Festschrift zum Jubiläum - Mit Veranstaltungsplan - 750 Jahre - Gemeinde Großbeeren
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Inhaltsverzeichnis Auf einem Blick Grußwort des Ministerpräsidenten Dr. Dietmar Woidke Seite 4 Grußwort des Bürgermeisters Tobias Borstel Seite 5 Unsere Partnergemeinde gratuliert Seite 6 Veranstaltungsbeirat Seite 8 Großbeeren blüht auf Seite 9 Streifzug durch die Geschichte Seite 10 Lust auf mehr Geschichte(n)? Seite 33 Das Jubiläumsjahr - Veranstaltungen und Projekte Seite 34 Eine bleibende Erinnerung Seite 52 Die Jubiläumsmünze Seite 53 Danksagung & Sponsoren Seite 54 Impressum Seite 59 Titelbild: History, modernes Wachsen und junges Leben in Großbeeren von Ulrike Gollnow 2 Festschrift 750 Jahre Großbeeren
Grußwort des Ministerpräsidenten Grußwort des Bürgermeisters Dr. Dietmar Woidke Tobias Borstel Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Kinder und Jugend- Liebe Großbeerenerinnen und Großbeerener, liche, liebe Gäste! liebe Gäste unserer schönen Gemeinde, Großbeeren ist typisch brandenburgisch und zugleich Das rege Vereinsleben, das Miteinander der Genera- 2021 ist für uns kein Jahr wie jedes andere: In diesem Jahr Ich freue mich, mit Ihnen gemeinsam das 750-jährige besonders! Die Gemeinde hat viele Jahrhunderte Ge- tionen, die Partnerschaft mit der polnischen Gemeinde feiert Großbeeren sein 750-jähriges Jubiläum, denn 1271 Jubiläum Großbeerens zu feiern und wünsche uns allen schichte auf dem Buckel und ist sehr gut aufgestellt für Lewin Klodzki sind so beeindruckend wie die sehr gute wurde der Ort „Grossen Berne“ erstmals urkundlich er- gute Unterhaltung, wertvolle Momente und bleibende Er- die Zukunft. Sie ist fest im Land Brandenburg verankert wirtschaftliche Entwicklung, die Infrastruktur, die Bil- wähnt. innerungen. und weiß die Nähe zu Berlin zu nutzen. dungs- und Sozialeinrichtungen. Für die Zukunft ist Groß- beeren gut gerüstet. Mit Blick auf die Entwicklung Großbeerens in den vergan- Möge das Jubiläumsjahr unseren Gemeinsinn beleben und Die Menschen in Großbeeren mussten in der Vergan- genen Jahrhunderten zeigt sich eindrucksvoll, dass sich in unsere Verbundenheit sowohl untereinander als auch zu genheit Kriege überstehen und in Friedenszeiten ihren Ich wünsche Ihnen mit Ihren Familien, mit Freunden, unserer Gemeinde Geschichtsbewusstsein und Zukunfts- unserer schönen Gemeinde stärken. Lebensunterhalt auf kargen Böden mühselig erarbeiten. Partnern und Gästen der Gemeinde ein erlebnisreiches geist auf eine wunderbare Weise ergänzen. Dieser Be- Mittelalter, Preußen und Protestantismus haben in der Jubiläumsjahr. sonderheit soll auch im Jubiläumsjahr Rechnung getragen Gemeinde ebenso Spuren hinterlassen wie das wechsel- werden. Wir möchten das Jubiläum zum Anlass nehmen, Mit allerbesten Grüßen volle 20. Jahrhundert. Die legendäre Schlacht von 1813 uns die bedeutende Geschichte Großbeerens ins Be- verhalf Großbeeren zu einem Platz in den Geschichts- wusstsein zu rufen, aber auch gemeinsam zu feiern und büchern und zu imposanten, das Ortsbild prägenden Bau- Neues zu schaffen. werken. Doch auch die Alltagsgeschichte der sogenann- Dr. Dietmar Woidke Tobias Borstel ten kleinen Leute ist die Überlieferung wert. Der große Ministerpräsident des Bereits seit letztem Jahr plant der Veranstaltungsbeirat Bürgermeister Festumzug im Jubiläumsjahr 2021 wird dazu bestimmt Landes Brandenburg gemeinsam mit Mitarbeitern der Verwaltung und vielen beitragen. Akteuren unserer lebendigen Gemeinde die Veranstal- tungen im Jubiläumsjahr. Entstanden ist ein bunter Blu- Geburtstage sind bekanntlich nicht nur für Erinnerungen menstrauß an Events, Aktionen und Projekten, den wir gut, sondern auch für den Blick nach vorn. Ihre Gemeinde Ihnen mit dieser Broschüre überreichen möchten. Neh- ist voller Leben und Sie sind mit viel Freude und Taten- men Sie sich Zeit für diese interessante Lektüre und mar- drang unterwegs! Was Sie in den drei Jahrzehnten seit kieren Sie schon jetzt die Highlights in Ihrem Kalender. der Neugründung Brandenburgs in Großbeeren geschafft Foto: brandenburg.de haben, kann sich sehen lassen! Kommunalpolitik, Wirt- Allen Organisatoren und Mitwirkenden unseres Jubilä- schaft und bürgerschaftliches Engagement greifen ineinan- umsprogramms gilt schon jetzt mein herzlichster Dank der - zum Wohle aller, die in Großbeeren, Diedersdorf, für Ihr großartiges Engagement und die vielen kreativen Heinersdorf und Kleinbeeren leben, arbeiten und Urlaub Ideen! machen. 4 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 5
Unsere Partnergemeinde gratuliert Lewin Klodzki MOST KTÓRY ŁĄCZY EINE BRÜCKE, DIE VERBINDET Drodzy mieszkańcy Gminy Grossbeeren. Liebe Bürgerinnen und Bürger Großbeerens! Niewielu ludzi wie, że najdłuższy most świata ma Należy również wspomnieć o pomocy mieszkańców i Nicht viele Leute wissen, dass die längste Brücke der 1813. Dankbar erinnern wir uns an die Unterstützung dokładnie 300 kilometrów długości. Most, który łączy dwie kościoła ewangelickiego z Grossbeeren w dofinanso- Welt rund 300 km misst. Und zwar eine Brücke, die zwei Großbeerens bei der Beschaffung eines Mercedes-Benz gminy partnerskie: Grossbeeren i Lewin Kłodzki, położony waniu rekonstrukcji organów kościelnych w Lewinie Partnergemeinden miteinander verbindet: Großbeeren Feuerwehrautos und eines Schulbusses im Jahr 2009. na południu Polski. Most, którym regularnie od prawie 20 Kłodzkim. Za to wszystko jeszcze raz bardzo serdecznie und das im Süden Polens gelegene Lewin Klodzki. Eine Der Schulbus transportierte unsere Kinder 10 Jahre lang lat odbywa podróż młodzież z obydwu tych miejscowości dziękujemy ! Brücke, die gerade unsere jungen Menschen seit nunmehr sicher zur Schule. Nicht vergessen wollen wir auch die aby spotkać się ze swoimi przyjaciółmi mieszkającymi po fast 20 Jahren regelmäßig nutzen, um sich mit Freunden finanziellen Spenden Großbeerener Bürger und der Evan- drugiej stronie granicy. Mamy nadzieję, że wspólnymi siłami uda nam się utrzymać naszą cudowną współpracę jeszcze przez beiderseits der Grenze zu treffen. gelischen Kirche bei der Rekonstruktion der historischen Spośród wszystkich pozytywnych aspektów naszej długi czas. Dzięki ogromnemu zaangażowaniu wielu lud- Orgel in der katholischen Kirche von Lewin Klodzki. Für współpracy to właśnie wymiana dzieci i młodzieży zi pomogliśmy otworzyć się na świat kilku pokoleniom Bei all den positiven Aspekten unserer Zusammenarbeit all das möchten wir gerne nochmals Danke sagen! strażackiej jest tym, z czego możemy być najbardziej młodych strażaków. Na pewno jeszcze wiele przed nami. ist es vor allem der von unseren Feuerwehrorganisatio- dumni. nen getragene Austausch von Kindern und Jugendlichen, Wir hoffen, dass es uns mit vereinten Kräften gelingt, un- A z okazji Waszego święta w imieniu wszystkich auf den wir besonders stolz sein können. sere gute Zusammenarbeit noch für lange Zeit aufrecht Cała idea narodziła się w 2003 roku, jeszcze przed mieszkańców Lewina Kłodzkiego oraz własnym życzę zu erhalten. Mit dem großen Engagement vieler unserer wstąpieniem Polski do Unii Europejskiej. To wydarzenie wszystkiego najlepszego, dużo zdrowia i świetlanej Der Beginn unserer Partnerschaft geht auf das Jahr 2003 Bürgerinnen und Bürger können wir gerade jungen Men- zaowocowało nawiązaniem partnerstwa między Lewinem przyszłości. zurück, noch bevor Polen der Europäischen Union beitrat. schen (bei uns am Beispiel der Jugendfeuerwehren) viel a Grossbeeren, które zostało uroczyście podpisane w lip- Vereinzelte Zusammenkünfte mündeten in einer Partner- gegenseitiges Verständnis mit auf den Weg geben. Sicher cu 2003 roku w Lewinie Kłodzkim. Niedługo później, Na- czelnik OSP Lewin Kłodzki, druh Artur Gajewski wyszedł Z wyrazami szacunku schaft zwischen Lewin Klodzki und Großbeeren. Im Juli liegt dabei auch noch vieles vor uns. z inicjatywą organizacji obozów zimowych dla młodzieży 2003 wurde unser Partnerschaftsvertrag in Lewin Klodzki strażackiej. Za sukcesem tego projektu niech przemawia Wójt Gminy feierlich besiegelt. Wenig später entstand beim Komman- Anlässlich Ihres Ortsjubiläums wünschen wir Ihnen im fakt, że w tym roku mieliśmy przyjemność gościć młodzież Lewin Kłodzki danten der Freiwilligen Feuerwehr von Lewin Klodzki, Ar- Namen der Einwohner von Lewin Klodzki alles Gute und z Grossbeeren na XVII Międzynarodowym Obozie Zimo- Joanna Klimek tur Gajewski, die Idee, zukünftig Winterferienlager für die beste Gesundheit für eine erfolgreiche Zukunft. wym MDP i DJF. Szymanowicz Feuerwehrjugend zu organisieren. Und das war eine tolle und erfolgreiche Idee. In diesem Jahr hatte Lewin Klodzki Hochachtungsvoll Również młodzież z Polski regularnie odwiedza Gross- Naczelink OSP nunmehr bereits zum 17. Mal junge Menschen aus Groß- beeren podczas corocznych obchodów zwycięskiej Lewin Kłodzki beeren zu Gast. Unterstützt wurden die internationalen Bürgermeisterin Lewin Klodzki bitwy na wojskami Napoleona w 1813 r.. Wyrażając Artur Gajewski Winterferienlager durch die nationalen Feuerwehrjugend- Joanna Klimek Szymanowicz wdzięczność wspominamy również wymierne efekty nas- zej współpracy, mam tu na myśli pomoc w zakupie samo- organisationen unserer Länder. chodu pożarniczego m-ki ,,MERCEDES-BENZ” a w roku Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Lewin Klodzki 2009 autobusu szkolnego, który bezpiecznie przez 10 lat Auch unsere polnischen jungen Leute besuchten oft Artur Gajewski dowoził nasze dzieci do szkoły. Großbeeren, insbesondere im Rahmen der jährlichen Fei- erlichkeiten zum Sieg über napoleonische Truppen im Jahr übersetzt von Krystyna Anton 6 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 7
Veranstaltungsbeirat Großbeeren blüht auf Für ein buntes Jubiläumsprogramm 750 Jahre Großbeeren - 750 Gründe, zu feiern! Bereits im November 2020 haben Anwohner der Berliner Straße „Blumenpost“ von der Gemeinde erhalten. Die darin enthaltenen Blumenzwiebeln für Narzissen, Tulpen und weitere Frühjahrsblüher wurden fleißig Unter diesem Motto stecken wir seit vielen Wochen und Von der offiziellen Eröffnung des Jubiläumsjahres am von den Großbeerenern in die Erde gebracht, sodass sich alle Einwohner und Gäste auf ein farbenfrohes Monaten in ehrenamtlicher Funktion als Veranstaltungs- Gedenkturm über die neuntägige Festwoche bis hin Spektakel entlang unserer Hauptverkehrsstraße freuen dürfen. beirat die Köpfe zusammen, entwickeln Ideen und Pläne zum feierlichen Abschluss des Jubiläums am Ende für zahlreiche Events im Jubiläumsjahr. des Jahres gibt es zahlreiche Gelegenheiten, Groß- Auch der „Vorgarten“ des Rathauses wird während der Pflanzsaison verschönert und soll mit einer Blüten- beeren (neu) zu entdecken und gemeinsam zu feiern. pracht auf unser besonderes Jubiläum verweisen. Wir laden Sie herzlich ein, die vielen kleinen und gro- Wenn Sie das Jubiläumsjahr sogar aktiv mitgestalten ßen Veranstaltungen zu besuchen. Sie werden se- möchten, sprechen Sie uns an. Wir freuen uns über jede Fühlen Sie sich herzlich eingeladen, auch Ihren Vorgarten oder Ihre Fensterbänke entsprechend unserem hen: Es wartet ein vielfältiges Programm auf Sie, helfende Hand! gemeinsamen Jubiläum zu gestalten. das in den kommenden zwölf Monaten dank der Hilfe zahlreicher Vereine und Einrichtungen in Zusam- Herzliche Grüße menarbeit mit der Gemeinde zum Leben erweckt wird. Ihr Veranstaltungsbeirat Herzlichen Dank! Die Mitglieder des Veranstaltungsbeirats: Jürgen Mittag, Sebastian Gresens, Hans-Peter Rottenbiller (Vorsitzender), Doreen Janke, Jochen Creutzfeld (v.l.n.r.); nicht auf dem Foto: Pfarrer Christian Manntz, Lothar Matthies 8 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 9
Streifzug durch die Geschichte von Manfred Michael Die Bedeutung des Ortes Großbeeren ist weniger seiner wie dies alles ihr Vater und dessen Vorfahren als ererbtes zu machen. Das Heu darf aber nicht verkauft oder ver- nicht gewiß, quo casu es geschehen.“ Gründung bzw. Ersterwähnung im Jahre 1271 geschul- Lehen schon besaßen“, mitbelehnt. Eine weitere Quelle schenkt werden, sofern keine Not besteht. Für den Fall det, sondern vielmehr der Tatsache, dass sich 542 Jahre besagt, dass 1356 die bäuerliche Ansiedlung vier Hufen meines Todes sollen meine Söhne Andreßn und Dither- „Als der große Kurfürst im Jahre 1676 die Verwüstungen später in dem bislang unbedeutenden Ort am 23. August umfasste (1 Hufe entspricht ca. 165.000 qm).1 ich von Berne und ihre Leute die Wiese in keiner Weise der schwedischen Invasion untersuchte, fand er die Kir- 1813 „Die Schlacht bei Großbeeren“ ereignete. Es war nutzen, es sei denn, dass sie sich mit dem Herrn von che in Großbeeren zwar nicht zerstört, aber verwüstet DAS Ereignis, das Großbeeren in die „Weltgeschichte“ Weiterhin wird im Landbuch Kaiser Karls IV. von 1375 Torgaw oder seinen Erben darüber verständigen...“. 1 und vernachlässigt, das Pfarrgehöft niedergebrannt. Ob eingehen ließ. über den Ort gesagt: „… dass Dorf „magna Berne“ be- das durch die schwedische Invasion geschehen ist, ist je- steht aus 50 Hufen, davon hat 12 Wilke Berne und 2 der Wie es um Pfarrer, Küster und Kirche stand, ist aus der doch nach dem Folgenden sehr zweifelhaft. Der Kurfürst Zuvor hatte der Ort mit seinem Rittergutsbesitzer, v. Pfarrer. Es gibt 36 Bauern, 8 Kossäten (Kleinbauern), ein Matricul von 1600 zu ersehen. Diese ist das älteste vor fand, so wird erzählt, auf dem Kirchhof den Küster und Berne (Beeren) und einer „Handvoll Untertanen“, mehr Krug und eine Windmühle“. 1 Ort erhaltene Originaldokument. Es benennt die Besitz- fragte ihn nach dem Namen des Dorfes, Patrons und Pre- oder weniger unbemerkt zwischen Heide, Wald, Wiesen stände beziehungsweise Rechte der Genannten. digers. Da hörte er, dass seit 3 Jahren kein Prediger im und Sümpfen sein Dasein gefristet. im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz wird Orte sei, da das Pfarrhaus abgebrannt und Patron und eine Urkunde vom 27. Oktober 1431 aufbewahrt, in des- Gemeinde zu arm seien, es wieder aufzubauen. Da sprach In einer Urkunde von 1267, erscheint erstmalig der sen Siegel bereits der Schwan enthalten ist, der noch heu- der Kurfürst, sofern der Patron nicht bauen wollte, wölle Name „Theoderich von Berne“, der sich im Gefolge des te das Wappen Großbeerens ziert. er selbst bauen.“2 Markgrafen Otto befunden haben soll. Ob Theoderich von Berne bereits im „Teltow“ Güter besaß, ist nicht In Großbeeren ging das Leben indes weiter. 1741 berich- explizit erwiesen. Die Urkunde der Ersterwähnung von tete Pfarrer Blume auf Anfrage darüber, was hier in den Großbeeren gilt als verschollen, wird jedoch in späteren Jahren zwischen 1716 und 1740 sich an Bemerkenswer- Schriften zitiert. Auf diese bezieht sich schließlich die Fei- tem ereignete: er zur urkundlichen Ersterwähnung des Ortes.1 „Der Castor Michael Wegener ist, welcher in schuldiger Faksimile der Matricul von 1600 (3) Treu seit 22 Jahren sein Amt ausübt. Der Ort blieb von Erwiesen ist hingegen, dass um 1317 Eckart von Berne größeren Plagen, Seuchen und Katastrophen verschont. dem Markgrafen als Hofmarschall diente. Eckart v. Berne Alles in allem war für das kleine Bauerndorf „Großen Der Ort mit viel Wald umgeben ist und es hier viele besaß Groß- und Kleinbeeren und war zudem noch bi- Berne“ und seine dort lebenden Menschen, abgesehen Trappen und Hirsche gibt. Wegen der großen Armut schöflicher Vogt in Teltow. Der Markgraf hatte die Stadt von der Obrigkeit, 350 Jahre lang keine signifikante Ent- der Untertanen wird der Bestand der Hirsche jedoch Teltow wegen eines hohen Darlehens an den Bischof wicklung zu verzeichnen. zunehmend dezimiert. Es hier einen sehr guten und rei- Brandenburg verpfändet. Nachdem Eckart v. Berne ver- nen Boden gibt, auf dem vornehmlich Erbsen, Gerste und storben war, belehnte der Markgraf Ludwig am 3. Janu- Im Gegenteil! Infolge des „Dreißigjährigen Krieges“ anderes Getreide angebaut wird. In den harten Wintern ar 1344 dessen Besitztum und das bischöfliche Amt an Der Text darauf lautet vereinfacht übertragen: (1618-1648) versank das „Kurmärkische Land“ in Tod, der Jahre 1716, 1729, 1731 und 1740 vielen Pferden und dessen Sohn Mathias. Außerdem wurde dessen Bruder „Ich, Hanß von Berne, gebe mit diesem offenen Brief allen Brandschatzung und Verwüstung. Im Großbeerener Kir- Rindvieh die Füße und Ohren verfroren und die Tiere Otto als Knappe (Diener eines Ritters) „mit den Dörfern zur Kenntnis, daß Herr Hans von Torgaw, Herr zu Czo- chenarchiv sind über diese Zeit ein paar kurze Notizen sehr entkräftet wurden und dass die Hälfte der Schweine groz et klejn Berne und allem Zubehör (Kirchenpatronat, issin, mir und meinen Erben, Andreßn und Ditherich von von früheren Pfarrern zu finden. So zum Beispiel: starb, ansonsten aber nichts passiert sei. Ober-und Niedergericht, Jagd- und Krugrecht, Pfennig- Berne und unseren Leuten aus Groß- und Kleinbeeren „Hat die Pfarre seit etlicher 80 Jahre 3mahl das Schicksal Groß Beeren den 4. Sept. 1741 und Fruchtabgabe, Hand-, Spann- und Wagendienste), gestattet, auf seiner Wiese unser Vieh zu hüten und Heu gehabt abgebrannt zu werden. Anno 1672, es ist aber Joachim Andreas Blume, Pastor loci.“2 10 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 11
So verging Jahr um Jahr, bis zum „Siebenjährigen Krieg“ Eine nicht alltägliche Begebenheit nach dem Kirchenbrand In Großbeeren teilte sich die Poststraße in eine längere Es ist belegt, dass im Dorfkrug von Großbeeren (am (1756-1763), in dessen Verlauf Großbeeren 1760 erneut von 1760 war, dass aus dem Brandschutt die Reste der und eine kürzere Strecke (durch die heutige Trebbiner heutigen Gedenkturm) die erste königliche Poststelle be- schmerzlich betroffen wurde. geschmolzenen Glocken geborgen und daraus zwei neue Straße). Die erstere verlief über Genshagen, Löwen- stand. Mit dieser Postverbindung eröffneten sich hinsicht- gegossen wurden, die noch immer erhalten sind. bruch, Kerzendorf zum Südausgang von Thyrow. lich der Mobilität neue Perspektiven. Pfarrer Kortum hinterließ darüber folgende Notizen: „… Würde es Niemanden helfen zu spezifizieren was ich In dem Genshagener Forst wurde die Poststraße als sol- Ungeachtet dieser postalischen Neuerung verlief das Le- eigentlich durch Plünderung anno 1757, den 15ten Okto- che „zu schmal, wenig ausgehauen, nicht gebahnt“ und in ben in Großbeeren vermutlich weiterhin in Bescheiden- ber als der Oesterreichische General Haddick vor Berlin der Nähe der Viehtränke als „höchst verbesserungswür- heit und unspektakulär. Für Aufsehen sorgte lediglich der rückte verloren so wohl als anno 60 bey der gänzlichen dig“ befunden. streitsüchtige Gutsherr „Arnold von Geist ansonsten von Einäscherung meines Hauses, man hat zwar alles spezi- Beeren genannt“. Dessen mitunter skurrile Eskapaden fizieren müssen, allein es ist nichts vergütigt als was der Der Streckenabschnitt zwischen Großbeeren und Gens- und seine vielen Gerichtsverfahren sorgten für allgemei- große Gott vom Himmel durch gute Bürger uns gespen- hagen trug die Bezeichnung „Kuhdamm“. Dieser ent- ne Erheiterung, aber auch für Verärgerung. det, und der lebt noch und wird uns und unsere Kindern spricht im wesentlichen dem Verlauf der heutigen Ver- Brod und Unterhalt reichen, und vor sie sorgen, ob mein bindungsstraße nach Genshagen. Arnold von Geist starb am 15. Dezember 1812 im Alter letzterer Verlust sehr merklich in dem ich kein Bette un- von 66 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung in ter dem Leibe befindt, und meine Bibliothec die sich über seiner Berliner Wohnung in der Behrenstrasse 69 und 1800 kirchliche Bücher belief, daselbst mehr denn 300 wurde in einem Grabgitter auf dem Friedhof der Doro- Silberthaler an gewendet ohne was an seltenen und wa- Die neu gegossenen Glocken - Links: Große Glocke von 1767 (5) theenstädtischen Kirche am Oranienburger Tor beige- ren Schriften vom Vater Groß und Eltern vordem geerbt, Rechts: Kleine Glocke von 1770 (6) setzt. Sein Grab ist nicht mehr erhalten. Mit ihm erlosch gänzlich beraubet worden. Welche betrübte und traurige die 541 Jahre währende Präsenz derer von Beeren in Tage der H. unser Gott bald endigen wolle. Schon in jener Zeit bestanden vielseitige Beziehungen Großbeeren. Herren kommen, Herren gehen, insofern zwischen den Orten bzw. Städten, welche über einfache wird die Bevölkerung des Ortes seinen Tod mit Gelas- So geschehen Groß Beeren den 7ten Märtz 1761 unbefestigte Wege, per Pferd, Pferdewagen oder zu Fuß, senheit aufgenommen haben. Joachim Gottlieb Leonhard Kortum erreicht werden konnten. Beispielsweise betrug die Ent- Ascania - Halberstadiensis“2 fernung zwischen dem damaligen Mittelpunkt der Resi- Doch was dann im Jahr darauf in Großbeeren geschah, denzstadt Berlin, dem Schloss, und Großbeeren ca. 2,5 hat die weitere Entwicklung des Ortes nachhaltig beein- Bis dato waren dem Ort Meilen. Unter den gegebenen Bedingungen war das keine flusst. Ja, man kann sagen, es war ein Ereignis, das selbst 500 schwere Jahre beschie- schwer zu überwindende Distanz. Großbeeren lebte also ein Teil der „Weltgeschichte“ wurde. den. Irgendwann waren die keineswegs in Abgeschiedenheit. Zerstörungen des Krieges Am 23. August 1813 war es im Herzen des Dorfes in Großbeeren beseitigt Gleichwohl war es für den Ort ein erster bedeutsamer Großbeeren zu einer blutigen Auseinandersetzung mit und das althergebrachte Fortschritt, als 1795 eine zweispännige Postkutschenver- Napoleons Truppen gekommen, welche Berlin erneut einfache Leben nahm sei- bindung zwischen Berlin und Luckenwalde eingerichtet einzunehmen gedachten. Doch dieser Plan scheiterte an nen weiteren Verlauf. wurde. „...In Mariendorf zweigt die alte Postroute nach der Entschlossenheit des Generals von Bülow und dem Geblieben war die Ruine Kirchensiegel Groß-Beeren, Luckenwalde ab und erreicht über Marienfelde den Ort Kampfeswillen der verbündeten preußischen, schwe- der Kirche, deren ehema- mit der Abbildung der Groß-Beeren. Groß-Beeren war nach Einrichtung der dischen und russischen Truppen, allen voran des Kol- liges Aussehen aus einem Ruine der 1760 zerstörten Postroute ein Durchreiseort, was heißt, dass die Postkut- berg´schen Regiments.1 Siegel Abdruck vage zu er- Kirche. (4) schen zum Aus- und Einsteigen sowie zum Pferdewechsel kennen ist. erst in Trebbin hielten.“3 Verlauf der beiden Streckenabschnitte der Postroute (7) 12 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 13
Dass bei dem Kampf von Mann zu Mann auf dem Alten durch seine Majestät König Friedrich Wilhelm III., hatte Beide Bauwerke waren eine Zierde für den Ort, die in Zu wesentlichen Ver- Kirchhof, nördlich der Kirchenruine, auch eine Frau An- das Ergebnis der Schlacht doch eine erneute Besetzung Verbindung mit dem jährlichen Siegesfest zu einem wah- änderungen führte teil hatte, gehört auch zu den interessanten Großbeere- der preußischen Hauptstadt verhindert. Selbiger hatte ren „Pilgerort“ für die Bürger aus der Umgebung und die in jenen Jahren ner Episoden. Der Name dieser Frau lautet: Friederike u.a. verfügt, dass an den Schlachtorten je ein gleichgestal- Berlin wurden. Durch die lebhaften Kontakte zu anderen begonnene „Sepa- Auguste Krüger (* 1789 † 1848). tetes Denkmal nahe der Kirche errichtet werden sollte gesellschaftlichen Bereichen eröffnete sich für die Men- ration (Flurbereini- z.B. auch in Dennewitz. Ungewollt kam damit ein „Stein schen in Großbeeren ein neuer Horizont. gung)“ und „Ablösung Der damalige Ortspfarrer Carl Schultze würdigte im Jahr ins Rollen“, da nun dem König zur Kenntnis gelangte, dass des Naturalzehnts“ darauf den Sieg in einem Gedenkgottesdienst, aus dem in Großbeeren nur eine Kirchenruine vorhanden ist. Also Die Freude über die neue Kirche wich jedoch bald einer in Großbeeren. Den sich dann das alljährlich stattfindende Siegesfest in Groß- verfügte seine Majestät, man möge auf seine Kosten eine herben Enttäuschung. Schwammbefall und erhebliche „Ablösungsprozess“ beeren entwickelte. neue Kirche erbauen. Baumängel führten zu schnell voranschreitenden und die „Flurberei- Zerstörungen an dem Bauwerk. Hinzu kam ein über nigung“ hatte der Der Sieg über die französischen Widersacher fand selbst- 1817 wurde zunächst das Siegesdenkmal und 1820 die viele Jahrzehnte geführter Streit, wer, Fiskus und damalige Ritterguts- redend die besondere und die ausdrückliche Würdigung neue Denkmalskirche in Großbeeren geweiht. Kirchengemeinde, welchen Anteil der Reparaturkosten besitzer Rudolf von zu tragen hat. Darüber hinaus kam es zwischenzeitlich Beyer maßgeblich 1817 Einweihung des Siegesdenkmals zu der Überlegung, ob man die Kirche nicht gänzlich ab- mit vorangebracht. unter Anwesenheit der Königlichen Hoheit Prinzessin Friederike (10) reißen solle.2 Diese Angelegenheit war für Großbeeren 1829 gab es in Großbeeren etwa 250 Einwohner, dar- insofern bedeutsam, da die Flurbereinigung zu einer Neu- unter 43 schulpflichtige Kinder. Die soziale bzw. ge- aufteilung des Acker-, Wald- und Wiesenlandes führte, sellschaftliche Struktur stellte sich folgendermaßen dar: von der im Besonderen der Lehrer und der Schmied Gutsherrschaft, Pfarrer, Küster/Lehrer, Bauern, je ein partizipierten, die erstmalig eigenes Land zugewiesen be- Schmied, Müller, Zimmermann und Garnweber sowie die kamen. Hirten, Tagelöhner und das sonstige Gesinde. Andererseits bedeutete die Abschaffung des „Natural- zehnts“ für die Bauern eine Entlastung bei den Abgaben. Der Rezess (Vertrag) über die „Pfarr-Zehnt-Ablösung bzw. Flurbereinigung“ wurde 1830 zwischen dem Guts- herrn Beyer, der Pfarre, dem Schulzenamt, den Bauern/ Kossäten sowie der Kirche im Grundsätzlichen besiegelt.2 Ein weiteres Kapitel der Großbeerener Entwicklungsge- schichte begann mit dem Bau der Anhaltinischen Eisen- bahn. Der neue Rittergutsbesitzer, Rittmeister Franz Theodor Ludwig von Briesen, widersetzte sich dem Ein- zug des technischen Fortschritts. Letztendlich blieben sei- ne Querelen erfolglos. Die neue Kirche mit dem Siegesdenkmal (rechts) und links daneben das Denkmalswärterhaus in einer zeitgenössischen Darstellung (9) Postkarte nach einem Gemälde von Anton Hoffmann, München (1863-1938) (8) 14 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 15
Am 15. April 1839 erfolgte nahe Berlin der erste Spa- Die Eröffnung der neuen Strecke gestaltete sich zu einem Klasse beförderte. Morgens um 9 1/2 Uhr konnte dann In jener Zeit stieg der Anteil der Handwerker und tenstich zum Bau der Anhalter-Eisenbahn. Doch bevor Volksfest. Das Teltower Kreisblatt widmete dem Ereig- nach Berlin gefahren werden. Einen regulären Personen- Gewerbetreibenden im Ort deutlich an. Neben es dazu kam, waren umfangreiche und schwierige Vor- nis einen Bericht: „Längs der Gleise zogen sich jeweils zug-Verkehr, mit Halt in Großbeeren, gab es erst ab dem Schmied, Müller und Gastwirten waren nun mehr- arbeiten erforderlich, wie zum Beispiel der Erwerb des Zäune bis zu den Übergängen hin. Für die Regelung des Frühjahr 1847. fach Händler, Schneider, Schuhmacher, Fleischer/ Baulandes. Das „Eisenbahn-Enteignungsgesetz“ von 1839 Verkehrs sorgten Bahn-Wärter, die in Buden stationiert Schlächter, Maurer, Zimmermänner, Pantinenma- war hierbei sehr hilfreich. Zu den Vorarbeiten gehörten waren. Diese waren in Sichtweite aufgestellt, so dass die 1829 gab es wie erwähnt, in Großbeeren etwa 250 Ein- cher, Barbier und weitere Berufsgruppen im Ort auch umfangreiche technische Erprobungen und Probe- Wärter die Arme des Signals an der nächsten Bude noch wohner. Um 1850 war die Anzahl der Einwohner bereits fahrten, die ab Mai 1841 aufgenommen und dann täglich erkennen konnten“.3 auf ca. 410 Personen angestiegen. Durch weitere An- vertreten. So mancher Wandergeselle oder auch fortgesetzt wurden. siedlungen und der damit verbundenen Errichtung neu- Arbeitssuchende aus den östlichen Landesteilen des In Großbeeren hielten die Züge jedoch noch nicht, hier er Wohn- und Wirtschaftsbauten begann sich auch das Preußischen Reiches hatten dazu beigetragen. Spektakulär war eine Wettfahrt zwischen einer engli- war noch kein Bahnhof, sondern nur ein Haltepunkt mit Ortsbild zu verändern. schen und einer deutschen Dampflokomotive am 24. Juni Güterabfertigung und einer Wasserstelle für die Loko- Damit einhergehend begann sich auch das gesell- 1841. Die deutsche „Borsig Lokomotive“ ging aus diesem motiven. Zunächst erfolgte die Ortserweiterung im Anschluss an schaftliche Leben zu verändern, was in der Grün- Wettbewerb siegreich hervor, sogar die Engländer waren die südliche Dorfaue (heutige Genshagener Straße) und dung der ersten Vereine zum Ausdruck kam. Den von deren Qualität überzeugt. Ungeachtet der Ablehnung des neuen Verkehrsmittels auf der rechten Seite am Anfang der heutigen Berliner Anfang machte der Kriegerverein „1874“ und der seitens des Rittergutsbesitzer v. Briesen fand das neue Straße. Männergesangsverein „Germania“, die beide über Am 01. Juli 1841 erfolgte die Übergabe der eingleisigen Verkehrsmittel zunehmend mehr Fürsprecher. In Groß- viele Jahrzehnte bestanden. Bahnstrecke Berlin-Teltow-Großbeeren-Ludwigsfelde- beeren war es Pfarrer Schultze. Seiner Initiative war es zu 1868 erhielt der kleine ländlich geprägte Ort ein re- Jüterbog. Noch am gleichen Tag verkündete die Ober- verdanken, dass anlässlich des Siegesfestes am 23. August spektables und repräsentatives Bahnhofsgebäude. Offen- Postdirektion, dass die Personen-Post von Berlin über 1841 die ersten Sonderzüge nach Großbeeren fuhren. Ab sichtlich mit Bedacht errichtet, denn um 1870 erschienen Großbeeren (Trebbiner Weg) bis nach Jüterbog mit so- 1842 hielt täglich, abends um 6 3/4 Uhr, ein Güterzug erste Berichte in der Presse, aus denen hervorgeht, dass fortiger Wirkung eingestellt wird. in Großbeeren, welcher auch Personen in der II. und III. der Bahnhof Großbeeren dem Kaiser bei seinen Reisen gen Süden als Abfahrts- und Ankunftsbahnhof diente. Großbeeren war somit, zumindest zeitweilig, ein „Kai- serbahnhof“. Im Bahnhofsgebäude gab es demgemäß auch ein „Exzellenzen-Zimmer“. 1884 endete für den Bahnhof Großbeeren die Ära als „Kaiserbahnhof“. Für einen nachhaltigen Aufschwung im Bereich Handwerk und Gewerbe sorgte die neue Gewer- beverordnung von 1869. Die Bedingungen ein „Ge- schäft“ zu eröffnen waren erleichtert worden. Einer der ersten, die davon partizipierten, war der Büdner Männergesangsverein „Germania“ mit den „Ehrenjungfrauen“ und Ackerpächter Johann Gottfried Reinicke (1820- anlässlich der Bannerweihe 1930 (13) 1871), der eine Schankkonzession erhielt und eine Wirtschaft mit Biergarten eröffnete. 1875 gab es ins- 1841 Die siegreiche, von Borsig entwickelte Ehemaliger Kaiserbahnhof Großbeeren. gesamt vier Lokale für die 840 Einwohner von Groß- deutsche Lokomotive (11) Hier auf einer Postkarte von 1902 (12) beeren. 16 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 17
In jener Zeit trugen sich auch einige sonderbare Din- Steuer betrug 6 Mark pro Jahr. Steuerbefreit waren Nebenher mussten zur bau war in Großbeeren ausgeschlossen worden, bis ge zu: 1876 wurde beispielsweise im Teltower Kreis- Wachhunde, die eine weiße Marke erhielten. Zuwi- Ableitung der verrie- auf einige Flächen, die mit Kohlrüben besät wurden, blatt über eine für die hiesige Region ungewöhnliche derhandlungen wurden durch eine Geldstrafe oder selten Abwässer wei- die aber im Wachstum gegenüber den der örtlichen Heuschreckenplage berichtet: ersatzweise Haft geahndet.3 tere wasserbauliche Bauern Großbeeren weit zurücklagen.“3 „Auf der Anhaltinischen Eisenbahn bietet sich hin- Maßnahmen ausgeführt ter dem Bahnhof Großbeeren seit einigen Tagen ein Die allgemein voranschreitende Industrialisierung werden, die weit über Andererseits wurde über die bereits fertiggestellten eigenartiger Anblick dar. Dort bewegt sich unaus- fand in Großbeeren eine Fortsetzung, als 1882, die Grenzen des Ortes Flächen berichtet, „daß diese wie auf Zauberschlag gesetzt ein langer Heuschreckenzug über die Bahn nördlich des heutigen Instituts, eine dampfbetriebe- hinausreichten. aus öder Steppe in blühende Fluren verwandelt wur- hin. Die Züge fahren auf den Schienen über die Tiere ne Hanffabrik errichtet wurde. Dort wurde der Hanf den.“ fort und nach dem Passieren jeden Zuges haben die verarbeitet, der damals großflächig um Großbeeren Im Mai 1884 war die Wärter Mühe, die Schienen von dem in Folge des herum angebaut wurde. Geländeregulierung na- 1885 waren die technischen Vorbereitungsarbeiten Tötens der Tiere an denselben klebenden Schleim hezu vollendet. Noch soweit abgeschlossen, dass mit der Verrieselung der zu befreien.“3 waren außer 40 Pfer- Wahrzeichen von Großbeeren: Das Berliner Abwässer in Großbeeren begonnen wer- den und 60 Ochsen Standrohr am Trebbiner Weg (15) den konnte. Damit etablierte sich in Großbeeren 1876 gab es in Großbeeren noch keinen Arzt, aber etwa 400 freie Arbei- zugleich eine neue, personell relativ umfangreiche einen gefährlichen „Medizinalpfuscher“. Es war ein ter und 180 Häuslinge (Personen in staatlicher Ver- Berufsgruppe „Rieselwärter-Feldhüter“. ehemaliger vorbestrafter Maurergeselle, der sich wahrung, die zwangsweise zur Arbeit erzogen wer- das Prädikat „Mediziner“ angeeignet hatte und ohne den sollten) auf der Baustelle tätig.3 polizeiliche Genehmigung eine Irrenanstalt in Groß- beeren etablierte, in der er zwei Patienten betreute. Die Erwartungen an einen wirtschaftlichen Auf- Der Schwindel flog jedoch auf und der falsche Medi- schwung waren hoch und es bestand eine gewisse ziner entfloh. Beispielbild für einen bei den Stadtgütern Aufbruchsstimmung, über die ein Chronist seiner gebräuchlichen Dreschsatz (14) Zeit schrieb: 1876 sorgte der erstmalige Einsatz einer Dreschma- „Unser Ort hebt sich immer mehr, besonders scheint schine auf dem Gut in Großbeeren für Aufmerksam- Auf den Flächen des Stadtgutes in Osdorf und Klein- sich hier eine lebhafte Industrie zu entwickeln. Seit keit. Das Gut befand sich bereits im Besitz der Stadt beeren wurden bereits Abwässer aus Berlin verrie- einiger Zeit ist hier eine Fabrik mit Dampfbetrieb im Berlin, die mit ihren Ländereien noch so einiges vor- selt. In Großbeeren hingegen waren auf den 4.600 Gange, welche den von den Rieselfeldern gewonne- hatte. Morgen Rieselland, die 1882 in städtischen Besitz nen Hanf zur Fabrikation vorbereitet. In derselben übergegangen waren, umfangreiche Geländeregulie- fanden viele Arbeiter lohnende Beschäftigung.“3 Offensichtlich verursachte die Ortsentwicklung zu- rungsarbeiten, die Gestaltung der Verrieselungsflä- nehmend steigende Ausgaben. Der Gemeindevor- chen (Rieseltafeln) und die Fertigstellung der tech- Bezüglich dessen, was in Großbeeren und Umge- Rieselwärter Hanne alias „der dicke Hanne“ am Verteiler-Ventil (16) stand beschloss daher am 23. Februar 1878 mit nischen Einrichtungen noch nicht abgeschlossen. Ein bung im Entstehen war, gab es recht widersprüchli- Wirkung vom 1. Juli eine Hundesteuer einzuführen. markantes technisches Teilstück des Systems war che Berichte in der Presse. Einerseits wurde beklagt, In den nun folgenden Jahren entwickelte sich tatsäch- Diese galt grundsätzlich für alle Hunde ab deren und ist das Standrohr am Trebbiner Weg, das zum „… dass die mit Mais, Hanf und Gras bestellten Flä- lich eine erfolgreiche Nutzung und gewinnbringende dritten Lebensmonat. Steuerpflichtige Hunde waren Wahrzeichen von Großbeeren wurde. chen einen kläglichen Eindruck machten. Der Mais Bewirtschaftung der Rieselfelder. mit einer gelben Steuermarke zu kennzeichnen. Die und Hanf waren noch nicht aufgegangen. Gemüsean- 18 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 19
Die Wirtschaftswege zwischen den Rieselfeldern Signifikant daran waren die straßenseitig gelegenen Dass es dem Ort wohl erging und man sich auch waren beidseitig mit Obstbäumen der gängigsten Terrassen oder Loggien. Hier verbrachten die Be- gern so und mit seiner Historie präsentierte, kam Sorten bepflanzt (im Gutsbezirk Großbeeren waren wohner ihre Mußestunden, sofern sie nicht in einem auch an anderen Bauwerken, die gegenwärtig noch es ca. 14.000 Stück) und andere Bereiche der Rie- der zehn Vereine am gesellschaftlichen Leben teil- bestehen, zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang selfelder waren mit Korbweiden bepflanzt. nahmen. kann die am ehemaligen Standort der Windmühle errichtete Bülow-Pyramide (1906), der Schulneu- „Die Korbweiden haben einen so vorzüglichen Er- Einige dieser Häuser mussten inzwischen der „Neu- bau (1910), der Bau des Postgebäudes (1912) und trag ergeben, daß eine Vermehrung der Korbwei- zeit“ weichen oder wurden bis zur Unkenntlichkeit als „Krönung“, die Errichtung des Gedenkturmes denkultur in der Verwaltung der Rieselgüter in si- umgebaut. Nur wenige sind noch nahezu im Original (1913) genannt werden. Von der oberen Plattform chere Aussicht genommen ist. Es wird beabsichtigt erhalten. bietet sich ein weiter Rundblick bis in die Stadt Ber- durch die Kulturen auf den Rieselfeldern den ganzen lin hinein. Das neue Wahrzeichen zog viele Besucher Bedarf der Berliner Korbmacher an Rohmaterial zu und Ausflügler an. decken und die Fremde Weide von dem dortigen Markte ganz zu verdrängen.“3 Die Feierlichkeiten um das historische Erbe ließen die Bemühungen zur Gründung einer „Freiwilligen Äußerst erfolgreich entwickelten sich die mit dem Feuerwehr“ in den Hintergrund treten. Am Endes italienischen Rheygras kultivierten Rieselflächen, das des Jahres 1913 wurde diese nach einigen vorher- 6 bis 7 Schnitte pro Jahr ermöglichte. gehenden Querelen am 29. Dezember gegründet. Etwas später stellte diese zeitweilig ihre Arbeit bis „Die Grasernte auf den städtischen Rieselgütern ist zu einer Neubelebung im Jahre 1925 ein. Seither in diesem Jahre eine äußerst glänzende und über- entwickelte sich diese bis in die Gegenwart zu einer steigt dieselbe der vorjährigen um ein ganz Bedeu- modernen, technisch gut ausgerüsteten und schlag- Mit einem großen Volksfest ergreifen die Großbeerener tendes, da auf den Wiesen bereits die dritte Mahd kräftigen Wehr. Besitz von ihrem neuen Wahrzeichen (20) stattgefunden hat und voraussichtlich noch zwei Mal gemäht werden wird. Ebenso ist die Kartoffelernte eine sehr günstige, denn Tag für Tag sind die Häus- linge fast ausschließlich mit Kartoffelbuddeln be- schäftigt…“3 Um 1900 betrug die Anzahl der Einwohner in Groß- beeren 1.351 Personen. Der gestiegene Wohlstand gegen Ende des 19. Jahrhundert und auch nach der Jahrhundertwende führte in Großbeeren zu einer regen Bautätigkeit, in deren Ergebnis auch etliche Oben: Dorfaue 17; erbaut 1903; noch fast im Original vorhanden (17) Enthüllung des Denkmals auf dem Schlachtfeld von Großbeeren Freiwillige Feuerwehr Großbeeren (21) repräsentative Gebäude von Bauern und Handwer- Unten: Die Berliner Straße mit dem 1912 erbauten Postgebäude (18) 1906; Stadtrat Marggraff (x) hält die Festrede (19) kern entstanden. 20 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 21
Die bislang erfolgreiche Entwicklungsgeschichte des Nach dem Krieg herrschten in Großbeeren über Für Großbeeren war die Firma Siegfried ein beacht- Jugend im Ort der Entschluss, einen Fußballverein zu Ortes fand mit dem Beginn des I. Weltkrieges am 01. mehrere Jahre ein allgemeiner Notstand und chaoti- licher Arbeitgeber. gründen. Bis dato gab es in Großbeeren 18 Vereine August 1914 zunächst ein jähes Ende. Etliche junge sche politische Verhältnisse. unterschiedlichsten Couleurs. Männer aus dem Ort meldeten sich freiwillig zum Im gleichen Jahr kam es noch zur Gründung der Kriegsdienst. Schlecht ausgebildet und unerfahren Die Inflation von 1923 brachte viele Menschen an „Moor-Versuchsanstalt“ in Großbeeren, bei der sei- Mit der Gründung des 19. Vereins, dem Fußballver- fanden sie schon in den ersten Tagen des Krieges den Rand des finanziellen Ruins und zu all dem kam ner Zeit noch in keiner Weise erkennbar war, wel- ein „Grün-Weiß-Großbeeren“, am 27. Januar 1929 den „Heldentod“. Nach den ersten zu beklagenden 1929 noch die Weltwirtschaftskrise hinzu. Als „Er- che Bedeutung diese einmal für Großbeeren haben entstand einer der zukünftig bedeutsamsten Verei- Todesopfern, der zeitlichen Ausdehnung des Krie- innerungsstück“ an jene Jahre ist das sogenannte sollte. ne, der auf Anhieb erfolgreich war. 1932 wurde in ges und den zunehmend größer werdenden Entbeh- Millionen-Haus“ in der Berliner Straße 60 bis in die Großbeeren noch ein Anglerverein gegründet, der rungen für die Zivilbevölkerung, war die anfängliche Gegenwart erhalten geblieben. Der Bau des Hauses bis in die Gegenwart hinein alle nachfolgenden poli- Kriegseuphorie der Ernüchterung und Bestürzung wurde 1922 begonnen. Nach der Fertigstellung im tischen Widrigkeiten überlebte. gewichen. Am Ende des Krieges war die Bilanz er- Jahr darauf wurden die Kosten in „Billionen“ abge- nüchternd: 88 Väter und Söhne des Ortes waren im rechnet. Mit der Machtergreifung der Nazis im Januar 1933 Krieg gefallen. begann ein dunkles Kapitel in der Geschichtsschrei- Die 1925 so unmittelbar nach der Inflation erfolgte bung des Ortes. Es begann damit, dass nach einem Zwei Jahre nach Kriegsende bestand der Wunsch, Gründung der Firma „Gebrüder Siegfried-Fahrzeug- Fackelzug am 22. Februar 1933 in der Nacht das den Gefallenen ein künstlerisches Denkmal zu er- bau/Großbeeren-Berlin“ war ein mutiger Schritt in Armenhaus in der Berliner Straße 58 vorsätzlich in richten, das der historischen Bedeutung unseres Richtung Zukunft. Im Verlauf der Jahre wurde „Sieg- Brand gesteckt wurde. Ortes entspricht. fried-Karosserie-und Fahrzeugbau“ allmählich zu ei- Rechts vom „Moorweg“ (Echtermeyer-Weg) gelegene Das „Monument“ nem Qualitätsbegriff, der in der Fachwelt bestens Versuchsfelder (24) Die Tat war gegen den dort wohnenden SPD-Mann konnte wegen der bekannt war. Der Karosseriebau erstreckte sich zu- Karl Schlombach gerichtet. Im Nachhinein wurde beschränkten finanzi- nächst vornehmlich auf Karosserien für Lieferwagen. Die „Moor-Versuchs-Anstalt Großbeeren“ wurde diesem die Brandstiftung angelastet und er wurde ellen Mittel nicht rea- auf Veranlassung von Prof. Dr. Theodor Echtermey- daraufhin verhaftet. 1945 kam er im KZ Bergen-Bel- lisiert werden. Man er (*1863 †1932) als Lehr- und Forschungsanstalt sen ums Leben. begnügte sich mit für Gartenbau Berlin-Dahlem gegründet. Da das für einer einfachen Lö- die Forschungsstätte zur Verfügung gestellte Gelän- sung. Die Namen der de vornehmlich ein Moorgebiet war, führte dies zur Gefallenen wurden Namensgebung „Moor-Versuchsanstalt“. auf vier Marmortafeln eingraviert, welche 1929 war die Anzahl der Einwohner auf ca. 1.800 Per- 1922 am Siegesdenk- sonen angestiegen. Einhergehend mit der wirtschaft- mal angebracht wur- lichen Entwicklung vollzogen sich auch innerhalb der den, die jedoch nach Gesellschaft bemerkenswerte Veränderungen, dies 1922 Die am Siegedenkmal 1990 spurlos ver- vor allem hinsichtlich der Freizeitgestaltung. Über- angebrachten Marmortafeln mit schwanden. Lieferfahrzeug mit einer von der Firma „Siegfried“ aufgebauten all in Deutschland war zu dieser Zeit der Fußball im den Namen der Gefallenen (22) Karosserie einschließlich Werbeaufschrift (23) Die Brandruine des „Armenhauses“ am Tag danach (25) Vormarsch. In diesem Jahr reifte bei der sportlichen 22 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 23
Die Reichstagswahl am 05. März 1933 verdeutlichte Ein großes Spruchband mit Tannengewinden heißt „Jeder der Läufer trug die Flamme über 1.000 m. Vor Beginn der eigentlichen Gleisarbeiten müssen die politischen Verhältnisse in Großbeeren. Auf den den Fackel-Staffel-Läufer an der Kreisgrenze will- Der kunstvolle Fackelschaft aus Kruppschem Niros- umfangreiche Erdarbeiten bewältigt werden. Stellen- ersten Rängen platzierten sich mit einer Stimmen- kommen. An allen Straßenkreuzungen wird für wei- tastahl bleibt in ihrem Besitz und wird ihnen noch im weise sind umfangreiche Planierungen notwendig, anzahl von: teren würdigen Schmuck Sorge getragen werden. hohen Alter eine stolze Erinnerung an ihre Mitwir- so daß insgesamt 1,5 Millionen Kubikmeter Sand 606 - NSDAP Um 8 Uhr 55 Minuten trifft der olympische Fackel- kung bei diesem historischen Lauf sein“. 3 herbeigeschafft werden müssen. Diese Sandmassen 272 - SPD Staffel-Läufer in Trebbin, um 10 Uhr 25 Minuten in kommen fast ausschließlich von Berliner Baustellen 257 - KPD. 3 Großbeeren ein. Um 10 Uhr 48 Minuten übernimmt Aus allen Nachrichten jener Zeit geht hervor, dass und aus der näheren Umgebung. der 73. Läufer des Gaues Berlin Brandenburg das in Großbeeren, wie auch in ganz Deutschland, eine Die Gesamtlänge des Verschiebebahnhofs soll 4,2 Die im Juni 1933 durchgeführte Volkszählung ergab, Feuer auf Groß-Berliner Gebiet…“3 erwartungsvolle Aufbruchsstimmung herrschte. Kilometer betragen. Die Ausführung der erforder- dass Großbeeren 1.982 Einwohner hatte, darunter Wirtschaftlich ging es wieder aufwärts. Im Rahmen lichen Randbauten, die zu einem Güterbahnhof ge- 1.023 männliche und 959 weibliche Personen. Die Großbeeren war an der Vorbereitung der Spiele im des geplanten gigantischen Umbaus der Reichshaupt- hören, bleibt einem späteren Zeitpunkt vorbehalten. Schule des Ortes besuchten 210 Schüler. besonderen Maße beteiligt, da das Olympische Feuer stadt war auch für Großbeeren ein Großbauwerk Im Herbst 1940 soll das letzte Gleispaar des neuen über die durch Großbeeren führende Reichsstraße vorgesehen. Hier sollte der größte Rangierbahnhof Verschiebebahnhofs seiner Bestimmung übergeben Das sportlich herausragende Ereignis des Jahres 101 getragen werden sollte. Doch bis es soweit war, für Berlin entstehen. werden.“3 1936 waren die Olympischen Spiele in Berlin. Be- mussten auf Grund „höherer Weisung“ die Durch- kanntlich nutzte das NS-Regime die Olympischen gangsorte in einen ordentlichen Zustand versetzt 1938 begannen umfangreiche Arbeiten zur Errich- Spiele zur Verbreitung ihrer Ideologie. Mit großan- werden. tung des Rangierbahnhof. gelegten Pressekampagnen wurden die Bürger des Landes darauf eingestimmt. So war zum Beispiel im Drei Sportlern aus Großbeeren wurde die Ehre zu- „Verschiebebahnhof Großbeeren wächst aus der Teltower Kreisblatt ein umfangreicher Aufruf unter teil, die Flamme je ein Stück des Weges in Richtung Erde. Seit drei Monaten sind die Arbeiten an dem dem Titel: Berlin zu tragen. Auserkoren wurden Max Voigt, im Zuge der Neugestaltung der Reichshauptstadt Hermann Wuthe und Willi Marquardt. Nach dem entstehenden Verschiebebahnhof Großbeeren in „Auch der Teltow wird im Festschmuck prangen. Fackellauf berichtete die Presse noch ergänzend: vollem Gange. In den beiden Endpunkten der Bau- Schmückt die Häuser zu den Olympischen Spielen. stelle, in der Nähe der Ruhlsdorfer Chaussee und Die letzte Strecke des Olympischen Fackel-Staffel- am Westrande des Teltower Güterbahnhofs, zeigen Laufes, der das heilige Feuer von Olympias geweih- große Tafeln an, welch gewaltiges Bauvorhaben hier ter Stätte nach der Reichshauptstadt bringt, geht aus der Erde wächst. durch den Kreis Teltow. Waren beim ersten Spatenstich am 14. Juni 1938 nur Am 1. August in aller Frühe eilen brandenburgische die wichtigsten Grundzüge der neuen Bahnhofsan- Fackel-Staffel-Läufer durch unseren Kreis, nachdem lage bekannt, so erfährt man jetzt bereits weitere in Luckenwalde in einer letzten feierlichen Handlung, Einzelheiten. Besonders bemerkenswert ist, daß in und zwar um 6 Uhr 20 Minuten, auf dem Marktplatz einer Breite von rund 430 Metern Gleis neben Gleis das Olympische Feuer entzündet. Hinter Wolters- verlegt werden soll. Würde man diese Gleisanlage dorf, und zwar bei der Försterei Birkhorst, betritt hintereinander legen, so entstünde eine eingleisige Fackelläufer Willi Marquardt in der Berliner Straße Beginn der Bauarbeiten am Rangierbahnhof Großbeeren der Fackel-Staffel-Läufer zuerst den Boden des Krei- Strecke von Berlin bis Stralsund. auf der Höhe des Hauses Nr. 79 (26) - hier: Verlegung von Feldbahngleisen (27) ses Teltow. 24 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 25
Damit einhergehend sollte der Ort auf 10.000 Ein- sondere Zwecke. Als infolge der vielen Todesfälle Fluggeschwader wurde auch Großbeeren von Luft- nach zogen sie sich weiter in den Wald (Hölzchen) wohner anwachsen. Anfang der 1940er Jahre wurde die Bestattungsmöglichkeiten des Lagers erschöpft angriffen betroffen. Durch schwere Luftminen und zurück. Erst 14 Tage später wurden sie von den Rus- in der Bahnhofsstraße damit begonnen, einen ersten waren, wurden die Toten im wahrsten Sinne des Brandbomben wurden etliche Häuser total zerstört sen gefunden. Diese verhielten sich gegenüber den Teil der dafür benötigten Wohnungen zu errichten. Wortes in einer ehemaligen Sandgrube in der Ruhls- und es entstanden erhebliche Sachschäden. Bei die- Geflüchteten recht zuvorkommend und versorgten dorfer Straße verscharrt. Heute befindet sich dort sen Luftangriffen kam es auch unter der Zivilbevöl- die Leute mit Nahrung.“4 Als am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg aus- eine würdige Gedenkstätte für die etwa 1.197 zu kerung zu Todesopfern. Ein Zeitzeuge hinterließ da- brach, kam es schon sehr bald in Großbeeren zu er- Tode geschundenen Häftlinge. rüber nachfolgende Notizen: Bislang konnten 107 Männer aus Großbeeren erfasst heblichen Auswirkungen, die nicht nur in der Ratio- „27. März 1943 - Für Großbeeren war es der erste werden, die im 2. Weltkrieg gefallen sind. Durch nierung der Lebensmittel spürbar waren. Viele Väter schwarze Tag des Krieges. Des Nachts waren eng- Bombenangriffe kamen elf Frauen und Männer ums und Söhne des Ortes wurden zum Kriegsdienst ein- lische Flieger im Tiefflug gekommen. Zuvor waren Leben. Drei Kinder und eine Frau wurden durch berufen. Die Bauarbeiten an den „Nationalsozialis- auch schon mehrere Gebäude abgebrannt, aber Fundmunition getötet. 15 Personen erschossen die tischen Großbaustellen“ wurden zunehmend redu- nicht so viele wie an diesem Tag. Russen beim Einmarsch in Großbeeren. 15 Personen ziert beziehungsweise gänzlich eingestellt. 02. Januar 1944 - Es erfolgte wieder ein schwerer verstarben durch Suizid und andere mysteriöse Um- Nachtangriff. Vor dem Haus der Familie Löwendorf stände. Ferner kamen etwa 25 unbekannte deutsche Das zur Unterbringung der Bauarbeiter vorgesehene (Genshagener Straße 22) detonierte eine schwe- Soldaten, zwölf amerikanische Flieger sowie 38 Rot- Barackenlager an den „Saufichten“ wurde vorüber- re Luftmine. Die Häuser von Löwendorf, Heinrich, armisten bei den Kämpfen auf dem Territorium von gehend zu einem Kriegsgefangenenlager umfunktio- Teske, Puhlmann, Ettlich, Raschig, Dietrich, Franz Großbeeren ums Leben. niert. Etwa ab September 1942 begann hier für tau- Bienge und Paul Bienge wurden zum Teil total zer- November 1939 Polnische Kriegsgefangene im sende Häftlinge ein schwerer Leidensweg. Unter der ehemaligen Bauarbeiterlager (28) stört oder schwer beschädigt. Bei weiteren Häusern Tarnbezeichnung „Arbeitserziehungslager“ war hier der näheren Umgebung wurden die Fensterscheiben dem Wesen nach ein Durchgangslager für politische zerstört, Türen flogen heraus, Wände wurden einge- Häftlinge entstanden, die dann meistens weiter in drückt und Dächer arg in Mitleidenschaft gezogen.“4 die östlich gelegenen Konzentrationslager Ausch- witz oder Maidanek geschickt wurden. Eine Mehr- Kurz vor Kriegsende, als die „Rote Armee“ am 22. heit der Häftlinge bestand aus deportierten ausländi- April 1945 in Großbeeren einmarschierte, erhielt schen Zwangsarbeitern. der Gedenkturm auf der südlichen Seite zwei Gra- nateinschüsse. Schwerwiegender waren jedoch die Insgesamt gingen rund 25.000 politische Gefangene Erschießungen, Vergewaltigungen und weitere Unta- aus 16 Nationen und Ländern durch das Großbeere- ten seitens der Roten Armee. Aus Verzweiflung be- ner Lager mit der Bezeichnung „Stalag III b“ . gingen etliche Frauen und Männer Suizid. Ergänzend Gedenkstätte für die Opfer des NS-Regimes notierte der zuvor erwähnte Zeitzeuge: Im Lager standen insgesamt 20 Baracken, darunter in der Ruhlsdorfer Straße (29) „Am 22. April 1945 waren die Russen in Großbee- 11 Häftlingsbaracken, 1 Krankenbau als Sterbebara- ren. Viele Leute flüchteten aus dem Ort und suchten cke, eine Leichenhalle, Unterkünfte für die Lagerfüh- Schutz hinter dem noch unvollendeten Bahndamm rung, Aufseher und Bewacher. Es war kein übliches Mit Beginn der massiven Bombardierung des Groß- (Berliner Güteraußenring). Dort blieben sie einige Das Haus der Familie Teske, Genshagener Str. 24, erlitt schwere KZ der SS, sondern ein Lager der Gestapo für be- raumes Berlin durch amerikanische und englische Tage und nächtigten in primitiven Laubbuden. Da- Schäden und war nicht mehr bewohnbar (30) 26 Festschrift 750 Jahre Großbeeren Festschrift 750 Jahre Großbeeren 27
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