Aus stein? - Tag des Denkmals 2013
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Denkmalpflege in Österreich 5. Jahrgang, Ausgabe 2/2013 TAG DES Denkma ls 29. Sept em ber Österreich 9,- Euro ● Schweiz 16,- SFR ● EU 10,- EURo Aus Stein? – Tag des Denkmals 2013 Was eigentlich ist Stein? ● Gestein im Gespräch ● Blaustein in der Wiener Hofburg ● Stumme Zeugen Steinsammlung in Mauerbach ● Tipps zum Schutz der Steine ● Berillen und cristallen wart vür glas gesetzt
Alles um uns verändert sich. Und das immer schneller. Da ist es wichtig, dass man nicht nur nachhaltig plant, sondern auch so handelt. Damit, was immer schon gut war, auch in Zukunft seinen Platz hat. Nur eine Bank ist meine Bank. Erst wenn man immer einen Schritt voraus ist, hat man auch genug Zeit, sich umzudrehen und zu erkennen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Seit mehr als 100 Jahren bietet Raiffeisen Lösungen nicht nur für den Moment, sondern immer auch für die Zukunft. www.raiffeisen.at
Denkmal heute 2/2013 Editorial Foto © G. Bergmeier, L. Nitsche/Graphische Foto © Raimo Rudi Rumpler Die Österreichische Gesellschaft der Denkmalfreunde freut Mit der aktuellen Ausgabe von „Denkmal heute“ steht erneut sich, Ihnen in dieser Ausgabe von „Denkmal heute“, zum Tag das Motto des Tags des Denkmals und damit die Frage des Denkmals, die Vielfältigkeit des Materials Stein – speziell < aus Stein? > im Zentrum. Stein, die planetare Urmaterie, in der Baukunst und Skulptur – aufzuzeigen: Ob Denkmal, hat wie kaum ein anderer Stoff die kulturelle Entwicklung der Schloss, Kirche oder Schatzfund, das österreichische Kultur- Menschen geprägt. Steinerne Denkmale erzählen uns erbe bietet ein bemerkenswertes Angebot an spannenden Schicksalsgeschichten: als Meilenstein, Grabstein, Mühl- und manchmal überraschenden Aspekten zum Thema Stein. stein, Schmuckstein, Kunststein, Grenzstein, Ziegel- Denn Stein ist viel mehr als nur ein Baumaterial! stein, Gerichtsstein, Flussstein und als Steinwerkzeug. Als Werkstoff und Rohstoff ist Stein, aber auch Stein- Wie vielfältig und manchmal unbekannt die Palette der An- imitat und Kunststein für Bau- und Kunstdenkmale sowie wendung von Stein in Baudenkmalen und skulpturaler Kunst, für die Kulturlandschaften von fundamentaler Bedeutung. in technischen Denkmalen oder in der Kulturlandschaft sowie Mit der Widerstandfähigkeit von Stein ist seit jeher auch der im Bereich der Archäologie ist, erfahren Sie in dieser Ausgabe. Gedanke der Memoria verbunden. Die Sehnsucht des Men- Folgen Sie uns auf den Pfaden durch die in Stein gemeißelte, schen, ewig in Erinnerung zu bleiben, ist in zahllosen aber dennoch lebendige kulturelle Geschichte, die einen großen Beispielen unseres kulturellen Erbes aus Stein festgemacht. Teil unserer gemeinsamen Identität ausmacht. In seiner Eigenschaft als fast unzerstörbarer Gedächtnis- Die Gesellschaft der Denkmalfreunde will mit Ihrer Unter- träger, der die ihm anvertrauten Botschaften scheinbar ewig zu stützung dazu beitragen, diese Werte zu bewahren und so an die bewahren vermag, steht Stein gleichsam symbolhaft für den zukünftigen und nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Anspruch der Denkmalpflege, die materiellen Zeugnisse Wir laden Sie ein, unserer Gesellschaft beizutreten, dieses unserer Geschichte authentisch und lebendig für die Zukunft Gedankengut durch Ihre Mitgliedschaft weiterzutragen und zu bewahren. Die Methoden der Denkmalpflege sind – wie die Bewahrung des kulturellen Erbes auch zu Ihrem Anliegen die der Wissenschaften – nicht in Stein gemeißelt. Mit neuen zu machen. Wir wollen Sie für die Bewahrung des kulturellen Erkenntnissen und dem rasanten Zuwachs an Wissen sind Erbes begeistern und als neue Mitglieder gewinnen! Denkmalforschung, Denkmalschutz und Denkmalpflege ge- fordert, die Auseinandersetzung mit den Denkmalen immer wieder aufs Neue anzugehen. Das aktuelle „Denkmal heute“ vermittelt diese Prozesse anhand vieler konkreter Beispiele. Mag. Martin Böhm Dr. Barbara Neubauer Präsident der Österreichischen Gesellschaft Präsidentin des Bundesdenkmalamtes der Denkmalfreunde 3
Inhalt 44 56 Denkmalpflege Aktuell Wotrubas Kalksteinfigur „Sitzender“ 6 aus Stein? Historische Gärten: Die künstliche Ruine im < aus Stein? > Schlosspark Damtschach 8 Was eigentlich ist Stein? 30 Burgenland: Ein ehemaliges k.k. Kadetteninstitut 10 Interview mit SteinexpertInnen: „Oft ist es besser, weniger zu tun“ 32 Kärnten: Günther Domenigs künstlerisches Vermächtnis 12 Blaustein in der Wiener Hofburg 36 Niederösterreich: Das Herzogengrab im Frauenchor des Spurensuche Geschichtlichkeit – Stift Zwettl 14 Wiener Stephansdoms 40 Oberösterreich: Die Herz-Jesu-Kirche in Wels 16 Interview: Tipps zum Schutz der Steine 42 Salzburg: Die Ruine des ehemaligen Die Steinsammlung der Wiener Ansitzes Gröbendorf in Mariapfarr 18 Weltausstellung 1873 44 Archäologie: Am Anfang war der Stein? 20 Steinimitation und Kunststein 48 Steiermark: Burg Thalberg – Ein romanischer Stein- und Zeitzeuge 22 „Edelsteine“ in der Glasmalerei 50 Tirol: Der römische Meilenstein im Stift Wilten 24 Vom Lehmziegel zum Hightech-Produkt 52 Wien: Eine tragende Rolle - die Atlanten im Gedanken zur Ikonografie und Stadtpalais des Prinzen Eugen 26 Ikonologie des Steins 56 Vorarlberg: Ensemble Altstadt Feldkirch: Stumme Zeugen – „Und die Steine sind hart, Immer für Überraschungen gut 28 aber fest unser Schritt“ 60 4
Denkmal heute 2/2013 52 36 6 Denkmal Aktiv Die „Steinklasse“ an der Angewandten 64 Österreichische Gesellschaft der Denkmalfreunde 66 Die Wiener Höhenstraße 68 Die Steinmetze der Linzer Dombauhütte 70 74 Symposium „kirchenRÄUMEn“ 72 Das Rote Wien – 61 „Der steinerne Wahlaufruf!“ 74 Denkmaltag für Schulen 2013: So lebendig kann Stein sein 78 LERNORT DENKMAL Internationaler Fotopreis „IHPE“ 80 Europa Nostra-Preis 2013 81 Impressum, Vorschau 82 12 40 5
DENKMALPFLEGE AKTUELL Wotrubas Kalksteinfigur „Sitzender“ Fritz Wotrubas Kalksteinfigur „Sitzender“ ist ein Sinnbild unendlicher Einsamkeit Die Figur als Archetypus Ulrike Emberger-Gaisbauer 6
Denkmal heute 2/2013 Auf einem Felsblock hockt eine menschliche Figur in gebeugter Literatur: Pose, die Beine angewinkelt, die Arme lose auf den Knien Wotruba (1907–1975). Skulpturen – Zeichnungen – Druckgrafiken, Galerie aufliegend. Der blockhafte, würfelige Kopf ist gesenkt, die Welz, Salzburg 1999, Einleitung. Gesichtszüge auf einen Nasenvorsprung und schmale Augen- Kurt Bartsch, Gerhard Melzer (Hrsg.), Zwillingsbrüder. Elias Canetti und schlitze reduziert. Trotz Stilisierung und Reduktion ist der Fritz Wotruba, Wien 2005, S. 79ff. nach innen gerichtete Blick spürbar, eine Konzentration und Matthias Boeckl, Die Plastik des 20. Jahrhunderts. 1945–1975. Von der Versenkung in die eigene Mitte. Der „Sitzende“ (H: 112 cm, Figur zum Ritual, in: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, B: 58 cm, T: 85 cm) stellt jedoch kein Individuum dar, sondern München/London/New York 2002, S. 210ff. einen Archetypus, also einen alle Menschen in sich verei- Otto Breicha (Hrsg.), Wotruba – Figur als Widerstand. Bild und Schriften nenden Menschentypus, der jenseits von Raum und Zeit steht. zu Leben und Werk, Salzburg 1977, S. 152. Otto Breicha, Fritz Wotruba Werkverzeichnis. Skulpturen, Reliefs, Bühnen- Fritz Wotruba, 1907 in Wien geboren und zum Graveur und und Architekturmodelle, St. Gallen 2002, WV Nr. 121. Bildhauer ausgebildet, emigrierte 1938 mit seiner jüdischstäm- Wilfried Seipel (Hrsg.), Zeitlos. Das Menschenbild in der Skulptur und migen Frau in die Schweiz, wo er die Kriegsjahre zubrachte. Zeichnung Fritz Wotrubas. Eine Retrospektive, Wien 1995, Kat.-Nr. 18. Als er 1945 aus dem Exil zurückkehrte und eine Professur an der Akademie der bildenden Künste in Wien annahm, war dies für den inzwischen 38-Jährigen ein völliger Neubeginn. Es mangelte an allem, im praktischen Leben wie im univer- sitären Alltag. Dennoch schuf sich der „Unerbittliche“ inner- halb weniger Jahre eine Position als herausragender Bildhauer, der in ganz Europa Anerkennung fand. Seine Wiener Wohnung wurde zum Treffpunkt für Künstler, Musiker und Kreative, die der Nachkriegs-Tristesse der Stadt entfliehen wollten, seine Werke erzielten eine einzigartige Vorbildwirkung. Wotrubas erste Arbeit nach dem Schweizer Exil war die 1946 entstandene Steinfigur „Große Stehende“ („Kathedrale“), ein Sinnbild des zerstörten Stephansdoms, zugleich aber auch ein Hoffnungsträger für eine ganze Generation. Zu jener Zeit setzte der Wandel in Wotrubas Schaffen ein: eine zunehmende Stili- sierung mit kubischen Formelementen, die das Blockhafte des Steins immer mehr zum eigentlichen Ausdrucksträger werden ließ. Der „Sitzende“ repräsentiert den Übergangsstil hin zur späteren Tektonisierung und macht – wie kein anderes Werk des Künst- lers – den radikalen Entwicklungsprozess sichtbar, der sich innerhalb einer minimalen Zeitspanne vollzog. Die Kalk- steinfigur ist eine reife Arbeit von spröder Sinnlichkeit und sensiblem Charme, die den suchenden und sich besinnenden Menschen nach dem Krieg thematisiert: ein Bildnis unend- licher Einsamkeit, aber auch einer wieder erwachenden Hoffnung. Das heute in Privatbesitz befindliche Werk wurde in Zusam- menhang mit einer Versteigerung unter Denkmalschutz gestellt. Ein Bronzeabguss befindet sich in der Fritz Wotruba Privat- Fritz Wotrubas Kalksteinfigur „Sitzender“ ist 1946/47 entstanden und stiftung Wien, ein weiterer im Eigentum der Stadt Zürich. befindet sich in Privatbesitz © BDA, Fotos: Bettina Neubauer-Pregl 7
DENKMALPFLEGE AKTUELL Künstliche Ruine im Schlosspark Damtschach Historische Gärten Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erwarb Felix Wolfgang Baron Die künstliche Jöchlinger von Jochenstein das Schloss Damtschach und begann vermutlich ab 1817, einen großzügigen Landschafts- Ruine im park im so genannten „englischen Stil“ anzulegen, der zeit- typische Staffagebauten beinhaltete. Zu den besonderen Blick- fängen in Damtschach zählt eine künstliche, gotisierende Schlosspark Ruine südwestlich des Schlosses, die, der damaligen Gesin- nung entsprechend, an Vergangenes gemahnen sollte. Das aus Damtschach Bruchsteinmauerwerk und Ziegeln errichtete Bauwerk gilt als eine der größten künstlichen Gartenruinen Österreichs. Ihre Entstehung wird im Jahr 1824 vermutet. Generell gibt es kaum schriftliche oder bildliche Überliefe- Stephan Bstieler rungen zum Bauwerk. Die Ruine erstreckt sich südwestlich des Schlosses entlang eines natürlichen Gefälles im Parkgelände. Ihre zinnenbekrönte Mauer schließt direkt an die Schloss- 8
Denkmal heute 2/2013 © BDA, Fotos: Petra Laubenstein kapelle an und verläuft abfallend über einen kleinen Bach bis Khevenhüller, der Gründerfamilie des Schlosses Damtschach, hin zu einem Rundturm. Das Bauwerk, welches den Anschein gestandenen Burgruine Aichelberg verwendet haben, um einer verfallenen mittelalterlichen Burg erweckt, besitzt eine dadurch die engen Beziehungen von Burg und Schloss zu zum Garten hin gerichtete repräsentative Front und eine dem dokumentieren. Mit der 2011/2012 erfolgten Restaurierung Schloss zugewandte einfach gestaltete Rückseite samt einge- der Ruine konnte sowohl der Bestand als auch das gealterte stürzter Grotte. Erscheinungsbild des Bauwerkes erhalten werden. Die reicher gestaltete Vorderansicht weist etwas Baudekor in Form von Ziegelbögen und hervorstehenden Tragsteinen (kleine Konsolen) an den Wehrtürmen sowie Blendbögen aus Klinkersteinen auf. In der Hauptsache ist das Ruinen- mauerwerk aus Grünschiefer-Bruchsteinen errichtet, die vor Ort abgebaut wurden. Mehrere kleine Brüche entlang des Bachufers legen diesen Schluss nahe. Zudem dürfte Baron Jöchlinger für die Damtschacher Ruine ganz bewusst Wappen, Kapitelle und Marmorlaibungen aus der im Besitz der 9
DENKMALPFLEGE AKTUELL Martinskaserne in Eisenstadt Die Fassade der mächtigen Martinskaserne, die zwischen 1853 und 1858 als k.k. Kadetteninstitut errichtet wurde, ist am Baustil des Wiener Arsenals orientiert. © BDA, Fotos: Martina Oberer-Kerth Beispiele für historistische Architektur aus der Gründer- zeit finden sich in Eisenstadt nur wenige, da sich das Stadt- bild erst ab der Erhebung zur burgenländischen Hauptstadt im Jahr 1925 stärker veränderte. Die Martinskaserne am östlichen Stadtrand wurde am 1. Mai 1858 feierlich eröffnet und zählt Burgenland als markantes Beispiel zu den wenigen Objekten dieses Stils. Ein ehemaliges k.k. Zehn Jahre vor der Eröffnung war Kaiser Franz Joseph an die Macht gekommen. Schon bald, nämlich im Sommer 1849, gelang es ihm, die ungarische Rebellion niederzuschlagen und Kadetteninstitut anschließend die Größe des Habsburgerreiches wiederher- zustellen. Um die Hauptstadt Wien vor dem „inneren Feind“ zu schützen, wurden in der Folge an strategischen Punkten Kasernen platziert, darunter das Arsenal (1849–1856) und die Angelina Pötschner heutige Rossauerkaserne (1865–1869). 1852 reformierte der Kaiser das Bildungswesen des Militärs, was eine Adaptierung und Erweiterung der militärischen Infra- struktur notwendig machte. Neben Militär-Untererziehungs- 10
Denkmal heute 2/2013 AM TAG DE DENKM S ALS ZU B ESICHT IGEN häusern und Militär-Obererziehungshäusern waren auch anstalten aufgelöst. Es folgten Nutzungen als Infanterie- Kadetteninstitute notwendig, in denen künftige Offiziere kaserne, Militär-Unterrealschule, k.u.k. Militär-Oberreal- herangebildet und auf die Militärakademie vorbereitet wurden. schule, Bundesmittelschule und Sitz des Burgenländischen Als solches k.k. Kadetteninstitut wurde der mächtige Komplex Landtags. Seit 1938 wird die Anlage ausschließlich als Kaserne der Martinskaserne zwischen 1853 und 1858 am Südhang des genutzt. Leithagebirges errichtet. Es bildete ein Gegengewicht zum im Westen von Eisenstadt gelegenen Schloss Esterházy. Seit vielen Jahren wird dieses zentrale Werk historistischer Architektur im Nordburgenland etappenweise restauriert. So Unter der Bauleitung von Sigismund von Malinowski, Haupt- begann man zunächst in den 1990er Jahren mit der Kapelle. mann des Genie-Stabes, entstand das lang gestreckte, sym- Restaurierungen und Sanierungen erfuhren unter anderem metrisch angelegte dreiflügelige Hauptgebäude. Die breite auch die Sockelzone aus Naturstein, die Umfassungsmauer Fassade des Ziegel- und Quadersteinbaus wurde material- der Anlage und der Innenbereich des westlichen Erdgeschoß- sichtig gebaut und orientierte sich am Wiener Arsenal. Auch flügels. Aktuell wird mit großem finanziellem Aufwand das eine Schwimmschule mit Vorwärmbassin und ein Turnplatz ursprüngliche Erscheinungsbild des repräsentativen Vestibüls wurden in dem parkartigen Areal errichtet. wiederhergestellt. Außerdem soll die verschmutzte und verwit- terte Fassade restauriert werden. Im Laufe der Jahre wurde der Bau unterschiedlich genutzt. Nach nur 13 Jahren als Kadetteninstitut wurde es im Zuge einer weiteren Umorganisation der militärischen Bildungs- 11
DENKMALPFLEGE AKTUELL Das Steinhaus am Ossiachersee © Archiv Architekten Domenig & Wallner ZT GmbH 12
Denkmal heute 2/2013 Kärnten Günther Domenigs künstlerisches Vermächtnis TAG D AM DENKM ES ALS Andreas Lehne ZU B ESICHT IGEN Das österreichische Denkmalschutzgesetz kennt keine Zeit- Günther Domenig realisierte eine ebenso elementare wie grenzen im Hinblick auf Unterschutzstellungen. Daher besteht monumentale Architektur, die seinen Vorstellungen und die Möglichkeit, auch Schöpfungen zeitgenössischer Künst- Utopien dauerhaft Präsenz verleihen sollte. Die Tatsache, lerinnen und Künstler unter Schutz zu stellen. Davon wird dass diese Anlage so knapp nach dem Tod ihres Schöpfers jedoch nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht. Eines unter Schutz gestellt wurde, trifft sich mit den Intentionen des dieser bemerkenswerten Objekte ist das Steinhaus von Baukünstlers: In einem Interview von 1997 meinte Domenig, Günther Domenig. Der im Juni 2012 verstorbene Architekt er sei entschlossen, „Architektur zu machen, damit die Denk- gilt international längst als einer der wichtigsten Vertreter der malpfleger auch in Zukunft noch etwas zu schützen haben“. österreichischen Architektur der zweiten Hälfte des 20. Jahr- hunderts. Fast unmittelbar nach dem Ableben des Künstlers Literatur: konnte die Entscheidung über den Denkmalwert seines Stein- Thomas Trenkler, Architektur in Leoben 1995–2002, Graz 2003, S. 41. hauses getroffen werden. Das Steinhaus liegt auf einem Seegrundstück am Ossiachersee. Es war von Anfang an als gebautes architektonisches Manifest konzipiert, das zwar für Seminare, Arbeits- und Wohnzwecke genutzt werden können sollte, aber letztlich befreit von engen Funktionsvorgaben als Kunstwerk, als Verwirklichung der architektonischen Visionen seines Schöpfers wahrgenommen werden sollte. Im Laufe von mehr als 25 Jahren entstand aus schrittweise verwirklichten Architekturelementen aus Beton, Stahl und Glas eine dramatisch zerklüftete Anlage. Die einzelnen Elemente wurden bis zu einem gewissen Grad als Individuen konzipiert und dementsprechend benannt: „Drei Finger“, „Durchbruch“, „Schwebesteine“, „Großer Stein“, „Huckepack“, etc. Zusammengesetzt bilden sie zwei eng anei- nander gerückte Bauteile, die durch Brücken verbunden sind. Dazwischen gewährt die „Schlucht“ als eine zentrale Passage den Durchblick und Durchgang zum See. Im Inneren ermöglichen Stiegen, Rampen und Stege eine individuelle Erschließung der auf fünf Ebenen angeordneten Räume. Schiefe Wände und spitze Winkel kennzeichnen den dekonstruktivistischen Stil Domenigs. Die Ausstattung bleibt entsprechend spartanisch. © Archiv Architekten Domenig & Wallner ZT GmbH 13
DENKMALPFLEGE AKTUELL Stift Zwettl © BDA, Fotos: Irene Dworak AM S TAG DE LS Niederösterreich A DENKM IGEN ZU BES ICHT Spurensuche Geschichtlichkeit Petra Weiss, Petra Suchy 14
Denkmal heute 2/2013 „Renovatio“ – Bewusste Historizität Veränderungen an bestehenden Gebäuden waren zu allen Zeiten Usus, auch dort, wo einem Bau hohe historische Bedeutung zukam. Meist stand das Erfüllen neuer praktischer Erfordernisse oder der Wunsch, den gewandelten Zeitgeist auszudrücken, am Anfang der Überlegungen. Im kunst- historischen Sprachgebrauch wird für die Stiftskirche in Zwettl und ihre barocke Ausstattung der Begriff der Barockisierung verwendet. In der jüngeren Fachliteratur setzte sich indes die Meinung durch, die Verwendung dieses Begriffs sei für Umgestaltungen mittelalterlicher Kirchen zwischen 1555 und 1803 in Mittel- und Südeuropa nicht angemessen. Stattdessen beschreibt man das Phänomen der Überformung der gesamten Raumschale, um dem Bau unter Anwendung aller zeitge- mäßen Dekorationsformen eine Erscheinung zu verleihen, die den mittelalterlichen Charakter überdeckt, mit „Renovatio“ – also einer bewussten Handlung im Sinne des Weiterbauens und Gestaltens nach zeitgenössischen Kriterien. Wenn im Zusammenhang mit der Stiftskirche Zwettl vom histo- risierenden Modus die Rede ist, scheint das durchaus schlüssig. Diesen Modus aber allein an der Vollendung der Kirche in Form von zwei gotischen Langhausjochen und dem Belassen des gotischen Hochchores zuzuschreiben, greift sicherlich zu kurz. Die historisierende Renovatio ist in Zwettl vielschichtiger ausgebildet. Der Verzicht auf eine farbige Raumhülle mit illusionistischer Deckenmalerei verstärkt den vermeintlich gotischen Raumeindruck. Die im Zuge der Restaurierung festgestellte Farbigkeit mit der Betonung des Werksteins im Sinne der puren Materialität bezieht sich offensichtlich auf die Fassung des frühen 16. Jahrhunderts und spiegelt das zeitgenössische Verständnis mittelalterlicher Architektur wider. Auch die Anordnung der barocken Ausstattung und die formale wie ikonografische Altargestaltung stehen für Im September 2013 gehen im Stift Zwettl, einem der architek- das historische Verständnis der Zisterzienser, das die Wert- tonischen und spirituellen Wahrzeichen des Waldviertels, schätzung für die lange Ordenstradition mit dem geschichtlichen die Restaurierungsarbeiten von sechs Jahren zu Ende. Rund Rang des Stiftes verbindet. 13 Millionen Euro wurden seit 2007 aufgewendet, um das Projekt rechtzeitig zum 875-jährigen Bestehen des Zister- zienserstifts abzuschließen. Ein Baudenkmal wie die Stifts- und Pfarrkirche Zwettl Literatur: stellt nach den über die Jahrhunderte erfolgten zahlreichen Meinrad von Engelberg, Renovatio Ecclesiae. Die „Barockisierung“ wesentlichen Eingriffen in der Regel eine Art „Patchwork“ mittelalterlicher Kirchen, Petersberg 2005. dar. Die jeweiligen Epochen leisteten seit der Weihe der Bernhard Furrer, Die Transformation des Baudenkmals, Kirche 1159 ihre Beiträge zum heutigen Zustand, brachten in: DENKmalWERTE. Beiträge zur Theorie und Aktualität der Denk- neue Qualitäten ein, zerstörten mitunter aber Bestehendes, das malpflege, hrsg. von Hans-Rudolf Meier und Ingrid Scheurmann, Berlin, man heute als wichtig empfinden würde. Diese Veränderungs- München 2010, S. 217–226. prozesse lassen die Klosterkirche von Zwettl in ihrer Geschicht- Ingeborg Schemper-Sparholz, Barocke Erneuerung im Bewusstsein der lichkeit erkennbar werden: Denkmale sind häufig Flicken- eigenen Geschichte: Die Stiftskirche Zwettl in den Annalen des P. Malachias Linck als Beispiel für zisterziensisches Kunstverständnis im teppiche, deren Stoffstücke sich überlagern, mitunter inein- 17. Jahrhundert, in: Beständig im Wandel. Innovationen – Verwandlungen – ander verwoben, gar verfilzt sind. Konkretisierungen, hrsg. von Christian Hecht, Berlin 2009, S. 306–319. 15
DENKMALPFLEGE AKTUELL Herz-Jesu-Kirche in Wels 16
Denkmal heute 2/2013 AM TAG D DENKM ES ALS Oberösterreich ZU B ESICHT IGEN Die Herz-Jesu-Kirche in Wels Ulrike Parzmair-Pfau Mit dem Bevölkerungsanstieg im 19. Jahrhundert wurde die Stadt Wels nach Norden hin erweitert. Die mächtige Herz-Jesu-Kirche gehört zu den zentralen Bauten des neuen Stadtteils „Neustadt“. Von 1905 bis 1911 nach dem Entwurf des Linzer Dombaumeisters Matthäus Schlager errichtet, zeigt sich die Kirche außen als einheitlicher neoromanischer Bau mit steinbloßem Granit-Bruchsteinmauerwerk und Trauf- gesimsen aus Konglomeratstein. Die Außenansicht wird durch die 70 Meter hohe Doppelturmanlage und die offene Portalvor- halle akzentuiert. Das Querhaus und der Vierungsturm treten markant hervor. Die derzeit durchgeführte Sanierung umfasst eine aufwändige Außenrestaurierung. In der Analyse stellte sich heraus, dass der Granit zwar in gutem Zustand ist, der Fugenmörtel jedoch massiv ausbröckelt. Die Ursache war der geringe Bindemittel- anteil. Zudem liegt dahinter ein äußerst mürber Mauermörtel mit hohem Tonanteil. Es war daher notwendig, das komplette Fugennetz zu erneuern. Der Fugenmörtel wurde entsprechend dem Original aus Kalkzement nachgestellt. Die charakteris- tische Fugenkerbe wurde mit einem gebogenen Rundeisen erzeugt. Die Steinoberflächen wurden mittels Wasserdampf gereinigt und von der Versinterung befreit. Im Inneren der dreischiffigen Basilika wurde 2012 mit der Neufärbelung der Raumschale begonnen. Nach Vorlage einer Musterachse wurde die ursprüngliche Farbgebung aus der Erbauungszeit wiederhergestellt. Der Kirchenraum präsentiert sich in einem gebrochenen Weiß, die Architekturgliederungen werden in einem kräftigen Ocker mit nachgezeichnetem Quadermauerwerk hervorgehoben. Gemeinsam mit der neuen Verglasung, welche die Notverglasung aus der Nachkriegszeit ersetzt, zeigt der Kirchenbau nun annähernd sein historisches Die Herz-Jesu-Kirche in Wels präsentiert sich nach der Sanierung annähernd Erscheinungsbild. in ihrem historischen Erscheinungsbild © Gerhard Fraundorfer 17
DENKMALPFLEGE AKTUELL Mariapfarr im Lungau Salzburg Die Ruine des ehemaligen Ansitzes Gröbendorf in Mariapfarr Johann Eder Bis ins 14. Jahrhundert reicht die Geschichte des Ansitzes Gröbendorf in Mariapfarr im Lungau zurück, und auch wenn die heutige Ruine nur mehr den Rest des früheren Gebäudes darstellt, bildet sie doch ein wesentliches Glied in der Kette von Burgen und Ansitzen im Lungau. Das erhaltene Bauwerk und die bei den Grabungen des Vorjahres freigelegten Grund- mauern erinnern eindrucksvoll an den mittelalterlichen Adels- sitz. Der Einsturz einer Außenmauer schuf 2011 dringenden Handlungsbedarf bei diesem seit Jahrzehnten leer stehenden Denkmal. In einer dramatischen Rettungsaktion gelang 2012 die Sicherung des Gebäudes. Die Ruine des Ansitzes Gröbendorf liegt in einer Bach- schleife der Taurach östlich der Straße durch den gleichna- Der Einsturz einer Außenmauer schuf dringenden Handlungsbedarf bei dem migen Weiler bei Mariapfarr im Lungau. Bereits 1074 wurde seit Jahrzehnten leer stehenden früheren Ansitz in Gröbendorf Gröbendorf erstmals urkundlich erwähnt. Vermutlich im © BDA, Fotos: Petra Laubenstein 13. Jahrhundert erfolgte der Bau eines turmartigen Ansitzes an der Taurach, bereits 1314 und um 1320 sind Herren von Gröbendorf genannt, und 1344 wird Gröbendorf urkundlich als „Sitz“ bezeichnet. Das mittelalterliche Gebäude wurde im 14. und 15. Jahrhundert nach Westen erweitert. An den älteren, aus großen Bachsteinen erbauten Turm wurde dabei straßenseitig der heute noch sicht- bare Bestandstrakt in tendenziell kleinerem Steinmaterial 18
Denkmal heute 2/2013 angebaut. Baufuge und Steinmaterial heben den neuen Bauteil Aufsicht abgetragen. Gleichzeitig wurden einige Testgra- deutlich ab, in dem sich unter anderem ein kleiner tonnenge- bungen zur Klärung allfälliger Baubefunde im Nahbereich wölbter Raum mit Stichkappen, ein von Osten nach Westen vorgenommen, die tatsächlich ein besseres Bild von der verlaufender Gang mit Kreuzgratgewölbe und ein Stiegenhaus ursprünglichen Größe des mittelalterlichen Turmes erbrachten. befinden. Im Obergeschoß dieses Anbaues blieb bis heute ein In der ehemaligen Westmauer des Turms – der heutigen Raum mit einer – inzwischen durch einen Brand verkohlten Ostmauer des Bestandsgebäudes – wurden von den Archäo- – Holzkassettendecke erhalten. Von dem hochmittelalterlichen logen außerdem zwei Türöffnungen freigelegt. Bei der nörd- Turm ist heute nur mehr die Westmauer als Rückseite des lichen Öffnung konnten die Einzelteile eines einfach getreppten jetzigen Gebäudes sichtbar. Alle anderen Teile des hochmit- Türgewändes mit Rundbogen aus hellbraunem Kalktuff- telalterlichen Baukörpers wurden zu einem unbekannten Zeit- stein aus dem Schuttkegel des Mauereinsturzes geborgen und punkt bis unter Geländeniveau abgetragen. wieder versetzt werden – die Schwelle und der untere Teil der Türöffnung waren unter dem Schuttkegel noch erhalten. Es Um 1900 zerstörte ein Brand das Dach des Hauses, das seither dürfte sich um den ursprünglichen Zugang zum hochmittel- nur mehr provisorisch gedeckt war. Schon längere Zeit hatte alterlichen Turm gehandelt haben. der bauliche Zustand des Gebäudes Sorgen bereitet. Der Einsturz eines Mauerabschnittes an der Ostseite – der west- Bis zum Wintereinbruch 2012/2013 wurde die eingestürzte lichen Außenmauer des ursprünglichen Turmbaus – im August Mauer aus dem Material des Schuttkegels in traditioneller 2011 machte Sicherungs- und Instandsetzungsmaßnahmen Technik wieder aufgemauert und so dem Gebäude ausrei- unumgänglich. chende Stabilität gegeben. Im Laufe des Jahres 2013 erfolgen weitere Sicherungsarbeiten, um diesen ehemaligen Ansitz Dank des Engagements eines neuen Eigentümers gelang es im auch für künftige Generationen zu bewahren. Jahr 2012 nach gründlicher statischer Planung, den Bestand des Gebäudes zu sichern und die abgebrochene Mauer wiederher- zustellen. Zwischen Juni und November 2012 wurde der durch den Teileinsturz entstandene Schuttkegel unter archäologischer 19
DENKMALPFLEGE AKTUELL Am Anfang war der Stein? Die Steinzeit ist mit nicht gerade netten Klischees behaftet Am Anfang war „Steinzeit-Methoden“, „Steinzeit-Kommunismus“, „Eine Vor- gehensweise wie in der Steinzeit“ – nicht so nett, was im der Stein? Alltags-Sprachgebrauch zur Steinzeit hängen geblieben ist. „Neandertaler“ wie der allzu menschliche Fred Feuerstein aus der Zeichentrickserie komplettieren unser klischeebehaftetes Bild der Steinzeit. Bernhard Hebert Wie war es denn wirklich in der Steinzeit, die irgendwann vor ganz langer Zeit einmal war? Und warum heißt die Steinzeit Stein-Zeit? Vor fast 200 Jahren hatte der dänische Altertumsforscher Christian Jürgensen Thomsen erkannt, dass es eine zeitliche Abfolge der Materialien gibt, aus denen die frühen Menschen Geräte und Waffen herstellten. Damit war das heute noch in seinen Grundzügen gültige Dreiperiodensystem geboren, das die gesamte europäische Ur- und Frühgeschichte in Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit unterteilt. Um Werkzeuge erfinden Steingeräte, Manuporte, durchlochter Bärenzahn und bearbeiteter Knochen aus der Repolusthöhle – all das befindet sich heute im Universalmuseum zu können, musste der Mensch zunächst den Umgang mit den Joanneum Graz © Universalmuseum Joanneum Werkstoffen und deren Bearbeitungsmöglichkeiten lernen. 20
Denkmal heute 2/2013 Und da stand eben (auch) der Stein am Anfang. Selbstverständlich gab es auch andere frühe Werkstoffe wie Holz und Knochen, und noch frühere „Werkzeuge“ wie Nägel und Zähne des Menschen selbst. Man lernte, den Stein zu bearbeiten – nicht mit Metall, denn das gab es noch nicht (wie übrigens auch den ersten „Kunststoff“, die Keramik), sondern mit anderen Steinen, mit Holz und Knochen. Wenn man weiß, wie man das macht, können hervorragend funktionale und auch formschöne Waffen und Geräte entstehen. Das Schneiden von Geselchtem mit einer Steinklinge Mit einer selbst gefertigten Steinklinge Rohgeselchtes zu Fotos: © Archeonorico Burgmuseum Deutschlandsberg schneiden, war zum Beispiel ein Höhepunkt meiner Archäo- logie-Vorlesung zur Osterzeit. Es wird auch im Mittelpaläo- lithikum (mittlere Altsteinzeit) vor etwa 85.000 bis 40.000 Jahren ein Höhepunkt gewesen sein, als Neandertaler die Repolusthöhle im Murtal nördlich von Graz nutzten und dort zugerichtete Steingeräte sowie in ihrer Naturform verwendete ortsfremde Steine (Manuporte) zurückließen. Und war es in der Steinzeit nun so wie bei den Feuersteins? Na ja, natürlich nicht, aber es ging schon ganz menschlich zu, auch wenn Neandertaler eine andere Menschenart waren als wir heute: Man aß zusammen, man begrub seine Toten, man trug Schmuck – so ein durchlochter Bärenzahn wie aus der Repolusthöhle ist doch allemal eine Zierde für den Mann. Am Anfang war der Mensch, und bald einmal (vor mehr als zwei Millionen Jahren) hat er sich den Stein gegriffen. 21
DENKMALPFLEGE AKTUELL Burg Thalberg AM ES TAG D ALS M DENK HTIGEN Burg Thalberg © Burgfest Thalberg SIC ZU BE Steiermark Ein romanischer Thalberg – der Name ist Burgenkennern ein Begriff – präsen- tiert sich diese größte erhaltene romanische Burganlage der Stein- und Steiermark doch eindrucksvoll auf einem Kogel, wenn man von Hartberg Richtung Friedberg unterwegs ist. Über 90 Meter Zeitzeuge erstreckt sich allein die Kernburg mit den zwei begrenzenden Türmen, von denen der Ostturm den markantesten Bestandteil der Burg darstellt. Zugleich Bergfried, ragt er 24 Meter auf und besteht aus dem schönsten Quadermauerwerk, welches das Erik Hilzensauer ehemalige Herzogtum und heutige Bundesland aufzuweisen hatte. Jeder Quader ist mit einem Steinmetzzeichen versehen, deren Vielfalt an Formen die große Zahl an Baumeistern dokumentiert. Dies belegt zugleich den Reichtum, die Stel- lung und die Macht der ehemaligen Bauherrenfamilie. Zwei eingeritzte Wölfe, die für das Auge erst auf den zweiten Blick sichtbar werden, runden den Eindruck ab, den dieses Bauwerk ausstrahlt. Seit mehr als 800 Jahren schützt es die nebenstehende romani- sche Toranlage. Durch sie gelangt man in den großen äußeren Burghof, von wo man, mit Hilfe einer Leiter, Zugang zum Hocheinstieg des Bergfrieds hat, dessen romanisches Gewände das nächste Highlight bildet. Am Ende dieses 50 Meter 22
Denkmal heute 2/2013 langen ersten Burghofs befindet sich der dreigeschossige Wohntrakt, zu dem auch die spätgotische Burgkapelle gehört. 1488 dem hl. Nikolaus geweiht, wurde sie im 19. Jahr- hundert neugotisch überarbeitet. Den Kern des Wohntrakts bildet der ehemalige romanische Palas, von dem sich auf der Südwestseite noch ein komplettes Biforenfenster samt Mittel- säule erhalten hat. In der Gotik und Renaissance wurden diese Wohntrakte um- und ausgebaut. Sie umschließen den zweiten oder inneren Burghof. Den Abschluss der ursprünglichen Kernburg bildet schließlich der 18 Meter hohe quadratische Westturm. Bereits 1209, bei der urkundlichen Erstnennung von Thalberg, muss die Burg weitgehend fertiggestellt gewesen sein, da sich in ihr sowohl der Salzburger Erzbischof Eberhard als auch Herzog Leopold VI. aufgehalten haben. Diese Kern- oder Hauptburg wurde von der Familie Rottal Ende des 15. Jahrhunderts mit einer spätgotischen Ringmauer und Halbrundtürmen umgeben. Damals wurde auch die tiefer gelegene Vorburg errichtet und mit der Kernburg zusammen- geschlossen. Von 1610 bis zur Auflösung des Ordens im Jahre 1773 befand sich die Anlage im Besitz der Jesuiten. Danach gelangte sie wieder in Privatbesitz, verfiel jedoch im 19. Jahrhundert zusehends. Erst an der Wende zum 20. Jahrhundert wurde Thalberg wieder aufgebaut und in der Folge als Fremdenpension genutzt. Seit mehr als vier Jahrzehnten kümmert sich nun Univ.-Prof. Dr. Heinz Gisslinger um den Erhalt der Burg, die sich seit 1918 im Eigentum seiner Familie befindet. Mit großem Engagement saniert er sukzessive alle Bereiche der Anlage und macht sie im Rahmen von Veranstaltungen und Festen der Öffentlichkeit zugänglich. Quadermauerwerk mit Steinmetzzeichen. Die nur mit einer Umrisslinie wieder- gegebene Wolffigur ist zur besseren Lesbarkeit grafisch hervorgehoben © BDA, Foto: Karin Derler 23
DENKMALPFLEGE AKTUELL Meilenstein von Stift Wilten Tirol In neuem Glanz: Der römische Meilenstein im Stift Wilten Martin Pliessnig, Johannes Pöll © BDA, Foto: Bettina Neubauer-Pregl 24
Denkmal heute 2/2013 AM TAG DE DENKM S ALS ZU B ESICHT IGEN © BDA, Foto: Bettina Neubauer-Pregl Der 42 Meter lange und 2,5 Meter breite, von Norden nach Süden verlaufende Schneidergang erschließt im Erdgeschoß den Nordtrakt des Stiftes Wilten. Seine Entstehung geht auf das Jahr 1719 zurück. Im Zuge der 2012 durchgeführten Renovierung des Ganges, der als Raum für eine museale Präsentation zum Thema „Der Weg des Prämonstratensers“ umgestaltet wurde, wurde auch ein im Besitz des Stiftes Wilten befindlicher römischer Meilenstein restauriert. Dieser wurde in das museale Präsentationskonzept integriert und bildet nun einen zentralen optischen Angelpunkt im Museumsgang. Bis dahin stand der 83 Zentimeter hohe Stein, bei dem es sich um das obere Drittel eines ursprünglich wohl circa zwei Meter hohen Steins handelt, kaum beachtet in einem Winkel im Vorraum zur Stiftsbibliothek. Dorthin dürfte er schon bald nach seiner Auffindung im 18. Jahrhundert gelangt sein, wie aus entsprechenden Notizen bei Anton Roschmann (1694– 1760) hervorgeht. Die fragmentierte, in zwei Teilen erhaltene Meilensäule wurde aufwändig restauriert, wobei man erst- mals erkannte, dass es sich bei dem Stein um weißen Marmor handelt. Der untere Säulenschaft wurde mit Kunststein ergänzt, sodass das Inschriftfeld nun auf Augenhöhe liegt. Die Inschrift nennt als Auftraggeber des Straßenbaus die Kaiser Septimius Severus (146–211 n. Chr.) und Caracalla (188–217 n. Chr.) und bezeugt den Ausbau der wichtigen Nord-Süd-Verbindung über den Brenner und den Seefelder Sattel am Ende des zweiten Jahrhunderts bzw. zu Beginn des dritten Jahrhunderts n. Chr. Durch die Angabe von Ehrentiteln und Ämtern wissen wir, dass der Stein im Jahre 195 n. Chr. aufgestellt wurde. Leider fehlt auf dem Wiltener Stein die einst am unteren Ende angebrachte Entfernungsan- gabe zur Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum (Augsburg). Nach der Restaurierung wurde der nun 180 Zentimeter hohe Meilenstein in einer eigens dafür umfunktionierten Türnische in der Ostwand des Ganges aufgestellt, welche zudem mit einer Beleuchtungsinstallation versehen wurde. © Foto: Martin Pliessnig 25
DENKMALPFLEGE AKTUELL Atlanten im Stadtpalais des Prinzen Eugen © BDA, Fotos: Bettina Neubauer-Pregl Gelassen stehen sie da, die vier Atlanten, die das Podest der Wien Prunkstiege im ehemaligen Stadtpalais des Prinzen Eugen in der Wiener Himmelpfortgasse tragen. Sie flößen Ehrfurcht Eine tragende ein, wenn man, vom Licht durchfluteten Vestibül des Palais kommend, mehrere Stufen des unteren Treppenabsatzes hinauf Rolle - die steigt und unmittelbar zwischen dem unteren Paar der Atlanten steht. Man bewundert die muskulösen Körper und die stoisch blickenden, bärtigen Gesichter, wie es im Laufe der Jahrhun- Atlanten im derte wohl tausende Menschen taten. Stadtpalais des Erschaffen wurden die Atlanten von Giovanni Giuliani, 1664 in Venedig geboren, in seiner Heimatstadt, in Bologna und München ausgebildeter Holz- und Steinbildhauer, der 1690 Prinzen Eugen nach Wien kam und blieb. Die letzten dreißig Jahre seines Lebens verbrachte er im Stift Heiligenkreuz, für das er zahl- reiche prägende Werke schuf. Als er 1744 im Stift verstarb, hinterließ er eine große Sammlung an Bozzetti (kleine Ton- Sylvia Schönolt modelle von Skulpturen), die sorgsam im Stift aufbewahrt wird. Nicht zuletzt über einen solchen Bozzetto (es handelt sich um einen Entwurf für den zweiten Altlanten auf der rechten Seite des Stiegenhauses) lässt sich die Autorschaft Giovanni Giulianis beweisen.* 26
Denkmal heute 2/2013 Um 1696 erhielt Giuliani den Auftrag für die Atlanten, als und die anderen Steinteile entschied man sich daher gemein- Johann Bernhard Fischer von Erlach das Stadtpalais für Prinz sam mit dem Generalplaner, Architekt Dipl.-Ing. Heinrich Eugen von Savoyen plante. Prinz Eugen, dessen Geburtstag Strixner, Wiener Neudorf, und dem begleitenden Restaurator, sich heuer zum 350. Mal jährt, war erfolgreicher Feldherr Mag. Klaus Wedenig, Wien, alle Steinteile mit reiner Kalk- und Kunstliebhaber, der bis zu seinem Tod im Jahr 1736 drei farbe zu fassen. Hierzu musste die ausführende Firma Habsburger Kaisern dienen sollte. Er benötigte in dieser Zottmann, Judendorf-Strassengel, alle Steinteile schonend verdienstvollen Position ein standesgemäßes Domizil in reinigen, vereinzelte Risse und kleine Fehlstellen schließen der Wiener Innenstadt, für dessen Errichtung er prominente sowie lose ältere Kittungen erneuern. Abschließend wurde Architekten wählte (erst Fischer von Erlach, dann, ab etwa sorgfältig eine leicht pigmentierte Kalklasur in mehreren 1700, Johann Lucas von Hildebrandt) sowie angesehene dünnen Lagen aufgetragen, welche die Schönheit der Skulp- Künstler. turen erst richtig zur Geltung bringt. Durch den einheitlichen Farbton im gesamten Prunkstiegenhaus kann man wieder den Gut 300 Jahre nach Baubeginn des Stadtpalais, das um 1725 Raumeindruck erleben, den einst die Gäste des Prinzen Eugen in seiner Gesamtheit vollendet war, wurde das Palais einer bei der Besichtigung des Stadtpalais bewunderten. Generalsanierung unterzogen, die selbstverständlich auch die Prunkstiege beinhaltete. Von den Restauratoren und im natur- wissenschaftlichen Labor des Bundesdenkmalamtes wurden Untersuchungen durchgeführt, um festzustellen, in welcher Farbfassung die verschiedenen Oberflächen der Stiege gefär- belt waren. Die Befunde ergaben, dass die Putzflächen, * Luigi A. Ronzoni, Giovanni Giuliani (1664–1744), hrsg. von Johann Stuck- und Steinteile ursprünglich weißlich gefasst waren, Kräftner (Liechtenstein Museum Wien), Band 1: Essays, Band 2: Katalog, meist mit Kalkanstrichen. Als Restaurierziel für die Atlanten München (u. a.) 2005. 27
DENKMALPFLEGE AKTUELL Ensemble Altstadt Feldkirch AM TAG D DENKM ES ALS ZU B ESICHT IGEN Ochsenpassage nach der Revitalisierung © BDA Vorarlberg Der ehemalige Gasthof sollte nun saniert werden. An der Außenerscheinung würde sich nicht viel verändern, im Inneren Ensemble Altstadt waren die barrierefreie Erschließung und die Nutzung für Büros und Praxen angedacht – an sich ein Standardfall, möchte man meinen, da der hintere Teil des Objektes schon stark verändert Feldkirch: war und man dort Lift und Treppenhaus unterbringen konnte. Immer für Doch schon die Bauuntersuchung brachte zahlreiche Überra- schungen zutage: Die am Marktplatz typischen spätgotischen Keller zeigten auch Gewölbeansätze und Nischen, die auf das Überraschungen 14. Jahrhundert hinwiesen. Der Dachstuhl ging auf das dendro- chronologisch belegte Jahr 1581 zurück. Ein besonderes High- gut light in denkmalpflegerischer Hinsicht war die „Entdeckung“ von zwei barocken Stuckausstattungen (datiert 1644) unter Gipskartonplatten im zweiten Obergeschoß. Diese ursprüng- lich farbigen Decken waren mehrfach übermalt und hatten zudem Haftungsprobleme. Eine Fachfirma aus dem Allgäu hat Barbara Keiler sie in wochenlanger Arbeit sorgsam freigelegt, ergänzt und nach historischem Farbbefund gefasst. Die nebenan liegende frühbarocke Steintreppe mit darüber liegenden Gewölben und ovalen Fenstern wurde ebenfalls restauriert. Der Steinrestau- Das Haus am Marktplatz 7 in der Altstadt von Feldkirch – heute rator war zudem mit braun-schwarz gemusterten Kunststein- besser als ehemaliges Gasthaus Ochsen bekannt – hat eine belägen des frühen 19. Jahrhunderts an den Podesten und wechselvolle Geschichte: Es beherbergte von 1698 bis 1779 Sandsteingewänden an der Seitenfassade befasst. das Hub- und Rentamt. Um 1800 gelangte es in den Besitz der Familie Danler, die eine Gastwirtschaft einrichtete. Trotz Obwohl von außen leicht erkennbar ist, dass es sich bei den mehrerer Verkäufe und Konkurse blieb diese Nutzung beibe- Eckquaderungen und Bogeneinfassungen an der Hauptfassade halten. Um 1980 wurde der hintere Teil abgerissen und die um „imitierten Stein“ handelt, erschließt sich erst im Inneren Ochsenpassage, ein viel frequentierter Durchgang zur dahinter die wechselvolle (Bau-)Geschichte des Hauses sowie die liegenden Vorstadt, errichtet. vielen Facetten des Themas < aus Stein? >. 28
Denkmal heute 2/2013 < aus Stein? > 29. September 2013 305 Programmpunkte in ganz Österreich Der Tag des Denkmals 2013 beleuchtet viele Facetten und Erscheinungsformen, aber auch Imitationen des Materials Stein als Werk-, Roh- und Baustoff, als Dekor, Schmuck, Symbol und Gedächtnisträger. Vom Steinabbau bis zum Kalkofen, vom Granitblock bis zur Fliese, vom Relief bis zum Grabstein: Archäologische Stätten, Schlösser, Wohnhäuser, Kirchen, Brunnen, Friedhöfe, Brücken, Burgen sowie Museen und Werkstätten. Kostenloser Kulturgenuss vom Boden- bis zum Neusiedler See Fachkundige Führungen verschaffen Überblick, Vorträge vertiefen Wissen, Schaurestaurierungen erlauben den Blick über die Schulter der Profis, Workshops bieten Gelegenheit, selbst Hand an das Material Stein zu legen. Zahlreiche Familienprogramme vermitteln das Kulturerbe kindgerecht. Auf geführten Touren bietet der Tag des Denkmals die Gelegenheit, das steinerne kulturelle Erbe zu erwandern, vom historischen Arlbergweg bis zu Stadtwanderungen in Feldkirch, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Wien. Grenzen überschreitend Auch heuer stehen grenzüberschreitende Ausflüge auf dem Programm: zu Burgen und Schlössern in Böhmen, nach Sopron, Ungarn und in den slowenischen Ort Kamnik, zu Deutsch „Stein“. Wollen Sie dabei sein? Sie sind Eigentümerin oder Eigentümer eines denkmalgeschützten Objets? Sind Sie interessiert am Tag des Denkmals? Melden Sie sich unter: tdd@bda.at Programm zum Tag des Denkmals 2013: www.tagdesdenkmals.at 29
AUS STEIN? Was eigentlich ist Stein? < aus Stein? > Was eigentlich ist Stein? Wie und wo wurde und wird Stein als einer der ältesten Werkstoffe in Kunst und Kultur verwendet? Und wie geht die Denkmalpflege mit steinernen Denkmalen und ihren Verfallsprozessen um? Renate Holzschuh-Hofer Postsparkassengebäude Wien © BDA, Foto: Bettina Neubauer-Pregl 30
Denkmal heute 2/2013 In diesen simplen Fragestellungen ist auch die Frage nach Um das Panoptikum aller Stile wieder aufzuführen, wurde fundamentaler Materie – nicht nur für die Denkmalpflege – Stein als Imitat in Putz, als Kunststein oder auch in Form von enthalten. Das Wagnis, damit auf den Kern der Dinge zu zielen Naturstein im 19. Jahrhundert in einer Intensität zelebriert, um und Grundsatzstatements zu erhoffen, ist gesetzt. Wenn auch dann mit dem Secessionismus – bewusst ins Gegenteil verkehrt keine ultimativen Antworten gefunden werden mögen, so geht – genau das zu konterkarieren: Eines der feinsten Beispiele das vorliegende „Denkmal heute“ auf viele Aspekte, die mit dafür ist das Gebäude der Postparkasse in Wien. Hier präsen- diesen Fragen zusammenhängen, ein. tiert sich, im räumlichen Kontext späthistoristischer Putzfas- saden, das materialisierte Understatement: die Sockelzone aus Sternenstaub und Denkmale – oder: Was hat Astronomie mit materialsichtigem Naturstein, in den oberen Geschossen eine Denkmalschutz zu tun? Nichts oder vielleicht alles? Natür- Verkleidung mit edlen weißen Marmorplatten – „Imitat“ einer lich haben Denkmalschutz und Denkmalpflege mit dem Putzfassade?! planetaren Material Stein in jener Zusammensetzung zu tun, die der Mensch seit seiner kulturellen Entwicklung auf dem Nicht mit Worten zu fassen ist dagegen das beinahe Unaus- Planeten Erde vorgefunden hat. Es ist aber – besonders im sprechliche, an das die Erinnerung dennoch nie verstummen Kontext von Kultur und Kunst und deren Ewigkeitsanspruch darf: das Mörderregime des Nationalsozialismus, das den – durchaus sinnvoll, sich ins Gedächtnis zu rufen, wie dieser Granit als Symbol benutzt hat. Denkmalforschung, Denkmal- Urstoff beschaffen ist: Materie, die uns in die Tiefen des schutz, Denkmalpflege und deren Vermittlung tragen dazu bei, Universums entführt, Sternenstaub, winzige Partikel im inter- das Vergessen dieser dunklen Epoche zu verhindern. stellaren Raum, Staubreste längst nicht mehr strahlender Sonnen, unzählige Male erhitzt, verdichtet, abgekühlt, amorph Wenn die für die Ewigkeit bestimmten Denkmale einst viel- und kristallin, immer wieder neu agglomeriert und zu einem leicht wieder in ihre molekularen Partikel zerlegt und in Staub von ungezählten Objekten im Kosmos – unserem Planeten verwandelt werden und damit den Ausgangsstoff für etwas Erde – zusammengesetzt. völlig Neues bilden, beginnt ein neuer Zyklus, über den viel- leicht irgendwann auch wieder reflektiert wird. So könnte man – salopp formuliert – feststellen, dass die unbe- lebte und belebte Materie unseres Planeten aus dem Restmüll „toter“ Sterne hervorgegangen ist – wie Phönix aus der Asche. Mit diesem Bild sind wir, vom universellen Horizont ernüch- tert, wieder zurück auf dem Boden unseres kulturellen Erbes angelangt. Aber warum ernüchtert? Die annähernde Unendlichkeit des Universums, die im Stein als Urstoff unseres Planeten materialiter enthalten ist, hat der Mensch mit seiner Sehnsucht nach ewiger Existenz in der Kunst manifestiert. Im Artefakt aus Stein, dem widerstandsfähigsten und dauerhaftesten verfügbaren Material, hat diese Sehnsucht den adäquaten Ausdruck gefunden. Zunächst verwendet als Baumaterial zum Schutz gegen die feindliche Gewalt der Natur, dann zu Riesen- werken aufgetürmt als Symbol und Beweis der menschlichen Kraft, sich die Natur untertan gemacht zu haben, und schließlich verfeinert zurecht geschliffen als kunstvolles Dekorum war Stein schließlich wieder unverzichtbar, um in die vom Die ‚Leuchtkräftige Rote Nova‘ des Sterns V838 Monocerotis im Sternbild Menschen geordnete Welt erneut ein wenig dosiertes Chaos – Einhorn mit Resten des Entstehungsnebels der V838 Mon Sternengruppe Natur – einzuspielen. © NASA, ESA and The Hubble Heritage Team 31
Aus Stein? Gestein im Gespräch „Oft ist es besser, weniger zu tun“ Jeder Stein hat ein Verfallsdatum. Die Diplom-Restauratorin Susanne Beseler würde Steine am liebsten für die Ewigkeit erhalten. Unmöglich, sagt der Geologe Univ.-Prof. Mag. Dr. Andreas Rohatsch: In einigen Tausend Jahren sei ohnehin nichts mehr von dem übrig, was heute noch gehegt und gepflegt wird. Alexandra Rotter, Sabine Weigl-Stumpf Frau Beseler, Herr Rohatsch, Sie beide sind ExpertInnen für und Festigkeit zu ermitteln. Wir nutzen aber auch handfeste Stein und arbeiten immer wieder zusammen, dennoch sind ihre Methoden. Lege ich einen Stein auf die Zunge, weiß ich, Zugänge zu Stein vermutlich sehr unterschiedlich. Erzählen ob es Kapillarität, Frostempfindlichkeit oder ein Problem Sie uns davon. hinsichtlich kristallisierender Salze gibt. Schlage ich mit einem Hammer auf den Stein, kann ich am Klang die Festig- Andreas Rohatsch: Meine Aufgabe als Geologe ist zu fragen, keit abschätzen und ob es Risse oder hohle Stellen gibt. Heute wie Gesteine entstanden sind, welche Eigenschaften sie existieren auch Normen, um Versuchsergebnisse international haben und welche Zerfalls- oder Witterungsprozesse für den vergleichbar zu machen. Der zweite spannende Zugang für Schadenszustand verantwortlich sind. Und die Aufgabe von mich ist die Erdgeschichte. Gesteinsentstehung bewirkt unbe- Kollegin Beseler ist … dingt eine Gesteinszerstörung und eine Veränderung von Gesteinen. Für uns ist interessant, in welchen Zeiträumen sich Susanne Beseler: … zunächst mit einer ersten Inaugenschein- das abspielt. Das ist abhängig von Gesteinseigenschaften. nahme des Natursteinobjektes Schadensbilder, Schadens- Dieser Zugang ist für die Denkmalpflege der wichtigste Punkt, phänomene zu definieren und Oberflächenveränderungen nämlich: Welche Prozesse führen in welchen Zeitabschnitten oder formale Verluste festzustellen. Vorab steht die Frage, zur Zerstörung von Gestein und welche Prognosen können aus um welche Gesteine es sich handelt. Wie ist der bauzeitliche diesen Parametern für ein Denkmal gezogen werden? Bestand: Haben wir Fugen, haben wir Fassungen, Verputze? Wir nennen das Bestands- und Schadensaufnahme. Nach Beseler: Gestein bildet sich und fängt sofort an zu altern. Am dieser Vorarbeit analysiere ich die Problematik mit Hilfe von Himalaya sieht man das besonders gut: Auf der einen Seite Materialwissenschaftlern wie Prof. Rohatsch. wächst das Gebirge heute noch um mehr als einen Zentimeter pro Jahr, und gleichzeitig sieht man, wie die Verwitterung Rohatsch: Ich sehe Gestein als Baustein der Erde. Aber viel die Natursteine allmählich zerstört. Was abrieselt, wird vom spannender ist für mich, dass Stein einer der ältesten Werk- Wasser abgetragen, und irgendwann setzt neue Gesteinsbil- stoffe der Welt ist, der viel Wissen und Erfahrung benötigt. In dung ein. Dieser Prozess passiert im Grunde auch am Denkmal: der so genannten Urzeit wurde nicht nur sinnlos auf Steinen natürlicher Gesteinszerfall. Jeder Stein reagiert aber anders, herumgeklopft, diese Leute hatten ein vertieftes Wissen über daher wurden historisch gesehen die Gesteine meist entspre- die spezifischen physikalischen Eigenschaften. Sie hatten chend ihrer Eigenschaften verwendet. Steine, denen man große eine Ahnung von Härte, Festigkeit und Bruchverhalten der Haltbarkeit zuspricht, sind in besonders exponierten Bereichen Gesteine. wie z. B. Architekturelementen wie Gesimse verbaut worden. Weiche, feinkörnige Steine hat man gern als Bildhauermate- Wie ist es heute um dieses Wissen bestellt? rial benutzt. Aber auch durch heutige Restaurierungen können wir diesen Verfallsprozess nicht unterbinden. Wir können nur Rohatsch: Wir machen hier am Institut für Geotechnik der TU versuchen, die Dynamik etwas zu verringern. Wien im Wesentlichen kontrollierte Gesteinszerstörung und versuchen, physikalische Eigenschaften wie Härte, Dichte Rohatsch: Das Traurige ist: Eigentlich haben wir seit 2000 32
Denkmal heute 2/2013 Jahren nichts dazugelernt. Wir kennen Details, können chemi- gefehlt hat. Angeblich wurde Michelangelo gebeten, diesen sche Formulierungen aufstellen, Einflüsse mit mikroskopischen Arm zu ergänzen, aber er hat abgelehnt mit der Begründung, Untersuchungen exakter eruieren, aber vom Grundprinzip dass wir nicht das Recht haben, an diesem antiken Monument her haben Vitruv und Plinius die Problematik schon festge- den Arm zu rekonstruieren. Der Arm wurde dennoch rekons- macht. Vitruv forderte, dass Gesteine, die man im Hochbau truiert, und 1903 findet man den originalen Arm – und siehe verwenden will, mindestens zwei Jahre an warmen, lichten und da: Er passte nicht. Die Rekonstruktion war ein ausgestreckter, trockenen Stellen auslagern müssen. Wenn sie von der Natur der gefundene ein abgeknickter Arm. Das zeigt, dass Restau- geprüft werden und nicht bestehen, kann man sie für Funda- rieren immer eine Zutat ist, ob sie gelungen ist oder nicht. mente verwenden. Auch die technische Komponente spielt eine Rolle: Im Zuge der Entwicklung gab es viele neue Materialien, Mittel und Ist das Wachstum von Steinen mit jenem von Holz vergleichbar: Methoden. Jeder hat zu seiner Zeit geglaubt, dass die neueste Sind Steine, die schneller gebildet werden, leichter und nicht technische Entwicklung – seien es Zemente, seien es Kunst- so widerstandskräftig wie jene, die langsamer entstehen? harze – die ultimative Lösung ist. Diese Dinge wurden mitunter unreflektiert eingesetzt, und wir RestauratorInnen haben oft Beseler: Man kann es vielleicht indirekt vergleichen, weil es mit den Folgeschäden zu kämpfen. In der Regel haben wir nicht nur eine Art der Gesteinsentstehung gibt. Marmor ist es mit einer Kombination aus Gesteinsalterung und ungüns- zum Beispiel das Produkt einer Metamorphose eines anderen tigen Systemeigenschaften vormaliger Restauriermaterialien Ausgangsgesteins. Entsprechend dieser Genese sind die Eigen- zu tun. Wenn ich zum Beispiel auf einen aufgewitterten Stein schaften anders, und sie können sogar gänzlich anders sein, zu dichte und harte Zementschlämmen gebracht habe, bringt obwohl die Gesteine mitunter chemisch das Gleiche sind. das ein neues Schadenspotenzial ein. Gibt es bessere und schlechtere Steine? Rohatsch: Meist kommt es zur Beschleunigung der Alterung. Rohatsch: Seitdem man Gesteine verwendet und es schrift- Beseler: Genau. Wir wollen aber „entschleunigen“. Auch wir liche Überlieferungen gibt, spielt man mit ihrem Namen: arbeiten heute nach bestem Wissen und Gewissen und nach Granit ist unsterblich, Marmor ist kostbar, Sandstein ist ein unserem technischen Verständnis, gerade mit dem Input der Klumpert. Dabei kenne ich Sandsteine, die weit bessere Eigen- erfahrenen Materialwissenschaftler. Oft ist es jedoch besser, schaften haben als ein Granit oder Marmore, die schon nach weniger zu tun. Zusätzlich haben wir es aber auch mit unserer drei Jahren an der Fassade zu einem kristallzuckerähnlichen eigenen Umweltgeschichte zu tun: das Jahrhundert mit der Gemenge zerfallen. Was auch heute noch zu wenig berück- größten Umweltverschmutzung liegt hinter uns, das hat auch sichtigt wird, obwohl man es seit 2000 Jahren weiß, ist das auf den steinernen Kunstwerken Spuren hinterlassen. Schwarze Zusammenspiel von Stein, Mörtel und Beschichtung. Dadurch Verkrustungen und Oberflächenverluste durch schwefelsauren entstehen gravierende Schäden. Regen, verursacht durch fossile Brennstoffe, sind u. a. die Folge. Zum Beispiel? Michelangelo wäre heute also wieder modern? Beseler: Meine Vorlesungen auf der Angewandten habe ich gern mit der Laokoon-Gruppe begonnen, bei der ein Arm Beseler: Heute werden die Erhaltungskonzepte für ein Denkmal im interdisziplinären Prozess von Materialwissen- schaftlern, Kunsthistorikern, Architekten und Restauratoren in engster Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt (BDA) gemacht. Nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Bestand und dem Zustand des Natursteinobjektes sowie im © BDA, Foto: Bettina Neubauer-Pregl Kontext mit der Denkmalgeschichte wird gemeinsam ein Ziel und ein Konzept entwickelt. Können Sie österreichische Beispiele nennen? Rohatsch: Bei sehr großen Objekten, wie zum Beispiel den Museen oder aktuell dem Rathaus, ist eine lange Vorlauf- zeit eine wesentliche Voraussetzung, um mit technischen, 33
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