Aus stein? - Tag des Denkmals 2013

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Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
Denkmalpflege in Österreich 5. Jahrgang, Ausgabe 2/2013

                                                                                                              TAG DES
                                                                                                             Denkma
                                                                                                                    ls
                                                                                                              29. Sept
                                                                                                                       em   ber
Österreich 9,- Euro ● Schweiz 16,- SFR ● EU 10,- EURo

                                                        Aus Stein? – Tag des Denkmals 2013
                       Was eigentlich ist Stein? ● Gestein im Gespräch ● Blaustein in der Wiener Hofburg ● Stumme Zeugen
                       Steinsammlung in Mauerbach ● Tipps zum Schutz der Steine ● Berillen und cristallen wart vür glas gesetzt
Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
Alles um uns verändert sich. Und das immer schneller.
Da ist es wichtig, dass man nicht nur nachhaltig plant,
sondern auch so handelt. Damit, was immer schon gut
war, auch in Zukunft seinen Platz hat.
                         Nur eine Bank ist meine Bank.

                         Erst wenn man immer einen Schritt voraus ist, hat man auch
                         genug Zeit, sich umzudrehen und zu erkennen, dass man auf
                         dem richtigen Weg ist. Seit mehr als 100 Jahren bietet Raiffeisen
                         Lösungen nicht nur für den Moment, sondern immer auch für
                         die Zukunft. www.raiffeisen.at
Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
Denkmal heute 2/2013

Editorial

                                                                                                                                                       Foto © G. Bergmeier, L. Nitsche/Graphische
                                                              Foto © Raimo Rudi Rumpler

Die Österreichische Gesellschaft der Denkmalfreunde freut                                 Mit der aktuellen Ausgabe von „Denkmal heute“ steht erneut
sich, Ihnen in dieser Ausgabe von „Denkmal heute“, zum Tag                                das Motto des Tags des Denkmals und damit die Frage
des Denkmals, die Vielfältigkeit des Materials Stein – speziell                           < aus Stein? > im Zentrum. Stein, die planetare Urmaterie,
in der Baukunst und Skulptur – aufzuzeigen: Ob Denkmal,                                   hat wie kaum ein anderer Stoff die kulturelle Entwicklung der
Schloss, Kirche oder Schatzfund, das österreichische Kultur-                              Menschen geprägt. Steinerne Denkmale erzählen uns
erbe bietet ein bemerkenswertes Angebot an spannenden                                     Schicksalsgeschichten: als Meilenstein, Grabstein, Mühl-
und manchmal überraschenden Aspekten zum Thema Stein.                                     stein, Schmuckstein, Kunststein, Grenzstein, Ziegel-
Denn Stein ist viel mehr als nur ein Baumaterial!                                         stein, Gerichtsstein, Flussstein und als Steinwerkzeug.
                                                                                          Als Werkstoff und Rohstoff ist Stein, aber auch Stein-
Wie vielfältig und manchmal unbekannt die Palette der An-                                 imitat und Kunststein für Bau- und Kunstdenkmale sowie
wendung von Stein in Baudenkmalen und skulpturaler Kunst,                                 für die Kulturlandschaften von fundamentaler Bedeutung.
in technischen Denkmalen oder in der Kulturlandschaft sowie                               Mit der Widerstandfähigkeit von Stein ist seit jeher auch der
im Bereich der Archäologie ist, erfahren Sie in dieser Ausgabe.                           Gedanke der Memoria verbunden. Die Sehnsucht des Men-
Folgen Sie uns auf den Pfaden durch die in Stein gemeißelte,                              schen, ewig in Erinnerung zu bleiben, ist in zahllosen
aber dennoch lebendige kulturelle Geschichte, die einen großen                            Beispielen unseres kulturellen Erbes aus Stein festgemacht.
Teil unserer gemeinsamen Identität ausmacht.
                                                                                          In seiner Eigenschaft als fast unzerstörbarer Gedächtnis-
Die Gesellschaft der Denkmalfreunde will mit Ihrer Unter-                                 träger, der die ihm anvertrauten Botschaften scheinbar ewig zu
stützung dazu beitragen, diese Werte zu bewahren und so an die                            bewahren vermag, steht Stein gleichsam symbolhaft für den
zukünftigen und nachfolgenden Generationen weiterzugeben.                                 Anspruch der Denkmalpflege, die materiellen Zeugnisse
Wir laden Sie ein, unserer Gesellschaft beizutreten, dieses                               unserer Geschichte authentisch und lebendig für die Zukunft
Gedankengut durch Ihre Mitgliedschaft weiterzutragen und                                  zu bewahren. Die Methoden der Denkmalpflege sind – wie
die Bewahrung des kulturellen Erbes auch zu Ihrem Anliegen                                die der Wissenschaften – nicht in Stein gemeißelt. Mit neuen
zu machen. Wir wollen Sie für die Bewahrung des kulturellen                               Erkenntnissen und dem rasanten Zuwachs an Wissen sind
Erbes begeistern und als neue Mitglieder gewinnen!                                        Denkmalforschung, Denkmalschutz und Denkmalpflege ge-
                                                                                          fordert, die Auseinandersetzung mit den Denkmalen immer
                                                                                          wieder aufs Neue anzugehen. Das aktuelle „Denkmal heute“
                                                                                          vermittelt diese Prozesse anhand vieler konkreter Beispiele.

Mag. Martin Böhm                                                                          Dr. Barbara Neubauer
Präsident der Österreichischen Gesellschaft                                               Präsidentin des Bundesdenkmalamtes
der Denkmalfreunde

                                                                                                                                                                    3
Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
Inhalt
                                   44                                       56

    Denkmalpflege Aktuell

    Wotrubas Kalksteinfigur „Sitzender“             6   aus Stein?
    Historische Gärten: Die künstliche Ruine im         < aus Stein? >
    Schlosspark Damtschach                          8   Was eigentlich ist Stein?                    30
    Burgenland:
    Ein ehemaliges k.k. Kadetteninstitut           10   Interview mit SteinexpertInnen:
                                                        „Oft ist es besser, weniger zu tun“          32
    Kärnten:
    Günther Domenigs künstlerisches Vermächtnis    12   Blaustein in der Wiener Hofburg
                                                                                                     36
    Niederösterreich:                                   Das Herzogengrab im Frauenchor des
    Spurensuche Geschichtlichkeit – Stift Zwettl   14   Wiener Stephansdoms                          40
    Oberösterreich:
    Die Herz-Jesu-Kirche in Wels                   16   Interview: Tipps zum Schutz der Steine
                                                                                                     42
    Salzburg: Die Ruine des ehemaligen                  Die Steinsammlung der Wiener
    Ansitzes Gröbendorf in Mariapfarr              18   Weltausstellung 1873                         44

    Archäologie: Am Anfang war der Stein?          20   Steinimitation und Kunststein
                                                                                                     48
    Steiermark: Burg Thalberg –
    Ein romanischer Stein- und Zeitzeuge           22   „Edelsteine“ in der Glasmalerei
                                                                                                     50
    Tirol:
    Der römische Meilenstein im Stift Wilten       24   Vom Lehmziegel zum Hightech-Produkt          52
    Wien: Eine tragende Rolle - die Atlanten im         Gedanken zur Ikonografie und
    Stadtpalais des Prinzen Eugen                  26   Ikonologie des Steins                        56
    Vorarlberg: Ensemble Altstadt Feldkirch:            Stumme Zeugen – „Und die Steine sind hart,
    Immer für Überraschungen gut                   28   aber fest unser Schritt“                     60

4
Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
Denkmal heute 2/2013

             52

                                             36                    6

Denkmal Aktiv
Die „Steinklasse“ an der Angewandten    64
Österreichische Gesellschaft der
Denkmalfreunde                          66

Die Wiener Höhenstraße                  68

Die Steinmetze der Linzer Dombauhütte   70
                                                                  74
Symposium „kirchenRÄUMEn“               72
Das Rote Wien –
                                                                 61
„Der steinerne Wahlaufruf!“             74
Denkmaltag für Schulen 2013:
So lebendig kann Stein sein             78
LERNORT DENKMAL
Internationaler Fotopreis „IHPE“        80

Europa Nostra-Preis 2013                81

Impressum, Vorschau                     82                       12
                                                                 40
                                                                         5
Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
DENKMALPFLEGE AKTUELL   Wotrubas Kalksteinfigur „Sitzender“

                                                           Fritz Wotrubas Kalksteinfigur
                                                           „Sitzender“ ist ein Sinnbild
                                                           unendlicher Einsamkeit

                                                           Die Figur
                                                           als Archetypus
                                                             Ulrike Emberger-Gaisbauer

6
Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
Denkmal heute 2/2013

Auf einem Felsblock hockt eine menschliche Figur in gebeugter     Literatur:
Pose, die Beine angewinkelt, die Arme lose auf den Knien
                                                                   Wotruba (1907–1975). Skulpturen – Zeichnungen – Druckgrafiken, Galerie
aufliegend. Der blockhafte, würfelige Kopf ist gesenkt, die        Welz, Salzburg 1999, Einleitung.
Gesichtszüge auf einen Nasenvorsprung und schmale Augen-
                                                                   Kurt Bartsch, Gerhard Melzer (Hrsg.), Zwillingsbrüder. Elias Canetti und
schlitze reduziert. Trotz Stilisierung und Reduktion ist der       Fritz Wotruba, Wien 2005, S. 79ff.
nach innen gerichtete Blick spürbar, eine Konzentration und
                                                                   Matthias Boeckl, Die Plastik des 20. Jahrhunderts. 1945–1975. Von der
Versenkung in die eigene Mitte. Der „Sitzende“ (H: 112 cm,         Figur zum Ritual, in: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich,
B: 58 cm, T: 85 cm) stellt jedoch kein Individuum dar, sondern     München/London/New York 2002, S. 210ff.
einen Archetypus, also einen alle Menschen in sich verei-          Otto Breicha (Hrsg.), Wotruba – Figur als Widerstand. Bild und Schriften
nenden Menschentypus, der jenseits von Raum und Zeit steht.        zu Leben und Werk, Salzburg 1977, S. 152.

                                                                   Otto Breicha, Fritz Wotruba Werkverzeichnis. Skulpturen, Reliefs, Bühnen-
Fritz Wotruba, 1907 in Wien geboren und zum Graveur und            und Architekturmodelle, St. Gallen 2002, WV Nr. 121.
Bildhauer ausgebildet, emigrierte 1938 mit seiner jüdischstäm-
                                                                   Wilfried Seipel (Hrsg.), Zeitlos. Das Menschenbild in der Skulptur und
migen Frau in die Schweiz, wo er die Kriegsjahre zubrachte.        Zeichnung Fritz Wotrubas. Eine Retrospektive, Wien 1995, Kat.-Nr. 18.
Als er 1945 aus dem Exil zurückkehrte und eine Professur
an der Akademie der bildenden Künste in Wien annahm, war
dies für den inzwischen 38-Jährigen ein völliger Neubeginn.
Es mangelte an allem, im praktischen Leben wie im univer-
sitären Alltag. Dennoch schuf sich der „Unerbittliche“ inner-
halb weniger Jahre eine Position als herausragender Bildhauer,
der in ganz Europa Anerkennung fand. Seine Wiener Wohnung
wurde zum Treffpunkt für Künstler, Musiker und Kreative, die
der Nachkriegs-Tristesse der Stadt entfliehen wollten, seine
Werke erzielten eine einzigartige Vorbildwirkung.

Wotrubas erste Arbeit nach dem Schweizer Exil war die 1946
entstandene Steinfigur „Große Stehende“ („Kathedrale“), ein
Sinnbild des zerstörten Stephansdoms, zugleich aber auch ein
Hoffnungsträger für eine ganze Generation. Zu jener Zeit setzte
der Wandel in Wotrubas Schaffen ein: eine zunehmende Stili-
sierung mit kubischen Formelementen, die das Blockhafte des
Steins immer mehr zum eigentlichen Ausdrucksträger werden
ließ.

Der „Sitzende“ repräsentiert den Übergangsstil hin zur späteren
Tektonisierung und macht – wie kein anderes Werk des Künst-
lers – den radikalen Entwicklungsprozess sichtbar, der sich
innerhalb einer minimalen Zeitspanne vollzog. Die Kalk-
steinfigur ist eine reife Arbeit von spröder Sinnlichkeit und
sensiblem Charme, die den suchenden und sich besinnenden
Menschen nach dem Krieg thematisiert: ein Bildnis unend-
licher Einsamkeit, aber auch einer wieder erwachenden
Hoffnung.

Das heute in Privatbesitz befindliche Werk wurde in Zusam-
menhang mit einer Versteigerung unter Denkmalschutz gestellt.
Ein Bronzeabguss befindet sich in der Fritz Wotruba Privat-       Fritz Wotrubas Kalksteinfigur „Sitzender“ ist 1946/47 entstanden und
stiftung Wien, ein weiterer im Eigentum der Stadt Zürich.         befindet sich in Privatbesitz © BDA, Fotos: Bettina Neubauer-Pregl

                                                                                                                                               7
Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
DENKMALPFLEGE AKTUELL   Künstliche Ruine im Schlosspark Damtschach

    Historische Gärten
                                                      Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erwarb Felix Wolfgang Baron

    Die künstliche                                    Jöchlinger von Jochenstein das Schloss Damtschach und
                                                      begann vermutlich ab 1817, einen großzügigen Landschafts-

    Ruine im                                          park im so genannten „englischen Stil“ anzulegen, der zeit-
                                                      typische Staffagebauten beinhaltete. Zu den besonderen Blick-
                                                      fängen in Damtschach zählt eine künstliche, gotisierende

    Schlosspark                                       Ruine südwestlich des Schlosses, die, der damaligen Gesin-
                                                      nung entsprechend, an Vergangenes gemahnen sollte. Das aus

    Damtschach
                                                      Bruchsteinmauerwerk und Ziegeln errichtete Bauwerk gilt als
                                                      eine der größten künstlichen Gartenruinen Österreichs. Ihre
                                                      Entstehung wird im Jahr 1824 vermutet.

                                                      Generell gibt es kaum schriftliche oder bildliche Überliefe-
     Stephan Bstieler
                                                      rungen zum Bauwerk. Die Ruine erstreckt sich südwestlich des
                                                      Schlosses entlang eines natürlichen Gefälles im Parkgelände.
                                                      Ihre zinnenbekrönte Mauer schließt direkt an die Schloss-

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Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
Denkmal heute 2/2013

                                                                                                 © BDA, Fotos: Petra Laubenstein

kapelle an und verläuft abfallend über einen kleinen Bach bis    Khevenhüller, der Gründerfamilie des Schlosses Damtschach,
hin zu einem Rundturm. Das Bauwerk, welches den Anschein         gestandenen Burgruine Aichelberg verwendet haben, um
einer verfallenen mittelalterlichen Burg erweckt, besitzt eine   dadurch die engen Beziehungen von Burg und Schloss zu
zum Garten hin gerichtete repräsentative Front und eine dem      dokumentieren. Mit der 2011/2012 erfolgten Restaurierung
Schloss zugewandte einfach gestaltete Rückseite samt einge-      der Ruine konnte sowohl der Bestand als auch das gealterte
stürzter Grotte.                                                 Erscheinungsbild des Bauwerkes erhalten werden.

Die reicher gestaltete Vorderansicht weist etwas Baudekor
in Form von Ziegelbögen und hervorstehenden Tragsteinen
(kleine Konsolen) an den Wehrtürmen sowie Blendbögen
aus Klinkersteinen auf. In der Hauptsache ist das Ruinen-
mauerwerk aus Grünschiefer-Bruchsteinen errichtet, die vor
Ort abgebaut wurden. Mehrere kleine Brüche entlang des
Bachufers legen diesen Schluss nahe. Zudem dürfte Baron
Jöchlinger für die Damtschacher Ruine ganz bewusst Wappen,
Kapitelle und Marmorlaibungen aus der im Besitz der

                                                                                                                                   9
Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
DENKMALPFLEGE AKTUELL                   Martinskaserne in Eisenstadt

     Die Fassade der mächtigen Martinskaserne, die zwischen 1853 und 1858 als k.k. Kadetteninstitut errichtet wurde, ist am Baustil des Wiener Arsenals orientiert.
     © BDA, Fotos: Martina Oberer-Kerth

                                                                                         Beispiele für historistische Architektur aus der Gründer-
                                                                                         zeit finden sich in Eisenstadt nur wenige, da sich das Stadt-
                                                                                         bild erst ab der Erhebung zur burgenländischen Hauptstadt im
                                                                                         Jahr 1925 stärker veränderte. Die Martinskaserne am östlichen
                                                                                         Stadtrand wurde am 1. Mai 1858 feierlich eröffnet und zählt
     Burgenland                                                                          als markantes Beispiel zu den wenigen Objekten dieses Stils.

     Ein ehemaliges k.k.                                                                 Zehn Jahre vor der Eröffnung war Kaiser Franz Joseph an die
                                                                                         Macht gekommen. Schon bald, nämlich im Sommer 1849,
                                                                                         gelang es ihm, die ungarische Rebellion niederzuschlagen und

     Kadetteninstitut                                                                    anschließend die Größe des Habsburgerreiches wiederher-
                                                                                         zustellen. Um die Hauptstadt Wien vor dem „inneren Feind“
                                                                                         zu schützen, wurden in der Folge an strategischen Punkten
                                                                                         Kasernen platziert, darunter das Arsenal (1849–1856) und die
      Angelina Pötschner                                                                 heutige Rossauerkaserne (1865–1869).

                                                                                         1852 reformierte der Kaiser das Bildungswesen des Militärs,
                                                                                         was eine Adaptierung und Erweiterung der militärischen Infra-
                                                                                         struktur notwendig machte. Neben Militär-Untererziehungs-

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Denkmal heute 2/2013

                                                                                                                      AM
                                                                                                               TAG DE
                                                                                                             DENKM S
                                                                                                                    ALS
                                                                                                             ZU B ESICHT
                                                                                                                           IGEN

häusern und Militär-Obererziehungshäusern waren auch            anstalten aufgelöst. Es folgten Nutzungen als Infanterie-
Kadetteninstitute notwendig, in denen künftige Offiziere        kaserne, Militär-Unterrealschule, k.u.k. Militär-Oberreal-
herangebildet und auf die Militärakademie vorbereitet wurden.   schule, Bundesmittelschule und Sitz des Burgenländischen
Als solches k.k. Kadetteninstitut wurde der mächtige Komplex    Landtags. Seit 1938 wird die Anlage ausschließlich als Kaserne
der Martinskaserne zwischen 1853 und 1858 am Südhang des        genutzt.
Leithagebirges errichtet. Es bildete ein Gegengewicht zum im
Westen von Eisenstadt gelegenen Schloss Esterházy.              Seit vielen Jahren wird dieses zentrale Werk historistischer
                                                                Architektur im Nordburgenland etappenweise restauriert. So
Unter der Bauleitung von Sigismund von Malinowski, Haupt-       begann man zunächst in den 1990er Jahren mit der Kapelle.
mann des Genie-Stabes, entstand das lang gestreckte, sym-       Restaurierungen und Sanierungen erfuhren unter anderem
metrisch angelegte dreiflügelige Hauptgebäude. Die breite       auch die Sockelzone aus Naturstein, die Umfassungsmauer
Fassade des Ziegel- und Quadersteinbaus wurde material-         der Anlage und der Innenbereich des westlichen Erdgeschoß-
sichtig gebaut und orientierte sich am Wiener Arsenal. Auch     flügels. Aktuell wird mit großem finanziellem Aufwand das
eine Schwimmschule mit Vorwärmbassin und ein Turnplatz          ursprüngliche Erscheinungsbild des repräsentativen Vestibüls
wurden in dem parkartigen Areal errichtet.                      wiederhergestellt. Außerdem soll die verschmutzte und verwit-
                                                                terte Fassade restauriert werden.
Im Laufe der Jahre wurde der Bau unterschiedlich genutzt.
Nach nur 13 Jahren als Kadetteninstitut wurde es im Zuge
einer weiteren Umorganisation der militärischen Bildungs-

                                                                                                                                 11
DENKMALPFLEGE AKTUELL   Das Steinhaus am Ossiachersee

                                                             © Archiv Architekten Domenig & Wallner ZT GmbH

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Denkmal heute 2/2013

Kärnten

Günther Domenigs
künstlerisches Vermächtnis                                                                                         TAG D
                                                                                                                            AM

                                                                                                                 DENKM ES
                                                                                                                        ALS
 Andreas Lehne                                                                                                   ZU B  ESICHT
                                                                                                                                 IGEN

Das österreichische Denkmalschutzgesetz kennt keine Zeit-           Günther Domenig realisierte eine ebenso elementare wie
grenzen im Hinblick auf Unterschutzstellungen. Daher besteht        monumentale Architektur, die seinen Vorstellungen und
die Möglichkeit, auch Schöpfungen zeitgenössischer Künst-           Utopien dauerhaft Präsenz verleihen sollte. Die Tatsache,
lerinnen und Künstler unter Schutz zu stellen. Davon wird           dass diese Anlage so knapp nach dem Tod ihres Schöpfers
jedoch nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht. Eines                unter Schutz gestellt wurde, trifft sich mit den Intentionen des
dieser bemerkenswerten Objekte ist das Steinhaus von                Baukünstlers: In einem Interview von 1997 meinte Domenig,
Günther Domenig. Der im Juni 2012 verstorbene Architekt             er sei entschlossen, „Architektur zu machen, damit die Denk-
gilt international längst als einer der wichtigsten Vertreter der   malpfleger auch in Zukunft noch etwas zu schützen haben“.
österreichischen Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahr-
hunderts. Fast unmittelbar nach dem Ableben des Künstlers           Literatur:
konnte die Entscheidung über den Denkmalwert seines Stein-
                                                                     Thomas Trenkler, Architektur in Leoben 1995–2002, Graz 2003, S. 41.
hauses getroffen werden.

Das Steinhaus liegt auf einem Seegrundstück am Ossiachersee.
Es war von Anfang an als gebautes architektonisches Manifest
konzipiert, das zwar für Seminare, Arbeits- und Wohnzwecke
genutzt werden können sollte, aber letztlich befreit von engen
Funktionsvorgaben als Kunstwerk, als Verwirklichung der
architektonischen Visionen seines Schöpfers wahrgenommen
werden sollte. Im Laufe von mehr als 25 Jahren entstand
aus schrittweise verwirklichten Architekturelementen aus
Beton, Stahl und Glas eine dramatisch zerklüftete Anlage. Die
einzelnen Elemente wurden bis zu einem gewissen Grad als
Individuen konzipiert und dementsprechend benannt: „Drei
Finger“, „Durchbruch“, „Schwebesteine“, „Großer Stein“,
„Huckepack“, etc. Zusammengesetzt bilden sie zwei eng anei-
nander gerückte Bauteile, die durch Brücken verbunden sind.
Dazwischen gewährt die „Schlucht“ als eine zentrale Passage
den Durchblick und Durchgang zum See.

Im Inneren ermöglichen Stiegen, Rampen und Stege eine
individuelle Erschließung der auf fünf Ebenen angeordneten
Räume. Schiefe Wände und spitze Winkel kennzeichnen den
dekonstruktivistischen Stil Domenigs. Die Ausstattung bleibt
entsprechend spartanisch.                                           © Archiv Architekten Domenig & Wallner ZT GmbH

                                                                                                                                           13
DENKMALPFLEGE AKTUELL        Stift Zwettl

     © BDA, Fotos: Irene Dworak

                                                 AM
                                               S
                                         TAG DE LS
                                                         Niederösterreich
                                              A
                                        DENKM IGEN
                                         ZU BES
                                                  ICHT
                                                         Spurensuche
                                                         Geschichtlichkeit
                                                         Petra Weiss, Petra Suchy

14
Denkmal heute 2/2013

                                                                   „Renovatio“ – Bewusste Historizität

                                                                   Veränderungen an bestehenden Gebäuden waren zu allen
                                                                   Zeiten Usus, auch dort, wo einem Bau hohe historische
                                                                   Bedeutung zukam. Meist stand das Erfüllen neuer praktischer
                                                                   Erfordernisse oder der Wunsch, den gewandelten Zeitgeist
                                                                   auszudrücken, am Anfang der Überlegungen. Im kunst-
                                                                   historischen Sprachgebrauch wird für die Stiftskirche in Zwettl
                                                                   und ihre barocke Ausstattung der Begriff der Barockisierung
                                                                   verwendet. In der jüngeren Fachliteratur setzte sich indes
                                                                   die Meinung durch, die Verwendung dieses Begriffs sei für
                                                                   Umgestaltungen mittelalterlicher Kirchen zwischen 1555 und
                                                                   1803 in Mittel- und Südeuropa nicht angemessen. Stattdessen
                                                                   beschreibt man das Phänomen der Überformung der gesamten
                                                                   Raumschale, um dem Bau unter Anwendung aller zeitge-
                                                                   mäßen Dekorationsformen eine Erscheinung zu verleihen, die
                                                                   den mittelalterlichen Charakter überdeckt, mit „Renovatio“ –
                                                                   also einer bewussten Handlung im Sinne des Weiterbauens und
                                                                   Gestaltens nach zeitgenössischen Kriterien.

                                                                   Wenn im Zusammenhang mit der Stiftskirche Zwettl vom histo-
                                                                   risierenden Modus die Rede ist, scheint das durchaus schlüssig.
                                                                   Diesen Modus aber allein an der Vollendung der Kirche in
                                                                   Form von zwei gotischen Langhausjochen und dem Belassen
                                                                   des gotischen Hochchores zuzuschreiben, greift sicherlich zu
                                                                   kurz. Die historisierende Renovatio ist in Zwettl vielschichtiger
                                                                   ausgebildet. Der Verzicht auf eine farbige Raumhülle mit
                                                                   illusionistischer Deckenmalerei verstärkt den vermeintlich
                                                                   gotischen Raumeindruck. Die im Zuge der Restaurierung
                                                                   festgestellte Farbigkeit mit der Betonung des Werksteins
                                                                   im Sinne der puren Materialität bezieht sich offensichtlich
                                                                   auf die Fassung des frühen 16. Jahrhunderts und spiegelt
                                                                   das zeitgenössische Verständnis mittelalterlicher Architektur
                                                                   wider. Auch die Anordnung der barocken Ausstattung und
                                                                   die formale wie ikonografische Altargestaltung stehen für
Im September 2013 gehen im Stift Zwettl, einem der architek-       das historische Verständnis der Zisterzienser, das die Wert-
tonischen und spirituellen Wahrzeichen des Waldviertels,           schätzung für die lange Ordenstradition mit dem geschichtlichen
die Restaurierungsarbeiten von sechs Jahren zu Ende. Rund          Rang des Stiftes verbindet.
13 Millionen Euro wurden seit 2007 aufgewendet, um das
Projekt rechtzeitig zum 875-jährigen Bestehen des Zister-
zienserstifts abzuschließen.

Ein Baudenkmal wie die Stifts- und Pfarrkirche Zwettl              Literatur:
stellt nach den über die Jahrhunderte erfolgten zahlreichen
                                                                    Meinrad von Engelberg, Renovatio Ecclesiae. Die „Barockisierung“
wesentlichen Eingriffen in der Regel eine Art „Patchwork“           mittelalterlicher Kirchen, Petersberg 2005.
dar. Die jeweiligen Epochen leisteten seit der Weihe der
                                                                    Bernhard Furrer, Die Transformation des Baudenkmals,
Kirche 1159 ihre Beiträge zum heutigen Zustand, brachten
                                                                    in: DENKmalWERTE. Beiträge zur Theorie und Aktualität der Denk-
neue Qualitäten ein, zerstörten mitunter aber Bestehendes, das      malpflege, hrsg. von Hans-Rudolf Meier und Ingrid Scheurmann, Berlin,
man heute als wichtig empfinden würde. Diese Veränderungs-          München 2010, S. 217–226.

prozesse lassen die Klosterkirche von Zwettl in ihrer Geschicht-    Ingeborg Schemper-Sparholz, Barocke Erneuerung im Bewusstsein der
lichkeit erkennbar werden: Denkmale sind häufig Flicken-            eigenen Geschichte: Die Stiftskirche Zwettl in den Annalen des
                                                                    P. Malachias Linck als Beispiel für zisterziensisches Kunstverständnis im
teppiche, deren Stoffstücke sich überlagern, mitunter inein-        17. Jahrhundert, in: Beständig im Wandel. Innovationen – Verwandlungen –
ander verwoben, gar verfilzt sind.                                  Konkretisierungen, hrsg. von Christian Hecht, Berlin 2009, S. 306–319.

                                                                                                                                                15
DENKMALPFLEGE AKTUELL   Herz-Jesu-Kirche in Wels

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Denkmal heute 2/2013

                                                                                                                AM
                                                                                                       TAG D
                                                                                                     DENKM ES
                                                                                                            ALS
Oberösterreich                                                                                       ZU B   ESICHT
                                                                                                                     IGEN

Die Herz-Jesu-Kirche
in Wels
 Ulrike Parzmair-Pfau

Mit dem Bevölkerungsanstieg im 19. Jahrhundert wurde
die Stadt Wels nach Norden hin erweitert. Die mächtige
Herz-Jesu-Kirche gehört zu den zentralen Bauten des neuen
Stadtteils „Neustadt“. Von 1905 bis 1911 nach dem Entwurf
des Linzer Dombaumeisters Matthäus Schlager errichtet,
zeigt sich die Kirche außen als einheitlicher neoromanischer
Bau mit steinbloßem Granit-Bruchsteinmauerwerk und Trauf-
gesimsen aus Konglomeratstein. Die Außenansicht wird durch
die 70 Meter hohe Doppelturmanlage und die offene Portalvor-
halle akzentuiert. Das Querhaus und der Vierungsturm treten
markant hervor.

Die derzeit durchgeführte Sanierung umfasst eine aufwändige
Außenrestaurierung. In der Analyse stellte sich heraus, dass
der Granit zwar in gutem Zustand ist, der Fugenmörtel jedoch
massiv ausbröckelt. Die Ursache war der geringe Bindemittel-
anteil. Zudem liegt dahinter ein äußerst mürber Mauermörtel
mit hohem Tonanteil. Es war daher notwendig, das komplette
Fugennetz zu erneuern. Der Fugenmörtel wurde entsprechend
dem Original aus Kalkzement nachgestellt. Die charakteris-
tische Fugenkerbe wurde mit einem gebogenen Rundeisen
erzeugt. Die Steinoberflächen wurden mittels Wasserdampf
gereinigt und von der Versinterung befreit.

Im Inneren der dreischiffigen Basilika wurde 2012 mit der
Neufärbelung der Raumschale begonnen. Nach Vorlage einer
Musterachse wurde die ursprüngliche Farbgebung aus der
Erbauungszeit wiederhergestellt. Der Kirchenraum präsentiert
sich in einem gebrochenen Weiß, die Architekturgliederungen
werden in einem kräftigen Ocker mit nachgezeichnetem
Quadermauerwerk hervorgehoben. Gemeinsam mit der neuen
Verglasung, welche die Notverglasung aus der Nachkriegszeit
ersetzt, zeigt der Kirchenbau nun annähernd sein historisches   Die Herz-Jesu-Kirche in Wels präsentiert sich nach der Sanierung annähernd
Erscheinungsbild.                                               in ihrem historischen Erscheinungsbild © Gerhard Fraundorfer

                                                                                                                                             17
DENKMALPFLEGE AKTUELL                Mariapfarr im Lungau

                                                                                                                              Salzburg

                                                                                            Die Ruine des
                                                                                              ehemaligen
                                                                                                 Ansitzes
                                                                                              Gröbendorf
                                                                                            in Mariapfarr
                                                                                                                       Johann Eder

                                                                              Bis ins 14. Jahrhundert reicht die Geschichte des Ansitzes
                                                                              Gröbendorf in Mariapfarr im Lungau zurück, und auch wenn
                                                                              die heutige Ruine nur mehr den Rest des früheren Gebäudes
                                                                              darstellt, bildet sie doch ein wesentliches Glied in der Kette
                                                                              von Burgen und Ansitzen im Lungau. Das erhaltene Bauwerk
                                                                              und die bei den Grabungen des Vorjahres freigelegten Grund-
                                                                              mauern erinnern eindrucksvoll an den mittelalterlichen Adels-
                                                                              sitz. Der Einsturz einer Außenmauer schuf 2011 dringenden
                                                                              Handlungsbedarf bei diesem seit Jahrzehnten leer stehenden
                                                                              Denkmal. In einer dramatischen Rettungsaktion gelang 2012
                                                                              die Sicherung des Gebäudes.

                                                                              Die Ruine des Ansitzes Gröbendorf liegt in einer Bach-
                                                                              schleife der Taurach östlich der Straße durch den gleichna-
     Der Einsturz einer Außenmauer schuf dringenden Handlungsbedarf bei dem   migen Weiler bei Mariapfarr im Lungau. Bereits 1074 wurde
     seit Jahrzehnten leer stehenden früheren Ansitz in Gröbendorf
                                                                              Gröbendorf erstmals urkundlich erwähnt. Vermutlich im
     © BDA, Fotos: Petra Laubenstein
                                                                              13. Jahrhundert erfolgte der Bau eines turmartigen Ansitzes
                                                                              an der Taurach, bereits 1314 und um 1320 sind Herren von
                                                                              Gröbendorf genannt, und 1344 wird Gröbendorf urkundlich als
                                                                              „Sitz“ bezeichnet.

                                                                              Das mittelalterliche Gebäude wurde im 14. und 15. Jahrhundert
                                                                              nach Westen erweitert. An den älteren, aus großen Bachsteinen
                                                                              erbauten Turm wurde dabei straßenseitig der heute noch sicht-
                                                                              bare Bestandstrakt in tendenziell kleinerem Steinmaterial

18
Denkmal heute 2/2013

angebaut. Baufuge und Steinmaterial heben den neuen Bauteil      Aufsicht abgetragen. Gleichzeitig wurden einige Testgra-
deutlich ab, in dem sich unter anderem ein kleiner tonnenge-     bungen zur Klärung allfälliger Baubefunde im Nahbereich
wölbter Raum mit Stichkappen, ein von Osten nach Westen          vorgenommen, die tatsächlich ein besseres Bild von der
verlaufender Gang mit Kreuzgratgewölbe und ein Stiegenhaus       ursprünglichen Größe des mittelalterlichen Turmes erbrachten.
befinden. Im Obergeschoß dieses Anbaues blieb bis heute ein      In der ehemaligen Westmauer des Turms – der heutigen
Raum mit einer – inzwischen durch einen Brand verkohlten         Ostmauer des Bestandsgebäudes – wurden von den Archäo-
– Holzkassettendecke erhalten. Von dem hochmittelalterlichen     logen außerdem zwei Türöffnungen freigelegt. Bei der nörd-
Turm ist heute nur mehr die Westmauer als Rückseite des          lichen Öffnung konnten die Einzelteile eines einfach getreppten
jetzigen Gebäudes sichtbar. Alle anderen Teile des hochmit-      Türgewändes mit Rundbogen aus hellbraunem Kalktuff-
telalterlichen Baukörpers wurden zu einem unbekannten Zeit-      stein aus dem Schuttkegel des Mauereinsturzes geborgen und
punkt bis unter Geländeniveau abgetragen.                        wieder versetzt werden – die Schwelle und der untere Teil der
                                                                 Türöffnung waren unter dem Schuttkegel noch erhalten. Es
Um 1900 zerstörte ein Brand das Dach des Hauses, das seither     dürfte sich um den ursprünglichen Zugang zum hochmittel-
nur mehr provisorisch gedeckt war. Schon längere Zeit hatte      alterlichen Turm gehandelt haben.
der bauliche Zustand des Gebäudes Sorgen bereitet. Der
Einsturz eines Mauerabschnittes an der Ostseite – der west-      Bis zum Wintereinbruch 2012/2013 wurde die eingestürzte
lichen Außenmauer des ursprünglichen Turmbaus – im August        Mauer aus dem Material des Schuttkegels in traditioneller
2011 machte Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen             Technik wieder aufgemauert und so dem Gebäude ausrei-
unumgänglich.                                                    chende Stabilität gegeben. Im Laufe des Jahres 2013 erfolgen
                                                                 weitere Sicherungsarbeiten, um diesen ehemaligen Ansitz
Dank des Engagements eines neuen Eigentümers gelang es im        auch für künftige Generationen zu bewahren.
Jahr 2012 nach gründlicher statischer Planung, den Bestand des
Gebäudes zu sichern und die abgebrochene Mauer wiederher-
zustellen. Zwischen Juni und November 2012 wurde der durch
den Teileinsturz entstandene Schuttkegel unter archäologischer

                                                                                                                                   19
DENKMALPFLEGE AKTUELL                 Am Anfang war der Stein?

     Die Steinzeit ist mit nicht gerade
     netten Klischees behaftet

     Am Anfang war                                                             „Steinzeit-Methoden“, „Steinzeit-Kommunismus“, „Eine Vor-
                                                                               gehensweise wie in der Steinzeit“ – nicht so nett, was im

     der Stein?                                                                Alltags-Sprachgebrauch zur Steinzeit hängen geblieben ist.
                                                                               „Neandertaler“ wie der allzu menschliche Fred Feuerstein aus
                                                                               der Zeichentrickserie komplettieren unser klischeebehaftetes
                                                                               Bild der Steinzeit.
      Bernhard Hebert
                                                                               Wie war es denn wirklich in der Steinzeit, die irgendwann vor
                                                                               ganz langer Zeit einmal war? Und warum heißt die Steinzeit
                                                                               Stein-Zeit?

                                                                               Vor fast 200 Jahren hatte der dänische Altertumsforscher
                                                                               Christian Jürgensen Thomsen erkannt, dass es eine zeitliche
                                                                               Abfolge der Materialien gibt, aus denen die frühen Menschen
                                                                               Geräte und Waffen herstellten. Damit war das heute noch in
                                                                               seinen Grundzügen gültige Dreiperiodensystem geboren, das
                                                                               die gesamte europäische Ur- und Frühgeschichte in Steinzeit,
                                                                               Bronzezeit und Eisenzeit unterteilt. Um Werkzeuge erfinden
     Steingeräte, Manuporte, durchlochter Bärenzahn und bearbeiteter Knochen
     aus der Repolusthöhle – all das befindet sich heute im Universalmuseum    zu können, musste der Mensch zunächst den Umgang mit den
     Joanneum Graz © Universalmuseum Joanneum                                  Werkstoffen und deren Bearbeitungsmöglichkeiten lernen.

20
Denkmal heute 2/2013

               Und da stand eben (auch) der Stein am Anfang.
                Selbstverständlich gab es auch andere frühe
                 Werkstoffe wie Holz und Knochen, und
                  noch frühere „Werkzeuge“ wie Nägel und
               Zähne des Menschen selbst.

         Man lernte, den Stein zu bearbeiten – nicht mit
        Metall, denn das gab es noch nicht (wie übrigens
      auch den ersten „Kunststoff“, die Keramik), sondern mit
   anderen Steinen, mit Holz und Knochen. Wenn man weiß,
wie man das macht, können hervorragend funktionale und
auch formschöne Waffen und Geräte entstehen.
                                                                 Das Schneiden von Geselchtem mit einer Steinklinge
Mit einer selbst gefertigten Steinklinge Rohgeselchtes zu        Fotos: © Archeonorico Burgmuseum Deutschlandsberg
schneiden, war zum Beispiel ein Höhepunkt meiner Archäo-
logie-Vorlesung zur Osterzeit. Es wird auch im Mittelpaläo-
lithikum (mittlere Altsteinzeit) vor etwa 85.000 bis 40.000
Jahren ein Höhepunkt gewesen sein, als Neandertaler die
Repolusthöhle im Murtal nördlich von Graz nutzten und dort
zugerichtete Steingeräte sowie in ihrer Naturform verwendete
ortsfremde Steine (Manuporte) zurückließen.

Und war es in der Steinzeit nun so wie bei den Feuersteins?
Na ja, natürlich nicht, aber es ging schon ganz menschlich zu,
auch wenn Neandertaler eine andere Menschenart waren als
wir heute: Man aß zusammen, man begrub seine Toten, man
trug Schmuck – so ein durchlochter Bärenzahn wie aus der
Repolusthöhle ist doch allemal eine Zierde für den Mann.

Am Anfang war der Mensch, und bald einmal (vor mehr als
zwei Millionen Jahren) hat er sich den Stein gegriffen.

                                                                                                                                21
DENKMALPFLEGE AKTUELL               Burg Thalberg

                                                                                      AM
                                                                                      ES
                                                                                 TAG D ALS
                                                                                     M
                                                                                DENK HTIGEN
     Burg Thalberg © Burgfest Thalberg

                                                                                        SIC
                                                                                  ZU BE

     Steiermark

     Ein romanischer                                     Thalberg – der Name ist Burgenkennern ein Begriff – präsen-
                                                         tiert sich diese größte erhaltene romanische Burganlage der

     Stein- und                                          Steiermark doch eindrucksvoll auf einem Kogel, wenn man
                                                         von Hartberg Richtung Friedberg unterwegs ist. Über 90 Meter

     Zeitzeuge                                           erstreckt sich allein die Kernburg mit den zwei begrenzenden
                                                         Türmen, von denen der Ostturm den markantesten Bestandteil
                                                         der Burg darstellt. Zugleich Bergfried, ragt er 24 Meter auf und
                                                         besteht aus dem schönsten Quadermauerwerk, welches das
      Erik Hilzensauer                                   ehemalige Herzogtum und heutige Bundesland aufzuweisen
                                                         hatte. Jeder Quader ist mit einem Steinmetzzeichen versehen,
                                                         deren Vielfalt an Formen die große Zahl an Baumeistern
                                                         dokumentiert. Dies belegt zugleich den Reichtum, die Stel-
                                                         lung und die Macht der ehemaligen Bauherrenfamilie. Zwei
                                                         eingeritzte Wölfe, die für das Auge erst auf den zweiten Blick
                                                         sichtbar werden, runden den Eindruck ab, den dieses Bauwerk
                                                         ausstrahlt.

                                                         Seit mehr als 800 Jahren schützt es die nebenstehende romani-
                                                         sche Toranlage. Durch sie gelangt man in den großen äußeren
                                                         Burghof, von wo man, mit Hilfe einer Leiter, Zugang zum
                                                         Hocheinstieg des Bergfrieds hat, dessen romanisches Gewände
                                                         das nächste Highlight bildet. Am Ende dieses 50 Meter

22
Denkmal heute 2/2013

langen ersten Burghofs befindet sich der dreigeschossige
Wohntrakt, zu dem auch die spätgotische Burgkapelle
gehört. 1488 dem hl. Nikolaus geweiht, wurde sie im 19. Jahr-
hundert neugotisch überarbeitet. Den Kern des Wohntrakts
bildet der ehemalige romanische Palas, von dem sich auf der
Südwestseite noch ein komplettes Biforenfenster samt Mittel-
säule erhalten hat. In der Gotik und Renaissance wurden diese
Wohntrakte um- und ausgebaut. Sie umschließen den zweiten
oder inneren Burghof. Den Abschluss der ursprünglichen
Kernburg bildet schließlich der 18 Meter hohe quadratische
Westturm.

Bereits 1209, bei der urkundlichen Erstnennung von
Thalberg, muss die Burg weitgehend fertiggestellt gewesen
sein, da sich in ihr sowohl der Salzburger Erzbischof
Eberhard als auch Herzog Leopold VI. aufgehalten haben.
Diese Kern- oder Hauptburg wurde von der Familie Rottal
Ende des 15. Jahrhunderts mit einer spätgotischen Ringmauer
und Halbrundtürmen umgeben. Damals wurde auch die tiefer
gelegene Vorburg errichtet und mit der Kernburg zusammen-
geschlossen.

Von 1610 bis zur Auflösung des Ordens im Jahre 1773
befand sich die Anlage im Besitz der Jesuiten. Danach gelangte
sie wieder in Privatbesitz, verfiel jedoch im 19. Jahrhundert
zusehends. Erst an der Wende zum 20. Jahrhundert wurde
Thalberg wieder aufgebaut und in der Folge als Fremdenpension
genutzt. Seit mehr als vier Jahrzehnten kümmert sich nun
Univ.-Prof. Dr. Heinz Gisslinger um den Erhalt der Burg,
die sich seit 1918 im Eigentum seiner Familie befindet. Mit
großem Engagement saniert er sukzessive alle Bereiche der
Anlage und macht sie im Rahmen von Veranstaltungen und
Festen der Öffentlichkeit zugänglich.

Quadermauerwerk mit Steinmetzzeichen. Die nur mit einer Umrisslinie wieder-
gegebene Wolffigur ist zur besseren Lesbarkeit grafisch hervorgehoben
© BDA, Foto: Karin Derler

                                                                                                     23
DENKMALPFLEGE AKTUELL   Meilenstein von Stift Wilten

      Tirol

      In neuem Glanz:
      Der römische
      Meilenstein im
      Stift Wilten
      Martin Pliessnig, Johannes Pöll
                                                            © BDA, Foto: Bettina Neubauer-Pregl

24
Denkmal heute 2/2013

                                                                          AM
                                                                       TAG DE
                                                                     DENKM S
                                                                            ALS
                                                                     ZU B
                                                                       ESICHT
                                                                               IGEN

                               © BDA, Foto: Bettina Neubauer-Pregl

Der 42 Meter lange und 2,5 Meter breite, von Norden nach
Süden verlaufende Schneidergang erschließt im Erdgeschoß
den Nordtrakt des Stiftes Wilten. Seine Entstehung geht auf
das Jahr 1719 zurück. Im Zuge der 2012 durchgeführten
Renovierung des Ganges, der als Raum für eine museale
Präsentation zum Thema „Der Weg des Prämonstratensers“
umgestaltet wurde, wurde auch ein im Besitz des Stiftes Wilten
befindlicher römischer Meilenstein restauriert. Dieser wurde
in das museale Präsentationskonzept integriert und bildet nun
einen zentralen optischen Angelpunkt im Museumsgang.

Bis dahin stand der 83 Zentimeter hohe Stein, bei dem es
sich um das obere Drittel eines ursprünglich wohl circa zwei
Meter hohen Steins handelt, kaum beachtet in einem Winkel
im Vorraum zur Stiftsbibliothek. Dorthin dürfte er schon bald
nach seiner Auffindung im 18. Jahrhundert gelangt sein, wie
aus entsprechenden Notizen bei Anton Roschmann (1694–
1760) hervorgeht. Die fragmentierte, in zwei Teilen erhaltene
Meilensäule wurde aufwändig restauriert, wobei man erst-
mals erkannte, dass es sich bei dem Stein um weißen Marmor
handelt. Der untere Säulenschaft wurde mit Kunststein ergänzt,
sodass das Inschriftfeld nun auf Augenhöhe liegt.

Die Inschrift nennt als Auftraggeber des Straßenbaus die
Kaiser Septimius Severus (146–211 n. Chr.) und Caracalla
(188–217 n. Chr.) und bezeugt den Ausbau der wichtigen
Nord-Süd-Verbindung über den Brenner und den Seefelder
Sattel am Ende des zweiten Jahrhunderts bzw. zu Beginn
des dritten Jahrhunderts n. Chr. Durch die Angabe von
Ehrentiteln und Ämtern wissen wir, dass der Stein im Jahre
195 n. Chr. aufgestellt wurde. Leider fehlt auf dem Wiltener
Stein die einst am unteren Ende angebrachte Entfernungsan-
gabe zur Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum (Augsburg).

Nach der Restaurierung wurde der nun 180 Zentimeter hohe
Meilenstein in einer eigens dafür umfunktionierten Türnische
in der Ostwand des Ganges aufgestellt, welche zudem mit
einer Beleuchtungsinstallation versehen wurde.                             © Foto: Martin Pliessnig

                                                                                                      25
DENKMALPFLEGE AKTUELL                  Atlanten im Stadtpalais des Prinzen Eugen

     © BDA, Fotos: Bettina Neubauer-Pregl

                                                                       Gelassen stehen sie da, die vier Atlanten, die das Podest der
     Wien                                                              Prunkstiege im ehemaligen Stadtpalais des Prinzen Eugen in
                                                                       der Wiener Himmelpfortgasse tragen. Sie flößen Ehrfurcht

     Eine tragende                                                     ein, wenn man, vom Licht durchfluteten Vestibül des Palais
                                                                       kommend, mehrere Stufen des unteren Treppenabsatzes hinauf

     Rolle - die                                                       steigt und unmittelbar zwischen dem unteren Paar der Atlanten
                                                                       steht. Man bewundert die muskulösen Körper und die stoisch
                                                                       blickenden, bärtigen Gesichter, wie es im Laufe der Jahrhun-

     Atlanten im                                                       derte wohl tausende Menschen taten.

     Stadtpalais des
                                                                       Erschaffen wurden die Atlanten von Giovanni Giuliani, 1664
                                                                       in Venedig geboren, in seiner Heimatstadt, in Bologna und
                                                                       München ausgebildeter Holz- und Steinbildhauer, der 1690

     Prinzen Eugen                                                     nach Wien kam und blieb. Die letzten dreißig Jahre seines
                                                                       Lebens verbrachte er im Stift Heiligenkreuz, für das er zahl-
                                                                       reiche prägende Werke schuf. Als er 1744 im Stift verstarb,
                                                                       hinterließ er eine große Sammlung an Bozzetti (kleine Ton-
      Sylvia Schönolt                                                  modelle von Skulpturen), die sorgsam im Stift aufbewahrt
                                                                       wird. Nicht zuletzt über einen solchen Bozzetto (es handelt sich
                                                                       um einen Entwurf für den zweiten Altlanten auf der rechten
                                                                       Seite des Stiegenhauses) lässt sich die Autorschaft Giovanni
                                                                       Giulianis beweisen.*

26
Denkmal heute 2/2013

Um 1696 erhielt Giuliani den Auftrag für die Atlanten, als      und die anderen Steinteile entschied man sich daher gemein-
Johann Bernhard Fischer von Erlach das Stadtpalais für Prinz    sam mit dem Generalplaner, Architekt Dipl.-Ing. Heinrich
Eugen von Savoyen plante. Prinz Eugen, dessen Geburtstag        Strixner, Wiener Neudorf, und dem begleitenden Restaurator,
sich heuer zum 350. Mal jährt, war erfolgreicher Feldherr       Mag. Klaus Wedenig, Wien, alle Steinteile mit reiner Kalk-
und Kunstliebhaber, der bis zu seinem Tod im Jahr 1736 drei     farbe zu fassen. Hierzu musste die ausführende Firma
Habsburger Kaisern dienen sollte. Er benötigte in dieser        Zottmann, Judendorf-Strassengel, alle Steinteile schonend
verdienstvollen Position ein standesgemäßes Domizil in          reinigen, vereinzelte Risse und kleine Fehlstellen schließen
der Wiener Innenstadt, für dessen Errichtung er prominente      sowie lose ältere Kittungen erneuern. Abschließend wurde
Architekten wählte (erst Fischer von Erlach, dann, ab etwa      sorgfältig eine leicht pigmentierte Kalklasur in mehreren
1700, Johann Lucas von Hildebrandt) sowie angesehene            dünnen Lagen aufgetragen, welche die Schönheit der Skulp-
Künstler.                                                       turen erst richtig zur Geltung bringt. Durch den einheitlichen
                                                                Farbton im gesamten Prunkstiegenhaus kann man wieder den
Gut 300 Jahre nach Baubeginn des Stadtpalais, das um 1725       Raumeindruck erleben, den einst die Gäste des Prinzen Eugen
in seiner Gesamtheit vollendet war, wurde das Palais einer      bei der Besichtigung des Stadtpalais bewunderten.
Generalsanierung unterzogen, die selbstverständlich auch die
Prunkstiege beinhaltete. Von den Restauratoren und im natur-
wissenschaftlichen Labor des Bundesdenkmalamtes wurden
Untersuchungen durchgeführt, um festzustellen, in welcher
Farbfassung die verschiedenen Oberflächen der Stiege gefär-
belt waren. Die Befunde ergaben, dass die Putzflächen,
                                                                 *
                                                                  Luigi A. Ronzoni, Giovanni Giuliani (1664–1744), hrsg. von Johann
Stuck- und Steinteile ursprünglich weißlich gefasst waren,
                                                                 Kräftner (Liechtenstein Museum Wien), Band 1: Essays, Band 2: Katalog,
meist mit Kalkanstrichen. Als Restaurierziel für die Atlanten    München (u. a.) 2005.

                                                                                                                                          27
DENKMALPFLEGE AKTUELL               Ensemble Altstadt Feldkirch

                                                                                                                       AM
                                                                                                               TAG D
                                                                                                             DENKM ES
                                                                                                                    ALS
                                                                                                             ZU B  ESICHT
                                                                                                                            IGEN

     Ochsenpassage nach der Revitalisierung © BDA

     Vorarlberg                                                        Der ehemalige Gasthof sollte nun saniert werden. An der
                                                                       Außenerscheinung würde sich nicht viel verändern, im Inneren

     Ensemble Altstadt                                                 waren die barrierefreie Erschließung und die Nutzung für Büros
                                                                       und Praxen angedacht – an sich ein Standardfall, möchte man
                                                                       meinen, da der hintere Teil des Objektes schon stark verändert

     Feldkirch:                                                        war und man dort Lift und Treppenhaus unterbringen konnte.

     Immer für                                                         Doch schon die Bauuntersuchung brachte zahlreiche Überra-
                                                                       schungen zutage: Die am Marktplatz typischen spätgotischen
                                                                       Keller zeigten auch Gewölbeansätze und Nischen, die auf das

     Überraschungen                                                    14. Jahrhundert hinwiesen. Der Dachstuhl ging auf das dendro-
                                                                       chronologisch belegte Jahr 1581 zurück. Ein besonderes High-

     gut
                                                                       light in denkmalpflegerischer Hinsicht war die „Entdeckung“
                                                                       von zwei barocken Stuckausstattungen (datiert 1644) unter
                                                                       Gipskartonplatten im zweiten Obergeschoß. Diese ursprüng-
                                                                       lich farbigen Decken waren mehrfach übermalt und hatten
                                                                       zudem Haftungsprobleme. Eine Fachfirma aus dem Allgäu hat
      Barbara Keiler
                                                                       sie in wochenlanger Arbeit sorgsam freigelegt, ergänzt und
                                                                       nach historischem Farbbefund gefasst. Die nebenan liegende
                                                                       frühbarocke Steintreppe mit darüber liegenden Gewölben und
                                                                       ovalen Fenstern wurde ebenfalls restauriert. Der Steinrestau-
     Das Haus am Marktplatz 7 in der Altstadt von Feldkirch – heute    rator war zudem mit braun-schwarz gemusterten Kunststein-
     besser als ehemaliges Gasthaus Ochsen bekannt – hat eine          belägen des frühen 19. Jahrhunderts an den Podesten und
     wechselvolle Geschichte: Es beherbergte von 1698 bis 1779         Sandsteingewänden an der Seitenfassade befasst.
     das Hub- und Rentamt. Um 1800 gelangte es in den Besitz
     der Familie Danler, die eine Gastwirtschaft einrichtete. Trotz    Obwohl von außen leicht erkennbar ist, dass es sich bei den
     mehrerer Verkäufe und Konkurse blieb diese Nutzung beibe-         Eckquaderungen und Bogeneinfassungen an der Hauptfassade
     halten. Um 1980 wurde der hintere Teil abgerissen und die         um „imitierten Stein“ handelt, erschließt sich erst im Inneren
     Ochsenpassage, ein viel frequentierter Durchgang zur dahinter     die wechselvolle (Bau-)Geschichte des Hauses sowie die
     liegenden Vorstadt, errichtet.                                    vielen Facetten des Themas < aus Stein? >.

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Denkmal heute 2/2013

< aus Stein? >
29. September 2013
305 Programmpunkte in ganz Österreich
Der Tag des Denkmals 2013 beleuchtet viele Facetten und Erscheinungsformen, aber auch
Imitationen des Materials Stein als Werk-, Roh- und Baustoff, als Dekor, Schmuck, Symbol und
Gedächtnisträger. Vom Steinabbau bis zum Kalkofen, vom Granitblock bis zur Fliese, vom Relief
bis zum Grabstein: Archäologische Stätten, Schlösser, Wohnhäuser, Kirchen, Brunnen, Friedhöfe,
Brücken, Burgen sowie Museen und Werkstätten.

Kostenloser Kulturgenuss
vom Boden- bis zum Neusiedler See
Fachkundige Führungen verschaffen Überblick, Vorträge vertiefen Wissen, Schaurestaurierungen
erlauben den Blick über die Schulter der Profis, Workshops bieten Gelegenheit, selbst Hand an das
Material Stein zu legen. Zahlreiche Familienprogramme vermitteln das Kulturerbe kindgerecht.
Auf geführten Touren bietet der Tag des Denkmals die Gelegenheit, das steinerne kulturelle Erbe zu
erwandern, vom historischen Arlbergweg bis zu Stadtwanderungen in Feldkirch, Graz, Innsbruck,
Klagenfurt, Linz und Wien.

Grenzen überschreitend
Auch heuer stehen grenzüberschreitende Ausflüge auf dem Programm: zu Burgen und
Schlössern in Böhmen, nach Sopron, Ungarn und in den slowenischen Ort Kamnik, zu Deutsch
„Stein“.

Wollen Sie dabei sein?
Sie sind Eigentümerin oder Eigentümer eines denkmalgeschützten Objets? Sind Sie interessiert am
Tag des Denkmals? Melden Sie sich unter: tdd@bda.at

Programm zum Tag des Denkmals 2013:

www.tagdesdenkmals.at
                                                                                                     29
AUS STEIN?        Was eigentlich ist Stein?

                                                                      < aus Stein? >
                                                                      Was eigentlich ist Stein?
                                                                      Wie und wo wurde und wird Stein
                                                                      als einer der ältesten Werkstoffe in
                                                                      Kunst und Kultur verwendet? Und
                                                                      wie geht die Denkmalpflege mit
                                                                      steinernen Denkmalen und ihren
                                                                      Verfallsprozessen um?

                                                                      Renate Holzschuh-Hofer

     Postsparkassengebäude Wien © BDA, Foto: Bettina Neubauer-Pregl

30
Denkmal heute 2/2013

In diesen simplen Fragestellungen ist auch die Frage nach          Um das Panoptikum aller Stile wieder aufzuführen, wurde
fundamentaler Materie – nicht nur für die Denkmalpflege –          Stein als Imitat in Putz, als Kunststein oder auch in Form von
enthalten. Das Wagnis, damit auf den Kern der Dinge zu zielen      Naturstein im 19. Jahrhundert in einer Intensität zelebriert, um
und Grundsatzstatements zu erhoffen, ist gesetzt. Wenn auch        dann mit dem Secessionismus – bewusst ins Gegenteil verkehrt
keine ultimativen Antworten gefunden werden mögen, so geht         – genau das zu konterkarieren: Eines der feinsten Beispiele
das vorliegende „Denkmal heute“ auf viele Aspekte, die mit         dafür ist das Gebäude der Postparkasse in Wien. Hier präsen-
diesen Fragen zusammenhängen, ein.                                 tiert sich, im räumlichen Kontext späthistoristischer Putzfas-
                                                                   saden, das materialisierte Understatement: die Sockelzone aus
Sternenstaub und Denkmale – oder: Was hat Astronomie mit           materialsichtigem Naturstein, in den oberen Geschossen eine
Denkmalschutz zu tun? Nichts oder vielleicht alles? Natür-         Verkleidung mit edlen weißen Marmorplatten – „Imitat“ einer
lich haben Denkmalschutz und Denkmalpflege mit dem                 Putzfassade?!
planetaren Material Stein in jener Zusammensetzung zu tun,
die der Mensch seit seiner kulturellen Entwicklung auf dem         Nicht mit Worten zu fassen ist dagegen das beinahe Unaus-
Planeten Erde vorgefunden hat. Es ist aber – besonders im          sprechliche, an das die Erinnerung dennoch nie verstummen
Kontext von Kultur und Kunst und deren Ewigkeitsanspruch           darf: das Mörderregime des Nationalsozialismus, das den
– durchaus sinnvoll, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie dieser      Granit als Symbol benutzt hat. Denkmalforschung, Denkmal-
Urstoff beschaffen ist: Materie, die uns in die Tiefen des         schutz, Denkmalpflege und deren Vermittlung tragen dazu bei,
Universums entführt, Sternenstaub, winzige Partikel im inter-      das Vergessen dieser dunklen Epoche zu verhindern.
stellaren Raum, Staubreste längst nicht mehr strahlender
Sonnen, unzählige Male erhitzt, verdichtet, abgekühlt, amorph      Wenn die für die Ewigkeit bestimmten Denkmale einst viel-
und kristallin, immer wieder neu agglomeriert und zu einem         leicht wieder in ihre molekularen Partikel zerlegt und in Staub
von ungezählten Objekten im Kosmos – unserem Planeten              verwandelt werden und damit den Ausgangsstoff für etwas
Erde – zusammengesetzt.                                            völlig Neues bilden, beginnt ein neuer Zyklus, über den viel-
                                                                   leicht irgendwann auch wieder reflektiert wird.
So könnte man – salopp formuliert – feststellen, dass die unbe-
lebte und belebte Materie unseres Planeten aus dem Restmüll
„toter“ Sterne hervorgegangen ist – wie Phönix aus der Asche.
Mit diesem Bild sind wir, vom universellen Horizont ernüch-
tert, wieder zurück auf dem Boden unseres kulturellen Erbes
angelangt.

Aber warum ernüchtert? Die annähernde Unendlichkeit
des Universums, die im Stein als Urstoff unseres Planeten
materialiter enthalten ist, hat der Mensch mit seiner Sehnsucht
nach ewiger Existenz in der Kunst manifestiert. Im Artefakt
aus Stein, dem widerstandsfähigsten und dauerhaftesten
verfügbaren Material, hat diese Sehnsucht den adäquaten
Ausdruck gefunden. Zunächst verwendet als Baumaterial zum
Schutz gegen die feindliche Gewalt der Natur, dann zu Riesen-
werken aufgetürmt als Symbol und Beweis der menschlichen
Kraft, sich die Natur untertan gemacht zu haben, und schließlich
verfeinert zurecht geschliffen als kunstvolles Dekorum
war Stein schließlich wieder unverzichtbar, um in die vom
                                                                   Die ‚Leuchtkräftige Rote Nova‘ des Sterns V838 Monocerotis im Sternbild
Menschen geordnete Welt erneut ein wenig dosiertes Chaos –         Einhorn mit Resten des Entstehungsnebels der V838 Mon Sternengruppe
Natur – einzuspielen.                                              © NASA, ESA and The Hubble Heritage Team

                                                                                                                                             31
Aus Stein?      Gestein im Gespräch

     „Oft ist es besser, weniger zu tun“
     Jeder Stein hat ein Verfallsdatum. Die Diplom-Restauratorin Susanne Beseler
     würde Steine am liebsten für die Ewigkeit erhalten. Unmöglich, sagt der
     Geologe Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Rohatsch: In einigen Tausend Jahren sei
     ohnehin nichts mehr von dem übrig, was heute noch gehegt und gepflegt wird.

      Alexandra Rotter, Sabine Weigl-Stumpf

     Frau Beseler, Herr Rohatsch, Sie beide sind ExpertInnen für       und Festigkeit zu ermitteln. Wir nutzen aber auch handfeste
     Stein und arbeiten immer wieder zusammen, dennoch sind ihre       Methoden. Lege ich einen Stein auf die Zunge, weiß ich,
     Zugänge zu Stein vermutlich sehr unterschiedlich. Erzählen        ob es Kapillarität, Frostempfindlichkeit oder ein Problem
     Sie uns davon.                                                    hinsichtlich kristallisierender Salze gibt. Schlage ich mit
                                                                       einem Hammer auf den Stein, kann ich am Klang die Festig-
     Andreas Rohatsch: Meine Aufgabe als Geologe ist zu fragen,        keit abschätzen und ob es Risse oder hohle Stellen gibt. Heute
     wie Gesteine entstanden sind, welche Eigenschaften sie            existieren auch Normen, um Versuchsergebnisse international
     haben und welche Zerfalls- oder Witterungsprozesse für den        vergleichbar zu machen. Der zweite spannende Zugang für
     Schadenszustand verantwortlich sind. Und die Aufgabe von          mich ist die Erdgeschichte. Gesteinsentstehung bewirkt unbe-
     Kollegin Beseler ist …                                            dingt eine Gesteinszerstörung und eine Veränderung von
                                                                       Gesteinen. Für uns ist interessant, in welchen Zeiträumen sich
     Susanne Beseler: … zunächst mit einer ersten Inaugenschein-       das abspielt. Das ist abhängig von Gesteinseigenschaften.
     nahme des Natursteinobjektes Schadensbilder, Schadens-            Dieser Zugang ist für die Denkmalpflege der wichtigste Punkt,
     phänomene zu definieren und Oberflächenveränderungen              nämlich: Welche Prozesse führen in welchen Zeitabschnitten
     oder formale Verluste festzustellen. Vorab steht die Frage,       zur Zerstörung von Gestein und welche Prognosen können aus
     um welche Gesteine es sich handelt. Wie ist der bauzeitliche      diesen Parametern für ein Denkmal gezogen werden?
     Bestand: Haben wir Fugen, haben wir Fassungen, Verputze?
     Wir nennen das Bestands- und Schadensaufnahme. Nach               Beseler: Gestein bildet sich und fängt sofort an zu altern. Am
     dieser Vorarbeit analysiere ich die Problematik mit Hilfe von     Himalaya sieht man das besonders gut: Auf der einen Seite
     Materialwissenschaftlern wie Prof. Rohatsch.                      wächst das Gebirge heute noch um mehr als einen Zentimeter
                                                                       pro Jahr, und gleichzeitig sieht man, wie die Verwitterung
     Rohatsch: Ich sehe Gestein als Baustein der Erde. Aber viel       die Natursteine allmählich zerstört. Was abrieselt, wird vom
     spannender ist für mich, dass Stein einer der ältesten Werk-      Wasser abgetragen, und irgendwann setzt neue Gesteinsbil-
     stoffe der Welt ist, der viel Wissen und Erfahrung benötigt. In   dung ein. Dieser Prozess passiert im Grunde auch am Denkmal:
     der so genannten Urzeit wurde nicht nur sinnlos auf Steinen       natürlicher Gesteinszerfall. Jeder Stein reagiert aber anders,
     herumgeklopft, diese Leute hatten ein vertieftes Wissen über      daher wurden historisch gesehen die Gesteine meist entspre-
     die spezifischen physikalischen Eigenschaften. Sie hatten         chend ihrer Eigenschaften verwendet. Steine, denen man große
     eine Ahnung von Härte, Festigkeit und Bruchverhalten der          Haltbarkeit zuspricht, sind in besonders exponierten Bereichen
     Gesteine.                                                         wie z. B. Architekturelementen wie Gesimse verbaut worden.
                                                                       Weiche, feinkörnige Steine hat man gern als Bildhauermate-
     Wie ist es heute um dieses Wissen bestellt?                       rial benutzt. Aber auch durch heutige Restaurierungen können
                                                                       wir diesen Verfallsprozess nicht unterbinden. Wir können nur
     Rohatsch: Wir machen hier am Institut für Geotechnik der TU       versuchen, die Dynamik etwas zu verringern.
     Wien im Wesentlichen kontrollierte Gesteinszerstörung und
     versuchen, physikalische Eigenschaften wie Härte, Dichte          Rohatsch: Das Traurige ist: Eigentlich haben wir seit 2000

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Denkmal heute 2/2013

                                  Jahren nichts dazugelernt. Wir kennen Details, können chemi-     gefehlt hat. Angeblich wurde Michelangelo gebeten, diesen
                                  sche Formulierungen aufstellen, Einflüsse mit mikroskopischen    Arm zu ergänzen, aber er hat abgelehnt mit der Begründung,
                                  Untersuchungen exakter eruieren, aber vom Grundprinzip           dass wir nicht das Recht haben, an diesem antiken Monument
                                  her haben Vitruv und Plinius die Problematik schon festge-       den Arm zu rekonstruieren. Der Arm wurde dennoch rekons-
                                  macht. Vitruv forderte, dass Gesteine, die man im Hochbau        truiert, und 1903 findet man den originalen Arm – und siehe
                                  verwenden will, mindestens zwei Jahre an warmen, lichten und     da: Er passte nicht. Die Rekonstruktion war ein ausgestreckter,
                                  trockenen Stellen auslagern müssen. Wenn sie von der Natur       der gefundene ein abgeknickter Arm. Das zeigt, dass Restau-
                                  geprüft werden und nicht bestehen, kann man sie für Funda-       rieren immer eine Zutat ist, ob sie gelungen ist oder nicht.
                                  mente verwenden.                                                 Auch die technische Komponente spielt eine Rolle: Im Zuge
                                                                                                   der Entwicklung gab es viele neue Materialien, Mittel und
                                  Ist das Wachstum von Steinen mit jenem von Holz vergleichbar:    Methoden. Jeder hat zu seiner Zeit geglaubt, dass die neueste
                                  Sind Steine, die schneller gebildet werden, leichter und nicht   technische Entwicklung – seien es Zemente, seien es Kunst-
                                  so widerstandskräftig wie jene, die langsamer entstehen?         harze – die ultimative Lösung ist. Diese Dinge wurden mitunter
                                                                                                   unreflektiert eingesetzt, und wir RestauratorInnen haben oft
                                  Beseler: Man kann es vielleicht indirekt vergleichen, weil es    mit den Folgeschäden zu kämpfen. In der Regel haben wir
                                  nicht nur eine Art der Gesteinsentstehung gibt. Marmor ist       es mit einer Kombination aus Gesteinsalterung und ungüns-
                                  zum Beispiel das Produkt einer Metamorphose eines anderen        tigen Systemeigenschaften vormaliger Restauriermaterialien
                                  Ausgangsgesteins. Entsprechend dieser Genese sind die Eigen-     zu tun. Wenn ich zum Beispiel auf einen aufgewitterten Stein
                                  schaften anders, und sie können sogar gänzlich anders sein,      zu dichte und harte Zementschlämmen gebracht habe, bringt
                                  obwohl die Gesteine mitunter chemisch das Gleiche sind.          das ein neues Schadenspotenzial ein.

                                  Gibt es bessere und schlechtere Steine?                          Rohatsch: Meist kommt es zur Beschleunigung der Alterung.

                                  Rohatsch: Seitdem man Gesteine verwendet und es schrift-         Beseler: Genau. Wir wollen aber „entschleunigen“. Auch wir
                                  liche Überlieferungen gibt, spielt man mit ihrem Namen:          arbeiten heute nach bestem Wissen und Gewissen und nach
                                  Granit ist unsterblich, Marmor ist kostbar, Sandstein ist ein    unserem technischen Verständnis, gerade mit dem Input der
                                  Klumpert. Dabei kenne ich Sandsteine, die weit bessere Eigen-    erfahrenen Materialwissenschaftler. Oft ist es jedoch besser,
                                  schaften haben als ein Granit oder Marmore, die schon nach       weniger zu tun. Zusätzlich haben wir es aber auch mit unserer
                                  drei Jahren an der Fassade zu einem kristallzuckerähnlichen      eigenen Umweltgeschichte zu tun: das Jahrhundert mit der
                                  Gemenge zerfallen. Was auch heute noch zu wenig berück-          größten Umweltverschmutzung liegt hinter uns, das hat auch
                                  sichtigt wird, obwohl man es seit 2000 Jahren weiß, ist das      auf den steinernen Kunstwerken Spuren hinterlassen. Schwarze
                                  Zusammenspiel von Stein, Mörtel und Beschichtung. Dadurch        Verkrustungen und Oberflächenverluste durch schwefelsauren
                                  entstehen gravierende Schäden.                                   Regen, verursacht durch fossile Brennstoffe, sind u. a. die
                                                                                                   Folge.
                                  Zum Beispiel?
                                                                                                   Michelangelo wäre heute also wieder modern?
                                  Beseler: Meine Vorlesungen auf der Angewandten habe ich
                                  gern mit der Laokoon-Gruppe begonnen, bei der ein Arm            Beseler: Heute werden die Erhaltungskonzepte für ein
                                                                                                   Denkmal im interdisziplinären Prozess von Materialwissen-
                                                                                                   schaftlern, Kunsthistorikern, Architekten und Restauratoren
                                                                                                   in engster Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt (BDA)
                                                                                                   gemacht. Nach intensiver Auseinandersetzung mit dem
                                                                                                   Bestand und dem Zustand des Natursteinobjektes sowie im
© BDA, Foto: Bettina Neubauer-Pregl

                                                                                                   Kontext mit der Denkmalgeschichte wird gemeinsam ein Ziel
                                                                                                   und ein Konzept entwickelt.

                                                                                                   Können Sie österreichische Beispiele nennen?

                                                                                                   Rohatsch: Bei sehr großen Objekten, wie zum Beispiel den
                                                                                                   Museen oder aktuell dem Rathaus, ist eine lange Vorlauf-
                                                                                                   zeit eine wesentliche Voraussetzung, um mit technischen,

                                                                                                                                                                     33
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