FOLTER 2014 30 JAHRE GEBROCHENE VERSPRECHEN - Bericht zur weltweiten Anwendung von Folter 30 Jahre nach Verabschiedung der Antifolterkonvention ...
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FOLTER 2014 30 JAHRE GEBROCHENE VERSPRECHEN Bericht zur weltweiten Anwendung von Folter 30 Jahre nach Verabschiedung der Antifolterkonvention der Vereinten Nationen
Amnesty International Inhalt 1 A NGRIFF AUF DIE MENSCHENWÜRDE – DIE GLOBALE KRISE AUS GRAUSAMKEIT, VERSAGEN UND ANGST 3 Einleitung von Salil Shetty, Internationaler Generalsekretär von Amnesty International 2 FOLTER – EINE MENSCHENRECHTSVERLETZUNG UND EINE STRAFTAT 5 3 DAS GLOBALE AUSMASS DER FOLTER 6 4 W ER IST IN GEFAHR? 7 5 WANN UND WARUM KOMMT ES ZU FOLTER? 8 6 W ELTWEITE Stop-Folter-KAMPAGNE 10 7 S CHLÜSSELFAKTOR SCHUTZMechanismen 11 8 S CHWERPUNKTLÄNDER DER KAMPAGNE 13 9 Foltermethoden 18 10 Zur Lage in den verschiedenen Weltregionen 21 Afrika 21 Asien und Pazifik 23 Europa und Zentralasien 25 Naher und mittlerer Osten und Nordafrika 28 Amerika 31 Anhang 33 Zusammenfassung des rechtlichen Rahmens 33 Definitionen und Begriffe 37 © Amnesty International, 16. Mai 2014 V.i.S.d.P.: Markus N. Beeko Alle Rechte an den in dieser Broschüre abgebildeten Fotos liegen, soweit nicht anders angegeben, bei Amnesty International.
3 / Bericht Amnesty International „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.“ Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 5 1 ANGRIFF AUF DIE MENSCHENWÜRDE – DIE GLOBALE KRISE AUS GRAUSAMKEIT, VERSAGEN UND ANGST Einleitung von Salil Shetty, Internationaler Generalsekretär von Amnesty International Elektroschocks. Schläge. Vergewaltigung. Demütigung. Vor 30 Jahren, im Jahr 1984, wurde dieser Fortschritt Scheinhinrichtungen. Verbrennungen. Schlafentzug. durch die Antifolterkonvention der Vereinten Nationen Wasserfolter. Viele Stunden in gekrümmten Positionen. weiter ausgebaut. Diese Konvention war bahnbrechend, Einsatz von Zangen, Drogen und Hunden. denn sie bot konkrete Schritte, um das internationale Folterverbot durchzusetzen, indem sie rechtliche Regeln Die Worte allein klingen bereits wie der Stoff, aus dem festlegte, die speziell dazu dienen, Folter zu verhindern, Alpträume gemacht sind. Doch für zahllose Männer, die TäterInnen zu bestrafen und Gerechtigkeit und Frauen und Kinder in vielen Teilen der Welt gehören Wiedergutmachung für die Opfer sicherzustellen. diese unvorstellbaren Schrecken zur täglichen Realität. Diese Maßnahmen sollen jedoch nicht nur Folter und Folter ist abscheulich. Sie ist grausam und unmensch- andere Misshandlungen auf nationaler Ebene verhindern, lich. Sie ist niemals gerechtfertigt. Sie ist falsch und sondern sie stellen auch sicher, dass niemand in andere kontraproduktiv. Und sie vergiftet das Rechtsstaats- Länder verschleppt werden darf, um dort gefoltert zu prinzip, indem sie es durch Terror ersetzt. Niemand ist werden, und dass TäterInnen nicht anderswo einen mehr sicher, wenn Regierungen dem Einsatz von Folter sicheren Zufluchtsort finden. zustimmen. Menschen, die andere gefoltert haben, werden heute Nach den Gräueltaten des Zweiten Weltkrieges haben über Landesgrenzen hinweg strafrechtlich verfolgt. Es Regierungen weltweit diese grundlegenden Wahrheiten gibt eine verlässliche internationale Rechtsgrundlage. anerkannt, als sie 1948 die Allgemeine Erklärung der 155 Länder sind Vertragsstaaten der UN-Konvention. Menschenrechte verabschiedeten. Eine Erklärung, in der Das ist tatsächlich ein bedeutender Fortschritt. das Grundrecht auf ein Leben ohne Folter, ohne Grau- samkeit, verankert ist – für jeden Menschen überall auf Dennoch kommen zahlreiche Regierungen ihrer Verant- der Welt. wortung nicht nach. Drei Jahrzehnte nach Verab- schiedung der Konvention – und mehr als 65 Jahre 1966 wurde dieses Recht, das unserem menschlichen nach Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Miteinander zugrunde liegt, in einem rechtsverbindli- Menschenrechte – ist Folter nicht nur weiterhin existent, chen internationalen Abkommen, dem Internationalen sie ist sogar auf dem Vormarsch. Das erschreckende Pakt über bürgerliche und politische Rechte, durch ein Ausmaß, in dem Folter heute angewendet wird, zeigt die ausdrückliches und umfassendes Verbot der Folter und tiefe Kluft zwischen dem, was die Regierungen vor 30 anderer Formen der Misshandlung festgeschrieben. Jahren beschlossen haben, und dem, was sie heute tun.
4 / Bericht Amnesty International In den vergangenen fünf Jahren hat Amnesty Internati- Unsere weltweite Befragung zeigt zudem, dass die onal über Fälle von Folter und anderen Formen der Miss- überwältigende Mehrheit der Menschen eindeutige handlung in 141 Ländern berichtet. In einigen Ländern Vorschriften gegen Folter verlangt. Solche Vorschriften wurde Folter routinemäßig und systematisch angewandt, und andere Schutzmaßnahmen könnten Folter verhin- in anderen wurden Einzel- und Ausnahmefälle doku- dern und schließlich ganz abschaffen. Die herrschende mentiert – doch selbst ein einziger Fall von Folter und Doppelmoral hinsichtlich Folter muss entschieden Misshandlung ist absolut inakzeptabel. bekämpft werden. Die Straflosigkeit muss beendet werden. Folter ist ein beliebtes Mittel der Unterdrückung. Ihr Einsatz ist jedoch nicht auf autoritäre und diktatorische Seit mehr als 50 Jahren setzt sich Amnesty International Regime beschränkt – wenngleich sie dort besonders weit dafür ein, eines der heimtückischsten Verbrechen auszu- verbreitet ist. Folter ist auch nicht nur der Geheimpolizei merzen, das ein Mensch einem anderen antun kann. Vor vorbehalten. Zwar nehmen viele Staaten das absolute 30 Jahren hat unsere Bewegung die Kampagne für ein Folterverbot ernst und haben bereits bedeutende Fort- absolutes Folterverbot angeführt, die zur Verabschiedung schritte im Kampf gegen Folter erzielt, dennoch sind der UN-Antifolterkonvention geführt hat. Jetzt rufen wir auf allen Kontinenten Regierungen jeglicher politischer eine weltweite Stop-Folter-Kampagne ins Leben, um Couleur an diesem extremen Verfall der Menschlichkeit die damaligen Versprechen in die Tat umzusetzen. Die beteiligt. Sie wenden Folter an, um Informationen zu jüngste Kampagne in unserem langjährigen Kampf hat erpressen, um Geständnisse zu erzwingen, um abwei- zum Ziel, Folter endgültig zu beenden. Wir können das chende Meinungen zum Verstummen zu bringen und als schaffen, wenn sich jeder einzelne – vom Menschen auf grausame Form der Bestrafung. der Straße bis zum Staatsoberhaupt – zwischen den Folterer und sein Opfer stellt. Eine neue weltweite Befragung im Auftrag von Amnesty International kommt zu dem besorgniserregenden Amnesty International wird sich weltweit dafür einsetzen, Ergebnis, dass – 30 Jahre nach Verabschiedung der Folter abzuschaffen. Wir werden Regierungen anspre- UN-Konvention – fast die Hälfte der Menschheit noch chen, wir werden demonstrieren und die Brutalität immer in Angst vor schrecklichen Misshandlungen lebt. dieser Misshandlung aufdecken. Wir werden uns an die Hier zeigt sich ein gewaltiges politisches Versagen – Seite derjenigen stellen, die sich mutig für den Schutz genährt von einer zerstörerischen Haltung, die schlicht vor Folter einsetzen. Wir werden gemeinsam eingreifen, leugnet, dass Folter existiert. Diejenigen, die Folter wann immer Menschen gefoltert werden. Wir werden anordnen oder anwenden, müssen in der Regel keine Folterer zur Rechenschaft ziehen. Wir werden Folteropfer Strafverfolgung fürchten. Folter bleibt in den meisten wissen lassen, dass sie nicht allein und vergessen sind. Fällen ungesühnt – es wird nicht ermittelt, und niemand wird vor Gericht gestellt. Viele der Regierungen, die sich Der Kampf gegen Folter ist Teil unserer Geschichte, er der weltweiten Ächtung von Folter angeschlossen und ist unser Auftrag, und er wird uns so lange begleiten, bis diese entmenschlichende Praxis gesetzlich verboten die letzte Folterkammer geschlossen ist. haben, setzen Folter weiterhin ein oder erleichtern zumindest ihren Einsatz. Anstatt durch eine Nulltoleranz-Politik gegenüber Folter das Rechtsstaatsprinzip zu achten, belügen Regie- rungen beharrlich ihr eigenes Volk und die ganze Welt. Anstatt sich um wirksame Maßnahmen zum Schutz ihrer Bevölkerung vor Folterern zu kümmern, schaffen sie Voraussetzungen dafür, dass Folter zunimmt. Dieses weit verbreitete und schädliche Vorgehen beweist, dass ein globales Folterverbot nicht ausreicht.
5 / Bericht Amnesty International 2 FOLTER – EINE MENSCHENRECHTS- VERLETZUNG UND EINE STRAFTAT Unter Folter versteht man jede Handlung, bei der eine Folter und bestimmte Formen von Misshandlungen sind Person einer anderen vorsätzlich große Schmerzen Straftaten nach dem Völkerrecht. So gelten sie zum oder Leiden zufügt, um einen bestimmten Zweck zu Beispiel nach den vier Genfer Konventionen, die von allen erreichen, so zum Beispiel, um Informationen oder Staaten der Welt ratifiziert wurden, als Kriegsverbrechen. Geständnisse zu erhalten, um jemanden zu bestrafen, Unter bestimmten Umständen können diese Handlungen einzuschüchtern oder zu nötigen. Die TäterInnen sind auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völker- entweder selbst Staatsbedienstete oder ihre Handlungen mord darstellen – zum Beispiel nach dem Rom-Statut werden zumindest in irgendeiner Form von staatlichen des Internationalen Strafgerichtshofs. Behörden gebilligt. Bereits eine einzige Folterhandlung ist laut Völkerrecht So lässt sich die rechtliche Definition von Folter nach eine Straftat. Dies bedeutet – zumindest für die 155 der UN-Antifolterkonvention zusammenfassen. Sie Staaten, die die Antifolterkonvention ratifiziert haben – spiegelt die vollkommene Ablehnung der internationalen dass Regierungen verpflichtet sind, Folter unter Strafe zu Gemeinschaft gegenüber Handlungen wider, bei denen stellen, jegliche Foltervorwürfe umfassend und unpar- Menschen andere körperlich und/oder seelisch angreifen teiisch zu untersuchen und die TäterInnen bei entspre- und ihren Opfern absichtlich große Schmerzen zufügen, chender Beweislage zu bestrafen. wobei diese Schmerzen als Mittel zum Zweck eingesetzt und die Opfer zu reinen Instrumenten gemacht werden. Befindet sich ein mutmaßlicher Folterer in einem Es überrascht daher nicht, dass das Recht auf Schutz Vertragsstaat der Antifolterkonvention, so muss dieser vor Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und Staat dem „Weltrechtsprinzip“ folgend eine Untersu- erniedrigender Behandlung oder Strafe das völkerrecht- chung des Falls einleiten, die verdächtige Person gege- lich wohl am besten geschützte Menschenrecht ist. benenfalls festnehmen und sie entweder an ein anderes Land oder Gericht zur Strafverfolgung überstellen oder Die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Staaten lassen selbst strafrechtlich verfolgen. Dies gilt selbst dann, absolut keinen Spielraum: Folter und andere Formen wenn die eigentliche Folterhandlung in einem anderen der Misshandlung sind unter allen Umständen, in jedem Land ausgeübt wurde und keine eigenen Staats- Land der Welt und an jedem Menschen verboten. Dieses bürgerInnen beteiligt sind. Verbot gilt auch für Zeiten extremer Ausnahmezu- stände, wie Kriege, innere Unruhen sowie natürliche und Alle Opfer von Folter und anderen Formen der Misshand- menschengemachte Katastrophen. Und es schützt auch lung – Überlebende von Folter und Familienangehörige Personen, die eine extreme Bedrohung darstellen, wie von zu Tode gefolterten Menschen – haben das Recht feindliche SoldatInnen, SpionInnen, Schwerverbreche- auf Entschädigungsleistungen, Rehabilitation, Gerechtig- rInnen oder TerroristInnen. keit und andere Formen der Wiedergutmachung. Rechtlich gesehen ist das absolute Verbot von Folter 30 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Konvention muss und anderen Formen der Misshandlung „notstandsfest“ endlich sichergestellt werden, dass diese Gesetze und – es kann also selbst während eines Ausnahmezustands Normen überall umfassend in die Praxis umgesetzt nicht gelockert werden. Das Verbot wurde international werden. mit solch großer Einigkeit angenommen, dass es zu einer Regel des Völkergewohnheitsrechts geworden ist, das selbst für die Staaten bindend ist, die nicht zu den Vertragsstaaten der betreffenden Menschenrechtsab- kommen gehören.
6 / Bericht Amnesty International 3 DAS GLOBALE AUSMASS DER FOLTER Es ist unmöglich, das globale Ausmaß der Folter In den vergangenen fünf Jahren hat Amnesty Interna- umfassend und statistisch präzise zu ermitteln. Folter – tional über Folter und andere Formen der Misshand- verstanden als internationale Straftat, als politischer und lung in mehr als drei Viertel aller Länder berichtet. In diplomatischer Skandal, als Übergriff, der von fast allen einigen kommt es nur vereinzelt zu Fällen von Folter und Regierungen abgelehnt und rhetorisch oder in der Praxis anderen Misshandlungen, in vielen ist Folter jedoch noch verurteilt wird – findet im Verborgenen statt. Regie- immer an der Tagesordnung. rungen bemühen sich oftmals mehr darum, die Existenz von Folter abzustreiten oder zu vertuschen, als effektive Zwischen Januar 2009 und März 2014 hat Amnesty und transparente Untersuchungen zu Foltervorwürfen International Berichte über Folter und andere Miss- einzuleiten und die TäterInnen vor Gericht zu stellen. handlungen durch Staatsbedienstete aus 141 Ländern erhalten. Dies sind nur die Fälle, die der Organisation Folter ist in den meisten Ländern nur lückenhaft doku- bekannt wurden, daher spiegeln sie nicht das gesamte mentiert. Bei den Opfern handelt es sich oft um Tatver- Ausmaß der Folter weltweit wider. Da in diesen Statis- dächtige, die kaum Möglichkeiten haben, Beschwerde tiken nur Fälle berücksichtigt werden, die sich belegen einzulegen, und die problemlos ignoriert oder zurück- lassen, ist das tatsächliche Ausmaß vermutlich bedeu- gewiesen werden können, wenn sie es doch tun. Häufig tend größer. sind die Opfer auch nicht in der Lage oder zu verängs- tigt, um Folter zu melden, und glauben nicht daran, dass tatsächlich wirksame Maßnahmen ergriffen werden, sollten sie Anzeige erstatten. Verlässliche länderbezogene Statistiken gibt es nicht. Es ist unmöglich, zu sagen, wie viele Menschen im vergangenen Jahrhundert, im vergangenen Jahrzehnt oder selbst im vergangenen Jahr gefoltert wurden. Alle Statistiken zu Folter – ob zur Zahl der Länder, in denen Folterfälle gemeldet wurden, oder zur zahlenmäßigen Entwicklung von Foltervorwürfen in einem bestimmten Land – sind mit Vorsicht zu behandeln. Dennoch belegen die von Amnesty International gesam- melten Beweise, die weltweite Recherche der Organi- sation und ihre Erfahrungen, die sie in mehr als fünf Jahrzehnten der Dokumentation und des Kampfes gegen diese Misshandlung gewonnen hat, dass Folter – 30 Jahre nach Verabschiedung der UN-Antifolterkonvention – weiter auf dem Vormarsch ist.
7 / Bericht Amnesty International 4 WER IST IN GEFAHR? Wenn Regierungen erst einmal Foltermaßnahmen Kinder und Jugendliche werden in zahlreichen Ländern anwenden oder erlauben, ist niemand davor sicher. So zum Opfer von Folter. In Polizeigewahrsam drohen ihnen gut wie jeder kann zum Opfer werden – unabhängig häufig Vergewaltigung und andere Formen sexueller von Alter, Geschlecht und ethnischer oder politischer Gewalt durch Polizeiangehörige und Mithäftlinge. Zugehörigkeit. Oftmals foltern die Behörden direkt und stellen dann erst Fragen. In vielen Ländern werden Frauen Opfer von Vergewalti- gungen und anderen sexuellen Übergriffen durch Staats- Es gibt jedoch Personen und Gruppen, die häufiger Opfer bedienstete. In vielen Fällen haben sie kaum Zugang zu von Folter werden als andere. In zahlreichen Ländern Rechtsmitteln und werden durch Gesetze diskriminiert, werden Personen gefoltert, weil sie eine bestimmte poli- sodass es für sie noch schwieriger ist, Gerechtigkeit zu tische Haltung vertreten oder von ihrem Recht auf freie erlangen. Auch Männer werden Opfer von Vergewaltigung Meinungsäußerung Gebrauch machen. Menschen, die und anderen Formen sexueller Gewalt – die Hauptbetrof- einer bestimmten religiösen Gruppe oder einer anderen fenen sind jedoch Frauen. Einige Formen von Folter und Minderheit angehören, oder die wegen ihrer Identität Misshandlungen betreffen ausschließlich Frauen, wie ins Visier der Behörden geraten, droht ebenfalls erhöhte zum Beispiel Zwangsabtreibungen, Abtreibungsverbote, Foltergefahr. Personen, die einer Straftat verdächtigt Zwangssterilisationen und Genitalverstümmelungen. werden, werden häufig zum Opfer von Folter. Auch Angehörige bewaffneter Gruppen, Terrorismusverdächtige Inhaftierte Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Menschen, die aus anderen Gründen als Gefahr für und Intersexuelle werden ebenfalls in anderer Weise die Staatssicherheit gelten, sind besonders gefährdet. angegriffen als heterosexuelle Häftlinge. Transgender- In vielen Ländern kann mit großer Sicherheit davon Personen werden oftmals entsprechend ihrer äußeren ausgegangen werden, dass sie gefoltert werden. Geschlechtsmerkmale Hafteinrichtungen zugewiesen und nicht entsprechend des Geschlechts ihrer Wahl. Andere werden gefoltert, weil sie zur falschen Zeit am Lesbische und schwule Häftlinge werden häufiger Opfer falschen Ort waren, weil man sie verwechselt hat oder sexueller und anderer Gewalt als heterosexuelle Häft- weil sie das Missfallen mächtiger wirtschaftlicher oder linge, und zwar sowohl durch Mithäftlinge als auch durch politischer Interessengruppen erregt haben – dies ist vor das Personal der Hafteinrichtungen. allem in den Ländern ein großes Problem, in denen der Polizeiapparat von Korruption durchzogen ist. Maßnahmen zur Bekämpfung von Folter müssen deshalb alle Geschlechter umfassen und geschlechtsspezifische Viele Opfer von Folter gehören benachteiligten Gruppen Aspekte berücksichtigen. Außerdem sind spezifische an: Frauen, Kinder, Angehörige ethnischer Minder- Maßnahmen notwendig, um den Schutz von Lesben, heiten, Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Inter- Intersexuelle. Besonders häufig sind auch Menschen sexuellen zu gewährleisten. betroffen, die in Armut leben. Es sind genau diese Menschen, die nur unzureichenden oder überhaupt keinen Zugang zu Wiedergutmachungsleistungen haben. Es fehlt ihnen am notwendigen Wissen, an Kontakten und finanziellen Mitteln, um eine Beschwerde gegen ihre Folterer einzureichen. Sie halten es für unwahr- scheinlich, dass die Behörden ihnen Glauben schenken, und sie müssen befürchten, im Falle einer Anzeige erneut misshandelt zu werden.
8 / Bericht Amnesty International 5 WANN UND WARUM KOMMT ES ZU FOLTER? Zwei Dinge liegen der Anwendung von Folter haupt- Weitere Gründe sind: mangelndes Engagement der sächlich zugrunde: Erstens profitieren die betreffenden ermittelnden Behörden; die soziale Stigmatisierung, die Regierungen von ihr – oder zumindest glauben sie das. zum Beispiel Vergewaltigungsopfer erleiden; die Angst Der zweite Grund ist die anhaltende Kultur der Straflo- vor Vergeltungsmaßnahmen der Peiniger und geringe sigkeit, die dazu führen, dass die Verantwortlichen für Strafen für verurteilte PolizeibeamtInnen. Oft fehlt es schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte und auch an einer unabhängigen und angemessen finan- des humanitären Völkerrechts nicht vor Gericht gestellt zierten Institution, die Beschwerden entgegennimmt und werden. Misshandlungsvorwürfe untersucht. Auch falschverstan- dener Korpsgeist, das Vertuschen von Misshandlungen In zahlreichen Ländern wird Folter nicht nur einge- durch andere Staatsbedienstete, Amnestien und Begna- setzt, um einem bestimmten Opfer Schmerzen zuzu- digungen für Folterer sowie fehlender politischer Wille fügen, sondern auch, um Dritte zu terrorisieren – seien begünstigen Folter. es Strafverdächtige, politisch Andersdenkende oder vermeintliche FeindInnen. Sie sollen so von Handlungen Menschen, denen ihre Freiheit entzogen wurde, sind vor abgehalten werden, durch die sich die Regierung in allem dann von Folter bedroht, wenn es keine klaren und ihren Interessen bedroht fühlt. Häufig dient Folter dazu, wirkungsvollen Schutzmaßnahmen gibt, bzw. diese unzu- möglichst schnell „Geständnisse“ zu erhalten, denn reichend oder wirkungslos sind. Insbesondere Personen, das Opfer ist bereit, alles zu unterzeichnen. Wenn dann die sich vor der Anklageerhebung und während der noch Gerichte über diese Praktik hinwegsehen, kann Untersuchungshaft in Polizeigewahrsam befinden, die Polizei schnell und einfach Verurteilungen erreichen, werden immer wieder Opfer von Folter. Die Berichte über selbst wenn die eigentlichen StraftäterInnen womög- Folter betreffen jede Phase des Zusammentreffens mit lich gar nicht gefasst sind. Oft wird auch gefoltert, um Polizei und Sicherheitskräften – von der Festnahme bis Menschen zu erniedrigen, um Geld von den Opfern zu zur Inhaftierung. Da es bereits kurz nach der Festnahme erpressen oder weil es einfach zum Polizeialltag gehört. oder sogar währenddessen zu ersten Folterhandlungen kommen kann, müssen entsprechende Schutzmaß- In vielen Teilen der Welt wird Folter nur in seltenen nahmen von Anfang an greifen und überwacht werden. Fällen als schwere Straftat gemäß Strafgesetzbuch verfolgt, vor Gericht verhandelt und bestraft. Wenn Auch das Verschwindenlassen von Personen begünstigt Untersuchungen eingeleitet werden, so kommt es wegen Folter. Für die Betroffenen ist es fast unweigerlich eine Untätigkeit, Ineffektivität oder Mittäterschaft der ermit- Form der Folter; für die Angehörigen der Opfer stellt telnden Behörden häufig zu Verzögerungen. Nur sehr es eine Form der Misshandlung dar. Wie die Folter ist selten werden Folterer tatsächlich zur Verantwortung auch das Verschwindenlassen gemäß Völkerrecht absolut gezogen. verboten. Bei Amnesty International gehen weiterhin Berichte über Menschen ein, die an unbekannten Es gibt viele Faktoren, die dazu beitragen, dass Folter Orten oder in geheimen Hafteinrichtungen festgehalten begünstigt wird, dass TäterInnen nicht strafrechtlich werden, was dem Verschwindenlassen gleichkommt. verfolgt werden und den Opfern keine Gerechtigkeit Die Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt begüns- widerfährt. Dazu zählt, dass Häftlinge ohne Kontakt zur tigt Folter und kommt grausamer, unmenschlicher und Außenwelt festgehalten werden und ihnen der umge- erniedrigender Behandlung oder sogar Folter gleich. hende Zugang zu Rechtsbeiständen und unabhängigen Gerichten verweigert wird.
9 / Bericht Amnesty International Regierungen sind laut Völkerrecht und anderen internati- onalen Normen dazu verpflichtet, das Recht eines jeden Menschen auf Schutz vor Folter und anderen Formen der Misshandlung sicherzustellen. Dies gilt auch, wenn vergleichbare Straftaten von privaten Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen verübt werden. Eine Regie- rung verstößt deshalb auch gegen ihre internationalen Verpflichtungen bezüglich des Schutzes vor Folter und anderen Misshandlungen, wenn sie zum Beispiel häus- liche Gewalt oder rassistische Angriffe nicht mit der notwendigen Sorgfalt verhindert, verfolgt und bestraft. Die Rechte von Frauen, Kindern, Minderheiten, Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen sowie anderer Menschen, die Diskriminie- rung ausgesetzt sind, können nur gewahrt werden, wenn Staaten dazu verpflichtet werden, auch bei Misshand- lungen durch Privatpersonen einzugreifen. Institutionali- sierte Diskriminierung führt oft dazu, dass Opfer weniger Schutz und Unterstützung durch die Behörden erfahren. So werden bestimmte Formen der Gewalt gegen Frauen in vielen Ländern beispielsweise nicht als Straftaten betrachtet, und dort, wo sie als Straftat gelten, werden sie selten mit Nachdruck verfolgt. In einigen Ländern wenden nichtstaatliche Akteure, wie Angehörige politischer Parteien oder bewaffneter Gruppen, Folter an.
10 / Bericht Amnesty International 6 WELTWEITE Stop-Folter-KAMPAGNE Im Mai 2014 startet Amnesty International eine Die Kampagne bezieht sich nicht auf Folter durch nicht- weltweite Stop-Folter-Kampagne mit dem Ziel, alle staatliche Akteure oder Misshandlungen, die außerhalb Menschen vor Folter zu schützen. 30 Jahre nach des staatlichen Gewahrsams verübt werden, wie zum Verabschiedung der UN-Antifolterkonvention greift die Beispiel die exzessive Anwendung von Gewalt während Organisation auf ihre mehr als 50-jährige Erfahrung Demonstrationen. Amnesty International wird sich zurück und fordert die Regierungen der Welt auf, ihre jedoch jenseits der aktuellen Kampagne natürlich auch Versprechen zu erfüllen und das Völkerrecht einzu- weiterhin entschieden gegen derartige Formen des Miss- halten. Amnesty International fordert Menschen welt- brauchs einsetzen. Die Organisation wird ihre Mitglieder weit auf, sich für ein Ende der Folter einzusetzen. in aller Welt im Rahmen der Stop-Folter-Kampagne auffordern, sich gegen Folter in folgenden fünf Ländern Die Kampagne konzentriert sich auf Folter in staatlichem einzusetzen: Marokko, Usbekistan, Nigeria, Mexiko und Gewahrsam (dazu zählt neben der normalen Strafjustiz Philippinen. auch der Gewahrsam von Militär, Polizei, Spezial einsatzkräften und Geheimdienst). Sie umfasst auch Nach Auffassung von Amnesty International können Situationen, in denen Notstandsrechte, -regelungen und Verbesserungen nur durch die Einführung und Umset- -richtlinien gelten, sowie inoffizielle und geheime Haft- zung wirksamer Schutzmaßnahmen erreicht werden. einrichtungen, in denen eine besonders hohe Foltergefahr Wenn solche Maßnahmen umgesetzt werden, sind die besteht. Menschen sicher. Gibt es solche Schutzmaßnahmen nicht, oder werden sie in der Praxis nicht umgesetzt, wird sich Folter immer weiter ausbreiten.
11 / Bericht Amnesty International 7 SCHLÜSSELFAKTOR SCHUTZMechanismen Regierungen müssen wirksame Schutzmechanismen Während der Vernehmung gegen Folter einrichten und auch tatsächlich anwenden. Vernehmungsmethoden und Zwangsmaßnahmen, die Sie sind ein Schlüsselfaktor auf dem Weg zur Abschaf- Folter oder anderen Misshandlungen gleichkommen, fung der Folter. Dort, wo Schutzmaßnahmen wirksam verbieten. umgesetzt werden, geht die Zahl der gemeldeten Folter- Video- oder zumindest Audioüberwachung und fälle deutlich zurück. Nachfolgend sind die wichtigsten - dokumentation aller Vernehmungen. Schutzmechanismen aufgelistet. Anwesenheit eines Rechtsbeistands während der Vernehmung. Bei der Festnahme Das Recht auf einen Dolmetscher gewähren. Festnahmen nur durch befugte Staatsbedienstete Zugang zu medizinischen Untersuchungen und und aus angemessenen Gründen. Versorgungsleistungen während der Zeit der Betroffene über die Gründe ihrer Festnahme sowie Vernehmung ermöglichen. über ihre Rechte informieren. Detaillierte Dokumentation aller Vernehmungen. Festgenommene haben das Recht, ihre Familien Die Aufsicht über die Vernehmung und die angehörigen und weitere Personen zu informieren. Verantwortung für die Haft unterschiedlichen Folter und andere Misshandlungen während des Behörden übertragen. Transports von Häftlingen verhindern (auch beim Transport von einer Hafteinrichtung zur anderen und Bestimmte Häftlinge auf dem Weg zum Gericht). Das Völkerrecht und andere internationale Normen Alle Festnahmen amtlich dokumentieren. enthalten Bestimmungen bezüglich der besonderen Bedürfnisse und Rechte bestimmter Personen- Während der Haft gruppen unter Freiheitsentzug – dazu gehören unter Geheime Haft und Haft ohne Kontakt zur Außenwelt anderem Kinder, Menschen mit Behinderungen und muss verboten sein, und der Zugang zu Angehörigen, Frauen. medizinischer Versorgung, rechtlichem Beistand und Gerichten etc. muss gewährleistet sein. Nach der Freilassung Menschliche Behandlung aller Häftlinge sicherstellen, Die Freilassung aus der Haft birgt weitere Risiken. unter anderem durch Haftbedingungen, die dem Nach der Freilassung sollte es den Betroffenen mentalen und körperlichen Wohl der Häftlinge würdig möglich sein, ihre Rechte einzufordern, sollten sie und zuträglich sind. während der Zeit in Gewahrsam zum Opfer von Folter Es muss einen leicht zugänglichen, unabhängigen, oder anderen Misshandlungen geworden sein. Hierzu unparteiischen und wirksamen Beschwerdemecha- ist Folgendes erforderlich: nismus geben, der angerufen werden kann, ohne • Die Freilassung aus der Haft genau dokumentieren. negative Konsequenzen fürchten zu müssen. • Zugang zu unabhängigen und wirksamen Beschwer- demechanismen nach der Freilassung ermöglichen, Während des Gerichtsverfahrens sowie Maßnahmen ergreifen, um die Beschwerdeführer- Häftlinge zeitnah einer unabhängigen gerichtlichen Innen und deren Angehörige vor Vergeltungsmaß- Instanz vorführen. nahmen und Drangsalierung zu schützen. Das Recht auf Zugang zu einem Rechtsanwalt von • Zugang zu einer medizinischen Untersuchung, bzw. Anbeginn der Haft respektieren. Ausstellung eines medizinischen Gutachtens durch Häftlingen die Möglichkeit bieten, die Rechtmäßigkeit unabhängige GerichtsmedizinerInnen ermöglichen. ihrer Haft überprüfen zu lassen. • Die ehemaligen Häftlinge weder direkt noch Aussagen, die unter Anwendung von Folter oder indirekt in solche Länder oder an solche Orte über- anderen Misshandlungen gemacht wurden, vor stellen, in denen ihnen möglicherweise Folter oder Gericht nur dann zulassen, wenn sie zum Beweis andere Formen der Misshandlung drohen. eben dieser Misshandlungen vorgelegt werden
12 / Bericht Amnesty International Umfassende Überwachungs- und Kontrollmechanismen Folterer zur Verantwortung ziehen Es muss eine wirksame und unabhängige Über- In vielen Ländern herrscht Straffreiheit für Folterer, sodass sie wachung aller Orte geben, an denen Menschen ohne Angst vor Festnahme, Strafverfolgung oder Bestrafung die Freiheit entzogen ist. Ebenso sollten wirksame handeln können. Straflosigkeit untergräbt das Strafjustizsystem Kontrollmechanismen eingesetzt werden, um das und das Rechtsstaatsprinzip. Außerdem verhindert sie, dass die Verhalten der Strafvollzugsbehörden zu überwachen. Opfer Gerechtigkeit erlangen. Folgende Organisationen und Institutionen kommen für die Überwachung von Hafteinrichtungen in Frage: Straflosigkeit geht häufig auf fehlenden politischen Willen • Nationale Menschenrechtsinstitutionen; zurück, schließlich ist in vielen Fällen der Staat selbst – oder • Nationale Präventionsmechanismen, die gemäß staatliche Institutionen wie Polizei und Militär – unmittelbar dem Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention für Folter verantwortlich oder an ihrer Anwendung beteiligt. In eingerichtet wurden oder sich an deren Vorbild zahlreichen Ländern werden Foltervorwürfe nicht gründlich und orientieren; unparteiisch untersucht, weil Polizei und Staatsanwaltschaft eng • Nationale, regionale und internationale Nicht- mit den Beschuldigten zusammenarbeiten. Ein weiterer Grund regierungsorganisationen; für Straflosigkeit kann das Versäumnis einer Regierung sein, • Regionale Institutionen wie der Sonderberichterstatter den Menschenrechten Priorität auf der innenpolitischen Agenda für Gefängnisse und Haftbedingungen der Afrikanischen einzuräumen. Auch bewaffnete Konflikte können zu Straffreiheit Union oder das Europäische Komitee zur Verhütung führen – wenn sich beide Parteien darauf einigen, auf die Unter- von Folter; suchung und Bestrafung von Verstößen zu verzichten. • Internationale Institutionen wie der Unter- ausschuss zur Verhütung von Folter und anderer Stellt ein Staat Folterer nicht vor Gericht, so geht er meist auch grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Foltervorwürfen nicht nach und entschädigt die Folteropfer Behandlung oder Strafe des UN-Ausschusses gegen nicht. Dies führt zu einem dreifachen Bruch der internationalen Folter, der UN-Ausschuss gegen Folter selbst und Verpflichtungen des Staates: Denn nach dem Völkerrecht haben der UN-Sonderberichterstatter über Folter. Opfer ein Recht darauf zu wissen, was passiert ist, Gerechtigkeit zu erfahren und für das Leid, das ihnen zugefügt wurde, best- möglich entschädigt zu werden. Wirksame, unabhängige Mechanismen zur Untersuchung von Folterwürfen und zur Strafverfolgung von Folterern sind unver- zichtbar. Notwendig ist aber auch der politische Wille, Gesetze und Institutionen zu reformieren, dauerhaft wachsam zu bleiben, Diskriminierung zu bekämpfen und auf jeden Folterfall zu reagieren.
13 / Bericht Amnesty International 8 SCHWERPUNKTLÄNDER DER KAMPAGNE Mexiko „Amnesty International kann mich unterstützen und so dafür sorgen, Am 7. August 2012 brachen Angehörige der Marine dass in allen anderen Ländern gegen drei Uhr nachts in das Haus von Claudia Medina bekannt wird, was in Mexiko Tamariz in Veracruz ein. Sie wurde zum örtlichen Marine- passiert, was die mexikanischen stützpunkt gebracht, wo man ihr Elektroschocks zufügte, Behörden machen.” sie schlug, trat und dazu zwang, eine sehr scharfe Claudia Medina Tamariz Sauce zu inhalieren. Um die Spuren der Misshandlung zu verbergen, wurde sie in Plastikfolie eingewickelt. Man warf Claudia Medina Tamariz vor, Mitglied einer mächtigen und gewalttätigen Bande zu sein, obwohl sie In ganz Mexiko kommt es weiterhin häufig zu Folter und Miss- erklärte, dass sie nichts über diese Bande wisse. handlungen durch Polizei und Sicherheitskräfte. In der Regel bleibt dies jedoch ohne strafrechtliche Konsequenzen. Mexiko ist Claudia Medina Tamariz wurde gezwungen, ein falsches zahlreiche Verpflichtungen eingegangen, um Folter und andere Geständnis zu unterschreiben, das sie sich vorher nicht Formen der Misshandlung zu verhindern und zu bestrafen. Die einmal durchlesen durfte. Später sagte sie Amnesty ergriffenen Maßnahmen sind jedoch unzureichend und bleiben International: „Wenn sie mich nicht gefoltert hätten, hätte weitestgehend unbeachtet. Gesetze, die Folter unter Strafe ich diese Erklärung niemals unterschrieben.“ Obwohl stellen, werden regelmäßig umgangen. Das gilt auch für Gesetze, die meisten Anschuldigungen gegen Claudia Medina die verhindern sollen, dass in Strafverfahren Beweismittel Tamariz später fallengelassen wurden, ist sie weiterhin verwendet werden, die unter Einsatz von Folter oder anderen eines schwerwiegenden Verbrechens angeklagt. Die von Misshandlungen erlangt wurden. Die Regierung des Landes ihr erhobenen Foltervorwürfe wurden bis heute nicht verkündet jedoch stolz, dass es kaum noch Fälle von Folter und untersucht. Eine wirksame medizinische Untersuchung ist anderen Misshandlungen gebe. notwendiger Bestandteil einer zeitnahen, umfassenden und unparteiischen Ermittlung gemäß des international anerkannten Istanbul-Protokolls, das die internationalen Richtlinien zur Dokumentation und Untersuchung von Folter und deren Folgen umfassend einbezieht. Amnesty International fordert den Generalstaatsanwalt von Mexiko auf: Die mutmaßliche Folter und Misshandlung von Claudia Medina Tamariz wirksam zu untersuchen, die Ergebnisse zu veröffentlichen und die Verantwort lichen vor Gericht zu stellen. Sicherzustellen, dass Claudia Medina Tamariz im Rahmen dieser Untersuchung medizinisch und psycho- logisch begutachtet wird, wie es das von der UN unterstützte Istanbul-Protokoll vorsieht. Die Gutachten sowie weiterführende Berichte müssen Claudia Medina Tamariz schnellstmöglich vorgelegt werden. Zu gewährleisten, dass alle medizinischen Unter suchungen mutmaßlicher Folteropfer durchweg dem Istanbul-Protokoll entsprechen, und auf diese Weise die Ermittlungen zu Foltervorwürfen entscheidend zu verbessern.
14 / Bericht Amnesty International Marokko und Westsahara „Ungerechtigkeit zu erfahren und seiner Freiheit beraubt zu sein, Am 24. November 2011 wurde Ali Aarrass wegen angeb- führt zu schwerwiegenden seeli- licher Mitgliedschaft und Unterstützung einer kriminellen schen und körperlichen Schäden. Bande und einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Noch niederschmetternder ist Berichten zufolge war der einzige Beweis, der während des es, wenn man aufgegeben und Verfahrens gegen ihn vorgelegt wurde, ein „Geständnis“, vergessen wird, wenn Angehörige das er unter Folter abgelegt hatte und vor Gericht widerrief. und Freunde nicht weiter für einen Im Dezember 2010 war Ali Aarrass zwölf Tage lang in kämpfen, während man selbst von einer geheimen Haftanstalt des marokkanischen Geheim- Mauern umgeben und hilflos ist. dienstes DST ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten Ich danke Gott, dass es bei mir worden. Seinen Angaben zufolge wurde er während anders ist. Aber ich bitte euch, an dieser Zeit gefoltert. Man habe ihm auf die Fußsohlen all diejenigen zu denken, denen es geschlagen (eine als „Falaqa“ bekannte Foltermethode), so geht, an die Opfer von willkür ihn mit Elektroschocks an den Genitalien gequält, über licher Haft, die von allen verlassen längere Zeiträume an den Handgelenken aufgehängt und wurden.“ Ali Aarrass mit Zigaretten verbrannt. Defizite des Justizsystems führen nach wie vor dazu, dass Folter und andere Amnesty International fordert den marokkanischen Misshandlungen begünstigt werden, weil zum Beispiel bei polizeilichen Justizminister auf, eine unabhängige und unparteiische Verhören keine Rechtsbeistände anwesend sind. Für die Urteilsfindung sind Untersuchung der von Ali Aarrass erhobenen Foltervor- weiterhin durch Folter erzwungene „Geständnisse“ aus den Vernehmungs- würfe einzuleiten und einem Beschluss der UN-Arbeits- protokollen der Polizei von zentraler Bedeutung – sie werden Sachbeweisen gruppe für willkürliche Inhaftierungen vom 28. August und gerichtlichen Zeugenaussagen vorgezogen. Die derzeitigen Pläne, das 2013 nachzukommen. Sie hatte die Haft von Ali Aarrass marokkanische Justizsystem zu reformieren, bieten eine einmalige Chance als willkürlich bezeichnet und seine sofortige Freilassung für Veränderungen. sowie angemessene Entschädigungsleistungen gefordert. Amnesty International fordert die marokkanischen Behörden auf: Die Jahrzehnte, in denen König Hassan II. Marokko regierte (1956 bis 1999), – Maßnahmen zum Schutz von Häftlingen während der Zeit in Gewahrsam werden als „bleierne Jahre“ bezeichnet. Kritische Stimmen wurden unterdrückt, zu ergreifen. Dazu zählen ein zeitnaher Zugang zu Rechtsbeiständen Hunderte Menschen verschwanden, Tausende wurden willkürlich inhaftiert, nach der Festnahme, die Anwesenheit von Rechtsbeiständen während Folter und andere Misshandlungen wurden systematisch angewandt. der Verhöre und die Videoaufzeichnung von Verhören. – Geheime Haft zu beenden, indem ein zentrales Häftlingsregister einge- Auch wenn sich die Menschenrechtslage in Marokko seit der Krönung von führt wird, das Rechtsbeistände und Familienangehörige auf Anfrage König Mohammed VI. deutlich verbessert hat, erhält Amnesty International jederzeit unverzüglich einsehen können. nach wie vor Berichte, dass es bei Verhören in Gewahrsam zu Folter und – Straflosigkeit zu beenden, indem alle Meldungen über Folter und andere anderen Misshandlungen durch Angehörige der Polizei oder der Gendarme- Misshandlungen zeitnah, unabhängig und umfassend untersucht rie kommt. In manchen Fällen beziehen sich die Foltervorwürfe auch auf werden. Dazu gehört auch, dass die mutmaßlichen Folteropfer von geheime Haftanstalten, in denen Menschen ohne Kontakt zur Außenwelt unabhängigem medizinischem Personal untersucht werden müssen. festgehalten werden, und auf Gefängnisse. Wenn genügend zulässige Beweise vorliegen, müssen die TäterInnen in einem fairen Verfahren vor Gericht gestellt werden. Folter und andere Formen der Misshandlung sind in Marokko bereits seit – Sicherzustellen, dass Beweise, die unter Einsatz von Folter und anderen einigen Jahren ausdrücklich verboten und gelten per Gesetz als Straftat, Misshandlungen erzielt wurden, vor Gericht nicht zulässig sind – es sei dennoch werden sie immer wieder angewandt. Gerichte und Staatsanwalt- denn, sie werden gegen Personen vorgebracht, die wegen Folter oder schaften leiten bei Vorwürfen von Folter und anderen Misshandlungen nur anderer Misshandlungen vor Gericht stehen. selten Untersuchungen ein, sodass nur wenige TäterInnen tatsächlich vor – Menschen, die Folter und andere Formen der Misshandlung überlebt Gericht gestellt werden. Die abschreckende Wirkung der marokkanischen Anti- haben, sowie Angehörige von Folteropfern schnell und umfassend zu foltergesetze wird auf diese Weise durch faktische Straflosigkeit konterkariert. entschädigen.
15 / Bericht Amnesty International Nigeria „Die Schmerzen, die man unter Folter erleidet, sind unerträglich. Moses Akatugba wurde 2005 von der Polizei festge- Ich hätte nie gedacht, dass ich den nommen und gefoltert – damals war er gerade einmal 16 heutigen Tag noch erleben würde. Jahre alt. Er berichtete, man habe ihn auf der Polizei- Der Schmerz, den die Polizeikräfte wache geschlagen, in die Hand geschossen und stun- mir zugefügt haben, war unvor- denlang an den Extremitäten aufgehängt. stellbar. Ich bin in meinem ganzen Leben noch nie derart unmensch- Moses Akatugba gab an, er habe nur aufgrund der Folter lich behandelt worden.” eingewilligt, eine Erklärung zu unterschreiben, in der Moses Akatugba er die Beteiligung an einem Raubüberfall zugab. Im November 2013, nach acht Jahren des Wartens, wurde Moses Akatugba zum Tode verurteilt. Die von ihm erho- Amnesty International ist sehr besorgt über den zunehmenden benen Foltervorwürfe sind nie untersucht worden. Einsatz von Folter in Nigeria. Nach aktuellen Recherchen der Organisation setzen Angehörige der Polizei und des Militärs Folter Amnesty International fordert Dr. Emmanuel Uduaghan, regelmäßig ein, um Informationen und „Geständnisse“ zu erhal- den Gouverneur des nigerianischen Bundesstaates Delta, ten und um Häftlinge zu bestrafen und zu zermürben. auf, das Todesurteil in eine andere Strafe umzuwandeln und die von Moses Akatugba erhobenen Foltervorwürfe Informationen, die unter Einsatz von Folter und anderen Miss- zu untersuchen. handlungen erlangt wurden, werden routinemäßig als Beweis- mittel vor Gericht zugelassen, was eine Verletzung nationaler Gesetze sowie des Völkerrechts darstellt. Den Behörden fehlt offensichtlich der politische Wille, internationalen Menschen- rechtsverpflichtungen nachzukommen.
16 / Bericht Amnesty International Philippinen „Er [ein inoffizieller Hilfspolizist] stellte mir eine Schnapsflasche Am 3. Oktober 2013 sprach die philippinische Polizei auf den Kopf und zielte mit seiner Alfreda Disbarro an einem öffentlichen Ort an und Waffe darauf. Er sagte, dass er beschuldigten sie des Drogenhandels. Die alleinerziehende die Flasche auf meinem Kopf Mutter bestritt dies und leerte freiwillig ihre Taschen, in abschießen werde. Er war nur etwa denen sich lediglich ein Handy und eine Fünf-Peso-Münze eineinhalb Meter von mir entfernt. befanden. Ohne Vorwarnung richtete die Polizei plötzlich Am Ende hat er nicht geschossen, eine Waffe auf Alfreda Disbarro und schlug sie auf die aber ich hatte schreckliche Angst, Brust. Dann legte man ihr Handschellen an und brachte er würde mich erschießen. Aus sie in das Polizeihauptquartier von Parañaque. lauter Angst habe ich die Augen geschlossen.” Alfreda Disbarro Um ein Schuldeingeständnis zu erhalten, drückte ein hochrangiger Polizist Alfreda Disbarro gegen eine Wand. Er versetzte ihr mehrfach Schläge in den Magen und ins Amnesty International ist sehr besorgt über den weit verbreite- Gesicht, schlug sie mit einem Schlagstock, drückte ihr ten Einsatz von Folter auf den Philippinen. Die Polizei und andere seine Finger in die Augen, ohrfeigte sie, zwang sie, einen staatliche Sicherheitskräfte foltern Verdächtige und Häftlinge. Wischlappen zu essen und schlug ihren Kopf gegen Die meisten Folteropfer haben keine Möglichkeit, Gerechtigkeit die Wand. In den Tagen nach ihrer Misshandlung hatte zu erlangen. TäterInnen werden so gut wie nie zur Rechenschaft sie so große Schmerzen, dass sie nichts essen konnte, gezogen. Schwierigkeiten beim Atmen hatte und sich immer wieder übergeben musste. Alfreda Disbarro ist derzeit in Das Land verfügt über eine umfangreiche Gesetzgebung zur einem örtlichen Gefängnis inhaftiert und wartet auf ein Verhinderung von Folter, und die philippinische Regierung hat Gerichtsverfahren wegen des Verkaufs und des Besitzes zugesichert, sich künftig verstärkt dafür einzusetzen, dass diese illegaler Drogen. Obwohl sie von einem Amtsarzt unter- Gesetze auch umgesetzt werden. Die Philippinen haben außerdem sucht wurde, sind bisher keine Ermittlungen zu ihrer wichtige internationale Antifolterabkommen und -mechanismen Misshandlung durch die Polizei eingeleitet worden. unterzeichnet. Dennoch herrscht noch immer Straflosigkeit. Amnesty International fordert die Abteilung für innere Angelegenheiten der philippinischen Nationalpolizei dazu auf: Sicherzustellen, dass schnell eine unparteiische, wirksame und effiziente Untersuchung der mutmaß- lichen Folter und anderweitigen Misshandlung von Alfreda Disbarro eingeleitet wird. Sollte die Untersuchung die Foltervorwürfe bestä- tigen, den Fall zur strafrechtlichen Verfolgung weiterzuleiten und zu kooperieren, wenn das Gericht weitere Untersuchungen anordnet. Unmittelbar Disziplinarmaßnahmen gegen alle PolizeibeamtInnen einzuleiten, die an der Folter und Misshandlung von Alfreda Disbarro beteiligt waren. In der philippinischen Nationalpolizei eine Einrichtung zu schaffen, an die sich InformantInnen bedenkenlos wenden können, wenn sie Kenntnis von Foltermaß- nahmen haben, z.B. auch im Fall von Alfreda Disbarro.
17 / Bericht Amnesty International Usbekistan Erkin Musaev, ein ehemaliger Beamter des Verteidigungs- Folter und andere Misshandlungen sind in Usbekistan an der ministeriums, arbeitete für das Entwicklungsprogramm Tagesordnung. Amnesty International erhält regelmäßig glaub- der Vereinten Nationen in Usbekistan, als er im Januar würdige Berichte über routinemäßige und weit verbreitete Folter 2006 von Angehörigen des Nationalen Sicherheits- und andere Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Gefäng- dienstes (SNB) inhaftiert wurde. Man klagte ihn wegen nispersonal. Laut dieser Berichte werden Menschen bei der Spionage an und hielt ihn mehrere Wochen ohne Festnahme, während des Transports, in Untersuchungshaft sowie Kontakt zur Außenwelt fest. Berichten zufolge wurde in Hafteinrichtungen Opfer von Folter. Nur sehr wenige TäterIn- er einen Monat lang tagsüber geschlagen und nachts nen werden wegen des Einsatzes von Folter vor Gericht gestellt. verhört. Außerdem drohte man ihm, seinen Angehörigen Zudem leiten die Behörden bei Folter- und Misshandlungsvorwür- etwas anzutun. fen in der Regel keine effektiven Untersuchungen ein. Erkin Musaev unterschrieb schließlich ein „Geständnis“, unter der Bedingung, dass der SNB seine Familie in Ruhe lasse. Er wurde nach drei unfairen Prozessen in den Jahren 2006 und 2007 wegen Hochverrats und Amtsmissbrauchs zu insgesamt 20 Jahren Haft verurteilt. Alle drei Gerichte lehnten die formellen Beschwerden, die Erkin Musaev wegen seiner Folter in Haft eingereicht hatte, ohne angemessene Überprüfung ab. Im Mai 2012 entschied der UN-Menschenrechtsausschuss, dass Usbekistan gemäß Artikel 7 (Folterverbot) des Inter nationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte die Rechte von Erkin Musaev verletzt habe. Amnesty International fordert eine umfassende, unpar- teiische und effektive Untersuchung der von Erkin Musaev erhobenen Foltervorwürfe.
18 / Bericht Amnesty International 9 Foltermethoden Diese Zeichnungen stellen die von Ali Aarrass erlittenen Folterungen dar (siehe Details zum Fall auf S. 14). Ein Mitgefangener erstellte sie unter seiner Anleitung. Die von Amnesty dokumentierten Foltermethoden unter- Weniger häufig, aber immer noch weit verbreitet, sind scheiden sich von Land zu Land und von Region zu Foltermethoden wie Peitschenhiebe, Scheinhinrichtungen, Region. Nachfolgend sind einige der Foltermethoden Waterboarding und Sauerstoffentzug, für den oft Plastik- aufgelistet. tüten oder abgedichtete Gasmasken eingesetzt werden. Aus einigen Teilen der Welt gibt es Berichte von Folter Schläge sind heutzutage die weltweit häufigste Form der überlebenden, denen in Haft Nadeln unter die Fingernägel Folter und Misshandlung. Sie können Tritte, Fausthiebe geschoben und mit Zigaretten Verbrennungen zugefügt sowie den Einsatz von Stöcken, Gewehrkolben, improvi- wurden. Einige berichten sogar von Stichwunden. Weitere sierten Peitschen, Eisenstangen, Baseballschlägern und Häftlinge wurden offenbar gezwungen, ihren eigenen Elektroschockern umfassen. Die Opfer erleiden Bluter- Urin, verunreinigtes Wasser und Chemikalien zu trinken. güsse, innere Blutungen, Knochenbrüche, Zahnverluste und Verletzungen der Organe. In manchen Fällen führen Es liegen Berichte über Schlaf- und Reizentzug sowie Schläge gar zum Tod. über mehrtägigen Nahrungs- und Wasserentzug vor. Berichte über Vergewaltigungen und die Androhung von Andere weit verbreitete Methoden sind Stromstöße, Vergewaltigung gibt es aus zahlreichen Ländern, auch erzwungenes Verharren in schmerzhaften Positionen und Demütigungen werden weit verbreitet eingesetzt. Schein- lang andauernde Isolation – teilweise werden die Opfer hinrichtungen und die Androhung von Gewalt gegen die über mehrere Monate oder sogar Jahre in Einzelhaft Opfer selbst und/oder ihre Angehörigen sind häufige gehalten. Formen der psychischen Folter.
19 / Bericht Amnesty International Die Zwangsverabreichung von Psychopharmaka wurde hinterlassen. Klar ist, dass alle Formen von Folter verhee- ebenso gemeldet wie Folter in Form von Zwangsabtrei- rende und langfristige Konsequenzen nach sich ziehen bungen und Zwangssterilisationen. können. Zu den häufigsten psychologischen Symptomen gehören Angststörungen, Depressionen, Reizbarkeit, Viele Häftlinge werden in schmutzigen, überfüllten Gefühle von Scham und Erniedrigung, Gedächtnis- Zellen festgehalten, in denen drückende Hitze herrscht. störungen, verringerte Konzentrationsfähigkeit, Kopf- Unmenschliche Haftbedingungen können – wenn sie schmerzen, Schlafstörungen und Alpträume, emotionale vorsätzlich und zielgerichtet eingesetzt werden – Folter Instabilität, sexuelle Probleme, Amnesie, Selbstverstüm- gleichkommen. melung, Selbstmordgedanken und soziale Isolation. Einige Staaten verhängen noch immer Körperstrafen. Zu den häufigsten Formen gehören Auspeitschungen und Amputationen. Das Amputieren von Körperteilen und Im vergangenen Jahr wurden 27 Foltermethoden das Zufügen von Verbrennungen gehören zu den Folter- dokumentiert methoden, die entwickelt wurden, um die Betroffenen dauerhaft zu verstümmeln. Aber auch alle anderen Die folgende Liste enthält 27 Foltermethoden, deren Verwendung Körperstrafen können langfristige oder dauerhafte Verlet- Amnesty International von 2013 bis 2014 weltweit dokumentiert zungen nach sich ziehen. Was immer das jeweilige natio- hat. Es handelt sich hierbei nicht um eine vollständige Liste nale Recht diesbezüglich vorsieht – laut Völkerrecht sind aller gemeldeten Methoden. Während einige der aufgelisteten alle Formen von Körperstrafen verboten, da sie grausam, Methoden über viele Jahre systematisch angewandt wurden, kann unmenschlich und erniedrigend sind und oftmals Folter es sich bei anderen um Einzelfälle handeln. gleichkommen. 1. Schläge 17. Androhung von Gewalt Einige Regierungen nutzen die religiöse Überzeugung 2. Stromschläge gegen Häftlinge / deren eines Opfers, um es zu foltern oder zu misshandeln, 3. Erzwungenes Verharren in Familien indem beispielsweise einem muslimischen Mann gegen schmerzhaften Positionen 18. Zwangsverabreichung von seinen Willen der Bart abrasiert wird. 4. Lang andauernde Isolation Drogen 5. Peitschenhiebe 19. Unmenschliche Folterüberlebende gaben an, dass sie über lange Zeit- 6. Scheinhinrichtungen Haftbedingungen räume extremer Hitze oder Kälte ausgesetzt wurden, 7. Wasserfolter / 20. Nahrungs- und oftmals mehrere Tage lang. Andere berichten, dass man Sauerstoffentzug Wasserentzug ihnen immer wieder kochend heißes Wasser über die 8. Schieben von Nadeln unter 21. Körperstrafen nackte Haut schüttete oder ihre Knie, Ellbogen und die Fingernägel 22. Gewaltsames Abrasieren Schultern mit elektrischen Bohrern misshandelte. 9. Verbrennungen mit der Bärte muslimischer Zigaretten Männer Auch Hunde oder Ratten, wiederholte Beleidigungen 10. Stichwunden 23. E xtremer Kälte / Hitze rassistischen oder religiösen Inhalts, das Überstülpen von 11. Einflößen von verunreinig- aussetzen über lange Kapuzen oder das Verbinden der Augen werden zu Folter- tem Wasser, Urin und Zeiträume zwecken eingesetzt. Chemikalien (Chiffon) 24. Übergießen mit kochend 12. Schlafentzug heißem Wasser Es gibt Berichte von Häftlingen, denen mit Absicht oder 13. Reizentzug 25. Durchbohren der Gelenke aus Fahrlässigkeit die medizinische Versorgung verweigert 14. Zwangsabtreibung / 26. Verweigerung medizinischer wurde. In einigen Fällen führte dies zum Tod. -sterilisation Versorgung 15. Vergewaltigung / 27. Übergießen des Rückens Folter kann dauerhafte und langfristige körper- Angedrohte Vergewaltigung mit geschmolzenem Plastik liche Verletzungen zur Folge haben, auch wenn 16. Demütigungen manche Foltermethoden nur wenig sichtbare Narben
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