Frauen mit Zukunft Berufliche Einstiege, Umstiege und Aufstiege mit Unterstützung des AMS - Prospect GmbH
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Frauen mit Zukunft Berufliche Einstiege, Umstiege und Aufstiege mit Unterstützung des AMS Stand: 2008
Frauen mit Zukunft Berufliche Einstiege, Umstiege und Aufstiege mit Unterstützung des AMS 1
Liebe Leserinnen, in dieser Broschüre wollen wir Frauen vorstellen, die das Arbeitsmarktservice durch ein entspre- chendes Qualifizierungsangebot auf ihrem Weg hin zu einem völlig neuen Berufsfeld oder bei ih- rem beruflichen Aufstieg unterstützt hat. Diese Frauen arbeiten teilweise in technisch-handwerklichen Tätigkeitsbereichen, womit wir Mut für Neues, Anderes machen wollen. Andererseits möchten wir auch die Wichtigkeit von Aus- und Weiterbildung zeigen, denn diese ermöglicht nicht nur gute Berufseinstiege, sondern auch Umstiege und tolle Aufstiege. Wir wollen Frauen auch dazu anregen, bei ihren Entschei- dungen auf das Einkommen zu achten und selbstbewusst ihre Kenntnisse und Erfahrungen in die Verhandlungen einzubringen. Die Geschichten der Frauen geben darüber hinaus Einblicke in interessante, zukunftsträchtige Berufsfelder. Ergänzt werden diese Geschichten um die „Außensicht“ von Personen, die die porträtierten Frauen gut kennen. Zusätzlich haben wir auch Arbeitsmarktexpertinnen und -experten um ihre Sicht auf die Zukunft von Frauen in unserer Arbeitswelt gebeten. Dieser Blick auf allgemeine Entwicklungen ist eine gute Anregung für Frauen über ihre individuelle Zukunft nachzudenken. In diesem Sinne wünschen wir viel Spaß beim Lesen und viel Glück für die berufliche Zukunft. Das AMS will dabei für Sie ein guter Ansprechpartner sein. Eva Egger und Hilde Stockhammer AMS Österreich, Arbeitsmarktpolitik für Frauen 2
Einleitung S. 4 Einleitung S. 4 Einleitung Frauen erzählen S. 4 Frauen erzählen Gerlinde Arzberger, Elektronikerin S. 8 Gerlinde Frauen Arzberger, Elektronikerin erzählen S. 8 Eva Maria Sallaberger, Kunststoffformgeberin S. 12 Gerlinde Eva MariaArzberger, Sallaberger,Elektronikerin Kunststoffformgeberin S. 8 S. 12 Adele Steiner, selbständig im Officemanagement S. 16 Adele Steiner, Eva Maria selbständig Sallaberger, im Officemanagement Kunststoffformgeberin S. 16 12 Urzula Wegiel, Altenpflegehelferin S. 20 Urzula Wegiel, Altenpflegehelferin Adele Steiner, selbständig im Officemanagement S. 20 16 Nina Pöchhacker, Maschinenbautechnikerin S. 24 Nina UrzulaPöchhacker, Maschinenbautechnikerin Wegiel, Altenpflegehelferin S. 24 20 Loredana Faltin, Netzwerkadministratorin S. 28 Loredana Faltin, Netzwerkadministratorin Nina Pöchhacker, Maschinenbautechnikerin S. 28 24 Heide Wagner, Glaserin S. 32 Heide LoredanaWagner, Faltin,Glaserin Netzwerkadministratorin S. 32 28 Claudia Mitter, Objektleiterin S. 36 Claudia Mitter, Objektleiterin Heide Wagner, Glaserin S. 36 32 Michaela Tscherne, IT- und Qualitätsmanagerin sowie HR-Koordinatorin S. 40 Michaela Tscherne, Claudia Mitter, IT- und Qualitätsmanagerin sowie HR-Koordinatorin Objektleiterin S. 40 36 Karina Macho, EDV-Technikerin S. 44 Karina Michaela Macho, EDV-Technikerin Tscherne, IT- und Qualitätsmanagerin sowie HR-Koordinatorin S. 44 40 Véronique Strabler, Buchhalterin S. 48 Véronique Karina Macho,Strabler, Buchhalterin EDV-Technikerin S. 48 44 Petra Friedl, bautechnische Zeichnerin S. 52 Petra Friedl, bautechnische Véronique Strabler, Buchhalterin Zeichnerin S. 52 48 Gabriele Novy, FinanzCoach S. 56 Gabriele Novy, Petra Friedl, FinanzCoach bautechnische Zeichnerin S. 56 52 Gabriele Novy, Expertinnen FinanzCoach und Experten diskutieren 56 S. 61 Expertinnen und Experten diskutieren S. 61 Expertinnen und Förderungen des Experten AMS diskutieren 61 S. 67 Förderungen des AMS S. 67 Förderungen des und Qualifizierungs- AMS Beratungseinrichtungen S. 67 Qualifizierungs- und Beratungseinrichtungen abz.austria Chancen für Frauen - Chancen der Wirtschaft S. 72 Qualifizierungs- und Beratungseinrichtungen abz.austria Chancen für Frauen - Chancen der Wirtschaft S. 72 Frauenstiftung Steyr S. 73 Frauenstiftung abz.austria ChancenSteyr für Frauen - Chancen der Wirtschaft S. 73 72 MeET - Mädchen entdecken EDV und Technik S. 74 MeET - Mädchen Frauenstiftung entdecken EDV und Technik Steyr S. 74 73 nowa - Netzwerk für Berufsausbildung S. 74 nowa MeET- -Netzwerk Mädchenfür Berufsausbildung entdecken EDV und Technik S. 74 ZAM - Zentren für Ausbildungsmanagement in der Steiermark S. 75 ZAM Zentren fürfür nowa - Netzwerk Ausbildungsmanagement Berufsausbildung in der Steiermark S. 75 74 Sprungbrett für Mädchen S. 76 Sprungbrett ZAM - Zentren für Mädchen für Ausbildungsmanagement in der Steiermark S. 76 75 SUNWORK - Bildungsalternativen für Mädchen und Frauen S. 77 SUNWORK Sprungbrett für - Bildungsalternativen Mädchen für Mädchen und Frauen S. 77 76 telm@ - Frauen in Telekommunikation und Informatik S. 77 Frauen -inFrauen telm@ SUNWORK Handwerk und Technik, NÖ in Telekommunikation - Bildungsalternativen und Informatik für Mädchen und Frauen S. 77 telm@ - Frauen inKlagenfurt Mädchenzentrum Telekommunikation und Informatik 77 S. 78 Mädchenzentrum Klagenfurt S. 78 Mädchenzentrum Klagenfurt Links 78 S. 80 Links S. 80 Links S. 80 3 3 3
Die Zukunft selbst in die Hand nehmen Die 13 porträtierten Frauen1 beschritten unter- sind, wie Elektronikerin, Glaserin, Kunststofftech- schiedliche Wege, um sich ihrem Ziel zu nähern: nikerin, Finanzberaterin, Maschinenbautechnikerin eine Arbeit auszuüben, die sowohl ihren Fähig- und bautechnische Zeichnerin. Einzelne haben in keiten entspricht und Spaß macht als auch eine der IT-Branche Fuß gefasst. Andere sind zwar in dauerhafte selbständige Existenzsicherung und traditionellen „Frauenbereichen“ tätig, nutzen aber Weiterentwicklung ermöglicht. dort ihre Aufstiegs- und Weiterentwicklungschan- cen: sei es die Höherqualifizierung von der Heim- Die Frauen unterscheiden sich nach ihrem schuli- hilfe zur diplomierten Krankenpflegerin, von der schen und beruflichen Werdegang und ihrer Reinigungskraft zur Objektleiterin, von der Kell- Alters- und Familienstruktur. Sie sind in Städten nerin zur Controllerin oder von der Sekretärin zur und Dörfern zwischen Vorarlberg und Wien zu selbständigen Officemanagerin. Unter den Firmen, Hause, zwischen 23 und 53 Jahre alt und hatten die in denen die Frauen beschäftigt sind, finden sich unterschiedlichsten Ausgangspositionen: von der Gewerbebetriebe ebenso wie große Industrieunter- abgebrochenen Lehre bis zum Universitätsstu- nehmen oder Non-Profit-Organisationen2. dium. Vier der Frauen sind kinderlos, die anderen haben zwischen einem und drei Kindern, vier Manche der Frauen waren Pionierinnen und Frauen sind bzw. waren Alleinerzieherinnen. Zwei ebneten z.B. als die ersten weiblichen Lehrlinge der porträtierten Frauen sind als Erwachsene aus in einem Betrieb den Weg für nachkommende Polen bzw. Rumänien nach Österreich migriert. Frauen. Gemeinsam ist allen, dass sie mit Unterstützung „Karriere mit Lehre“ trifft auf einen Teil der des AMS den passenden Beruf gefunden, einen Frauen mit der Ergänzung in männerdominierten neuen Beruf erlernt oder sich in ihrem bisherigen Berufen zu. Ein Vorteil in diesen Lehren ist das Beruf höherqualifiziert haben. Den Frauen wurde bessere Gehalt, ein Nachteil, dass es mitunter dabei geholfen, das zu tun, was sie gut und gerne keine Teilzeitmöglichkeiten gibt. Die Frauen machen. schlossen mit außergewöhnlich guten Noten ab, schafften Lehrabschlüsse mit Auszeichnung oder Fünf der vorgestellten Frauen sind sogenannte gute Platzierungen bei Lehrlingswettbewerben. Wiedereinsteigerinnen, die jedoch nach einer 2- bis 15-jährigen Berufsunterbrechung durch Die Frauen berichten, dass sie in ihren derzeitigen Kinderbetreuungszeiten und Familienarbeit nicht Berufen kaum Probleme mit ihren männlichen einfach in ihren alten Beruf zurückkehrten, son- Kollegen haben. Sie schätzen die sachliche Ebene dern einen neuen erlernten. Gründe dafür waren der Zusammenarbeit. Ein geringer Teil glaubt, entweder die Unvereinbarkeit des bisherigen Be- mehr als männliche Kollegen leisten zu müssen. rufs mit der Kinderbetreuung oder das Ziel, sich In den Ausbildungslehrgängen haben die Frauen beruflich zu verbessern. Die anderen Frauen die reine Frauengruppe schätzen gelernt, weil dies strebten eine Fachausbildung oder eine Höher- einen Freiraum zum Ausprobieren und angstfreien qualifizierung an, in einem Fall war das Ziel die Lernen schaffte. In der Arbeitswelt erleben man- Gründung eines eigenen Unternehmens. che Konkurrenz unter Frauen, was sehr bedauert Knapp die Hälfte der porträtierten Frauen ist in wird. Würden sich Frauen gegenseitig mehr nichttraditionellen Bereichen tätig, d.h. in Berufen, unterstützen, wäre dies ein großes Potential für in denen Frauen typischerweise unterrepräsentiert das berufliche Weiterkommen. 4
„Glückliche Mutter - glückliches Kind“ ist die bereut ihren bisherigen beruflichen Werdegang, Formel, die auf den Großteil der porträtierten Müt- denn sie ziehen aus ihren Vorkenntnissen und ter zutrifft. Sie schöpfen Zufriedenheit aus der be- Erfahrungen Nutzen für ihr jetziges Arbeitsgebiet. ruflichen Tätigkeit und wären ohne diese unglük- Einige Frauen erreichten ihr Ziel erst über Erstaus- klich. Trotzdem ist ihnen zum Teil ein schlechtes bildungen und Jobs, die ihnen eigentlich nicht ent- Gewissen, wenn sie zu viel arbeiten, nicht fremd. sprachen. Um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, Die Berufspraktika, welche die Frauen im Zuge werden die Familienmitglieder zur Beteiligung im ihrer Ausbildungen in Unternehmen absolvierten, Haushalt herangezogen und zum Teil Halbe-Halbe stellten sich für einige als Sprungbrett für eine An- praktiziert. stellung heraus. Sechs Frauen wurden von diesen Von den 13 Frauen haben drei eine weibliche Betrieben übernommen, drei davon für eine Lehre. Vorgesetzte, eine Frau als Unternehmerin ist ihre Die AMS geförderten Qualifizierungen nehmen eigene Chefin, die anderen unterstehen Männern. einen wichtigen Stellenwert im Berufsleben der Dass Frauen in den Chefetagen unterrepräsen- vorgestellten Frauen ein. Die persönlichen Erfah- tiert sind, erklären sich die Befragten mit dem rungen zeigen, dass sie alle Stärke und Selbstbe- mangelnden Selbstvertrauen von Frauen, den Kin- wusstsein aus den Maßnahmen schöpften, die mit derbetreuungspflichten und den unterschiedlichen viel Engagement und einer mitunter großen zeit- Prioritäten von Frauen. Lebensqualität bedeutet für lichen Belastung absolviert wurden. Der Faktor viele Frauen auch für andere Dinge wie beispiels- Aus- und Weiterbildung wird von ihnen sehr hoch weise die Familie Zeit zu haben. Eine interessante, eingeschätzt und für alle ist Weiterbildung zu abwechslungsreiche Tätigkeit in einer angeneh- einem zentralen Bestandteil ihres Lebens gewor- men Atmosphäre zu haben, ist auch für die hier den. Sie verkörpern geradezu das „Ideal des vorgestellten Frauen ganz wesentlich. lebensbegleitenden Lernens“ und ein beachtlicher Alle Frauen profitieren aus ihren früheren Tätig- Teil strebt noch weitere Ausbildungen an. keiten, auch wenn es sich um ganz andere Berei- Alle 13 Frauen zeigen auf beeindruckende Weise che handelte. „Nichts war umsonst“, keine Frau ihre persönlichen Wege zum passenden Beruf. 1 Der Stand der Frauenporträts ist Ende 2004, es können sich natürlich zwischenzeitlich Veränderungen ergeben haben. 2 Non Profit Organisationen, übersetzt nicht gewinnorientierte Organisationen, schütten im Gegensatz zu Unternehmen die erwirtschafteten Überschüsse nicht an die MitarbeiterInnen oder andere formale Organisationsteil- nehmerInnen (z.B. GesellschafterInnen) aus, sondern investieren diese für die Ziele und den Zweck der Organisation. 5
Frauen erzählen 7
Gerlinde Arzberger, 38 Jahre, Elektronikerin, Vasoldsberg, Steiermark „Ich wollte einfach wissen, ob ich es mit 35 noch draufhab, oder ob ich schon aufs Abstellgleis gehöre.“ Im Alter von 38 Jahren ist Gerlinde Arzberger aus- arbeiten. Das blieb auch den Personalverantwort- gebildete Facharbeiterin in dem Beruf, der genau lichen der Firma nicht verborgen und ihr wurde zu ihr passt und ihr voll und ganz entspricht. eine Stelle angeboten. Gerlinde Arzberger, die nicht mehr als Hilfsarbeiterin arbeiten wollte, Ihr ursprünglicher Berufsweg wies in Richtung stellte die Bedingung, dass sie eine Ausbildung Sekretariat. Nach einer entsprechenden Ausbil- machen möchte. Im Bereich Herstellung optischer dung erkannte Gerlinde Arzberger aber bald, dass Geräte war ein Arbeitsplatz frei und der Ausbildner die Tätigkeit als Sekretärin nicht ihren Fähigkeiten empfahl ihr die Lehre zur Elektronikerin und sie entsprach und sie aufgrund ihrer Rechtschreib- sagte zu, ohne Näheres zu wissen. Er drückte ihr schwäche extrem stresste. Sie nahm eine Beschäf- ein Fachwerkbuch in die Hand, das sie so tigung als Hilfsarbeiterin in der Qualitätskontrolle fesselte, dass sie gar nicht mehr zu Lesen auf- an, wo es um das Prüfen von Maßen mechanischer hören konnte, weil sie immer mehr wissen wollte. Teile ging. Diese Arbeit hatte bereits viel mit Tech- Sie wurde nach dem Praktikum direkt übernom- nik zu tun und legte die Basis für ihren heutigen men und beendete TEKnowa einen Monat früher. Beruf. Danach kamen zehn Jahre Kinderbetreuung. Aus- und Weiterbildung Gerlinde Arzberger hatte sich das Ziel gesteckt, Nach drei Monaten Berufsorientierung und Be- im Jahr 2000, wenn ihr Sohn zehn Jahre alt ist, auf rufsinformation im Frauenservice Graz2 wechselte alle Fälle wieder zu arbeiten. Zunächst wurde sie Gerlinde Arzberger für weitere drei Monate zu Verkäuferin in einer Konditorei, wo es stressig war TEKnowa, einer Ausbildung für Frauen im techni- und der Verdienst gering. Zuletzt war sie Lager- schen und handwerklichen Bereich, die gerade ge- arbeiterin. Das Einkommen war zwar gut, jedoch startet wurde. frustrierte sie der tägliche Umgang mit den ande- Bei TEKnowa wurden spezifische Berufsfelder be- ren Arbeiterinnen, die sie als sehr anspruchslos handelt und erarbeitet, in ihrem Fall die Mechanik. empfand. „Ich habe gemerkt, dass ich allein nicht Das Praktikum, das sie im Zuge dieses Kurses ab- weiterkomme, dass ich nicht dorthin komme, wo solvierte, ermöglichte ihr einen Einblick, was sich ich hingehöre.“ Mit Unterstützung des AMS traf in den letzten zehn Jahren in der Qualitätskontrolle sie schließlich auf die Ausbildungsmöglichkeiten, getan hat, und ihre Berufschancen abzuklären. die sie weiterbrachten. In einem Berufsorientie- Pech hatte Gerlinde Arzberger mit ihrer Kursgrup- rungskurs des Frauenservice Graz und im pe, weil sich die Teilnehmerinnen gegenseitig zu TEKnowa Kurs von nowa entdeckte sie wieder wenig unterstützten. Aus ihrer Sicht schaden sich ihre Stärken und Talente und beschloss einen Frauen sehr, wenn sie sich konkurrenzieren. Wiedereinstieg im Qualitätswesen anzustreben. „Wir haben so viele Stärken, wir Frauen, wir In einem einwöchigen Praktikum bei der Firma könnten so viel schaffen, wenn wir miteinander Anton Paar, die Mess- und Analysegeräte herstellt, würden und nicht gegeneinander, da geht so viel erledigte sie die Aufgaben so routiniert, als ob sie Energie verloren, die wir wo anders besser ein- nie aufgehört hätte in der Qualitätskontrolle zu setzen könnten.“ 8
Stationen: 15-jährig: Polytechnischer Lehrgang ■ 16-jährig: Dreijährige Stenographie- und Maschinschreibschule, Abschluss mit Staatsprüfung ■ 19-jährig: Hilfsarbeiterin ■ 24-jäh- rig: Geburt eines Sohnes ■ 34-jährig: Wiedereinstieg und verschiedene Jobs ■ 35-jährig: Berufsorientierung im Frauenservice Graz, TEKnowa-Kurs bei nowa1 (beide Einrichtungen werden vom AMS gefördert). Anschließend Lehre als Elektronikerin bei der Firma Anton Paar ■ 38-jährig: Lehrabschluss mit Auszeichnung, Übernahme durch die Ausbildungsfirma. Die Berufsschule empfand sie teilweise als Zumu- tung und kritisiert das pädagogische Vorgehen der Lehrpersonen, die den überwiegend jungen Schü- lerInnen die Lust am Lernen nahmen. Gerlinde Arzberger musste sich viel im Eigenstudium an- eignen und sich selbst motivieren. „Und auch wenn es noch so schwer kommt. Da musst du jetzt durch, du bist dann Fachkraft, und du verdienst dein gutes Geld, und das hat mich immer wieder herausgerettet.“ Schwierig war, dass sie eine von vier Berufsschul- klassen auslassen musste, weil die Förderung des AMS auf 2 ½ Jahre beschränkt war3 . Sie beschloss Berufsalltag und Vereinbarkeit gleich in die zweite Klasse einzusteigen und holte Gerlinde Arzberger baut Messmotoren für die den Stoff der ersten Klasse mit ihrem Ausbildner Rheometer1. Mit diesen wird die Zähflüssigkeit im Unternehmen in 25 Stunden nach. Daher hatte von Stoffen gemessen (beispielsweise in der Le- sie am Anfang immer wieder Wissenslücken und bensmittel-, Farben-, Lack- oder Erdölindustrie), das Gefühl hinten zu sein. Sie lernte oft bis tief in wie z.B. die Beschaffenheit von Zahnpasta, damit die Nacht und schaffte es mit dem Ziel vor Augen sie beim Öffnen der Tube nicht herausrinnt oder nie wieder als Hilfsarbeiterin ihr Geld zu verdie- zu fest ist. nen. Genauigkeit, wenn nicht Übergenauigkeit und Gerlinde Arzberger, von Kindheit an sehr ehrgei- sauberes Arbeiten ist das Um und Auf in ihrem zig, machte sich selbst so den größten Stress, Beruf. Die Grundvoraussetzung ist technisches was sogar zu gesundheitlichen Problemen führte. Interesse, das Verständnis für die Abläufe kann In schwierigen Phasen halfen ihr das gute Zu- erlernt werden. reden und die Unterstützung ihrer Familie, Aus- bildnerInnen und Kolleginnen am meisten. Weiterbildung bedeutet für Gerlinde Arzberger, nie aufhören zu lernen und immer am Laufenden zu bleiben. Ganz begeistert ist sie vom Internet 1 Informationen über nowa auf Seite 74 2 Der Verein Frauenservice in Graz bietet Information, persönliche Beratung, und empfindet es als großen Nachteil, wenn sich Bildungsangebote und arbeitsmarktspezifische Projekte, die in Zusammen- jemand mit diesem Medium nicht auskennt. arbeit mit dem AMS Graz für Wiedereinsteigerinnen und arbeitslose Frauen durchgeführt werden. Um noch versierter mit dem Internet zu arbeiten, 3 Das Unternehmen, in dem Gerlinde Arzberger ihre Lehre absolvierte, erhielt einen Lohnkostenzuschuss seitens des AMS. möchte sie sich bessere Englischkenntnisse an- 4 Ein Rheometer ist ein Messgerät zur Bestimmung des Grades der eignen. Zähflüssigkeit. 9
Gerlinde Arzberger, 38 Jahre, Elektronikerin, Vasoldsberg, Steiermark Aufgrund ihres Praktikums in der Qualitäts- Kinderbetreuung hindert viele Frauen an der gro- kontrolle hätte sie sich für eine Lehre im Bereich ßen Karriere. Das seelische Wohl und die Versor- Mechanik interessiert, wie etwa als Dreherin oder gung des Kindes hat für viele Frauen höchste Prio- Zerspantechnikerin5. Dass hier kein Arbeitsplatz rität. Auch sie selbst kennt dieses Gefühl, ein frei war, ist heute ein Vorteil für sie. Sie darf näm- schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie später lich nicht mehr als 5 kg heben und den Lärm und nach Hause kommt. Dabei vermisst ihr 14-jähriger Schmutz, den dieser Bereich mit sich gebracht hät- Sohn sie wirklich nicht mehr. te, vermisst sie ebenfalls nicht. Heute arbeitet sie Dieses Gefühl kennen Männer nicht. Andererseits in normaler Straßenkleidung und ihre Arbeitsteile streben Frauen seltener nach oben. „Ich habe es ja wiegen nicht schwerer als 2 kg. auch bei mir gesehen. Ich habe es als selbstver- Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist kein ständlich gesehen, dass ich beim Kind daheim Problem. Ehemann und Sohn stehen voll hinter ih- bleibe, mein Mann hatte dadurch zehn Jahre Be- ren Ambitionen. Jetzt ist sie an der Reihe, meinen rufserfahrung mehr gesammelt, die ihm jetzt gro- beide, denn zuvor hat ihr Mann Karriere gemacht. ßen Erfolg und Anerkennung in seinem Beruf ein- Während der intensiven Ausbildungszeit übernahm bringen. Ich hol das halt jetzt nach.“ er mit Unterstützung des Sohnes den gesamten Frauen sind auch zu harmoniebedürftig findet Haushalt. Heute praktizieren sie Halbe-Halbe, Gerlinde Arzberger, ihnen fehlt der Kampfgeist, wobei der Sohn immer noch mitverantwortlich ist den es in der Zusammenarbeit mit Männern ein- und gewisse Aufgaben zu erledigen hat. fach braucht. Um nicht unterdrückt zu werden, ist Frauen und Männer im Berufsleben immer eine Strategie und Achtsamkeit erforder- Unter den MitarbeiterInnen im Produktionsbereich lich. Nichtsdestotrotz arbeitet sie gerne mit sind nur ganz wenig ausgebildete Facharbeiter- Männern zusammen. innen. In der Elektronikabteilung von Gerlinde Blick zurück und Zukunftsperspektiven Arzberger gibt es Frauengruppen, die aus ange- Gerlinde Arzberger hat sich in dem Berufsfeld, lernten Arbeiterinnen bestehen. In den Teams, die in dem sie vor der Karenzzeit tätig war, weiterent- Geräte konstruieren oder bauen, sind hauptsächlich wickelt und weitergebildet. Fehlende Aufstiegs- ausgebildete Facharbeiter beschäftigt. Gerlinde möglichkeiten aufgrund mangelnden Fachwissens Arzberger erklärt sich das mit dem mangelnden und schlechte Entlohnung waren die Grenzen, an technischen Interesse von Frauen, die in diesem die sie als Hilfsarbeiterin gestoßen war. Diese Bereich von klein auf nicht gefördert werden. wollte sie überschreiten und hat ihr Ziel erreicht. Auch ihre Freundinnen interessiert Technik nicht, Nun möchte sie als Facharbeiterin in ihrem Be- wahrscheinlich weil sie sich noch nicht damit aus- reich perfekt werden und entsprechend verdienen. einandergesetzt haben, mutmaßt sie. Sie selbst fin- det die Technik unheimlich spannend. Funktioniert Die zehn Jahre zu Hause waren für Gerlinde etwas nicht, dann möchte sie den Grund herausfin- Arzberger eine schöne Zeit, die sie nicht missen den. Ein Gerät zusammenzubauen, es einzuschal- möchte. Die Handelsschule hingegen würde sie ten und zu sehen, dass es funktioniert, empfindet aus heutiger Sicht nicht mehr besuchen, sondern sie als ganz großes Erfolgserlebnis. Und solche gleich eine Lehre beginnen. Gelegenheiten haben Frauen selten. 10
Empfehlungen an Frauen Daniel Arzberger Ein zentraler Aspekt für Gerlinde Arzberger ist, Sohn von Gerlinde Arzberger dass sich Frauen bewusst sein müssen, was sie lei- Eine Mutter zu haben, die in einem technischen sten und sich nicht unter ihrem Wert verkaufen. Beruf tätig ist, ist was Besonderes, beschreibt Frauen müssen deshalb ihre Weiblichkeit aber Gerlinde Arzbergers 14-jähriger Sohn und findet noch lange nicht unterdrücken und sich den es super, wenn eine Frau so einen Beruf erlernt. Männern anpassen. Ganz wichtig findet sie, dass Er bewundert seine Mutter dafür, dass sie die Aus- Mädchen vor der Berufswahl oder Wiedereinstei- bildung begonnen und durchgehalten hat. gerinnen ihre persönlichen Stärken und Vorlieben herausfinden. Vor diesem Hintergrund ist es dann Sein Vater und er haben sie dabei voll unterstützt leichter, sich den passenden Beruf oder Bereich und ihr sehr zugeredet, die Lehre zu machen. Da- auszusuchen. Sie sollten auch mutig „Männerberu- mals war er elf Jahre alt und diese Zeit war für ihn fe“ ergreifen, auch wenn die Rahmenbedingungen, überhaupt nicht hart, auch wenn seine Mutter wie in ihrem Fall die Berufsschule, es den Frauen während der Berufsschulzeit nur am Wochenende nicht immer leicht machen. Eine spannende Mög- zu Hause war. Um den Haushalt kümmerte sich lichkeit erscheint ihr, Berufe in Praktika oder sein Vater und für ihn hat alles gepasst. Schnupperlehren auszuprobieren. „Ich wünsche Schwierige Phasen und Durchhänger gab es für jeder Frau, dass sie das Glück hat, das zu finden seine Mutter, wenn sie z.B. einen schweren Test vor was sie gut kann, und auch die passende Firma zu sich hatte, den sie nie zu schaffen glaubte, oder das finden, dann geht alles von selbst.“ ganze Wochenende vor dem Computer verbringen musste. Je nach ihren Bedürfnissen versuchten sie ihr zu helfen. Sie ließen sie in Ruhe, wenn sie das brauchte, prüften sie ab oder halfen ihr in Eng- lisch. Ihn selbst - der wie seine Eltern ebenfalls in die technische Richtung tendiert - beeinflusste die Aus- bildung seiner Mutter bei der Berufsentscheidung nicht, da er schon vorher konkrete Vorstellungen hatte. In seiner Klasse gibt es eine Mitschülerin, die KFZ-Mechanikerin werden will, die anderen Mädchen bevorzugen eher die typischen Frauenbe- rufe wie Friseurin. Eine Ursache dafür schiebt er der Schule zu, die einen positiven Einfluss ausüben könnte. In seiner Schule haben die Mädchen kein technisches, sondern nur textiles Werken. Schon von da her kommen sie gar nicht mit technischen Themen in der Praxis in Kontakt. 5 ZerspanungstechnikerInnen sind für die Planung, Durchführung und Kontrolle der Herstellung von Bauteilen mit Maschinen und Fertigungsanlagen mittels spanabhebender Werkstoffbearbeitung (z.B. Feilen, Fräsen, Schleifen von Metall) zuständig. 11
Eva Maria Sallaberger, 22 Jahre, Kunststoffformgeberin, Lambrechten, Oberösterreich „Mir taugt das was ich mache, da bin ich richtig in meinem Element.“ Vor beinahe neun Monaten hat Eva Maria Salla- stoffverarbeitung, bei der sie sich einige Monate berger die Lehre zur Kunststoffformgeberin mit davor bereits beworben hatte, als Hilfsarbeiterin im Auszeichnung abgeschlossen. Das ist nicht ihr er- Zwei-Schicht-Betrieb anfangen. Als das Unterneh- ster Lehrabschluss, denn sie hat gleich nach dem men im Jahr 2002 Personal abbauen musste, wurde Polytechnischen Lehrgang mit einer Lehre als Ke- Eva Maria Sallaberger arbeitslos. „Im Nachhinein ramikmalerin angefangen, weil sie immer schon gesehen muss ich sagen Gott sei Dank, weil ich kreativ war und gerne gezeichnet und gebastelt hat. sonst nie die Chance für diese Ausbildung bekom- Hätte sie damals diese Lehrstelle nicht bekommen, men hätte.“ wäre sie gerne Bäckerin geworden oder hätte etwas Als sie sich beim Arbeitsmarktservice arbeitslos Handwerkliches lernen wollen wie z.B. Tischlerin. meldete, erkundigte sie sich gleich nach Kursen. Für Berufsbereiche, die viele andere Mädchen Zu dieser Zeit gab es jedoch keine Angebote für wählen, wie Verkauf, Büro oder Gastronomie sie und Eva Maria Sallaberger bewarb sich erfolg- interessierte sie sich nie. Da sie eher eine Einzel- los bei unterschiedlichen Firmen. Als sie einige gängerin war, wollte sie in ihrem Beruf nicht per- Zeit später wieder beim AMS vorsprach und dies- manent mit unterschiedlichen Leuten konfrontiert mal konkret mit dem Wunsch nach einer hand- sein. werklichen Ausbildung, wurde sie auf einen Kurs Für die Lehre als Keramikmalerin musste die da- im Bereich Kunststoffformgebung aufmerksam mals 15-Jährige nach Gmunden übersiedeln und gemacht, der aber noch in Planung war. Ein paar bezog dort sogar eine eigene Wohnung. „Ich Wochen später wurde sie zum Infoabend eingela- konnte damals mein eigenes Leben anfangen und den. Obwohl sie sich nach dem Informationsabend das war sehr schön für mich, denn ich bin seit nicht genau vorstellen konnte, was auf sie zukam, meiner Kindheit schon sehr selbständig gewesen.“ entschied sie sich am Auswahlmodul teilzuneh- Dass sie nach ihrem ersten Lehrabschluss, den sie men. Vor der Entscheidung für diese zweite Lehr- auch mit Auszeichnung bestanden hatte, nur mehr ausbildung beriet sie sich mit ihrem Lebensgefähr- ein knappes halbes Jahr in Gmunden geblieben ist, ten. Es waren immerhin 1 ½ Jahre mit geringem hatte vor allem persönliche Gründe. Kurz nach Einkommen zu überbrücken. Er hat gemeint, dass dem Lehrbeginn in Gmunden, hatte sie in Ried ih- er sie, für was auch immer sie sich entscheidet, ren jetzigen Lebensgefährten kennen gelernt und unterstützen wird. dann 2 ½ Jahre eine Wochenendbeziehung geführt, Die Praxiswochen während der Ausbildung absol- was nicht immer leicht war. Ihren damaligen Ar- vierte Eva Maria Sallaberger bei der Firma Flor- beitsplatz zu verlassen fiel ihr nicht allzu schwer, ever, bei der sie auch jetzt noch arbeitet. Damals erstens konnte sie als „Ausgelernte“ nicht mehr gab es dort noch mehr Beschäftigte und es wurde in wirklich kreativ arbeiten und zweitens war der Ver- Zweierschicht gearbeitet. Kurz vor Ausbildungs- dienst als Keramikmalerin nicht sonderlich gut. ende sah es so aus, als ob sie ihren letzten Prakti- Zurück in ihrem Geburtsort konnte sie auch gleich kumsblock nicht mehr bei dieser Firma machen bei einer Firma, einem Großbetrieb in der Kunst- könnte, weil diese einen großen Bereich der Pro- 12
Stationen: 15-jährig: Lehre als Keramikmalerin in Gmunden ■ 18-jährig: Lehrabschluss, Arbeit im Ausbildungsbetrieb ■ 19-jährig: Rückkehr in den Geburtsort, Hilfsarbeiterin bei einem großen Produktionsbetrieb für Flugzeugteile aus Kunststoff ■ 20-jährig: 2 Monate arbeitslos; Beginn einer AMS geförderten FacharbeiterInnenintensivausbildung zur Kunst- stoffformgeberin beim bfi Ried ■ 22-jährig: Lehrabschluss mit Auszeichnung, seitdem Beschäftigung im Praktikumsbetrieb Florever. duktion aus Rentabiliätsgründen einstellen musste. Doch schließlich gab es einen Neustart in kleinerer Form mit der Konzentration auf den Sonderfor- menbau, wo Eva Maria Sallaberger nun auch fix angestellt ist. Aus- und Weiterbildung Eva Maria Sallaberger will immer wieder etwas Neues lernen. Deswegen bereut sie auch ihre ur- sprüngliche Ausbildung als Keramikmalerin nicht, obwohl sie diese in ihrem jetzigen Beruf nicht mehr verwerten kann. Sie nahm die Herausforder- ung der 1 ½ -jährigen FacharbeiterInneninten- Berufsalltag und Vereinbarkeit sivausbildung zur Kunststoffformgeberin gerne an. Eva Maria Sallabergers Arbeitstag beginnt um 7:30 Uhr und endet um 16:45 Uhr, am Freitag Zu Beginn dieser Ausbildung stand ein Auswahl- schon zu Mittag. Zu ihren Hauptaufgaben gehört modul, wo vor allem Allgemeinwissen überprüft die Fertigung von Sonderformen. Sie stellt Hydro- wurde. Dann ging es weiter mit einem Theorie- wannen im Tiefziehverfahren1 her. Dazu ist es zu- und Praxisblock von ein paar Wochen. Dieser wur- nächst einmal notwendig die Sonderform nach den de teilweise in der Werkstatt eines Ausbildungs- Wünschen der Kundschaft auf dem Computer im zentrums in Lenzing absolviert (war also auch CAD2 zu zeichnen. Die Zeichnung dient dann als sehr praktisch angelegt). Danach folgte das erste Schablone, nach der ein Einbau in eine Grundform Praktikum. eingepasst wird. Sie beschreibt diese Tätigkeit als eine Mischung aus Tischlerei- und Kunststoffar- Die Ausbildung setzte sich aus abwechselnd drei beit. Dann beginnt das sogenannte Tiefziehen, das Theorie- bzw. Praxisblöcken (Inhalt: Grundlagen Eva Maria Sallaberger mit Begeisterung in jeder Metallverarbeitung, Werkstoffkunde, Technisches Einzelheit beschreibt. Da es sich bei den Sonder- Rechnen, technische Physik, Lesen und Erstellen formen um Einzelstücke handelt, gilt es, sich von technischen Zeichnungen, Verarbeitungsme- immer wieder neue Lösungen zu überlegen. thoden in der Kunststoffproduktion, Qualitätskon- Obwohl die Tätigkeit körperlich anstrengend ist trolle und -sicherung, Umgang mit Maschinen und und sie auch manchmal Rückenprobleme hat, Geräten in der Kunststoffbearbeitung) und 3 min- möchte sie nie eine sitzende Tätigkeit ausüben. destens 3-monatigen Unternehmenspraktika zu- sammen. Wirklich schwer getan hat sich Eva Bei ihrer Arbeit wird Eva Maria Sallaberger nur Maria Sallaberger in der Ausbildung nie, das Ler- von einer Kollegin, die Hilfsarbeiterin ist, unter nen ist ihr immer leicht gefallen. Nur manchmal 1 Tiefziehen ist eine bestimmte Art der Kunststoffbearbeitung. gab es Probleme in der Gruppe, die sich dann aber 2 CAD = Computer Aided Design. Mit Hilfe eines computergesteuerten auch wieder gegenseitig gut unterstützte. Systems werden technische Zeichnungen entworfen und bearbeitet. 13
Eva Maria Sallaberger, 22 Jahre, Kunststoffformgeberin, Lambrechten, Oberösterreich stützt. Da ihr Chef sich vor allem um den KundIn- Blick zurück und Zukunftsperspektiven nenkontakt und die Büroarbeit kümmert, ist sie in Eva Maria Sallaberger ist froh über alle Erfahrun- der Produktion fast völlig selbständig, was ihr be- gen, die sie in ihrem bisherigen Berufsleben ge- sonders gefällt. Sie schätzt es, sich bei ihrer macht hat. Ihre Lehrzeit in Gmunden war wichtig Arbeit frei entfalten zu können. Dass sie in einem für ihre Selbstständigkeit. Kleinstbetrieb arbeitet, entspricht ihr sehr, denn sie Als Hilfsarbeiterin in einem Großbetrieb hat sie war nie ein Gruppenmensch. Obwohl sie in einem gesehen, dass Zusammenarbeit wichtig ist, was Großbetrieb vermutlich besser verdienen könnte, auch heißt Kompromisse zu schließen. Könnte sie sind ihr Betriebsklima, kreatives Arbeiten und Ei- die Zeit zurückdrehen, würde sie eigentlich alles genständigkeit weitaus wichtiger. „In einem Groß- noch einmal so machen. betrieb wäre ich eher eine Nummer und müsste Von Seiten der Familie wurde Eva Maria Sallaber- vermutlich sehr oft dasselbe machen und das wäre ger nie etwas in den Weg gelegt, sie bekam die not- keine Herausforderung.“ wendige Unterstützung. Es hat auch niemanden Ihre jetzige Arbeit nennt sie ihren Traumjob, bei verwundert, dass sie nun einen handwerklichen dem sie quasi ihr eigener „Herr“ ist. Ihren Chef Beruf ausübt, weil das immer ihre Leidenschaft vertritt sie wenn es notwendig ist und legt Aufträge war. Ihr Lebensgefährte hat sie auch immer be- an, bearbeitet Anfragen und telefoniert mit Kund- stärkt und ist nun sehr stolz auf sie. Innen. Arbeit in einem Kleinstbetrieb bedeutet Als nächstes möchte Eva Maria Sallaberger die aber auch manchmal Rasen mähen oder Schnee- Prüfung zur Kunststoffschweißerin ablegen. Die schaufeln und Lieferfahrten zu den KundInnen, Kenntnisse dazu hat sie in der Facharbeiterinnenin- aber das stört Eva Maria Sallaberger nicht. tensivausbildung erworben. Längerfristige Zu- Eva Maria Sallaberger hat keine Kinder und da kunftspläne hat sie noch keine, weil ihr der aktu- auch noch keine Familiengründung geplant ist, hat elle Arbeitsplatz sehr gut gefällt und sie die „Dinge sie sich über das Thema Vereinbarkeit von Beruf auf sich zukommen lässt“. Vielleicht macht sie ein- und Familie bislang keine Gedanken gemacht. mal die MeisterInnenprüfung, sie könnte sich auch Theoretisch ließen sich Kinder und ihr Beruf ihrer vorstellen einmal ein größeres Team zu leiten. In Ansicht nach schon vereinbaren. dem Berufsfeld, in dem sie nun tätig ist, sieht sie prinzipiell gute Zukunftschancen. Frauen und Männer im Berufsleben Um Akzeptanz als Frau in einem „Männerberuf“ Empfehlung an Frauen zu finden, muss frau sich schon beweisen und auch Nach Ansicht von Eva Maria Sallaberger ist es durchsetzen können. Sie spricht aus eigener Erfah- wichtig, das eigene Leben selbst in die Hand zu rung, da sie einmal mit ihrem ehemaligen Vorar- nehmen. Dazu ist es notwendig, am eigenen beiter „zusammengekracht“ ist, weil sie eine Ar- Selbstbewusstsein zu arbeiten und es nicht allen beit anders gemacht hat wie ihr gesagt wurde und Recht machen zu wollen. Das hört sich zwar etwas er nicht erkannt hat, dass dahinter Können steckt. egoistisch an, aber ein bisschen Egoismus ist Danach hat die Zusammenarbeit mit ihm aber viel schon notwendig meint sie. Wichtig ist auch, sich besser funktioniert. Am Anfang müssen Frauen zu überlegen, was man wirklich machen will und wahrscheinlich mehr leisten, aber wenn erkannt bei der Umsetzung des Zieles nicht aufzugeben, wird, dass sie ihren Job beherrschen, werden sie sondern dranzubleiben. Nicht unterkriegen lassen schon akzeptiert. Insgesamt schätzt es Eva Maria ist ihre Devise und sich nicht alles zu sehr zu Her- Sallaberger in gemischten Teams zu arbeiten. zen zu nehmen, wie das sehr viele Frauen tun. Wenn sie eine Tochter hätte, würde sie diese bei ihrem eigenen Weg unterstützen. 14
Maximilian Ranseder Unternehmer und Chef von Eva Maria Sallaberger Maximilian Ranseder, der Chef von Eva Maria Auch ein weiteres Argument „dass man oft einfach Sallaberger, hatte beim ersten Gespräch mit ihr übernimmt ohne es zu hinterfragen“ zählt immer den Eindruck eine Person vor sich zu haben, die weniger, um Frauen nicht in männerdominierten weiß was sie will und worauf sie sich einlässt. Sie Berufen einzusetzen: Die notwendige körperliche hat das Praktikum bei ihm erfolgreich absolviert, Kraft. In Zeiten erhöhten Maschineneinsatzes obwohl es nicht immer leicht war. „nehmen auch die Männer den Stapler“. Unter- Eine zweite Praktikantin hat beispielsweise aufge- nehmen können aus seiner Sicht nur profitieren, geben, weil der damalige Vorarbeiter im Unterneh- wenn sie Frauen und Männer in ihren Teams ha- men doch „sehr grob mit Auszubildenden umge- ben. gangen ist und kleinste Fehler aufgebauscht wur- Die Kunststoffbranche sieht er als einen zukunfts- den.“ trächtigen Bereich, Frauen wären hier insbesonde- Er schätzt an Eva Maria Sallaberger ihre Genau- re in der Entwicklung sehr gefragt, weil es hier viel igkeit und ihr Eigenengagement, sie ist bestrebt um Design geht. Die spezifischen Ausbildungsbe- von sich aus ihre Arbeitsabläufe zu optimieren, rufe bilden alle eine gute Grundbasis, von der aus „ die Impulse kommen von ihr. Seit sie im Bereich eine weitere Spezialisierung sinnvoll ist. Bevor der Sonderformen tätig ist, gab es keine Reklama- sich Frauen für einen technischen oder handwerk- tionen von KundInnen über die Produktqualität, lichen Beruf entscheiden, sollten sie nach Ansicht ihre Vorgänger waren da etwas schlampiger“. von Maximilian Ranseder genau schauen, was sie Dass Frauen teilweise noch immer nicht in män- wirklich machen wollen und was zu ihnen passt. nerdominierten Berufen akzeptiert werden, hat Aus diesem Grund hält er gute Orientierungs- seiner Ansicht nach nicht nur mit veralteten Ein- phasen vor dem Beginn von Aus- und Weiter- stellungen zu tun, sondern auch mit der Angst der bildungen für wesentlich. Dies gilt allerdings Männer, Frauen könnten auf Fähigkeiten zurück- auch für Männer. greifen, die Männer nicht haben. Allerdings meint er, dass sich die Zeiten wandeln und immer mehr Unternehmen Frauen in technischen und hand- werklichen Bereichen einsetzen. Dies trifft sich mit der erhöhten Bereitschaft von Frauen, sich in diese Felder zu wagen. Frauen haben seiner Ansicht nach lange eher „Angst vor der Technologie“ ge- habt und nun die Erfahrung gemacht, dass diese Angst unbegründet ist und die Technologie be- herrschbar ist. 15
Adele Steiner, 53 Jahre, selbständig im Officemanagement, Wien „Man muss sich immer überlegen, was kann ich, wo sind meine Stärken und was kann ich daraus machen“. Adele Steiner, agile Vertreterin der Generation Da diese Jobs wenig Herausforderung boten, stürz- 50-plus und seit kurzem Großmutter, sammelte te sie sich damals zum ersten Mal in eine Art Selb- vielfältige Berufserfahrungen und absolvierte ein ständigkeit und verkaufte auf Provisionsbasis Fer- Studium, bevor sie sich vor eineinhalb Jahren selb- tigteilhäuser. Diese Verkaufstätigkeit im Außen- ständig machte. Sie teilt ihr Erwachsenenleben in dienst ließ sich allerdings aufgrund der vielen drei Dekaden ein: erstes Berufsleben vor den Kin- Abend- und Wochenendtermine schwer mit der Fa- dern, Kinder und Studium, zweites Berufsleben. milie vereinbaren und so kehrte sie zum Bürobe- Nach der HAK-Matura arbeitete sie zehn Jahre reich zurück, wurde aber bald wieder enttäuscht. lang in verschiedenen kaufmännischen Bereichen, Das Problem war nicht, einen Job als Sekretärin zu beispielsweise als klassische Sachbearbeiterin oder finden, „eine hochqualifizierte erfahrene Frau darf als Anzeigenleiterin für Fachzeitschriften. Danach ruhig auch älter sein“, sondern die Bezahlung. reiste sie ohne Geld nach Australien und verdiente „Ich nehme mir die Freiheit zu sagen, ich habe die sich dort mit Jobs ihren Lebensunterhalt. Nach ih- entsprechende Erfahrung, das Know-how, ich kann rer Rückkehr heiratete sie und bekam knapp was, also muss es doch auch möglich sein, dass hintereinander zwei Kinder. Noch während der meine Arbeit auch entsprechend honoriert wird.“ zweiten Schwangerschaft trennte sie sich von Als bei der letzten Beschäftigung noch Kommuni- ihrem Mann. kationsprobleme mit jüngeren KollegInnen und Allein mit Kleinkind und Baby begann sie ein Stu- Mobbing dazu kamen, beschloss Adele Steiner dium und ersparte sich so eine Psychotherapie, er- sich mit Hilfe des AMS selbständig zu machen. läutert Adele Steiner. Damit war das Studium nicht Dass das AMS Arbeitslose, die ein Unternehmen primär eine Berufsausbildung, sondern ermöglich- gründen wollen, unterstützt, wusste sie von Be- te ihr einen größeren Freiraum als eine Berufstätig- kannten. Ihre AMS-Beraterin befürwortete die Idee keit. Bei der Kinderbetreuung unterstützten sie an- zur Selbständigkeit, das Grundkonzept (Officema- fangs die Großmütter und später StudienkollegIn- nagement für andere Unternehmen) bestand die nen, die sich mit Begeisterung um die Kinder küm- Überprüfung auf Realisierungschancen und Adele merten. Im Laufe des Studiums lernte sie ihren Steiner wurde in das Unternehmensgründungspro- jetzigen Mann kennen und bekam ein drittes Kind gramm aufgenommen. - ihr zweiter Sohn ist mittlerweile 12 Jahre alt. Nach der Karenzzeit versuchte Adele Steiner einen Trotz relativ geringer Startinvestitionen (Kauf „sanften“ Wiedereinstieg. Sie wollte Teilzeit arbei- eines Computers, Aufbau einer Firmenwebsite) ten, um mehr Zeit für die Familie zu haben, auch musste sie am Anfang eine Durststrecke durchste- wenn das die Auswahl an guten Stellen ein- hen. In ihrer Altbauwohnung hat Adele Steiner ei- schränkte. Eine Ganztagsbeschäftigung lässt sich ne Zwischendecke eingezogen und sich darauf ein zwar auch mit drei Kindern organisieren, meint kleines Büro eingerichtet. Als Starthilfe nahm sie sie, jedoch mit großem Aufwand und Energieein- die JungunternehmerInnen-Förderung über die satz, was jüngeren Frauen doch leichter fällt. Wirtschaftskammer in Anspruch. Für die Werbung um Kundschaft nutzte sie ihr Sozialnetz und die 16
Stationen: 20-jährig: HAK-Matura, danach 10 Jahre diverse kaufmännische Tätigkeiten; Auslandsaufenthalt in Australien ■ 30-jährig: Heirat, knapp hintereinander Geburt einer Tochter und eines Sohnes, Trennung vom Ehemann; Studium der Theaterwissenschaften ■ 40-jährig: Abschluss des Studiums; zweite Eheschließung, Geburt des zweiten Sohnes; Wiedereinstieg ins kaufmännische Berufsleben, mehrere Jobwechsel ■ 50-jährig: Unter- nehmensgründungsprogramm über das AMS1, Gründung der Firma Mahost; seit 1 ½ Jah- ren selbständig im Officemanagement2. zahlreichen beruflichen Kontakte aus den früheren Jobs und erhielt bald die ersten Aufträge. Aus- und Weiterbildung Im Rahmen des AMS Unternehmensgründungs- programms wurde Adele Steiner von einem per- sönlichen Berater ein halbes Jahr kostenlos unter- stützt. Besonders hilfreich fand sie, dass das Grün- dungskonzept auf die wirtschaftliche Umsetzbar- keit hin beleuchtet wurde. Gemeinsam wurden auch passende Kurse (Buchhaltung, Steuer und Recht) und Workshops wie Zeitmanagement und Marketing ausgesucht. Dieses Basiswissen war für die Unternehmensgründung sehr wichtig. Daneben bestand die Möglichkeit, Fachkurse zu besuchen, die für die Umsetzung der Gründungsidee noch fehlten. Im Falle von Adele Steiner war dies ein Apple Einführungskurs, um auch für KundInnen, „Denn es ist für viele günstiger, bei Bedarf Externe die dieses Computersystem nutzen, arbeiten zu zu engagieren als ständig Personal anzustellen“. können. Das andere Fachwissen war vorhanden, Die Ausgangsidee war, für JungunternehmerInnen weil sich Frau Steiner im kaufmännischen Bereich den lästigen Papierkram, Anträge und Amtswege immer auf dem Laufenden gehalten hatte. zu übernehmen sowie KünstlerInnen und Kultur- schaffenden die kaufmännische Organisation des Die halbjährige Gründungsphase bestand aber Alltags abzunehmen. Dies scheiterte aber an den nicht nur im Erlernen von theoretischen Grund- fehlenden finanziellen Ressourcen dieser Zielgrup- lagen. Wichtig war auch, im Zuge einer Markt- pe. Jetzt sind ihre KundInnen schon etabliertere recherche abzuklären, ob es überhaupt Bedarf an Selbständige und Firmen mit temporären Engpäs- der Leistung, die sie anbieten wollte, gab. sen, „diese kann ich gut ausfüllen, weil ich mich Berufsalltag und Vereinbarkeit durch meine Gesamterfahrung einfach sehr schnell in eine Einzelproblematik hineindenken kann“. Adele Steiner bietet Officemanagement an. Sie Auch das wissenschaftliche Arbeiten, das sie im übernimmt Bürotätigkeiten für Personen und Studium erlernte, nützt ihr heute, z.B. für das Er- Unternehmen, die sich kein eigenes Sekretariat lei- stellen von Konzepten. sten wollen oder können oder zeitliche Engpässe haben. „Die Idee kam einfach aus dem heraus, was 1 Mehr über das AMS Unternehmensgründungsprogramm (UGP) ich gut kann und der Orientierung am Markt“, finden Sie auf Seite 69 erläutert Adele Steiner. 2 Unter Officemanagement wird die Organisation eines Büros verstanden. 17
Adele Steiner, 53 Jahre, selbständig im Officemanagement, Wien Lebensqualität bedeutet für Adele Steiner ein Job, In ihrem Umfeld gab es viele SkeptikerInnen, die der Freude macht und Zeit für die Familie zu ha- zum Teil zwar ihre Gründungsidee gut fanden, ben. Das lässt sich mit ihrer Selbständigkeit reali- aber zweifelten, dass es funktioniert. „Hätte ich sieren. Im Schnitt arbeitet sie 20 Stunden wöchent- mich auf das Feedback des Umfelds verlassen, hät- lich. Ihre Haupttätigkeit besteht aus Organisation. te ich es wieder bleiben lassen.“ Das Meiste erledigt sie über das Telefon von zu Das Unternehmen von Adele Steiner läuft bis jetzt Hause aus, für Besprechungen fährt sie zu ihren gut, sie kann davon leben und die Auftragslage ist KundInnen. Für reine Routinetätigkeiten, wie etwa im Ansteigen begriffen. Unter ihren KundInnen Schreibarbeiten, engagiert sie StudentInnen. Fix befinden sich Wirtschaftsunternehmen ebenso wie angestellte MitarbeiterInnen hat sie keine. Kultur- und Sozialprojekte. Letztere unterstützt sie Den großen Vorteil im Unterschied zum Ange- zum Teil mit günstigeren Tarifen. Von Erfolg zu stelltenverhältnis sieht sie in der Eigenverantwor- sprechen, getraut sie sich erst, wenn es längerfri- tung und Selbstbestimmtheit. Sie entscheidet, stig so bleibt. Adele Steiner ist aber zuversichtlich, was zu tun ist und welchen Auftrag sie annimmt. dass es bis zu ihrer Pensionierung in sechs bis acht Jahren gut weiterlaufen wird. Frauen und Männer im Berufsleben Frauen brauchen mehr Selbstbewusstsein und Empfehlungen an Frauen mehr Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. „Wir Frauen können sich in allen Bereichen selbständig können unheimlich viel, wir müssen uns nur trau- machen. Voraussetzung ist, dass sie ihr Fach wirk- en. Was das Gros der Männer kann, kann jede Frau lich beherrschen. Frauen mit Gründungsabsichten optimal machen.“ müssen sich das reiflich und ehrlich mit sich selbst ausmachen und mit sonst niemandem, weil letzt- Blick zurück und Zukunftsperspektiven endlich ist jede auf sich selbst gestellt. Sie müssen Adele Steiner stieg in den 70er Jahren in das Be- sich darüber im Klaren sein, dass es ein Risiko ist rufsleben ein. Die Situation damals lässt sich ihrer und dass es Durststrecken gibt. Frauen mit ausge- Ansicht nach mit heute nicht vergleichen. Damals prägtem Sicherheitsdenken, die schnell Existenz- konnte sie sich Jobs nach ihren Vorstellungen aus- ängste haben, würde Adele Steiner von so einem suchen, wobei immer etwas Kreatives und viel Ab- Schritt abraten. Es braucht Kraft und Ausdauer, wechslung dabei war. Rückblickend würde Adele aber auch Glück bzw. den Mut, das Glück zu for- Steiner kaum etwas anders machen. Beim Gedan- dern und Vertrauen in sich selbst. ken, dass die große Karriere durchaus möglich ge- wesen wäre, verspürt sie keine Wehmut, weil sie diese nie angestrebt hat. Dazu hätte sie in einer Branche bleiben und auf Abwechslung und Vielfalt verzichten müssen. Und gerade diese Erfahrungen kommen ihr heute zu Gute, in Form einer breitges- treuten Fachkompetenz, Flexibilität, Kommunika- tionsfähigkeit, Einfühlungsvermögen und zahlrei- cher Kontakte. 18
Karin Schwind Angestellte im PR-Bereich und Freundin von Frau Steiner Nach Ansicht von Karin Schwind, die seit 16 Jah- Zudem verfügt sie nicht über den UnternehmerIn- ren mit Adele Steiner befreundet ist, kennzeichnet nengeist und die Fähigkeiten ihrer Freundin, Adele Steiner eine ungeheure Dynamik. Sie ist im KundInnen zu akquirieren und sich selbst gut zu Beruflichen ebenso offen wie im Privaten, hat im- verkaufen. Adele Steiner hat es ihrer Ansicht nach mer sehr viele neue Ideen und nimmt Neues bereit- geschafft, weil sie mutig ist, sich etwas traut und willig und schnell auf. Einen x-beliebigen, unkrea- das konsequent verfolgt. tiven Beruf wollte ihre Freundin nie ausüben. Frauen, die eine Selbständigkeit anstreben, benöti- gen Selbstbewusstsein, Durchsetzungsfähigkeit, Dass Adele Steiner sich selbständig gemacht hat, Mut und fachliches Wissen. Haben sie auch Kinder, fand Karin Schwind von Beginn an sehr positiv. brauchen sie jemanden, der ihnen den Rücken frei- Sie hat sich eigentlich keine Sorgen um sie ge- hält, entweder einen Partner oder Personen aus macht und war zuversichtlich, dass es klappen der Familie oder dem Freundeskreis, fasst Karin würde. Denn wenn Adele Steiner etwas macht, Schwind zusammen. Für sie selbst, die zwölf Jahre dann haut es hin. Sie schleppt Rückschläge nicht jünger ist, ist Adele Steiner in vieler Hinsicht ein jahrelang mit sich herum, sondern hat gleich drei Vorbild. Ältere Frauen müssen sich nicht zwangs- neue Ideen parat. läufig ins Häusliche zurückziehen oder auf die Ret- Karin Schwind hat sich auch schon selbst mit dem tung von außen warten. Gedanken getragen, sich selbständig zu machen, hat aber ein viel zu großes Sicherheitsbedürfnis. 19
Urzula Wegiel, 36 Jahre, Altenpflegehelferin, Wien „Mein Beruf ist wie eine Berufung für mich.“ In einem Jahr wird Urzula Wegiel das Abschlussdi- Person zu suchen, die einen aus der Tiefe ziehen plom ihres Traumberufs in Händen halten. Schon und aufbauen kann.“ als 14-jähriges Mädchen wollte sie Krankenschwe- Das Diplom der Altenpflegehelferin war schließ- ster werden, machte aber - dem Wunsch ihrer Mut- lich nicht nur ein persönlicher Erfolg für Urzula ter entsprechend - einen Umweg über eine techni- Wegiel, sondern vereinfachte ihr Leben als Mi- sche Schulausbildung in Polen. Nachdem sie bei grantin in Österreich, indem es den Zugang zu Ar- ihrer Maturareise erstmals Wien kennen gelernt beitsbewilligung und StaatsbürgerInnenschaft er- hatte, wollte sie hier ein bis drei Monate bei einer leichterte. Der Berufswunsch Krankenschwester polnischen Familie arbeiten, um ihre Familie in beschäftigte die nach Beendigung der Schule in ei- Polen finanziell zu unterstützen und dann in Polen nem Pflege- und Sozialzentrum angestellte Alten- weiter studieren. Schließlich erkannte sie, dass sie pflegehelferin immer noch. Für sie als alleinste- in Österreich beruflich viel bessere Aussichten hat, hende Mutter gab es zu diesem Zeitpunkt in Wien und blieb in Wien. jedoch keine Möglichkeit zu dieser Ausbildung, Trotz schwieriger Umstände näherte sich Urzula ohne in eine finanzielle Katastrophe zu geraten. Wegiel konsequent und stetig ihrem Ziel. Mit 22 Urzula Wegiel ließ nicht locker und sprach hart- Jahren besucht sie einen Heimhilfekurs bei der näckig immer wieder über diesen Wunsch bei der Caritas Socialis in Wien. Im Jahr darauf wird sie Pflegedienstleitung vor. Vor zwei Jahren tat sich Mutter eines Sohnes. Als Heimhelferin war sie mit der Bildungsoffensive ihre Chance auf und sie nicht glücklich und beschloss daher, sich in der wurde zur Aufnahmeprüfung eingeladen. Die Karenzzeit weiterzubilden. Da ihre Deutschkennt- Freude darüber überwog die Angst und Urzula nisse damals noch nicht für die Krankenschwes- Wegiel wurde aufgenommen. ternausbildung ausreichten, absolvierte sie vorerst die Fachschule für AltenpflegehelferInnen. Unter- Ausbildung und Weiterbildung stützung bei der Kinderbetreuung erhielt die allein- Die berufsbegleitende Ausbildung zur Kranken- erziehende Mutter in den ersten Jahren von ihren pflegerin dauert drei Jahre. Einen Tag pro Woche extra aus Polen angereisten Eltern. ist Schulunterricht, ca. 1600 Stunden Praktikum Diese Zeit beschreibt sie als extrem belastend. sind auf verschiedenen Stationen zu absolvieren. Um in der Schule mitzukommen, lernte sie stun- In den praktikumsfreien Zeiten ist die normale denlang Deutsch. Um das Karenzgeld aufzubes- Arbeit im eigenen Krankenhaus zu erledigen. Das sern, musste sie am Wochenende arbeiten. Am be- Grundgehalt wird weiterbezahlt. Urzula Wegiel hat lastendsten empfand sie jedoch den psychischen ihre Stunden von 40 auf 30 reduziert, um Zeit zum Druck, zu wenig Zeit für ihr Kind zu haben. Trotz Lernen zu haben und macht kaum Nachtdienste, sehr guter Noten nach dem ersten Jahr, wollte sie weil sie sonst nicht lernfähig wäre. Immer wieder damals die Ausbildung abbrechen. Davon abgehal- galt und gilt es harte Zeiten und Tiefpunkte zu ten hat sie der Hinweis ihrer Schuldirektorin, dass überwinden. Besonders der Anfang war für Urzula sie das, was sie jetzt für sich macht, auch für dieu- Wegiel schwierig und von Selbstzweifeln geprägt. kunft ihres Kindes macht. „Wichtig ist, sich eine „Schaffe ich es noch mit 34 Jahren stundenlang zu 20
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