Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW

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Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
Erziehung & Wissenschaft        01/2022    PERSONALRÄTE
  Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW

           ELTERN                               ERZIEHERINNEN UND
                                                     ERZIEHER

                                                             SCHULE
LEHRKRÄFTE

                      Mitbestimmung
KITA             in Bildungseinrichtungen

                                                            STUDIERENDE

 BETRIEBSRÄTE

                                              VOLKSHOCHSCHULE
            HOCHSCHULE
                                         SCHÜLERINNEN UND
                                             SCHÜLER
Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
2 GASTKOMMENTAR

                                                                             Foto: Franziska Schäfer/HSI
              JOHANNA
           WENCKEBACH

              Mehr Mitbestimmung nötig!
               Seit dem 18. Juni 2021 ist das Betriebsrätemodernisierungs-                                 gerne als „New Work“ diskutiert wird, auch bessere Arbeit
               gesetz in Kraft, das nach mehreren Monaten schwieriger                                      bedeutet. Betriebsräte stellen sicher, dass die Interessen der
               Verhandlungen zwischen Union und SPD im Mai 2021 im                                         Beschäftigten nicht unter die Räder kommen. Dazu brauchen
               Bundestag beschlossen wurde. Damit erhält das Betriebs-                                     sie einen passenden rechtlichen Rahmen.
               verfassungsgesetz eine neue Fassung. Davor wurden die                                       Der Gesetzgeber hat mit der jüngsten Reform zwar aner-
               gesetzlichen Regeln der betrieblichen Mitbestimmung                                         kannt, dass das Mitbestimmungsrecht reformiert werden
               jahrzehntelang nicht reformiert – allen Veränderungen der                                   muss, wenn Betriebsräte zur Mitgestaltung der digitalisierten
               Arbeitswelt und den neuen Herausforderungen für die be-                                     Arbeitswelt ermächtigt werden sollen. Mit besseren Hand-
               triebliche Mitbestimmung durch Globalisierung, Digitali-                                    lungsmöglichkeiten bei Qualifizierung und Weiterbildung,
               sierung und Transformation der Wirtschaft zum Trotz. Die                                    mobiler Arbeit sowie beim Einsatz von KI im Betrieb geht die
               Reform ist allerdings nur ein erster Schritt. Die neue Bun-                                 Reform zentrale Handlungsfelder für Modernisierungen an.
               desregierung, die einen „Aufbruch wagen“ will, hat sich eine                                Allerdings viel zu zaghaft. Vor dem Hintergrund von Entgren-
               „Weiterentwicklung“ der betrieblichen Mitbestimmung vor-                                    zung und Verdichtung durch Digitalisierung, aber auch von
               genommen – was das genau heißt, lässt der Koalitionsver-                                    drohendem Personalabbau durch Transformation nimmt die
               trag allerdings offen.                                                                      Personalplanung eine entscheidende Rolle ein. Es geht um
               Unter Verweis auf Studien der Hans-Böckler-Stiftung zu                                      große Verteilungsfragen, aber auch Gesundheits- und Daten-
               schwindender Interessenvertretung und Bekämpfung von                                        schutz.
               ­Betriebsratsgründungen – bis hin zu illegalen Methoden des                                 Während der Pandemie hat sich die Mitbestimmung als kri-
                sogenannten Union Busting – hatte der Gesetzentwurf der                                    senfest erwiesen. Betriebsvereinbarungen zur mobilen Arbeit
                alten Bundesregierung vor allem das Ziel, die Gründung und                                 zum Beispiel gab es dort häufig schon, Kurzarbeit konnte in
                Wahl von Betriebsräten zu erleichtern. Nur noch 9 Prozent                                  routinierten Abläufen eingeführt werden und Betriebsräte
                der betriebsratsfähigen Betriebe hatten 2019 einen Betriebs-                               standen als Ansprechpartnerinnen und -partner für Beschäf-
                rat, nur 40 Prozent der Arbeitnehmenden in Deutschland                                     tigte zur Verfügung.
                ­haben eine betriebliche Interessenvertretung an ihrer Seite.                              Mitbestimmung im Betrieb ist gelebte Demokratie in der
                 Das sind viel zu wenige!                                                                  ­Arbeitswelt. Aus der arbeitsrechtlichen Perspektive ist sie
                 Aber nicht nur Betriebsratsgründungen müssen erleichtert                                   unerlässlich, um individuelle Beschäftigtenrechte durchzuset-
                 werden. Es braucht auch mehr Mitbestimmungsrechte. Hier                                    zen, Arbeitsplätze zu sichern und die Transformation in den
                 gelang der letzte große Wurf 1972 – Globalisierung kam erst                                Betrieben im Interesse der Beschäftigten zu gestalten. Mit-
                 später, und „künstliche Intelligenz“ (KI) war damals science                               sprache auf Augenhöhe ist gerade in großen Umbruchphasen
                 fiction! Neue Technik, etwa KI, wird die Arbeitswelt und vie-                              essenziell. Die Zukunft der Arbeitswelt sollte mehr Mitbestim-
                 le Berufsbilder in den nächsten Jahren massiv verändern.                                   mung vorsehen, wenn sie für möglichst viele gut werden soll.
                 Unternehmen setzen auf die Bereitschaft von Beschäftigten                                  Das zu wagen, wäre ein echter Aufbruch!
                 jeden Alters, an Veränderungen teilzuhaben, auf Gewohntes
                 und Eingespieltes zu verzichten, sich zu verändern und Neu-                               Johanna Wenckebach,
                 es zu erlernen. Aber es ist kein Automatismus, dass das, was                              Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts der Hans-Böckler-Stiftung

  Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
INHALT   3

                                                                  Prämie
Inhalt                                                          des Monat
                                                                          s
                                                                     Seite 5
                                                                                            IMPRESSUM
                                                                                            Erziehung und Wissenschaft
                                                                                            Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 74. Jg.

                                                                                            Herausgeberin:
                                                                                            Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
                                                                                            im Deutschen Gewerkschaftsbund
                                                                                            Vorsitzende: Maike Finnern
                                                                                            Redaktionsleiter: Ulf Rödde
Gastkommentar                                                                               Redaktion: Jürgen Amendt
                                                                                            Redaktionsassistentin: Katja Wenzel
Mehr Mitbestimmung nötig!                                                       Seite 2    Postanschrift der Redaktion:
                                                                                            Reifenberger Straße 21
                                                                                            60489 Frankfurt am Main
Impressum                                                                       Seite 3    Telefon 069 78973-0
                                                                                            Fax 069 78973-202
                                                                                            katja.wenzel@gew.de
Auf einen Blick                                                                 Seite 4    www.gew.de
                                                                                            facebook.com/GEW.DieBildungsgewerkschaft
                                                                                            twitter.com/gew_bund
Prämie des Monats                                                               Seite 5
                                                                                            Redaktionsschluss ist in der Regel
                                                                                            der 7. eines jeden Monats.
Schwerpunkt: Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen                                         Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich.
                                                                                            Nachdruck, Aufnahme in Onlinedienste und Internet
1.   Personal- und Betriebsräte: Nicht nur ein Kummerkasten                     Seite 6    ­sowie Vervielfältigung auf Datenträger der „Erziehung
                                                                                             und Wissenschaft“ auch auszugweise nur nach vorheri-
2.   Die Montanmitbestimmung: Blaupause für mehr Demokratie                     Seite 10    ger schriftlicher Genehmigung der Redaktion.
3.   GEW-Kommentar: Zu viele weiße Flecken                                      Seite 13   Die E&W finden Sie als PDF auf der GEW-Website unter:
4.   Mitsprache für Schülerinnen und Schüler: Teilhabe und Entscheidungsmacht   Seite 14   www.gew.de/eundw.
                                                                                            Hier wird die E&W auch archiviert.
5.   Studierende an Hochschulen: Mitbestimmung unter Vorbehalt                  Seite 18
                                                                                            Gestaltung:
6.   Engagierte VHS-Lehrkräfte: Gemeinsamer Einsatz macht stark                 Seite 20   Werbeagentur Zimmermann GmbH
                                                                                            Kurhessenstraße 14
                                                                                            60431 Frankfurt am Main
Schule                                                                                      Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitglieds-
                                                                                            beitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der
1. Leihverträge für Dienstgeräte: „Keine Angst vor Haftung!“                    Seite 22   Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30
2. Streit um Kopfnoten in Sachsen: Viel Lärm um nichts                          Seite 40   Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der
                                                                                            Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen,
                                                                                            Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland,
                                                                                            Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die
Tarif- und Beamtenpolitik                                                                   jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für un-
                                                                                            verlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexem-
1. Tarifergebnis Länder 2021: 2,8 Prozent und 1.300 Euro Corona-Sonderzahlung Seite 24     plare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit
                                                                                            dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge
2. GEW-Kommentar: Kompromiss in Pandemiezeiten                                Seite 27     stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder
                                                                                            der Herausgeberin dar.

Hintergrund: Ampelkoalitionsvertrag                                                         Verlag mit Anzeigenabteilung:
                                                                                            Stamm Verlag GmbH
1. Der Koalitionsvertrag: Mehr Bildung wagen!                                   Seite 28   Goldammerweg 16
                                                                                            45134 Essen
2. GEW-Kommentar: Gute Ansätze, aber Fragen bleiben                             Seite 31   Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller
                                                                                            Telefon 0201 84300-0
                                                                                            Fax 0201 472590
                                                                                            anzeigen@stamm.de
Gesellschaftspolitik                                                                        www.erziehungundwissenschaft.de
                                                                                            gültige Anzeigenpreisliste Nr. 41
1. Bund-Länder-Zusammenarbeit: Es braucht jetzt Veränderungen!                 Seite 32    vom 01.01.2019,
2. DGB-Index „Gute Arbeit“ in der Corona-Pandemie: Homeoffice – nicht für alle Seite 36    Anzeigenschluss
                                                                                            ca. am 5. des Vormonats
3. Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“: Angriffe von rechts Seite 38
                                                                                            Nutzungsrechte für digitale Pressespiegel erhalten Sie
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fair childhood – Bildung statt Kinderarbeit
                                                                                            Erfüllungsort und Gerichtsstand: Frankfurt am Main
Lieferkettengesetz nachbessern: Verhindern, verzögern, verwässern               Seite 42

Mitgliederforum                                                                 Seite 44

                                                                                            ISSN 0342-0671
GEW-Intern                                                                                                                                            e
Gerhard Jens: Eine Ära geht zu Ende	                                            Seite 45
                                                                                            Die E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei
                                                                                            gebleichtem Recyclingpapier gedruckt.
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                                                                                                                                        r
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Titel: Werbeagentur Zimmermann
                                                                                                                     I
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                                                                                                                u
                                                                                                             Ak ww
                                                                                                               t
Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
4 AUF EINEN BLICK

                Große Mehrheit für die GEW Hamburg                                                      Bildungsausgaben absolut gestiegen
                Mit einem Wahlergebnis von fast 86 Prozent zieht die Fraktion                           Die öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland sind 2020
                der GEW in die Hamburger Lehrerkammer ein. Nachdem die                                  absolut auf knapp 160 Milliarden Euro gestiegen. Das waren
                GEW bereits in der vergangenen Wahlperiode 34 von 40 Sit-                               rund neun Milliarden Euro oder 6 Prozent mehr als 2019, wie
                zen in der Lehrerkammer innehatte, konnte sie dieses gute Er-                           das Statistische Bundesamt Anfang Dezember 2021 in Wies-
                gebnis nicht nur bestätigen, sondern sogar ausbauen und um                              baden mitteilte. Bereits ein Jahr zuvor waren die Bildungsaus-
                einen weiteren Sitz zulegen. „Das ist ein sensationeller Erfolg,                        gaben um 6,3 Prozent gewachsen. Die Statistiker führen die
                eine klare Bestätigung für die Arbeit der GEW-Kolleginnen                               höheren Investitionen auch auf die Corona-Pandemie zurück.
                und -Kollegen in diesem wichtigen Gremium und ein starkes                               Unter anderem hätten Digitalisierung, Hygienekonzepte und
                Votum für unsere gewerkschaftlichen und bildungspolitischen                             zusätzliche Betreuungsangebote zu mehr Ausgaben geführt.
                Forderungen“, kommentierte Sven Quiring, Vorsitzender der                               Die Länder gaben den Angaben zufolge 111,8 Milliarden Euro
                GEW Hamburg, das Ergebnis der Lehrerkammerwahl (s. auch                                 aus und finanzierten mit rund 70 Prozent einen Großteil der
                E&W-Schwerpunkt „Mitbestimmung“ in dieser Ausgabe).                                     öffentlichen Bildungsinvestitionen. Gegenüber dem Vorjahr
                Vom 22. bis 26. November vergangenen Jahres waren mehr                                  stiegen die Ausgaben der Länder um 6,6 Milliarden Euro (plus
                als 20.000 Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnen und                               6,2 Prozent). Der Bund zahlte insgesamt 13,4 Milliarden Euro
                Sozialpädagogen, Erzieherinnen und Erzieher sowie Thera-                                (plus 35,2 Prozent). Die Gemeinden gaben dagegen rund 34
                peutinnen und Therapeuten zur Wahl der Lehrerkammer auf-                                Milliarden Euro für Bildung aus, etwa 2,7 Prozent weniger
                gerufen. Laut Schulgesetz berät sie die zuständige Behörde                              als im Vorjahr. In Bezug zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), also
                bei allen das Schulwesen betreffenden Entscheidungen von                                der Wirtschaftskraft Deutschlands, gesetzt stagnieren die
                grundsätzlicher Bedeutung.                                                              Bildungsausgaben jedoch seit Jahren. Im internationalen Ver-
                                                                                                        gleich hinkt die Bundesrepublik mit ihren Bildungsinvestitio-
                Prien neue KMK-Präsidentin                                                              nen weiter deutlich hinter anderen Industrienationen zurück,
                Schleswig-Holstein stellt in diesem Jahr die Präsidentin der                            wie der Bericht „Bildung auf einen Blick“ der Organisation für
                Kultusministerkonferenz (KMK). Die Ministerin für Bildung,                              wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Jahr
                Wissenschaft und Kultur des Landes, Karin Prien (CDU), wur-                             für Jahr belegt.
                de Anfang Dezember vergangenen Jahres während der vir-
                tuellen 376. Kultusministerkonferenz zur KMK-Präsidentin                                Modisches Klassenbewusstsein
                gewählt. Sie folgt der brandenburgischen Bildungsministerin                             Was haben der spanische Gewerkschafter Buenaventura Dur-
                Britta Ernst (SPD), die jetzt 2. Vizepräsidentin ist.                                   ruti (1896–1936), die Politikerin Rosa Luxemburg (1871–1919)
                Prien stellt ihre Präsidentschaft unter das Motto „Lernen aus                           und der Protest der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in
                der Pandemie“. Dabei sollen sowohl Schule als auch die kul-                             Montgomery vor 65 Jahren miteinander gemein? Jeder Per-
                turelle Bildung und die Rolle der Wissenschaft in den Blick                             sönlichkeit, jedem Ereignis widmet das „T-Shirt des Monats“
                genommen werden. Die Erfahrungen, die in der Pandemie                                   ein Motiv. Das Projekt ist eine Kooperation zwischen Working
                gewonnen worden sind, könnten dabei als Ausgangspunkt ge-                               Class History, einer Bildungsinitiative, die in verschiedenen
                nutzt werden, um bestehenden und zukünftigen Herausfor-                                 Formaten und Kanälen Geschichte von unten sichtbar macht,
                derungen zu begegnen, so Prien.                                                         und dna merch, einem Sozialunternehmen und offiziellen
                                                                                                        Weltladenlieferanten mit Sitz in Berlin. Das „T-Shirt des Mo-
                Postlep weiter DSW-Präsident                                                            nats“ folgt der Idee der „Prosumption“, einem nachhaltige-
                Prof. Rolf-Dieter Postlep bleibt Präsi-                                                 ren und kollektiven Ansatz für Produktion und Konsum. Jedes
                dent des Deutschen Studentenwerks                                                       Shirt ist streng limitiert und aus 100 Prozent Bio-Baumwolle
                (DSW), des Verbands der 57 Studen-                                                      gefertigt: Es ist nur einen Monat vorbestellbar und wird da-
                ten- und Studierendenwerke. Auf ih-                                                     nach in genau der Menge genäht und bedruckt, die in diesem
                                                                               Foto: Kay Herschelmann

                rer Online-Mitgliederversammlung im                                                     Monat geordert wurde.
                Dezember bestätigten ihn die 140 Ver-                                                   Motiv des Monats Januar 2022 ist Rosa Luxemburg. GEW-
                treterinnen und Vertreter einstimmig                                                    Mitglieder sowie Leserinnen und Leser der E&W können beim
                für zwei weitere Jahre im Amt. Der                                                      Kauf der Monats-Shirts im Shop von Working Class History
                Ökonom und Finanzwissenschaftler Prof. Rolf-Dieter                                      mit dem Discount Code „GEW20XX“ 5 Prozent sparen.
                Postlep, 75, in den Jahren 2000 bis Postlep
                2015 Präsident der Universität Kassel,                                                  Plaßmanns Rückblick
                steht seit 2017 an der Spitze des Verbands. Er ist gleichzeitig                         Und schon wieder ist ein Jahr vor-
                auch Vorsitzender des DSW-Verbandsrats, des 14-köpfigen,                                bei. Karikaturist Thomas Plaßmann,
                ehrenamtlich tätigen Beratungs- und Aufsichtsgremiums. Im                               dem die E&W zahlreiche wunderbare
                DSW-Verbandsrat gibt es drei personelle Wechsel: Petra Mai-                             Zeichnungen verdankt (s. Seite 28 f.),
                Hartung, Geschäftsführerin des Studierendenwerks Berlin,                                blickt in „Unterm Strich“ humorvoll
                ist neu dabei, ebenso die beiden Studierenden Jannik Hellen-                            und pointiert auf das Jahr 2021 zu-
                kamp, Aachen, und Karl Künne, Magdeburg.                                                rück. Thomas Plaßmann: Unterm
                                                                                                        Strich, Klartext-Verlag, Essen 2021.

   Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
Mitmachen lohnt sich ...
         ... für jedes neu geworbene GEW-Mitglied erwartet Sie ein Set Hautfarben-Stifte.*

                                                      Prämie des Monats Januar:
                                                      Hautfarben-Stifte
                                                      Mit diesen Stiften malen Kinder sich und ihre Freund*innen so, wie sie wirklich aussehen:
                                                      bunt – verschieden – hautfarben. Set mit 12 Buntstiften und 8 Wachsmalern.
                                                      Alle Erlöse fließen zu 100 Prozent in die gemeinnützigen Integrationsprojekte von GoVolunteer.

         Neues Mitglied werben und Prämie online anfordern
         www.gew.de/praemienwerbung                                                                                                                            *Dieses Angebot gilt nicht für Mitglieder
                                                                                                                                                                 des GEW-Landesverbandes Niedersachsen.

         Keine Lust auf unser Online-Formular? Fordern Sie den Prämienkatalog an!
         Per E-Mail: mitglied-werden@gew.de | Per Telefon: 0 69 / 7 89 73-211

         oder per Coupon:
                                                                                                                                                                                                            E&W-Prämie des Monats Januar 2022/Hautfarben-Stifte
    Bitte in Druckschrift ausfüllen.

                                       Vorname/Name                                                               GEW-Landesverband

                                       Straße/Nr.                                                                 Telefon                                Fax

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                                       Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M., Fax: 0 69 / 7 89 73-102
Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
6 MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

             Nicht nur ein                                                                                                      // Personalräte sind ein wichtiges
                                                                                                                                Instrument der betrieblichen
                                                                                                                                Mitbestimmung. Die Interessen-
                                                                                                                                vertretung macht sich für die
                                                                                                                                Durchsetzung der Rechte der Kol-
                                                                                                                                leginnen und Kollegen etwa an
                                                                                                                                Kitas, Schulen und in der Sozialen
                                                                                                                                Arbeit stark. //

                                                                                                                                In den Pausen eilt Susanne Hoeth
                                                                                                                                schnurstracks ins Lehrerzimmer. Sie
                                                                                                                                übernimmt extra die Frühaufsicht, da-
                                                                                                                                mit sie in den großen Pausen immer an-
                                                                                                                                sprechbar ist. „Das ist sehr wichtig für
                                                                                                                                Personalräte“, findet die Lehrerin einer
                                                                                                                                Grundschule in Frankfurt am Main. Auf
                                                                                                                                dem Tisch liegt das Hessische Schul-
                                                                                                                                gesetz griffbereit. „Das ist für unsere
                                                                                                                                Arbeit ganz wichtig“, sagt die Personal-
                                                                                                                                rätin. Kürzlich wollte zum Beispiel eine
                                                                                                                                Kollegin einen Ausflug mit ihrer Klasse
                                                                                                                                machen, aber im letzten Moment sagte
                                                                                                                                die Mutter ab, die sie begleiten sollte.
                                                                                                                                Was tun? Die Lehrerin fragte den Per-
                                                                                                                                sonalrat um Rat. Gemeinsam blätterten
                                                                                                                                sie im Gesetz und suchten die Regelung
                                                                                                                                zur Aufsichtspflicht heraus. Viele Lehr-
                                                                                                                                kräfte, so Hoeth, machten den Fehler,
                                                                                                                                direkt zur Schulleitung zu gehen und
                                                                                                                                zu fragen: Darf ich oder darf ich nicht?
                                                                                                                                „Statt um Erlaubnis zu bitten, ist es viel
                                                                                                                                besser, seine Rechte zu kennen“, be-
                                                                                                                                tont die Personalrätin. „Das stärkt das
                                                                                                                                Selbstbewusstsein.“

                                                                                                                                Auf die eigenen Rechte pochen
                                                                                                                                Die Lehrerin ist seit vielen Jahren im Per-
                                                                                                                                sonalrat aktiv. Bei Ärger, Sorgen oder
                                                                                                                                Problemen können sich die Kolleginnen
                                                                                                                                und Kollegen in der Schule jederzeit an
                                                                                                                                sie und ihre beiden Mitstreiterinnen
                                                                                                                                wenden. Eine Lehrerin beschwerte sich
                                                                                                  Fotos: Christoph Boeckheler

                                                                                                                                beispielsweise kürzlich darüber, dass sie
                                                                                                                                ständig Vertretungen übernehmen müs-
                                                                                                                                se. Das könne sie gut verstehen, betont
                                                                                                                                Hoeth im Gespräch. „Im ersten Schritt ist
                                                                                                                                wichtig, das Problem zu verbalisieren.“
               Das Schulgesetz sei sehr demokratisch, meint Susanne Hoeth. Doch in der Realität                                 Danach gilt es, das Thema – über das
               setze sich immer mehr eine „Top-down“-Steuerung durch: Schulleitung, Schulamt                                    konkrete Beispiel hinaus – strukturell in
               und Kultusministerium machten viele Vorgaben. Umso wichtiger ist ihrer Meinung                                   den Blick zu nehmen und gemeinsam zu
               nach die Arbeit der Personalräte.                                                                                überlegen: Wie lassen sich Vertretungen

  Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                                7

Kummerkasten
besser organisieren? Und wird erwartet,
dass die Vertretungskraft im Lernstoff
fortfährt? Wenn ja, muss es eine ausge-
bildete Lehrkraft sein. Externe Aushilfen
können lediglich für eine Betreuung der
Kinder eingesetzt werden. Darauf legt
die Personalrätin großen Wert. „Sonst
ist die Gefahr groß, dass unsere Arbeit
entwertet wird, nach dem Motto: Das
kann ja jeder.“
Der Frankfurter GEW-Vorsitzende Se-
bastian Guttmann betont, dass der
Personalrat per Gesetz dazu verpflich-
tet ist, „berechtigte Anliegen“ der Kol-
leginnen und Kollegen zu behandeln.
Egal, ob sich Lehrkräfte versetzen las-
sen, ihre Arbeitszeit reduzieren wollen
oder unzufrieden mit ihrem Stunden-
plan sind: „Ich habe immer ein offenes
Ohr.“ Als Personalrat hat er zahlreiche
Fortbildungen besucht, kennt sich aus
mit dem Hessischen Personalvertre-
tungsgesetz, kurz HPVG, und kann kom-
petent beraten. Wenn er jemandem zu
seinem Recht verhelfe, sei das ein tolles
Gefühl. „Doch manchmal muss ich auch
sagen: Ist blöd, aber das Problem lässt
sich ­juristisch nicht lösen.“
Wichtig sei, dass sich die Kolleginnen
und Kollegen einfach mal ihren Frust
von der Seele reden könnten. „Aber
der Anspruch geht weit über Kummer-
kasten hinaus“, betont Hoeth. „In ers-
ter Linie geht es um Empowerment.“
Das Schulgesetz sei sehr demokratisch,
meint die Gewerkschafterin. Doch in
der Realität setze sich immer mehr eine
„Top-down“-Steuerung durch: Schullei-
tung, Schulamt und Kultusministerium
machten viele Vorgaben. Umso wich-
tiger ist es ihrer Meinung nach, auf die
eigenen Rechte zu pochen. „Lehrkräfte
haben viele Gestaltungsmöglichkeiten“,
bekräftigt die Personalrätin. „Es kommt
darauf an, die demokratischen Struktu-
ren an der Schule bewusst zu machen.“
So sei die Schulleitung an die Beschlüs-
se der Gesamtkonferenz gebunden. Bei-
spiel: Durch den Sozialindex erhält ihre    Für ihre Tätigkeit werden Personalräte an Schulen zwar freigestellt, doch die Zeit
Grundschule zusätzliche Stunden. Die        reiche hinten und vorne nicht, findet der Frankfurter GEW-Vorsitzende Sebastian
Kolleginnen und Kollegen diskutierten,      Guttmann.

                                                                                                         Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
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8 MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

         >>>   was ihnen wichtiger ist: Mehr Doppel-       Für ihre Tätigkeit werden Personalräte                   eine eigene Mailadresse zu beantragen.
               besetzungen? Oder kleinere Klassen?         an Schulen eine Stunde pro Woche frei-                   „Das war’s dann aber auch schon.“
               Sie einigten sich darauf, dass weniger      gestellt. „Das ist eine homöopathische                   Nach einigen Jahren als Personalrat
               Kinder in einer Klasse sitzen. „Das wurde   Dosierung“, findet Guttmann. „Die Zeit                   an seiner Schule ist Guttmann in den
               in einem Jahrgang umgesetzt“, berich-       reicht vorne und hinten nicht.“ Die Ar-                  Gesamtpersonalrat gewechselt: Das
               tet Hoeth. „Danach war es wegen des         beit gilt offiziell als Ehrenamt. Doch nach              Gremium vertritt alle 7.200 Lehrkräfte
               Personalmangels nicht mehr möglich.“        Ansicht des Gewerkschafters müssten                      in Frankfurt beim Staatlichen Schul-
               Aktuell ist der erste Jahrgang sogar mit    die Interessenvertretungen viel stärker                  amt. Der Förderschullehrer könnte sich
               mehr Kindern besetzt als üblich. Der        unterstützt werden. Eine Schule mit 16                   für die Tätigkeit komplett freistellen
               Grund: Eine Lehrerin für eine 1. Klasse     bis 59 Beschäftigten hat Anrecht auf drei                lassen, legt aber Wert darauf, weiter-
               ist kurz vor der Einschulung ausgefal-      Personalratsmitglieder, ab 60 Beschäf-                   hin einige Stunden pro Woche an der
               len, sodass die Kinder auf die anderen      tigten auf fünf. Doch sie hätten nicht mal               Schule zu arbeiten. Nur so bekommt
               Klassen aufgeteilt werden mussten. Der      Anspruch auf einen eigenen Raum, kri-                    er hautnah mit, was die Lehrkräfte be-
               Personalrat macht sich jetzt dafür stark,   tisiert Guttmann. Auch sei nicht üblich,                 wegt. Hinzu kommt: „Einige Maßnah-
               dass die Klassenleitungen dafür zur Ent-    dass sie ein Telefon oder einen Compu-                   men hören sich in der Theorie ganz
               lastung eine Stunde pro Woche weniger       ter zur Verfügung gestellt bekämen. Im-                  gut an, aber man muss sie selbst erlebt
               unterrichten müssen.                        merhin hätten sie jetzt die Möglichkeit,                 haben.“ So weiß Guttmann aus eige-
                                                                                                                    ner Erfahrung, dass die dienstlichen
                                                                                                                    Mailadressen immer noch nicht rich-
                                                                                                                    tig funktionieren. Selbst wer bereit ist,
                                                                                                                    sein eigenes Smartphone zu benutzen,
                                                                                                                    kann sich oft nicht einloggen. Deshalb
                                                                                                                    hat der Gesamtpersonalrat in einer
                                                                                                                    Dienstvereinbarung mit dem Schulamt
                                                                                                                    festgelegt, dass wichtige Infos nicht nur
                                                                                                                    per Mail verbreitet werden dürfen. „Es
                                                                                                                    muss immer einen alternativen Weg
                                                                                                                    geben“, sagt Guttmann. „Es darf kein
                                                                                                                    Kollege ausgeschlossen werden.“

                                                                                                                    Vernetzung ist wichtig
                                                                                                                    Mit einer Dienstvereinbarung will der
                                                                                                                    Gesamtpersonalrat auch den Arbeits-
                                                                                                                    und Gesundheitsschutz an Schulen
                                                                                                                    stärken. Risse in den Wänden, kaputte
                                                                                                                    Fenster, Schimmel an der Decke: Der
                                                                                                                    enorme Sanierungsstau belaste Lehr-
                                                                                                                    kräfte im Schulalltag sehr, berichtet
                                                                                                                    Guttmann. „Wären es keine Schulen,
                                                                                                     Foto: privat

                                                                                                                    sondern normale Betriebe, wären viele
                                                                                                                    von ihnen schon längst geschlossen.“
               Benedikt Heddesheimer                                                                                Per Gesetz müssen die Schulen „regel-
                                                                                                                    mäßig“ begutachtet werden. „Doch
                                                                                                                    was heißt regelmäßig? Das kann auch
                  Benedikt Heddesheimer, Sozialpädagoge und Personalrat bei Kita                                    alle 100 Jahre sein.“ Deshalb hat der
                  Frankfurt am Main                                                                                 Gesamtpersonalrat Druck gemacht,
                  „Aktuell beschäftigt uns als Personalrat vor allem die Corona-Pandemie.                           dass künftig alle fünf Jahre eine Gefähr-
                  Während des Lockdowns haben wir zum Beispiel durchgesetzt, dass Alleiner-                         dungsanalyse an jeder Schule durchge-
                  ziehende mit Kindern im Homeoffice arbeiten können. In der Zentrale stand                         führt werden muss. „So etwas geht im
                  uns für unsere Sitzungen jahrelang ein kleiner Schulungsraum zur Verfügung,                       Schulalltag sonst schnell unter.“
                  der aber durch die Abstandsregelungen zu klein wurde. Deshalb haben wir                           Zusätzlich gibt es noch den Hauptper-
                  uns selbst auf die Suche nach einer Alternative gemacht und treffen uns jetzt                     sonalrat, der die Interessen aller hes-
                  in einer Kirchengemeinde. Dort ist es sehr kühl, und wir haben keine Tische.                      sischen Lehrkräfte vertritt und beim
                  Das stört etwas. Die Arbeit im Personalrat macht mir großen Spaß, weil wir                        Kultusministerium in Wiesbaden ange-
                  direkt etwas bewirken können. Ich sehe uns als Bremsklotz: Wenn wir nicht                         siedelt ist. Dort hätten sie zum Beispiel
                  da wären, würden die Rechte der Beschäftigten den Bach runtergehen.“                              durchgesetzt, dass befristete Verträge
                                                                                                                    üblicherweise nicht mehr mit Beginn

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Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                                                                            9

  Steve Kothe, Sozialarbeiter und Betriebsrat bei der Arbeiter-Samariter-
  Bund Lehrerkooperative in Frankfurt am Main
  „Ich habe mich ziemlich schnell überzeugen lassen, für den Betriebsrat zu
  kandidieren. Für mich war klar: Das ist gut und wichtig! Als Betriebsrat haben
  wir diverse Mitbestimmungsrechte. Das vergessen Arbeitgeber ab und zu. Als
  bei uns der Arbeitgeber die Personalakten digitalisiert hat, ohne es mit uns
  abzustimmen, sind wir bis zur Einigungsstelle gegangen und haben unser Mit-
  bestimmungsrecht eingefordert. Während der Corona-Pandemie haben wir
  uns sehr für den Schutz der Kolleginnen und Kollegen stark gemacht und eine
  eigene Betriebsvereinbarung speziell für Risikogruppen verhandelt. Ein ande-
  res Beispiel sind Fort- und Weiterbildungen: Wer darf wann wo daran teil-
  nehmen? Da fordern wir aktuell vom Arbeitgeber, klare Regelungen mit uns
  zu vereinbaren, damit niemand benachteiligt wird. Ich bin überzeugt, dass es
  Betriebsräte braucht, damit die Beschäftigten nicht gänzlich der Willkür der
  Arbeitgeber ausgeliefert sind.“

der Sommerferien enden, berichtet         dass Personalräte zwar viel bewirken
Hoeth. Ein andermal verhinderte der       könnten, aber schnell an ihre Grenzen
Personalrat eine geplante Regelung,       stießen. Wichtige Fragen wie Bezahlung
die regelmäßige und unangemeldete         und Arbeitszeit ließen sich nur durch
Unterrichtsbesuche vorsah. „So etwas      Tarifverträge regeln. Deshalb lasse sich
dient nur der Einschüchterung.“           eine richtige Entlastung der Lehrkräfte
Die Grundschullehrerin betont, wie        nur mit der Gewerkschaft durchsetzen.
                                                                                                         Foto: Kay Herschelmann

wichtig die Anbindung des Personal-       Für den 48-Jährigen steht fest: „Man
rats an die Gewerkschaft sei. Die GEW     braucht unbedingt beides.“
sorge für Vernetzung, biete Rechtsbe-
ratung und stelle allerhand Infos zur     Kathrin Hedtke,
Verfügung. Auch Guttmann betont,          freie Journalistin                                                                      Steve Kothe

                                                                                                                                     Mathias Mank, Kindheitspädagoge und Betriebsrat im
                                                                                                                                     Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt Frankfurt am Main
                                                                                                                                     „Zum ersten Mal in Kontakt mit dem Betriebsrat kam
                                                                                                                                     ich, als ich gegen meinen Willen quasi von einem Tag
                                                                                                                                     auf den anderen in eine andere Kita versetzt werden
                                                                                                                                     sollte. Bis dahin wusste ich kaum etwas über meine
                                                                                                                                     Rechte. Seit ich selber im Betriebsrat bin, denke ich oft:
                                                                                                                                     ‚Hätte ich das alles früher gewusst.‘ Wurde bei uns in
                                                                                                                                     der Kita zum Beispiel jemand während der Arbeit krank
                                                                                                                                     und ging früher nach Hause, wurde die restliche Ar-
                                                                                                                                     beitszeit als Minusstunden verbucht. Heute weiß ich:
                                                                                                                                     Krank ist krank. Zu meinen Kindern sage ich immer: Ich
                                                                                                                                     bin eine Mischung aus Rechtsanwalt und Seelsorger.
                                                                                                                                     Manche Kolleginnen und Kollegen weinen am Telefon.
                                                                                                                                     Neulich rief eine junge Erzieherin ganz verzweifelt an:
                                                                                                                                     Sie hatte die Kinder während des Mittagsschlafs kurz al-
                                                                                                                                     leine im Raum gelassen, um sich etwas zu trinken zu ho-
                                                                                                                                     len. Daraufhin drohte die Leitung ihr mit einer Abmah-
                                                                                                                                     nung. Einige haben so viel Angst, dass sie am Telefon
                                                                                     Foto: Christoph Boeckheler

                                                                                                                                     nicht mal ihren Namen oder ihre Einrichtung nennen
                                                                                                                                     wollen. Wir können dann zwar Tipps geben, aber sonst
                                                                                                                                     nichts machen. Ich rate allen, dass sie ihre Rechte auch
                                                                                                                                     in Anspruch nehmen – ohne Angst.“

Mathias Mank                                                                                                                      Aufgezeichnet von Kathrin Hedtke, freie Journalistin

                                                                                                                                                    Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
Mitbestimmung in Bildungseinrichtungen - PERSONALRÄTE ERZIEHERINNEN UND - GEW
10 MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN
                                                                                                          1951 wurde in der Bundesrepu-
                                                                                                          blik die Montanmitbestimmung
                                                                                                          eingeführt. Seitdem gab es immer
                                                                                                          wieder Versuche der Arbeitgeber,
                                                                                                          die Rechte der Arbeitnehmerin-
                                                                                                          nen und -nehmer wieder einzu-
                                                                                                          schränken. Im Bild: Beschäftigte
                                                                                                          der Hoesch AG Westfalenhütte in
                                                                                                          Dortmund bei einem Warnstreik
                                                                                                          der IG Metall zur Erhaltung der
                                                                                                          Montanmitbestimmung 1980.

                                                                                                                                                       Foto: IMAGO/Klaus Rose
                Blaupause für
                mehr Demokratie
                 // Sie gilt als Musterbeispiel              vorgeschriebene Mitbestimmung der            für eine große Feier mit viel Polit-Promi-
                 demokratischer Unternehmens-                Arbeitnehmer und Gewerkschaften zu           nenz und Wirtschaftsvertretern, es war
                 führung: die Montanmitbestim-               umgehen“, sagt er. Grund genug für die       gleichzeitig der Startschuss, für die Mit-
                 mung. Im Bundestagswahljahr                 HBS, gemeinsam mit dem Deutschen             bestimmung als Zukunftsmodell zu wer-
                 2021 feierte sie 70. Geburtstag.            Gewerkschaftsbund (DGB) im vergange-         ben. Denn auch wenn seine Bedeutung
                 Anlass für die Hans-Böckler-                nen Jahr eine groß angelegte Kampagne        nicht zuletzt mit dem Ende der Stein-
                 Stiftung (HBS), mit einer Kam-              unter dem Slogan „Mitbestimmung si-          kohleförderung geschwunden ist: Noch
                 pagne mehr Mitbestimmung in                 chert Zukunft“ zu initiieren. Eine eigene    heute gilt das Montanmitbestimmungs-
                 Deutschlands Firmen zu fordern –            Webseite, Artikel, Pressearbeit, Social-     gesetz von 1951 als Blaupause demokra-
                 mit Erfolg. //                              Media-Posts, Erklärfilme sowie eine          tischer Unternehmensführung.
                                                             Reihe von Veranstaltungen in Berlin          Seinerzeit musste das Gesetz allerdings
                 Die 17 Zeilen auf Seite 71 und 72 des       sollten das Thema in die breite Öffent-      hart erkämpft werden. Nach dem Zwei-
                 Koalitionsvertrags hat Sebastian Sick be-   lichkeit tragen und gleichzeitig die Poli-   ten Weltkrieg drohten die Alliierten mit
                 sonders aufmerksam gelesen. Denn was        tik dazu auffordern, die Mitbestimmung       der Zerschlagung der Eisen-, Stahl- und
                 die neue Ampel-Regierung dort als Ziel      in Deutschland zu modernisieren und          Bergbau-Unternehmen, dem Rückgrat
                 ausgegeben hat, dafür kämpft seine Ar-      zu stärken.                                  der deutschen Rüstungsindustrie. Ar-
                 beitgeberin, die Hans-Böckler-Stiftung,                                                  beiterinnen und Arbeiter wehrten sich
                 seit ihrer Gründung: die Stärkung der       Paritätische Besetzung                       gemeinsam mit Gewerkschaften gegen
                 Mitbestimmungsrechte der Arbeitneh-         Der Zeitpunkt hätte kaum besser gewählt      den drohenden Verlust ihrer Arbeits-
                 merinnen und Arbeitnehmer in Unter-         sein können. 2021 kamen gleich zwei für      plätze. Mit Erfolg: 1947 setzte die bri-
                 nehmen. Um die sei es nicht gut bestellt,   die Kampagne sehr wichtige Ereignisse        tische Militärregierung deren gleich-
                 sagt Sick, der am Institut für Mitbestim-   zusammen: zum einen die Bundestags-          berechtigte Mitbestimmung durch,
                 mung und Unternehmensführung (IMU)          wahl am 26. September, andererseits          auch um zu verhindern, dass die alten
                 der Stiftung das Referat Unternehmens-      der 70. Geburtstag des Inkrafttretens        Machtverhältnisse in die Betriebe zu-
                 recht und Corporate Governance leitet.      des Montanmitbestimmungsgesetzes             rückkehrten.
                 „Unternehmen nutzen vielfältige Strate-     am 7. Juni. Das Jubiläum nahmen die          Unter Bundeskanzler Konrad Adenauer
                 gien, um die in Deutschland gesetzlich      HBS und der DGB nicht nur zum Anlass         (CDU) drohte die Montanmitbestim-

    Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                                 11

mung wieder zurückgedreht zu werden.          Stimmen der Arbeitnehmervertreter            leitender Funktion sitzen – die damit
Den Unternehmern war sie von Beginn           bestellt werden. „Bis heute gelten da-       auch der Arbeitgeberseite nahesteht.
an ein Dorn im Auge. Mitten im Wieder-        mit in der Montanmitbestimmung be-           Gleichzeitig hat der Aufsichtsratschef,
aufbau des zerstörten Landes drohten          sonders demokratische Regeln“, heißt         der immer von der Anteilseigner-Seite
die Arbeiterinnen und Arbeiter in den         es beim DGB.                                 gestellt wird, bei Patt-Situationen ein
Fabriken daraufhin mit Streik. Adenau-                                                     doppeltes Stimmrecht.
er und DGB-Chef Hans Böckler verstän-         Erosion der Mitbestimmung                    Echte Mitbestimmung sehe anders aus,
digten sich letztlich auf eine Lösung. Es     Aber eben auch nur dort. Für Unterneh-       sagen die Gewerkschaften. Und auch
kam nicht zum Streik, stattdessen wur-        men aus anderen Branchen mit mehr            IMU-Direktor Daniel Hay ist der Mei-
de 1951 die Montanmitbestimmung               als 500 Mitarbeiterinnen und Mitar-          nung, „dass das Prinzip der Montan-
gesetzlich verankert. Seitdem müssen          beitern gilt seit dem 1952 eingeführten      mitbestimmung auf alle Branchen aus-
Eisen-, Stahl- und Bergbau-Unterneh-          Betriebsverfassungsgesetz eine Drittel-      gedehnt werden sollte“, wie er in einer
men mit mehr als 1.000 Beschäftigten          beteiligung, hier muss der Aufsichtsrat      Folge des HBS-Podcasts „Systemrele-
ihren Aufsichtsrat zu gleichen Teilen         nur zu einem Drittel aus Arbeitnehmer-       vant“ anlässlich des Jubiläums erklärte.
mit Vertretern der Anteilseigner sowie        vertretern bestehen.                         Gerade transformative Prozesse wie die
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-          Selbst das 1976 von einer soziallibera-      Digitalisierung, der Klimawandel und
mer besetzen. Das Besondere: Kommt            len Koalition auf den Weg gebrachte pa-      die Corona-Krise hätten gezeigt, wie
es dort zu strittigen Fragen oder einer       ritätische Mitbestimmungsgesetz, das         wichtig es sei, die Beschäftigten mitein-
Kampfabstimmung, entscheidet ein              Unternehmen mit mehr als 2.000 Be-           zubeziehen und nicht über ihre Köpfe
zusätzliches Aufsichtsratsmitglied, auf       schäftigten vorschreibt, den Aufsichts-      hinweg zu entscheiden.
das sich beide Seiten einvernehmlich          rat mit der gleichen Anzahl von Arbeit-      Ein Beispiel dafür ist die Stahlbran-
geeinigt haben. Darüber hinaus kann           geber- und Arbeitnehmervertretern zu         che, in der die Beschäftigtenzahl allein
der Arbeitsdirektor, der im Vorstand          besetzen, fällt hinter die Montanmit-        zwischen 1975 und 1998 um mehr als
eines Unternehmens das Personal-              bestimmung zurück. Denn auf der Ar-          220.000 reduziert worden ist, was auch
wesen verantwortet, nicht gegen die           beitnehmerbank muss eine Person in           dank der Montanmitbestimmung ver-            >>>

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                           Bildungsmaterial
                           Bildungsmaterial gegen
                                             gegen Rechts
                                                     Rechtsextremismus,
                                                           extremismus,
                           Menschen
                           Menschenfeindlich
                                     feindlichkeit
                                              keit und
                                                   und Gewalt.
                                                        Gewalt.
                           Für
                           Für Demokratie,
                               Demokratie, Vielfalt
                                            Vielfalt und
                                                     und Anerkennung.
                                                         Anerkennung.
                           Diskriminierung
                           Diskriminierung im
                                            im Klassenraum?
                                               Klassenraum?
                           Rechte
                           Rechte Sprüche
                                  Sprüche imim Seminar?
                                               Seminar?
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12 MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

           >>>   gleichsweise sozialverträglich und ohne     beschäftigen und dort den Großteil ihrer                                                    ternehmen mit Tochtergesellschaften
                 schwere Auseinandersetzungen abge-          Geschäfte machen. Stiftungskonstrukti-                                                      können so einen mitbestimmten Auf-
                 laufen sei, wie Professor Klaus Lompe       onen etwa, wie sie die Discounter Aldi                                                      sichtsrat verhindern.
                 und Hinrich Weis in einer 2001 veröf-       oder Lidl einsetzen, werden nicht von                                                       Das alles sind legale Schlupflöcher im
                 fentlichten Studie schreiben. „Der rasan-   den Mitbestimmungsgesetzen erfasst.                                                         deutschen Recht. Dazu kommen noch
                 te Umstrukturierungsprozess, der mit        Ebenso wenig ausländische Rechtsfor-                                                        diejenigen Unternehmen, die eigent-
                 massiven Produktivitätssteigerungen         men wie die britische „Public limited                                                       lich Mitbestimmung einführen müss-
                 und oftmals eben auch mit Arbeitsplatz-     company“ (PLC), unter der das Berliner                                                      ten, dies aber einfach nicht tun, „weil
                 verlusten verbunden war, wurde durch        Entsorgungsunternehmen Alba Group                                                           sie so gut wie keine rechtlichen Konse-
                 die Montanmitbestimmung keinesfalls         oder der Dax-Konzern Linde firmieren.                                                       quenzen zu befürchten haben“, wie Sick
                 behindert, sondern aktiv begleitet“,                                                                                                    erklärt. Mindestens 2,1 Millionen Be-
                 kommentieren die Autoren und verwei-        Legale Schlupflöcher                                                                        schäftigte in Unternehmen mit mehr als
                 sen auf große Investitionsmaßnahmen,        Ein besonders beliebter Weg, um Ar-                                                         2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
                 die von den Arbeitnehmern unterstützt       beitnehmervertreter von den Aufsichts-                                                      tern werden einer HBS-Studie aus dem
                 und oft forciert worden seien.              räten fernzuhalten, ist die europäische                                                     Jahr 2020 zufolge legal oder rechtswid-
                 Im Zuge ihrer Kampagne machte die           Aktiengesellschaft (SE). Die Zahl der                                                       rig so um ihre Mitbestimmungsrechte
                 HBS im vergangenen Jahr auf weitere         Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird                                                       gebracht. „Das gefährdet die Sozial-
                 Studien aufmerksam, die zeigen, dass        hier nur einmal festgestellt. Wächst das                                                    partnerschaft und unser Wohlstands-
                 Unternehmen mit starker paritätischer       Unternehmen weiter, wird das nicht                                                          modell“, warnt Sick. „Die Demokratie,
                 Mitbestimmung Vorteile haben: Sie           mehr berücksichtigt. Je nach Zeitpunkt                                                      die über die Mitbestimmung stattfin-
                 schneiden bei relevanten wirtschaft-        der SE-Gründung wird eine paritätische                                                      det, darf man nicht auf diese Weise mit
                 lichen Kennziffern erfolgreicher ab,        oder Drittelmitbestimmung so vermie-                                                        Füßen treten.“
                 investieren mehr und wirtschaften so-       den. Laut IMU hatten von zuletzt mehr                                                       Der eindringliche Appell sowie die For-
                 zialer und nachhaltiger. Durch die Digi-    als 100 dieser Unternehmen mit mehr                                                         derungen der HBS und der Gewerk-
                 talisierung könne zudem das zuweilen        als 2.000 Beschäftigten 80 Prozent kei-                                                     schaften für eine Stärkung der Arbeit-
                 vorgetragene Argument entkräftet wer-       ne paritätische Mitbestimmung im Auf-                                                       nehmerrechte scheint angekommen
                 den, dass Mitbestimmung die Prozesse        sichtsrat, darunter etliche Dax-Konzer-                                                     zu sein. In ihrem Koalitionsvertrag
                 und Entscheidungen in einem Unter-          ne, etwa das Immobilienunternehmen                                                          versprechen SPD, FDP und Grüne: „Die
                 nehmen verlangsamt, betont Sick.            Vonovia und der Online-Händler Zalan-                                                       Bundesregierung wird sich dafür einset-
                 Gleichzeitig warnt er vor einer zuneh-      do sowie zahlreiche große Familienun-                                                       zen, dass die Unternehmensmitbestim-
                 menden Erosion der Mitbestimmung,           ternehmen wie der Autovermieter Sixt                                                        mung weiterentwickelt wird, sodass
                 die von zahlreichen Unternehmen             oder der Schuhhändler Deichmann.                                                            es nicht mehr zur vollständigen Mitbe-
                 schlicht ignoriert oder auf legalem Weg     Ein weiteres Problem: Im Drittelbetei-                                                      stimmungsvermeidung beim Zuwachs
                 ausgehebelt werde. „Es gibt vielfältige     ligungsgesetz werden Beschäftigte der                                                       von SE-Gesellschaften kommen kann.“
                 Mitbestimmungsvermeidungsformen“,           Tochtergesellschaften nicht mitgezählt,                                                     Und weiter: „Wir werden die Konzern-
                 sagt Sick. Die funktionieren selbst dann,   wenn diese sich nicht explizit durch ei-                                                    zurechnung aus dem Mitbestimmungs-
                 wenn Unternehmen alle ihre Mitarbei-        nen Beherrschungsvertrag der Leitung                                                        gesetz auf das Drittelbeteiligungsgesetz
                 terinnen und Mitarbeiter in Deutschland     des Mutterkonzerns unterwerfen. Un-                                                         übertragen, sofern faktisch eine echte
                                                                                                                                                         Beherrschung vorliegt.“
                                                                                                                                                         Für Sick und die HBS-Kampagne sind
                                                                                                                                                         diese Zeilen ein großer Erfolg: „Damit
                                                                                                                                                         sind zwei sehr wichtige Forderungen
                                                                                                                                                         von uns teilweise im Koalitionsvertrag
                                                                                                                                                         gelandet und werden nun angegangen.“
                                                                                                      Screenshot: www.mitbestimmung-sichert-zukunft.de

                                                                                                                                                         Gleichwohl liegt das Ziel, die Mitbestim-
                                                                                                                                                         mung inhaltlich zu stärken und die Idee
                                                                                                                                                         der Montanmitbestimmung auch auf
                                                                                                                                                         alle anderen Branchen auszuweiten,
                                                                                                                                                         noch in weiter Ferne.

                                                                                                                                                         Michael Stahl,
                                                                                                                                                         freier Journalist

                 Anlässlich von 70 Jahren betrieblicher Mitbestimmung in der Bundesrepublik hat die                                                      Mitbestimmungsportal der
                 Hans-Böckler-Stiftung gemeinsam mit dem DGB unter dem Slogan „Mitbestimmung                                                             Hans-Böckler-Stiftung:
                 sichert Zukunft“ eine Kampagne initiiert.                                                                                               www.mitbestimmung-sichert-zukunft.de

    Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                                 13

                                                                                 Foto: Kay Herschelmann
         DANIEL MERBITZ

Zu viele weiße Flecken
Als Ergebnis der Novemberrevolution 1918/19 und auf Druck        Deshalb brauchen wir eine Weiterentwicklung des Betriebs-
der Arbeiterbewegung hat die Nationalversammlung in Wei-         verfassungsgesetzes und der Personalvertretungsgesetze.
mar im Jahr 1920 das Betriebsrätegesetz verabschiedet. Viele     Mitbestimmungsrechte müssen an aktuelle Herausforderun-
heutige Mitbestimmungsnormen beziehen sich auf dieses Ge-        gen angepasst werden. Auch bei traditionellen Themen wie
setz der Weimarer Republik und haben es weiterentwickelt:        Arbeitszeiterfassung, Personalbemessung und Weiterbildung
Seit 70 Jahren gibt es das Betriebsverfassungsgesetz in der      müssen die Rechte der Personalvertretungen erweitert wer-
BRD, dazu das Bundespersonalvertretungsgesetz und die Per-       den, damit diese die Interessen der Beschäftigten auch in ei-
sonalvertretungsgesetze der Länder sowie im kirchlichen Be-      ner zunehmend digitalisierten und globalisierten Arbeitswelt
reich die Mitarbeitervertretungen (MAV), die allerdings nur      weiterhin wirkungsvoll vertreten können.
eingeschränkte Rechte haben. Die Montanmitbestimmung             Mitbestimmungsstandards in Deutschland stehen unter
aus dem Jahr 1951 regelt eine paritätische Beteiligung der       Druck – durch die Globalisierung, durch skrupellos agierende
Beschäftigten im Aufsichtsrat in Unternehmen des Bergbaus        Großkonzerne, weltweit, in der Europäischen Union, in der
sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie. Dazu kom-       BRD. In der Wirtschaft ist eine effektive Mitbestimmung be-
men das Drittelbeteiligungs- und das Mitbestimmungsgesetz.       sonders als Gegengewicht zu kurzfristigen Investoreninteres-
Wir haben also einen umfangreichen Instrumentenkasten für        sen sowie bei der Umwandlung und Fusion von Unternehmen
die Mitbestimmung in den Betrieben und Einrichtungen. Vie-       wichtig. Bösartige Beispiele, bei denen sich Finanzhaie einen
le Fragen des Arbeitslebens können die Leitungsebenen nicht      Dreck um Mitbestimmung und Beschäftigteninteressen sche-
ohne die Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten ent-     ren, kennen wir zur Genüge.
scheiden. Von Versetzung über Abordnung, von Dienstplänen        Auch politische Geisterfahrer, die das hohe Lied eines Markt-
und Verteilung der Arbeitszeit bis hin zu Kündigungen, um nur    radikalismus singen, international und national, gehen gegen
einige Beispiele zu nennen. Dies sorgte und sorgt für ein Sys-   die Mitbestimmung vor. Und ganz konkret sind es subtil und
tem der Konfliktbewältigung und sichert den Betriebsfrieden      offensiv auftretende Behinderungen von Betriebsratswahlen
und das Miteinander. Der heutige ökonomische Wohlstand           bis hin zu Verschlechterungen bei den Personalratsfreistel-
dieses Landes ist ohne Mitbestimmung nicht denkbar. Im           lungen in den Ländern durch die Parlamente. Die Mitbestim-
weltweiten Vergleich sind die Mitbestimmungsmöglichkeiten        mung hat mehr Feinde als Freunde.
in der BRD sehr umfangreich. Aber darauf sollten wir uns nicht   Demokratisierung der Wirtschaft und des öffentlichen Diens-
ausruhen. Es gibt gravierende Defizite. So fordert die GEW       tes ist schon immer eine Kernforderung der Gewerkschaften.
regelmäßig eine umfassende Mitbestimmung in allen Fragen         Teilhabe und echte Mitbestimmung sind Voraussetzung für
des Dienstalltags in den Personalvertretungsgesetzen der         gute Arbeitsbedingungen vor Ort und in der Gesellschaft. Den
Länder und des Betriebsverfassungsgesetzes. Sie kritisiert,      Kapitaleignern und den durchregierenden Personalleitungen
dass das Letztentscheidungsrecht der Einigungsstellen durch      muss auf allen Ebenen die Kraft der Mitbestimmung entge-
ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts einkassiert worden      gengesetzt werden.
ist. Im Geltungsbereich von Mitbestimmungsregelungen gibt
es zu viele weiße Flecken. So fehlt es beispielsweise auch an    Daniel Merbitz,
einer Interessenvertretung für Honorarkräfte.                    GEW-Vorstandsmitglied Tarif- und Beamtenpolitik

                                                                                                          Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
14 MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

„Demokratie ist eine Herrschaftsform, eine Gesell-
schaftsform, eine Lebensform“, sagt Christa Schäfer

                                                                                                                                                    Foto: Kay Herschelmann
vom Regionalverband Berlin-Brandenburg der Deutschen
­Gesellschaft für Demokratiepädagogik. An Berliner Schulen
 organisiert Schäfer sogenannte Demokratietage.

                    Teilhabe und
                    Entscheidungsmacht
                     // Schülerinnen und Schüler                  Nun möchte der Moderator des „Ersten      Himmelmann. „Demokratie ist eine
                     sollen über ihr Lernen mitbe-                Demokratietages für Berliner Schulen“     Herrschaftsform, eine Gesellschafts-
                     stimmen dürfen, so steht es in               von den Kindern und Jugendlichen wis-     form, eine Lebensform“, sagt Schäfer,
                     den Schulgesetzen. Der Normal-               sen, was ihr jüngstes schönes Erleben     Vorstandsmitglied des Regionalverban-
                     zustand ist das allerdings (noch)            von Mitbestimmung und Demokratie          des Berlin-Brandenburg der Deutschen
                     nicht. Es fehlt an verbreiteter              in der Schule war. Klack, klack, klack    Gesellschaft für Demokratiepädagogik
                     Praxis und Zeit. //                          macht es auf Tablets und Smartphones:     (DeGeDe). Analog dazu finde Mitbe-
                                                                  U-18-Wahl und Schulversammlung,           stimmung an Schulen auf drei Ebenen
                     Freitag ist heute Demokratietag. Ein         Projektarbeit, gutes Feedback; sogar      statt: erstens in Schüler- und Elternver-
                     schöner Abschluss einer Woche, in der        „Meine letzte Klassenstunde“ wird auf-    tretungen, zweitens in basisdemokra-
                     sich Schülerinnen und Schüler aus ganz       geführt.                                  tischen Mitsprachegremien wie dem
                     Berlin zu einem Thema fortgebildet ha-                                                 Klassenrat. Und drittens in einer „Schul-
                     ben, das ihnen wichtig ist. Der Klassen-     Demokratie lernen                         kultur, in der Schülerinnen und Schüler
                     rat, der jüngst als feste Diskussionsstun-   Nicht genannt werden die gesetzlich       mitgestalten und Demokratie in der
                     de ins Berliner Schulgesetz eingeführt       verankerten Mitbestimmungsmöglich-        Praxis lernen“.
                     wurde, war in den 50 Workshops mehr-         keiten von Klassensprechern und Schü-     Rufus Franzen ist Mitglied im Berliner
                     fach Thema. Doch auch Beteiligung und        lervertretungen (SV). Warum nicht?        Landesschülerausschuss (LSA), dem
                     Partizipation, Kinderrechte und Kom-         Christa Schäfer, die den Tag organi-      höchsten Gremium der Schülerinnen
                     munikation, Konfliktmoderation und           siert hat, folgt in ihrer Antwort einem   und Schüler in der Hauptstadt. Und
                     Mediation standen auf dem Programm.          Modell des Politikdidaktikers Gerhard     natürlich wünscht er sich mehr Rechte

       Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN                         15

   für den LSA; ein Anhörungsrecht auf          Realität hängt vor allem von der Schul-     können Kritik äußern. So lernen wir,
   Senatsebene zum Beispiel. Oberstes           leitung ab, ob das gemacht wird.“           Verantwortung zu übernehmen. Und
   Ziel jedoch seien Schulen, in denen                                                      wir verstehen besser, was warum in den
   jene, die sie besuchen, in ihren Klas-       Verantwortung übernehmen                    Lehrplänen steht.“
   sen und Lerngruppen mitbestimmen.            Doch geht das überhaupt, Schülerinnen       Statt in einem Klassenrat besprechen
   Die neue Schulgesetz-Regel, laut der         und Schüler den Unterricht mitgestal-       die Schülerinnen und Schüler jeden
   mindestens monatlich – auf Beschluss         ten zu lassen? „Ja, das geht“, sagt Silas   Montag in einem Morgenkreis, was an-
   der Schulkonferenz wöchentlich – eine        Schultheiß. An der Jenaplan-Schule in       steht. In der Oberstufe gibt es monat-
   Klassenratsstunde im Plan steht, zu          Jena steckt er gerade in einem mehrwö-      liche „Ansagekonferenzen“, in denen
   der auf Anfrage sowohl Lehrkräfte wie        chigen Matheprojekt. Das Thema: Ex­         die Lehrkräfte nur zu Gast sind. Doch
   auch Schulleitung erscheinen müssen,         tremwertprobleme. „Natürlich geht es        am wichtigsten für Demokratie findet
   findet er gut: „Das schafft einen Raum       um Gleichungen, Formeln und Zahlen“,        man an der Jenaplan-Schule den Pro-
   für das Besprechen gemeinsamer The-          sagt der 17-Jährige, „doch wir bespre-      jektunterricht. Bis zu einem Drittel der
   men und Probleme. So geht niedrig-           chen, wie wir ein Thema angehen, ob         Unterrichtszeit findet in mehrwöchi-
   schwellige Mitbestimmung.“ Themen,           es einen praktischen Zugang gibt und        gen, jahrgangsübergreifenden Projek-
   ergänzt er, gebe es genug: „Welches          es uns zu schnell oder zu langsam geht“,    ten statt. Bevor eines startet, wird ge-
   Drama wird in Deutsch gelesen, mit           erläutert er. Und auch in Fragen der        fragt, wer es mit vorbereiten möchte.
   welchen Methoden lernen wir Ma-              Leistungsbeurteilung dürften Schüle-        Über das Curriculare mitzuentscheiden,
   the? Auch darüber sollten wir mitent-        rinnen und Schüler mitbestimmen, zum        sei die „höchste Form der Mitbestim-
   scheiden“, findet Franzen. Das Berliner      Beispiel über die Kriterien, nach denen     mung“, erklärt Oberstufenleiterin Helke
   Schulgesetz sieht das übrigens auch          sie bewertet werden. „Meine Eltern ha-      Felgenträger: „Partizipation heißt nicht
   so. Schülerinnen und Schüler seien           ben extra eine Schule gesucht, in der ich   nur Teilnahme, sondern ebenso Teilha-
   „ihrem Alter entsprechend (...) an der       mich beteiligen kann, je älter ich werde,   be und Entscheidungsmacht.“
   Gestaltung des Unterrichts (...) zu betei-   desto besser verstehe ich, wa­rum: Wir      Felgenträger, die bis Oktober die The-
   ligen“, heißt es darin. Franzen: „In der     werden nach unserer Meinung gefragt,        menleitung „Demokratie leben und           >>>

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16 MITBESTIMMUNG IN BILDUNGSEINRICHTUNGEN

                                                   >>>   Lernen“ im Programmteam der Deut-          dagogen herausfordere: „Wir müssen

       Gesetzliche
                                                         schen Schulakademie innehatte, wird        lernen, Macht und Verantwortung abzu-
                                                         gern auch einmal grundsätzlich: Die        geben – obwohl wir es in der Ausbildung
                                                         Institution Schule stehe „in einem ste-    meist anders gelernt und selbst erfah-

       Regelungen                                        ten Widerspruch“, sagt sie. Sie solle
                                                         Demokratie fördern, zugleich sei Mit-
                                                         sprache oft nicht gefragt: „Denken Sie
                                                                                                    ren haben“, findet Felgenträger. Wenn
                                                                                                    es gelinge, sei das Prinzip bereits auf die
                                                                                                    Kita, die es an der Jenaplan-Schule eben-
       Die Mitbestimmung der Schülerinnen                an die Empfehlungen für den Übertritt      falls gibt, zu übertragen: „Bei den Älteren
       und Schüler wird in den Schulgeset-               nach der Grundschule, an die Noten-        ernten wir die Früchte, die wir im frühen
       zen der Länder geregelt. Diese halten             gebung.“ Kinder reagierten darauf mit      Kindesalter gesät haben“, erzählt sie.
       zum Beispiel fest, ab welcher Klasse              sinkendem Selbstwertgefühl – und we-
       Sprecherinnen und Sprecher gewählt                niger Leistungsvermögen. Studien wie       Mittel selbst verwalten
       werden und welche Rechte die Schü-                der Kinderrechtereport des Deutschen       „Es heißt ja Grundschule“, befindet Arno
       lervertretung auf kommunaler und                  Kinderhilfswerks zeigten zudem: „Die       de Vries, Leiter der Berliner Reinhard-
       Landesebene hat. Bei einem Vergleich              übergroße Mehrheit sagt, sie werde in      Otto-Grundschule. Folglich müssten auch
       der Regelungen im Jahr 2019 stellte               der Schule nicht gehört.“                  Grundlagen von Mitbestimmung und
       das Deutsche Kinderhilfswerk großen               Wer sich das klar mache, komme zu ei-      Demokratie bereits in den ersten Klas-
       Nachholbedarf bei den Beteiligungs-               ner neuen Form von Unterricht, dessen      sen vermittelt werden. An seiner Schule
       rechten fest. Gefordert wurde die                 Umsetzung auch Pädagoginnen und Pä-        entscheiden Schülerinnen und Schü-
       verbindliche Wahl einer Klassenspre-
       cherin oder eines Klassensprechers ab
       der 1. Klasse sowie mindestens gleiche
       Beteiligungsrechte von Schüler- im
       Vergleich zu Elternvertretungen. In den
       Schulkonferenzen sollen Schülerinnen
       und Schüler mindestens in Drittelpa-
       rität vertreten sein, ohne Vetorechte
       anderer Gruppen. Das ist nicht in allen
       Ländern so.

       Auch die Rechte der Eltern regeln die
       Schulgesetze: etwa wie Elternver-
       treterinnen und -vertreter auf den
       einzelnen Ebenen – Klasse, Schule,
       Bezirk, Bundesland – gewählt werden
       und welche Aufgaben sie haben. In der
       Regel arbeiten die Landeselternbei-
       räte mit den zuständigen Ministerien
       eng zusammen. Ihre – allerdings im
       Föderalismus nicht gesetzlich legi-
       timierte – Bundesvertretung ist der
       Bundeselternrat.

       In der frühkindlichen Bildung hat der
       Staat keinen Bildungsauftrag. Deshalb
       sind die Rechte der Eltern von Kita-
       Kindern grundsätzlich stärker. „Die
       Erziehungsberechtigten sind an den
       Entscheidungen in wesentlichen An-
       gelegenheiten der Erziehung, Bildung
       und Betreuung zu beteiligen“, so steht
       es im (Bundes-)Sozialgesetzbuch VIII.
       Die Ausgestaltung – in Elternvertre-
       tungen, -versammlungen, -beiräten,
       -kuratorien – regeln die Kita-Gesetze
       der Länder.                         jago         Bei den Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen in Schulen gibt es in Deutschland
                                                         sollten bereits in den ersten Klassen vermittelt werden, fordern Experten.

    Erziehung und Wissenschaft | 01/2022
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