie,
                                                                               ­
Zeiten und Sprachen wandert – und damit Welten verbindet. Zunächst             liebes Publikum!
ganz buchstäblich als prunkvolle diplomatische Geste, als der
persische Kalif Harun ar-Raschid den Elefanten Abul Abaz im                    Ihre Janika Gelinek und Sonja Longolius
Jahre 802 Karl dem Großen zum Geschenk machte, ab der Frühen                   Leitung Literaturhaus Berlin
Neuzeit als koloniale Attraktion und als philosophischer Gegen­
stand für Reflexionen über die Bestimmung des Menschen in der
Abgrenzung zum Anderen: dem Elefanten. »Der Elefant im Dunkeln«
haben wir unser Festival der Kooperationen mit Alexander Kluge &
friends genannt. In diesem schönen Bild, einer südasiatischen
Fabel entlehnt, verbirgt sich die bis heute überaus aktuelle
Moral, dass die großen Fragen der Zeit nur gemeinsam ergründet
und nachhaltige Lösungen nur zusammen gefunden werden können.
   Wie gut, dass bei uns im Literaturhaus Berlin schon seit 2018
ein Elefant an der Decke schwebt, um an diese kontinuierliche
gemeinsame Suche zu gemahnen. Denn hier im Haus, in der Fasanen­
straße 23, gab es tatsächlich auch einen Elefanten: Ihr Name
war Berolina, ein vierzehn Monate altes indisches Elefantenbaby,
das in den 1960er Jahren als eine Hauptattraktion des Hauses
figurierte, das damals noch kein Literaturhaus, sondern ein
einschlägig bekanntes Striptease-Etablissement war. Berolina
tanzte, spielte Mundharmonika und entkleidete allabendlich die
Tänzerinnen, bis sie ein trauriges Ende fand und an einer Lun­
genentzündung verstarb. Als federleichte Pappmachéfigur schwebt
sie nun hoch über den Köpfen der Besucher*innen im Foyer.
   An zehn Tagen wird sich das Festival der Kooperationen nun
Fragen nach Zusammenarbeit in den Künsten und Wissenschaften
widmen, während die gleichnamige Ausstellung diese Erkundungen
der Koproduktion versinnbildlicht und erfahrbar werden lässt.

                                     8                                                                        9
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
10   11
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
Alexander Kluge                                                     Asmus Trautsch
»Er rettete das Liebste,                                            Gemeinsam erkennen, machen, handeln
 was er besaß, und ­zugleich eine Nachhut                           Essay zum Festival der Kooperationen
 von zwölf Elefanten«
                                                                      »
                                                                       Keiner ist alleine schlau genug.«
Einfacher als das Entkommen aus Elefantenställen ist das Entkom­       Alexander Kluge
men aus Bränden im Zirkuszelt selbst. Der Herrenreiter, der in
seinem Wohnwagen eine Gräfin beherbergte, die ihrer Verwandt­       Man könnte meinen, dass mit dem Festivaltitel etwas gänzlich
schaft entflohen war (noch hatte sie im Zirkus keine nutzbare       Selbstverständliches aufgebauscht wird. Braucht nicht jedes
Kunst entwickelt, sie beglückte den Herrenreiter), entkoppelte      Festival, jede Institution Kooperationspartner, um ein kultu­
die Elefanten bei dem Großbrand im Zirkus PATTY und führte sie,     relles oder wissenschaftliches Veranstaltungsprogramm durchzu­
»wie bei einer Attacke«, gegen das bereits brennende Außenzelt.     führen und zu finanzieren? Das Thema Kooperation lockt, wie
Die Dickhäuter vertrauten dem Reiter. Für einen Kommandeur          mir ein zunächst skeptischer Partner sagte, »niemanden hinter
hätten sie kein Verständnis gehabt. Sie sahen aber die Bewe­        dem Ofen hervor«.
gungsrichtung des Pferdes, die Entschlossenheit einer »intakten        Mehr noch: Ist nicht Kooperation etwas ganz und gar Alltäg­
Willenskraft«; solche Willenskräfte haben, nach Anselm von          liches, das dem Ausnahmecharakter eines Festivals widerspricht?
Canterbury und Prof. Dr. Rupert Sheldrake, wie gesagt, gravitati­   Zusammenarbeit ist auf allen Ebenen der arbeitsteiligen Ge­
ve Kraft, und zwar durch alle Bahnungen des Tierreichs hindurch.    sellschaften der Moderne nötig und buchstäblich pausenlos im
Jede Anziehung, die auf einer solch morphologischen Struktur        Gange. Sonst würde kein Krankenhaus, keine Lieferkette und
beruht, ist einfach, jeder Widerstand gegen solche Anziehung        auch keine kulturelle Einrichtung funktionieren. »Die objekti­
fällt schwer. So folgten die verwirrten Elefanten dem robusten,     ven Verhältnisse sind«, wie Alexander Kluge sagt, »längst in
einfachen Charisma des Herrenreiters. Es machte nichts aus,         Kooperation getreten.«
daß dieser, ein Herr von Marinetti, seine heldenhafte Tat nur          Wenn wir dennoch mit dem Titel einen Akzent setzen, dann aus
vollbrachte, um der Gräfin, die er im Wohnwagen beherbergte,        dem Grund, dass diese Verhältnisse gerade in ihrer gesellschaft­
zu imponieren. Er hatte sie vor sich im Sattel staffiert, er        lichen, ökonomischen und kulturellen Allgegenwart einer eigen­
rettete das Liebste, was er besaß, und zugleich eine Nachhut von    tümlichen Verschleierung unterliegen. Denken Sie an die Corona­
zwölf Elefanten.                                                    pandemie und die für viele offenbar überraschende Einsicht, wie
                                                                    entscheidend ihre Existenz von Pflegekräften, Erzieher*innen und
                                                                    Angestellten in der Lebensmittelversorgung abhängig ist. Von
                                                                    Personen also, die entgegen der hohen Bedeutung ihres Tuns für
                                                                    eine kooperative Gesellschaft notorisch schlecht bezahlt werden.
                                                                    Oder denken Sie an den Kampf um Anerkennung von vermeintlich
                                                                    privater Sorgearbeit, obwohl es doch klar sein müsste, dass die
                                                                    tätige Sorge um andere Voraussetzung für eine jegliche Zukunft
                                                                    ist, für die es sich zu kämpfen lohnen kann.
                                                                       Dass die objektiven Verhältnisse kooperativ verfasst sind,
                                                                    heißt also nicht, dass Kooperation auch wirklich ernst genommen
                                                                    und ein waches, empathisches Bewusstsein für ihre Bedingungen,
                                                                    Abhängigkeiten und Möglichkeiten entwickelt wird. Im Gegenteil,
                                                                    strukturell verblendende, ausbeutende, ökologisch destruktive
                                                                    Kollaborationen sind so machtvoll etabliert, dass neue,
                                                                    gerechtere, nachhaltigere Formen von Zusammenarbeit leicht
                                                                    ­

                               12                                                                  13
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
utopisch wirken. Eine Analyse- und Aufklärungsarbeit ist hier       Welche Kooperationen brauchen und wollen wir als gegenseitig
gefragt, die nur als gemeinsame Anstrengung gelingen kann.          aufeinander angewiesene Wesen, die vielfach miteinander und
   Besonders an der gegenwärtigen Lage scheint zudem eine kons­     ihrer Umwelt verbunden und abhängig sind? Wie können wir aus der
titutive Überforderung angesichts sich auftürmender Krisen zu       Geschichte, aus der Literatur und den Künsten, was aus der
sein, die viel hartnäckiger und schwerwiegender wirken als noch     Erforschung von quasi-kooperativen Verhältnissen, etwa zwischen
die Finanzkrise Ende 2008. Denn ihre Bewältigung stellt uns         Pilzen und Bäumen, Bestäubern und Bedecktsamern oder unseren
langfristig vor so enorme Herausforderungen, dass sie für Ein­      Organen und den Mikroorganismen in unserem Körper, lernen?
zelne wie Überforderungen wirken. An der Pandemie und ihren         Wie wollen wir die Technologien der Zukunft gestalten: als Künst­
Zumutungen ist das gut zu erkennen. Den großen Krisen ihre          liche Intelligenzen, die mit uns wetteifern oder die wie Partner
Permanenz, zumindest aber ihre bis ins Katastrophische gehende      kooperieren – etwa um uns mehr Zeit füreinander zu ermöglichen
Verschärfungen zu nehmen, hieße, die weltweit aufgehende Saat       und die Verwicklung von Natur und Kultur transparenter zu machen,
des Rechtspopulismus im Zeichen pluralistischer Demokratien und     sodass wir die Ökosysteme besser zu schützen in der Lage sind,
zivilgesellschaftlicher Öffentlichkeiten zu bekämpfen, struktu­     von denen wir abhängig bleiben und die im Anthropozän von uns
relle Diskriminierung in allen Bereichen der Gesellschaft und       abhängig geworden sind?
                                                                    ­
der internationalen Ordnung zu beseitigen, die im System des           Solche Fragen fallen in keine spezifische Zuständigkeit. Sie
globalen Kapitalismus angelegte Ausbeutung und Vertiefung der       sind nur gemeinsam anzugehen, gerade von den neugierigen und
Ungleichheit aufzuheben und den ökologischen Kollaps durch          experimentellen Systemen der Künste und Wissenschaften. Im
irreversibles Überschreiten von Kipppunkten im Klimasystem          Festival haben wir sie – zusammen mit zivilgesellschaftlichen
der Erde oder durch auf viele Millionen Jahre nicht heilbaren       Initiativen – eingeladen, gemeinsam an Antworten und neuen Fragen
Biodiversitätsverlust abzuwehren. Das sind nur einige der Krisen,   zu arbeiten. Solche Kooperationen sind leider nicht selbstver­
die sich vor uns und durch uns (insbesondere uns Industrie­         ständlich. Denn trotz der für die Moderne typischen »Verfransung
landeskinder) überlagern und eine Dringlichkeit existentiellen      der Künste« (Adorno) sind die Ausbildungen und Förderinstrumente,
Ausmaßes erzeugen.                                                  die Märkte und Rezeptionsweisen der Kunstsparten weitgehend
   Dabei werden wir uns auch weiterhin mit unseren Zukunftsimagi­   getrennt. Und trotz der mantraartigen Plädoyers für wissen­
nationen irren. Modellierungen von demographischen Entwicklungen    schaftliche Interdisziplinarität erfordern akademische Karrieren
oder Erdsystemprozessen werden immer genauer, aber was wir als      immer mehr Spezialisierung und Festlegungen auf eng begrenzte
Individuen, Gesellschaften und Weltgemeinschaft erkennen, tun       Forschungsthemen. Zudem haben Künste und Wissenschaften kaum
und entwickeln werden, ist nicht vorherzusehen. Die Zukunft wird    etablierte Öffentlichkeiten, um sich mit Hingabe und Geduld
vermutlich nicht einfach eine Zeit sein, in der man die Probleme    zu begegnen.
von heute abarbeiten wird, sondern auch eine, in der sich neue         »Elefanten im Dunkeln« kann man nicht alleine erkennen,
stellen werden, die wir noch nicht kennen.                          sondern nur mit Partner*innen und genug Gelegenheiten, um
   Anders gesagt, die Zukunft ist im radikalen Sinne offen:         diesen Dickhäutern nahezukommen und sich über ihre sensiblen,
                                                                    ­
Sie macht uns als Krisenzukunft unsicher, weil die historischen     klugen, sozialen Vermögen auszutauschen. Zusammenarbeit im
Entwicklungen noch unkalkulierbarer wirken als vor 30 Jahren.       Denken und Erkennen, Produzieren und Handeln erfordert von den
Das heißt aber auch: Die Zukunft ist formbar. Wir haben sie         Beteiligten, andere Metiers und Methoden, Arbeitsweisen und
zwar nicht in der Hand, aber wir können sie uns vorstellen und      Perspektiven kennenzulernen, ohne die eigene Expertise, die
uns fragen, wie wir in 10, 20, 50 Jahren werden zurückblicken       eigenen Standpunkte, Gefühle, Kenntnisse und Fähigkeiten aufzu­
wollen – und dementsprechend vorausschauend handeln. Denn die       geben – sie vielmehr mit anderen zu vernetzen und in Reibung
Verschärfung der Probleme ist abwendbar, wie bessere Lebensbe­      und Auseinandersetzung umzuformen oder zu erweitern. Wie jeder
dingungen für Erdlinge möglich sind, wie Donna Haraway uns          Lern-, Bildungs- und Erfahrungsprozess benötigt Kooperation
und unsere Mitkreaturen nennt: »Vielleicht, und nur vielleicht,     zudem Zeit, auch für Frustrationen und temporäre Sackgassen.
und nur durch großes Engagement und intensive kollaborative         Ein 10-tägiges Festival reicht dafür nicht aus. Es wird die
Arbeit (und kollaboratives Spiel) mit anderen Erdlingen, ist        Frage, was wir voneinander lernen und miteinander tun können,
das Gedeihen von reichhaltigen, artenübergreifenden Gefügen,      daher kaum beantworten können. Aber hoffentlich den ein oder
die auch uns Leute umfassen, weiterhin möglich.«                    anderen Anreiz stiften, ihr ganz praktisch – kooperativ – weiter

                               14                                                                  15
FESTIVAL DER KOOPERATIONEN - MIT ALEXANDER KLUGE & FRIENDS - Literaturhaus Berlin
nachzugehen. Das Festival sei daher nicht nur als Präsentation,      Künstlerprogramm des DAAD, Botanisches Museum Berlin, Bozar,
sondern auch als ein offener Prozess verstanden, zu dem alle         Cinéma Paris (Yorck Kinogruppe), Deutsche Kinemathek, Deutsche
analog und digital Anwesenden eingeladen sind. Dadurch können,       Oper Berlin, Ensemble Kaleidoskop, Goethe-Institut Brüssel,
hoffe ich, Gefühle der Verflechtung gestärkt, Denkbewegungen         Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz, Institut français Deutsch­
sozial verwoben und Möglichkeiten des Handelns für eine Zukunft      land, Klangzeitort. Institut für Neue Musik, Leibniz-Zentrum für
erweitert werden.                                                    Literatur- und Kulturforschung (ZfL), Mobile Akademie Berlin,
   Um beim Festival einige Felder für konkrete Kooperationen zu      Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Spector Books, Suhr­
öffnen, haben wir über 130 Teilnehmende mit unterschiedlichen        kamp Verlag, Wissenschaftskolleg zu Berlin und dem Zentrum für
Berufen und Expertisen, Identitäten und kulturellen Hintergründen    Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM).
aus mehreren Generationen (mit Geburtsjahren seit den frühen            Ebenso sei gedankt für die Förderung des Festivals der Koope­
1930er Jahren bis in die späten 1990er) eingeladen, während          rationen im Rahmen von »Neustart Kultur« der Beauftragten der
dieses Septembers und teilweise schon im Vorfeld miteinander         Bundesregierung für Kultur und Medien durch den Deutschen Lite­
zu kooperieren: zivilgesellschaftliche Aktivist*innen, Archi­        raturfonds und den Musikfonds sowie für die Förderung durch die
tekt*innen, Autor*innen, Biolog*innen, Choreograph*innen,            Stiftung Preußische Seehandlung, den Verein der Freunde und
Designer*innen, Dramaturg*innen, Filmwissenschaftler*innen,
­                                                                    Förderer Literaturhaus Berlin, das Goethe-Institut Brüssel, die
Historiker*innen, Klimaforscher*innen, Komponist*innen, Kriti­       Friede Springer Stiftung, den Suhrkamp Verlag und den Freundes­
ker*innen, Kulturwissenschaftler*innen, Künstler*innen, Kura­        kreis Schloss Wiepersdorf.
tor*innen, Literaturwissenschaftler*innen, Mediziner*innen,             David Nagel und Raby-Florence Forfana haben es vermocht, auch
Musiker*innen, Ökonom*innen, Performer*innen, Philosoph*innen,       unter Hochdruck dem Festival und der Ausstellung eine überzeu­
Physiker*innen, Politik- und Sozialwissenschaftler*innen,            gende, durchdachte Gestaltung zuteil werden zu lassen, die nicht
Psycholog*innen, Regisseur*innen, Schauspieler*innen, Techni­
­                                                                    nur die Festivalidee zur Erscheinung bringt, sondern auch lang­
ker*innen, Übersetzer*innen, Umweltwissenschaftler*innen,            fristig das Gedächtnis des Festivals erhellen wird. Danke dafür.
Verleger*innen und andere mehr.
­                                                                       Schließlich sei dem eingespielten, engagierten, ermöglichen­
    Zugleich beteiligen sich 20 institutionelle Partner aus den      den und höchst sympathischen Team des Literaturhauses Berlin mit
Künsten und Wissenschaften in Deutschland, Frankreich und Belgien    großer Verneigung Danke gesagt, das die Festivalidee von Anfang
aktiv mit am Festival, denen wie uns an Kooperation und gemeinsa­    an mitgetragen, uns seit Monaten im Kaminzimmer aufgenommen und
mer Öffentlichkeit gelegen ist. Zusammen glauben wir daran, dass     in allem vorbehaltlos unterstützt hat.
eine inklusive Öffentlichkeit gerade jetzt wichtig ist. In ihr          Wenn ich von »uns« spreche, so meine ich das Festivalteam:
können aus freier Reibung, kritischer Auseinandersetzung, inter­     meine Mit-Kuratorin Annina Lehmann sowie Janina Enderle, Lilith
aktiver Selbstprüfung und gemeinsamer Anstrengung neue Möglich­      Tiefenbacher und Chris Verfuß. Sie haben das Festival samt
keiten und Einsichten für alle Beteiligten entstehen.                Ausstellung nicht nur operativ mit auf die Beine gestellt,
   Mit Alexander Kluge hatte ich die Freude einer sehr inspirie­     sondern auch dazu beigetragen, dass die Lust am Zusammenarbeiten
renden und intensiven Zusammenarbeit über die letzten Monate.        sich trotz großer Anstrengung immer wieder zu einer Freude
Wir beide möchten denjenigen danken, die dieses Festival ermög­      steigern konnte, die nur als geteilte erlebbar ist.
licht haben.
   Zuerst dem mitdenkenden und -handelnden Team des Hauptpartners,   Danke Euch allen!
der dctp, die auf ihrem Kanal dctp.tv (in Zusammenarbeit mit
schnee von morgen in Berlin) Oasen der Öffentlichkeit eingerich­     Nun freue ich mich sehr auf zehn Tage Veranstaltungsprogramm
tet hat, auf deren fruchtbaren Böden wir auch das Festival der       und einen Monat Festivalausstellung mit Ihnen und Euch,
Kooperationen anpflanzen: Jakob Krebs, Barbara Barnak und Gülsen     liebes Publikum!
Döhr sei herzlich für ihre engagierte und inspirierte Zusammen­
arbeit gedankt.                                                      Ihr und Euer
   Zudem danken wir den freundlichen Förderern und den ideenrei­     Asmus Trautsch
chen und engagierten Kolleg*innen unserer Partnerinstitutionen:      Festivalkurator
ARGOS centre for audiovisual arts, Atelier Impopulaire, Berliner

                               16                                                                   17
Programm                                                           Fr 17.9.
                                                                   18:00 Uhr   ARGOS centre for audiovisual arts, Brüssel

17.9.–15.10.                                                       Ausstellungseröffnung

Fr 17.9.   18:30 Uhr   Eröffnung der Ausstellung   Li-Be
                                                                   Alexander Kluge: »Minutenfilme #1«
                                                                   Mit Niels Van Tomme u.a.
Ausstellung »Der Elefant im Dunkeln«                               Die Ausstellung, die acht Minutenfilme Alexander Kluges präsen­
                                                                   tiert, darunter Held Hagen beschimpft den rechten Flügel der
Die Ausstellung des Festivals der Kooperationen vertieft das       AfD in Magdeburg oder Farben & Mathemathik, wird bis zum
Veranstaltungsprogramm und setzt eigene Akzente. In sieben         18.11.2021 dauern, gefolgt von der Ausstellung Alexander Kluge:
Räumen des Literaturhauses auf zwei Stockwerken verteilt werden    »Minutenfilme #2«
mehrere Aspekte von Kooperation beleuchtet, hinterfragt und        www.argosarts.org/event/alexander-kluge-minutenfilme-1
in neue Zusammenhänge gesetzt. Schwerpunkte sind dialogische,
institutionelle und zivilgesellschaftliche Formen von Zusammen­
arbeit (und ihrem Scheitern), symbiotische und kooperative         18:30 Uhr   Im Garten & im ganzen Haus     Eintritt: 7€/4€
Beziehungen zwischen nicht-menschlichen Lebewesen und die Inter­
aktion mit neuen Technologien von Datenschwärmen bis zu intelli­   Eröffnungsabend
genten Maschinen. Es entfaltet sich so ein Dialog zwischen
künstlerischen Arbeiten – Zeichnungen, Filmen, Videos, Instal­
                                                                   Eröffnung des Festivals der Kooperationen
lationen, Fotografien und Skulpturen – und wissenschaftlichen
Exponaten, zwischen literarischen Texten, dokumentarischem         Mit dem Solistenensemble Kaleidoskop
Material und Naturalia.                                            Grußworte der Partnerinstitutionen und Einführung von Alexander Kluge,
                                                                   Asmus Trautsch u.a.
                                                                   Das Festival der Kooperationen beginnt mit Musik, ohne die das
Geöffnet während des Festivals bis 26.9.,                          Leben nach Nietzsche ein Irrtum wäre. Die Partnerinstitutionen,
außer am 23.9.                                                     das Literaturhaus und der Kurator Asmus Trautsch stellen sich
Geöffnet 29.9.–15.10.                                              und das Festival im Anschluss daran kurz vor, inklusive Live-
12:00–18:00 Uhr                                                    Schaltung zur Partnerausstellungseröffnung bei Argos in Brüssel.
                                                                   Danach beginnt der Programmteil des Festivals mit Improvisation,
                                                                   Gesprächen, Lesungen, Klaviermusik und Chansons.

                                 18                                                                  19
… Fr 17.9.                                                         Sa 18.9.
20:00 Uhr    Im Garten                                             11:00 Uhr   Im Garten   Eintritt: 7€/4€

Lesung, Musik und Film                                             Kooperation mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin:
»Er rettete beim Zirkusbrand das Liebste,                          Wissenschaft ist eine Kunst /
was er besaß, und zugleich eine Nachhut                            Kunst ist eine Wissenschaft
von zwölf Elefanten«
                                                                   Mit Eva Horn, Bernd Scherer und Alexander Kluge
                                                                   Das Anthropozän braucht neue Formen der Öffentlichkeit, entschie­
Mit Hannelore Hoger, Eva Horn, Joseph Vogl, Gustav Seibt,          denere Kooperation zwischen den Metiers und fordert sämtliche
Lilith Stangenberg, Sir Henry und Alexander Kluge                  Formen der (menschlichen) Intelligenz heraus: Von der Schwarmin­
Es geht um Elefanten, Goethe bei der Belagerung von Mainz,         telligenz bis hin zu der von Korallenriffen, von der Überlebens­
Musik, Texte und Debatte: »Was Kooperation bedeutet, bemerkt man   intelligenz in den Slums amerikanischer oder afrikanischer
erst richtig, wenn sie fehlt«.                                     Großstädte bis zu den Denkfabriken von Harvard./Dabei geht es
                                                                   um die Reibungsfläche zwischen Kunst und Wissenschaft/Die
                                                                   Anspannung des Geistes ist oft die Gleiche, Werkzeuge, Arbeits­
                                                                   ­
21:30 Uhr    Im Garten                                             gegenstand und Resultate sind verschieden/Eine besondere intel­
                                                                   ligente Anstrengung, die schon Leibniz mit seiner Theorie der
Präsentation, Lesung und Musik                                     Seperatrix forderte, bezieht sich auf die Verknüpfung hetero­
Honiggarten I: New York – Berlin – Paris                           gener Intelligenzen und Methoden.

Mit Ben Lerner (aus New York), Aurélie Maurin, Dominik Sell u.a.   13:00 Uhr   Im Garten & im ganzen Haus     Eintritt: 7€/4€
Lesebrücke von New York nach Berlin: Der amerikanische Dichter
und Suhrkamp-Autor Ben Lerner und Alexander Kluge sind aufein­     Führung
ander gestoßen durch Lichtenbergs Skizzen zur Elektrizität.        Die Ausstellung des Festivals
                                                                   »Der Elefant im Dunkeln«
Daraus entstand das Buch Schnee über Venedig (Spector Books).
Texte daraus: In der mittelalterlichen Engelslehre gibt es neun
Ordnungen von Schnee/Die Phantasie als »Pferd«/Die poetische
Kraft der Theorie. Zum Abschluss folgen Chansons und Lieder von    Eine gemeinsame Führung mit Alexander Kluge, Asmus Trautsch und
Aurélie Maurin mit Dominik Sell: ein musikalischer Bogen nach      Annina Lehmann durch die Festivalsausstellung, die das Programm
Frankreich und Paris.                                              begleitet und vertieft. Über die Räumlichkeiten des Literatur­
                                                                   hauses verteilt werden auf zwei Stockwerken verschiedene Aspekte
                                                                   der Kooperation beleuchtet, hinterfragt und in neue Zusammen­
                                                                   hänge gesetzt. Im Rahmen der Schwerpunkte Gesellschaft, Biosphäre
                                                                   und Technologie entfaltet sich so ein Dialog zwischen künstle­
                                                                   rischen Arbeiten, wissenschaftlichen und literarischen Texten
                                                                   und Naturalia aus dem Botanischen Museum. Mit freundlicher
                                                                   Unterstützung von Elefanten, Ameisen, Staren, Korallen, Pilzen,
                                                                   Erdbeben u.a.

                                     20                                                              21
… Sa 18.9.                                                          16:00 Uhr   Im Garten    Eintritt: 7€/4€
14:00 Uhr    Im Garten    Eintritt: 7€/4€
                                                                    Lesung und Gespräch
Kooperation mit dem Wissenschaftskolleg zu Berlin:
                                                                    Honiggarten II: Tanz der Gespenster /
Der Glücksfall einer Institutsgründung:                             Danse des spectres
Das Wissenschaftskolleg zu Berlin
                                                                    Mit Muriel Pic und Anne Weber
Mit Barbara Stollberg-Rilinger, Isabel Mundry, Lothar Müller        In Archiven, in Zeugnissen, in Gegenständen, die Menschen einst
und ­Alexander Kluge                                                in Händen hielten, schläft die Vergangenheit. »Wiederauferste­
Das Wissenschaftskolleg ist eine Gründung der 80er Jahre. Bereits   hungspflanzen« werden gewisse Wüstenpflanzen genannt, die so
in den neunziger Jahren begann die Zusammenarbeit mit der dctp.     lange verdorrt am Boden liegen, bis sie darin schon fast ver­
In der Ausstellung des Literaturhauses sind Beispiele daraus        schwinden, die aber nach Jahren, wenn es endlich regnet, wieder
zu besichtigen. Zum Konzept des Wissenschaftskollegs gehört auch    aufleben können. Dokumente warten auf unseren Blick; auf die
die Wechselwirkung von Wissenschaft und Kunst. In jedem Jahr        Träne, die aus unserem Auge fällt und sie zum Leben erweckten.
gehören Dichter, Komponisten und Publizisten, neuerdings auch       Mitunter können sie sogar Füße bekommen und zu tanzen beginnen.
eine junge Opernregisseurin zu den Fellows. Themen wie Die          Muriel Pic und Anne Weber lesen neue, kooperativ verfasste Texte.
Macht am Mittelmeer und die longue durée (mit Wolf Lepenies),
die Sendung mit Dieter Grimm aus Anlass der Terrordrohung gegen
die Inszenierung von Mozarts Idomeneo durch Neuenfels in der        17:30 Uhr   Im Garten    Eintritt: 7€/4€
Deutschen Oper oder die legendäre Sendung mit Luca Giuliani
über »Die Nase des Sokrates« gehören zu den Glanzlichtern           Gespräch, Lesung, Film
der kooperativen Verknüpfung über die Grenze von Wissenschaft       Kenntnis der Notausgänge / R ­ ettungswege
                                                                    aus der Titanic / Enzyklopädie der Kriege
und Kunst hinweg.

                                                                    (Jean-Yves Jouannais)

                                                                    Mit Muriel Pic, Peter Weibel (aus Karlsruhe) und Alexander Kluge
                                                                                          Der Philosoph Hans Blumenberg beschreibt
                                                                                          eine instruktive Szene: Ein Museumsbeob­
                                                                                          achter steht vor dem Bild eines Schiffs­
                                                                                          untergangs. Er glaubt, er stünde vor
                                                                                          einer Abbildung. Das ist ein Irrtum, sagt
                                                                                          Blumenberg. »Wir alle sind längst einge­
                                                                    schifft«. Deshalb ist Kenntnis der Notausgänge eine Disziplin
                                                                    aller Künste. Das gilt auch für das »Chamäleon Krieg« (Clause­
                                                                    witz). Es tritt in ältesten und ernstesten Formen immer erneut
                                                                    uns vor Augen. Zuletzt in Kabul. Der französische Autor Jean-
                                                                    Yves Jouannais, Paris, schrieb das Buch M.O.A.B., eine Enzyklo­
                                                                    pädie der Kriege, auch dazu wird es einen Film geben.

                                     22                                                                 23
… Sa 18.9.                                                                    von Straßenkünstlern wild, kreativ, wütend, schonungslos und
                                                                              oft schockierend. Meisterhaft verwenden sie urbanen Schutt
20:00 Uhr    Im Garten    Eintritt: 7€/4€                                     (Computerteile, Fernsehgeräte, Kugelgranaten, Macheten) und
                                                                              arbeiten kooperativ mit Feuer und Farbe, Wachs und Blut – um die
Kooperation mit dem ZKM                                                       Korruption der Regierung, die Ausbeutung durch den Westen sowie
Landung auf der »Membran des Lebens« /                                        die unbeugsame Armut zu kritisieren. Système K enthüllt eine

Das dünne Eis der Zivilisation
                                                                              einmalige lebendige, rohe, politisch scharfsinnige Welt der
                                                                              Performance-Kunst.

Mit Peter Weibel (aus Karlsruhe), Bettina Korintenberg, Philipp Ziegler
und Alexander Kluge HINWEIS: Leider kann Bruno Latour nicht teilnehmen        12:30 Uhr   Cinéma Paris, Maison de France      Eintritt: 8€/6€
Bruno Latour hat Begriffe wie das »Terrestrische« und die »Kri­
tische Zone« entwickelt, denen die derzeitige, von ihm und Peter              Pandemisches Geflüster
Weibel kuratierte Ausstellung »Critical Zones« am ZKM gewidmet
ist. Mit diesen Begriffen führt Latour die Gaia-Hypothese von                 R.: Helge Schneider und Alexander Kluge. Deutschland (2021)
James Lovelock und Lynn Margulis in kritischer Absicht weiter                 Während des Lockdowns haben das Literaturhaus, der Württember­
und wendet sich gegen unsere Vorstellungen vom Globus als                     gische Kunstverein und dctp.tv im Netz eine Revue-Nacht ver­
Lebensort. In Wahrheit existieren wir wie alles Leben nur in
­                                                                             anstaltet. Daraus entstand das Festival der Kooperationen.
einer dünnen Membran, deren fragile Kreisläufe und Abhängigkeiten             Und ­
                                                                                  zugleich der abendfüllende Film Pandemiegeflüster von Helge
wir durch die globalisierte Zivilisation empfindlich stören.                  Schneider und Alexander Kluge.
Sie ist auf dünnem Eis gebaut, das sie selbst zu schmelzen
droht. Wie können Künste und Wissenschaften zusammen zu verste­
hen lernen, was es heißt, terrestrisch zu werden und in dieser                14:15 Uhr   Cinéma Paris, Maison de France      Eintritt: 8€/6€
kritischen Zone mit vollem Bewusstsein unserer vielfältigen
Abhängigkeiten und Verbindungen anzukommen?                                   Schlingensief und der Specht,
                                                                              »Der Darm denkt« und weitere Filme.
So 19.9.                                                                      Minutenfilmprogramm von Alexander Kluge
                                                                              und Lesungen von Annett Gröschner und
10:30 Uhr    Cinéma Paris, Maison de France
                                                                              ­Tristan Marquardt
Filme und Lesungen
in Kooperation mit dem Institut français Deutschland                          Minutenfilme sind ein Genre, das auf die Frühzeit des Films
                                                                              zurückgreift und zugleich die Filmgeschichte heute fortzusetzen
Zwölf Stunden Kinotag                                                         versucht. Sie werden von Lesungen begleitet. Als Hommage an
                                                                              Jean-Luc Godard: Blinde Liebe.

10:30 Uhr    Cinéma Paris, Maison de France         Eintritt: 8€/6€

Système K.
R.: Renaud Barret. Frankreich (2019). (Original mit englischen Untertiteln)
Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo,
ist eine Megastadt mit 17 Millionen Einwohnern. Das Wasser ist
privatisiert und das Stromnetz launisch. Hier sind die Auftritte

                                     24                                                                          25
… So 19.9.                                                         21:00 Uhr   Cinéma Paris, Maison de France      Eintritt: 10€/8€

16:00 Uhr   Cinéma Paris, Maison de France      Eintritt: 8€/6€    Bunter Kinoabend mit Musik und Lesungen

Orphea                                                             Trompetenkino
R: Alexander Kluge und Khavn De La Cruz. Deutschland (2020),       Mit Helge Schneider, Lilith Stangenberg und Alexander Kluge
Einleitung von Lilith Stangenberg                                                           Mit Ausschnitten aus Der Großstadt­
                      Der Film mit Lilith Stangenberg in der                                förster, Der Skilehrer der Kanzlerin,
                      Hauptrolle zeigt die weibliche Version                                Vom Kellner zum Milliardär in New York
                      des Sängers Orpheus: »Musik aus der Rippe                             und zurück und anderen Filmen. Viel
                      Evas«. Anders als im antiken Mythos vom                               Improvisation, viel Musik mit mehreren
                                                                                            ­
                      Sänger Orpheus, der seine Geliebte, Eury­                             Instrumenten.
                      dike, aus der Unterwelt retten will, aber
                      nicht wirklich bis ans Tageslicht bringt,
                      ist Orphea in der Lage, denjenigen, den      Parallel:
                      sie liebt, aus der Unterwelt zu retten.      20:00 Uhr Kultursommer City West        Eintritt: frei
                      Darin ist Orphea die Schwester von Leonore   ↦ Breitscheidplatz
                      im Fidelio von Beethoven, die ihren Mann
                      aus dem Kerker holt. Ein Musikfilm im        Le Soleil brûle
Verleih Rapid Eye Movies, gemeinsam mit dem philippinischen
Meisterregisseur und Musiker Khavn De La Cruz.                     R.: Joséphine Demerliac. Deutschland (2020). OmU
                                                                   Die Sonne bezaubert und wärmt, weil sie auch brennt. Die Liebe
                                                                   und der Ehrgeiz genauso. Die Antiheldin Zou sowie die zwei
18:00 Uhr   Cinéma Paris, Maison de France      Eintritt: 10€/8€   anderen Hauptfiguren, Anselm und Gustav, sind die perfekten
                                                                   Prototypen einer Generation: Träumend, verloren und gelangweilt
Filme, Lesungen und Debatte                                        in einer Gesellschaft der »Freiheit«, in der die Globalisierung
Das Wendejahr 1990 / Mit Jean-Luc Godards                          und die Revolution der Social Media unsere Liebesmodelle stark

Allemagne année 90 neuf zéro (OmU)
                                                                   durcheinander gebracht haben.

Mit Hanns Zischler, Jan Wenzel, Anne König, Thomas Heise
und ­Alexander Kluge
Aus Anlass der Publikation Das Jahr 1990 freilegen von Spector
Books (2020) und in Bezug auf den meisterhaften Film über das
Jahr 1990 von Jean-Luc Godard Allemagne année 90 neuf zéro
thematisiert dieser Teil des Kinotages das Gefühl der Trauer
darüber, dass nach dem vehementen Anfang im Herbst und Dezember
1989 die Gründung einer gemeinsamen neuen Republik nur schlecht,
statt recht gelang und zunächst mit einer Deindustrialisierung
und Entmutigung in den ostdeutschen Ländern begann: Eine Wende
oder BIFURKATION, die bis heute massive Folgen hat. Lassen sich
Fehler einer Wende nachträglich wenden? Eine Gewissenserfor­
schung in europäischer Perspektive.

                                   26                                                                 27
Mo 20.9.                                                             16:30 Uhr   Im Garten   Eintritt: 7€/4€

Fällt leider wegen Krankheit aus!                                    Gespräch und Performance
12:30 Uhr Berlin Charlottenburg
↦ Treffpunkt: Literaturhaus
                                         Eintritt: frei              Honiggarten IV: Das Dialog-Projekt
Impulsvortrag und Spaziergang                                        Mit Thomas Thiede und Alexander Kluge
mit ­Publikumsgespräch mit dem ZfL                                   Den sogenannten Dialog führen der Künstler Thomas Thiede und
                                                                     Alexander Kluge durch den Austausch gemeinsamer Werke. Der
Position beziehen I:                                                 Dialog besteht nicht aus Reden, sondern aus Machen. Es wird
Hildegard Brenner und die alternative                                berichtet und performt.

Mit Moritz Neuffer
In der Düsseldorfer Straße in Berlin-Wilmersdorf befand sich die     17:30 Uhr   Im Garten   Eintritt: 7€/4€
Schaltzentrale einer Zeitschrift, die in den literarischen und
theoretischen Diskussionen der Jahre um 1968 zu einer wichtigen      Gold Nugget Cinema und Debatte
Stimme wurde: Im Wohnatelier der Herausgeberin Hildegard Brenner     Honiggarten V:
                                                                     Hagen von Troja – Held aus den Ardennen
entstanden die rot-schwarzen Hefte der alternative. Der Impuls­
vortrag wirft ein Schlaglicht auf das intellektuelle, politische
und geografische Koordinatensystem des geteilten Berlins, in
dem die Arbeit der Redaktion bis zur Einstellung der Zeitschrift     Mit Jonathan Meese, Alexander Kluge und Swantje Grundler
im Jahr 1982 ihren Ort hatte.                                        Jonathan Meese hat für Alexander Kluge ein Gold Nugget Cinema
                                                                     hergestellt. Außerdem schreiben die beiden an einem gemeinsamen
                                                                     Buch, Die Schramme am Himmel. Nachrichten vom Helden Hagen
15:00 Uhr    Im Garten    Eintritt: 7€/4€                            mit neuen Bildern von Jonathan Meese, das bei Spector Books im
                                                                     Oktober erscheinen wird. Es geht um den düsteren, bärbeißigen,
Lesung und Gespräch                                                  aber auch treuen Helden Hagen. Ein Lesefehler hat die Zeitspanne
Honiggarten III: Übersetzen im Ensemble                              von Hagen von Tronjes Leben und Taten um mehr als 1.000 Jahre
                                                                     erweitert. Es reichte aus, dass man versehentlich statt »Tronje«
                                                                     das Wort »Troja« tippt. Vom brennenden Troja über das Nibelungen­
Mit Dagmara Kraus und Alain Jadot                                    lied im 12. Jahrhundert und Richard Wagner bis zum Jahr 2022.
Frédéric Fortes Minutenopern (Opéras-minute) von 2005 sind
ein Libretto: ein »libre étau«, eine Art »freier Schraubstock«,
ja »freiwilliger Zwang« à la Oulipo. Zugleich handelt es sich um
110 Gedichte, die auf Buchseiten »inszeniert« werden. Eine immer
gleich lange vertikale Linie trennt das, was Forte als »Bühne«
und »Kulissen« festschreibt, um in diesem Spielraum typographische
Formen und teils persönliche, teils ethnographische Inhalte zu
erkunden. Damit hat er ein Textverfahren in die »Werkstatt für
potenzielle Literatur« eingeführt, wofür er kurz nach Erscheinen
von der Oulipo geadelt wurde. Alain Jadot und Dagmara Kraus
haben den Text übersetzt und hypersetzt, sich ihn angeeignet,
nachgedichtet, nachgestellt und werden über die gemeinsame
Arbeit an den Minutenopern sprechen.

                                    28                                                                29
… Mo 20.9.                                                          14:00 Uhr   Im Garten    Eintritt: 7€/4€

20:00 Uhr   Rangfoyer, Deutsche Oper      Eintritt: frei            Lesung, Filme und Gespräch
                                                                    in Kooperation mit Spector Books
Kooperation mit der Deutschen Oper Berlin
                                                                    Der Weltgeist reitet durchs Brandenburger Tor.
Die Große Oper zwischen Glückssuche und                             Napoleon und das Jahr 1990
»Götterdämmerung«
                                                                    Mit Alexander Kluge und Jan Wenzel
Mit Jörg Königsdorf und Alexander Kluge                             Der erfolgreiche Abend mit Jean-Luc Godards Film Allemagne
Aus mehr als zehn Jahren Zusammenarbeit zwischen dctp.tv und der    année 90 neuf zéro am Sonntag im Cinema Paris wird heute
Deutschen Oper: Eine Debatte mit Lesung und Filmen über das         fortgesetzt. Zum 200. Todestag von Napoleon hat Spector Books
Kooperationswunderwerk Oper. Es geht um Meyerbeer, um Wagner        das Buch Napoleon Kommentar von Alexander Kluge publiziert.
und die Zukunft der »Großen Oper«. Auch um die Götterdämmerung,     Mit Bildern von Georg Baselitz und mit QR-Codes, mit deren
die an der Deutschen Oper Berlin eine Neuinszenierung durch den     Hilfe die Leser*innen Filme ansehen können. Verleger und Autor
Regisseur Stefan Herheim erfährt.                                   stellen das Werk vor und zugleich das sensationelle Buch Das
                                                                    Jahr 1990 freilegen, begleitet von Filmen. Eine aufregende
                                                                    Stunde zu anderen Möglichkeiten der Geschichte: um 1800, 1990,
Di 21.9.                                                            heute und in Zukunft.

12:30 Uhr Berlin Charlottenburg        Eintritt: frei
↦ Treffpunkt: Literaturhaus                                         15:00 und 17:00 Uhr     Im Garten    Eintritt jeweils: 7€/4€

Impulsvortrag und Spaziergang mit Publikumsgespräch                 Audiowalk, Performance und Lesung
in Kooperation mit dem ZfL                                          in Kooperation mit dem ­Hochschulübergreifenden
                                                                    Zentrum Tanz
Position beziehen II:
Künstlercafés in Charlottenburg                                     Sonic Worldling
                                                                    Mit Magical Power Bubbles und Saskia Warzecha
Mit Sebastian Januszewski                                           Sonic Worldling ist ein immersives, performatives und ortsspezi­
Cafés sind Orte der Begegnung, des Austausches und der Produk­      fisches Forschungslabor. Künstler*innen und Teilnehmer*innen
tion. Für die beiden berühmten Künstler*innentreffpunkte Berlins,   werden zu einem Organismus, der sich über Klang mit den vielfa­
das Romanische Café und das Café des Westens, gilt dies ins­        chen Agenten eines Ökosystems verbindet. Ziel des Laborversuchs
besondere. Der Spaziergang führt zu den ehemaligen Standorten       ist die Begegnung mit dem Mehr-als-Menschlichen und die körper­
dieser Cafés und stellt einige »Kaffeehaus-Bewohner« vor.           liche Imagination eines posthumanen In-der-Welt-Seins.

                                  30                                                                     31
… Di 21.9.                                                          20:30 Uhr    Im Garten    Eintritt: 7€/4€

19:00 Uhr   Im Garten & Livestream      Eintritt: 7€/4€             Diskussion, Lesung und Gespräch
Gespräch                                                            Wie gelingt intersektionale Kooperation?
Kontakt- und Konfliktzone Mittelmeer:                               Oder: Macht verlernen in 12 Stufen
­Scheitern und Neuerfindung von Kooperation                         Mit Asal Dardan, Anna Schapiro, Daniela Dröscher, Alexander Graeff u. a.
                                                                    Strukturelle Diskriminierung ist eine Dauerkrise. Nirgendwo
Mit Sam Zamrik, Axel Steier, Malte Fuhrmann und Verena Papke u.a.   sonst werden Ausschluss und Distinktion deutlicher als an und
Die Seenotrettung von Geflüchteten ist nach dem politischen         in den Räumen bürgerlicher Kultur. Was sich dieser Tage allzu
Versagen der EU und dem Scheitern anderer staatlicher Rettungs­     oft als offener Raum inszeniert, bleibt meistens bloß einem
projekte wie dem italienischen Mare Nostrum-Projekt 2014 weit­      inneren Kreis vorbehalten. Aktivist*innen aller Sektionen ver­
gehend in ziviler Hand. Wie zivilgesellschaftliche Initiativen      suchen der Krise so zu begegnen, dass sie für mehr Zugänge und
innerhalb dieser Lücke agieren und miteinander kooperieren          Sichtbarkeit kämpfen. Da dieser Kampf nicht ohne Konzepte von
können und wie das Mittelmeer von einer Grenz- und Konfliktzone     Gemeinschaft auskommt, lassen sich aus dieser Praxis vielleicht
zum Kontakt- und Austauschraum werden kann, soll Thema des          Modelle gelingender Kooperation auch für die Mehrheitsgesell­
Gesprächs sein. Die syrische Lyrikerin Lina Atfah, die selbst       schaft ableiten. Engagierte Gegenwartsliteratur und -kunst
über das Mittelmeer nach Europa geflüchtet ist, Malte Fuhrmann,     spielen hierbei möglicherweise eine zentrale Rolle. Ausgehend
Historiker des östlichen Mittelmeeres, und Axel Steier,             von Asal Dardans Betrachtungen einer Barbarin, aus denen sie
­Mitbegründer und Sprecher von Mission Lifeline, werden sich        lesen wird, laden Anna Schapiro, Daniela Dröscher, Alexander
 der Thematik aus ihren jeweiligen Perspektiven annähern, um        Graeff und Asal Dardan zur Kooperation ein.
 Geschichte, Status quo und Chancen zu diskutieren.
 ­

                                                                    Mi 22.9.
                                                                    12:30 Uhr Berlin Mitte Eintritt: frei
                                                                    ↦ Treffpunkt Hegel-Denkmal am Hegelplatz

                                                                    Impulsvortrag und Spaziergang mit Publikumsgespräch
                                                                    in Kooperation mit dem ZfL
                                                                    Position beziehen III: Hegels Mitte
                                                                    Mit Patrick Eiden-Offe
                                                                    Von Hegels Wirken an der Berliner Universität am Kupfergraben aus
                                                                    geht es um den privaten Hegel: die freundschaftlich-politischen
                                                                    Treffen, die in seiner Wohnung stattfanden, die Anfänge der
                                                                    Spaltung von Links- und Rechtshegelianern, bis zu seinem Tod
                                                                    zu Zeiten der Cholera. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof
                                                                    schließlich wird über Hegels Einordnung in die Berliner Geistes­
                                                                    geschichte und sein Nachwirken gesprochen.

                                   32                                                                   33
… Mi 22.9.                                                         18:00 Uhr   Im Garten    Eintritt: 7€/4€

15:00 Uhr   Im Garten    Eintritt: 7€/4€                           Kooperation mit der Deutschen Kinemathek
                                                                   und dem Suhrkamp Verlag
Gespräch und Werkstattlesung
Kollektives Übersetzen und Schreiben                               Abend mit Film, Musik und Literatur
                                                                   Mit Yoko Tawada, Durs Grünbein, Ann Cotten, Martin Koerber,
Mit Versatorium, der Wiese, Gabriele Leupold, Annette Pehnt,       ­Alexander Kluge u. a.
Alexa Dietrich und Lilith Tiefenbacher                             Die dctp verbindet mit der Deutschen Kinemathek ein tiefgreifen­
»Nase hoch beim Übersetzen«, erklärt Swetlana Geier in Die Frau    des Interesse an der Rekonstruktion und Fortsetzung der Film­
mit den fünf Elefanten. Was aber passiert, wenn beim Übersetzen,   geschichte. Ein besonderer Akzent in dieser Kooperation ist das
beim Schreiben, die Nasen zusammengesteckt werden, Sprache         Verhältnis von Musik und Bewegtbild im Kino (Adorno, Hanns
gemeinsam gefunden werden soll? Im Gespräch sollen verschiedene    Eisler, Wiederherstellung des Films Sylvester mit den Mitteln
Perspektiven auf das Übersetzen/Schreiben unter kooperativen       seiner Filmmusik in der Deutschen Kinemathek). Die Lesung von
Vorzeichen diskutiert werden: Was bedeutet es, zwei Tätigkeiten,   Yoko Tawada zu Alexander Kluges Filmen ist begleitet von Filmen,
denen traditionellerweise unterstellt wird, sie müssten in         die sich auf Japan beziehen, darunter eine Hommage auf die Oper
einem Kopf ihren Ursprung finden, kooperativ zu bestreiten?        Erdbeben. Träume des Japaners Toshio Hosokawa nach dem Libretto
Welche Implikationen ergeben sich daraus für Lesende, Schreiben­   von Marcel Beyer. Ann Cotten liest, und es wird der gemeinsame
de und Text? Und lassen sich Erfahrungen mit dem kooperativen      Film von ihr und Alexander Kluge gezeigt: Hellmau – ein Gorilla
Übersetzen/Schreiben auf andere gesellschaftliche Zusammen­        besucht Schloss Elmau und nimmt am G7-Gipfel teil. Durs Grünbein
hänge übertragen?                                                  liest Gedichte zu Filmen Kluges, der darauf reagiert. Ein Abend
                                                                   über die Nahtstellen und kooperativen Kräfte zwischen Musik,
                                                                   Literatur und Bewegtbild.
16:30 Uhr   Im Garten    Eintritt: 7€/4€

Lesung und Gespräch
Honiggarten VI: Literarische Kooperations-
potenziale zwischen Afrika und Europa
Mit Yvonne Adhiambo Owuor und Nora Bossong
Das erzählerische Werk der kenianischen Autorin Yvonne Adhiambo
Owuor thematisiert die afrikanische Gegenwart in Kenia mit ihren
kolonialen Verstrickungen und internationalen Abhängigkeiten
auf komplexe und eindringliche Weise, zuletzt in Das Meer der
Libellen (2020). Die deutsche Autorin Nora Bossong hat sich in
ihrem Roman Schutzzone (2019) mit der hoch problematischen Rolle
des paternalistischen Westens in Krisenregionen wie Burundi
und Ruanda nach dem Genozid beschäftigt und sie mit der Realität
vor Ort konfrontiert. Beide Autorinnen werden aus ihren Büchern
lesen und Potenziale für eine entkolonialisierte und faire
Zusammenarbeit zwischen Afrika und Europa im Bereich Literatur
und Politik sprechen.

                                   34                                                                 35
Do 23.9.                                                            18:00–21.30 Uhr Oberes Foyer, Kl. & Gr. Saal
                                                                    Eintritt: frei (durchgehender Einlass)
12:30 Uhr Berlin Tiergarten Eintritt: frei
                                                                    18.00–19.00 Uhr   Check-In für Teilnahme an Dialogen
↦ Treffpunkt: Invalidenstraße 53, vor »Peter Pane«

Impulsvortrag und Spaziergang mit Publikumsgespräch                 Mobile Akademie Berlin
in Kooperation mit dem ZfL                                          in Kooperation mit dem Goethe-Institut Brüssel
Position beziehen IV: Wo ist Discopeter?                            Markt für nützliches Wissen
Auf den Spuren des Lieferroboters                                   und Nicht-Wissen. Lizenz Nr. 9.
                                                                    Wenn wir teilen.
Mit Sebastian Kirsch
»Discopeter« ist der Name eines selbstfahrenden Lieferroboters,     Dialoge über wissenschaftliche
der ab Juni 2021 in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofs Speisen     und gesellschaftliche Kooperationen
auslieferte. Als erster und bislang einziger in Berlin zum
Einsatz gekommener Lieferroboter ist »Discopeter« allerdings
schon wieder von der Straße genommen. Ein gemeinsamer Rundgang      Mit Expert*innen aus den Wissenschaften, der Literatur und
mit öffentlicher Spurensuche im ehemaligen Einsatzgebiet des        anderen Künsten sowie mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen
»flaneurhaften« (TIP) Roboters: Mit welchen Hindernissen und        wollen wir gemeinsam über die Auswirkungen der Pandemie und die
Schwierigkeiten hatte »Discopeter« in dieser Umgebung zu kämpfen?   künftigen Potenziale für gesellschaftliche Kooperationen nach­
Wie sieht die Welt durch die Sensoraugen eines Lieferroboters       denken. Dafür wird der direkte Dialog zwischen Expert*innen und
aus? Welche Utopien, welche Ängste, welche Interessen knüpfen       Publikum eröffnet: Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und
sich an Roboter in unserer Lebenswelt?                              Aktivist*innen aus Deutschland, Belgien und dem globalen Süden
                                                                    teilen ihr Wissen über gelungene Kooperationsmodelle und Krisen
                                                                    der Kooperation. Das Literaturhaus und das Goethe-Institut
15:00 Uhr   digital    (Anmeldung erforderlich)                     Brüssel (im Kontext des Projekts »Lockdown Lehren«) haben die
                                                                    Lizenz für das Format Markt für nützliches Wissen und Nicht-­
Workshop zum Fermentieren                                           Wissen von der Mobilen Akademie Berlin erworben – ein Modell für
Kitchen_Ferm_Lab                                                    die interdisziplinäre Recherche über das Lernen und Verlernen,
                                                                    in dem erzählerische Formate der Wissensvermittlung verhandelt
                                                                    werden. Wählen Sie aus einem Angebot von 30 Gesprächen aus!
Mit Fanny Kranz und Max Kosoric                                     Buchen Sie eine/n Expert*in für 1€ für ein halbstündiges
Das Kitchen_Ferm_Lab beschäftigt sich mit der Veredelung von        Gespräch. Oder nutzen Sie die Möglichkeit mit Kopfhörern die
                                                                    ­
Nahrungsmitteln und Züchtungen von Algen, Pilzen, Bakterien und     Dialoge auf 5 Kanälen im Markt-Radio zu verfolgen. Wir sind
deren Symbiosen. Woher kommen die Milchsäurebakterien? Welche       durchgehend geöffnet!
Umgebung ist für eine Vermehrung notwendig? Was ist ein Scoby?
Wie entsteht wilde Hefe? Gibt es magischen Schimmel? In diesem      Expert*innen und Themen:
digitalen Workshop fermentieren und experimentieren wir gemein­     Konrad Braun: Public Civic Partnership: Neue Formen von gemein­
sam mit der Milchsäuregärung und stellen eine Kimchivariation       schaftlichem Eigentum im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohlwirt­
her, die die Kulturen verbindet. Zutaten und nötige Geräte wer­     schaft, Stadtentwicklung und Staat
den bei der Anmeldung zum Online-Workshop (via Zoom) mitgeteilt.    Teresa Bücker: Wir sind nie gleichberechtigt gewesen. Individual­
                                                                    beratung kurz vor der Wahl: Wie Politiker*innen feministische
                                                                    Positionen in pandemischen Zeiten reflektiert, verfälscht oder
                                                                    vergessen haben.
                                                                                                                                  ↪

                                  36                                                                37
… Do 23.9.                                                           Fr 24.9.
                                                                     12:30 Uhr Berlin Tiergarten Eintritt: frei
Nuran David Calis: Wie kooperiert der Gegner? Über die tradierten    ↦ Treffpunkt: Statue der Amazone, Floraplatz
Netzwerke rechtsextremer Organisationen in den letzten 30 Jahren:
Mölln – Hanau – NSU 2.0                                              Impulsvortrag und Spaziergang mit Publikumsgespräch
Gregor Hagedorn: Konsumorientiertes Klima-Engagement kann von        in Kooperation mit dem ZfL
politischen Lösungen ablenken, aber nur beides zusammen kann uns
weiter bringen. Eine Individualberatung zu wirksamen und unwirk­     Position beziehen V:
samen Selbstwirksamkeitserfahrungen.                                 Tiergarten, Landscape of Transgression
Jean Macq (Leuven, Belgien): Hope in the health crisis? How the
 pandemic could accelerate reforms in the health sector.
Elisabeth Massute: 1. COVAX – gescheiterter Aufruf zur Solidarität   Mit Sandra Bartoli
oder ein Zukunftsmodell für gerechte Impfstoffverteilung?            Im Tiergarten, dem ältesten Park Berlins, überlagern und über­
2. Aussetzung von geistigen Eigentumsrechten jetzt!                  schneiden sich Aspekte der Ökologie, Stadtentwicklung, Denkmal­
Olivia Mitscherlich-Schönherr: Politische Klugheit in der Krise.     pflege, Alltagskultur und Tagespolitik zu einer Insel der
Die evidenzbasierte Corona-Politik hat ihre eigenen Rationa­         Anomalie, die als radikale Ausprägung städtischer Öffentlichkeit
                                                                     ­
litäts­ defizite generiert. Das Modell der Bürgerräte kann           gelesen werden kann. Insoweit sich der Tiergarten den Zuschrei­
­Ab­hilfe schaffen.                                                  bungen etablierter Denkmodelle entzieht, kann er als Ort
Patrick Mudekereza (Lubumbashi, Demokratische Republik Kongo):       der ­
                                                                         Koexistenz von Stadt und »Natur« auch der Erweiterung des
The Waza Art Center in Lubumbashi, Kongo and its national and        Diskurses zur nachhaltigen Stadtentwicklung dienen.
international networks, cooperations and partnerships.
Philipp Osten: Impfungen und Impfgegner bis 1921. Mit praktischen
Beispielen aus der verborgenen Berliner Impfbibliothek.
Stefan Rahmstorf: 1. Wie genau geht es dem Golfstrom und was
bedeutet seine Abschwächung für die Erde? 2. Was können wir
aus naturwissenschaftlicher Sicht vom Klimasystem überhaupt
noch retten?
Felipe Dias Rego (Salvador, Brasilien): How to use the pandemic to
get smart cultural laws passed faster and stay that way for
the future?
Promona Sengupta: Timetravel for All: How To Leave No One
Behind. Decolonizing the timespace continuum through specula­
­
tive practices.
Eric Otieno Sumba: Die Patentpolitik der Zukunft: Über die
gleichberechtigte globale Verteilung von Arzneimitteln. Warum
das globale Patentsystem Leben kostet und wie man Gesundheit als
Gemeingut schützen kann.
Adriana Urrea (Bogotá, Kolumbien): Between Hope and despair: an
approach to the challenges the Commission of Truth of Colombia
had to endure.
Kira Vinke: Klima und Krieg: Wie beeinflussen Klimafolgen die
Entstehung von gewaltsamen Konflikten wie in der Sahelzone und
Syrien? Von den sozio-politischen Auswirkungen des Klimawandels
und Mechanismen der Krisenprävention.

                                 38                                                                 39
Sie können auch lesen